Table.Briefing: Europe

Johannes Hahn im Interview + Zweites TTC-Treffen + Abschaltkriterien bei Gas-Notfall + Sanktionen gegen Gazprom Germania

  • Johannes Hahn: “Wir brauchen ein Konjunkturprogramm”
  • Zweites TTC-Treffen: “Positive Dynamik”
  • Termine
  • Kommission will gemeinsame Abschaltkriterien bei Gas-Notfall
  • Russland verhängt Sanktionen gegen Teile von Gazprom Germania
  • Gasfluss über die Ukraine stockt – Norwegen springt ein
  • Ernährungssicherung: Özdemir will Weizenproduktion ankurbeln
  • CO2-Flottengrenzwerte: ENVI stimmt für Verbrenner-Aus 2035
  • Deutschland fördert Northvolt-Batteriefabrik mit 155 Millionen Euro
  • KI-Gesetz: Mehr Zeit für Änderungsanträge
  • EU-Urheberrecht: Google will über 300 Verlagen Geld für News zahlen
  • Erneuerbare: Weniger Abhängigkeit von China bei den Lieferketten
  • Chinas Russlandpolitik: Der Westen muss Peking einbeziehen
Liebe Leserin, lieber Leser,

am gestrigen Abend hat Russland Sanktionen gegen Teile des Gaskonzerns Gazprom Germania angekündigt, der unter der Treuhandschaft der Bundesnetzagentur steht. Bereits am 3. Mai hatte Präsident Wladimir Putin ein Dekret erlassen, wonach keine russische Einrichtung Geschäfte mit Firmen und Personen auf der Sanktionsliste tätigen darf. Ausdrücklich dürfen an sie keine Produkte oder Rohstoffe exportiert werden. Bislang lägen keine Details vor, sagte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Mehr dazu lesen Sie in den News. 

Was geschieht, wenn es in Europa zu einem Notfall in der Energieversorgung kommt? Wie ein internes Dokument offenbart, drängt die Kommission auf einen koordinierten Notfallplan, der die Abschaltungen von Industriebetrieben regelt. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten sollen gemeinsame Kriterien für industrielle Abhängigkeiten und Abschaltungen entwickelt werden, berichtet Manuel Berkel.

“Wir werden im Juni über den Kandidatenstatus der Ukraine entscheiden und ich gehe davon aus, dass diese Entscheidung im Sinne der Ukraine sein wird” – das sagt EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn im Interview mit Hans-Peter Siebenhaar zum EU-Beitritt der Ukraine. Auch für die Bewerberstaaten des Westbalkans gelte besonders in dieser Zeit: “Klotzen statt kleckern.” Zugleich plädiert er angesichts des russischen Angriffskriegs und seiner Folgen für die Ukraine und Europa für ein Konjunkturprogramm.

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Sarah Schaefer
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Analyse

Johannes Hahn: “Wir brauchen ein Konjunkturprogramm”

Der Österreicher Johannes Hahn ist seit 2019 EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung. Im Interview spricht er über eine mögliche EU-Mitgliedschaft der Ukraine
Der Österreicher Johannes Hahn ist seit 2019 EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung.

Herr Hahn, die EU hat zuletzt 1,5 Milliarden Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung gestellt. Wie sieht es mit Finanzhilfen für den Wiederaufbau aus?

Die genannten 1,5 Milliarden Euro stammen aus der Europäischen Friedensfazilität, der ja ein außer-budgetärer Finanzierungsmechanismus ist. Für den Wiederaufbau der Ukraine brauchen wir ein gemeinsames europäisches, wahrscheinlich sogar internationales Finanzpaket. Das liegt auf der Hand. Kurzfristig müssen wir der Ukraine helfen, die bestehende Infrastruktur des Staates aufrechtzuerhalten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach diesbezüglich von einem monatlichen Bedarf von etwa fünf Milliarden Euro. Es ist klar, dass dies nur durch gemeinsame Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft geleistet werden kann.

Selenskyj drängt auf einen EU-Beitritt seines Landes. Kann die EU finanziell und politisch eine schnelle Erweiterung in Osteuropa bewältigen?

Grundsätzlich müssen wir einen Schritt nach dem anderen machen. Wir werden im Juni über den Kandidatenstatus der Ukraine entscheiden und ich gehe davon aus, dass diese Entscheidung im Sinne der Ukraine sein wird. Ich bin sehr zuversichtlich, dass in der neuen geopolitischen Lage die Erweiterung insgesamt durch den Ukraine-Krieg beschleunigt wird. Das gilt natürlich auch für die Westbalkan-Länder. Für die Aufnahme der Bewerberstaaten des Westbalkans – von Serbien, Montenegro bis Albanien und Nordmazedonien – gilt in dieser schwierigen Zeit: Klotzen statt kleckern. Wir haben nicht nur ein politisches und ökonomisches Interesse an der Erweiterung, sondern auch für unsere sicherheitspolitischen Interessen ist dies essenziell.

Wo soll oder muss die EU enden?

Jedes demokratische Land auf europäischen Boden kann laut Vertrag einen Antrag auf die Mitgliedschaft der EU stellen. Mit einer Ausnahme.

Die wäre?

Der Vatikan. Schließlich handelt es sich hier um keine Demokratie, im Sinne eines Staates. Und es gibt keine Anzeichen, dass sich dies ändern würde (lacht).

Ukraine braucht “klare Perspektive für eine EU-Mitgliedschaft”

Wie schnell kann die Aufnahme der Ukraine gehen?

Die Ukraine braucht in dieser Phase eine klare Perspektive für eine EU-Mitgliedschaft. Wir müssen die konkreten Bedingungen für eine Mitgliedschaft mit einem milliardenschweren Wiederaufbauprogramm verbinden. Auf diesem Weg kann die Aufnahme beschleunigt werden. Dennoch kann die Aufnahme der Ukraine in die EU nicht über Nacht erfolgen. Wir reden selbst bei einem beschleunigten Verfahren über einen Prozess von mehreren Jahren. Darüber müssen sich alle Beteiligten klar sein.

Brauchen wir angesichts des Krieges und seiner Folgen für die Ukraine und Europa einen neuen Wiederaufbaufonds, ein Next Generation EU 2.0?

Wir werden auf alle Fälle ein Konjunkturprogramm brauchen. Über die Form wird derzeit diskutiert.

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hat vorgeschlagen, das in der Coronakrise aufgesetzte EU-Kurzarbeiterprogramm Sure auszuweiten, um die hohen Energiepreise abzufedern.

Sure ist eine Antwort auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Das Programm ist eine Erfolgsgeschichte für die EU und ihre Mitgliedsländer. Ich entdecke aber derzeit aber keinen Wunsch in der Mehrheit der Mitgliedsländer, dass wir eine Neuauflage eines solchen Programms auf die Beine stellen sollten.

Sollen sich dann die Mitgliedsländer noch stärker verschulden, damit ihre Bürger ihre steigenden Stromrechnungen bezahlen können?

Ausschließlich mit dem vergleichsweise kleinen EU-Budget können wir nicht budgetär helfen, sondern allenfalls regulatorisch. Mittelfristig kann hier unser Konzept RePowerEU helfen.

Macht Ihnen der hohe Schuldenstand insbesondere der südeuropäischen Mitgliedsländer Sorgen?

Grundsätzlich gilt: Die Mitgliedsländer, die ihre Schulden abgebaut haben, besitzen eine höhere finanzpolitische Feuerkraft. Das ist ein Wettbewerbsvorteil. Die Schuldentragfähigkeit hängt sehr stark an der künftigen Zinsentwicklung. Wenn ein Boot voller Wasser ist, wird es nicht gleich sinken. Doch die Steuerfähigkeit ist eingeschränkt. Wenn aber ein heftiger Sturm auf hoher See kommt, wird es gefährlich. Das liegt auf der Hand.

Große Nachfrage nach Green Bonds

Es zeichnet sich ab, dass die Europäische Zentralbank im Juli nach dem Vorbild der Federal Reserve die Zinsen anheben wird. Was würde die Zinswende für die Haushalte der Mitgliedsländer bedeuten?

Der Sinn der Erhöhung des Leitzinses ist eine Preisstabilisierung und somit eine Reduzierung der Inflation.

Die Kommission hat drei neue Einnahmequellen für den EU-Haushalt vorgeschlagen: aus dem neuen CO2-Grenzausgleich, aus den Residualgewinnen multinationaler Unternehmen und ein höherer Anteil aus dem Emissionshandel. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die vorgeschlagenen Eigenmittel von den Mitgliedsstaaten befürwortet werden?

Erst kürzlich gab es ein Treffen mit Rat und Parlament, um über unsere im Dezember 2021 gemachten Vorschlag zu den Eigenmitteln zu sprechen. Insbesondere das Europaparlament spielt in den Gesprächen eine sehr konstruktive Rolle. Die französische Ratspräsidentschaft unterstützt unsere Vorschläge. Doch zahlreiche Detailfragen müssen noch gelöst werden. Es gibt noch einen hohen Bedarf an Gesprächen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir Fortschritte machen werden.

Wie viel Zeit geben Sie sich?

Erfahrungsgemäß sind solche Verhandlungen zeitintensiv. Gleichzeitig haben alle Seiten ein Interesse an der raschen Einführung neuer Eigenmittel, da wir diese für die Rückzahlung von Next Generation EU brauchen. Daher bleibe ich zuversichtlich.

Die EU will bis 2026 der weltweit größte Emittent von Green Bonds werden. Sie hatten im vergangenen Jahr den Rahmen für die grünen Anleihen in Höhe von 250 Milliarden Euro vorgestellt. Müssen Sie das angesichts der fragilen Lage korrigieren?

Nein, im Gegenteil. Die Ausgabe der Bonds ist eine Erfolgsstory und trotz der volatilen Marktlage ist die Nachfrage groß. Das gilt insbesondere für die Green Bonds. Die jüngste Ausgabe im März mit einem Volumen von sechs Milliarden Euro war dreizehnfach überzeichnet. Wir decken hier ein stark nachgefragtes Markt-Segment für nachhaltige Finanzen ab. Gleichzeitig fördern wir dadurch die dringend notwendigen nachhaltigen Investitionen.

Situation in Ungarn “erstaunlich”

Die Kommission hat gegen Ungarn den neuen Rechtsstaatsmechanismus aktiviert. Wie lange wird es dauern, bis die Auszahlung von EU-Geldern wegen unrechtmäßiger Verwendung und Korruption ausgesetzt werden könnten?

