Table.Briefing: Europe

Einigung beim ETS + Ukraine-Beitritt in EU + Gazprom drosselt weiter + EZB stellt neues Instrument vor

  • Fraktionen einigen sich bei ETS und Grenzausgleich
  • Termine
  • EU-Beitritt der Ukraine: Ja, aber
  • Gazprom drosselt weiter Kapazität von Nord Stream 1
  • Lieferkettengesetz: Gutachten über Gestaltung
  • DSA: AStV gibt grünes Licht
  • EU-Gericht erklärt Milliardenstrafe gegen Chiphersteller für nichtig
  • Tschechien benennt Prioritäten für EU-Vorsitz – Schwerpunkt Ukraine
  • EZB will Kampf gegen Ausverkauf von Staatsanleihen beschleunigen
  • ESM: Lindner für Luxemburgs Ex-Finanzminister als Chef
  • EU droht Briten wegen Nordirland-Protokoll mit Gericht
  • EU muss Kosten der Energieunabhängigkeit gemeinsam schultern
Liebe Leserin, lieber Leser,

der russische Energiekonzern Gazprom hat am gestrigen Mittwoch die Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 weiter gedrosselt. Wirtschaftsminister Robert Habeck hält die Gründe, es gäbe Verzögerungen bei der Reparatur von Gas-Kompressoren, für vorgeschoben und fürchtet weitere Reduzierungen: “Es fängt vielleicht gerade erst an”, sagte er in Berlin.  

In Brüssel haben sich EVP, S&D und Renew gestern derweil überraschend schnell auf eine gemeinsame Position bei den Dossiers Emissionshandel, Grenzausgleich und Klimasozialfonds geeinigt – weniger als eine Woche nach dem Scheitern des ETS-Pakets im Plenum. Worauf sich die Abgeordneten im Detail geeinigt haben, beleuchtet Manuel Berkel.

Scholz, Macron und Draghi werden heute in Kiew erwartet. Bei dem Besuch geht es ohne Frage vorrangig um den Beitritt der Ukraine in die EU. Hier müssen vor allem Frankreich und Deutschland Position beziehen, auch wenn es letztlich eine gemeinsame Entscheidung aller Mitgliedstaaten wird. Till Hoppe und Eric Bonse blicken in ihrer Analyse auch auf Moldau und Georgien, die ebenfalls den Aufnahmeprozess in die EU starten wollen.

Im Standpunkt erklären Philipp Jäger und Nils Redeker vom Jacques Delors Centre, wieso die EU die Kosten für das Programm REPowerEU nicht auf die einzelnen Länder abwälzen darf, sondern eine gemeinsame Finanzierungsstrategie entwerfen muss. Die Finanzierung dieses wichtigen Programms ist nämlich ein kritischer Punkt, der bislang offen geblieben ist.

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Ihre
Lisa-Martina Klein
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Analyse

Fraktionen einigen sich bei ETS und Grenzausgleich

Fast bis Mitternacht hatten sie zusammengesessen, Mittwochmittag konnten die Verhandler nach Rücksprache mit ihren Fraktionen dann das Ergebnis verkünden. Überraschend schnell haben sich EVP, S&D und Renew doch noch auf eine gemeinsame Position bei den Dossiers EU-Emissionshandel, Grenzausgleich (CBAM) und Klimasozialfonds geeinigt. “Es war uns wichtig, eine möglichst große Mehrheit zu bekommen”, sagte CBAM-Berichterstatter Mohammed Chahim (S&D) vor Journalisten und einigen Lobbyisten, die sich in die Videoschalte gemogelt hatten.

Zusammen kommen die drei Fraktionen auf 432 Abgeordnete – also 79 mehr, als für eine Mehrheit erforderlich wären. Eine erneute Blamage im Plenum soll so verhindert werden (Europe.Table berichtete), am kommenden Mittwoch wollen die Abgeordneten zwischen 14 und 15 Uhr erneut abstimmen. “Ich hoffe, dass wir ab kommender Woche mit dem Rat verhandeln können”, so Chahim.

Grüne wollen noch Änderungen

Planbarkeit beim Emissionshandel war Industrie und Gewerkschaften wohl zu wichtig, als dass die großen Fraktionen eine Hängepartie riskieren wollten. Erleichtert zeigte sich auch der ENVI-Vorsitzende Pascal Canfin (Renew): “Wir werden für die CO2-Grenzsteuer und eine historische Beschleunigung unserer Klimapolitik stimmen!”

Die Grünen, die bei dem Kompromiss außen vor blieben, kündigten gestern an, bis zur Abstimmung am Mittwoch noch Änderungen erreichen zu wollen – beim Marktzugang für CO2-Rechte-Händler und den Benchmarks für die Zuteilung freier Zertifikate. Bei den großen Linien sehen also nicht einmal mehr sie noch Einflussmöglichkeiten.

CAP sinkt bis 2030 um 63 Prozent

Die Emissionen im ETS sollen nach dem Kompromiss bis 2030 gegenüber 2005 um 63 Prozent vermindert werden. Bisher sah die Richtlinie 43 Prozent vor, die Kommission wollte die Marke auf 62 Prozent erhöhen, der ENVI auf 67 Prozent. Nach dem nun gefundenen Kompromiss wird außerdem der lineare Reduktionsfaktor für 2029 minimal von 4,5 auf 4,6 Prozent erhöht. Einmalig werden zudem im Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie 70 Millionen Zertifikate gelöscht und dann noch einmal 50 Millionen Zertifikate 2026.

Bei der freien Zuteilung von Zertifikaten zeigten EVP und Renew Bewegung. Der vergangene Woche abgelehnte Kompromiss hätte ein Auslaufen 2028 bis 2034 vorgesehen (Europe.Table berichtete). Nun sollen die Freizuteilungen ab 2027 gekürzt werden und bis 2032 auslaufen. Allerdings betonte die EVP, dass sie ein Sicherheitsnetz für die europäische Industrie aufgespannt habe. “Die freien Zuteilungen werden wir nur streichen, wenn der CBAM in der Praxis funktioniert”, sagte die Vizefraktionsvorsitzende Esther de Lange. Weiterhin freie Zuteilungen solle es geben, falls sich der Grenzausgleich nicht als WTO-kompatibel erweist oder er “schwerer anzuwenden” sei als erwartet.

Alle Sektoren aus dem EU-Emissionshandel künftig im CBAM

In den Grenzausgleich (CBAM) sollen nun mittelfristig sämtliche Sektoren einbezogen werden, die dem EU-Emissionshandel unterliegen. Einigkeit besteht bereits bei der Aufnahme von Wasserstoff. Für die Aufnahme der Produktion von Kunststoffen und organischen Chemikalien soll es zunächst eine Bewertung durch die Kommission geben. Wichtig sei eine ausreichende Datenbasis, erklärte de Lange. Ausreichende Daten zur CO2-Intensität verschiedener Produkte zu erheben, ist derzeit noch eine Herausforderung.

“Klimaschutz ist wichtiger als politische Profilierung – es ist gut, dass alle Seiten sich aufeinander zubewegt haben”, sagte Tiemo Wölken, klimapolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament. “Das Ergebnis zeigt, dass es richtig war, vergangene Woche dem Bericht nicht zuzustimmen, der den Emissionshandel entscheidend verwässert hätte.”

Zehn Mitgliedstaaten mit offenem Brief

Unterdessen riefen am Mittwochmorgen zehn Mitgliedstaaten zu weiteren Anstrengungen beim Fit-for-55-Paket auf. “Wir beobachten mit wachsender Sorge die verschiedenen Aufrufe, die Ambition in den verschiedenen Dossiers des Pakets zu verwässern – sowohl im Rat als auch im Parlament”, schrieben die Ministerinnen und Minister in einem offenen Brief (Europe.Table berichtete). Auch wenn einzelne Änderungen marginal erschienen, würden sie in Summe das Klimaschutzziel für 2030 gefährden und die Union danach auf einen unmöglich einzuhaltenden Klimapfad setzen.

Ein ambitioniertes Abkommen sei auch wichtig, um die EU unabhängiger von russischen Energielieferungen zu machen. Unterzeichnet wurde der Brief von Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden, Finnland, Irland, Spanien, Niederlanden, Luxemburg und Slowenien. Anfang April hatte die Staaten bereits einen ähnlichen Brief zum Klimaschutzpaket veröffentlicht (Europe.Table berichtete). Von den damaligen Unterzeichnern fehlt in dem neuen Anlauf nun Lettland.

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EU-Beitritt der Ukraine: Ja, aber

Emmanuel Macron formulierte verklausuliert, und dennoch transportierte er eine Botschaft: Es sei an der Zeit, “klare politische Signale an das ukrainische Volk zu senden”, sagte Frankreichs Präsident gestern an der Seite des rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis. Beim anschließenden Treffen mit seiner moldawischen Kollegin Maia Sandu in Chisinau ergänzte er: “Ich hoffe, dass wir eine klare Antwort beim Thema des Beitritts geben können”. Es sei aber “quasi sicher, dass dies von Bedingungen begleitet wird, bevor es weiter geht”.

Die Ukraine und Moldau drängen, ebenso wie Georgien, auf einen EU-Beitritt. Die EU-Staats- und Regierungschefs müssen beim Gipfel am 23. und 24. Juni entscheiden, ob sie den Weg dafür ebnen und die drei Länder zu Beitrittskandidaten machen. Macron deutete nun an, dass die Antwort der Staats- und Regierungschefs ein “Ja, aber” sein könnte. Vorausgesetzt, alle EU-Staaten ziehen mit – denn Einigkeit ist Voraussetzung in dieser Frage.

Die EU-Kommission stellt voraussichtlich am Freitag ihre Stellungnahme zu den Anträgen der drei Aspiranten vor (Europe.Table berichtete). Auch hier zeichnet sich ein “Ja, aber” ab: “Ich erwarte, dass die Kommission empfehlen wird, der Ukraine den Kandidatenstatus zu geben, wenn sie gewisse Bedingungen erfüllt”, sagt Nicolai von Ondarza, Forschungsgruppenleiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Moldau kann wohl mit einem ähnlichen Votum rechnen, bei Georgien ist das zweifelhafter.

Die Entscheidung treffen aber die Mitgliedstaaten. Vieles hängt hier davon ab, wie sich Deutschland und Frankreich positionieren. Länder wie Polen, Litauen, Estland, Lettland und Irland fordern, der Ukraine den Kandidatenstatus bereits beim Gipfel zuzuerkennen. Mehrere andere Staaten haben aber Bedenken angemeldet, darunter die Niederlande, Dänemark und Portugal. Man werde die Entscheidung allerdings nicht im Alleingang blockieren, sagt ein Diplomat aus einem der skeptischen Länder, und warte auf klare Signale aus Berlin und Paris.

Konkrete Zusagen im Gepäck

Bundeskanzler Olaf Scholz hat in den vergangenen Wochen erhebliche Bedenken geäußert. Dass er Kiew den Kandidatenstatus verweigern wird, ist aber unwahrscheinlich. Nach Kiew reisen kann er angesichts der schwierigen Vorgeschichte kaum ohne konkrete Zusagen im Gepäck – das Echo wäre verheerend. Er könnte Präsident Wolodymyr Selenskyj die Lieferung schwerer Waffen versprechen. Mehr spricht aber dafür, dass Scholz gemeinsam mit Macron und Italiens Ministerpräsident Mario Draghi Selenskyj eine Beitrittsperspektive in Aussicht stellen wird. Wie konkret, das ist die große Frage.

Sein Umfeld hielt sich dazu zuletzt sehr bedeckt. Es gebe noch Gespräche, hieß es in der SPD. Bei den Sozialdemokraten gibt durchaus Sympathien für das Anliegen Kiews: “Wir wollen sie in der Europäischen Union haben”, sagte der Parteivorsitzende Lars Klingbeil Anfang der Woche bei einem Besuch in Brüssel.
Die Koalitionspartner drängen Scholz. Die Grünen wollen der Ukraine den Status als Beitrittskandidat geben, allerdings geknüpft an Auflagen. Auch die FDP ist dafür. Scholz könnte sich der Linie anschließen.

Die Opposition in Berlin wiederum wittert die Gelegenheit, den Kanzler vor sich herzutreiben. Die Bundestagsfraktion von CDU/CSU hat einen Entschließungsantrag vorbereitet, in dem sie fordert, der Ukraine, Moldau und Georgien auf dem Europäischen Rat den Kandidatenstatus zuzusprechen. Dabei müssten den drei Ländern auch gleich die Eröffnung der ersten Beitrittskapitel in Aussicht gestellt werden.

In der Opposition lässt sich das leicht fordern – wenngleich die Formulierungen auch in den Reihen von Fraktionschef Friedrich Merz für viele Diskussionen sorgte. Scholz sieht die Risiken: Er warnt davor, in der Ukraine falsche Erwartungen auf einen schnellen EU-Beitritt zu wecken und will die Beitrittskandidaten auf dem Westbalkan nicht brüskieren.

Gerade Nordmazedonien und Albanien sind große Schritte auf die EU zugegangen, warten aber immer noch auf den Start der Beitrittsverhandlungen – Bulgarien blockiert den Prozess. Scholz dürfte kaum grünes Licht für Kiew geben, wenn die Regierung in Sofia nicht spätestens beim EU-Gipfel den Weg freimacht für die Verhandlungen mit Nordmazedonien (Europe.Table berichtete).

Alternative und Vorstufe zum EU-Beitritt für Ukraine und Co

Macron bringt noch ein anderes Modell ins Spiel. In Chisinau erläuterte er, dass Moldau der Kandidatenstatus unter normalen Umständen wohl nicht zuerkannt würde, die Situation aber wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine und der Destabilisierung anders bewertet werde. Die Erweiterung der EU könne aber nicht die einzige Antwort für die Stabilität auf dem Kontinent sein.

