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Wenn der Souverän seine Daten verliert

von Bernd Korz

Metas erfolgreiche Datensammlung in Europa offenbart ein systemisches Versagen unserer digitalen Governance. Deutschland muss jetzt handeln – bevor andere über unsere Zukunft entscheiden.

Metas Coup im Mai 2025 war ein Weckruf: Trotz massiver rechtlicher Herausforderungen, uneinheitlicher Datenschutzbehörden und Protesten sammelt der Konzern europäische Nutzerdaten für das KI-Training. Was als Datenschutzstreit begann, entlarvt ein fundamentales Problem: Europa verliert die Kontrolle über seine digitale Zukunft.

Der Kern des Problems liegt nicht bei Meta – sondern bei uns. Die regulatorische Fragmentierung zwischen Datenschutzbehörden innerhalb Europas zeigt: Wir haben keine kohärente digitale Souveränität, sondern ein Flickwerk nationaler Alleingänge. Während Silicon Valley KI-Imperien errichtet, streiten wir über Zuständigkeiten. Als Unternehmer erlebe ich täglich die Konsequenzen: Während deutsche Firmen versuchen, im vorgegebenen Regulierungsrahmen Innovationen umzusetzen, schaffen amerikanische Konzerne. Und das scheinbar ohne Widerstand. Diese Rechtsunsicherheit lähmt Innovation bevor sie wirklich entstehen. Das muss sich ändern – radikal und sofort.

In der Bundesfachkommission Künstliche Intelligenz des Wirtschaftsrats haben wir im Schulterschluss einen klaren Fahrplan entwickelt: Deutschland braucht eine nationale „KI anwenden"-Strategie, die Datenschutz und Wettbewerbsfähigkeit versöhnt, außereuropäischen Anbietern aber eben auch klar die Grenzen des Machbaren aufzeigt. Sechs Handlungsfelder sind entscheidend:

  1. KI-gerechte Infrastruktur schaffen. Wir brauchen europäische KI-Fabriken und souveräne Datenräume, nicht nur amerikanische Cloud-Dienste. Partnerschaften mit Ländern wie Finnland für nachhaltige Rechenzentren sind dabei essentiell.

  2. Einheitliche Regeln durchsetzen. Die nationale KI-Aufsicht gehört zur Bundesnetzagentur – keine 16 verschiedenen Interpretationen mehr. Ein Regulierungsmoratorium muss bestehende Widersprüche beseitigen.

  3. Bildungsoffensive starten. KI-Grundlagen gehören ab der Grundschule in den Lehrplan. Nur eine KI-kompetente Gesellschaft kann souverän über ihre digitale Zukunft entscheiden.

  4. Innovation fördern statt behindern. Der Staat muss strategischer Ankerkunde werden und KI-Startups durch vorkommerzielle Beschaffung stärken. Universitäre Ausgründungen brauchen bessere Rahmenbedingungen.

  5. Globale Standards mitgestalten. Deutschland darf nicht nur EU-Regeln umsetzen, sondern muss internationale KI-Governance aktiv prägen – mit durchsetzungsfähigen Mechanismen.

  6. Pragmatismus vor Perfektionismus. Metas Erfolg zeigt: Während wir über optimale Lösungen debattieren, schaffen andere Realitäten. 

Digitale Souveränität bedeutet: Wir – die Bürger – bestimmen, wie unsere Daten genutzt werden. Nicht Tech-Konzerne durch juristische Winkelzüge. Meta hat bewiesen, dass unsere aktuellen Frameworks versagen.

Die neue Bundesregierung steht vor einer historischen Entscheidung: Entweder Deutschland wird zum globalen KI-Standort mit souveränen Datenstrukturen – oder wir werden dauerhaft abhängig von amerikanischen und chinesischen Plattformen.

Die Wahl liegt bei uns. Noch.

Autor: Bernd Korz ist Gründer und CEO von alugha und Experte in der Bundesfachkommission Künstliche Intelligenz und Wertschöpfung 4.0 des Wirtschaftsrats Deutschland.

Die neue Regierung steht. Wie sind Planungen und erste Umsetzungsschritte zu bewerten? Wir stellen im Table.Forum Regierungsagenda die Impulse wichtiger Stimmen aus Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft und Interessengruppen öffentlich und kompakt zur Diskussion.

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