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Investieren statt Ignorieren: Deutschlands Chance in Thüringen

von Andreas Bühl

Mit dem Koalitionsvertrag 2025 zwischen CDU, CSU und SPD beginnt ein dringend nötiger neuer Aufbruch – für Deutschland und für Thüringen. Mehr als Krisenbewältigung: Es geht um Fortschritt in Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft. Entscheidend wird sein, ob sich dieser Anspruch im ganzen Land auch abseits der großen Zentren einlösen lässt.

Thüringen war und ist ein Spiegelbild der Entwicklungen in Deutschland. Oft sind Herausforderungen hier Frühindikatoren für das ganze Land. Viele der großen Herausforderungen der Republik treten konzentriert auf: der Wandel der Industrie, die Abwanderung junger Menschen und die damit einhergehende Demografie. Doch bieten sich große Chancen, die es zu nutzen gilt. Mit Hochschulen, Mittelstand, Innovationskraft. Mit einem historisch gewachsenen Sinn für Eigenständigkeit – und einem Wunsch nach Mitgestaltung.

Die AfD ist in Thüringen stärkste Kraft. Das ist eine politische Tatsache, aber kein unausweichliches Schicksal. Wer meint, sie zur dauerhaften Bezugsgröße zu machen, legitimiert sie paradoxerweise über die ritualisierte Ablehnung. Diesen Zirkelschluss muss Politik durchbrechen – mit Substanz, nicht Symbolik. Die Menschen haben den Anspruch, konkrete Probleme gelöst zu bekommen. Wahlversprechen müssen umgesetzt werden, damit der Verdruss aufgelöst wird. Das ist die klare Erwartungshaltung an die kommende Bundesregierung.

Gute Politik muss die Ursachen des Vertrauensverlusts ernst nehmen: strukturelle Benachteiligung, kulturelle Marginalisierung, mangelnde Anerkennung. Ostdeutsche Stimmen sind zu oft unterrepräsentiert. Weil Thüringen im besonderen Brennglas gesamtdeutscher Entwicklungen steht, bietet sich die Chance hier mutige Schritte in die Zukunft zu machen. Der Koalitionsvertrag bietet dafür die richtigen Ansätze: Ein Deutschlandfonds für Innovation könnte insbesondere dort wirksam werden, wo mutige Ideen bislang an Kapitalmangel gescheitert sind. Investitionen in Wasserstofftechnologie, KI-Anwendungen und zukunftsfähige Infrastrukturen würden nicht nur die wirtschaftliche Transformation anstoßen, sondern gezielt strukturschwache Räume stärken. Unsere Erwartung ist, dass Mittel gezielt in Regionen eingesetzt werden, wo dies besonders nötig ist, auch wenn diese vielleicht nicht das politische Schwergewicht anderer Regionen haben.  

Verwaltungsmodernisierung darf kein Randthema sein, sondern ist entscheidend: Wenn öffentliche Verfahren transparenter, schneller und digitaler werden, kehrt Vertrauen zurück. Wer erlebt, dass der Staat funktioniert, nimmt ihn als legitim wahr. Thüringen könnte zur Pilotregion für diese neue, digitale Verwaltungskultur werden.

Dasselbe gilt für den Arbeitsmarkt. Es braucht Verlässlichkeit: gute Arbeit, bezahlbaren Wohnraum, erreichbare Betreuung und intakte Infrastruktur. Einen wirklichen Wechsel braucht es in der Migrationspolitik. Der neue Koalitionsvertrag formuliert es deutlich. Wer bleiben darf, soll willkommen sein - wer kein Bleiberecht hat, muss konsequent zurückgeführt werden. Willkommenskultur kann nur dort gelingen, wo die eigene Kultur nicht überstrapaziert wird. Die Einwohner des Freistaates haben eine klare Erwartungshaltung. Wenn die Bundesregierung hier Lösungen schafft, bietet sich eine echte Chance, Menschen wieder zurück in die politische Mitte zu holen.  

Der Bund stellt bis zu 500 Milliarden Euro für Infrastruktur bereit. Diese Investitionen müssen auch als Antwort auf soziale Polarisierung begriffen werden. Glasfaser, Verkehrsanbindung, Bildungseinrichtungen und Gesundheitsversorgung müssen nicht nur in Metropolen funktionieren, sondern strukturschwache Regionen neu beleben. Thüringen könnte exemplarisch zeigen, dass politisch herausfordernde Ausgangslagen nicht zu Stagnation führen müssen.

Auch die Energiepolitik darf nicht technokratisch bleiben. Thüringen braucht bezahlbare Energie – aber auch die Chance, beim Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung selbst Wertschöpfung zu erzeugen. Industriestrompreis, dezentrale Speicher, Wasserstoffprojekte: dies alles braucht es nicht nur in den großen Zentren, sondern im ganzen Land.

Leistung muss sich wieder lohnen. Investitionen müssen vor konsumtiven Ausgaben stehen. Die Menschen wollen weniger Belastungen. In Thüringen kann sich zeigen, wie man diese Versprechen mit konkreten Taten erneuert. Jetzt ist die Zeit, nicht aus Angst vor der AfD weniger zu unternehmen, sondern aus Verantwortung für die Demokratie mehr zu wagen.

Autor: Andreas Bühl ist CDU-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag.

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