Bei Ungarn stehen wir am Beginn eines Prozesses, der am Ende gegebenenfalls zu Maßnahmen führen kann, die auch finanzieller Natur sein können. Wir haben in unserem Brief Fälle von inkorrekter Verwendung der Gelder aufgezeigt. Um es sehr diplomatisch zu formulieren: Es ist schon erstaunlich, wenn es bei rund 50 Prozent der öffentlichen Ausschreibungen nur einen Bewerber gibt. Eine solche Sachlage gibt es in keinem anderen Mitgliedsland der EU.

Was sind die nächsten Schritte?

Ungarn hat nun zwei Monate Zeit, eine Antwort auf unser Schreiben von Ende April zu finden. Wenn wir als EU-Kommission mit der Antwort der ungarischen Regierung nicht zufrieden sind, werden wir entsprechende Maßnahmen vorschlagen, um die korrekte Verwendung der europäischen Finanzhilfen sicherzustellen. Doch eines ist auch klar: Als Kommission machen wir Vorschläge. Die Entscheidungen fallen im Rat. Für einen Beschluss hat der Rat ein bis drei Monate Zeit. Ich gehe davon aus, dass ein Beschluss erst unter der kommenden Ratspräsidentschaft Tschechiens gefasst werden wird. Tschechien übernimmt von Frankreich am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft.

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  • Finanzen

Zweites TTC-Treffen: “Positive Dynamik”

Der Krieg in der Ukraine hat für beide Seiten Signalwirkung: Die EU und die USA müssen eigentlich enger zusammenarbeiten. Und insbesondere die zehn im TTC verhandelten Themenbereiche könnten für eine engere Zusammenarbeit maßgebliche Fortschritte bedeuten. Doch in vielen Bereichen ist das auch vor dem zweiten Treffen des Forums zwischen Kommission und Biden-Regierung in großer Runde vor allem eine Absichtserklärung.

“Die Zusammenarbeit bei Exportkontrolle und Investmentscreening ist sehr gut”, berichtet der Handelsausschussvorsitzende Bernd Lange (SPD/S&D). “Insofern ist diese Plattform sehr geeignet, sich auszutauschen und hinsichtlich des russischen Kriegs in der Ukraine zu verständigen.” Beides sind Themen, die im TTC in eigenen Arbeitsgruppen behandelt werden.

EU und USA wollen Zölle für die Ukraine temporär aufheben

Doch am Kern der Arbeit ändere sich wenig, sagt Reinhard Bütikofer (Grüne/EFA): “Der Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine und seine Auswirkungen werfen für den TTC, soweit ich sehe, keine neuen Fragen auf.” Die Dringlichkeit der entsprechenden Diskussionen werde dadurch aber “massiv unterstrichen”.

Laut einem kursierenden Entwurf für die Abschlusserklärung will man sich offiziell auf die temporäre Aufhebung aller Zölle für die Ukraine einigen – ein Schritt, den die EU bereits für sich selbst vorgeschlagen hat. Die USA hatten zuletzt bereits ihren 25-Prozent-Einfuhrzoll auf Stahl aus der Ukraine aufgehoben, der noch aus der Trump-Ära stammte.

Nachhaltigkeit und Lieferketten als Hauptthemen

Aus Kommissionskreisen heißt es, dass neben der Ukraine-Krise vor allem die Lieferketten-Problematik und das Thema Nachhaltigkeit Gegenstand der zweiten Runde sein werden. Zwischen dem ersten offiziellen Treffen in Pittsburgh am 29. September 2021 und der nun anstehenden zweiten Runde gab es auf Arbeitsebene eine Vielzahl kleinerer Runden und Gespräche. Insgesamt seien dabei gute Fortschritte erzielt worden, heißt es dazu aus Kommissionskreisen.

Reinhard Bütikofer erwartet von der zweiten offiziellen Runde beim TTC “ernsthafte, pragmatische Beratungen” zu einer ganzen Vielzahl an Themen. “Dass es nach zwei formellen Verhandlungsrunden noch keine finalen Ergebnisse gibt, sollte allerdings niemanden überraschen, der sich mit Handelspolitik ein bisschen beschäftigt hat”, sagt Bütikofer. “Ich sehe eine positive Dynamik.”

Kern der Beratungen in Saclay dürften Fragen der Unabhängigkeit von bestimmten Dritten für die beiden Verhandlungsparteien werden. Denn die Grundidee hinter dem TTC war, längst vor dem Ukraine-Krieg, eine stärkere Autonomie des transatlantischen Wirtschaftsblocks, allem voran von China. Insbesondere im Technologiebereich ist die Abhängigkeit bei einigen Vorprodukten auf beiden Seiten des Atlantiks so massiv, dass hier grundsätzlich Einigkeit besteht: Die Resilienz muss durch Diversifizierung massiv erhöht werden. Allerdings sind EU wie USA bei diesen Vorhaben auf Kooperationen mit Dritten angewiesen, etwa wenn es um Seltene Erden und deren Verarbeitung geht.

Unterschiedliche Ideen für nachhaltigeres Beschaffungswesen

Bei der Frage einer möglichen Annäherung der öffentlichen Beschaffungswesen sieht Bernd Lange derzeit kaum Fortschritte: “Hier gibt es unterschiedliche Perspektiven, das werden wir auch nicht überwinden können.” Zwar arbeiten beide Seiten daran, ihre jeweiligen Vorschriften auch stärker an geostrategischen und politischen Zielen auszurichten. Doch sowohl in Ziel als auch Methoden unterscheiden sich die Ideen für ein nachhaltigeres Beschaffungswesen. Auch mittelfristig sind Einigungen hierzu daher eher unwahrscheinlich.

Etwas optimistischer sind die Erwartungen beim Thema Standards: hier sind die Gespräche zwischen den beiden Haupttreffen bereits weiter fortgeschritten.

Beim TTC ausgeklammert bleibt weiterhin das Thema Privacy-Shield-Nachfolge: Wie das Trans-Atlantic Data Privacy Framework konkret ausgestaltet sein soll, will die Kommission erst im Sommer bekannt geben. Währenddessen werden Fragen der Datenregulierung und Technologieplattformen weiter behandelt – auch wenn die EU hier mit Data Governance Act, Digital Markets Act, Digital Services Act und Data Act ihre Position bereits weitgehend regulatorisch festgelegt hat.

Noch kein Ergebnis gab es zuletzt bei der Frage, wie weitgehende Transparenz der TTC-Verhandlungen gegenüber dem Parlament hergestellt werden kann. Aus dem Europaparlament hatte es Kritik daran gegeben, dass Protokolle und Tagesordnungen den Parlamentariern nicht zur Verfügung standen.

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Termine

13.05.-14.05.2022, Regensburg
EKFS, Konferenz Zukunft gestalten: Von Pathomechanismen zu neuen Therapieansätzen
Die von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) organisierte Veranstaltung bietet eine Möglichkeit des Austauschs zu Themen wie Immunologie, Inflammation, Infektiologie und Onkologie. INFOS

14.05.2022 – 16:30-18:00 Uhr, Bremen
EPB, Diskussion Braucht Europa eine eigene Armee?
Der Europa Punkt Bremen (EPB) lädt ein zu einer Diskussion über die Europäische Außen- und Sicherheitspolitik und die im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg aufkommende Frage nach einer Armee der EU. INFOS & ANMELDUNG

16.05.2022 – 09:30-12:30 Uhr, online
One Net, Workshop The Grid Forum on TSO-DSO-Consumer data exchange
As part of the EU’s Horizon 2020 program, solutions for a consumer-centric harmonized Europe-wide electricity system need to be discussed. This workshop will focus on data exchange, cybersecurity and interoperability between transmission system operators (TSO), distribution system operators (DSO) and customers. REGISTRATION

16.05.2022 – 15:30-17:00 Uhr, online
BDI, Vortrag Klimapfade 2.0 – Fokus Beschleunigung von Verfahren
Bei der Veranstaltung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) werden die Pläne der Bundesregierung beleuchtet, die Verfahrensdauer bei Genehmigungsverfahren zu halbieren. Außerdem geht es um Chancen eines Technologiewechsels in der Industrie. INFOS & ANMELDUNG

16.05-18.05.2022, Tutzing
DEChema, Konferenz Circular Economy – Schritte in die Zukunft
Bei dem Symposium der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (DEChema) sollen verschiedene Aspekte der Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) betrachtet und diskutiert werden. INFOS & ANMELDUNG

17.05.2022 – 08:15-17:30 Uhr, Frankfurt
DFC, Konferenz Digital Future Congress
Themen des Digital Future Congress (DFC) sind unter anderem digitale Transformation, IT-Security, Krisenmanagement, Künstliche Intelligenz und Datenschutz. INFOS & ANMELDUNG

17.05.2022 – 09:00-15:00 Uhr, online
ASEW, Seminar Einstieg PPAs
Bei diesem Seminar der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) werden Risiken und Potenziale des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und des Power Purchase Agreement (PPA) als Erlösquelle für Solar- und Windenergie-Projekte vorgestellt. INFOS & ANMELDUNG

17.05.2022 – 13:00-15:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Gas(preis)krise
Was die Preissprünge 2021, der Ukraine-Krieg, eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes und ein mögliches Gasembargo gegenüber Russland für Stadtwerke bedeuten können, wird im Seminar der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) thematisiert. INFOS & ANMELDUNG

17.05.2022 – 13:00-16:00 Uhr, online
VDE, Conference EU Regulatory Affairs and Liability Risks of AI-based Medical Devices
This event hosted by the German Electrical and Electronic Manufacturers’ Association (VDE) will address how manufacturers of AI-based medical devices can handle European regulatory requirements and how they can counter liability risks most effectively. INFOS & REGISTRATION

17.05.2022 – 14:00 Uhr, online
BVMW, Seminar Mobilitätspaket – Risiken für die Organisationsplanung erkennen und vermeiden
Bei dieser Veranstaltung des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) sollen die neuen Regelungen des EU-Mobilitätspakets aufgezeigt sowie ein risikofreier Umgang mit den neuen Anforderungen vorgeschlagen werden. ANMELDUNG

17.05.-18.05.2022, Gravenbruch
VDA, Konferenz Mittelstandstag
Beim Mittelstandstag des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) werden aktuelle Themen der automobilen Zulieferbranche wie die Zukunft der Beschäftigung, nachhaltige Lieferketten, die grüne Transformation und Digitalisierung diskutiert. INFOS & ANMELDUNG

