Table.Briefing: Europe

Nato nennt China „Herausforderung“ + Reaktionen auf Verbrenner-Aus + Frans Timmermans im Portrait

  • Nato umschreibt China als neue Herausforderung
  • Unterschiedliche Interpretationen des Verbrenner-Aus
  • Termine
  • Zu wenig Rohstoffe für E-Autos
  • Studie: Schifffahrt mit E-Fuels hat geringe Auswirkung auf Verbraucherpreise
  • EU-Kommission warnt vor Abhängigkeiten
  • Millionen Menschen durch hohe Getreidepreise von Hungersnot bedroht
  • Schweiz und Ungarn reagieren auf Energie-Unsicherheiten
  • EU gibt Corona-Hilfen für Ungarn und Polen noch nicht frei
  • EU und Litauen vor Kompromiss im Kaliningrad-Streit mit Russland
  • Vestager: Digitalregulierung braucht Umsetzungsstrategie
  • Frans Timmermans: Europas Klimazar auf der Ziellinie 
Liebe Leserin, lieber Leser,

im neuen strategischen Konzept der Nato, das gestern in Madrid verabschiedet wurde, taucht China erstmals als “Herausforderung” auf. Zwar hatte die Nato die Volksrepublik bereits zuvor als “systemische Herausforderung” eingestuft, jetzt steht es aber auch in dem Papier, das den Kurs der kommenden zehn Jahre bestimmen wird. Stephan Israel hat analysiert, was das bedeutet.

Aus dem de facto-Aus für den Verbrenner wurde in der Nacht auf Mittwoch bei den Verhandlungen über das Fit-for-55-Paket ein Quasi-Aus für E-Fuels und Hybride. Zwar dürfen ab 2035 keine Autos mehr zugelassen werden, die C02 ausstoßen. Doch die Interpretationen, was das nun genau bedeutet, fallen erstaunlich unterschiedlich aus. Lukas Scheid hat sich mit den Lesarten und Reaktionen auseinandergesetzt.

Das Verbrenner-Aus bedeutet so oder so künftig einen hohen Bedarf an Batterien für E-Autos. In der Branche sehen jetzt viele einen Mangel an Lithium voraus, bis 2024 oder 2025 dann auch einen Mangel an Batterien. Mehr dazu lesen Sie in den News.

Bei den Verhandlungen zum Fit-for-55-Paket mit dabei war selbstverständlich auch Frans Timmermans, Vize-Chef der EU-Kommission und Herr des Green Deals. Stephan Israel nähert sich im Portrait dem “Klimazar”, der immer wieder im Schatten der Ereignisse steht, an.

Eine spannende Lektüre wünscht

Ihre
Lisa-Martina Klein
Bild von Lisa-Martina  Klein

Analyse

Nato umschreibt China als neue Herausforderung

Die Sicht auf Russland ist vor dem Hintergrund des Angriffs auf die Ukraine wenig überraschend ohne Illusionen: Die Russische Föderation sei die “größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum”, heißt es im neuen strategischen Konzept, das die Nato an ihrem Gipfel in Madrid verabschiedet hat (Europe.Table berichtete).

Nato: China und Russland auf gleicher Stufe

Für mehr Diskussionen hat im Vorfeld die Passage zu China gesorgt, das überhaupt erstmals in einem strategischen Konzept der Nato erwähnt wird. Die USA forderten, unterstützt von Großbritannien, eine klare Sprache, um das aggressive Machtstreben der chinesischen Staatsführung zu umschreiben. Deutschland und Frankreich drängten auch mit Blick auf wirtschaftliche Interessen in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt für eine nuancierte Charakterisierung. China könne nicht mit Russland auf gleicher Stufe als Gegner beschrieben werden.

Nur schon die Tatsache, dass China jetzt zwei Abschnitte gewidmet werden, ist jedoch ein Einschnitt in der Geschichte der transatlantischen Allianz. Spitzendiplomaten verhandelten noch kurz vor Madrid die entscheidenden Passagen. Die von der Volksrepublik China erklärten Ziele und ihre Politik des Zwangs stellten die Interessen, Sicherheit und Werte der Nato-Verbündeten vor “Herausforderungen” (Europe.Table berichtete), heißt es jetzt im strategischen Konzept. China setze ein breites Spektrum an politischen, wirtschaftlichen und militärischen Instrumenten ein, um seinen weltweiten Fußabdruck und seine Machtprojektion zu vergrößern.

Nato offen für konstruktive Gespräche

Weiter wird in klaren Worten beschrieben, wie China mit “böswilligen hybriden und Cyberoperationen”, mit “konfrontativer Rhetorik und Desinformation” auf Verbündete abziele und der Sicherheit des Bündnisses schade. China versuche zudem, Schlüsselbereiche der Technologie- und Industriesektoren, kritische Infrastruktur sowie strategische Materialien und Lieferketten unter Kontrolle zu bringen. China setze sein wirtschaftliches Gewicht ein, um strategische Abhängigkeiten zu schaffen und seinen Einfluss zu vergrößern (Europe.Table berichtete).

China strebe zudem danach, die internationale Ordnung zu untergraben, und zwar auch im Weltraum, im Internet und auf See. Die Führung in Peking setzte dabei auch die “immer enger werdende strategische Partnerschaft” mit der Russischen Föderation als Hebel ein. Das Zusammenspiel zwischen Peking und Moskau ist ein Thema, das die USA auch mit Blick auf den russischen Krieg in der Ukraine besorgt. Gleichzeitig zeigt sich die Nato offen “für konstruktive Gespräche mit der Volksrepublik China mit dem Ziel der Wahrung der Sicherheitsinteressen des Bündnisses, darunter auch Gespräche zum Aufbau gegenseitiger Transparenz”.

Aber naiv will man dabei nicht sein: Die Allianz werde ihr gemeinsames Lagebild ausbauen, die Resilienz und Einsatzbereitschaft erhöhen und sich gegen “die Taktik des Zwangs der Volksrepublik China und ihre Versuche schützen, das Bündnis zu spalten”. Die Nato werde für ihre gemeinsamen Werte und die regelbasierte internationale Ordnung “einschließlich der Freiheit der Schifffahrt” eintreten.

Die Nato aktualisiert ihr strategisches Konzept alle zehn Jahre. Beim letzten Nato-Gipfel 2010 in Lissabon war China noch kein Thema, Russland als “strategischer Partner” geschätzt und der damalige russischen Präsident Dmitri Medwedew willkommener Gast. Dies, obwohl russische Streitkräfte zwei Jahre davor in Georgien einmarschiert und aus Moldawien beziehungsweise Transnistrien entgegen den Absprachen nicht abgezogen waren. Spätestens nach der russischen Annexion der Krim 2014 war der alte strategische Leitfaden der Allianz gänzlich obsolet.

Stoltenberg: “China ist nicht Gegner”

Ähnlich könnte es dem neuen Konzept gehen. Gut möglich, dass Russland als Gegner in zehn Jahren ausgedient hat und von China die eigentliche Bedrohung ausgeht. Die deutlichen Abschnitte zum neuen Herausforderer sind zumindest ein Indiz in diese Richtung. Ein Hinweis auch die Tatsache, dass am ersten Gipfeltag erstmals die Staats- und Regierungschefs Australiens, Neuseelands, Japans und Südkoreas dabei waren. “Wir sehen uns mit einer Ära des strategischen Wettbewerbs konfrontiert”, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Anschluss an das Treffen mit den Partnerländern.

Die Nato werde zwar ein transatlantisches Bündnis bleiben, betonte der Norweger. Mit den Partnern teile man aber dieselben Werte und müsse sich mit denselben Bedrohungen auseinandersetzen. Wenn die Sicherheit von Partnern infrage gestellt sei, tangiere das auch die Nato und die Sicherheitsinteressen ihrer Mitglieder. China terrorisiere seine Nachbarn und bedrohe Taiwan (Europe.Table berichtete). Die Führung in Peking baue seine Streitkräfte substantiell aus und verbreite russische Propaganda. China sei nicht Gegner, betonte Stoltenberg zwar. Die Verbündeten und Partner dürften angesichts der Herausforderung aber nicht blind sein. Die Nato werde die Zusammenarbeit mit den befreundeten Staaten im indopazifischen Raum ausbauen.

  • China
  • Geopolitik

Unterschiedliche Interpretationen des Verbrenner-Aus

Das Nein der EU zum Verbrenner-Aus sei richtig, twitterte FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner am Mittwochmorgen. CO2-freie Kraftstoffe in Pkw blieben auch nach der Einigung der EU-Umweltminister seiner Ansicht nach möglich. Das sehen viele anders. Sie verstehen die Einigung beim Umweltrat (Europe.Table berichtete) als klares Votum gegen den Verbrennungsmotor. Darunter auch die für den Gesetzesvorschlag zuständige Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sowie der Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans.

Beide stellten klar, ab 2035 sollen nur noch Neuwagen zugelassen werden, die kein CO2 ausstoßen. Und laut aktuell gültiger Definition der EU sind weder E-Fuels noch Plugin-Hybride frei von CO2-Emissionen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht die Ratsposition deshalb als “faktisches Verbrennerverbot” ab 2035. “Mit diesem Beschluss haben die Umweltministerinnen und Umweltminister eine Entscheidung gegen eine technologieoffene Industriepolitik getroffen”, kommentierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

Politik habe die Aufgabe – insbesondere bei der Festlegung so ambitionierter Ziele – die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass diese Vorhaben erreicht werden können, so Müller weiter. “Mit einer Politik, die nur von anderen fordert und selber nicht liefert, können die Klimaziele nicht erreicht werden.” Der VDA fordert daher eine “flächendeckende europaweite zuverlässige Lade- und H2-Tankinfrastruktur“.

Keine klare Entscheidung der EU zu E-Fuels

Auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) sieht keine Möglichkeiten für den Einsatz von E-Fuels, “weil weiterhin nur elektrische Antriebe bei der Flottenregulierung angerechnet werden dürfen.” Dadurch fehle ein entscheidender Anreiz für den Markthochlauf von E-Fuels, sagt BDI-Präsident Siegfried Russwurm. “Niemand kann heute schon mit letzter Sicherheit vorhersagen, was technologisch im Jahr 2035 möglich und die beste Lösung ist.”

Nur beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) wird das Ergebnis des Umweltrates als abgewendetes Verbrennerverbot interpretiert. Dennoch gebe es “große Unklarheiten in Bezug auf die künftigen Antriebstechnologien für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge”, sagt Hartmut Rauen, stellvertretender VDMA-Hauptgeschäftsführer. Die EU habe sich nicht zu einer klaren Entscheidung durchringen können, in welcher Form E-Fuels künftig im Straßenverkehr genutzt werden sollen.

Umweltverbände kritisieren schwache Klimapolitik

Interessant ist, dass sich die Umweltverbände aus den entgegengesetzten Gründen von der Ratseinigung enttäuscht zeigen. Es bleibe eine Hintertür für Verbrenner offen, kommentierte Kerstin Haarmann, die Bundesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs (VCD). Verantwortlich dafür sei die Weigerung der FDP, dem Aus für neue Verbrenner-Pkw ab 2035 zuzustimmen. Dadurch habe Deutschland seine Glaubwürdigkeit als Klimaschutzvorreiter in Europa verloren.