Macron warb erneut für seinen Vorschlag einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (Europe.Table berichtete), als Alternative und Vorstufe zur EU-Mitgliedschaft. Die französische Regierung speiste gestern ein sogenanntes Non-Paper in den Rat ein, in dem sie das Konzept etwas konkretisierte.

Interessierte Länder wie die Ukraine könnten demnach der “Communauté Politique Européenne” (CPE) beitreten, noch bevor es um die Mitgliedschaft in der EU geht. Die CPE biete einen flexibleren Rahmen und schnellere Handlungsmöglichkeiten als das kleinteilige und zeitraubende EU-Beitrittsverfahren, heißt es in Paris. Die Erweiterungspolitik sei daher kaum geeignet, den “dringenden historischen und geopolitischen Erfordernissen” zu genügen.

Über die CPE könnten bereits im Vorfeld eines EU-Betritts die Verbindungen zu den EU-Staaten gestärkt und das Land teilweise in den Binnenmarkt integriert werden, heißt es in dem Papier. Sie solle noch in diesem Jahr gegründet werden und allen Ländern offenstehen, die “gemeinsam zur Sicherheit, zur Stabilität und zum Wohlstand unseres Kontinents” beitragen wollen.

“Europäischer Vorbereitungsraum”

Die neue Gemeinschaft ersetze weder den Europarat noch die OSZE oder die Nato, betont der französische Vorsitz. Sie solle eine schlanke Struktur bekommen und sich mehrfach im Jahr auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs, aber auch auf Ministerebene treffen. Über welche Kompetenzen sie verfügt, lässt das Papier offen.

Nach französischer Darstellung wurde der Vorschlag bei einem Treffen der Ständigen Vertreter in Brüssel gestern wohlwollend aufgenommen. Er sei nützlich und komme zum rechten Zeitpunkt, sagte ein EU-Diplomat. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer hat die Idee bereits gelobt und als “europäischen Vorbereitungsraum” bezeichnet. Diplomaten bezweifeln aber, dass das Konzept beim Gipfel nächste Woche bereits konkretisiert wird.

Ein SWP-Experte von Ondarza glaubt, die Politische Gemeinschaft könne “die Diskussion verändern, wenn sie als Strategie zur Heranführung von Beitrittskandidaten an die EU betrachtet wird”. Dafür müssten aber die mittel- und osteuropäischen Staaten eingebunden würden. Dass Frankreich als Kritiker einer EU-Erweiterung Urheber des Vorschlages sei, “löst dort erhebliches Misstrauen aus”. mit Eric Bonse

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  • Moldau
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Termine

17.06.2022 – 09:00-13:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
FSR & ECF, Conference Between crises and decarbonisation
The event organized by the Florence School of Regulation (FSR) and the European Climate Foundation (ECF) will address the current energy crisis, including the EU’s energy transition, new policy priorities as well as challenges. INFOS & REGISTRATION

19.06.-20.06.2022, Berlin
ECFR, Conference Zeitenwende for Europe: Building a new global order in times of unpeace
The European Council on Foreign Relations (ECFR) will discuss the current war in Ukraine as well as the EU’s foreign and security policy. Europe.Table is going to join this event as a partner. INFOS

19.06.-23.06.2022, Heilbronn
Conference Flight Vehicles, Aerothermodynamics and Re-entry Missions Engineering (FAR)
The 2nd International FAR conference will present developments and advances in vehicle engineering, flight physics, aerodynamics, thermodynamics, fluid dynamics, space transportation and exploration vehicles. INFOS

20.06.2022 – 09:00-17:00 Uhr, online
ASEW, Workshop Kalte Nahwärme
Bei dem Seminar der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) werden Hindernisse bei und Erfahrungen mit der Umsetzung von kalten Nahwärmenetzen geteilt. INFOS & ANMELDUNG

20.06.2022 – 09:30 Uhr, Berlin/ online
BDI, Conference B7 Germany Summit #B7GER
At the Business 7 (B7) Summit, global challenges for G7, opportunities of cooperation, and resilience in responding to the Corona pandemic will be discussed. INFOS & REGISTRATION

20.06.2022 – 14:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/ online
Digital Europe, Conference Summer Summit
The challenges for the digital single market due to artificial intelligence, data protection and energy efficiency as well as problems of SMEs caused by market fragmentation will be topics of the summer summit. INFOS & REGISTRATION

20.06.-21.06.2022, Berlin/online
BDI, Konferenz Tag der Industrie (TDI22)
Der vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) organisierte TDI22 befasst sich mit neuen Bedingungen der Zeitenwende für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. INFOS & ANMELDUNG

20.06.-22.06.2022, Mailand (Italien)
European Commission, Conference The 4th International Conference on European Studies
The conference will evaluate the economic, social and political situation in Europe. Topics will include prosperity and inequality, migration and cooperation, climate change and energy policy, as well as the impact of the Corona pandemic. INFOS

20.06-24.06.2022, Trier
ERA, Seminar Summer Course on European Data Protection Law
The course, organized by the Academy of European Law (ERA), will address European data protection law, GDPR and ePrivacy, international data transfers, and personal data protection, among other topics. INFOS & REGISTRATION

21.06.2022 – 09:00-15:30 Uhr, online
FES, Konferenz Tiergartenkonferenz 2022: Zeitenwende – Der Beginn einer neuen Ära
Bei der Konferenz der Friedrich Ebert Stiftung (FES) werden die neue Sicherheitsordnung in Europa, die geopolitische Stärkung der EU und die Chancen einer klimaneutralen Transformation diskutiert. INFOS

21.06.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
SME2B, Seminar EU Taxonomy Explained to SMEs
The implications of the EU Green Deal and the associated 55% reduction in EU greenhouse gas emissions by 2030 compared to 1990 for SMEs will be presented at this event. INFOS & REGISTRATION

21.06.2022 – 10:00-16:45 Uhr, Berlin
Die Zeit, Diskussion Zukunftsdialog Agrar und Ernährung
Die Einflüsse des Ukraine-Krieges auf den Landwirtschafts- und Ernährungssektor, die Transformation zum Umweltschutz sowie Maßnahmen zum Erreichen der Klima- und Biodiversitätsziele werden von den Referentinnen und Referenten der Zeit diskutiert. INFOS & ANMELDUNG

21.06.2022 – 17:30-19:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
Panel Discussion Path to Net Zero: Is Waste-To-Energy Part of the Solution?
At this event, current climate contributions of the waste-to-energy sector will be discussed, forecasts for further reduction potential, and a new concept for a waste-to-energy plant will be presented. INFOS & REGISTRATION

21.06.-23.06.2022, Essen
Messe E-World Energy & Water
E-world energy & water is an opportunity for the European energy industry to share ideas and experiences. INFOS & TICKETS

21.06.-24.06.2022, Brüssel (Belgien)
Conference Africa Energy Forum
This year’s Africa Energy Forum, themed “Africa for Africa: Building Energy for the Just Transition,” will offer insights into the African energy sector and the opportunity to establish partnerships. INFOS & REGISTRATION

21.06.-24.06.2022, München
Messe Automatica
Die Automatica will einen Überblick bieten über globale Entwicklungen, Themen, Innovationen und Lösungen in den Bereichen intelligente Automation und Robotik.
INFOS & TICKETS

22.06-23.06.2022, Antwerpen (Belgien)/ online
Conference European Hydrogen Financing Forum 2022
At the European Hydrogen Financing Forum, stakeholders in the hydrogen value chain will have access to 60 hydrogen projects seeking strategic funding and partnerships. INFOS

News

Gazprom drosselt weiter Kapazität von Nord Stream 1

Der russische Gazprom-Konzern hat mit der Ankündigung weiterer Abstriche bei den Gas-Lieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 erneut für Unruhe gesorgt. Die Kapazität der Verdichterstation an Land sei auf 67 Millionen Kubikmeter pro Tag gesunken, teilte der russische Gasriese am Mittwoch mit. Am Nachmittag waren nach den Daten des Pipeline-Betreibers zunächst keine Reduzierungen festzustellen.

Bereits am Vortag hatte der russische Konzern auf technische Probleme verwiesen (Europe.Table berichtete). “Die aktuellen Meldungen zeigen deutlich: Die Begründung der russischen Seite ist schlicht vorgeschoben”, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Es sei offenkundig die Strategie, zu verunsichern und die Preise hochzutreiben. “Aktuell können die Mengen am Markt beschafft werden, wenn auch zu hohen Preisen.”

Am Dienstag hatte Gazprom den Durchfluss von Gas durch die Pipeline auf maximal 100 von 167 Millionen Kubikmeter pro Tag reduziert und zur Begründung auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gas-Kompressoren verwiesen. Der Energietechnik-Konzern Siemens Energy hatte daraufhin berichtet, dass eine in Kanada überholte Gasturbine wegen der Russland-Sanktionen derzeit nicht an Nord Stream 1 geliefert werden könne.

Habeck befürchtet weitere Gasreduzierungen durch Russland. “Es ist noch nicht vorbei”, sagte der Grünen-Politiker in Berlin. “Es fängt vielleicht gerade erst an.” Ein Uniper-Sprecher teilte am Abend mit, bei dem Energiekonzern seien am Mittwoch 25 Prozent weniger Gas als vereinbart angekommen. “Aktuell ersetzen wir die fehlende Menge durch andere Quellen. Wir stehen in engem Austausch mit der deutschen Regierung.”

Gazprom reduziert auch Gas-Lieferungen an Italien

Auch Italien erhielt nach Angaben des dortigen Energiekonzerns Eni am Mittwoch weniger Gas aus Russland. “Gazprom hat für heute eine begrenzte Reduzierung der Gas-Lieferungen von insgesamt etwa 15 Prozent kommuniziert”, teilte ein Sprecher mit. Gazprom habe die Reduzierung nicht begründet. Im vergangenen Jahr bezog Italien 40 Prozent seiner Gasimporte aus Russland.

Die Bundesregierung ist fieberhaft darum bemüht, die Bedeutung der russischen Erdgaslieferungen zurückzufahren. Aktuell würden noch die Speicher gefüllt, sagte Habeck. “Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet. Aber wir beobachten die Dinge sehr genau und sind über die Krisenstrukturen in engstem Austausch mit den relevanten Akteuren.” Die aktuelle Lage zeige aber auch: “Energiesparen ist das Gebot der Stunde. Und natürlich werden wir auch staatliche Maßnahmen ergreifen, wenn dies nötig ist.” rtr

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Lieferkettengesetz: Gutachten über Gestaltung

Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat gestern in Berlin ein Gutachten vorgestellt, in welchem er Empfehlungen für die Gestaltung des europäischen Lieferkettengesetzes gibt. Darin spricht er sich vor allem für die Erstellung einer Liste sicherer Herkunftsländer aus. Zudem hält der Beirat die Ausweitung der Sorgfaltspflichten von Menschenrechten und Arbeitsschutz auf Verbraucherschutz, Tierwohl und Umweltschutz nicht für angemessen.

Der Anteil der Unternehmen, die in globalen Lieferketten involviert sind, sei aufgrund der hohen Kosten eines Aufbaus internationaler Handelsbeziehungen gering, erklärte Felix Bierbrauer, Professor für Finanzwissenschaften an der Universität zu Köln und federführendes Beiratsmitglied. Um den Aufwand für Unternehmen möglichst gering zu halten und ein effizientes Monitoring der Sorgfaltspflichten zu ermöglichen, empfiehlt der Beirat, auf europäischer Ebene eine Liste sicherer Herkunftsländer sowie Positiv- und Negativlisten für Unternehmen aus nicht sicheren Herkunftsländern zu erstellen. Ein eigenes Monitoring der einzelnen dort aufgelisteten Unternehmen sei dann nicht mehr notwendig.

Lieferkettengesetz: Evaluierung durch Europäische Union

Die europäischen Sorgfaltspflichten für Unternehmen nicht nur auf Menschen- und Arbeitnehmerrechte zu beziehen, sondern auf Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz oder Tierwohl auszuweiten, hält der Beirat für eine “Anmaßung”: Die EU könne nicht von im Ausland tätigen Unternehmen verlangen, sich dort an die Regulierung der EU zu halten, heißt es im Gutachten. Da jedoch viele Verbraucherinnen und Verbraucher ein hohes Interesse an Produktionsbedingungen der Konsumgüter haben, sei es wichtig, auf anderen Wegen Transparenz zu schaffen. Zum Beispiel könnten derartige Informationen über das vom Bundeslandwirtschaftsministerium geplante Tierwohllabel sowie über Bio- und Fair Trade-Siegel preisgegeben werden, erklärte Bierbrauer.

Im vergangenen Jahr wurde bereits das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) beschlossen, welches am 1. Januar 2023 in Kraft tritt. Eine europäische Richtlinie ist zurzeit in der Vorbereitung. Die Europäische Kommission legte im Februar einen Entwurf dafür vor (Europe.Table berichtete). Die Vorgaben gehen in Bezug auf Umweltstandards und die Reichweite der Pflichten über das deutsche Gesetz hinaus. Die genaue Ausarbeitung wird noch diskutiert.

Wie Lieferkettengesetze tatsächlich wirken, ist noch nicht bekannt. Es sei “nicht gesichert, dass diese Gesetze die beabsichtigte Wirkung entfalten”, heißt es in dem Gutachten. Der Beirat empfiehlt deshalb eine konstante Evaluierung sowohl des deutschen als auch des geplanten Lieferkettengesetzes der Europäischen Union hinsichtlich der Wirkung auf “globale Wertschöpfungsketten, die Lage der Menschenrechte und die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Firmen.” leo

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DSA: AStV gibt grünes Licht

Der Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV/Coreper) im Rat der EU hat gestern den Trilog-Kompromiss zum Digital Services Act angenommen. Die Vertreter der Mitgliedstaaten hatten unter französischer Ratspräsidentschaft dabei zuletzt mit einigen Widrigkeiten zu kämpfen: Der DSA sollte unbedingt vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich im Trilog geeint werden (Europe.Table berichtete). Dadurch mangelte es jedoch an einigen Punkten an Präzision und auch die Konsultation der Mitgliedstaaten sei nicht stets zufriedenstellend verlaufen, heißt es aus Verhandlungskreisen.