17.05.-18.05.2022, Berlin
BVMed, Konferenz Ein Jahr Medical Device Regulation
Ein Jahr nach Geltungsbeginn der Medical Device Regulation (MDR) soll über Herausforderungen, Probleme und Lösungsansätze der neuen Gesetzgebung diskutiert werden. INFOS & ANMELDUNG

17.05.-18.05.2022, Berlin
ZVEI, Konferenz Jahreskongress 2022: Electrifying ideas
Beim diesjährigen Kongress des Verbandes der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) soll unter anderem über die Themen Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und Zukunft des Technologiestandortes Deutschland diskutiert werden. INFOS & ANMELDUNG

17.05.-18.05.2022, online
EC, Presentation EU Missions Info Days
European Commission (EC) Info Days will introduce new themes for the five EU missions, following changes to the 2021-2022 Horizon Europe mission work program. INFOS

EU-Kommission will gemeinsame Abschaltkriterien bei Gas-Notfall

Den Fall der Fälle erwähnt die Kommission erst ganz am Schluss. Auf 14 Seiten listet die Behörde in einem internen Dokument, das “Contexte” gestern veröffentlichte, zunächst all jene Schritte auf, mit denen sie einen Notfall in der Energieversorgung abwenden will. Erst dann beschreibt sie die Vorbereitungen, falls es doch zu einem großflächigen Ausfall kommen sollte. Sie bittet etwa um Milde, falls einer der Mitgliedsstaaten keine Vorkehrungen für das Abschalten von großen Verbrauchern getroffen haben sollte. Weniger betroffene Staaten sollten sich auch dann solidarisch zeigen, wenn das notleidende Land seine Hausaufgaben für eine Mangel-Lage nicht gemacht haben sollte.

Für ein EU-weit abgestimmtes Vorgehen konkretisiert die Kommission in dem Dokument ihre Pläne. Die SoS-Verordnung macht sie zur Hüterin der “Kohärenz und Wirksamkeit” der national ergriffenen Maßnahmen im Verhältnis zur Union. Dazu soll es nun einen europäisch abgestimmten Plan für Industrieabschaltungen geben. Bisher arbeitet etwa die Bundesnetzagentur in Deutschland an eigenen Kriterien. Die Kommission möchte nun im Dialog mit der Industrie eigene Analysen zu wichtigen Lieferketten anstellen. Dafür nennt sie die Sektoren Sicherheit, Verteidigung, Ernährung und Gesundheit. Einfließen sollen in die Bewertung auch die Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Territorien.

Mit den Mitgliedsstaaten sollen dann gemeinsame Kriterien für industrielle Abhängigkeiten und Abschaltungen entwickelt werden. Ziel sollen Leitlinien und Best-Practice-Beispiele für die Mitgliedsstaaten sowie ein Frühwarnsystem sein.

Milliarden für Biogas und Leitungen

Um bis 2027 auf fossile Energielieferungen verzichten zu können, müssten die EU-Staaten laut den Schätzungen der Kommission 195 Milliarden Euro investieren – zusätzlich zu den Folgen des Fit-for-55-Pakets, das bereits einen starken Ausbau von Erneuerbaren und Wasserstoff vorsah. Dafür würden die Mitgliedsländer allerdings auch Milliarden für Brennstoffimporte sparen.

Allein 36 Milliarden Euro würden Investitionen in die Verdopplung der Biogaserzeugung verschlingen. Weitere 29 Milliarden Euro würden fällig für Investitionen in die Stromnetze und eine noch nicht genannte Summe für Gasinfrastruktur. Den größten Nachholbedarf für Letzteres hat laut Kommission neben Mittel- und Osteuropa ausgerechnet Norddeutschland.

Verhaltener Bedarf für deutsche LNG-Terminals

Bei den heftig umstrittenen LNG-Terminals stellt eine – allerdings noch vorläufige – Karte allerdings nur einen geringen Bedarf fest. Nur zwei schwimmende LNG-Terminals sind demnach im Rahmen von REPowerEU für die deutsche Nordseeküste als nötig identifiziert worden. Erst vor einer Woche hatte Deutschland vier Terminals gechartert.

Das Energieeinsparziel für 2030 in der Energieeffizienz-Richtlinie möchte die Kommission auf 13 Prozent erhöhen, nachdem zunächst 9 Prozent vorgeschlagen worden waren. Schon kurzfristig soll eine Einsparkampagne dabei helfen, den Gas- und Ölverbrauch um jeweils fünf Prozent zu senken. Im Blick hat die Kommission dabei auch Verhaltensänderungen und nicht nur technische Maßnahmen.

Neben den schon bekannten Zielen zum beschleunigten Ausbau von Wind- und Solarenergie erwähnt die Kommission nun erstmals auch Geothermie im Zusammenhang mit REPowerEU. Für den schnellen Hochlauf von Wasserstoff will die Behörde bis zum Sommer 100 IPCEIs genehmigen. Für den Import setzt die neue Internationale Energiestrategie zunächst auf drei Korridore: den Mittelmeerraum, die Nordsee und perspektivisch die Ukraine. Die globale europäische Wasserstoff-Fazilität soll die Finanzierungswürdigkeit von Projekten steigern.

Rat einigt sich zu Gasspeichern

Für das kurzfristige Füllen der Gasspeicher einigte sich der Ausschuss der Ständigen Vertreter schon gestern auf eine gemeinsame Position. Demnach soll die Verpflichtung 2026 auslaufen, wie aus einer Ratsmitteilung hervorgeht. Das Gesetz sieht vor, dass die Gasreserven dieses Jahr bis zum 1. November zu 80 Prozent gefüllt sein sollen und in den nächsten Jahren zu 90 Prozent. Auch das Parlament hatte seine Position schon festgelegt, somit können die Verhandlungen beginnen, damit das Gesetz rechtzeitig zum Winter in Kraft tritt.

Die Staaten verständigten sich außerdem darauf, Vorräte an Flüssiggas (LNG) bei den Speichermengen mitzuzählen. Außerdem sollen die Verpflichtungen für Staaten, die besonders große Speicher haben, die sie nicht komplett selbst nutzen, angepasst werden. EU-Länder, die keine Gasspeicher haben, sollen Zugang zu Reserven in anderen Ländern erhalten und dafür die Kosten mittragen. Ausnahmen von den verpflichtenden Reserven soll es für Zypern, Malta und Irland geben, solange sie nicht an die Gasnetzwerke der anderen EU-Länder gekoppelt sind. mit dpa

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News

Russland verhängt Sanktionen gegen Teile von Gazprom Germania

Russland hat am Mittwochabend Sanktionen gegen Teile des Gaskonzerns Gazprom Germania angekündigt, der unter der Treuhandschaft der Bundesnetzagentur steht. Auf der Internetseite der Regierung in Moskau wurden insgesamt 31 Unternehmen aufgelistet, gegen die nicht genauer bezeichnete Maßnahmen erlassen werden. Auch EuRoPol GAZ PA gehört dazu, der Eigner des polnischen Abschnitts der Jamal-Europa Erdgas-Pipeline.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am 3. Mai ein Dekret erlassen, wonach keine russische Einrichtung Geschäfte mit Firmen und Personen auf der Sanktionsliste tätigen darf. Ausdrücklich dürfen an sie keine Produkte oder Rohstoffe exportiert werden.

Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erklärte, die Ankündigung werde ausgewertet. “Noch liegen uns keine Details vor.” Sie verwies auf das Dekret vom Mai zu den Sanktionen. “Konkretisierungen sollten demnach binnen zehn Tagen erfolgen.” Auch die Bundesnetzagentur verwies auf das Fehlen von Einzelheiten. “Die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur als Treuhänderin von Gazprom Germania sind daher bereits dabei, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen und sich auf verschiedene Szenarien vorzubereiten.”

Gazprom Germania gehört zu den größten Gasversorgern in Deutschland und betreibt den Transport, Vertrieb und die Speicherung von Erdgas. Hierzu gehört etwa der größte Gasspeicher des Landes im niedersächsischen Rehden. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat das Unternehmen bis Ende September in die Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur übergeben, nachdem der russische Mutterkonzern Gazprom die Tochter aufgegeben hatte. rtr

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Gasfluss über die Ukraine stockt – Norwegen springt ein

Der Krieg in der Ukraine lässt den Fluss von Gas in Richtung Europa und Deutschland stocken. Man liefere zwar weiterhin Gas über die Ukraine in Richtung Westen, allerdings weniger als zuletzt, teilte der russische Gazprom-Konzern am Mittwoch mit. Der ukrainische Netzbetreiber GTSOU hatte zuvor angekündigt, er könne eine Verdichterstation wegen des Konflikts in der Region Luhansk nicht mehr betreiben. Daher werde der Gasfluss über diese Route eingestellt. Laut Bundesnetzagentur kommt so gut ein Viertel weniger Gas als am Dienstag in Süddeutschland an. Norwegen und die Niederlande glichen dies aber mit höheren Lieferungen aus. Nennenswerte Preissteigerungen seien an den Großhandelsmärkten aktuell nicht zu beobachten.

Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte, der Vorfall sei kein Grund, die aktuelle Gas-Frühwarn- auf die folgende Alarm-Stufe hochzusetzen. Der Ausfall sei kompensierbar. Dies sei theoretisch wohl auch über den Sommer hinweg möglich, sodass die Versorgung sicher sei. “Zumal ich hoffe und denke, dass die Gasmenge über die Ukraine irgendwann wieder auf das Niveau steigen wird, die zuvor über die Ukraine gekommen ist.” Die ukrainische Seite habe versichert, sie suche andere Wege für die Durchleitung des Brennstoffes.

In der ostukrainischen Region Luhansk treffen verschiedene Pipelines zusammen, die in die Leitung Transgas münden. Diese wiederum kommt in Österreich und Süddeutschland an. Darüber hinaus gibt es mit Nord Stream 1 und der Jamal-Pipeline weitere große Verbindungen, die aus Russland Richtung Deutschland und Europa führen.

Laut dem ukrainischem Netzbetreiber GTSOU haben pro-russische Separatisten in Luhansk Transit-Gas in von ihnen kontrollierte Gebiete geleitet. Die Region um den Knotenpunkt ist bereits seit Wochen unter Kontrolle der Separatisten. GTSOU zufolge wäre es aber möglich, Transit-Gas auch weiter nördlich durch die Ukraine fließen zu lassen. Gazprom bestritt dies als technisch nicht möglich.