Es sei ärgerlich, dass die EU sich weiter “mit der Scheinlösung ineffizienter und teurer E-Fuels beschäftigen muss, die im Pkw-Markt nichts verloren haben”, sagte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser. Klar ist aber – und das machte Frans Timmermans noch in der Nacht zum Mittwoch deutlich -, dass das Initiativrecht für die Berücksichtigung von E-Fuels bei der Kommission liegt. Sie sei nicht verpflichtet, einen Gesetzesvorschlag zur Einbeziehung von E-Fuels oder Hybriden in die Flottengrenzwerte vorzubringen. Wenn Hersteller zeigen, dass ihre Technologien gemäß EU-Regularien klimaneutral sind, wäre die Kommission offen dafür, sagte er, macht aber auch klar, dass sie das bisher nicht können.

Bremsende Bundesregierung bei ETS-Reform

Die Kritik einiger Umweltverbände richtet sich auch gegen die weiteren Kompromisse des Umweltrats. Ein “stark verwässertes” EU-Klimapaket, heißt es von Germanwatch, unter anderem zur Einigung beim Klimasozialfonds. Deutschlands langanhaltende Blockade habe hier beinahe das gesamte Paket gefährdet, kritisiert der politische Geschäftsführer Christoph Bals. Der nun gefundene Kompromiss ist unzureichend und muss dringend nachgebessert werden. Deutschland hatte versucht, den Umfang des Klimasozialfonds zu verringern (Europe.Table berichtete). “Immerhin konnte sich die Bundesregierung mit ihrem beschämenden Vorschlag nicht durchsetzen”, so Bals.

Dass die Industrie noch bis Ende 2035 kostenlose CO2-Zertifikate als Schutz vor Carbon Leakage bekommen soll, sieht Bals als zu große Rücksichtnahme auf die Industrie, statt auf das Erreichen der Klimaziele. “Der bereits unzureichende Vorschlag der Kommission und der französischen Ratspräsidentschaft wurde auf Druck der Bundesregierung noch weiter verwässert.” Für Trilogverhandlungen mit dem Parlament fordert er, dass Berlin fortan als “klimapolitisches Zugpferd und nicht Bremse” agiert.

Die neue Regierung in Berlin habe “aktiv die Verhandlungen über entscheidende Punkte wie das Emissionshandelssystem und den Klimafonds während der Vorbereitung des Rates” untergraben, sagte Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. “In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie Deutschland seine nationalen Klimaziele erreichen will und welches Konzept der europäischen Solidarität es vertritt.”

Kritik an Ziel für erneuerbare Energien

Auch die Verhandlungsergebnisse vom Montag im Energierat blieben nicht ohne Kritik. “Leider ist das Ziel von 40 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 in der EU viel zu schwach“, twitterte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE). “Wissenschaft & Verbände fordern schon lange höhere Ziele. Angesichts von Kosten- & Versorgungskrise fossiler Energieträger plus Klimakrise wäre weit mehr Ambition nötig.” Die Verhandlungen über eine Zielerhöhung auf 45 Prozent Erneuerbare hatte der Rat auf den Trilog mit dem Parlament verschoben.

Auf positives Echo stieß dagegen die Annahme von Vorschlägen zu schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren. “Europa will nun 510 Gigawatt Windenergie bis 2030, gegenüber 190 GW heute. Europa wird das nur erreichen, wenn es die Genehmigungsverfahren beschleunigt. Es ist sehr gut, dass sich die EU-Energieminister jetzt darauf geeinigt haben, genau das zu tun”, sagte Giles Dickson, CEO von WindEurope.

Den Erneuerbaren-Verbänden kommt es aber auf die konkrete Umsetzung an. “Alle neuen Windparks sollten in maximal zwei Jahren genehmigt werden. Die Regierungen sollten sicherstellen, dass diese Frist alle Genehmigungen abdeckt, einschließlich der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Netzgenehmigungen“, fügte Dickson hinzu.

Wasserstoff: Wirtschaft will Verbindlichkeit

Wenig begeistert zeigte sich dagegen Hydrogen Europe vom Ziel für nachhaltige E-Fuels in der Industrie, das gegenüber dem Kommissionsvorschlag vom Juli vergangenen Jahres (50 Prozent) abgeschwächt wurde und das die Kommission mit REPowerEU weiter erhöhen wollte (75 Prozent).

“Leider bleibt der Standpunkt des Rates hinter den ehrgeizigen Zielen der RePowerEU-Mitteilung zurück und verwässert die Ziele für erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs (RFNBOs) in Verkehr und Industrie. Der Wechsel von verbindlichen zu indikativen Zielen in diesen Sektoren schadet dem Geschäftsmodell und beeinträchtigt die Sicherheit für Investoren”, sagte CEO Jorgo Chatzimarkakis.

“Wir fordern das Europäische Parlament und die Europäische Kommission auf, für die verbindlichen Teilziele für RFNBOs im Verkehr und in der Industrie einzutreten, die im Rahmen der RED-II-Revision vorgeschlagen wurden.” Mit Manuel Berkel

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Termine

30.06.2022 – 18:30-20:00 Uhr, online
Polis 180, Diskussion (Politisches) Klima auf dem G7-Gipfel: Greenwashing-Party oder Aufbruch für die internationale Klimapolitik?
Die klimapolitischen Ergebnisse des G7-Gipfels in Elmau sowie Herausforderungen und Potenziale der dort verhandelten Klimaclubs und Klimapartnerschaften werden bei dieser Veranstaltung diskutiert. INFOS & ANMELDUNG

01.07.2022 – 09:30-13:00 Uhr, Sevilla (Spanien)/ online
EC, Workshop Inheritance Taxation in the EU
Speakers at this event hosted by EU Commission’s (EC) Tax Observatory and Joint Research Centre will discuss the latest evidence and policy options on inheritance taxation. INFOS & REGISTRATION

01.07.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
TÜV Rheinland, Seminar Phishing-Angriffe
Bei diesem Seminar soll die Bedrohung, die durch den Versand von gefälschten E-Mails (Phishing) ausgeht, und der praktische Schutz davor, erläutert werden. INFOS & ANMELDUNG

01.07.-03.07.2022, München/ online
Steconf, Conference International Conference on Research in Robotics and Automation Engineering
The advancements and expansion of robotics and automation solutions, as well as trends, problems, and solutions will be discussed at this conference. INFOS

02.07.2022 – 12:00-24:00 Uhr, Hamburg/ online
Die Zeit, Konferenz Die Lange Nacht der Zeit 2022
Bei der langen Nacht der Zeit wird unter anderem über den Stand der Demokratie in der Welt, Möglichkeiten im Umgang mit dem Klimawandel und die Versorgungssicherheit in Deutschland gesprochen. INFOS

04.07.-05.07.2022, Italien/ online
EC, Conference Risk Management and Sustainability
Experts from various fields will discuss risk management and sustainability in the age of pandemic and climate change at this event. INFOS & REGISTRATION

04.07.-15.07.2022, Brügge (Belgien)
College of Europe, Seminar EU Transport and Railway Affairs (ETCR)
This event will provide railroad related organizations and insights into the latest developments in the railroad sector at the European level. REGISTRATION

05.07.2022 – 13:00-14:45 Uhr, online
EC, Workshop Use of innovative technologies for agricultural early warning systems
In the context of the EU dialogue on “Food Systems Transformation through Digitalisation”, this event will gather approaches to improve early warning systems for food security analysis and crisis prevention. INFOS & REGISTRATION

05.07.2022 – 15:00 Uhr, online
DIHK & Eurochambres, Seminar The European Chips Act: are we getting it right?
At this event organized by Eurochambres and the Association of German Chambers of Industry and Commerce (DIHK), participants will discuss whether the Chips Act meets businesses’ needs, whether the law is suitable for crisis management, and how security of supply in the EU can be ensured. REGISTRATION

News

Zu wenig Rohstoffe für E-Autos

Nach dem beschlossenen Verbrenner-Aus (Europe.Table berichtete) sehen Vertreter der großen Autokonzerne die Beschaffung von Batterien für Elektrofahrzeuge in Gefahr. Der Mangel an den für die Batterie-Herstellung notwendigen Rohstoffen wie Lithium könnte die geplante Umstellung auf E-Autos einschränken. Aktuelle Berechnungen der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) bestätigen dies.

Arno Antlitz, Finanzchef der VW-Gruppe, sagte der Nachrichtenagentur Reuters diese Woche: “Die größte Herausforderung ist nicht das Hochfahren der Autofabriken. Die größte Herausforderung wird der Ausbau der Batterie-Lieferkette sein.” VW hat angekündigt, den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor in Europa bis 2035 einzustellen, aber einige Autohersteller wie Toyota, die im Rennen um die Entwicklung von Elektroautos weiter zurückliegen, könnten Schwierigkeiten haben, das Ziel zu erreichen. Der japanische Autohersteller lehnte es am Mittwoch ab, sich zu äußern.

Wenig Rohstoffe für Batterien wegen fehlender Investitionen

Die großen Autohersteller versuchen, die Versorgung mit Batteriezellen sicherzustellen. Allerdings ist der Mangel an Rohstoffen für die Batterien ein viel größeres Problem. Eine unzureichende Versorgung mit Lithium, Nickel, Mangan oder Kobalt könnte die Umstellung auf Elektrofahrzeuge verlangsamen, diese Fahrzeuge teurer machen und die Gewinnspannen der Automobilhersteller gefährden. Laut Carlos Tavares, CEO des Automobilkonzerns Stellantis, werden die Hersteller bereits in den Jahren 2024 bis 2025 nicht mehr genügend Batterien beschaffen können.

In einer Studie hatte der Umweltdachverbandes Transport and Environment (T&E) im vergangenen Monat noch festgestellt, dass auch bei steigendem Bedarf an Elektroautos keine Rohstoff-Knappheiten für Lithium und Nickel vorliegen (Europe.Table berichtete). Neueste Berechnungen der DERA prognostizieren nun einen erheblichen Mangel an Lithium für das Jahr 2030. Die Analyse, welche die DERA vergangene Woche vorstellte, vergleicht Produktionskapazitäten und Nachfrage nach Lithium in drei verschiedenen Szenarien. Das Ergebnis: Im besten Fall werden in acht Jahren knapp 90.000 Tonnen des Rohstoffs fehlen – im schlechtesten Szenario 300.000 Tonnen. Grund für den Mangel seien zu geringe Investitionen in die Produktion und der gleichzeitig stark ansteigende Bedarf an Lithium. Rund 90 Prozent der gesamten Nachfrage nach Lithium stammt aus der Autoindustrie, die Lithium-Ionen-Batterien für die Produktion von E-Autos benötigt. leo/rtr

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Studie: Schifffahrt mit E-Fuels hat geringe Auswirkung auf Verbraucherpreise

Würden Schiffe ausschließlich mit umweltfreundlichen E-Fuels betrieben, würde sich der Preis für ein Paar Turnschuhe aus China um weniger als zehn Cent erhöhen. Das ergibt eine neue Studie der europäischen Umweltorganisation Transport&Environment (T&E) über die Kosten der Dekarbonisierung der Schifffahrt. Analysiert wurde dafür die Fahrt eines durchschnittlichen Containerschiffs vom chinesischen Shenzhen nach Belgien. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die wahrscheinlichen Auswirkungen auf die Seetransportkosten vernachlässigbar wären.

