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Ein starkes Deutschland braucht starke Länder und Kommunen

von Alexander Schweitzer

Politik für ein gutes Leben vor Ort heißt, den Alltag der Menschen in den Mittelpunkt zu rücken – und den Staat handlungsfähiger zu machen, dort, wo er den Menschen am nächsten ist: in den Städten und Gemeinden. Das können wir in Deutschland besser erreichen, wenn alle mitziehen. Wenn wir zwischen Bund, Ländern und Kommunen ein echtes Gestaltungsbündnis schließen. Drei Themen sind – auch vor der anstehenden Ministerpräsidentenkonferenz – von besonderer Bedeutung: Bürokratieabbau, Sozialkosten und das Investitionspaket Infrastruktur.

Bürokratieabbau: Der Staat muss wieder möglich machen

Wir in Rheinland-Pfalz wissen, dass zu viel Bürokratie nicht nur Prozesse verlangsamt, sondern Zutrauen in das Gemeinwesen zerstört. Mit einem ersten Bürokratieabbau-Paket kurz nach meinem Amtsantritt als Ministerpräsident haben wir im Land klargemacht, was es braucht: Weniger Vorschriften beim Bauen, digitale Schüleranmeldungen, vereinfachte Wärmeplanung – das mag kleinteilig klingen, aber es ist konkret wirksam.

Und es geht weiter: Ein zweites Paket wird folgen. Ziel ist es, die Verwaltung zu entlasten, die Städte und Gemeinden zu stärken – und das Prinzip des „Einfacher-Machens“ zu einer Leitidee politischen Handelns zu machen. Es geht nicht um das Abschaffen von Regeln, sondern um klügere Verfahren. Beratung statt Bürokratiedschungel – das ist der Weg, den Rheinland-Pfalz bei Klimaschutzprogrammen und der Förderung strukturschwacher Regionen bereits erfolgreich geht und fortsetzen wird.

Diese Haltung wünsche ich mir auch von der Bundesregierung, mit Blick auf die Infrastrukturinvestitionen und natürlich darüber hinaus. Bürokratieabbau bedeutet für mich auch, beim Erlass von Gesetzen die Situation in den Ländern und Kommunen in den Blick zu nehmen, die finanziellen und personellen Folgen von Gesetzen genau zu analysieren – Stichwort Mehrbelastungsausgleich – und dem Prinzip, dass derjenige, der eine Leistung bestellt, sie auch bezahlen muss, wirklich gerecht zu werden.

Sozialkosten: Steuerungsmöglichkeiten ausbauen, Kostendynamik eindämmen

Länder und Kommunen stehen unter Druck – nicht zuletzt durch eine stark steigende Sozialausgabendynamik. In Rheinland-Pfalz wie in anderen Flächenländern wachsen die Kosten für Jugendhilfe, Bürgergeld oder Eingliederungshilfe seit Jahren. Bundesweit lagen die Sozialleistungen im Jahr 2024 um 11,7 Prozent höher als im Jahr zuvor und beliefen sich auf insgesamt 84,5 Milliarden Euro.

Die Ursachen liegen häufig im Bundesrecht – und genau deshalb ist auch der Bund in der Pflicht, Lösungen mitzugestalten. Wer die Standards festlegt, muss auch helfen, ihre Finanzierung zu sichern. Die Bundesregierung steht hier im Wort – und sie muss dieses Wort nun einlösen.

Gleichzeitig geht es um ein modernes Verständnis von Verwaltung: Statt immer neuen Nachweispflichten braucht es mehr Transparenz, bessere Verfahren und eine partnerschaftliche Gestaltung mit freien Trägern und Kommunen. Das Land Rheinland-Pfalz geht diesen Weg – etwa durch ein gemeinsames Gutachten mit den kommunalen Spitzenverbänden, um die Kostentreiber genau zu analysieren. Ziel ist nicht eine Kürzung, sondern eine faire Ordnung.

Investitionspaket Infrastruktur: Zügig, zusätzlich, zukunftsfest

Mit dem Investitionspaket Infrastruktur sendet Deutschland ein klares Signal: Wir machen einen kraftvollen Modernisierungsschub. Deutschland muss jetzt investieren: zügig, zusätzlich und zukunftsfest – für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land, für Wachstum und sozialen Zusammenhalt.

Ich habe mich dafür eingesetzt, dass das Paket nicht nur Straßen, Schienen und Brücken umfasst, sondern auch Kitas, Schulen, Krankenhäuser und Sportstätten – unsere soziale Infrastruktur. Dank des Einsatzes von Rheinland-Pfalz und manch anderer Bundesländer erhalten die Länder einen festen Anteil von 100 Milliarden Euro. Gemeinsam mit meinen Länderkolleginnen und -kollegen fordere ich zudem, dass weitere 100 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds in Form von Bundesprogrammen an Länder und Kommunen gehen – denn dort werden Energie- und Wärmewende konkret umgesetzt.

Der Solidarpakt II könnte unsere Blaupause sein. Damals wurde Ostdeutschland mit Milliarden gestärkt. Wer heute dort die Verkehrswege, Innenstädte oder Bildungseinrichtung sieht, der merkt: Das ist an ganz vielen Stellen großartig gelungen. Genau diesen langfristigen Ansatz brauchen wir jetzt bundesweit. Dafür setze ich mich mit meinen Mitstreitern in Bund, Ländern und Kommunen ein.

„Ganz Deutschland geht es gut, wenn es Ländern und Kommunen gut geht.“ Dieser Satz ist in einer Zeit vielfältiger Herausforderungen aktueller denn je. Die Bundesländer sind zentrale Akteure unseres Gemeinwesens und die Kommunen keine nachgelagerten Vollzugsinstanzen. Sie sind Orte des Zusammenlebens und Zusammenhalts.

Rheinland-Pfalz ist das Dorfland Nr. 1 der Bundesrepublik. Rund 60 Prozent unserer Bürgerinnen und Bürger leben in Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Wir sind damit auch ein Gradmesser für die Frage, wie moderne Staatlichkeit im 21. Jahrhundert funktioniert: Dezentral, vertrauensvoll, handlungsfähig. Wenn wir Bürokratie abbauen, Sozialkosten ordnen und das Investitionspaket zügig voranbringen, stärken wir nicht nur Strukturen vor Ort. Wir machen klar, dass Bund, Länder und Kommunen als Gestaltungsbündnis erfolgreich zusammenwirken können, dass der föderale Bundesstaat der Zukunftsmotor der deutschen Demokratie ist.

Autor: Alexander Schweitzer ist Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz.

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