Die Buchungen über die Knotenstelle in der Region Luhansk fielen nach Angaben des Netzbetreibers am Mittwoch auf null. Gazprom erklärte, man liefere am Mittwoch 72 Millionen Kubikmeter Gas, nachdem es am Dienstag 95,8 Millionen Kubikmeter gewesen seien. Man selbst erfülle alle mit den Kunden eingegangenen Verpflichtungen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow betonte: “Russland hat immer seine Verpflichtungen erfüllt und beabsichtigt dies auch weiter zu tun.” rtr

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Ernährungssicherung: Özdemir will Weizenproduktion ankurbeln

Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) will nun doch Maßnahmen zur Sicherung der Getreideproduktion ergreifen und damit auf die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die globale Versorgungslage reagieren. Das gab das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am Mittwoch bekannt. Auf die von der EU-Kommission eingeräumte Möglichkeit, temporär auch ökologische Brachflächen zu bewirtschaften (Europe.Table berichtete), will die Bundesregierung allerdings weiterhin verzichten.

Özdemir will GAP-Regelung zum Fruchtwechsel verschieben

Der Vorstoß des Ministers zielt vielmehr darauf ab, die in der gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) vorgesehene sogenannte Fruchtfolge-Regelung zu verschieben. Diese sieht vor, dass ab dem Jahr 2023 auf der gleichen Fläche nicht mehr dieselbe Getreideart wie im jeweiligen Vorjahr angebaut werden darf, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten.

Der mehrmals aufeinanderfolgende Anbau von Winterweizen wird damit nicht mehr möglich, ist in Deutschland aber gelebte Praxis. Als wichtigste Getreideart zur Nahrungsmittelproduktion macht Winterweizen laut BMEL rund ein Viertel der Gesamtackerfläche aus und wurde bislang zu etwa 20 Prozent hintereinander angebaut.

Özdemir fordert nun, dass der in der GAP vorgesehene Fruchtwechsel erst ab dem Jahr 2024 erfüllt sein muss, um die Weizenproduktion zu sichern. “Damit erreichen wir gleich zwei Ziele. Wir tragen zur globalen Versorgung bei und wir erhalten die wenigen Flächen für den Artenschutz, die manche gerne abschaffen wollen”, so der Minister.

Peter Jahr (CDU), GAP-Berichterstatter im EU-Parlament, begrüßt die Forderung, bezeichnet diese aber dennoch als “Zeichen eines unkoordinierten Handels”. Den Fruchtwechsel auszusetzen und gleichzeitig Flächen stillzulegen, passe nicht zusammen. “Im Übrigen plädieren wir für eine zweijährige Verschiebung, denn die Folgen des Ukraine-Kriegs werden leider länger spürbar sein.” Eine Entscheidung der EU-Kommission steht noch aus. til

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CO2-Flottengrenzwerte: ENVI stimmt für Verbrenner-Aus 2035

Die Abgeordneten des Umweltausschusses des EU-Parlaments (ENVI) haben am Mittwoch über die Anhebung der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge abgestimmt (Europe.Table berichtete). Bei der Abstimmung über den Bericht des hauptverantwortlichen Renew-Berichterstatters Jan Huitema (Europe.Table berichtete) kam es allerdings zu einem Patt von 44 Stimmen dafür und 44 dagegen. Die Anhebung der Ziele wurde damit zunächst noch nicht angenommen.

Das Patt ist deshalb überraschend, weil die erwartete Mehrheit aus Liberalen, Grünen, Sozialdemokraten und Linken nicht zustande kam. FDP-Politiker Andreas Glück stimmte gegen den Bericht seiner eigenen Fraktion und damit gegen die Ziele von -40 Prozent Emissionen für Autos (-35 Prozent für Transporter) bis 2027 und -100 Prozent ab 2035 (gleichbedeutend mit dem Verbrenner-Aus).

Erst Kommissionsvorschlag mit Verbrenner-Aus erhält Mehrheit

Nachdem also der Huitema-Bericht keine Mehrheit bekam und auch der alternative Kompromiss von EVP, ECR und ID (-90 Prozent ab 2035 und ein Anrechnungssystem für alternative Kraftstoffe) knapp scheiterte, wurde über den Kommissionsvorschlag abgestimmt. Dieser erhielt schließlich eine knappe Mehrheit bei 46 Pro-, 40 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Der Kommissionsvorschlag sieht ebenfalls das Verbrenner-Aus ab 2035 vor, allerdings ohne das Zwischenziel für 2027. Das Zwischenziel für 2030 von – 55 Prozent bleibt gemäß dem Kommissionsvorschlag erhalten, einzig das Zwischenziel für Pkw für 2025 wurde im ENVI von 15 Prozent auf 20 Prozent angehoben. Ebenfalls angenommen: Der Bonus für sogenannte “Zero and Low Emissions Vehicles” (ZLEV) wird 2025 beendet (Europe.Table berichtete). Die Kommission hatte 2030 vorgeschlagen.

“In der E-Mobilität liegt die Zukunft, das Ende des Verbrenners kommt”, kommentierte Michael Bloss, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament. Die Industrie habe lange auf dieses klare politische Signal gewartet. “Wer jetzt noch auf den Verbrenner setzt, handelt unverantwortlich”, so Bloss.

EVP-Schattenberichterstatter Jens Gieseke zeigte sich dagegen enttäuscht, dass sein Vorschlag für ein Anrechnungssystem für E-Fuels abgelehnt wurde. “Liberale, Sozialdemokraten und Grüne haben sich heute gegen das Prinzip der Technologieoffenheit positioniert.” Den alleinigen Fokus auf die Elektromobilität hält der CDU-Mann für falsch. Man wisse noch nicht, ob man bis 2035 den notwendigen Strombedarf nachhaltig decken und die Ladeinfrastruktur bereitstellen könne, kommentierte Gieseke. Die finale Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments wird für den 7. Juni erwartet. luk

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Deutschland fördert Northvolt-Batteriefabrik mit 155 Millionen Euro

Deutschland fördert geplante Investitionen des schwedischen Batterie-Spezialisten Northvolt mit 155,4 Millionen Euro. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck überreichte am Mittwoch den entsprechenden Zuwendungsbescheid an das Unternehmen. 30 Prozent der Fördersumme trägt das Land Schleswig-Holstein, wo Northvolt voraussichtlich eine große Batteriezellfertigung aufbauen will.

Die Fabrik soll laut Wirtschaftsministerium im Endausbau pro Jahr Hunderttausende Elektroautos mit nachhaltigen Batterien versorgen. Rund 3000 Jobs sollen entstehen. Northvolt hatte im Februar eine Absichtserklärung mit Schleswig-Holstein getroffen. Im Juli soll die endgültige Standortentscheidung fallen.

Die Staatshilfen kommen aus einem europäischen Großprojekt (IPCEI) zur Förderung der Batteriezellfertigung in der EU. Damit will Europa unabhängiger von Lieferungen aus Asien werden. Laut Wirtschaftsministerium sind bis 2030 Investitionen von mehr als 15 Milliarden Euro in Batteriezellwerke angekündigt. Weitere Investitionen werde es in den Bereichen Rohstoffe, Batteriematerialien sowie Komponenten und Recycling geben. rtr

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KI-Gesetz: Mehr Zeit für Änderungsanträge

Nach wie vor scheint es bei den Mitgliedern der beiden Ausschüsse IMCO und LIBE großen Diskussionsbedarf rund um die Bestimmungen des geplanten KI-Gesetzes zu geben. Die Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen zum Berichtsentwurf der beiden Berichterstatter Brando Benifei (IMCO) und Dragoş Tudorache (LIBE) zur KI-Verordnung wurde jedenfalls um zwei Wochen bis zum 1. Juni verlängert. Das gaben die Vorsitzenden beider Ausschüsse gestern bei der gemeinsamen Sitzung bekannt. Am 30. Juni wollen die beiden Ausschüsse über die Änderungsanträge beraten. Damit gerät der ambitionierte Zeitplan von Benifei und Tudorache in Gefahr (Europe.Table berichtete).  

Bei der gestrigen Sitzung stellten die beiden Berichterstatter ihren Berichtsentwurf zum KI-Gesetz vor. Dabei betonten sie wiederholt, dass der Entwurf nur die Aspekte umfasse, bei denen sie eine Einigung erzielen konnten. Der italienische Europaabgeordnete und sein rumänischer Kollege haben insgesamt 297 Änderungsanträge verfasst.

Mehr Pflichten für Anwender

Die beiden Abgeordneten einigten sich etwa darauf, die Definition von KI möglichst breit zu fassen und Sonderregelungen für Allzweck-KI auszuschließen, die Systeme für verschiedene Aufgaben trainieren können. Auch plädieren sie für eine Neuverteilung von Verantwortlichkeiten entlang der Wertschöpfungskette. Dabei sollen vor allem den Anwendern mehr Pflichten auferlegt werden. Tudorache und Benifei waren sich auch einig, dass die Rolle der Datenschutzgrundverordnung im KI-Gesetz weiter gestärkt werden muss.

Eine weitere Gemeinsamkeit betrifft die Liste der verbotenen Praktiken. Beide wollen “Predictive Policing” hinzufügen, das ihrer Ansicht nach “gegen die Unschuldsvermutung und die Menschenwürde verstößt”. Außerdem wollen sie die Liste der hochriskanten KI-Systeme erweitern. Die beiden Berichterstatter empfehlen unter anderem, jene KI-Systeme auf diese Liste zu setzen, die “darauf abzielen, die Entwicklung von Kindern durch personalisierte Bildung oder kognitive oder emotionale Entwicklung zu gestalten”.

Durchsetzungsmechanismus für Verstöße gegen KI-Verordnung

Eine weitere wichtige Neuerung ist ein “Durchsetzungsmechanismus“, der vom Digital Services Act inspiriert ist. Damit würde die Europäische Kommission im Falle eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die KI-Verordnung ermächtigt, ein Verfahren einzuleiten. Tudorache und Benifei wollen außerdem sicherstellen, dass eine natürliche oder juristische Person rechtliche Schritte einleiten kann, wenn der Einsatz eines KI-Systems ihre Rechte verletzt. Beide plädieren in ihrem Berichtsentwurf für eine stärkere der Rolle des KI-Ausschusses, um unter anderem eine einheitliche Anwendung des Gesetzes zu gewährleisten.