EU-Vorschläge zur Dekarbonisierung der Schifffahrt

Die NGO will damit nach eigenen Angaben die Behauptungen der Schifffahrtsindustrie kontern, dass die Ökologisierung der Branche (Europe.Table berichtete) zu hohen Preissteigerungen für die Verbraucher führe. Die geringe Kostenerhöhung spiegele die Größenvorteile durch globale Lieferketten wider, die nicht übermäßig empfindlich auf die Treibstoffkosten reagierten, erklärte die NGO. Im schlimmsten Fall würden sich die Transportkosten für Frachtunternehmen um ein bis 1,7 Prozent erhöhen, wenn sie nur E-Fuels nutzen. Die Studie sieht sich unterschiedliche Produkte an: Die Preiserhöhung eines Paar Turnschuhe kommt demnach auf acht Cent, die für einen Kühlschrank auf acht Euro.

Die EU arbeitet derzeit an zwei Vorschlägen, die die Schifffahrtsbranche nachhaltig verändern würden: Der erste ist eine Ausweitung des Emissionshandels auf die Schifffahrt (Europe.Table berichtete). Das Europäische Parlament hat diesen Schritt in der vergangenen Woche bereits befürwortet. Im zweiten Vorschlag geht es um ein Gesetz über Schiffskraftstoffe. Dieser würde bis 2030 den Einsatz von umweltfreundlichen E-Kraftstoffen in geringem Umfang verbindlich vorschreiben. ari

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  • Emissionen
  • Klima & Umwelt
  • Schifffahrt

EU-Kommission warnt vor Abhängigkeiten

Europa sollte nach Einschätzung der EU-Kommission seine Abhängigkeiten bei Schlüsseltechnologien für Dekarbonisierung und Digitalisierung reduzieren. “In der heutigen Welt kann alles als Waffe eingesetzt werden, Daten, Nahrungsmittel, Energie“, sagte Vizepräsident Maroš Šefčovič gestern. “Daher müssen wir unsere Politik anschauen und sicherstellen, dass wir auf alle Eventualitäten vorbereitet sind.” Für die strategische Autonomie der EU sei eine Diversifizierung der Bezugsquellen nötig, mahnte er.

In ihrem neuen Bericht zur strategischen Vorausschau empfiehlt die Kommission, Verknüpfungen zwischen den Megatrends zu nutzen. So könnten Satellitendaten, Sensoren und Blockchain-Technologie dazu beitragen, Angebot und Nachfrage nach Energie präziser vorherzusagen und dadurch die Versorgungssicherheit zu verbessern. Um das Potenzial auszuschöpfen, solle Europa in solchen Fragen eng mit gleichgesinnten Partnern zusammenarbeiten.

Das kommissionsinterne Observatory of Critical Technologies soll durch seine Analysen beitragen, strategische Abhängigkeiten bei Technologien zu vermeiden, heißt es in dem Bericht. Die EU-Agrarpolitik solle noch stärker unter dem Gesichtspunkt der gesicherten Versorgung mit Nahrungsmitteln gedacht werden.

Um die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen zu sichern (Europe.Table berichtete), solle die EU in die Lage versetzt werden, die globalen Rohstoffmärkte und Lieferketten enger monitoren zu können. Wenn angemessen, seien auch neue Instrumente für die Lagerhaltung und gemeinsame Beschaffung Optionen, um besser auf Lieferunterbrechungen gerüstet zu sein.

Wichtig seien zudem Partnerschaften mit Ländern wie Kanada oder Norwegen, auf die sich die EU auch in Krisen verlassen könne, sagte Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager bei einer Veranstaltung des Think-tanks Bruegel. Zudem werde etwa in Nordschweden massiv in die Förderung von eigenen Vorkommen investiert. Sie appellierte an die Abnehmerindustrien, für den besseren Schutz von Natur und Bewohnern etwas höhere Kosten in Kauf zu nehmen: “Der Preispunkt könnte etwas anders sein”. tho

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  • Rohstoffe

Millionen Menschen durch hohe Getreidepreise von Hungersnot bedroht

Millionen Menschen sind nach UN-Angaben wegen stark gestiegener Getreidepreise infolge des Kriegs in der Ukraine von Hungersnot bedroht. Falls der Export ukrainischen Getreides vollständig zum Erliegen kommt (Europe.Table berichtete), würden die globalen Preise um 19 Prozent im Vergleich zum Vorkriegs-Niveau steigen, prognostizierten die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Falls die russischen Exporte um die Hälfte schrumpften, könnte es zu einem Preisanstieg von 34 Prozent im Vergleich zu 2021 kommen.

Eine solche Entwicklung könnte acht bis 19 Millionen Menschen zusätzlich in die Hungersnot drängen, teilten die Organisationen mit. “Da die Ernährungsversorgung bereits unter Druck steht, wären die Folgen verheerend, insbesondere für die Schwächsten”, warnte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann.

Ukraine-Krieg: Nur ein Fünftel des Getreides wird exportiert

Etwa 20 Millionen Tonnen Getreide müssen nach Angaben der Europäischen Union (Europe.Table berichtete) bis Ende nächsten Monats aus den Lagern in der Ukraine abtransportiert werden, um Platz für die diesjährige Ernte zu schaffen. Nur dann könne eine Nahrungsmittelknappheit in Afrika (Europe.Table berichtete) vermieden werden, warnte die EU bereits vor einem Monat.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine kann die Ukraine der FAO und OECD zufolge nur ein Fünftel der üblichen Getreidemenge exportieren. Grund ist die Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen, vor denen die russische Marine patrouilliert. Russland und die Ukraine liefern zusammen ein Drittel der weltweiten Getreideexporte. rtr

  • Export

Schweiz und Ungarn reagieren auf Energie-Unsicherheiten

Die Schweizer Regierung hat am Mittwoch Pläne gegen einen möglichen Gasmangel vorgelegt. Falls Sparappelle und eine Umschaltung von Anlagen auf Erdöl nicht ausreichten, solle der Erdgasverbrauch rationiert werden. Haushalte und soziale Dienste würden in einer ersten Phase von den Beschränkungen ausgenommen.

Die Schweiz hat keine eigenen Gasspeicher (Europe.Table berichtete) und ist vollständig auf Importe angewiesen, hauptsächlich aus Russland und Deutschland. Von Gasengpässen in Deutschland wäre deshalb auch die Schweiz betroffen. Ein Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich stellt sicher, dass die Schweizer Kunden auch bei Engpässen mit Gas versorgt werden. Ein ähnliches Abkommen mit Deutschland wird derzeit ausgehandelt.

Ungarn zu 85 Prozent von Gas aus Russland abhängig

Auch Ungarn hat Notfallmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung ergriffen. Die Regierung um Ministerpräsident Viktor Orbán verabschiedete einen Beschluss, nach dem die Regierung im Notfall die Aufsicht über wichtige Energieunternehmen und den Betreiber des Gasleitungsnetzes FGSZ übernehmen kann, um die kontinuierliche Versorgung sicherzustellen.

Das Dekret fügt sich in die interventionistische Politik der Regierung Orbán ein. So hat die Regierung bereits die Brennstoffpreise und die Energiekosten der Haushalte gedeckelt.

Der Öl- und Gaskonzern MOL, der die FGSZ kontrolliert, wollte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters nicht zu der Regierungsstrategie äußern, die auf kriegsbedingte Eventualitäten abziele. “Solche Maßnahmen sind in EU-Ländern nicht unüblich”, hieß es.

Ungarn ist zu 85 Prozent von russischen Gas-Importen und zu 65 Prozent von Rohöl-Importen aus Russland abhängig und importiert auch einen kleineren Teil des benötigten Stroms, so dass sein Risiko im Falle einer Energiekrise in Europa hoch ist, sagen Analysten. rtr

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  • Erdgas
  • Schweiz
  • Ungarn

EU gibt Corona-Hilfen für Ungarn und Polen noch nicht frei

Die EU-Kommission gibt ihre bislang zurückgehaltenen Corona-Hilfen für Ungarn und Polen noch nicht frei. Die Voraussetzungen seien in beiden Fällen nicht erfüllt. Ungarn wartet auf die Freigabe von 15,5 Milliarden, Polen auf 35 Milliarden Euro.

Die ungarische Regierung hatte sich in einem Brief an die EU gewandt und auf die Überweisung der Mittel gedrängt. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte am Mittwoch, das Schreiben sei eingegangen und werde geprüft. Eine Kollegin erklärte, es gebe “keine Updates” im Vergleich zu der jüngsten Stellungnahme der Kommission am 3. Juni in der Sache.

Zwar habe es in den vergangenen Monaten Fortschritte bei einigen Fragen gegeben. “Jedoch gibt es eine Reihe von Punkten, die offenbleiben, unter anderem im Kampf gegen die Korruption und bei Bildungsmaßnahmen.” Die Gespräche würden fortgeführt.

Ein Berater Orbáns sagte vergangene Woche, seine Regierung würde detaillierte Empfehlung der EU-Kommission begrüßen, genau welche Gesetze geändert werden müssten (Europe.Table berichtete), um das Geld erhalten zu können. Orbán selbst erklärte, man stehe einem Kompromiss offen gegenüber.

Keine EU-Corona-Hilfen für Polen – Justizreform unzureichend

Im Fall Polens hält die EU-Kommission die jüngsten Änderungen am polnischen Justizsystem für unzureichend, um Zweifel an der Einhaltung rechtsstaatlicher Standards auszuräumen (Europe.Table berichtete). In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof machte die Brüsseler Behörde deutlich, dass strittige Bestimmungen aus ihrer Sicht nach einer ersten Analyse nicht aufgehoben wurden.

Insbesondere wurde demnach die ausschließliche Zuständigkeit der “Kammer für Außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten” des Obersten Gerichtshofs für Fragen der Unabhängigkeit der Richter nicht aufgehoben (Europe.Table berichtete).

Auch wurde festgestellt, dass das neue Gesetz die suspendierten Richter nicht sofort wieder einsetzt, sondern nur ein Überprüfungsverfahren vorsieht. Solche Fälle sollten nach den Vorstellungen der EU-Kommission eigentlich von einem unabhängigen Gericht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist geprüft werden. rtr/dpa

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EU und Litauen vor Kompromiss im Kaliningrad-Streit mit Russland

Der Streit zwischen Russland und Litauen über das Transitverbot bestimmter Waren in die russische Exklave Kaliningrad könnte Insidern zufolge in wenigen Tagen beendet werden. Derzeit verhandelten Vertreter der Europäischen Union mit Unterstützung Deutschlands mit Litauen über das Aussetzen des Transitverbotes, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen.

