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Wie kann bürgerschaftliches Engagement als tragende Säule unserer Demokratie nachhaltig gestärkt werden?

Ansgar Gessner und Siri Hummel

Bürgerschaftliches Engagement stärkt Demokratie dort, wo es auf deren zentrale Versprechen einzahlt: Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit. Wenn Menschen sich für gleiche Rechte, faire Teilhabe oder soziale Gerechtigkeit einsetzen, erfüllen sie den normativen Kern dieser Werte mit Leben. Engagement ist damit nicht nur Reaktion auf Defizite, sondern auch ein Akt demokratischer Selbstbehauptung. Ohne aktive Bürger*innen und ihre Zusammenschlüsse bleibt Demokratie ein institutionelles Gerüst ohne Leben. Die Frage, wie bürgerschaftliches Engagement nachhaltig gestärkt werden kann, ist daher im Kern die Frage, wie demokratische Handlungsfähigkeit im Alltag gesichert und erneuert wird.

Strukturelle Basis und rechtliche Absicherung

Die strukturelle Basis bürgerschaftlichen Engagements muss dauerhaft stabilisiert werden. Engagement gedeiht dort, wo Organisationen Planungssicherheit und Freiräume haben. Was fehlt, ist eine „Grundfinanzierung des Engagements“: die Anerkennung, dass die dauerhafte Ermöglichung zivilgesellschaftlicher Arbeit ein Gut ist, das wie Bildung oder Kultur finanziert werden muss. Zugleich braucht es rechtliche und politische Rahmenbedingungen, die zivilgesellschaftliches Handeln nicht nur zulassen, sondern aktiv schützen. Engagement muss politisch sein dürfen; restriktive Gemeinnützigkeitsauslegung, überbordende Berichtspflichten oder politische Einschüchterung dürfen den Handlungsspielraum von Organisationen nicht einschränken. Ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht, das gesellschaftliche Teilhabe und demokratische Mitwirkung ausdrücklich als gemeinnützige Zwecke anerkennt, wäre hier ein entscheidender Schritt. Dafür braucht es eine neue Erzählung von Demokratieengagement als kollektiver Verantwortung.

Soziale Ungleichheit und Orte des Engagements

Noch immer sind Ressourcen, Zeit und Zugang zu zivilgesellschaftlichen Räumen ungleich verteilt. Wer prekären Lebensbedingungen ausgesetzt ist, hat weniger Kapazitäten, sich zu engagieren. Nachhaltige Stärkung von Engagement bedeutet deshalb, soziale Ungleichheiten mitzudenken: Engagementförderung ist auch Sozialpolitik. Sie braucht Orte, die Begegnung ermöglichen – etwa Nachbarschaftszentren und Vereine. Demokratie wird im Nahraum gelernt und gelebt.

Bildung und Beteiligung als Schlüssel

Bildung ist zentral. Politische Bildung darf nicht als reines Schulfach oder als kurzfristige Informationskampagne verstanden werden, sondern als kontinuierlicher Prozess demokratischer Befähigung. Menschen müssen erleben, dass sie Einfluss nehmen können – lokal, digital, institutionell. Dafür braucht es neue Formen der Beteiligung und des Engagements, insbesondere für junge Menschen und marginalisierte Gruppen. Partizipationsformate dürfen nicht symbolisch bleiben, sondern müssen reale Entscheidungsspielräume eröffnen.

Rahmenbedingungen für Ehrenamt und zivilgesellschaftliches Handeln

Das Ehrenamt braucht in Zeiten multipler Krisen und wachsender Anforderungen klare und verlässliche Rahmenbedingungen. Zwar ist die politische Betätigung von gemeinnützigen Organisationen und Engagierten im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) zuletzt etwas klarer gefasst worden, dennoch besteht eine gewisse Unsicherheit fort. Insbesondere öffentliche Forderungen nach einem politischen Neutralitätsgebot für gemeinnützige Organisationen (das es so gar nicht gibt!) sorgen unnötig für Verunsicherung, ob zulässige politische Meinungsäußerungen und Betätigungen statthaft sind oder nicht. Gerade mit Blick auf die Wetterfestigkeit der in der Hoheit der Länder befindlichen Finanzverwaltungen ist eine baldige, klare gesetzliche Regelung – als Teil der AO und nicht bloß ihres Anwendungserlasses – ein großer Wunsch. Zugleich haben Registerpflichten und Bürokratie für gemeinnützige Organisationen zugenommen. Das Mehr an Transparenz ist begrüßenswert, doch wenn Daten mehrfach und in unterschiedlichen Registern erfasst und aktualisiert werden müssen, wird dies zum Gegenteil von Bürokratieabbau.

Daten für die Demokratie nutzbar machen

Eine wissenschaftliche Analyse und Nutzung der entstehenden Datenschätze, die Wissenslücken schließen und wichtige Erkenntnisse über Engagement und das Stiftungswesen in Deutschland zu Tage fördern könnten, ist bislang nicht vorgesehen. Das ist eine verpasste Chance für eine wissensbasierte Engagement- und Demokratieförderung.

Autoren: Ansgar Gessner ist geschäftsführender Vorstand der Maecenata Stiftung & Siri Hummel ist Direktorin des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft.

Wie kann bürgerschaftliches Engagement als tragende Säule unserer Demokratie nachhaltig gestärkt werden? Welche Rahmenbedingungen braucht das Ehrenamt, um in einer Zeit multipler Krisen und wachsender Anforderungen wirksam zu bleiben?

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