Zu den noch offenen Fragen gehören insbesondere die Konformitätsprüfung und Details rund um die geplanten Reallabore. Die beiden Abgeordneten haben auch über eine obligatorische Folgenabschätzung in Bezug auf die Grundrechte diskutiert, konnten aber keine Einigung erzielen. Eines der heikelsten Themen wird die biometrische Fernidentifizierung sein. Die Kommission will diese auf einige wenige Fälle beschränken. Währen dieser Ansatz von konservativen Abgeordneten unterstützt wird, fordern viele ein vollständiges Verbot. Um diese Punkte werden sich voraussichtlich auch die meisten Änderungsanträge der Ausschussmitglieder drehen, wie die anschließende Diskussion zeigte. ank

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EU-Urheberrecht: Google will über 300 Verlagen Geld für News zahlen

Google will mehr als 300 Verlegern in Deutschland, Frankreich und vier anderen EU-Ländern Geld für ihre Nachrichten zahlen. Zudem soll ein Tool eingeführt werden, um es anderen zu erleichtern, sich ebenfalls anzumelden, teilte das US-Unternehmen am Mittwoch in einem Blogpost mit.

“Bisher haben wir Vereinbarungen mit mehr als 300 nationalen, lokalen und spezialisierten Nachrichtenpublikationen in Deutschland, Ungarn, Frankreich, Österreich, den Niederlanden und Irland getroffen, und viele weitere Gespräche laufen noch”, sagte Sulina Connal, Google-Direktorin für Nachrichten- und Verlagspartnerschaften. Zwei Drittel der Gruppe sind demnach deutsche Verlage, darunter “Spiegel”, “Zeit” und “Frankfurter Allgemeine Zeitung”. Aus dem Blog ging nicht hervor, wie viel den Verlagen gezahlt werde.

Der Schritt folgt auf die Verabschiedung bahnbrechender EU-Urheberrechtsvorschriften vor drei Jahren, die Google und andere Online-Plattformen dazu verpflichten, Musiker, Künstler, Autoren, Nachrichtenverleger und Journalisten für die Nutzung ihrer Werke zu bezahlen.

Verlage zählen zu den schärfsten Kritikern von Google und drängen Regierungen seit Langem, dafür zu sorgen, dass Online-Plattformen eine faire Vergütung für ihre Inhalte zahlen. Australien hat solche Zahlungen im vergangenen Jahr zur Pflicht gemacht, während Kanada im vorigen Monat eine ähnliche Gesetzgebung eingeführt hat. In Deutschland streiten Google und Verlage seit Jahren über die Auslegung des sogenannten Leistungsschutzrechts.

Das Tool bietet den Verlagen eine erweiterte Vereinbarung zur Nachrichtenvorschau. Dies soll es Google erlauben, gegen eine Lizenzgebühr Textausschnitte und Vorschaubilder – Snippets und Thumbnails – zu zeigen. rtr

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Erneuerbare: Weniger Abhängigkeit von China bei den Lieferketten

Die EU sollte ihre Lieferketten für grüne Energietechnologien rasch überdenken und Maßnahmen ergreifen, um ihre Abhängigkeit von China in Teilbereichen zu reduzieren. Das formulieren der European Council on Foreign Relations (ECFR) und die Rhodium Group in einem heute erschienenen Policy Paper. Dafür seien eine verstärkte Innenpolitik und die stärkere Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern und Verbündeten notwendig. China komplett aus den Lieferketten herauszuhalten, sei jedoch weder möglich noch wünschenswert.

Das Paper fasst die wichtigsten Risiken in der Lieferkette grüner Energietechnologien zusammen. Für viele wesentliche Schritte der Lieferkette seien die EU und andere Abnehmerländer auf Länder wie China angewiesen, etwa für den Abbau und die Verarbeitung der Rohstoffe oder die Herstellung der Zwischen- und Endprodukte. Geopolitische Spannungen wie zurzeit mit Russland oder einfache Betriebsstörungen im Herstellerland können deshalb die gesamte Lieferkette beeinträchtigen und den Zugang zu den Technologien einschränken. Eine Gefahr seien auch das fehlende Know-how in den Abnehmerländern sowie die Cybersicherheit.

Risiken für jede Branche unterschiedlich

Für die unterschiedlichen Branchen, in denen Technologien für erneuerbare Energien zum Einsatz kommen, bestehen andere Risiken, heißt es in der Analyse. Die Energiespeicherindustrie etwa, die sowohl für die Stromnetze als auch für Elektrofahrzeuge wichtig ist, berge hohe Risiken in der gesamten Lieferkette: Für die Herstellung von Batterien werden knappe und zugleich geografisch konzentrierte Rohstoffe wie Kobalt, Nickel und Lithium benötigt.

In der Solarindustrie seien die Risiken in Bezug auf kritische Mineralien am geringsten, “da die Rohstoffe, die den Großteil der Panele ausmachen, insbesondere Siliziumdioxid, weltweit im Überfluss vorhanden sind”. Dafür sei das Risiko der geografischen Konzentration umso höher, da der größte Teil der Produktionskette in China stattfinde. Sieben der zehn größten Hersteller von Polysilizium etwa seien Chinesisch, und 97 Prozent der weltweiten Ingot- und Waferproduktion entfielen auf China.

Die Risiken für kritische Mineralien in der Windindustrie seien wiederum hoch, da seltene Erden wie Neodym für die Herstellung der Windturbinen gebraucht und vor allem in China abgebaut und raffiniert werden. In der Produktion von Zwischen- und Endprodukten seien europäische und andere westliche Unternehmen hingegen noch wettbewerbsfähig, die EU sei zum Beispiel “weltweit führend bei der Ausfuhr von Windturbinengeneratoren”.

Für die grüne Wasserstoffindustrie seien die Lieferketten noch zu wenig gefestigt, als dass die Risiken vollständig benannt werden könnten. Elektrolyseure und Brennstoffzellen benötigten allerdings seltene Mineralien wie Platin und Iridium, deren größte Vorkommen sich in Russland und Südafrika befinden. Auch in der Produktion der Elektrolyseure seien europäische Unternehmen momentan wettbewerbsfähig. Allerdings könnten die massiven Investitionen Chinas in diesem Bereich in der Zukunft ähnliche Risiken erzeugen wie in der Solarindustrie, so das Paper.

Weniger Abhängigkeit von China: Lokale Lieferketten stärken

Der ECFR und die Rhodium Group formulieren außerdem Strategien, mit denen die EU die Abhängigkeit von China lockern kann. Zuerst müsse die EU eine “gründliche und realistische Bewertung der Risiken in den Lieferketten” durchführen und grüne Energietechnologien als Teil der kritischen Infrastruktur behandeln. Die Abhängigkeit von China sollte man verringern, um stattdessen lokalere Lieferketten mit anderen Wirtschaftspartnern aufzubauen. China müsse und könne man nicht komplett ausschließen; “in Bereichen, in denen die Sicherheitsbedenken am geringsten sind”, sollte man die Lieferketten selektiv beibehalten.

Ein komplettes Reshoring der Produktionsprozesse sei keine Option, da dies mit immensen Kosten verbunden wäre und am Ende die Energiewende sogar verzögern würde. Ein Reshoring sollte deshalb nur für die Prozesse mit den größten Sicherheitsrisiken erwogen werden, heißt es. Die EU sollte deshalb in jedem Fall ihre Bezugsquellen diversifizieren und dafür gezielte Anreize wie Subventionen oder Steuererleichterungen nutzen. Sie sollte sich zudem um eine Harmonisierung von Normen und Standards mit gleichgesinnten Partnern bemühen. Auch eine stärkere Lagerhaltung sei für bestimmte Waren und Materialien denkbar.

Es werde Jahre dauern und “erhebliche öffentliche und private Investitionen erfordern”, um die Risiken in den Lieferketten zu mindern. Die EU müsse deshalb die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen verbessern und Vorhersehbarkeit und Kontinuität ihrer Politik gewährleisten. Zugleich müssen hohe ökologische und ethische Standards aufrechterhalten werden, um mit den Technologien auch tatsächlich die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. leo

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Presseschau

Europäische Union: 195 Milliarden für Energie-Unabhängigkeit HANDELSBLATT
Energieversorgung sichern: EU-Länder verpflichten sich bis 2026 zu Gasreserven RND
EU will Schuldengrenzen wegen Ukraine länger aussetzen DER STANDARD
Bei den Sanktionen gegen Putin tanzt Orban aus der Reihe NZZ
Nachbarn Polen und Slowakei fordern Kandidatenstatus für Ukraine N-TV
“Die Einflussnahme auf dem Balkan bietet Russland eine weitere Bühne” WIWO
Kritik an EU-Plan zum Kampf gegen Kindesmissbrauch: “Riesenschritt in Richtung eines Überwachungsstaats” SPIEGEL
Maskenpflicht bei Flugreisen endet TAGESSCHAU
G7 wollen Digitalisierung “grüner” machen SÜDDEUTSCHE
EU will klares Aus für Verbrennungsmotoren ab 2035 beschließen HANDELSBLATT
Wieso das Verbot der Verbrenner-Autos umstritten ist SÜDDEUTSCHE
Großbritannien und Schweden unterzeichnen militärischen Beistandspakt BERLINER ZEITUNG
Frankreichs Antiterror-Einheit ermittelt gegen Interpol-Chef wegen Foltervorwürfen T-ONLINE
Streit um Nordirland-Protokoll: Brexit-Vertrag zwischen EU und Großbritannien ist plötzlich in Gefahr RND
EU-Kommission will Verbraucherschutz bei Online-Finanzen stärken T3N
China, Ukraine set to dominate EU-Japan summit DEUTSCHE WELLE

Standpunkt

Chinas Russlandpolitik: Der Westen muss Peking einbeziehen

William Klein
William Klein ist beratender Partner bei Finsbury Glover Hering in Berlin. Zuvor war er US-Diplomat, zuletzt stellvertretender Chef der US-Botschaft in Peking. Im Standpunkt schreibt er über den Ukraine-Krieg und die Russlandpolitik in China.
William Klein ist beratender Partner bei Finsbury Glover Hering in Berlin. Zuvor war er US-Diplomat, zuletzt stellvertretender Chef der US-Botschaft in Peking.