Trotz Vorbehalte der litauischen Regierung zeigten die Insider sich zuversichtlich, dass ein Kompromiss bis spätestens 10. Juli getroffen wird. Die ehemalige Sowjetrepublik ist einer der schärfsten Kritiker Russlands in der EU. “Sanktionen müssen durchgesetzt werden. Keine Entscheidung sollte die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der EU-Sanktionspolitik untergraben”, sagte eine Sprecherin des litauischen Außenministeriums.

“Wir müssen die Realität akzeptieren”

Einem der Insider zufolge wird allerdings von den Befürwortern eines Kompromisses eine militärische Eskalation auf EU-Boden befürchtet. Die Regierung in Moskau könnte Gewalt anwenden (Europe.Table berichtete), um einen Landkorridor zu schaffen. Kaliningrad sei “heilig” für Russland.

Auch deutsche Soldaten sind in dem Nato-Partnerland Litauen stationiert. Eine Verringerung der Gasimporte aus Russland könnte Deutschland zudem empfindlich treffen. “Wir müssen die Realität akzeptieren”, sagte einer der Insider. Der russische Präsident Wladimir Putin verfüge “über viel mehr Druckmittel als wir. Es ist in unserem Interesse, einen Kompromiss zu finden.”

Konflikt zwischen Litauen & Russland wegen EU-Sanktionen

Es seien zwei Hauptszenarien möglich: Entweder wird der Frachtverkehr zwischen Russland und Kaliningrad von den EU-Sanktionen ausgenommen oder humanitäre Gründe könnten eine Ausnahme für das Gebiet schaffen, das zwischen Litauen, Polen und der Ostsee liegt.

Litauen verbietet seit dem 17. Juni unter Verweis auf EU-Sanktionen wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine den Transitverkehr von Gütern wie Baumaterialien, Metalle und Kohle in die Exklave (Europe.Table berichtete). Von dem Verbot betroffen ist auch die einzige Zugstrecke zwischen Russland und Kaliningrad. Eine direkte Landverbindung zwischen dem früheren ostpreußischen Königsberg und Russland gibt es nicht. Die Luft- und Seewege sind von den Sanktionen nicht betroffen. rtr

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Vestager: Digitalregulierung braucht Umsetzungsstrategie

Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager hat eine Umsetzungsstrategie für die Digitalagenda der EU angekündigt. Man habe zahlreiche Regulierungsvorhaben auf den Weg gebracht, die wie Digital Services Act (Europe.Table berichtete), Digital Markets Act und Data Governance Act bald in Kraft träten, sagte sie bei einer Veranstaltung des Think-tanks Bruegel. Mit AI Act und Data Act seien weitere in Arbeit. Nun sei entscheidend, diese auch um- und durchzusetzen.

Sie habe ihre Mitarbeiter gebeten aufzuzeichnen, was dafür nötig sei. “Das Bild ist recht komplex”, so Vestager. Die Strukturen innerhalb der Kommission zu schaffen, sei noch der einfachere Part. Komplexer sei, die unterschiedlichen nationalen Behörden einzubinden, wie in den jeweiligen Gesetzesvorhaben beschlossen. Eine Umsetzungsstrategie werde diese Koordinierung erleichtern.

Governance Strukturen für Digital Markets und Services Act

Ein Kommissionssprecher sagte auf Anfrage, die Kommission prüfe, welche Art von Unterstützung die eigenen Dienststellen, aber auch die Mitgliedstaaten und die nationalen Behörden im Vorfeld benötigen könnten, um ihnen bei der Organisation der Um- und Durchsetzungsmaßnahmen zu helfen.

Die Regulierungsvorhaben sehen unterschiedliche und teils komplexe Governance-Strukturen vor. Laut dem DSA soll jeder Mitgliedstaat eine Aufsichtsbehörde benennen (den Digital Services Coordinator), der für die Durchsetzung gegenüber den im jeweiligen Gebiet ansässigen Anbieter federführend ist (Europe.Table berichtete). Für große Anbieter ist die Kommission selbst zuständig. Der DMA wiederum sieht Abstimmungsmechanismen (Europe.Table berichtete) zwischen der Kommission und den nationalen Kartellbehörden vor. tho

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Presseschau

CSU nennt Entscheidung zu Verbrenner “fatalen Fehler” WELT
Habeck will 500. 000 neue Wärmepumpen im Jahr FAZ
Störungen bei der deutschen Flugsicherung beeinträchtigen Luftraum in Europa WELT
EU-Kommission kann SMS zwischen von der Leyen und Pfizer nicht finden EURACTIV
Europols Mandat zur Massenüberwachung tritt in Kraft​ HEISE
Rechnungshof fordert digitale Verwaltung der EU-Agrarförderung EURACTIV
EU-Kommission will bestimmte Geschmacksrichtungen in Tabakprodukten verbieten FAZ
EU-Kommission hält Polens Änderungen am Justizsystem für unzureichend ZEIT

Portrait

Frans Timmermans: Europas Klimazar auf der Ziellinie 

Frans Timmermans ist Vizechef der EU-Kommission.
Frans Timmermans ist Vizechef der EU-Kommission.

Eigentlich wäre er als Klimazar der EU der Mann der Stunde. Doch jetzt steht er wieder etwas im Schatten, bekommt nicht die verdiente uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Mal sind es die Umstände, wie jetzt mit dem Ukrainekrieg, mal stiehlt im Ursula von der Leyen die Show. Dabei ist Frans Timmermans der Mann, der das Klimapaket Fit-for-55 über die Ziellinie bringen wird: “Europa muss der Welt das klare Signal geben, dass wir bereit sind alles zu tun was nötig ist, um unsere Klimapolitik umzusetzen”, sagte der Niederländer vor der entscheidenden Nachtsitzung (Europe.Table berichtete).

Am Mittwochmorgen ist er dem Ziel ein gutes Stück näher. “Das ist ein sehr guter Tag für den Europäischen Green Deal und für die Europäische Union”, sagte Timmermans. Doch zwischen EU-Gipfel, G7- und Nato-Treffen bleibt wenig Platz für den Erfolg des Klimakommissars. Timmermans bleibt immer die Nummer zwei. Beziehungsweise der Erste Vizepräsident im Team der Kommissionschefin, wie der Berufspolitiker gerne betont, bekannt als Mann mit großem Ego und unerschöpflicher Energie. Eigentlich hätte er gerne anstelle von Ursula von der Leyen den Job an der Spitze der Brüsseler Behörde gehabt.

Frans Timmermans war bei den Europawahlen 2019 Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten. Diese kamen zwar nur als zweitstärkste Kraft ins Ziel. Als klar war, dass der konservative Sieger Manfred Weber im EU-Parlament keine Mehrheit zusammen bekommen würde (Europe.Table berichtete), rechnete sich Timmermans für kurze Zeit große Chancen aus.  

Aber die Staats- und Regierungschefs übergingen die Spitzenkandidaten überhaupt und zauberten Ursula von der Leyen aus dem Hut, auf Empfehlung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die Enttäuschung war groß, besonders beim Kandidaten “für ein soziales Europa”, aber nicht nur. Der Niederländer brauchte einige Zeit, um wieder Tritt zu fassen und die Rolle als Nummer 2 hinter Ursula von der Leyen zu akzeptieren. Man bekam den korpulenten Politiker der Parti van de Arbeid (PvdA) lange kaum zu Gesicht und als er wieder auftauchte, hatte er sich einen Rauschebart wachsen lassen.  

Spitzname “Super Frans”

Immerhin, als Erster Vizepräsident und Kommissar für Klimaschutz betraute ihn Ursula von der Leyen mit ihrem wichtigsten Projekt, dem Green Deal. Wären nicht Corona und der Ukrainekrieg dazwischengekommen (Europe.Table berichtete), wäre Timmermans deutlich mehr Aufmerksamkeit sicher gewesen. Timmermans ist am 6. Mai 1961 in Maastricht geboren. Sein Vater, mit einer Deutschen verheiratet, war im diplomatischen Dienst tätig. Timmermans studierte französische Literatur und Europarecht in den Niederlanden sowie im französischen Nancy. Später war er in Den Haag unter anderem Staatssekretär für Europäische Angelegenheiten und dann Außenminister der Niederlande.  

Er war im Amt, als Separatisten im Osten der Ukraine 2014 mit einer Buk-Flugabwehrrakete der russischen Streitkräfte ein Linienflugzeug der Malaysia-Airlines abschossen und 298 Menschen ums Leben kamen, ein Großteil davon Niederländer. Timmermans führte damals vor der UNO die Anklage und fand überhaupt die richtigen Worte, was ihm den Spitznamen “Super Frans” eintrug. Er habe die Welt zum Weinen gebracht, befand die Presse zu Hause. Kurz danach wechselte er für seine erste Amtszeit nach Brüssel und hatte unter Jean-Claude Juncker die undankbare Aufgabe, die Aushöhlung des Rechtsstaats in Polen und Ungarn zu stoppen, den Dialog mit Warschau und Budapest zu suchen. Am Ende eine Sisyphus-Arbeit, die ihn bei den rechtsnationalen Regierungen in Warschau und Budapest zur Hassfigur machte.  

Frans Timmermans für eine soziale EU

Im Wahlkampf warb er für ein soziales Europa, für einen europäischen Mindestlohn, für eine europäische Arbeitslosenversicherung. Gerne erinnert er an seine beiden Großväter, die beide Bergarbeiter waren. “Wir dürfen niemanden zurücklassen”, sagt er auch als Kommissar für den Green Deal (Europe.Table berichtete). Als Kabinettschef hat er sich aus Den Haag den früheren Greenpeace-Aktivisten und ehemaligen sozialdemokratischen Parteiführer Diederik Samsom geholt. Abgeordnete der Konservativen im EU-Parlament schimpften anfänglich auf den “Bestatter der europäischen Industrie” und lobbyierten bei Ursula von der Leyen, den Niederländer in seinem Elan für das Klima zu bremsen.