Auf Anfrage hieß es aus dem zuständigen deutschen Haus: “Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr begrüßt die endgültige Einigung zu diesem wichtigen Dossier”. Frankreich habe das Verhandlungsmandat erhalten, an den Verhandlungen zwischen EP und Rat sei man nicht beteiligt gewesen. Zur Annahme stellte der Rat nun auch eine Version mit den letzten Änderungen online.

Heute stimmt auch der federführende Binnenmarktausschuss im Europaparlament über die Annahme des Verhandlungsergebnisses ab. Die dänische Sozialdemokratin Christel Schaldemose, die für das Parlament als Berichterstatterin auch die Trilogverhandlungen geführt hatte, zeigte sich vor der Abstimmung zuversichtlich: “Ich erwarte eine überwältigende Mehrheit”, schrieb sie auf Twitter.

Schirdewan: Digital Services Act ist Fortschritt für die EU

Der Linkenabgeordnete Martin Schirdewan sieht den DSA als Fortschritt an: “Riesenerfolge sind die Verbote von personalisierter Werbung für Minderjährige sowie die Verwendung von sensiblen Daten, auch wenn ein komplettes Verbot von personalisierter Werbung wünschenswert wäre”, sagt Schirdewan. “Das Klingeln der Kassen von Digitalunternehmen dürfte bald leiser werden, da nun Daten über unsere Gesundheit, Gewerkschaftsmitgliedschaft, über sexuelle oder politische Orientierung geschützt werden.”

Der Piratenabgeordnete Patrick Breyer (Grüne/EFA) begrüßte auf der einen Seite, dass mit dem DSA nationale Alleingänge wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz der Vergangenheit angehören würden. Auch der bessere Schutz von Minderjährigen sei ein Gewinn. Gleichwohl sei die – unter anderem von der Kommission genutzte – Formulierung “Digitales Grundgesetz” für den DSA nicht angemessen. Hierfür sei der DSA beim Grundrechtsschutz zu schwach ausgefallen.

Im Juli soll der Digital Services Act dann final von Rat und EU-Parlament beschlossen werden und damit Anfang 2024 wirksam werden. fst

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EU-Gericht erklärt Milliardenstrafe gegen Chiphersteller für nichtig

Das Gericht der Europäischen Union hat eine Wettbewerbsstrafe von fast einer Milliarde Euro gegen den Chiphersteller Qualcomm für nichtig erklärt. Es seien mehrere Verfahrensfehler festgestellt worden, teilte das Gericht am Mittwoch mit. Zudem habe die zuständige EU-Kommission bei der Analyse des Falls nicht alle relevanten Faktoren berücksichtigt (Rechtssache T-235/18).

Diese hatte 2018 die Strafe gegen Qualcomm verhängt, weil sie der Ansicht war, das amerikanische Unternehmen habe Milliarden US-Dollar an Apple gezahlt, damit Apple nicht bei der Konkurrenz kaufe, so die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager damals.

Wettbewerber seien dadurch in rechtswidriger Weise mehr als fünf Jahre lang vom Markt für sogenannte LTE-Basisband-Chipsätze ausgeschlossen worden. Nach Einschätzung der Wettbewerbshüter versuchte das Unternehmen vor allem eine stärkere Konkurrenz durch Intel zu verhindern.

Das Gericht folgte der Argumentation jedoch nicht: “Mit seinem Urteil von heute erklärt das Gericht den Beschluss der Kommission insgesamt für nichtig.” Dabei berufen sich die Richter auf mehrere Verfahrensfehler, die die Verteidigungsrechte von Qualcomm beeinträchtigt hätten. Zudem stellt es eine Analyse der Kommission zu den wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Anreizzahlungen in Frage.

Anreize für Apple, aber keine Alternativ zu Qualcomm

Die Kommission habe für ihre Feststellung nicht alle relevanten tatsächlichen Umstände berücksichtigt, damit sei die Analyse rechtswidrig, hieß es. Zwar hätten die Zahlungen die Anreize für Apple, sich an konkurrierende Anbieter zu wenden, verringert, aber für den überwiegenden Teil seines Bedarfs im relevanten Zeitraum habe es keine technische Alternative zu den Chipsätzen von Qualcomm gegeben.

Die Entscheidung des Gerichts ist noch nicht rechtskräftig. Die EU-Kommission kann noch vor dem Europäischen Gerichtshof dagegen vorgehen. Eine Sprecherin der Behörde sagte, man werde das Urteil genau analysieren und über mögliche nächste Schritte nachdenken. dpa

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Tschechien benennt Prioritäten für EU-Vorsitz – Schwerpunkt Ukraine

Kurz vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Tschechien zum ersten Juli hat die Regierung in Prag die Beherrschung des Flüchtlingszustroms aus der Ukraine und die Planung des späteren Wiederaufbaus der Ex-Sowjetrepublik als ihre Schwerpunkte genannt. “Nach der russischen Aggression gegen die Ukraine ist die Welt nicht mehr dieselbe”, sagte der Ministerpräsident Tschechiens Petr Fiala am Mittwoch in Prag.

Weitere Themen sind demnach die Energiesicherheit, die Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten Europas und die Cybersicherheit. Das Motto für den sechsmonatigen Vorsitz lautet “Europa als Aufgabe”. Der Titel ist einer Rede entlehnt, die der frühere tschechoslowakische und tschechische Präsident Vaclav Havel (1936-2011) im Jahr 1996 in Aachen hielt. Das eigens geschaffene Logo zeigt eine Rosette aus bunten Kompassnadeln in den Nationalfarben der 27 EU-Mitgliedstaaten.

Tschechien übernimmt den Vorsitz im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs am 1. Juli von Frankreich. Geplant sind 14 informelle Ministertreffen und ein Gipfeltreffen. Die EU-Mitgliedstaaten wechseln sich beim Vorsitz turnusmäßig alle sechs Monate ab. Zuletzt hatte Tschechien diese Aufgabe 2009 übernommen. Überschattet wurde dies damals vom Sturz der Regierung von Mirek Topolanek durch ein Misstrauensvotum. dpa

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EZB will Kampf gegen Ausverkauf von Staatsanleihen beschleunigen

Die EZB verstärkt ihren Kampf gegen einen Ausverkauf von Staatsanleihen südlicher Euro-Länder. Die jüngsten Verwerfungen an den Anleihemärken hatten Sorgen vor einer erneuten Euro-Schuldenkrise aufkommen lassen. Die Renditen für Schuldenpapiere der Euro-Länder waren zuletzt kräftig gestiegen – die der südlichen Länder dabei aber besonders stark. Ohnehin schon von hohen Schuldenständen geplagte Staaten wie Italien kommen dadurch noch mehr unter Druck, da sich ihre Finanzierungskosten erhöhen. Dagegen will die EZB jetzt einschreiten, wie sie am Mittwoch nach einer Sondersitzung des EZB-Rats ankündigte. Dabei stellten die Währungshüter auch ein neues geldpolitisches Werkzeug in Aussicht.

An den Anleihemärkten sorgte die Ankündigung für etwas Beruhigung. Die Rendite der 10-jährigen italienischen Staatsanleihe sank auf 3,92 Prozent – ein Minus von 0,30 Prozentpunkten im Tagesverlauf. Die Rendite griechischer 10-jähriger Staatstitel verringerte sich auf 4,308 Prozent, ein Rückgang von 0,35 Prozentpunkten. Der Dax baute nach einem kurzen Durchhänger seine Gewinne aus. Die wichtige Nachricht sei, dass die EZB etwas präsentieren wolle, kommentierte Zinsstratege Antoine Bouvet vom Bankhaus ING. “Was zählt ist, dass etwas kommt und das gibt potenziellen Verkäufern italienischer Anleihen zumindest die Gewissheit, dass es für die Ausweitung der Renditeabstände eine Grenze gibt.” Jörg Angele, Volkswirt beim Schweizer Bankhaus Bantleon, merkte an: “Wir gehen davon aus, dass das neue Instrument binnen weniger Wochen eingesetzt werden kann.” rtr

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ESM: Lindner für Luxemburgs Ex-Finanzminister als Chef

Einen Tag vor der möglichen Entscheidung über den künftigen Vorsitz beim europäischen Rettungsfonds ESM macht sich Bundesfinanzminister Christian Lindner für den luxemburgischen Bewerber Pierre Gramegna stark. “Aus Sicht der Bundesregierung darf der ESM seinen Charakter nicht verändern”, sagte Lindner am Mittwoch in Berlin. Er sei eindeutig ein Notfallfonds für Krisen und nicht geschaffen worden, um für die normale Kapitalversorgung von Ländern zu stehen. Der ehemalige Finanzminister Luxemburgs sei daher der bevorzugte Kandidat. Er komme aus einem Land mit Top-Bonität.

Der ESM-Verwaltungsrat, in dem die Finanzminister der Euro-Zone sitzen, soll am Donnerstag über die Nachfolge des langjährigen Fondschefs Klaus Regling entscheiden. Im Rennen sind auch der Italiener Marco Buti und der Portugiese Joao Leao. 80 Prozent der Stimmen müssen im ESM-Rat auf den erfolgreichen Kandidaten entfallen. Deutschland hat dabei wegen seines Anteils von 27 Prozent ein Veto-Recht.

Zeitplan zur Vollendung der europäischen Bankenunion

Die europäischen Finanzminister treffen sich am Donnerstag und Freitag in Luxemburg. Thema dabei werde unter anderem die Vollendung der Bankenunion, so Lindner. “Das sind sehr schwierige und komplexe Fragen.” Viele Details seien zuletzt noch offengeblieben. “Es deuten sich da auch schwierige Konstellationen an.” Deutschland sei der Meinung, jedes Euro-Mitglied müsse für seinen privaten Bankensektor verantwortlich bleiben. Es gebe zudem die Sorge wegen hoher Anteile heimischer Staatsanleihen in den Bank-Bilanzen. Das ist zum Beispiel in Italien ein Problem.

Der irische Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe hatte zuletzt Druck gemacht, sich im Juni auf einen Zeitplan zur Vollendung der europäischen Bankenunion zu verständigen. Nach der Finanz- und Staatsschuldenkrise hat Europa bereits die Aufsicht über die großen Banken verstärkt und Möglichkeiten zur Abwicklung maroder Institute geschaffen. Im Konzept eines einheitlichen Bankenmarktes fehlt aber noch eine gemeinsame Einlagensicherung. Ein EU-Vertreter sagte Reuters diese Woche, es werde am Donnerstag nur einen Zeitplan für kleinere Teile geben. “Ist die Bankenunion tot? Nein, natürlich ist sie nicht tot. Aber sie gönnt sich ein Nickerchen für eine Weile.” rtr

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EU droht Briten wegen Nordirland-Protokoll mit Gericht

Im Streit über das Nordirland-Protokoll zum britischen EU-Ausstieg stellt die Europäische Kommission der Regierung in London ein Ultimatum. Sollte sie nicht binnen zwei Monaten auf Einwände der EU gegen die britische Umsetzung des Nordirland-Protokolls reagieren, könnte die Brüsseler Behörde gegen Großbritannien vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, sagte Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic am Mittwoch in Brüssel. Die EU leitete zwei neue juristische Maßnahmen gegen die Briten ein und nahm eine weitere wieder auf. Diese war vor rund einem Jahr als Zeichen des guten Willens unterbrochen worden, um für eine bessere Atmosphäre bei den Verhandlungen über das Nordirland-Protokoll so sorgen.

Nordirland-Protokoll: Einseitige Änderung laut Sefcovic illegal

Doch nach monatelangem Ringen stellte die britische Regierung am Montag ein Gesetz vor, mit dem sie die umstrittene Regelung zum Grenzverkehr zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Land Irland aushebeln will. Die von Außenministerin Liz Truss vorgestellten Pläne lösten entschiedenen Widerspruch in der EU aus. Truss will unter anderem gerade die Rolle des jetzt von Sefcovic genannten Europäischen Gerichtshofs als alleinigem Schiedsrichter bei Streitigkeiten beenden. Mit der jüngsten Zuspitzung droht sich der Konflikt zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in einen Handelskrieg auszuweiten.

Sefcovic, der die Verhandlungen mit Großbritannien leitet und dabei vor allem mit Truss redet, äußerte sich kritisch zum Vorstoß der britischen Ministerin: Es gebe keine juristische oder politische Rechtfertigung für die einseitige Änderung einer internationalen Vereinbarung durch Großbritannien. “Nennen wir die Dinge beim Namen, das ist illegal.” Sefcovic reagierte mit seinen Äußerungen zwar auf den jüngsten Vorstoß der Briten. Die juristischen Maßnahmen beziehen sich aber nicht darauf, sondern auf Großbritanniens bisherige Umsetzung von Handelsregeln im Nordirland-Protokoll.

De facto Zollgrenze in Irischer See

Im Rahmen der zwei neuen Initiativen wirft die EU-Kommission der Regierung in London vor, für Kontrollen in Nordirland unzureichend Personal und Infrastruktur sowie der EU nicht genug Handelsdaten zur Verfügung gestellt zu haben. Die dritte, zwischenzeitlich ausgesetzte Maßnahme bezieht sich auf die Logistik bei Agrarprodukten und Lebensmitteln. Die Verfahren könnten in Strafen des Europäischen Gerichtshofs münden, was allerdings mehr als ein Jahr dauern dürfte.