Europa beobachtet genau, wie China auf den Krieg in der Ukraine reagiert. Beim EU-China-Gipfel forderten die EU-Spitzen China auf, seine Beziehungen zu Russland zu nutzen, um das Blutvergießen zu beenden. Am 28. April nahm der Deutsche Bundestag eine noch direktere Entschließung an, in der er China vorwarf, den Krieg zu unterstützen. Die Abgeordneten warnten: Bemühungen, die Sanktionen zu unterlaufen oder Russland mit Waffen zu versorgen, werden mit weiteren Sanktionen geahndet. 

Innenpolitische Faktoren in China beeinflussen Haltung zur Ukraine

Die Entscheidungen, die China in Bezug auf die Ukraine trifft, können die ohnehin angespannten Beziehungen zu Europa auf Jahre hinaus weiter belasten. Welche Richtung könnte China in Zukunft einschlagen? Kann Europa gemeinsam mit gleichgesinnten Partnern noch Einfluss auf Pekings Entscheidungen nehmen

Dass China Russland als Partner in seinem geopolitischen Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten betrachtet, ist bekannt. Aber die innenpolitischen Faktoren, die Pekings derzeitige Haltung zur Ukraine beeinflussen, sind weniger gut bekannt. Es lohnt sich daher, mögliche Antworten auf diese Fragen in Chinas Innenpolitik zu suchen. 

Partnerschaft mit Russland unverzichtbar

Die Kommunistische Partei verfolgt langfristig zwei innenpolitische Hauptziele: die Legitimität der Einparteienherrschaft zu sichern und das Land zu modernisieren, um den Entwicklungsstand der fortschrittlichsten Volkswirtschaften der Welt zu erreichen. Chinas Regierungsbeamte sind sich darüber im Klaren, dass diese Ziele eng miteinander verbunden sind, da sie die wirtschaftliche Modernisierung als entscheidend für die Legitimität der Partei ansehen.

Die Regierung ist sich auch darüber im Klaren, dass die Vereinigten Staaten in der Lage sind und die Absicht haben, Chinas Streben nach diesen Zielen zu stören. Diese Überzeugung hat sich während der Trump-Regierung fast durchgängig durchgesetzt, und die Sicht auf die Absichten der USA haben sich unter Präsident Biden nur noch verschärft. 

Die meisten chinesischen Politiker sehen ihr Land immer noch als den verletzlicheren Akteur im geopolitischen Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten, auch wenn die Zuversicht wächst, dass die Zeit zu Pekings Gunsten arbeitet. Deshalb sieht Peking seine Partnerschaft mit Russland als unverzichtbar an. Nicht nur, um seine geopolitischen Ziele voranzubringen, sondern auch, um existenzielle Risiken für die Partei im eigenen Land zu mindern. Die Beziehungen zu Russland mögen Chinas Beziehungen zum Westen gefährden. Aber die Führung hält die von Amerika ausgehende Bedrohung nach wie vor für eindeutig größer

Europas Schlüsselrolle

Kann der Westen diese Einschätzung der Bedrohung beeinflussen, die aus Sicht Chinas von ihm ausgeht? China ist für seine Modernisierungsziele nach wie vor auf die wirtschaftliche Verflechtung mit dem Westen angewiesen und wird daher seine Haltung zum Krieg anpassen, um das Risiko von Sanktionen zu verringern, wie sie der Westen gegen Russland verhängt hat.

Um China jedoch zu weiteren Schritten zu bewegen, muss das strategische Misstrauen, das die Beziehungen zwischen den USA und China prägt, angegangen werden. Natürlich liegt die Hauptlast eines solchen Unterfangens bei Washington, aber auch Europa kommt eine Schlüsselrolle zu. Es muss seine Botschaften an Peking weiterhin mit den Vereinigten Staaten koordinieren. Dennoch kann Europa die Partner in Washington mit einer Nuancierung, die in der stark polarisierten politischen Atmosphäre in den Vereinigten Staaten oft fehlt, an die Vorteile eines Engagements mit China für den Westen erinnern. 

Natürlich birgt dieser Ansatz auch Risiken. Die Staats- und Regierungschefs der EU waren auf dem jüngsten Gipfel deutlich frustriert über Chinas Haltung. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bezeichnete die Gespräche als einen “Dialog der Gehörlosen”. In den Vereinigten Staaten könnten nun einige der vielen Kritiker eines strategischen Engagements mit China auf hoher Ebene eine Gelegenheit sehen, die Regierung Biden politisch zu schwächen.

Peking seinerseits mag Ideen haben, wie das Misstrauen zwischen den USA und China auf eine Weise geschürt werden kann, welche die westlichen Partner nicht akzeptieren können. Aber China gar nicht einzubeziehen, hat sich auch nicht als effektiver erwiesen als ein Dialog. Letztlich kann der Westen nur durch ein direktes, entschlossenes und koordiniertes Engagement herausfinden, welchen Weg China in Bezug auf Russland gehen will und welche anderen Wege möglich sind. 

Hohe Schwelle für Kurswechsel in Pekings Russlandpolitik

Wie wahrscheinlich ist es, dass ein solcher Ansatz erfolgreich sein wird? Das hängt von der Messlatte für den Erfolg ab. Mindestens drei innenpolitische Faktoren deuten auf Kontinuität in Pekings Umgang mit dem Krieg hin.

Erstens sieht es so aus, dass die öffentliche Meinung die aktuelle Politik unterstützt. Wladimir Putins Darstellung eines aggressiven, betrügerischen Westens, der ein geschwächtes Russland demütigt, findet bei einem Großteil der chinesischen Öffentlichkeit Anklang, der inzwischen überzeugt ist, dass die Vereinigten Staaten sich weigern, China als gleichwertige Macht zu akzeptieren.

Die meisten Chinesen spüren die Kosten des Krieges noch nicht. Wenn die Inflation in die Höhe schießt und sich das Wachstum weiter verlangsamt, werden die meisten Menschen wahrscheinlich dem Westen die Schuld geben und nicht ihrer Führung. Außenpolitische Experten in China sind sich nicht einig über Pekings Haltung zur Ukraine. Aber es ist fraglich, wie viel Einfluss die Befürworter eines Kurswechsels tatsächlich haben.

Zweitens ist die sehr auf die persönlichen Bindungen zwischen Xi und Putin zugeschnittene Herangehensweise Chinas für die Beziehungen mit Russland ein Indiz für Kontinuität.  Innenpolitische Narrative verknüpfen die Vertiefung der “No Limits”-Beziehungen mit den persönlichen Beziehungen zwischen Xi und Putin. Aufgrund dieser direkten Verbindung zu Xi wird die Schwelle für einen offenen Kurswechsel in Pekings Russlandpolitik sehr hoch sein.

Stabilität steht im Vordergrund

Schließlich engt auch der politische Kalender Chinas den Spielraum für politische Veränderungen in diesem Jahr ein. Im Herbst tagt der Kongress der Kommunistischen Partei, der nur alle fünf Jahre zusammenkommt. Im Vorfeld des Kongresses werden Beamte traditionell konservativer und die Politik wird insgesamt vorsichtiger. Selbst Xis erwartete Wiederwahl für eine dritte fünfjährige Amtszeit als Parteivorsitzender, was mit der bisherigen, ungeschriebenen Konvention von Amtszeitbeschränkungen brechen wird, lässt die Partei nicht weniger vorsichtig werden.

Angesichts der Unsicherheiten, die durch ein langsameres Wirtschaftswachstum, die Lockdowns in der Pandemie und den Ukraine-Krieg verursacht werden, hat die Partei angekündigt, dass “Stabilität” – was auch Vorsicht in der chinesischen Politik bedeutet – bei der Vorbereitung des Kongresses an erster Stelle steht. 

Keiner dieser Faktoren jedoch schließt eine Weiterentwicklung der chinesischen Haltung zum Krieg völlig aus. Es ist das Risiko wert, die Grenzen der derzeitigen chinesischen Politik auf diplomatischem Wege auszuloten. Ein isoliertes China an der Seite von Putins Russland kann nicht das vom Westen bevorzugte Szenario für die Zukunft sein. Der Westen muss jedoch damit rechnen, dass Änderungen an Chinas derzeitigem Kurs nur schrittweise erfolgen und möglicherweise so subtil sind, dass Außenstehende sie leicht übersehen können.

Ein Politikwechsel könnte es auch schon sein, wenn angedachte oder geplante Maßnahmen nicht vollzogen werden, etwa Waffenlieferungen an Russland. In Anbetracht der chinesischen Interessenlage sollten solche Ergebnisse schon als Erfolg der Diplomatie gewertet werden.

  • China

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Johannes Hahn: “Wir brauchen ein Konjunkturprogramm”
    • Zweites TTC-Treffen: “Positive Dynamik”
    • Termine
    • Kommission will gemeinsame Abschaltkriterien bei Gas-Notfall
    • Russland verhängt Sanktionen gegen Teile von Gazprom Germania
    • Gasfluss über die Ukraine stockt – Norwegen springt ein
    • Ernährungssicherung: Özdemir will Weizenproduktion ankurbeln
    • CO2-Flottengrenzwerte: ENVI stimmt für Verbrenner-Aus 2035
    • Deutschland fördert Northvolt-Batteriefabrik mit 155 Millionen Euro
    • KI-Gesetz: Mehr Zeit für Änderungsanträge
    • EU-Urheberrecht: Google will über 300 Verlagen Geld für News zahlen
    • Erneuerbare: Weniger Abhängigkeit von China bei den Lieferketten
    • Chinas Russlandpolitik: Der Westen muss Peking einbeziehen
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    am gestrigen Abend hat Russland Sanktionen gegen Teile des Gaskonzerns Gazprom Germania angekündigt, der unter der Treuhandschaft der Bundesnetzagentur steht. Bereits am 3. Mai hatte Präsident Wladimir Putin ein Dekret erlassen, wonach keine russische Einrichtung Geschäfte mit Firmen und Personen auf der Sanktionsliste tätigen darf. Ausdrücklich dürfen an sie keine Produkte oder Rohstoffe exportiert werden. Bislang lägen keine Details vor, sagte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Mehr dazu lesen Sie in den News. 

    Was geschieht, wenn es in Europa zu einem Notfall in der Energieversorgung kommt? Wie ein internes Dokument offenbart, drängt die Kommission auf einen koordinierten Notfallplan, der die Abschaltungen von Industriebetrieben regelt. Gemeinsam mit den Mitgliedstaaten sollen gemeinsame Kriterien für industrielle Abhängigkeiten und Abschaltungen entwickelt werden, berichtet Manuel Berkel.