Doch inzwischen ist die Kritik verstummt. Der Workaholic kennt sich aus im Dickicht der Gesetzesvorlagen des Green Deals (Europe.Table berichtete). Timmermans gilt als rhetorisches Supertalent. Er kann die EU an internationalen Klimakonferenzen würdig vertreten, aber auch den Bürgerinnen und Bürgern den Green Deal überzeugend erklären. Frans Timmermans spricht fließend sieben Sprachen und wechselt auch im Pressesaal der EU-Kommission gerne von einem Idiom ins andere. Timmermans ist verheiratet und hat vier Kinder aus zwei Ehen. Stephan Israel

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Nato umschreibt China als neue Herausforderung
    • Unterschiedliche Interpretationen des Verbrenner-Aus
    • Termine
    • Zu wenig Rohstoffe für E-Autos
    • Studie: Schifffahrt mit E-Fuels hat geringe Auswirkung auf Verbraucherpreise
    • EU-Kommission warnt vor Abhängigkeiten
    • Millionen Menschen durch hohe Getreidepreise von Hungersnot bedroht
    • Schweiz und Ungarn reagieren auf Energie-Unsicherheiten
    • EU gibt Corona-Hilfen für Ungarn und Polen noch nicht frei
    • EU und Litauen vor Kompromiss im Kaliningrad-Streit mit Russland
    • Vestager: Digitalregulierung braucht Umsetzungsstrategie
    • Frans Timmermans: Europas Klimazar auf der Ziellinie 
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    im neuen strategischen Konzept der Nato, das gestern in Madrid verabschiedet wurde, taucht China erstmals als “Herausforderung” auf. Zwar hatte die Nato die Volksrepublik bereits zuvor als “systemische Herausforderung” eingestuft, jetzt steht es aber auch in dem Papier, das den Kurs der kommenden zehn Jahre bestimmen wird. Stephan Israel hat analysiert, was das bedeutet.

    Aus dem de facto-Aus für den Verbrenner wurde in der Nacht auf Mittwoch bei den Verhandlungen über das Fit-for-55-Paket ein Quasi-Aus für E-Fuels und Hybride. Zwar dürfen ab 2035 keine Autos mehr zugelassen werden, die C02 ausstoßen. Doch die Interpretationen, was das nun genau bedeutet, fallen erstaunlich unterschiedlich aus. Lukas Scheid hat sich mit den Lesarten und Reaktionen auseinandergesetzt.

    Das Verbrenner-Aus bedeutet so oder so künftig einen hohen Bedarf an Batterien für E-Autos. In der Branche sehen jetzt viele einen Mangel an Lithium voraus, bis 2024 oder 2025 dann auch einen Mangel an Batterien. Mehr dazu lesen Sie in den News.

    Bei den Verhandlungen zum Fit-for-55-Paket mit dabei war selbstverständlich auch Frans Timmermans, Vize-Chef der EU-Kommission und Herr des Green Deals. Stephan Israel nähert sich im Portrait dem “Klimazar”, der immer wieder im Schatten der Ereignisse steht, an.

    Eine spannende Lektüre wünscht

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    Lisa-Martina Klein
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    Analyse

    Nato umschreibt China als neue Herausforderung

    Die Sicht auf Russland ist vor dem Hintergrund des Angriffs auf die Ukraine wenig überraschend ohne Illusionen: Die Russische Föderation sei die “größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum”, heißt es im neuen strategischen Konzept, das die Nato an ihrem Gipfel in Madrid verabschiedet hat (Europe.Table berichtete).

    Nato: China und Russland auf gleicher Stufe

    Für mehr Diskussionen hat im Vorfeld die Passage zu China gesorgt, das überhaupt erstmals in einem strategischen Konzept der Nato erwähnt wird. Die USA forderten, unterstützt von Großbritannien, eine klare Sprache, um das aggressive Machtstreben der chinesischen Staatsführung zu umschreiben. Deutschland und Frankreich drängten auch mit Blick auf wirtschaftliche Interessen in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt für eine nuancierte Charakterisierung. China könne nicht mit Russland auf gleicher Stufe als Gegner beschrieben werden.

    Nur schon die Tatsache, dass China jetzt zwei Abschnitte gewidmet werden, ist jedoch ein Einschnitt in der Geschichte der transatlantischen Allianz. Spitzendiplomaten verhandelten noch kurz vor Madrid die entscheidenden Passagen. Die von der Volksrepublik China erklärten Ziele und ihre Politik des Zwangs stellten die Interessen, Sicherheit und Werte der Nato-Verbündeten vor “Herausforderungen” (Europe.Table berichtete), heißt es jetzt im strategischen Konzept. China setze ein breites Spektrum an politischen, wirtschaftlichen und militärischen Instrumenten ein, um seinen weltweiten Fußabdruck und seine Machtprojektion zu vergrößern.

    Nato offen für konstruktive Gespräche

    Weiter wird in klaren Worten beschrieben, wie China mit “böswilligen hybriden und Cyberoperationen”, mit “konfrontativer Rhetorik und Desinformation” auf Verbündete abziele und der Sicherheit des Bündnisses schade. China versuche zudem, Schlüsselbereiche der Technologie- und Industriesektoren, kritische Infrastruktur sowie strategische Materialien und Lieferketten unter Kontrolle zu bringen. China setze sein wirtschaftliches Gewicht ein, um strategische Abhängigkeiten zu schaffen und seinen Einfluss zu vergrößern (Europe.Table berichtete).

    China strebe zudem danach, die internationale Ordnung zu untergraben, und zwar auch im Weltraum, im Internet und auf See. Die Führung in Peking setzte dabei auch die “immer enger werdende strategische Partnerschaft” mit der Russischen Föderation als Hebel ein. Das Zusammenspiel zwischen Peking und Moskau ist ein Thema, das die USA auch mit Blick auf den russischen Krieg in der Ukraine besorgt. Gleichzeitig zeigt sich die Nato offen “für konstruktive Gespräche mit der Volksrepublik China mit dem Ziel der Wahrung der Sicherheitsinteressen des Bündnisses, darunter auch Gespräche zum Aufbau gegenseitiger Transparenz”.

    Aber naiv will man dabei nicht sein: Die Allianz werde ihr gemeinsames Lagebild ausbauen, die Resilienz und Einsatzbereitschaft erhöhen und sich gegen “die Taktik des Zwangs der Volksrepublik China und ihre Versuche schützen, das Bündnis zu spalten”. Die Nato werde für ihre gemeinsamen Werte und die regelbasierte internationale Ordnung “einschließlich der Freiheit der Schifffahrt” eintreten.

    Die Nato aktualisiert ihr strategisches Konzept alle zehn Jahre. Beim letzten Nato-Gipfel 2010 in Lissabon war China noch kein Thema, Russland als “strategischer Partner” geschätzt und der damalige russischen Präsident Dmitri Medwedew willkommener Gast. Dies, obwohl russische Streitkräfte zwei Jahre davor in Georgien einmarschiert und aus Moldawien beziehungsweise Transnistrien entgegen den Absprachen nicht abgezogen waren. Spätestens nach der russischen Annexion der Krim 2014 war der alte strategische Leitfaden der Allianz gänzlich obsolet.

    Stoltenberg: “China ist nicht Gegner”

    Ähnlich könnte es dem neuen Konzept gehen. Gut möglich, dass Russland als Gegner in zehn Jahren ausgedient hat und von China die eigentliche Bedrohung ausgeht. Die deutlichen Abschnitte zum neuen Herausforderer sind zumindest ein Indiz in diese Richtung. Ein Hinweis auch die Tatsache, dass am ersten Gipfeltag erstmals die Staats- und Regierungschefs Australiens, Neuseelands, Japans und Südkoreas dabei waren. “Wir sehen uns mit einer Ära des strategischen Wettbewerbs konfrontiert”, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Anschluss an das Treffen mit den Partnerländern.

    Die Nato werde zwar ein transatlantisches Bündnis bleiben, betonte der Norweger. Mit den Partnern teile man aber dieselben Werte und müsse sich mit denselben Bedrohungen auseinandersetzen. Wenn die Sicherheit von Partnern infrage gestellt sei, tangiere das auch die Nato und die Sicherheitsinteressen ihrer Mitglieder. China terrorisiere seine Nachbarn und bedrohe Taiwan (Europe.Table berichtete). Die Führung in Peking baue seine Streitkräfte substantiell aus und verbreite russische Propaganda. China sei nicht Gegner, betonte Stoltenberg zwar. Die Verbündeten und Partner dürften angesichts der Herausforderung aber nicht blind sein. Die Nato werde die Zusammenarbeit mit den befreundeten Staaten im indopazifischen Raum ausbauen.

    • China
    • Geopolitik

    Unterschiedliche Interpretationen des Verbrenner-Aus

    Das Nein der EU zum Verbrenner-Aus sei richtig, twitterte FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner am Mittwochmorgen. CO2-freie Kraftstoffe in Pkw blieben auch nach der Einigung der EU-Umweltminister seiner Ansicht nach möglich. Das sehen viele anders. Sie verstehen die Einigung beim Umweltrat (Europe.Table berichtete) als klares Votum gegen den Verbrennungsmotor. Darunter auch die für den Gesetzesvorschlag zuständige Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sowie der Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans.

    Beide stellten klar, ab 2035 sollen nur noch Neuwagen zugelassen werden, die kein CO2 ausstoßen. Und laut aktuell gültiger Definition der EU sind weder E-Fuels noch Plugin-Hybride frei von CO2-Emissionen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht die Ratsposition deshalb als “faktisches Verbrennerverbot” ab 2035. “Mit diesem Beschluss haben die Umweltministerinnen und Umweltminister eine Entscheidung gegen eine technologieoffene Industriepolitik getroffen”, kommentierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

    Politik habe die Aufgabe – insbesondere bei der Festlegung so ambitionierter Ziele – die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass diese Vorhaben erreicht werden können, so Müller weiter. “Mit einer Politik, die nur von anderen fordert und selber nicht liefert, können die Klimaziele nicht erreicht werden.” Der VDA fordert daher eine “flächendeckende europaweite zuverlässige Lade- und H2-Tankinfrastruktur“.

    Keine klare Entscheidung der EU zu E-Fuels

    Auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) sieht keine Möglichkeiten für den Einsatz von E-Fuels, “weil weiterhin nur elektrische Antriebe bei der Flottenregulierung angerechnet werden dürfen.” Dadurch fehle ein entscheidender Anreiz für den Markthochlauf von E-Fuels, sagt BDI-Präsident Siegfried Russwurm. “Niemand kann heute schon mit letzter Sicherheit vorhersagen, was technologisch im Jahr 2035 möglich und die beste Lösung ist.”

    Nur beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) wird das Ergebnis des Umweltrates als abgewendetes Verbrennerverbot interpretiert. Dennoch gebe es “große Unklarheiten in Bezug auf die künftigen Antriebstechnologien für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge”, sagt Hartmut Rauen, stellvertretender VDMA-Hauptgeschäftsführer. Die EU habe sich nicht zu einer klaren Entscheidung durchringen können, in welcher Form E-Fuels künftig im Straßenverkehr genutzt werden sollen.

    Umweltverbände kritisieren schwache Klimapolitik

    Interessant ist, dass sich die Umweltverbände aus den entgegengesetzten Gründen von der Ratseinigung enttäuscht zeigen. Es bleibe eine Hintertür für Verbrenner offen, kommentierte Kerstin Haarmann, die Bundesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs (VCD). Verantwortlich dafür sei die Weigerung der FDP, dem Aus für neue Verbrenner-Pkw ab 2035 zuzustimmen. Dadurch habe Deutschland seine Glaubwürdigkeit als Klimaschutzvorreiter in Europa verloren.