Die britische Regierung hatte das Nordirland-Protokoll selbst im Rahmen des EU-Austritts ausgehandelt, die Vereinbarung inzwischen aber für nicht praktikabel erklärt. Sie sieht für Nordirland besondere Zollregeln vor, um die aus historischen Gründen sensible Grenze zwischen der britischen Provinz und dem EU-Staat Irland offen zu halten – auch um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern. Durch die Übereinkunft ist aber de facto eine Zollgrenze in der Irischen See entstanden, die Nordirland vom Rest des Vereinigten Königreichs trennt. Das führte unter anderem zu Lieferproblemen und auch insgesamt zu großem Unmut in Großbritannien.

Sefcovic erklärte am Mittwoch zugleich, er suche weiter das Gespräch mit Großbritannien über Lieferschwierigkeiten. Der Kommissionsvize stellte zudem ein Zertifikat vor, das die Formalitäten für Lkw-Fahrer erleichtern soll. “Nicht 300, nicht 30, sondern drei”, sagte Sefcovic mit Blick auf die Seitenzahl der Bescheinigung. “So einfach ist es, wenn wir gut zusammenarbeiten.” rtr

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Presseschau

Streit über Emissionshandel: EU-Parlamentarier einigen sich auf Kompromiss zum Klimaschutzpaket SPIEGEL
EU unterzeichnet Gas-Abkommen mit Israel und Ägypten TAGESSPIEGEL
Die EU nimmt Twitter, Facebook und Co im Kampf gegen russische Propaganda in die Pflicht HANDELSBLATT
Nordirland-Protokoll: EU-Kommission leitet Verfahren gegen Großbritannien ein ZEIT
Britischer Pakt mit Ruanda: Gericht stoppt umstrittenen Abschiebeflug – London will Urteil anfechten TAGESSPIEGEL
EU-Gericht kassiert Milliarden-Bußgeld für Qualcomm FAZ
EZB kündigt neues Mittel gegen mögliche Euro-Krisen an HANDELSBLATT
Kabinett billigt Gesetzentwurf: Windkraft soll zügig ausgebaut werden TAGESSCHAU
Kabinett billigt neue Vorgaben für nitratbelastete Agrarflächen SPIEGEL
Spanien will Weltmarktführer für nachhaltige Mobilität werden EURACTIV

Standpunkt

EU muss Kosten der Energieunabhängigkeit gemeinsam schultern

Von Philipp Jäger, Nils Redeker
Philipp Jäger, Policy Fellow, und Nils Redeker, Deputy Director am Jacques Delors Centre, über die Klimaziele der EU und den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Philipp Jäger ist Policy Fellow, Nils Redeker ist Deputy Director am Jacques Delors Centre.

Europäische Wirtschaftspolitik ist gerade besonders kompliziert. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet das Wirtschaftswachstum schwer, gleichzeitig steigt die Inflation rasant. Energiepreise auf Rekordniveau machen wirtschaftspolitische Abfederungen notwendig, dürfen Unternehmen und Haushalte aber nicht davon abhalten, sich an langfristig höhere Sprit- und Strompreise anzupassen.

Und schließlich verursacht der Krieg neue staatliche Kosten – von der militärischen Aufrüstung, zur humanitären Hilfe für Geflüchtete, bis zum Wiederaufbau der Ukraine – und das in einem Kontext, in dem Mitgliedstaaten gerade erst begonnen hatten, die hohen Pandemieausgaben zurückzufahren.

Unabhängigkeit von Russland & Ausbau von erneuerbaren Energien

Wirtschaftspolitisch muss die EU derzeit also eine ganze Reihe neuer Zielkonflikte jonglieren. Neben vielen komplizierten Abwägungen setzt der Krieg aber auch einige unstrittige neue Ziele auf die Agenda. Zwei sind dabei besonders wichtig. Erstens muss die EU ihre Abhängigkeit von russischen Energieimporten so schnell und so umfassend wie möglich beenden. Und zweitens sollte sie das in erster Linie durch massive Investitionen in Energieeffizienz und den Ausbau von erneuerbaren Energien erreichen.

Energieunabhängigkeit ist dabei zunächst eine geopolitische Notwendigkeit. Solange sie sich nicht von russischer Kohle, Öl und Gas löst, spült die EU weiterhin Milliarden in die russische Kriegskasse und bleibt geoökonomisch angreifbar. Das Ziel, diese Abhängigkeit möglichst durch Erneuerbare zu beenden, ist dazu gute Wirtschaftspolitik. Sie reduziert die Abhängigkeit von fossiler Energie insgesamt (nicht nur von russischer), verringert europäische Emissionen, und senkt langfristig die Energiepreise und damit auch die importierte Inflation. Der Krieg stellt die EU also wirtschaftspolitisch vor viele schwierige Entscheidungen. Der massive Ausbau von Investitionen in Energieunabhängigkeit gehört allerdings nicht dazu.

Frage nach Finanzierung offen

Im Mai hat die EU-Kommission nun einen Plan vorgelegt, wie sie dieses Ziel erreichen will. Mit REPowerEU will sie die Gasimporte aus Russland bis Ende dieses Jahres um zwei Drittel senken. Bis 2027 sollen dann gar keine russische Energieexporte mehr in die EU fließen. Dazu setzt die Kommission primär auf die Beschleunigung der Energiewende (so soll der Anteil an Erneuerbaren EU-weit bis 2030 auf 45 Prozent, statt wie bisher geplant auf 40 Prozent, steigen) sowie auf Energieeinsparungen durch höhere Energieeffizienz und geringeren Verbrauch. Daneben enthält der Plan in kleinerem Maße auch Investitionen in fossile Infrastruktur zur Umgehung russischer Energieimporte.

Nun lässt sich über einige der Details der vorgelegten Pläne trefflich streiten. Insgesamt besteht der Kommissionsvorschlag aber aus sinnvollen Maßnahmen, wie beispielsweise eine Plattform für den gemeinsamen Einkauf von Erdgas, Flüssiggas und Wasserstoff, eine Solar-Initiative, Empfehlungen für dringend benötigte Vereinfachung von Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien, oder eine außenpolitische Strategie für Energieimporte. Was dem Plan bisher aber fehlt, ist eine überzeugende Antwort darauf, wie die neuen Ziele finanziert werden sollen. Tatsächlich ist Energieunabhängigkeit nicht billig.

Nach Schätzung der Kommission betragen die Kosten für REPowerEU 300 Milliarden Euro bis 2030. 210 Milliarden davon müssten bereits bis 2027 investiert werden. Diese Summen werden zusätzlich zu den Geldern gebraucht, die schon vor dem Krieg für die europäischen Klimaziele veranschlagt waren. Insgesamt liegen die Kosten der Energieunabhängigkeit durch die Energiewende also noch sehr viel höher. Bisher stehen dafür aber kaum neue finanzielle Mittel auf EU-Ebene zur Verfügung.

Finanzierung über Länder nicht sinnvoll

Für die Finanzierung von REPowerEU schlägt die Kommission zum einen vor, dass Mitgliedstaaten Mittel, die ihnen aus den Kohäsionsfonds und dem EU-Agrarhaushalt zustehen, freiwillig umwidmen. Durch den Verkauf von zusätzlichen CO2-Zertifikaten soll ein kleiner Anteil, nämlich 20 Milliarden, generiert werden (Europe.Table berichtete), der in die Recovery and Resilience Facility (RRF) umgeleitet und dann entsprechend dem Allokationsschlüssel aus der Pandemie verteilt werden soll. Das ist aus einer ganzen Reihe von Gründen problematisch, nicht zuletzt, weil dadurch die Beschleunigung der Energiewende durch den Ausstoß von zusätzlichem CO2 finanziert würde, und die zusätzlichen Mittel vor allem den Mitgliedsländern zugutekämen, die im besonderen Maße von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie – also einer ganz anderen Krise – betroffen waren.

Der größte Teil der Kosten, ca. 225 Milliarden Euro, soll aber aus bislang ungenutzten Krediten aus der RRF finanziert werden. Dafür müssten sich Mitgliedsländer Geld von der EU leihen und in konkrete Projekte zur Stärkung der Energieunabhängigkeit investieren. Diese Kredite gehen für manche Mitgliedsländer mit günstigeren Konditionen als auf den internationalen Finanzmärkten einher. Sie zählen aber vollumfänglich zur nationalen Verschuldung und müssen langfristig zurückgezahlt werden. Aktuell fußt der Plan auf der Finanzierungsseite also in erster Linie auf nationalen Ausgaben (Europe.Table berichtete). Ob das aufgeht, ist aus mindestens drei Gründen fraglich.

Erstens ist Energieunabhängigkeit ein gemeinsames europäisches Gut. Viele der Investitionen, die im Rahmen von REPowerEU notwendig sind, haben einen europäischen Mehrwert. Ihr direkter Nutzen für die Länder, in denen sie stattfinden müssten, ist aber kurzfristig gering. So würden sich neue Solaranlagen aus europäischer Perspektive beispielsweise laut Kommission besonders in Spanien lohnen. Spanien selbst ist aber kaum abhängig von russischer Energie und müsste zudem nicht nur neue Solaranlagen finanzieren, sondern gleich auch die Netzinfrastruktur, die dafür notwendig ist, den neuen Strom anschließend in andere, weniger sonnige Teile der EU zu verkaufen.

Dass Spanien und andere Länder das in ausreichendem Maße umsetzen, ist vor allem in Zusammenhang mit einem zweiten Grund unwahrscheinlich. Nationale Haushalte stehen durch die wirtschaftlichen Folgen des Krieges schon jetzt unter erheblichem Druck. Um hohe Energiepreise abzufedern, haben Mitgliedstaaten europaweit bereits heute über 180 Milliarden für Entlastungspakete vorgesehen. Sollten die Preise hoch bleiben oder weiter steigen, werden diese Ausgaben noch zunehmen.

Dazu kommen deutlich steigende Ausgaben für nationale Verteidigungsetats (bisher Ankündigungen in Höhe von 200 Milliarden Euro für die kommenden Jahre, Tendenz steigend), die Kosten der Aufnahme von Geflüchteten (Bruegel schätzt 43 Milliarden allein für 2022) und die finanziellen Altlasten der Pandemie. Wie viel der Krieg Europa am Ende kosten wird, bleibt schwer abzuschätzen. Klar ist aber schon jetzt, dass neue, langfristig lohnende Investitionen haushaltspolitisch in den kommenden Jahren einen schweren Stand haben werden.

Gemeinsame Finanzierung gemeinsamer Projekte

Und drittens ist Energieunabhängigkeit als Ziel für manche Mitgliedstaaten sehr viel schwieriger zu erreichen als für andere. Zum einen sind einige Mitgliedstaaten sehr viel abhängiger von russischen Energieimporten als andere. Während beispielsweise Frankreich vor dem Krieg weniger als 10 Prozent seines Energiebedarfs aus Russland deckte, stammen in der Slowakei oder Ungarn über die Hälfte, und in Tschechien etwa ein Viertel aus russischen Importen. Zum anderen leiden manche Mitgliedstaaten derzeit sehr viel stärker unter den direkten wirtschaftlichen Folgen des Krieges.

Gerade viele osteuropäische Mitgliedstaaten verpassen auch in optimistischen Prognosen eine Rezession nur knapp und sind zudem sehr viel stärker von hohen Energiepreisen und grassierender Energiearmut betroffen als einige Länder in West- und Südeuropa. Dort sind zusätzliche Investitionen in Energieunabhängigkeit derzeit entsprechend schwer zu stemmen.

Um die in REPowerEU gesetzten Ziele zu erreichen, kann die EU daher nicht in erster Linie auf nationale Finanzierung setzen. Gemeinsame europäische Ziele brauchen eine gemeinsame Finanzierung. Ohne zusätzliche Gelder ist diese kaum darzustellen. Die Mittel im EU-Budget sind generell beschränkt und die verbleibenden Reserven durch zusätzliche Ausgaben für humanitären Unterstützung von ukrainischen Geflüchteten praktisch aufgebracht. Der nächste reguläre EU-Haushalt kommt erst 2028, also lange nachdem die jetzt notwendigen Investitionen getätigt werden müssen. Und auch die Zuschüsse aus der RRF sind bereits verplant. Neue Ausgaben in Energieunabhängigkeit könnten hier nur auf Kosten von bereits geprüften und bewilligten Investitionen finanziert werden, die zu großen Teilen ohnehin für die europäische Energiewende eingeplant waren.

Zur gemeinsamen Finanzierung der Energieunabhängigkeit bleiben damit zwei Möglichkeiten. Entweder müssen die Mitgliedstaaten ihre Beiträge zum laufenden EU-Haushalt erhöhen. Sollten sie dazu nicht bereit sein, bliebe die Option, den in der Pandemie erstmals genutzten rechtlichen Rahmen zur Aufnahme gemeinsamer Schulden angesichts der tiefsten geopolitischen Krise der letzten Jahrzehnte noch einmal zu gebrauchen. Die politischen Hürden für beide Wege sind hoch. Ohne gemeinsame Finanzierung wird es der EU aber nicht gelingen, die dringend notwendigen Investitionen in Energieunabhängigkeit auf die Straße zu bringen. Und das kann sich Europa weder geopolitisch noch wirtschaftlich leisten.

