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Bürgerschaftliches Engagement – Brückenbau und Spiegel

von Karl-Otto Zentel

Wenn ich in Gesprächen den Begriff Ehrenamt verwende, stoße ich oft auf Interesse – aber auch auf viele Fragezeichen: Muss ich mich langfristig binden? Wie aufwändig wird das? Wie flexibel kann ich bleiben? Der Begriff „Ehrenamt“ ist noch immer eng mit Vereinsarbeit verbunden – etwa im Sport, in Bildung oder im kirchlichen Umfeld – und steht für ein traditionelles Verständnis von Engagement für das Gemeinwohl als dauerhafte Verpflichtung. Doch sollten wir nicht neu denken, wenn wir Menschen für Engagement gewinnen wollen? Heute empfinden viele eine langfristige Bindung als Belastung. Stattdessen sollte der persönliche Mehrwert stärker in den Vordergrund rücken.

Während einer High-Level-Round-Table Gesprächsrunde zu „Engagement und Ehrenamt“ am 23. September in Berlin, initiiert und unterstützt von Table.Briefings und der Deutschen Postcode Lotterie, konnte ich zu diesem Themenbereich sehr interessante Gespräche führen, die mich immer noch beschäftigen.

Menschen, die sich engagieren wollen, brauchen nicht nur rechtliche und organisatorische Begleitung – sie wollen den Sinn ihres Tuns spüren. Sie möchten Teil von etwas Größerem sein: einer Bewegung, einem Team, einem Projekt oder einer Vision – und das mit größtmöglicher Flexibilität. Ein Spiegel unserer Zeit des schnellen Wandels und der wachsenden Individualität?

Die Idee von bürgerschaftlichem Engagement ist vielleicht zu lange zu eng gedacht worden. Wir verstehen Ehrenamt noch immer klassisch – das zeigen die Fragezeichen hinter der Stirn vieler Gesprächspartner:innen. Müssen wir nicht besser verstehen, was Menschen heute zum Engagement motiviert, was sie erwarten und brauchen? Viele möchten sich ausprobieren, ohne sich langfristig zu binden, und suchen nach Möglichkeiten, ihre Energie sinnvoll einzusetzen – je nach verfügbarer Zeit. Unsere Angebote sollten darauf eingehen und dazu beitragen, dass Engagement zu einem wechselseitigen Gewinn wird.

Bei CARE Deutschland gibt es viele Möglichkeiten, sich einzubringen: Unsere Gremien – Mitglieder, Verwaltungsrat und Kuratorium – arbeiten vollständig ehrenamtlich und sind generationenübergreifend besetzt. Sie wollen mitwirken und Teil der Organisation sein. Für uns Hauptamtliche heißt das, Engagement erlebbar zu machen. Anders als im Sport sind Erfolge hier weniger unmittelbar sichtbar, doch gerade das ist die Herausforderung: Wichtig ist, dass Zeit, Erfahrung und Einsatzbereitschaft auch in einem komplexen Arbeitsbereich wie dem von CARE Deutschland als echter Mehrwert spürbar werden – für jede Generation. Wir suchen den engen Austausch mit den Gremien, lassen uns beraten, diskutieren und entwickeln gemeinsame politische Handlungsräume. So erhalten wir wertvolle Impulse, bleiben nah an gesellschaftlichen Meinungen und können unsere Arbeit als zivilgesellschaftliche Organisation kontinuierlich reflektieren.

Bürgerschaftliches Engagement – egal ob im gesellschaftlichen, politischen, kulturellen oder sozialen Bereich – schlägt Brücken mitten in die Gesellschaft. Es ermöglicht uns, im Gespräch mit Menschen zu bleiben, die unsere Arbeit begleiten, sich mit unseren Anliegen solidarisieren und diese nach außen tragen. Es birgt die große Chance, nachhaltig zu wirken.

Natürlich ist die wertschätzende Begleitung von Engagement auch Aufwand. Doch der Return on Investment kann gar nicht hoch genug geschätzt werden: Engagierte sprechen darüber in ihrem privaten Umfeld, identifizieren sich mit dem Bereich, in dem sie wirken, und erfahren Wertschätzung. Bürgerschaftliches Engagement wird zur Klammer, die unsere Gesellschaft zusammenhält und unsere Demokratie stärkt. Menschen erleben Integration in etwas Größeres und werden zu aktiven Teilnehmenden der Gesellschaft. Sie lernen, Verantwortung zu übernehmen, in Teams zusammenzuarbeiten, unterschiedliche Perspektiven zu respektieren und sich für gemeinsame Ziele einzusetzen – zentrale Elemente einer lebendigen Demokratie. Engagement für das Gemeinwohl fördert das Vertrauen in Institutionen, das Verständnis für gesellschaftliche Zusammenhänge und stärkt die demokratische Kultur, weil Menschen unmittelbar erleben, dass ihre Stimme und ihr Handeln Wirkung entfalten.

Diesen Sinn müssen wir – noch – besser vermitteln. Es erfordert Umdenken, mehr Flexibilität auf der Angebotsseite und die passenden rechtlichen Rahmenbedingungen, um Engagement niedrigschwellig, wertschätzend und wirksam zu gestalten – für die Menschen, für Hilfsorganisationen wie CARE Deutschland und für die Demokratie.

Autor: Karl-Otto Zentel ist Generalsekretär CARE Deutschland.

Wie kann bürgerschaftliches Engagement als tragende Säule unserer Demokratie nachhaltig gestärkt werden? Welche Rahmenbedingungen braucht das Ehrenamt, um in einer Zeit multipler Krisen und wachsender Anforderungen wirksam zu bleiben?

Unser Partner: Die Deutsche Postcode Lotterie ist eine staatlich lizensierte Soziallotterie. Sie unterstützen Projekte zum Natur- und Umweltschutz und zur Förderungen von sozialem Zusammenhalt und Chancengleichheit.

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