    Es sei ärgerlich, dass die EU sich weiter “mit der Scheinlösung ineffizienter und teurer E-Fuels beschäftigen muss, die im Pkw-Markt nichts verloren haben”, sagte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser. Klar ist aber – und das machte Frans Timmermans noch in der Nacht zum Mittwoch deutlich -, dass das Initiativrecht für die Berücksichtigung von E-Fuels bei der Kommission liegt. Sie sei nicht verpflichtet, einen Gesetzesvorschlag zur Einbeziehung von E-Fuels oder Hybriden in die Flottengrenzwerte vorzubringen. Wenn Hersteller zeigen, dass ihre Technologien gemäß EU-Regularien klimaneutral sind, wäre die Kommission offen dafür, sagte er, macht aber auch klar, dass sie das bisher nicht können.

    Bremsende Bundesregierung bei ETS-Reform

    Die Kritik einiger Umweltverbände richtet sich auch gegen die weiteren Kompromisse des Umweltrats. Ein “stark verwässertes” EU-Klimapaket, heißt es von Germanwatch, unter anderem zur Einigung beim Klimasozialfonds. Deutschlands langanhaltende Blockade habe hier beinahe das gesamte Paket gefährdet, kritisiert der politische Geschäftsführer Christoph Bals. Der nun gefundene Kompromiss ist unzureichend und muss dringend nachgebessert werden. Deutschland hatte versucht, den Umfang des Klimasozialfonds zu verringern (Europe.Table berichtete). “Immerhin konnte sich die Bundesregierung mit ihrem beschämenden Vorschlag nicht durchsetzen”, so Bals.

    Dass die Industrie noch bis Ende 2035 kostenlose CO2-Zertifikate als Schutz vor Carbon Leakage bekommen soll, sieht Bals als zu große Rücksichtnahme auf die Industrie, statt auf das Erreichen der Klimaziele. “Der bereits unzureichende Vorschlag der Kommission und der französischen Ratspräsidentschaft wurde auf Druck der Bundesregierung noch weiter verwässert.” Für Trilogverhandlungen mit dem Parlament fordert er, dass Berlin fortan als “klimapolitisches Zugpferd und nicht Bremse” agiert.

    Die neue Regierung in Berlin habe “aktiv die Verhandlungen über entscheidende Punkte wie das Emissionshandelssystem und den Klimafonds während der Vorbereitung des Rates” untergraben, sagte Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland. “In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie Deutschland seine nationalen Klimaziele erreichen will und welches Konzept der europäischen Solidarität es vertritt.”

    Kritik an Ziel für erneuerbare Energien

    Auch die Verhandlungsergebnisse vom Montag im Energierat blieben nicht ohne Kritik. “Leider ist das Ziel von 40 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 in der EU viel zu schwach“, twitterte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE). “Wissenschaft & Verbände fordern schon lange höhere Ziele. Angesichts von Kosten- & Versorgungskrise fossiler Energieträger plus Klimakrise wäre weit mehr Ambition nötig.” Die Verhandlungen über eine Zielerhöhung auf 45 Prozent Erneuerbare hatte der Rat auf den Trilog mit dem Parlament verschoben.

    Auf positives Echo stieß dagegen die Annahme von Vorschlägen zu schnelleren Planungs- und Genehmigungsverfahren. “Europa will nun 510 Gigawatt Windenergie bis 2030, gegenüber 190 GW heute. Europa wird das nur erreichen, wenn es die Genehmigungsverfahren beschleunigt. Es ist sehr gut, dass sich die EU-Energieminister jetzt darauf geeinigt haben, genau das zu tun”, sagte Giles Dickson, CEO von WindEurope.

    Den Erneuerbaren-Verbänden kommt es aber auf die konkrete Umsetzung an. “Alle neuen Windparks sollten in maximal zwei Jahren genehmigt werden. Die Regierungen sollten sicherstellen, dass diese Frist alle Genehmigungen abdeckt, einschließlich der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Netzgenehmigungen“, fügte Dickson hinzu.

    Wasserstoff: Wirtschaft will Verbindlichkeit

    Wenig begeistert zeigte sich dagegen Hydrogen Europe vom Ziel für nachhaltige E-Fuels in der Industrie, das gegenüber dem Kommissionsvorschlag vom Juli vergangenen Jahres (50 Prozent) abgeschwächt wurde und das die Kommission mit REPowerEU weiter erhöhen wollte (75 Prozent).

    “Leider bleibt der Standpunkt des Rates hinter den ehrgeizigen Zielen der RePowerEU-Mitteilung zurück und verwässert die Ziele für erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs (RFNBOs) in Verkehr und Industrie. Der Wechsel von verbindlichen zu indikativen Zielen in diesen Sektoren schadet dem Geschäftsmodell und beeinträchtigt die Sicherheit für Investoren”, sagte CEO Jorgo Chatzimarkakis.

    “Wir fordern das Europäische Parlament und die Europäische Kommission auf, für die verbindlichen Teilziele für RFNBOs im Verkehr und in der Industrie einzutreten, die im Rahmen der RED-II-Revision vorgeschlagen wurden.” Mit Manuel Berkel

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    • Klimapolitik

    Termine

    30.06.2022 – 18:30-20:00 Uhr, online
    Polis 180, Diskussion (Politisches) Klima auf dem G7-Gipfel: Greenwashing-Party oder Aufbruch für die internationale Klimapolitik?
    Die klimapolitischen Ergebnisse des G7-Gipfels in Elmau sowie Herausforderungen und Potenziale der dort verhandelten Klimaclubs und Klimapartnerschaften werden bei dieser Veranstaltung diskutiert. INFOS & ANMELDUNG

    01.07.2022 – 09:30-13:00 Uhr, Sevilla (Spanien)/ online
    EC, Workshop Inheritance Taxation in the EU
    Speakers at this event hosted by EU Commission’s (EC) Tax Observatory and Joint Research Centre will discuss the latest evidence and policy options on inheritance taxation. INFOS & REGISTRATION

    01.07.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
    TÜV Rheinland, Seminar Phishing-Angriffe
    Bei diesem Seminar soll die Bedrohung, die durch den Versand von gefälschten E-Mails (Phishing) ausgeht, und der praktische Schutz davor, erläutert werden. INFOS & ANMELDUNG

    01.07.-03.07.2022, München/ online
    Steconf, Conference International Conference on Research in Robotics and Automation Engineering
    The advancements and expansion of robotics and automation solutions, as well as trends, problems, and solutions will be discussed at this conference. INFOS

    02.07.2022 – 12:00-24:00 Uhr, Hamburg/ online
    Die Zeit, Konferenz Die Lange Nacht der Zeit 2022
    Bei der langen Nacht der Zeit wird unter anderem über den Stand der Demokratie in der Welt, Möglichkeiten im Umgang mit dem Klimawandel und die Versorgungssicherheit in Deutschland gesprochen. INFOS

    04.07.-05.07.2022, Italien/ online
    EC, Conference Risk Management and Sustainability
    Experts from various fields will discuss risk management and sustainability in the age of pandemic and climate change at this event. INFOS & REGISTRATION

    04.07.-15.07.2022, Brügge (Belgien)
    College of Europe, Seminar EU Transport and Railway Affairs (ETCR)
    This event will provide railroad related organizations and insights into the latest developments in the railroad sector at the European level. REGISTRATION

    05.07.2022 – 13:00-14:45 Uhr, online
    EC, Workshop Use of innovative technologies for agricultural early warning systems
    In the context of the EU dialogue on “Food Systems Transformation through Digitalisation”, this event will gather approaches to improve early warning systems for food security analysis and crisis prevention. INFOS & REGISTRATION

    05.07.2022 – 15:00 Uhr, online
    DIHK & Eurochambres, Seminar The European Chips Act: are we getting it right?
    At this event organized by Eurochambres and the Association of German Chambers of Industry and Commerce (DIHK), participants will discuss whether the Chips Act meets businesses’ needs, whether the law is suitable for crisis management, and how security of supply in the EU can be ensured. REGISTRATION

    News

    Zu wenig Rohstoffe für E-Autos

    Nach dem beschlossenen Verbrenner-Aus (Europe.Table berichtete) sehen Vertreter der großen Autokonzerne die Beschaffung von Batterien für Elektrofahrzeuge in Gefahr. Der Mangel an den für die Batterie-Herstellung notwendigen Rohstoffen wie Lithium könnte die geplante Umstellung auf E-Autos einschränken. Aktuelle Berechnungen der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) bestätigen dies.

    Arno Antlitz, Finanzchef der VW-Gruppe, sagte der Nachrichtenagentur Reuters diese Woche: “Die größte Herausforderung ist nicht das Hochfahren der Autofabriken. Die größte Herausforderung wird der Ausbau der Batterie-Lieferkette sein.” VW hat angekündigt, den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor in Europa bis 2035 einzustellen, aber einige Autohersteller wie Toyota, die im Rennen um die Entwicklung von Elektroautos weiter zurückliegen, könnten Schwierigkeiten haben, das Ziel zu erreichen. Der japanische Autohersteller lehnte es am Mittwoch ab, sich zu äußern.

    Wenig Rohstoffe für Batterien wegen fehlender Investitionen

    Die großen Autohersteller versuchen, die Versorgung mit Batteriezellen sicherzustellen. Allerdings ist der Mangel an Rohstoffen für die Batterien ein viel größeres Problem. Eine unzureichende Versorgung mit Lithium, Nickel, Mangan oder Kobalt könnte die Umstellung auf Elektrofahrzeuge verlangsamen, diese Fahrzeuge teurer machen und die Gewinnspannen der Automobilhersteller gefährden. Laut Carlos Tavares, CEO des Automobilkonzerns Stellantis, werden die Hersteller bereits in den Jahren 2024 bis 2025 nicht mehr genügend Batterien beschaffen können.

    In einer Studie hatte der Umweltdachverbandes Transport and Environment (T&E) im vergangenen Monat noch festgestellt, dass auch bei steigendem Bedarf an Elektroautos keine Rohstoff-Knappheiten für Lithium und Nickel vorliegen (Europe.Table berichtete). Neueste Berechnungen der DERA prognostizieren nun einen erheblichen Mangel an Lithium für das Jahr 2030. Die Analyse, welche die DERA vergangene Woche vorstellte, vergleicht Produktionskapazitäten und Nachfrage nach Lithium in drei verschiedenen Szenarien. Das Ergebnis: Im besten Fall werden in acht Jahren knapp 90.000 Tonnen des Rohstoffs fehlen – im schlechtesten Szenario 300.000 Tonnen. Grund für den Mangel seien zu geringe Investitionen in die Produktion und der gleichzeitig stark ansteigende Bedarf an Lithium. Rund 90 Prozent der gesamten Nachfrage nach Lithium stammt aus der Autoindustrie, die Lithium-Ionen-Batterien für die Produktion von E-Autos benötigt. leo/rtr

    • Autoindustrie
    • Rohstoffe

    Studie: Schifffahrt mit E-Fuels hat geringe Auswirkung auf Verbraucherpreise

    Würden Schiffe ausschließlich mit umweltfreundlichen E-Fuels betrieben, würde sich der Preis für ein Paar Turnschuhe aus China um weniger als zehn Cent erhöhen. Das ergibt eine neue Studie der europäischen Umweltorganisation Transport&Environment (T&E) über die Kosten der Dekarbonisierung der Schifffahrt. Analysiert wurde dafür die Fahrt eines durchschnittlichen Containerschiffs vom chinesischen Shenzhen nach Belgien. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die wahrscheinlichen Auswirkungen auf die Seetransportkosten vernachlässigbar wären.