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • Fraktionen einigen sich bei ETS und Grenzausgleich
    • Termine
    • EU-Beitritt der Ukraine: Ja, aber
    • Gazprom drosselt weiter Kapazität von Nord Stream 1
    • Lieferkettengesetz: Gutachten über Gestaltung
    • DSA: AStV gibt grünes Licht
    • EU-Gericht erklärt Milliardenstrafe gegen Chiphersteller für nichtig
    • Tschechien benennt Prioritäten für EU-Vorsitz – Schwerpunkt Ukraine
    • EZB will Kampf gegen Ausverkauf von Staatsanleihen beschleunigen
    • ESM: Lindner für Luxemburgs Ex-Finanzminister als Chef
    • EU droht Briten wegen Nordirland-Protokoll mit Gericht
    • EU muss Kosten der Energieunabhängigkeit gemeinsam schultern
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der russische Energiekonzern Gazprom hat am gestrigen Mittwoch die Gaslieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 weiter gedrosselt. Wirtschaftsminister Robert Habeck hält die Gründe, es gäbe Verzögerungen bei der Reparatur von Gas-Kompressoren, für vorgeschoben und fürchtet weitere Reduzierungen: “Es fängt vielleicht gerade erst an”, sagte er in Berlin.  

    In Brüssel haben sich EVP, S&D und Renew gestern derweil überraschend schnell auf eine gemeinsame Position bei den Dossiers Emissionshandel, Grenzausgleich und Klimasozialfonds geeinigt – weniger als eine Woche nach dem Scheitern des ETS-Pakets im Plenum. Worauf sich die Abgeordneten im Detail geeinigt haben, beleuchtet Manuel Berkel.

    Scholz, Macron und Draghi werden heute in Kiew erwartet. Bei dem Besuch geht es ohne Frage vorrangig um den Beitritt der Ukraine in die EU. Hier müssen vor allem Frankreich und Deutschland Position beziehen, auch wenn es letztlich eine gemeinsame Entscheidung aller Mitgliedstaaten wird. Till Hoppe und Eric Bonse blicken in ihrer Analyse auch auf Moldau und Georgien, die ebenfalls den Aufnahmeprozess in die EU starten wollen.

    Im Standpunkt erklären Philipp Jäger und Nils Redeker vom Jacques Delors Centre, wieso die EU die Kosten für das Programm REPowerEU nicht auf die einzelnen Länder abwälzen darf, sondern eine gemeinsame Finanzierungsstrategie entwerfen muss. Die Finanzierung dieses wichtigen Programms ist nämlich ein kritischer Punkt, der bislang offen geblieben ist.

    Ich wünsche eine interessante Lektüre!

    Ihre
    Lisa-Martina Klein
    Bild von Lisa-Martina  Klein

    Analyse

    Fraktionen einigen sich bei ETS und Grenzausgleich

    Fast bis Mitternacht hatten sie zusammengesessen, Mittwochmittag konnten die Verhandler nach Rücksprache mit ihren Fraktionen dann das Ergebnis verkünden. Überraschend schnell haben sich EVP, S&D und Renew doch noch auf eine gemeinsame Position bei den Dossiers EU-Emissionshandel, Grenzausgleich (CBAM) und Klimasozialfonds geeinigt. “Es war uns wichtig, eine möglichst große Mehrheit zu bekommen”, sagte CBAM-Berichterstatter Mohammed Chahim (S&D) vor Journalisten und einigen Lobbyisten, die sich in die Videoschalte gemogelt hatten.

    Zusammen kommen die drei Fraktionen auf 432 Abgeordnete – also 79 mehr, als für eine Mehrheit erforderlich wären. Eine erneute Blamage im Plenum soll so verhindert werden (Europe.Table berichtete), am kommenden Mittwoch wollen die Abgeordneten zwischen 14 und 15 Uhr erneut abstimmen. “Ich hoffe, dass wir ab kommender Woche mit dem Rat verhandeln können”, so Chahim.

    Grüne wollen noch Änderungen

    Planbarkeit beim Emissionshandel war Industrie und Gewerkschaften wohl zu wichtig, als dass die großen Fraktionen eine Hängepartie riskieren wollten. Erleichtert zeigte sich auch der ENVI-Vorsitzende Pascal Canfin (Renew): “Wir werden für die CO2-Grenzsteuer und eine historische Beschleunigung unserer Klimapolitik stimmen!”

    Die Grünen, die bei dem Kompromiss außen vor blieben, kündigten gestern an, bis zur Abstimmung am Mittwoch noch Änderungen erreichen zu wollen – beim Marktzugang für CO2-Rechte-Händler und den Benchmarks für die Zuteilung freier Zertifikate. Bei den großen Linien sehen also nicht einmal mehr sie noch Einflussmöglichkeiten.

    CAP sinkt bis 2030 um 63 Prozent

    Die Emissionen im ETS sollen nach dem Kompromiss bis 2030 gegenüber 2005 um 63 Prozent vermindert werden. Bisher sah die Richtlinie 43 Prozent vor, die Kommission wollte die Marke auf 62 Prozent erhöhen, der ENVI auf 67 Prozent. Nach dem nun gefundenen Kompromiss wird außerdem der lineare Reduktionsfaktor für 2029 minimal von 4,5 auf 4,6 Prozent erhöht. Einmalig werden zudem im Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie 70 Millionen Zertifikate gelöscht und dann noch einmal 50 Millionen Zertifikate 2026.

    Bei der freien Zuteilung von Zertifikaten zeigten EVP und Renew Bewegung. Der vergangene Woche abgelehnte Kompromiss hätte ein Auslaufen 2028 bis 2034 vorgesehen (Europe.Table berichtete). Nun sollen die Freizuteilungen ab 2027 gekürzt werden und bis 2032 auslaufen. Allerdings betonte die EVP, dass sie ein Sicherheitsnetz für die europäische Industrie aufgespannt habe. “Die freien Zuteilungen werden wir nur streichen, wenn der CBAM in der Praxis funktioniert”, sagte die Vizefraktionsvorsitzende Esther de Lange. Weiterhin freie Zuteilungen solle es geben, falls sich der Grenzausgleich nicht als WTO-kompatibel erweist oder er “schwerer anzuwenden” sei als erwartet.

    Alle Sektoren aus dem EU-Emissionshandel künftig im CBAM

    In den Grenzausgleich (CBAM) sollen nun mittelfristig sämtliche Sektoren einbezogen werden, die dem EU-Emissionshandel unterliegen. Einigkeit besteht bereits bei der Aufnahme von Wasserstoff. Für die Aufnahme der Produktion von Kunststoffen und organischen Chemikalien soll es zunächst eine Bewertung durch die Kommission geben. Wichtig sei eine ausreichende Datenbasis, erklärte de Lange. Ausreichende Daten zur CO2-Intensität verschiedener Produkte zu erheben, ist derzeit noch eine Herausforderung.

    “Klimaschutz ist wichtiger als politische Profilierung – es ist gut, dass alle Seiten sich aufeinander zubewegt haben”, sagte Tiemo Wölken, klimapolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament. “Das Ergebnis zeigt, dass es richtig war, vergangene Woche dem Bericht nicht zuzustimmen, der den Emissionshandel entscheidend verwässert hätte.”

    Zehn Mitgliedstaaten mit offenem Brief

    Unterdessen riefen am Mittwochmorgen zehn Mitgliedstaaten zu weiteren Anstrengungen beim Fit-for-55-Paket auf. “Wir beobachten mit wachsender Sorge die verschiedenen Aufrufe, die Ambition in den verschiedenen Dossiers des Pakets zu verwässern – sowohl im Rat als auch im Parlament”, schrieben die Ministerinnen und Minister in einem offenen Brief (Europe.Table berichtete). Auch wenn einzelne Änderungen marginal erschienen, würden sie in Summe das Klimaschutzziel für 2030 gefährden und die Union danach auf einen unmöglich einzuhaltenden Klimapfad setzen.

    Ein ambitioniertes Abkommen sei auch wichtig, um die EU unabhängiger von russischen Energielieferungen zu machen. Unterzeichnet wurde der Brief von Deutschland, Österreich, Dänemark, Schweden, Finnland, Irland, Spanien, Niederlanden, Luxemburg und Slowenien. Anfang April hatte die Staaten bereits einen ähnlichen Brief zum Klimaschutzpaket veröffentlicht (Europe.Table berichtete). Von den damaligen Unterzeichnern fehlt in dem neuen Anlauf nun Lettland.

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    EU-Beitritt der Ukraine: Ja, aber

    Emmanuel Macron formulierte verklausuliert, und dennoch transportierte er eine Botschaft: Es sei an der Zeit, “klare politische Signale an das ukrainische Volk zu senden”, sagte Frankreichs Präsident gestern an der Seite des rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis. Beim anschließenden Treffen mit seiner moldawischen Kollegin Maia Sandu in Chisinau ergänzte er: “Ich hoffe, dass wir eine klare Antwort beim Thema des Beitritts geben können”. Es sei aber “quasi sicher, dass dies von Bedingungen begleitet wird, bevor es weiter geht”.

    Die Ukraine und Moldau drängen, ebenso wie Georgien, auf einen EU-Beitritt. Die EU-Staats- und Regierungschefs müssen beim Gipfel am 23. und 24. Juni entscheiden, ob sie den Weg dafür ebnen und die drei Länder zu Beitrittskandidaten machen. Macron deutete nun an, dass die Antwort der Staats- und Regierungschefs ein “Ja, aber” sein könnte. Vorausgesetzt, alle EU-Staaten ziehen mit – denn Einigkeit ist Voraussetzung in dieser Frage.

    Die EU-Kommission stellt voraussichtlich am Freitag ihre Stellungnahme zu den Anträgen der drei Aspiranten vor (Europe.Table berichtete). Auch hier zeichnet sich ein “Ja, aber” ab: “Ich erwarte, dass die Kommission empfehlen wird, der Ukraine den Kandidatenstatus zu geben, wenn sie gewisse Bedingungen erfüllt”, sagt Nicolai von Ondarza, Forschungsgruppenleiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Moldau kann wohl mit einem ähnlichen Votum rechnen, bei Georgien ist das zweifelhafter.

    Die Entscheidung treffen aber die Mitgliedstaaten. Vieles hängt hier davon ab, wie sich Deutschland und Frankreich positionieren. Länder wie Polen, Litauen, Estland, Lettland und Irland fordern, der Ukraine den Kandidatenstatus bereits beim Gipfel zuzuerkennen. Mehrere andere Staaten haben aber Bedenken angemeldet, darunter die Niederlande, Dänemark und Portugal. Man werde die Entscheidung allerdings nicht im Alleingang blockieren, sagt ein Diplomat aus einem der skeptischen Länder, und warte auf klare Signale aus Berlin und Paris.

    Konkrete Zusagen im Gepäck

    Bundeskanzler Olaf Scholz hat in den vergangenen Wochen erhebliche Bedenken geäußert. Dass er Kiew den Kandidatenstatus verweigern wird, ist aber unwahrscheinlich. Nach Kiew reisen kann er angesichts der schwierigen Vorgeschichte kaum ohne konkrete Zusagen im Gepäck – das Echo wäre verheerend. Er könnte Präsident Wolodymyr Selenskyj die Lieferung schwerer Waffen versprechen. Mehr spricht aber dafür, dass Scholz gemeinsam mit Macron und Italiens Ministerpräsident Mario Draghi Selenskyj eine Beitrittsperspektive in Aussicht stellen wird. Wie konkret, das ist die große Frage.

    Sein Umfeld hielt sich dazu zuletzt sehr bedeckt. Es gebe noch Gespräche, hieß es in der SPD. Bei den Sozialdemokraten gibt durchaus Sympathien für das Anliegen Kiews: “Wir wollen sie in der Europäischen Union haben”, sagte der Parteivorsitzende Lars Klingbeil Anfang der Woche bei einem Besuch in Brüssel.
    Die Koalitionspartner drängen Scholz. Die Grünen wollen der Ukraine den Status als Beitrittskandidat geben, allerdings geknüpft an Auflagen. Auch die FDP ist dafür. Scholz könnte sich der Linie anschließen.

    Die Opposition in Berlin wiederum wittert die Gelegenheit, den Kanzler vor sich herzutreiben. Die Bundestagsfraktion von CDU/CSU hat einen Entschließungsantrag vorbereitet, in dem sie fordert, der Ukraine, Moldau und Georgien auf dem Europäischen Rat den Kandidatenstatus zuzusprechen. Dabei müssten den drei Ländern auch gleich die Eröffnung der ersten Beitrittskapitel in Aussicht gestellt werden.

    In der Opposition lässt sich das leicht fordern – wenngleich die Formulierungen auch in den Reihen von Fraktionschef Friedrich Merz für viele Diskussionen sorgte. Scholz sieht die Risiken: Er warnt davor, in der Ukraine falsche Erwartungen auf einen schnellen EU-Beitritt zu wecken und will die Beitrittskandidaten auf dem Westbalkan nicht brüskieren.

    Gerade Nordmazedonien und Albanien sind große Schritte auf die EU zugegangen, warten aber immer noch auf den Start der Beitrittsverhandlungen – Bulgarien blockiert den Prozess. Scholz dürfte kaum grünes Licht für Kiew geben, wenn die Regierung in Sofia nicht spätestens beim EU-Gipfel den Weg freimacht für die Verhandlungen mit Nordmazedonien (Europe.Table berichtete).

    Alternative und Vorstufe zum EU-Beitritt für Ukraine und Co

    Macron bringt noch ein anderes Modell ins Spiel. In Chisinau erläuterte er, dass Moldau der Kandidatenstatus unter normalen Umständen wohl nicht zuerkannt würde, die Situation aber wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine und der Destabilisierung anders bewertet werde. Die Erweiterung der EU könne aber nicht die einzige Antwort für die Stabilität auf dem Kontinent sein.

    Macron warb erneut für seinen Vorschlag einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (Europe.Table berichtete), als Alternative und Vorstufe zur EU-Mitgliedschaft. Die französische Regierung speiste gestern ein sogenanntes Non-Paper in den Rat ein, in dem sie das Konzept etwas konkretisierte.

