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Ausbau Windkraft im Süden gefährdet - konkrete Impulse bei Wärme fehlen

von Martin Stümpfig

Die Liste der notwendigen Maßnahmen und Unterstützungen im Bereich Energie und Klima aus Ländersicht ist lange. Ich möchte mich auf zwei Kernthemen beschränken: Windkraft und Wärme. Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat in den letzten drei Jahren unter der Ampelregierung deutlich zugenommen. Diese positive Entwicklung darf nun nicht ausgebremst werden. Insbesondere wäre es eine sehr schlechte Entscheidung, wenn die zwei Prozent Flächenziele für die Windkraft auf halber Strecke stecken bleiben. Gerade aus bayrischer Sicht kann ich betonen, dass wir selbst in Bayern und trotz einer fast zehn Jahre langen Stagnation durch die sogenannte 10H Regel der bayerischen Staatsregierung seit Einführung des Wind-an-Land-Gesetzes und der verbindlichen Flächenausweisungen eine für mich wieder vollkommen überraschende, positive Grundstimmung in den Kommunen haben. Der Wind hat sich sozusagen komplett gedreht und Windkraftprojekte haben wieder Rückenwind. Dies könnte durch den Wegfall des zweiten Ausweisungsschrittes zur Erreichung des zwei Prozent Ziels gefährdet werden. Noch stärker würde sie gefährdet, wenn das Thema Energiepreissenkung, das sich wie ein roter Faden durch den Koalitionsvertrag zieht und nun auch durch die Person der Wirtschaftsministerin verstärkt ist, als neues Dogma der Koalition auserkoren wird. So lässt die Überprüfung des Referenzertragsmodells für Windkraftanlagen auf Kosteneffizienz an sogenannten unwirtschaftlichen Schwachwindstandorten Böses ahnen.

Ohne den Ausgleich über das Referenzertragsmodell können Windkraftanlagen in ganz Süddeutschland niemals gegen Windkraftanlagen im Norden in Ausschreibungen gewinnen. Der Windkraftzubau im Süden käme komplett zum Erliegen. In Bayern würde dies dann ein zweites Mal erfolgen, das zarte Pflänzchen würde zertrampelt mit wohl noch gravierenderen Folgen als unter 10H. Eine reine Betrachtung der Energiepreise und eine Abstempelung von 50 oder 60 Prozent Standorten als unwirtschaftlich, ist komplett einseitig und geht an den wahren Kosten vorbei. Auch auf diesen Standorten können zwischen zehn und 15 Millionen Kilowattstunden mit einer Windkraftanlage erzeugt werden. Der Importbedarf nach Bayern betrug im Jahr 2024 rund 20 TWH. Der gesamte Importbedarf nach Deutschland betrug im gleichen Jahr im Saldo 28 TWH. Eine Beschränkung des Windkraftzubaus auf den Norden würde die Winterstromlücke im Süden weiter vergrößern, den Transportbedarf und die Leitungskosten stark erhöhen, Redispatchkosten hochtreiben, den Bau von Reserve- und Ersatzkraftwerke nochmals steigern und die Netzstabilität reduzieren. Eine mögliche Aufteilung der bisher einheitlichen, deutschen Strompreiszone würde einer solchen Entscheidung Vorschub leisten. Das ist nur an einem Beispiel erläutert, wie folgenschwer eine einseitige Betrachtung der Energiepreise sein kann.

Im Bereich Wärme ist der Koalitionsvertrag extrem dünn. Und die wenigen, konkreten Sätze sind komplett widersprüchlich Das Heizungsgesetz soll abgeschafft werden, heißt es in einem Satz. Und zwei Sätze weiter wird betont, dass die Sanierung- und Heizungsförderung fortgeführt werden soll. Man kann nur den Kopf schütteln über so viel Populismus in einem Koalitionsvertrag. Es gibt kein Heizungsgesetz, sondern nur ein Gebäudeenergiegesetz. Und der Kern der Ergänzungen des GEG vor zwei Jahren war die Förderung für den Heizungsaustausch. Der soll aber nun beibehalten werden. Was kommt, weiß da kein Mensch. Auch ist der Effizienzstandard EH55 längst Standard. Dafür extra Fördergelder auszugeben, macht keinen Sinn. Die Programme zum Ausbau und Förderung von Wärmenetzen, zur Förderung bei individuellen Sanierungsmaßnahmen von Bestandsgebäuden, zu Bürgschaftsprogrammen für Wärmeprojekte – gerade auch für Bürgerenergiegesellschaften und zur Unterstützung der Kommunen bei der Umsetzung der Wärmepläne, sind dringend fortzusetzen und auszubauen. Der Gebäudebereich und der Verkehrsbereich sind die Sorgenkinder beim Klimaschutz. Eine Erreichung der Klimaziele ohne signifikante Erfolge in diesen Bereichen ist schlicht nicht möglich. Wir brauchen eine Fortführung der Impulse in Richtung eines klimaneutralen Gebäudebestandes. Der soll in 20 Jahren erreicht sein. Das ist im Gebäudebereich eine relativ kurze Zeitspanne.

Autor: Martin Stümpfig ist Sprecher für Energie und Klimaschutz der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag.

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