    EU-Vorschläge zur Dekarbonisierung der Schifffahrt

    Die NGO will damit nach eigenen Angaben die Behauptungen der Schifffahrtsindustrie kontern, dass die Ökologisierung der Branche (Europe.Table berichtete) zu hohen Preissteigerungen für die Verbraucher führe. Die geringe Kostenerhöhung spiegele die Größenvorteile durch globale Lieferketten wider, die nicht übermäßig empfindlich auf die Treibstoffkosten reagierten, erklärte die NGO. Im schlimmsten Fall würden sich die Transportkosten für Frachtunternehmen um ein bis 1,7 Prozent erhöhen, wenn sie nur E-Fuels nutzen. Die Studie sieht sich unterschiedliche Produkte an: Die Preiserhöhung eines Paar Turnschuhe kommt demnach auf acht Cent, die für einen Kühlschrank auf acht Euro.

    Die EU arbeitet derzeit an zwei Vorschlägen, die die Schifffahrtsbranche nachhaltig verändern würden: Der erste ist eine Ausweitung des Emissionshandels auf die Schifffahrt (Europe.Table berichtete). Das Europäische Parlament hat diesen Schritt in der vergangenen Woche bereits befürwortet. Im zweiten Vorschlag geht es um ein Gesetz über Schiffskraftstoffe. Dieser würde bis 2030 den Einsatz von umweltfreundlichen E-Kraftstoffen in geringem Umfang verbindlich vorschreiben. ari

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    • Klima & Umwelt
    • Schifffahrt

    EU-Kommission warnt vor Abhängigkeiten

    Europa sollte nach Einschätzung der EU-Kommission seine Abhängigkeiten bei Schlüsseltechnologien für Dekarbonisierung und Digitalisierung reduzieren. “In der heutigen Welt kann alles als Waffe eingesetzt werden, Daten, Nahrungsmittel, Energie“, sagte Vizepräsident Maroš Šefčovič gestern. “Daher müssen wir unsere Politik anschauen und sicherstellen, dass wir auf alle Eventualitäten vorbereitet sind.” Für die strategische Autonomie der EU sei eine Diversifizierung der Bezugsquellen nötig, mahnte er.

    In ihrem neuen Bericht zur strategischen Vorausschau empfiehlt die Kommission, Verknüpfungen zwischen den Megatrends zu nutzen. So könnten Satellitendaten, Sensoren und Blockchain-Technologie dazu beitragen, Angebot und Nachfrage nach Energie präziser vorherzusagen und dadurch die Versorgungssicherheit zu verbessern. Um das Potenzial auszuschöpfen, solle Europa in solchen Fragen eng mit gleichgesinnten Partnern zusammenarbeiten.

    Das kommissionsinterne Observatory of Critical Technologies soll durch seine Analysen beitragen, strategische Abhängigkeiten bei Technologien zu vermeiden, heißt es in dem Bericht. Die EU-Agrarpolitik solle noch stärker unter dem Gesichtspunkt der gesicherten Versorgung mit Nahrungsmitteln gedacht werden.

    Um die Versorgung mit wichtigen Rohstoffen zu sichern (Europe.Table berichtete), solle die EU in die Lage versetzt werden, die globalen Rohstoffmärkte und Lieferketten enger monitoren zu können. Wenn angemessen, seien auch neue Instrumente für die Lagerhaltung und gemeinsame Beschaffung Optionen, um besser auf Lieferunterbrechungen gerüstet zu sein.

    Wichtig seien zudem Partnerschaften mit Ländern wie Kanada oder Norwegen, auf die sich die EU auch in Krisen verlassen könne, sagte Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager bei einer Veranstaltung des Think-tanks Bruegel. Zudem werde etwa in Nordschweden massiv in die Förderung von eigenen Vorkommen investiert. Sie appellierte an die Abnehmerindustrien, für den besseren Schutz von Natur und Bewohnern etwas höhere Kosten in Kauf zu nehmen: “Der Preispunkt könnte etwas anders sein”. tho

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    Millionen Menschen durch hohe Getreidepreise von Hungersnot bedroht

    Millionen Menschen sind nach UN-Angaben wegen stark gestiegener Getreidepreise infolge des Kriegs in der Ukraine von Hungersnot bedroht. Falls der Export ukrainischen Getreides vollständig zum Erliegen kommt (Europe.Table berichtete), würden die globalen Preise um 19 Prozent im Vergleich zum Vorkriegs-Niveau steigen, prognostizierten die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Falls die russischen Exporte um die Hälfte schrumpften, könnte es zu einem Preisanstieg von 34 Prozent im Vergleich zu 2021 kommen.

    Eine solche Entwicklung könnte acht bis 19 Millionen Menschen zusätzlich in die Hungersnot drängen, teilten die Organisationen mit. “Da die Ernährungsversorgung bereits unter Druck steht, wären die Folgen verheerend, insbesondere für die Schwächsten”, warnte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann.

    Ukraine-Krieg: Nur ein Fünftel des Getreides wird exportiert

    Etwa 20 Millionen Tonnen Getreide müssen nach Angaben der Europäischen Union (Europe.Table berichtete) bis Ende nächsten Monats aus den Lagern in der Ukraine abtransportiert werden, um Platz für die diesjährige Ernte zu schaffen. Nur dann könne eine Nahrungsmittelknappheit in Afrika (Europe.Table berichtete) vermieden werden, warnte die EU bereits vor einem Monat.

    Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine kann die Ukraine der FAO und OECD zufolge nur ein Fünftel der üblichen Getreidemenge exportieren. Grund ist die Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen, vor denen die russische Marine patrouilliert. Russland und die Ukraine liefern zusammen ein Drittel der weltweiten Getreideexporte. rtr

    • Export

    Schweiz und Ungarn reagieren auf Energie-Unsicherheiten

    Die Schweizer Regierung hat am Mittwoch Pläne gegen einen möglichen Gasmangel vorgelegt. Falls Sparappelle und eine Umschaltung von Anlagen auf Erdöl nicht ausreichten, solle der Erdgasverbrauch rationiert werden. Haushalte und soziale Dienste würden in einer ersten Phase von den Beschränkungen ausgenommen.

    Die Schweiz hat keine eigenen Gasspeicher (Europe.Table berichtete) und ist vollständig auf Importe angewiesen, hauptsächlich aus Russland und Deutschland. Von Gasengpässen in Deutschland wäre deshalb auch die Schweiz betroffen. Ein Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich stellt sicher, dass die Schweizer Kunden auch bei Engpässen mit Gas versorgt werden. Ein ähnliches Abkommen mit Deutschland wird derzeit ausgehandelt.

    Ungarn zu 85 Prozent von Gas aus Russland abhängig

    Auch Ungarn hat Notfallmaßnahmen zur Sicherung der Energieversorgung ergriffen. Die Regierung um Ministerpräsident Viktor Orbán verabschiedete einen Beschluss, nach dem die Regierung im Notfall die Aufsicht über wichtige Energieunternehmen und den Betreiber des Gasleitungsnetzes FGSZ übernehmen kann, um die kontinuierliche Versorgung sicherzustellen.

    Das Dekret fügt sich in die interventionistische Politik der Regierung Orbán ein. So hat die Regierung bereits die Brennstoffpreise und die Energiekosten der Haushalte gedeckelt.

    Der Öl- und Gaskonzern MOL, der die FGSZ kontrolliert, wollte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters nicht zu der Regierungsstrategie äußern, die auf kriegsbedingte Eventualitäten abziele. “Solche Maßnahmen sind in EU-Ländern nicht unüblich”, hieß es.

    Ungarn ist zu 85 Prozent von russischen Gas-Importen und zu 65 Prozent von Rohöl-Importen aus Russland abhängig und importiert auch einen kleineren Teil des benötigten Stroms, so dass sein Risiko im Falle einer Energiekrise in Europa hoch ist, sagen Analysten. rtr

    • Energie
    • Erdgas
    • Schweiz
    • Ungarn

    EU gibt Corona-Hilfen für Ungarn und Polen noch nicht frei

    Die EU-Kommission gibt ihre bislang zurückgehaltenen Corona-Hilfen für Ungarn und Polen noch nicht frei. Die Voraussetzungen seien in beiden Fällen nicht erfüllt. Ungarn wartet auf die Freigabe von 15,5 Milliarden, Polen auf 35 Milliarden Euro.

    Die ungarische Regierung hatte sich in einem Brief an die EU gewandt und auf die Überweisung der Mittel gedrängt. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte am Mittwoch, das Schreiben sei eingegangen und werde geprüft. Eine Kollegin erklärte, es gebe “keine Updates” im Vergleich zu der jüngsten Stellungnahme der Kommission am 3. Juni in der Sache.

    Zwar habe es in den vergangenen Monaten Fortschritte bei einigen Fragen gegeben. “Jedoch gibt es eine Reihe von Punkten, die offenbleiben, unter anderem im Kampf gegen die Korruption und bei Bildungsmaßnahmen.” Die Gespräche würden fortgeführt.

    Ein Berater Orbáns sagte vergangene Woche, seine Regierung würde detaillierte Empfehlung der EU-Kommission begrüßen, genau welche Gesetze geändert werden müssten (Europe.Table berichtete), um das Geld erhalten zu können. Orbán selbst erklärte, man stehe einem Kompromiss offen gegenüber.

    Keine EU-Corona-Hilfen für Polen – Justizreform unzureichend

    Im Fall Polens hält die EU-Kommission die jüngsten Änderungen am polnischen Justizsystem für unzureichend, um Zweifel an der Einhaltung rechtsstaatlicher Standards auszuräumen (Europe.Table berichtete). In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof machte die Brüsseler Behörde deutlich, dass strittige Bestimmungen aus ihrer Sicht nach einer ersten Analyse nicht aufgehoben wurden.

    Insbesondere wurde demnach die ausschließliche Zuständigkeit der “Kammer für Außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten” des Obersten Gerichtshofs für Fragen der Unabhängigkeit der Richter nicht aufgehoben (Europe.Table berichtete).

    Auch wurde festgestellt, dass das neue Gesetz die suspendierten Richter nicht sofort wieder einsetzt, sondern nur ein Überprüfungsverfahren vorsieht. Solche Fälle sollten nach den Vorstellungen der EU-Kommission eigentlich von einem unabhängigen Gericht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist geprüft werden. rtr/dpa

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    EU und Litauen vor Kompromiss im Kaliningrad-Streit mit Russland

    Der Streit zwischen Russland und Litauen über das Transitverbot bestimmter Waren in die russische Exklave Kaliningrad könnte Insidern zufolge in wenigen Tagen beendet werden. Derzeit verhandelten Vertreter der Europäischen Union mit Unterstützung Deutschlands mit Litauen über das Aussetzen des Transitverbotes, sagten zwei mit dem Vorgang vertraute Personen.

