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Zivilgesellschaft unter Generalverdacht? Warum wir eine faire Debatte brauchen

von Bernhard Straub

In der politischen Auseinandersetzung rückt die Zivilgesellschaft zunehmend in den Fokus – allerdings nicht im positiven Sinn. Von den extremen parteipolitischen Rändern ist immer häufiger zu hören, man müsse Nichtregierungsorganisationen (NGOs) den „staatlichen Geldhahn zudrehen“. Aber auch aus der politischen Mitte kommen skeptische Töne gegenüber zivilgesellschaftlichem Engagement. Am prominentesten war die Kleine Anfrage von CDU/CSU zur politischen Neutralität staatlich finanzierter Organisationen, die inzwischen rund zehn Monate zurückliegt. Die darin formulierten Vorwürfe mangelnder Transparenz und Parteilichkeit werden einerseits relativiert, andererseits aber auch bis heute wiederholt; was bleibt ist ein neues Misstrauen. Die Medien haben das Thema ebenfalls aufgegriffen. Die Chance, differenziert über Rollen, Verantwortlichkeiten und Grenzen zivilgesellschaftlicher Akteure zu sprechen, wird vertan, es dominieren Pauschalisierungen und Unterstellungen. Eine sachliche und ehrliche Diskussion ist lange überfällig.

Was Stiftungen damit zu tun haben

Die Kritik richtet sich längst nicht nur gegen NGOs, sondern gegen den gemeinnützigen Sektor insgesamt. Ich spreche hier für die Robert Bosch Stiftung. Ein großer Teil unserer Arbeit erfolgt in Partnerschaften mit operativ tätigen Organisationen. Wir unterstützen sie gezielt dabei, gesellschaftliche Herausforderungen konstruktiv und im Sinne gemeinsamer Wirkungsziele anzugehen. Dass einige dieser Organisationen – wie HateAid oder Das NETTZ – neben unserer Förderung auch staatliche Mittel erhalten, ist kein Zufall. Im Gegenteil, es zeigt, dass ihre Arbeit als relevant und wirksam anerkannt ist.

Gemeinnützige Organisationen und politische Neutralität

Gesellschaftliches Engagement findet nicht außerhalb des politischen Raums statt. Weil es um das Zusammenleben in unserer Gesellschaft geht, ist es unausweichlich, dass dies auch politisch relevant ist: es geht um Freiheit, Würde, Toleranz und Frieden. Diese Werte bilden den Kern des Vermächtnisses unseres Stifters Robert Bosch.

Das bedeutet jedoch keine parteipolitische Bindung. Ob in unseren medizinischen Einrichtungen am Bosch Health Campus in Stuttgart, in unserer Schule in Freiburg, dem UWC Robert Bosch College, der Robert Bosch Academy in Berlin oder in unseren gemeinnützigen Förderprojekten in rund zwei Dutzend Ländern – wir stehen in Kontakt mit politischen Entscheidungsträger:innen, um guten Ansätzen eine breitere Wirkung zu geben. Unsere Überparteilichkeit bleibt davon aber unberührt.

Dass gemeinnützige Organisationen politisch neutral sein müssen, wird häufig umgedeutet, als ob sie un-politisch sein müssten oder vollkommen vom politischen Geschehen separiert. Gemeinnützige Organisationen dürfen politische Wirkungen erzielen, solange sie ihre Ziele und Aktivitäten transparent machen. Und nur durch die Gewährung von Fördermitteln wird eine NGO nicht zum verlängerten Arm des Staates.

Transparenz existiert bereits

Ebenso ist der Vorwurf mangelnder Transparenz nicht haltbar. Gemeinnützige Organisationen unterliegen bereits heute umfangreichen Offenlegungspflichten (Handelsgesetzbuch, Gemeinnützigkeitsrecht, Lobbyregister, Transparenzregister). Und staatliche Stellen haben selbstverständlich innerhalb des Zuwendungsrechts ein Auskunftsrecht gegenüber den Organisationen, die sie fördern. Pauschal geforderte zusätzliche Kontrollmechanismen und Prüfverfahren würden vor allem eines erzeugen: mehr Bürokratie. An einem echten Erkenntnisgewinn bestehen dagegen Zweifel.

Wir brauchen eine faire Debatte

Die deutsche Zivilgesellschaft umfasst rund 660.000 Organisationen. Sie sind so divers und komplex wie die Gesellschaft, in der sie wirken: Sie fördern kulturelles Leben, soziale Teilhabe, Bildung, Innovationen, Integrationsarbeit – und nicht zuletzt demokratische Kultur. Sie pauschal als „Blackbox“ darzustellen, wird ihnen weder inhaltlich noch gesellschaftlich gerecht.

Die gegenwärtige Situation führt bei vielen Stiftungen zum Nachdenken – so auch bei uns in der Robert Bosch Stiftung. Eine laufende Reflektion zu unserem Handeln und Wirken ist Teil unserer Arbeit. Selbstverständlich nehmen wir dabei auch Hinweise von außen auf. Wir wollen kontinuierlich lernen und besser werden. In gleicher Weise sehen wir diese selbstehrliche Reflektion nicht bei allen Teilnehmern in der öffentlichen Kommunikation.

Wir sollten darüber sprechen, welche Erwartungen Gesellschaft und Politik an zivilgesellschaftliche Akteure richten – und welche Bedingungen diese benötigen, um wirksam zu arbeiten. Die Robert Bosch Stiftung ist bereit für diese Diskussion. Sie muss sachlich und fair geführt werden. Und sie sollte anerkennen, dass eine lebendige Demokratie ohne eine aktive Zivilgesellschaft nicht möglich ist.

Autor: Dr. Bernhard Straub ist Geschäftsführer der Robert Bosch Stiftung. Die Robert Bosch Stiftung ist Mitglied der Initiative Transparente Zivilgesellschaft

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