    Interessierte Länder wie die Ukraine könnten demnach der “Communauté Politique Européenne” (CPE) beitreten, noch bevor es um die Mitgliedschaft in der EU geht. Die CPE biete einen flexibleren Rahmen und schnellere Handlungsmöglichkeiten als das kleinteilige und zeitraubende EU-Beitrittsverfahren, heißt es in Paris. Die Erweiterungspolitik sei daher kaum geeignet, den “dringenden historischen und geopolitischen Erfordernissen” zu genügen.

    Über die CPE könnten bereits im Vorfeld eines EU-Betritts die Verbindungen zu den EU-Staaten gestärkt und das Land teilweise in den Binnenmarkt integriert werden, heißt es in dem Papier. Sie solle noch in diesem Jahr gegründet werden und allen Ländern offenstehen, die “gemeinsam zur Sicherheit, zur Stabilität und zum Wohlstand unseres Kontinents” beitragen wollen.

    “Europäischer Vorbereitungsraum”

    Die neue Gemeinschaft ersetze weder den Europarat noch die OSZE oder die Nato, betont der französische Vorsitz. Sie solle eine schlanke Struktur bekommen und sich mehrfach im Jahr auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs, aber auch auf Ministerebene treffen. Über welche Kompetenzen sie verfügt, lässt das Papier offen.

    Nach französischer Darstellung wurde der Vorschlag bei einem Treffen der Ständigen Vertreter in Brüssel gestern wohlwollend aufgenommen. Er sei nützlich und komme zum rechten Zeitpunkt, sagte ein EU-Diplomat. Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer hat die Idee bereits gelobt und als “europäischen Vorbereitungsraum” bezeichnet. Diplomaten bezweifeln aber, dass das Konzept beim Gipfel nächste Woche bereits konkretisiert wird.

    Ein SWP-Experte von Ondarza glaubt, die Politische Gemeinschaft könne “die Diskussion verändern, wenn sie als Strategie zur Heranführung von Beitrittskandidaten an die EU betrachtet wird”. Dafür müssten aber die mittel- und osteuropäischen Staaten eingebunden würden. Dass Frankreich als Kritiker einer EU-Erweiterung Urheber des Vorschlages sei, “löst dort erhebliches Misstrauen aus”. mit Eric Bonse

    • Europapolitik
    • Georgien
    • Moldau
    • OSZE

    Termine

    17.06.2022 – 09:00-13:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
    FSR & ECF, Conference Between crises and decarbonisation
    The event organized by the Florence School of Regulation (FSR) and the European Climate Foundation (ECF) will address the current energy crisis, including the EU’s energy transition, new policy priorities as well as challenges. INFOS & REGISTRATION

    19.06.-20.06.2022, Berlin
    ECFR, Conference Zeitenwende for Europe: Building a new global order in times of unpeace
    The European Council on Foreign Relations (ECFR) will discuss the current war in Ukraine as well as the EU’s foreign and security policy. Europe.Table is going to join this event as a partner. INFOS

    19.06.-23.06.2022, Heilbronn
    Conference Flight Vehicles, Aerothermodynamics and Re-entry Missions Engineering (FAR)
    The 2nd International FAR conference will present developments and advances in vehicle engineering, flight physics, aerodynamics, thermodynamics, fluid dynamics, space transportation and exploration vehicles. INFOS

    20.06.2022 – 09:00-17:00 Uhr, online
    ASEW, Workshop Kalte Nahwärme
    Bei dem Seminar der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) werden Hindernisse bei und Erfahrungen mit der Umsetzung von kalten Nahwärmenetzen geteilt. INFOS & ANMELDUNG

    20.06.2022 – 09:30 Uhr, Berlin/ online
    BDI, Conference B7 Germany Summit #B7GER
    At the Business 7 (B7) Summit, global challenges for G7, opportunities of cooperation, and resilience in responding to the Corona pandemic will be discussed. INFOS & REGISTRATION

    20.06.2022 – 14:00-17:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/ online
    Digital Europe, Conference Summer Summit
    The challenges for the digital single market due to artificial intelligence, data protection and energy efficiency as well as problems of SMEs caused by market fragmentation will be topics of the summer summit. INFOS & REGISTRATION

    20.06.-21.06.2022, Berlin/online
    BDI, Konferenz Tag der Industrie (TDI22)
    Der vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) organisierte TDI22 befasst sich mit neuen Bedingungen der Zeitenwende für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. INFOS & ANMELDUNG

    20.06.-22.06.2022, Mailand (Italien)
    European Commission, Conference The 4th International Conference on European Studies
    The conference will evaluate the economic, social and political situation in Europe. Topics will include prosperity and inequality, migration and cooperation, climate change and energy policy, as well as the impact of the Corona pandemic. INFOS

    20.06-24.06.2022, Trier
    ERA, Seminar Summer Course on European Data Protection Law
    The course, organized by the Academy of European Law (ERA), will address European data protection law, GDPR and ePrivacy, international data transfers, and personal data protection, among other topics. INFOS & REGISTRATION

    21.06.2022 – 09:00-15:30 Uhr, online
    FES, Konferenz Tiergartenkonferenz 2022: Zeitenwende – Der Beginn einer neuen Ära
    Bei der Konferenz der Friedrich Ebert Stiftung (FES) werden die neue Sicherheitsordnung in Europa, die geopolitische Stärkung der EU und die Chancen einer klimaneutralen Transformation diskutiert. INFOS

    21.06.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
    SME2B, Seminar EU Taxonomy Explained to SMEs
    The implications of the EU Green Deal and the associated 55% reduction in EU greenhouse gas emissions by 2030 compared to 1990 for SMEs will be presented at this event. INFOS & REGISTRATION

    21.06.2022 – 10:00-16:45 Uhr, Berlin
    Die Zeit, Diskussion Zukunftsdialog Agrar und Ernährung
    Die Einflüsse des Ukraine-Krieges auf den Landwirtschafts- und Ernährungssektor, die Transformation zum Umweltschutz sowie Maßnahmen zum Erreichen der Klima- und Biodiversitätsziele werden von den Referentinnen und Referenten der Zeit diskutiert. INFOS & ANMELDUNG

    21.06.2022 – 17:30-19:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
    Panel Discussion Path to Net Zero: Is Waste-To-Energy Part of the Solution?
    At this event, current climate contributions of the waste-to-energy sector will be discussed, forecasts for further reduction potential, and a new concept for a waste-to-energy plant will be presented. INFOS & REGISTRATION

    21.06.-23.06.2022, Essen
    Messe E-World Energy & Water
    E-world energy & water is an opportunity for the European energy industry to share ideas and experiences. INFOS & TICKETS

    21.06.-24.06.2022, Brüssel (Belgien)
    Conference Africa Energy Forum
    This year’s Africa Energy Forum, themed “Africa for Africa: Building Energy for the Just Transition,” will offer insights into the African energy sector and the opportunity to establish partnerships. INFOS & REGISTRATION

    21.06.-24.06.2022, München
    Messe Automatica
    Die Automatica will einen Überblick bieten über globale Entwicklungen, Themen, Innovationen und Lösungen in den Bereichen intelligente Automation und Robotik.
    INFOS & TICKETS

    22.06-23.06.2022, Antwerpen (Belgien)/ online
    Conference European Hydrogen Financing Forum 2022
    At the European Hydrogen Financing Forum, stakeholders in the hydrogen value chain will have access to 60 hydrogen projects seeking strategic funding and partnerships. INFOS

    News

    Gazprom drosselt weiter Kapazität von Nord Stream 1

    Der russische Gazprom-Konzern hat mit der Ankündigung weiterer Abstriche bei den Gas-Lieferungen über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 erneut für Unruhe gesorgt. Die Kapazität der Verdichterstation an Land sei auf 67 Millionen Kubikmeter pro Tag gesunken, teilte der russische Gasriese am Mittwoch mit. Am Nachmittag waren nach den Daten des Pipeline-Betreibers zunächst keine Reduzierungen festzustellen.

    Bereits am Vortag hatte der russische Konzern auf technische Probleme verwiesen (Europe.Table berichtete). “Die aktuellen Meldungen zeigen deutlich: Die Begründung der russischen Seite ist schlicht vorgeschoben”, erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Es sei offenkundig die Strategie, zu verunsichern und die Preise hochzutreiben. “Aktuell können die Mengen am Markt beschafft werden, wenn auch zu hohen Preisen.”

    Am Dienstag hatte Gazprom den Durchfluss von Gas durch die Pipeline auf maximal 100 von 167 Millionen Kubikmeter pro Tag reduziert und zur Begründung auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gas-Kompressoren verwiesen. Der Energietechnik-Konzern Siemens Energy hatte daraufhin berichtet, dass eine in Kanada überholte Gasturbine wegen der Russland-Sanktionen derzeit nicht an Nord Stream 1 geliefert werden könne.

    Habeck befürchtet weitere Gasreduzierungen durch Russland. “Es ist noch nicht vorbei”, sagte der Grünen-Politiker in Berlin. “Es fängt vielleicht gerade erst an.” Ein Uniper-Sprecher teilte am Abend mit, bei dem Energiekonzern seien am Mittwoch 25 Prozent weniger Gas als vereinbart angekommen. “Aktuell ersetzen wir die fehlende Menge durch andere Quellen. Wir stehen in engem Austausch mit der deutschen Regierung.”

    Gazprom reduziert auch Gas-Lieferungen an Italien

    Auch Italien erhielt nach Angaben des dortigen Energiekonzerns Eni am Mittwoch weniger Gas aus Russland. “Gazprom hat für heute eine begrenzte Reduzierung der Gas-Lieferungen von insgesamt etwa 15 Prozent kommuniziert”, teilte ein Sprecher mit. Gazprom habe die Reduzierung nicht begründet. Im vergangenen Jahr bezog Italien 40 Prozent seiner Gasimporte aus Russland.

    Die Bundesregierung ist fieberhaft darum bemüht, die Bedeutung der russischen Erdgaslieferungen zurückzufahren. Aktuell würden noch die Speicher gefüllt, sagte Habeck. “Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet. Aber wir beobachten die Dinge sehr genau und sind über die Krisenstrukturen in engstem Austausch mit den relevanten Akteuren.” Die aktuelle Lage zeige aber auch: “Energiesparen ist das Gebot der Stunde. Und natürlich werden wir auch staatliche Maßnahmen ergreifen, wenn dies nötig ist.” rtr

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    Lieferkettengesetz: Gutachten über Gestaltung

    Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat gestern in Berlin ein Gutachten vorgestellt, in welchem er Empfehlungen für die Gestaltung des europäischen Lieferkettengesetzes gibt. Darin spricht er sich vor allem für die Erstellung einer Liste sicherer Herkunftsländer aus. Zudem hält der Beirat die Ausweitung der Sorgfaltspflichten von Menschenrechten und Arbeitsschutz auf Verbraucherschutz, Tierwohl und Umweltschutz nicht für angemessen.

    Der Anteil der Unternehmen, die in globalen Lieferketten involviert sind, sei aufgrund der hohen Kosten eines Aufbaus internationaler Handelsbeziehungen gering, erklärte Felix Bierbrauer, Professor für Finanzwissenschaften an der Universität zu Köln und federführendes Beiratsmitglied. Um den Aufwand für Unternehmen möglichst gering zu halten und ein effizientes Monitoring der Sorgfaltspflichten zu ermöglichen, empfiehlt der Beirat, auf europäischer Ebene eine Liste sicherer Herkunftsländer sowie Positiv- und Negativlisten für Unternehmen aus nicht sicheren Herkunftsländern zu erstellen. Ein eigenes Monitoring der einzelnen dort aufgelisteten Unternehmen sei dann nicht mehr notwendig.

    Lieferkettengesetz: Evaluierung durch Europäische Union

    Die europäischen Sorgfaltspflichten für Unternehmen nicht nur auf Menschen- und Arbeitnehmerrechte zu beziehen, sondern auf Standards im Umwelt- und Verbraucherschutz oder Tierwohl auszuweiten, hält der Beirat für eine “Anmaßung”: Die EU könne nicht von im Ausland tätigen Unternehmen verlangen, sich dort an die Regulierung der EU zu halten, heißt es im Gutachten. Da jedoch viele Verbraucherinnen und Verbraucher ein hohes Interesse an Produktionsbedingungen der Konsumgüter haben, sei es wichtig, auf anderen Wegen Transparenz zu schaffen. Zum Beispiel könnten derartige Informationen über das vom Bundeslandwirtschaftsministerium geplante Tierwohllabel sowie über Bio- und Fair Trade-Siegel preisgegeben werden, erklärte Bierbrauer.

    Im vergangenen Jahr wurde bereits das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) beschlossen, welches am 1. Januar 2023 in Kraft tritt. Eine europäische Richtlinie ist zurzeit in der Vorbereitung. Die Europäische Kommission legte im Februar einen Entwurf dafür vor (Europe.Table berichtete). Die Vorgaben gehen in Bezug auf Umweltstandards und die Reichweite der Pflichten über das deutsche Gesetz hinaus. Die genaue Ausarbeitung wird noch diskutiert.

    Wie Lieferkettengesetze tatsächlich wirken, ist noch nicht bekannt. Es sei “nicht gesichert, dass diese Gesetze die beabsichtigte Wirkung entfalten”, heißt es in dem Gutachten. Der Beirat empfiehlt deshalb eine konstante Evaluierung sowohl des deutschen als auch des geplanten Lieferkettengesetzes der Europäischen Union hinsichtlich der Wirkung auf “globale Wertschöpfungsketten, die Lage der Menschenrechte und die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Firmen.” leo

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    DSA: AStV gibt grünes Licht

    Der Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV/Coreper) im Rat der EU hat gestern den Trilog-Kompromiss zum Digital Services Act angenommen. Die Vertreter der Mitgliedstaaten hatten unter französischer Ratspräsidentschaft dabei zuletzt mit einigen Widrigkeiten zu kämpfen: Der DSA sollte unbedingt vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich im Trilog geeint werden (Europe.Table berichtete). Dadurch mangelte es jedoch an einigen Punkten an Präzision und auch die Konsultation der Mitgliedstaaten sei nicht stets zufriedenstellend verlaufen, heißt es aus Verhandlungskreisen.