    Trotz Vorbehalte der litauischen Regierung zeigten die Insider sich zuversichtlich, dass ein Kompromiss bis spätestens 10. Juli getroffen wird. Die ehemalige Sowjetrepublik ist einer der schärfsten Kritiker Russlands in der EU. “Sanktionen müssen durchgesetzt werden. Keine Entscheidung sollte die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der EU-Sanktionspolitik untergraben”, sagte eine Sprecherin des litauischen Außenministeriums.

    “Wir müssen die Realität akzeptieren”

    Einem der Insider zufolge wird allerdings von den Befürwortern eines Kompromisses eine militärische Eskalation auf EU-Boden befürchtet. Die Regierung in Moskau könnte Gewalt anwenden (Europe.Table berichtete), um einen Landkorridor zu schaffen. Kaliningrad sei “heilig” für Russland.

    Auch deutsche Soldaten sind in dem Nato-Partnerland Litauen stationiert. Eine Verringerung der Gasimporte aus Russland könnte Deutschland zudem empfindlich treffen. “Wir müssen die Realität akzeptieren”, sagte einer der Insider. Der russische Präsident Wladimir Putin verfüge “über viel mehr Druckmittel als wir. Es ist in unserem Interesse, einen Kompromiss zu finden.”

    Konflikt zwischen Litauen & Russland wegen EU-Sanktionen

    Es seien zwei Hauptszenarien möglich: Entweder wird der Frachtverkehr zwischen Russland und Kaliningrad von den EU-Sanktionen ausgenommen oder humanitäre Gründe könnten eine Ausnahme für das Gebiet schaffen, das zwischen Litauen, Polen und der Ostsee liegt.

    Litauen verbietet seit dem 17. Juni unter Verweis auf EU-Sanktionen wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine den Transitverkehr von Gütern wie Baumaterialien, Metalle und Kohle in die Exklave (Europe.Table berichtete). Von dem Verbot betroffen ist auch die einzige Zugstrecke zwischen Russland und Kaliningrad. Eine direkte Landverbindung zwischen dem früheren ostpreußischen Königsberg und Russland gibt es nicht. Die Luft- und Seewege sind von den Sanktionen nicht betroffen. rtr

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    Vestager: Digitalregulierung braucht Umsetzungsstrategie

    Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager hat eine Umsetzungsstrategie für die Digitalagenda der EU angekündigt. Man habe zahlreiche Regulierungsvorhaben auf den Weg gebracht, die wie Digital Services Act (Europe.Table berichtete), Digital Markets Act und Data Governance Act bald in Kraft träten, sagte sie bei einer Veranstaltung des Think-tanks Bruegel. Mit AI Act und Data Act seien weitere in Arbeit. Nun sei entscheidend, diese auch um- und durchzusetzen.

    Sie habe ihre Mitarbeiter gebeten aufzuzeichnen, was dafür nötig sei. “Das Bild ist recht komplex”, so Vestager. Die Strukturen innerhalb der Kommission zu schaffen, sei noch der einfachere Part. Komplexer sei, die unterschiedlichen nationalen Behörden einzubinden, wie in den jeweiligen Gesetzesvorhaben beschlossen. Eine Umsetzungsstrategie werde diese Koordinierung erleichtern.

    Governance Strukturen für Digital Markets und Services Act

    Ein Kommissionssprecher sagte auf Anfrage, die Kommission prüfe, welche Art von Unterstützung die eigenen Dienststellen, aber auch die Mitgliedstaaten und die nationalen Behörden im Vorfeld benötigen könnten, um ihnen bei der Organisation der Um- und Durchsetzungsmaßnahmen zu helfen.

    Die Regulierungsvorhaben sehen unterschiedliche und teils komplexe Governance-Strukturen vor. Laut dem DSA soll jeder Mitgliedstaat eine Aufsichtsbehörde benennen (den Digital Services Coordinator), der für die Durchsetzung gegenüber den im jeweiligen Gebiet ansässigen Anbieter federführend ist (Europe.Table berichtete). Für große Anbieter ist die Kommission selbst zuständig. Der DMA wiederum sieht Abstimmungsmechanismen (Europe.Table berichtete) zwischen der Kommission und den nationalen Kartellbehörden vor. tho

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    Presseschau

    CSU nennt Entscheidung zu Verbrenner “fatalen Fehler” WELT
    Habeck will 500. 000 neue Wärmepumpen im Jahr FAZ
    Störungen bei der deutschen Flugsicherung beeinträchtigen Luftraum in Europa WELT
    EU-Kommission kann SMS zwischen von der Leyen und Pfizer nicht finden EURACTIV
    Europols Mandat zur Massenüberwachung tritt in Kraft​ HEISE
    Rechnungshof fordert digitale Verwaltung der EU-Agrarförderung EURACTIV
    EU-Kommission will bestimmte Geschmacksrichtungen in Tabakprodukten verbieten FAZ
    EU-Kommission hält Polens Änderungen am Justizsystem für unzureichend ZEIT

    Portrait

    Frans Timmermans: Europas Klimazar auf der Ziellinie 

    Frans Timmermans ist Vizechef der EU-Kommission.
    Frans Timmermans ist Vizechef der EU-Kommission.

    Eigentlich wäre er als Klimazar der EU der Mann der Stunde. Doch jetzt steht er wieder etwas im Schatten, bekommt nicht die verdiente uneingeschränkte Aufmerksamkeit. Mal sind es die Umstände, wie jetzt mit dem Ukrainekrieg, mal stiehlt im Ursula von der Leyen die Show. Dabei ist Frans Timmermans der Mann, der das Klimapaket Fit-for-55 über die Ziellinie bringen wird: “Europa muss der Welt das klare Signal geben, dass wir bereit sind alles zu tun was nötig ist, um unsere Klimapolitik umzusetzen”, sagte der Niederländer vor der entscheidenden Nachtsitzung (Europe.Table berichtete).

    Am Mittwochmorgen ist er dem Ziel ein gutes Stück näher. “Das ist ein sehr guter Tag für den Europäischen Green Deal und für die Europäische Union”, sagte Timmermans. Doch zwischen EU-Gipfel, G7- und Nato-Treffen bleibt wenig Platz für den Erfolg des Klimakommissars. Timmermans bleibt immer die Nummer zwei. Beziehungsweise der Erste Vizepräsident im Team der Kommissionschefin, wie der Berufspolitiker gerne betont, bekannt als Mann mit großem Ego und unerschöpflicher Energie. Eigentlich hätte er gerne anstelle von Ursula von der Leyen den Job an der Spitze der Brüsseler Behörde gehabt.

    Frans Timmermans war bei den Europawahlen 2019 Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten. Diese kamen zwar nur als zweitstärkste Kraft ins Ziel. Als klar war, dass der konservative Sieger Manfred Weber im EU-Parlament keine Mehrheit zusammen bekommen würde (Europe.Table berichtete), rechnete sich Timmermans für kurze Zeit große Chancen aus.  

    Aber die Staats- und Regierungschefs übergingen die Spitzenkandidaten überhaupt und zauberten Ursula von der Leyen aus dem Hut, auf Empfehlung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die Enttäuschung war groß, besonders beim Kandidaten “für ein soziales Europa”, aber nicht nur. Der Niederländer brauchte einige Zeit, um wieder Tritt zu fassen und die Rolle als Nummer 2 hinter Ursula von der Leyen zu akzeptieren. Man bekam den korpulenten Politiker der Parti van de Arbeid (PvdA) lange kaum zu Gesicht und als er wieder auftauchte, hatte er sich einen Rauschebart wachsen lassen.  

    Spitzname “Super Frans”

    Immerhin, als Erster Vizepräsident und Kommissar für Klimaschutz betraute ihn Ursula von der Leyen mit ihrem wichtigsten Projekt, dem Green Deal. Wären nicht Corona und der Ukrainekrieg dazwischengekommen (Europe.Table berichtete), wäre Timmermans deutlich mehr Aufmerksamkeit sicher gewesen. Timmermans ist am 6. Mai 1961 in Maastricht geboren. Sein Vater, mit einer Deutschen verheiratet, war im diplomatischen Dienst tätig. Timmermans studierte französische Literatur und Europarecht in den Niederlanden sowie im französischen Nancy. Später war er in Den Haag unter anderem Staatssekretär für Europäische Angelegenheiten und dann Außenminister der Niederlande.  

    Er war im Amt, als Separatisten im Osten der Ukraine 2014 mit einer Buk-Flugabwehrrakete der russischen Streitkräfte ein Linienflugzeug der Malaysia-Airlines abschossen und 298 Menschen ums Leben kamen, ein Großteil davon Niederländer. Timmermans führte damals vor der UNO die Anklage und fand überhaupt die richtigen Worte, was ihm den Spitznamen “Super Frans” eintrug. Er habe die Welt zum Weinen gebracht, befand die Presse zu Hause. Kurz danach wechselte er für seine erste Amtszeit nach Brüssel und hatte unter Jean-Claude Juncker die undankbare Aufgabe, die Aushöhlung des Rechtsstaats in Polen und Ungarn zu stoppen, den Dialog mit Warschau und Budapest zu suchen. Am Ende eine Sisyphus-Arbeit, die ihn bei den rechtsnationalen Regierungen in Warschau und Budapest zur Hassfigur machte.  

    Frans Timmermans für eine soziale EU

    Im Wahlkampf warb er für ein soziales Europa, für einen europäischen Mindestlohn, für eine europäische Arbeitslosenversicherung. Gerne erinnert er an seine beiden Großväter, die beide Bergarbeiter waren. “Wir dürfen niemanden zurücklassen”, sagt er auch als Kommissar für den Green Deal (Europe.Table berichtete). Als Kabinettschef hat er sich aus Den Haag den früheren Greenpeace-Aktivisten und ehemaligen sozialdemokratischen Parteiführer Diederik Samsom geholt. Abgeordnete der Konservativen im EU-Parlament schimpften anfänglich auf den “Bestatter der europäischen Industrie” und lobbyierten bei Ursula von der Leyen, den Niederländer in seinem Elan für das Klima zu bremsen.

    Doch inzwischen ist die Kritik verstummt. Der Workaholic kennt sich aus im Dickicht der Gesetzesvorlagen des Green Deals (Europe.Table berichtete). Timmermans gilt als rhetorisches Supertalent. Er kann die EU an internationalen Klimakonferenzen würdig vertreten, aber auch den Bürgerinnen und Bürgern den Green Deal überzeugend erklären. Frans Timmermans spricht fließend sieben Sprachen und wechselt auch im Pressesaal der EU-Kommission gerne von einem Idiom ins andere. Timmermans ist verheiratet und hat vier Kinder aus zwei Ehen. Stephan Israel

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    Europe.Table Redaktion

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