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Bürgerschaftliches Engagement als demokratische Zukunftsaufgabe

von Jan Holze

Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt sind das lebendige Fundament unserer Demokratie. Sie verbinden Menschen über soziale, kulturelle und politische Grenzen hinweg, schaffen Vertrauen und geben dem gesellschaftlichen Zusammenhalt eine konkrete Form. Mehr als 28 Millionen Engagierte leisten in Deutschland einen Beitrag, der nicht nur soziale Dienstleistungen ersetzt oder ergänzt, sondern demokratisches Handeln im Alltag erfahrbar macht. Ob in Vereinen, Initiativen, Nachbarschaften oder Einsatzdiensten – überall dort, wo Menschen freiwillig Verantwortung übernehmen, wächst die Widerstandskraft unserer Gesellschaft gegen Spaltung, Desinformation und politische Resignation. Das Ehrenamt ist damit keine Nebensache, sondern ein zentraler Ausdruck demokratischer Kultur.

Ehrenamt im Umbruch

Doch die Rahmenbedingungen für dieses Engagement verändern sich rasant. Die Herausforderungen durch Klimawandel, Digitalisierung, gesellschaftliche Polarisierung und ökonomische Unsicherheiten führen dazu, dass traditionelle Strukturen des Ehrenamts unter Druck geraten. Viele Engagierte stehen vor wachsender Bürokratie, komplexen Förderlogiken oder rechtlichen Unsicherheiten. Gleichzeitig wandeln sich die Formen des Mitmachens: Junge Menschen wollen flexibel und digital aktiv werden, ältere Ehrenamtliche suchen Stabilität und Anerkennung. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage, wie bürgerschaftliches Engagement gestärkt und das Ehrenamt zukunftsfähig gestaltet werden kann, neue politische Bedeutung.

Es braucht starke Strukturen vor Ort

Nach unserer Einschätzung ist das Ehrenamt ebenso grundlegend wie Bildung, Kultur oder Gesundheit. Engagementpolitik ist damit nicht Randaufgabe, sondern Voraussetzung demokratischer Resilienz. Um diese Rolle wirksam zu erfüllen, braucht es verlässliche Strukturen vor Ort: Freiwilligenagenturen, lokale Engagementzentren und Netzwerke, die koordinieren, qualifizieren und vermitteln. Als Bundesstiftung unterstützt die DSEE diese Arbeit vor Ort und ergänzt mit eigenen Formaten, die vor Ort Wirkung entfalten. In der Form des Zukunftspakts Ehrenamt der Bundesregierung sind hier schon erste Schritte gegangen, diese fortzusetzen bleibt Aufgabe der kommenden Zeit. Wenn Bund, Länder und Kommunen zusammenarbeiten und die Engagementförderung als ressortübergreifende Daueraufgabe verankert bleibt, profitiert die Gesellschaft vielfältig.

Entlasten, befähigen, wertschätzen

Engagement braucht darüber hinaus verlässliche Rahmenbedingungen, die entlasten und befähigen. Dazu gehören klare rechtliche Regelungen, unbürokratische Förderverfahren, eine moderne digitale Infrastruktur und flächendeckende Weiterbildungsangebote. Ein modernes Engagementrecht könnte hier eine wesentliche Entlastung schaffen und zugleich die Vielfalt der Engagementformen anerkennen. Ebenso wichtig ist eine Kultur der Wertschätzung: Ehrenamtliche verdienen Anerkennung und Dank. Diese kann beispielsweise in Form von Qualifikationsnachweisen, Bildungsurlaub und würdigenden Formaten bestehen, aber auch durch gesellschaftliche Sichtbarkeit und politische Unterstützung. Wer freiwillig Verantwortung übernimmt, sollte darauf vertrauen können, dass diese Arbeit als unverzichtbarer Beitrag zum Gemeinwohl anerkannt wird.

Krisenfest dank Engagement

Die vergangenen Krisenjahre haben gezeigt, wie verletzlich, aber auch wie anpassungsfähig Engagementstrukturen sind. Ob in der Corona-Pandemie, bei der Aufnahme Geflüchteter oder in der Energiekrise – es waren häufig ehrenamtlich getragene Initiativen, die schneller als staatliche Systeme reagierten und pragmatische Hilfe leisteten. Diese Resilienz verdient gezielte Stärkung, etwa durch Notfallfonds für zivilgesellschaftliche Organisationen, durch Unterstützungsnetzwerke und digitale Kompetenzprogramme. Denn Engagement ist ein Frühwarnsystem der Demokratie: Wo es schwindet, zeigen sich gesellschaftliche Brüche; wo es wächst, entsteht Vertrauen und Zusammenhalt.

Das „Wir“ der Demokratie

Engagement und Ehrenamt verkörpern die demokratische Idee des „Wir“. Sie übersetzen politische Werte wie Freiheit, Solidarität, Verantwortung in alltägliches Handeln. Deshalb muss Engagementförderung als Querschnittsaufgabe verstanden werden, die verschiedene Ebenen der Bildungs-, Sozial-, Innen- und Digitalpolitik gleichermaßen betrifft. Eine kohärente Engagementstrategie des Bundes, abgestimmt mit Ländern und Kommunen, unter Mitwirkung und Einbindung von zivilgesellschaftlichen Partnerinnen und Partnern, schafft die notwendige Verlässlichkeit um die gesellschaftliche Bedeutung des Ehrenamts langfristig sichern. Bürgerschaftliches Engagement ist kein nachgelagerter Bereich sozialer Fürsorge, sondern eine tragende Säule unserer Demokratie. Es ist soziales Mittel, Lernort demokratischer Praxis und Motor gesellschaftlicher Innovation. Für mich ist Engagement die Kraft, die unsere Gesellschaft zusammenhält. Ihre Unterstützung und Förderung ist unser Ziel und Auftrag als Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt.

Autor: Jan Holze ist Gründungsvorstand der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt.

Wie kann bürgerschaftliches Engagement als tragende Säule unserer Demokratie nachhaltig gestärkt werden? Welche Rahmenbedingungen braucht das Ehrenamt, um in einer Zeit multipler Krisen und wachsender Anforderungen wirksam zu bleiben?

Unser Partner: Die Deutsche Postcode Lotterie ist eine staatlich lizensierte Soziallotterie. Sie unterstützen Projekte zum Natur- und Umweltschutz und zur Förderungen von sozialem Zusammenhalt und Chancengleichheit.

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