    Auf Anfrage hieß es aus dem zuständigen deutschen Haus: “Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr begrüßt die endgültige Einigung zu diesem wichtigen Dossier”. Frankreich habe das Verhandlungsmandat erhalten, an den Verhandlungen zwischen EP und Rat sei man nicht beteiligt gewesen. Zur Annahme stellte der Rat nun auch eine Version mit den letzten Änderungen online.

    Heute stimmt auch der federführende Binnenmarktausschuss im Europaparlament über die Annahme des Verhandlungsergebnisses ab. Die dänische Sozialdemokratin Christel Schaldemose, die für das Parlament als Berichterstatterin auch die Trilogverhandlungen geführt hatte, zeigte sich vor der Abstimmung zuversichtlich: “Ich erwarte eine überwältigende Mehrheit”, schrieb sie auf Twitter.

    Schirdewan: Digital Services Act ist Fortschritt für die EU

    Der Linkenabgeordnete Martin Schirdewan sieht den DSA als Fortschritt an: “Riesenerfolge sind die Verbote von personalisierter Werbung für Minderjährige sowie die Verwendung von sensiblen Daten, auch wenn ein komplettes Verbot von personalisierter Werbung wünschenswert wäre”, sagt Schirdewan. “Das Klingeln der Kassen von Digitalunternehmen dürfte bald leiser werden, da nun Daten über unsere Gesundheit, Gewerkschaftsmitgliedschaft, über sexuelle oder politische Orientierung geschützt werden.”

    Der Piratenabgeordnete Patrick Breyer (Grüne/EFA) begrüßte auf der einen Seite, dass mit dem DSA nationale Alleingänge wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz der Vergangenheit angehören würden. Auch der bessere Schutz von Minderjährigen sei ein Gewinn. Gleichwohl sei die – unter anderem von der Kommission genutzte – Formulierung “Digitales Grundgesetz” für den DSA nicht angemessen. Hierfür sei der DSA beim Grundrechtsschutz zu schwach ausgefallen.

    Im Juli soll der Digital Services Act dann final von Rat und EU-Parlament beschlossen werden und damit Anfang 2024 wirksam werden. fst

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    EU-Gericht erklärt Milliardenstrafe gegen Chiphersteller für nichtig

    Das Gericht der Europäischen Union hat eine Wettbewerbsstrafe von fast einer Milliarde Euro gegen den Chiphersteller Qualcomm für nichtig erklärt. Es seien mehrere Verfahrensfehler festgestellt worden, teilte das Gericht am Mittwoch mit. Zudem habe die zuständige EU-Kommission bei der Analyse des Falls nicht alle relevanten Faktoren berücksichtigt (Rechtssache T-235/18).

    Diese hatte 2018 die Strafe gegen Qualcomm verhängt, weil sie der Ansicht war, das amerikanische Unternehmen habe Milliarden US-Dollar an Apple gezahlt, damit Apple nicht bei der Konkurrenz kaufe, so die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager damals.

    Wettbewerber seien dadurch in rechtswidriger Weise mehr als fünf Jahre lang vom Markt für sogenannte LTE-Basisband-Chipsätze ausgeschlossen worden. Nach Einschätzung der Wettbewerbshüter versuchte das Unternehmen vor allem eine stärkere Konkurrenz durch Intel zu verhindern.

    Das Gericht folgte der Argumentation jedoch nicht: “Mit seinem Urteil von heute erklärt das Gericht den Beschluss der Kommission insgesamt für nichtig.” Dabei berufen sich die Richter auf mehrere Verfahrensfehler, die die Verteidigungsrechte von Qualcomm beeinträchtigt hätten. Zudem stellt es eine Analyse der Kommission zu den wettbewerbswidrigen Auswirkungen der Anreizzahlungen in Frage.

    Anreize für Apple, aber keine Alternativ zu Qualcomm

    Die Kommission habe für ihre Feststellung nicht alle relevanten tatsächlichen Umstände berücksichtigt, damit sei die Analyse rechtswidrig, hieß es. Zwar hätten die Zahlungen die Anreize für Apple, sich an konkurrierende Anbieter zu wenden, verringert, aber für den überwiegenden Teil seines Bedarfs im relevanten Zeitraum habe es keine technische Alternative zu den Chipsätzen von Qualcomm gegeben.

    Die Entscheidung des Gerichts ist noch nicht rechtskräftig. Die EU-Kommission kann noch vor dem Europäischen Gerichtshof dagegen vorgehen. Eine Sprecherin der Behörde sagte, man werde das Urteil genau analysieren und über mögliche nächste Schritte nachdenken. dpa

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    Tschechien benennt Prioritäten für EU-Vorsitz – Schwerpunkt Ukraine

    Kurz vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch Tschechien zum ersten Juli hat die Regierung in Prag die Beherrschung des Flüchtlingszustroms aus der Ukraine und die Planung des späteren Wiederaufbaus der Ex-Sowjetrepublik als ihre Schwerpunkte genannt. “Nach der russischen Aggression gegen die Ukraine ist die Welt nicht mehr dieselbe”, sagte der Ministerpräsident Tschechiens Petr Fiala am Mittwoch in Prag.

    Weitere Themen sind demnach die Energiesicherheit, die Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten Europas und die Cybersicherheit. Das Motto für den sechsmonatigen Vorsitz lautet “Europa als Aufgabe”. Der Titel ist einer Rede entlehnt, die der frühere tschechoslowakische und tschechische Präsident Vaclav Havel (1936-2011) im Jahr 1996 in Aachen hielt. Das eigens geschaffene Logo zeigt eine Rosette aus bunten Kompassnadeln in den Nationalfarben der 27 EU-Mitgliedstaaten.

    Tschechien übernimmt den Vorsitz im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs am 1. Juli von Frankreich. Geplant sind 14 informelle Ministertreffen und ein Gipfeltreffen. Die EU-Mitgliedstaaten wechseln sich beim Vorsitz turnusmäßig alle sechs Monate ab. Zuletzt hatte Tschechien diese Aufgabe 2009 übernommen. Überschattet wurde dies damals vom Sturz der Regierung von Mirek Topolanek durch ein Misstrauensvotum. dpa

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    • Tschechien

    EZB will Kampf gegen Ausverkauf von Staatsanleihen beschleunigen

    Die EZB verstärkt ihren Kampf gegen einen Ausverkauf von Staatsanleihen südlicher Euro-Länder. Die jüngsten Verwerfungen an den Anleihemärken hatten Sorgen vor einer erneuten Euro-Schuldenkrise aufkommen lassen. Die Renditen für Schuldenpapiere der Euro-Länder waren zuletzt kräftig gestiegen – die der südlichen Länder dabei aber besonders stark. Ohnehin schon von hohen Schuldenständen geplagte Staaten wie Italien kommen dadurch noch mehr unter Druck, da sich ihre Finanzierungskosten erhöhen. Dagegen will die EZB jetzt einschreiten, wie sie am Mittwoch nach einer Sondersitzung des EZB-Rats ankündigte. Dabei stellten die Währungshüter auch ein neues geldpolitisches Werkzeug in Aussicht.

    An den Anleihemärkten sorgte die Ankündigung für etwas Beruhigung. Die Rendite der 10-jährigen italienischen Staatsanleihe sank auf 3,92 Prozent – ein Minus von 0,30 Prozentpunkten im Tagesverlauf. Die Rendite griechischer 10-jähriger Staatstitel verringerte sich auf 4,308 Prozent, ein Rückgang von 0,35 Prozentpunkten. Der Dax baute nach einem kurzen Durchhänger seine Gewinne aus. Die wichtige Nachricht sei, dass die EZB etwas präsentieren wolle, kommentierte Zinsstratege Antoine Bouvet vom Bankhaus ING. “Was zählt ist, dass etwas kommt und das gibt potenziellen Verkäufern italienischer Anleihen zumindest die Gewissheit, dass es für die Ausweitung der Renditeabstände eine Grenze gibt.” Jörg Angele, Volkswirt beim Schweizer Bankhaus Bantleon, merkte an: “Wir gehen davon aus, dass das neue Instrument binnen weniger Wochen eingesetzt werden kann.” rtr

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    ESM: Lindner für Luxemburgs Ex-Finanzminister als Chef

    Einen Tag vor der möglichen Entscheidung über den künftigen Vorsitz beim europäischen Rettungsfonds ESM macht sich Bundesfinanzminister Christian Lindner für den luxemburgischen Bewerber Pierre Gramegna stark. “Aus Sicht der Bundesregierung darf der ESM seinen Charakter nicht verändern”, sagte Lindner am Mittwoch in Berlin. Er sei eindeutig ein Notfallfonds für Krisen und nicht geschaffen worden, um für die normale Kapitalversorgung von Ländern zu stehen. Der ehemalige Finanzminister Luxemburgs sei daher der bevorzugte Kandidat. Er komme aus einem Land mit Top-Bonität.

    Der ESM-Verwaltungsrat, in dem die Finanzminister der Euro-Zone sitzen, soll am Donnerstag über die Nachfolge des langjährigen Fondschefs Klaus Regling entscheiden. Im Rennen sind auch der Italiener Marco Buti und der Portugiese Joao Leao. 80 Prozent der Stimmen müssen im ESM-Rat auf den erfolgreichen Kandidaten entfallen. Deutschland hat dabei wegen seines Anteils von 27 Prozent ein Veto-Recht.

    Zeitplan zur Vollendung der europäischen Bankenunion

    Die europäischen Finanzminister treffen sich am Donnerstag und Freitag in Luxemburg. Thema dabei werde unter anderem die Vollendung der Bankenunion, so Lindner. “Das sind sehr schwierige und komplexe Fragen.” Viele Details seien zuletzt noch offengeblieben. “Es deuten sich da auch schwierige Konstellationen an.” Deutschland sei der Meinung, jedes Euro-Mitglied müsse für seinen privaten Bankensektor verantwortlich bleiben. Es gebe zudem die Sorge wegen hoher Anteile heimischer Staatsanleihen in den Bank-Bilanzen. Das ist zum Beispiel in Italien ein Problem.

    Der irische Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe hatte zuletzt Druck gemacht, sich im Juni auf einen Zeitplan zur Vollendung der europäischen Bankenunion zu verständigen. Nach der Finanz- und Staatsschuldenkrise hat Europa bereits die Aufsicht über die großen Banken verstärkt und Möglichkeiten zur Abwicklung maroder Institute geschaffen. Im Konzept eines einheitlichen Bankenmarktes fehlt aber noch eine gemeinsame Einlagensicherung. Ein EU-Vertreter sagte Reuters diese Woche, es werde am Donnerstag nur einen Zeitplan für kleinere Teile geben. “Ist die Bankenunion tot? Nein, natürlich ist sie nicht tot. Aber sie gönnt sich ein Nickerchen für eine Weile.” rtr

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    • Finanzen
    • Stabilitätspakt

    EU droht Briten wegen Nordirland-Protokoll mit Gericht

    Im Streit über das Nordirland-Protokoll zum britischen EU-Ausstieg stellt die Europäische Kommission der Regierung in London ein Ultimatum. Sollte sie nicht binnen zwei Monaten auf Einwände der EU gegen die britische Umsetzung des Nordirland-Protokolls reagieren, könnte die Brüsseler Behörde gegen Großbritannien vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, sagte Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic am Mittwoch in Brüssel. Die EU leitete zwei neue juristische Maßnahmen gegen die Briten ein und nahm eine weitere wieder auf. Diese war vor rund einem Jahr als Zeichen des guten Willens unterbrochen worden, um für eine bessere Atmosphäre bei den Verhandlungen über das Nordirland-Protokoll so sorgen.

    Nordirland-Protokoll: Einseitige Änderung laut Sefcovic illegal

    Doch nach monatelangem Ringen stellte die britische Regierung am Montag ein Gesetz vor, mit dem sie die umstrittene Regelung zum Grenzverkehr zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Land Irland aushebeln will. Die von Außenministerin Liz Truss vorgestellten Pläne lösten entschiedenen Widerspruch in der EU aus. Truss will unter anderem gerade die Rolle des jetzt von Sefcovic genannten Europäischen Gerichtshofs als alleinigem Schiedsrichter bei Streitigkeiten beenden. Mit der jüngsten Zuspitzung droht sich der Konflikt zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in einen Handelskrieg auszuweiten.

    Sefcovic, der die Verhandlungen mit Großbritannien leitet und dabei vor allem mit Truss redet, äußerte sich kritisch zum Vorstoß der britischen Ministerin: Es gebe keine juristische oder politische Rechtfertigung für die einseitige Änderung einer internationalen Vereinbarung durch Großbritannien. “Nennen wir die Dinge beim Namen, das ist illegal.” Sefcovic reagierte mit seinen Äußerungen zwar auf den jüngsten Vorstoß der Briten. Die juristischen Maßnahmen beziehen sich aber nicht darauf, sondern auf Großbritanniens bisherige Umsetzung von Handelsregeln im Nordirland-Protokoll.

    De facto Zollgrenze in Irischer See

    Im Rahmen der zwei neuen Initiativen wirft die EU-Kommission der Regierung in London vor, für Kontrollen in Nordirland unzureichend Personal und Infrastruktur sowie der EU nicht genug Handelsdaten zur Verfügung gestellt zu haben. Die dritte, zwischenzeitlich ausgesetzte Maßnahme bezieht sich auf die Logistik bei Agrarprodukten und Lebensmitteln. Die Verfahren könnten in Strafen des Europäischen Gerichtshofs münden, was allerdings mehr als ein Jahr dauern dürfte.