    “Wir werden im Juni über den Kandidatenstatus der Ukraine entscheiden und ich gehe davon aus, dass diese Entscheidung im Sinne der Ukraine sein wird” – das sagt EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn im Interview mit Hans-Peter Siebenhaar zum EU-Beitritt der Ukraine. Auch für die Bewerberstaaten des Westbalkans gelte besonders in dieser Zeit: “Klotzen statt kleckern.” Zugleich plädiert er angesichts des russischen Angriffskriegs und seiner Folgen für die Ukraine und Europa für ein Konjunkturprogramm.

    Ihre
    Sarah Schaefer
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    Analyse

    Johannes Hahn: “Wir brauchen ein Konjunkturprogramm”

    Der Österreicher Johannes Hahn ist seit 2019 EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung. Im Interview spricht er über eine mögliche EU-Mitgliedschaft der Ukraine
    Der Österreicher Johannes Hahn ist seit 2019 EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung.

    Herr Hahn, die EU hat zuletzt 1,5 Milliarden Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung gestellt. Wie sieht es mit Finanzhilfen für den Wiederaufbau aus?

    Die genannten 1,5 Milliarden Euro stammen aus der Europäischen Friedensfazilität, der ja ein außer-budgetärer Finanzierungsmechanismus ist. Für den Wiederaufbau der Ukraine brauchen wir ein gemeinsames europäisches, wahrscheinlich sogar internationales Finanzpaket. Das liegt auf der Hand. Kurzfristig müssen wir der Ukraine helfen, die bestehende Infrastruktur des Staates aufrechtzuerhalten. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach diesbezüglich von einem monatlichen Bedarf von etwa fünf Milliarden Euro. Es ist klar, dass dies nur durch gemeinsame Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft geleistet werden kann.

    Selenskyj drängt auf einen EU-Beitritt seines Landes. Kann die EU finanziell und politisch eine schnelle Erweiterung in Osteuropa bewältigen?

    Grundsätzlich müssen wir einen Schritt nach dem anderen machen. Wir werden im Juni über den Kandidatenstatus der Ukraine entscheiden und ich gehe davon aus, dass diese Entscheidung im Sinne der Ukraine sein wird. Ich bin sehr zuversichtlich, dass in der neuen geopolitischen Lage die Erweiterung insgesamt durch den Ukraine-Krieg beschleunigt wird. Das gilt natürlich auch für die Westbalkan-Länder. Für die Aufnahme der Bewerberstaaten des Westbalkans – von Serbien, Montenegro bis Albanien und Nordmazedonien – gilt in dieser schwierigen Zeit: Klotzen statt kleckern. Wir haben nicht nur ein politisches und ökonomisches Interesse an der Erweiterung, sondern auch für unsere sicherheitspolitischen Interessen ist dies essenziell.

    Wo soll oder muss die EU enden?

    Jedes demokratische Land auf europäischen Boden kann laut Vertrag einen Antrag auf die Mitgliedschaft der EU stellen. Mit einer Ausnahme.

    Die wäre?

    Der Vatikan. Schließlich handelt es sich hier um keine Demokratie, im Sinne eines Staates. Und es gibt keine Anzeichen, dass sich dies ändern würde (lacht).

    Ukraine braucht “klare Perspektive für eine EU-Mitgliedschaft”

    Wie schnell kann die Aufnahme der Ukraine gehen?

    Die Ukraine braucht in dieser Phase eine klare Perspektive für eine EU-Mitgliedschaft. Wir müssen die konkreten Bedingungen für eine Mitgliedschaft mit einem milliardenschweren Wiederaufbauprogramm verbinden. Auf diesem Weg kann die Aufnahme beschleunigt werden. Dennoch kann die Aufnahme der Ukraine in die EU nicht über Nacht erfolgen. Wir reden selbst bei einem beschleunigten Verfahren über einen Prozess von mehreren Jahren. Darüber müssen sich alle Beteiligten klar sein.

    Brauchen wir angesichts des Krieges und seiner Folgen für die Ukraine und Europa einen neuen Wiederaufbaufonds, ein Next Generation EU 2.0?

    Wir werden auf alle Fälle ein Konjunkturprogramm brauchen. Über die Form wird derzeit diskutiert.

    Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hat vorgeschlagen, das in der Coronakrise aufgesetzte EU-Kurzarbeiterprogramm Sure auszuweiten, um die hohen Energiepreise abzufedern.

    Sure ist eine Antwort auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Das Programm ist eine Erfolgsgeschichte für die EU und ihre Mitgliedsländer. Ich entdecke aber derzeit aber keinen Wunsch in der Mehrheit der Mitgliedsländer, dass wir eine Neuauflage eines solchen Programms auf die Beine stellen sollten.

    Sollen sich dann die Mitgliedsländer noch stärker verschulden, damit ihre Bürger ihre steigenden Stromrechnungen bezahlen können?

    Ausschließlich mit dem vergleichsweise kleinen EU-Budget können wir nicht budgetär helfen, sondern allenfalls regulatorisch. Mittelfristig kann hier unser Konzept RePowerEU helfen.

    Macht Ihnen der hohe Schuldenstand insbesondere der südeuropäischen Mitgliedsländer Sorgen?

    Grundsätzlich gilt: Die Mitgliedsländer, die ihre Schulden abgebaut haben, besitzen eine höhere finanzpolitische Feuerkraft. Das ist ein Wettbewerbsvorteil. Die Schuldentragfähigkeit hängt sehr stark an der künftigen Zinsentwicklung. Wenn ein Boot voller Wasser ist, wird es nicht gleich sinken. Doch die Steuerfähigkeit ist eingeschränkt. Wenn aber ein heftiger Sturm auf hoher See kommt, wird es gefährlich. Das liegt auf der Hand.

    Große Nachfrage nach Green Bonds

    Es zeichnet sich ab, dass die Europäische Zentralbank im Juli nach dem Vorbild der Federal Reserve die Zinsen anheben wird. Was würde die Zinswende für die Haushalte der Mitgliedsländer bedeuten?

    Der Sinn der Erhöhung des Leitzinses ist eine Preisstabilisierung und somit eine Reduzierung der Inflation.

    Die Kommission hat drei neue Einnahmequellen für den EU-Haushalt vorgeschlagen: aus dem neuen CO2-Grenzausgleich, aus den Residualgewinnen multinationaler Unternehmen und ein höherer Anteil aus dem Emissionshandel. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die vorgeschlagenen Eigenmittel von den Mitgliedsstaaten befürwortet werden?

    Erst kürzlich gab es ein Treffen mit Rat und Parlament, um über unsere im Dezember 2021 gemachten Vorschlag zu den Eigenmitteln zu sprechen. Insbesondere das Europaparlament spielt in den Gesprächen eine sehr konstruktive Rolle. Die französische Ratspräsidentschaft unterstützt unsere Vorschläge. Doch zahlreiche Detailfragen müssen noch gelöst werden. Es gibt noch einen hohen Bedarf an Gesprächen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir Fortschritte machen werden.

    Wie viel Zeit geben Sie sich?

    Erfahrungsgemäß sind solche Verhandlungen zeitintensiv. Gleichzeitig haben alle Seiten ein Interesse an der raschen Einführung neuer Eigenmittel, da wir diese für die Rückzahlung von Next Generation EU brauchen. Daher bleibe ich zuversichtlich.

    Die EU will bis 2026 der weltweit größte Emittent von Green Bonds werden. Sie hatten im vergangenen Jahr den Rahmen für die grünen Anleihen in Höhe von 250 Milliarden Euro vorgestellt. Müssen Sie das angesichts der fragilen Lage korrigieren?

    Nein, im Gegenteil. Die Ausgabe der Bonds ist eine Erfolgsstory und trotz der volatilen Marktlage ist die Nachfrage groß. Das gilt insbesondere für die Green Bonds. Die jüngste Ausgabe im März mit einem Volumen von sechs Milliarden Euro war dreizehnfach überzeichnet. Wir decken hier ein stark nachgefragtes Markt-Segment für nachhaltige Finanzen ab. Gleichzeitig fördern wir dadurch die dringend notwendigen nachhaltigen Investitionen.

    Situation in Ungarn “erstaunlich”

    Die Kommission hat gegen Ungarn den neuen Rechtsstaatsmechanismus aktiviert. Wie lange wird es dauern, bis die Auszahlung von EU-Geldern wegen unrechtmäßiger Verwendung und Korruption ausgesetzt werden könnten?

    Bei Ungarn stehen wir am Beginn eines Prozesses, der am Ende gegebenenfalls zu Maßnahmen führen kann, die auch finanzieller Natur sein können. Wir haben in unserem Brief Fälle von inkorrekter Verwendung der Gelder aufgezeigt. Um es sehr diplomatisch zu formulieren: Es ist schon erstaunlich, wenn es bei rund 50 Prozent der öffentlichen Ausschreibungen nur einen Bewerber gibt. Eine solche Sachlage gibt es in keinem anderen Mitgliedsland der EU.

    Was sind die nächsten Schritte?

    Ungarn hat nun zwei Monate Zeit, eine Antwort auf unser Schreiben von Ende April zu finden. Wenn wir als EU-Kommission mit der Antwort der ungarischen Regierung nicht zufrieden sind, werden wir entsprechende Maßnahmen vorschlagen, um die korrekte Verwendung der europäischen Finanzhilfen sicherzustellen. Doch eines ist auch klar: Als Kommission machen wir Vorschläge. Die Entscheidungen fallen im Rat. Für einen Beschluss hat der Rat ein bis drei Monate Zeit. Ich gehe davon aus, dass ein Beschluss erst unter der kommenden Ratspräsidentschaft Tschechiens gefasst werden wird. Tschechien übernimmt von Frankreich am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft.

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    Zweites TTC-Treffen: “Positive Dynamik”

    Der Krieg in der Ukraine hat für beide Seiten Signalwirkung: Die EU und die USA müssen eigentlich enger zusammenarbeiten. Und insbesondere die zehn im TTC verhandelten Themenbereiche könnten für eine engere Zusammenarbeit maßgebliche Fortschritte bedeuten. Doch in vielen Bereichen ist das auch vor dem zweiten Treffen des Forums zwischen Kommission und Biden-Regierung in großer Runde vor allem eine Absichtserklärung.