    Die britische Regierung hatte das Nordirland-Protokoll selbst im Rahmen des EU-Austritts ausgehandelt, die Vereinbarung inzwischen aber für nicht praktikabel erklärt. Sie sieht für Nordirland besondere Zollregeln vor, um die aus historischen Gründen sensible Grenze zwischen der britischen Provinz und dem EU-Staat Irland offen zu halten – auch um ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts zu verhindern. Durch die Übereinkunft ist aber de facto eine Zollgrenze in der Irischen See entstanden, die Nordirland vom Rest des Vereinigten Königreichs trennt. Das führte unter anderem zu Lieferproblemen und auch insgesamt zu großem Unmut in Großbritannien.

    Sefcovic erklärte am Mittwoch zugleich, er suche weiter das Gespräch mit Großbritannien über Lieferschwierigkeiten. Der Kommissionsvize stellte zudem ein Zertifikat vor, das die Formalitäten für Lkw-Fahrer erleichtern soll. “Nicht 300, nicht 30, sondern drei”, sagte Sefcovic mit Blick auf die Seitenzahl der Bescheinigung. “So einfach ist es, wenn wir gut zusammenarbeiten.” rtr

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    • Nordirland

    Presseschau

    Streit über Emissionshandel: EU-Parlamentarier einigen sich auf Kompromiss zum Klimaschutzpaket SPIEGEL
    EU unterzeichnet Gas-Abkommen mit Israel und Ägypten TAGESSPIEGEL
    Die EU nimmt Twitter, Facebook und Co im Kampf gegen russische Propaganda in die Pflicht HANDELSBLATT
    Nordirland-Protokoll: EU-Kommission leitet Verfahren gegen Großbritannien ein ZEIT
    Britischer Pakt mit Ruanda: Gericht stoppt umstrittenen Abschiebeflug – London will Urteil anfechten TAGESSPIEGEL
    EU-Gericht kassiert Milliarden-Bußgeld für Qualcomm FAZ
    EZB kündigt neues Mittel gegen mögliche Euro-Krisen an HANDELSBLATT
    Kabinett billigt Gesetzentwurf: Windkraft soll zügig ausgebaut werden TAGESSCHAU
    Kabinett billigt neue Vorgaben für nitratbelastete Agrarflächen SPIEGEL
    Spanien will Weltmarktführer für nachhaltige Mobilität werden EURACTIV

    Standpunkt

    EU muss Kosten der Energieunabhängigkeit gemeinsam schultern

    Von Philipp Jäger, Nils Redeker
    Philipp Jäger, Policy Fellow, und Nils Redeker, Deputy Director am Jacques Delors Centre, über die Klimaziele der EU und den Ausbau der erneuerbaren Energien.
    Philipp Jäger ist Policy Fellow, Nils Redeker ist Deputy Director am Jacques Delors Centre.

    Europäische Wirtschaftspolitik ist gerade besonders kompliziert. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine belastet das Wirtschaftswachstum schwer, gleichzeitig steigt die Inflation rasant. Energiepreise auf Rekordniveau machen wirtschaftspolitische Abfederungen notwendig, dürfen Unternehmen und Haushalte aber nicht davon abhalten, sich an langfristig höhere Sprit- und Strompreise anzupassen.

    Und schließlich verursacht der Krieg neue staatliche Kosten – von der militärischen Aufrüstung, zur humanitären Hilfe für Geflüchtete, bis zum Wiederaufbau der Ukraine – und das in einem Kontext, in dem Mitgliedstaaten gerade erst begonnen hatten, die hohen Pandemieausgaben zurückzufahren.

    Unabhängigkeit von Russland & Ausbau von erneuerbaren Energien

    Wirtschaftspolitisch muss die EU derzeit also eine ganze Reihe neuer Zielkonflikte jonglieren. Neben vielen komplizierten Abwägungen setzt der Krieg aber auch einige unstrittige neue Ziele auf die Agenda. Zwei sind dabei besonders wichtig. Erstens muss die EU ihre Abhängigkeit von russischen Energieimporten so schnell und so umfassend wie möglich beenden. Und zweitens sollte sie das in erster Linie durch massive Investitionen in Energieeffizienz und den Ausbau von erneuerbaren Energien erreichen.

    Energieunabhängigkeit ist dabei zunächst eine geopolitische Notwendigkeit. Solange sie sich nicht von russischer Kohle, Öl und Gas löst, spült die EU weiterhin Milliarden in die russische Kriegskasse und bleibt geoökonomisch angreifbar. Das Ziel, diese Abhängigkeit möglichst durch Erneuerbare zu beenden, ist dazu gute Wirtschaftspolitik. Sie reduziert die Abhängigkeit von fossiler Energie insgesamt (nicht nur von russischer), verringert europäische Emissionen, und senkt langfristig die Energiepreise und damit auch die importierte Inflation. Der Krieg stellt die EU also wirtschaftspolitisch vor viele schwierige Entscheidungen. Der massive Ausbau von Investitionen in Energieunabhängigkeit gehört allerdings nicht dazu.

    Frage nach Finanzierung offen

    Im Mai hat die EU-Kommission nun einen Plan vorgelegt, wie sie dieses Ziel erreichen will. Mit REPowerEU will sie die Gasimporte aus Russland bis Ende dieses Jahres um zwei Drittel senken. Bis 2027 sollen dann gar keine russische Energieexporte mehr in die EU fließen. Dazu setzt die Kommission primär auf die Beschleunigung der Energiewende (so soll der Anteil an Erneuerbaren EU-weit bis 2030 auf 45 Prozent, statt wie bisher geplant auf 40 Prozent, steigen) sowie auf Energieeinsparungen durch höhere Energieeffizienz und geringeren Verbrauch. Daneben enthält der Plan in kleinerem Maße auch Investitionen in fossile Infrastruktur zur Umgehung russischer Energieimporte.

    Nun lässt sich über einige der Details der vorgelegten Pläne trefflich streiten. Insgesamt besteht der Kommissionsvorschlag aber aus sinnvollen Maßnahmen, wie beispielsweise eine Plattform für den gemeinsamen Einkauf von Erdgas, Flüssiggas und Wasserstoff, eine Solar-Initiative, Empfehlungen für dringend benötigte Vereinfachung von Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien, oder eine außenpolitische Strategie für Energieimporte. Was dem Plan bisher aber fehlt, ist eine überzeugende Antwort darauf, wie die neuen Ziele finanziert werden sollen. Tatsächlich ist Energieunabhängigkeit nicht billig.

    Nach Schätzung der Kommission betragen die Kosten für REPowerEU 300 Milliarden Euro bis 2030. 210 Milliarden davon müssten bereits bis 2027 investiert werden. Diese Summen werden zusätzlich zu den Geldern gebraucht, die schon vor dem Krieg für die europäischen Klimaziele veranschlagt waren. Insgesamt liegen die Kosten der Energieunabhängigkeit durch die Energiewende also noch sehr viel höher. Bisher stehen dafür aber kaum neue finanzielle Mittel auf EU-Ebene zur Verfügung.

    Finanzierung über Länder nicht sinnvoll

    Für die Finanzierung von REPowerEU schlägt die Kommission zum einen vor, dass Mitgliedstaaten Mittel, die ihnen aus den Kohäsionsfonds und dem EU-Agrarhaushalt zustehen, freiwillig umwidmen. Durch den Verkauf von zusätzlichen CO2-Zertifikaten soll ein kleiner Anteil, nämlich 20 Milliarden, generiert werden (Europe.Table berichtete), der in die Recovery and Resilience Facility (RRF) umgeleitet und dann entsprechend dem Allokationsschlüssel aus der Pandemie verteilt werden soll. Das ist aus einer ganzen Reihe von Gründen problematisch, nicht zuletzt, weil dadurch die Beschleunigung der Energiewende durch den Ausstoß von zusätzlichem CO2 finanziert würde, und die zusätzlichen Mittel vor allem den Mitgliedsländern zugutekämen, die im besonderen Maße von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie – also einer ganz anderen Krise – betroffen waren.

    Der größte Teil der Kosten, ca. 225 Milliarden Euro, soll aber aus bislang ungenutzten Krediten aus der RRF finanziert werden. Dafür müssten sich Mitgliedsländer Geld von der EU leihen und in konkrete Projekte zur Stärkung der Energieunabhängigkeit investieren. Diese Kredite gehen für manche Mitgliedsländer mit günstigeren Konditionen als auf den internationalen Finanzmärkten einher. Sie zählen aber vollumfänglich zur nationalen Verschuldung und müssen langfristig zurückgezahlt werden. Aktuell fußt der Plan auf der Finanzierungsseite also in erster Linie auf nationalen Ausgaben (Europe.Table berichtete). Ob das aufgeht, ist aus mindestens drei Gründen fraglich.

    Erstens ist Energieunabhängigkeit ein gemeinsames europäisches Gut. Viele der Investitionen, die im Rahmen von REPowerEU notwendig sind, haben einen europäischen Mehrwert. Ihr direkter Nutzen für die Länder, in denen sie stattfinden müssten, ist aber kurzfristig gering. So würden sich neue Solaranlagen aus europäischer Perspektive beispielsweise laut Kommission besonders in Spanien lohnen. Spanien selbst ist aber kaum abhängig von russischer Energie und müsste zudem nicht nur neue Solaranlagen finanzieren, sondern gleich auch die Netzinfrastruktur, die dafür notwendig ist, den neuen Strom anschließend in andere, weniger sonnige Teile der EU zu verkaufen.

    Dass Spanien und andere Länder das in ausreichendem Maße umsetzen, ist vor allem in Zusammenhang mit einem zweiten Grund unwahrscheinlich. Nationale Haushalte stehen durch die wirtschaftlichen Folgen des Krieges schon jetzt unter erheblichem Druck. Um hohe Energiepreise abzufedern, haben Mitgliedstaaten europaweit bereits heute über 180 Milliarden für Entlastungspakete vorgesehen. Sollten die Preise hoch bleiben oder weiter steigen, werden diese Ausgaben noch zunehmen.

    Dazu kommen deutlich steigende Ausgaben für nationale Verteidigungsetats (bisher Ankündigungen in Höhe von 200 Milliarden Euro für die kommenden Jahre, Tendenz steigend), die Kosten der Aufnahme von Geflüchteten (Bruegel schätzt 43 Milliarden allein für 2022) und die finanziellen Altlasten der Pandemie. Wie viel der Krieg Europa am Ende kosten wird, bleibt schwer abzuschätzen. Klar ist aber schon jetzt, dass neue, langfristig lohnende Investitionen haushaltspolitisch in den kommenden Jahren einen schweren Stand haben werden.

    Gemeinsame Finanzierung gemeinsamer Projekte

    Und drittens ist Energieunabhängigkeit als Ziel für manche Mitgliedstaaten sehr viel schwieriger zu erreichen als für andere. Zum einen sind einige Mitgliedstaaten sehr viel abhängiger von russischen Energieimporten als andere. Während beispielsweise Frankreich vor dem Krieg weniger als 10 Prozent seines Energiebedarfs aus Russland deckte, stammen in der Slowakei oder Ungarn über die Hälfte, und in Tschechien etwa ein Viertel aus russischen Importen. Zum anderen leiden manche Mitgliedstaaten derzeit sehr viel stärker unter den direkten wirtschaftlichen Folgen des Krieges.

    Gerade viele osteuropäische Mitgliedstaaten verpassen auch in optimistischen Prognosen eine Rezession nur knapp und sind zudem sehr viel stärker von hohen Energiepreisen und grassierender Energiearmut betroffen als einige Länder in West- und Südeuropa. Dort sind zusätzliche Investitionen in Energieunabhängigkeit derzeit entsprechend schwer zu stemmen.

    Um die in REPowerEU gesetzten Ziele zu erreichen, kann die EU daher nicht in erster Linie auf nationale Finanzierung setzen. Gemeinsame europäische Ziele brauchen eine gemeinsame Finanzierung. Ohne zusätzliche Gelder ist diese kaum darzustellen. Die Mittel im EU-Budget sind generell beschränkt und die verbleibenden Reserven durch zusätzliche Ausgaben für humanitären Unterstützung von ukrainischen Geflüchteten praktisch aufgebracht. Der nächste reguläre EU-Haushalt kommt erst 2028, also lange nachdem die jetzt notwendigen Investitionen getätigt werden müssen. Und auch die Zuschüsse aus der RRF sind bereits verplant. Neue Ausgaben in Energieunabhängigkeit könnten hier nur auf Kosten von bereits geprüften und bewilligten Investitionen finanziert werden, die zu großen Teilen ohnehin für die europäische Energiewende eingeplant waren.

    Zur gemeinsamen Finanzierung der Energieunabhängigkeit bleiben damit zwei Möglichkeiten. Entweder müssen die Mitgliedstaaten ihre Beiträge zum laufenden EU-Haushalt erhöhen. Sollten sie dazu nicht bereit sein, bliebe die Option, den in der Pandemie erstmals genutzten rechtlichen Rahmen zur Aufnahme gemeinsamer Schulden angesichts der tiefsten geopolitischen Krise der letzten Jahrzehnte noch einmal zu gebrauchen. Die politischen Hürden für beide Wege sind hoch. Ohne gemeinsame Finanzierung wird es der EU aber nicht gelingen, die dringend notwendigen Investitionen in Energieunabhängigkeit auf die Straße zu bringen. Und das kann sich Europa weder geopolitisch noch wirtschaftlich leisten.

    • Energie
    • Klimapolitik

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

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