    “Die Zusammenarbeit bei Exportkontrolle und Investmentscreening ist sehr gut”, berichtet der Handelsausschussvorsitzende Bernd Lange (SPD/S&D). “Insofern ist diese Plattform sehr geeignet, sich auszutauschen und hinsichtlich des russischen Kriegs in der Ukraine zu verständigen.” Beides sind Themen, die im TTC in eigenen Arbeitsgruppen behandelt werden.

    EU und USA wollen Zölle für die Ukraine temporär aufheben

    Doch am Kern der Arbeit ändere sich wenig, sagt Reinhard Bütikofer (Grüne/EFA): “Der Aggressionskrieg Russlands gegen die Ukraine und seine Auswirkungen werfen für den TTC, soweit ich sehe, keine neuen Fragen auf.” Die Dringlichkeit der entsprechenden Diskussionen werde dadurch aber “massiv unterstrichen”.

    Laut einem kursierenden Entwurf für die Abschlusserklärung will man sich offiziell auf die temporäre Aufhebung aller Zölle für die Ukraine einigen – ein Schritt, den die EU bereits für sich selbst vorgeschlagen hat. Die USA hatten zuletzt bereits ihren 25-Prozent-Einfuhrzoll auf Stahl aus der Ukraine aufgehoben, der noch aus der Trump-Ära stammte.

    Nachhaltigkeit und Lieferketten als Hauptthemen

    Aus Kommissionskreisen heißt es, dass neben der Ukraine-Krise vor allem die Lieferketten-Problematik und das Thema Nachhaltigkeit Gegenstand der zweiten Runde sein werden. Zwischen dem ersten offiziellen Treffen in Pittsburgh am 29. September 2021 und der nun anstehenden zweiten Runde gab es auf Arbeitsebene eine Vielzahl kleinerer Runden und Gespräche. Insgesamt seien dabei gute Fortschritte erzielt worden, heißt es dazu aus Kommissionskreisen.

    Reinhard Bütikofer erwartet von der zweiten offiziellen Runde beim TTC “ernsthafte, pragmatische Beratungen” zu einer ganzen Vielzahl an Themen. “Dass es nach zwei formellen Verhandlungsrunden noch keine finalen Ergebnisse gibt, sollte allerdings niemanden überraschen, der sich mit Handelspolitik ein bisschen beschäftigt hat”, sagt Bütikofer. “Ich sehe eine positive Dynamik.”

    Kern der Beratungen in Saclay dürften Fragen der Unabhängigkeit von bestimmten Dritten für die beiden Verhandlungsparteien werden. Denn die Grundidee hinter dem TTC war, längst vor dem Ukraine-Krieg, eine stärkere Autonomie des transatlantischen Wirtschaftsblocks, allem voran von China. Insbesondere im Technologiebereich ist die Abhängigkeit bei einigen Vorprodukten auf beiden Seiten des Atlantiks so massiv, dass hier grundsätzlich Einigkeit besteht: Die Resilienz muss durch Diversifizierung massiv erhöht werden. Allerdings sind EU wie USA bei diesen Vorhaben auf Kooperationen mit Dritten angewiesen, etwa wenn es um Seltene Erden und deren Verarbeitung geht.

    Unterschiedliche Ideen für nachhaltigeres Beschaffungswesen

    Bei der Frage einer möglichen Annäherung der öffentlichen Beschaffungswesen sieht Bernd Lange derzeit kaum Fortschritte: “Hier gibt es unterschiedliche Perspektiven, das werden wir auch nicht überwinden können.” Zwar arbeiten beide Seiten daran, ihre jeweiligen Vorschriften auch stärker an geostrategischen und politischen Zielen auszurichten. Doch sowohl in Ziel als auch Methoden unterscheiden sich die Ideen für ein nachhaltigeres Beschaffungswesen. Auch mittelfristig sind Einigungen hierzu daher eher unwahrscheinlich.

    Etwas optimistischer sind die Erwartungen beim Thema Standards: hier sind die Gespräche zwischen den beiden Haupttreffen bereits weiter fortgeschritten.

    Beim TTC ausgeklammert bleibt weiterhin das Thema Privacy-Shield-Nachfolge: Wie das Trans-Atlantic Data Privacy Framework konkret ausgestaltet sein soll, will die Kommission erst im Sommer bekannt geben. Währenddessen werden Fragen der Datenregulierung und Technologieplattformen weiter behandelt – auch wenn die EU hier mit Data Governance Act, Digital Markets Act, Digital Services Act und Data Act ihre Position bereits weitgehend regulatorisch festgelegt hat.

    Noch kein Ergebnis gab es zuletzt bei der Frage, wie weitgehende Transparenz der TTC-Verhandlungen gegenüber dem Parlament hergestellt werden kann. Aus dem Europaparlament hatte es Kritik daran gegeben, dass Protokolle und Tagesordnungen den Parlamentariern nicht zur Verfügung standen.

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    Termine

    13.05.-14.05.2022, Regensburg
    EKFS, Konferenz Zukunft gestalten: Von Pathomechanismen zu neuen Therapieansätzen
    Die von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS) organisierte Veranstaltung bietet eine Möglichkeit des Austauschs zu Themen wie Immunologie, Inflammation, Infektiologie und Onkologie. INFOS

    14.05.2022 – 16:30-18:00 Uhr, Bremen
    EPB, Diskussion Braucht Europa eine eigene Armee?
    Der Europa Punkt Bremen (EPB) lädt ein zu einer Diskussion über die Europäische Außen- und Sicherheitspolitik und die im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg aufkommende Frage nach einer Armee der EU. INFOS & ANMELDUNG

    16.05.2022 – 09:30-12:30 Uhr, online
    One Net, Workshop The Grid Forum on TSO-DSO-Consumer data exchange
    As part of the EU’s Horizon 2020 program, solutions for a consumer-centric harmonized Europe-wide electricity system need to be discussed. This workshop will focus on data exchange, cybersecurity and interoperability between transmission system operators (TSO), distribution system operators (DSO) and customers. REGISTRATION

    16.05.2022 – 15:30-17:00 Uhr, online
    BDI, Vortrag Klimapfade 2.0 – Fokus Beschleunigung von Verfahren
    Bei der Veranstaltung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) werden die Pläne der Bundesregierung beleuchtet, die Verfahrensdauer bei Genehmigungsverfahren zu halbieren. Außerdem geht es um Chancen eines Technologiewechsels in der Industrie. INFOS & ANMELDUNG

    16.05-18.05.2022, Tutzing
    DEChema, Konferenz Circular Economy – Schritte in die Zukunft
    Bei dem Symposium der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (DEChema) sollen verschiedene Aspekte der Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) betrachtet und diskutiert werden. INFOS & ANMELDUNG

    17.05.2022 – 08:15-17:30 Uhr, Frankfurt
    DFC, Konferenz Digital Future Congress
    Themen des Digital Future Congress (DFC) sind unter anderem digitale Transformation, IT-Security, Krisenmanagement, Künstliche Intelligenz und Datenschutz. INFOS & ANMELDUNG

    17.05.2022 – 09:00-15:00 Uhr, online
    ASEW, Seminar Einstieg PPAs
    Bei diesem Seminar der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) werden Risiken und Potenziale des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und des Power Purchase Agreement (PPA) als Erlösquelle für Solar- und Windenergie-Projekte vorgestellt. INFOS & ANMELDUNG

    17.05.2022 – 13:00-15:30 Uhr, online
    ASEW, Seminar Gas(preis)krise
    Was die Preissprünge 2021, der Ukraine-Krieg, eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes und ein mögliches Gasembargo gegenüber Russland für Stadtwerke bedeuten können, wird im Seminar der Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) thematisiert. INFOS & ANMELDUNG

    17.05.2022 – 13:00-16:00 Uhr, online
    VDE, Conference EU Regulatory Affairs and Liability Risks of AI-based Medical Devices
    This event hosted by the German Electrical and Electronic Manufacturers’ Association (VDE) will address how manufacturers of AI-based medical devices can handle European regulatory requirements and how they can counter liability risks most effectively. INFOS & REGISTRATION

    17.05.2022 – 14:00 Uhr, online
    BVMW, Seminar Mobilitätspaket – Risiken für die Organisationsplanung erkennen und vermeiden
    Bei dieser Veranstaltung des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) sollen die neuen Regelungen des EU-Mobilitätspakets aufgezeigt sowie ein risikofreier Umgang mit den neuen Anforderungen vorgeschlagen werden. ANMELDUNG

    17.05.-18.05.2022, Gravenbruch
    VDA, Konferenz Mittelstandstag
    Beim Mittelstandstag des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) werden aktuelle Themen der automobilen Zulieferbranche wie die Zukunft der Beschäftigung, nachhaltige Lieferketten, die grüne Transformation und Digitalisierung diskutiert. INFOS & ANMELDUNG

    17.05.-18.05.2022, Berlin
    BVMed, Konferenz Ein Jahr Medical Device Regulation
    Ein Jahr nach Geltungsbeginn der Medical Device Regulation (MDR) soll über Herausforderungen, Probleme und Lösungsansätze der neuen Gesetzgebung diskutiert werden. INFOS & ANMELDUNG

    17.05.-18.05.2022, Berlin
    ZVEI, Konferenz Jahreskongress 2022: Electrifying ideas
    Beim diesjährigen Kongress des Verbandes der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) soll unter anderem über die Themen Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit und Zukunft des Technologiestandortes Deutschland diskutiert werden. INFOS & ANMELDUNG

    17.05.-18.05.2022, online
    EC, Presentation EU Missions Info Days
    European Commission (EC) Info Days will introduce new themes for the five EU missions, following changes to the 2021-2022 Horizon Europe mission work program. INFOS

    EU-Kommission will gemeinsame Abschaltkriterien bei Gas-Notfall

    Den Fall der Fälle erwähnt die Kommission erst ganz am Schluss. Auf 14 Seiten listet die Behörde in einem internen Dokument, das “Contexte” gestern veröffentlichte, zunächst all jene Schritte auf, mit denen sie einen Notfall in der Energieversorgung abwenden will. Erst dann beschreibt sie die Vorbereitungen, falls es doch zu einem großflächigen Ausfall kommen sollte. Sie bittet etwa um Milde, falls einer der Mitgliedsstaaten keine Vorkehrungen für das Abschalten von großen Verbrauchern getroffen haben sollte. Weniger betroffene Staaten sollten sich auch dann solidarisch zeigen, wenn das notleidende Land seine Hausaufgaben für eine Mangel-Lage nicht gemacht haben sollte.

    Für ein EU-weit abgestimmtes Vorgehen konkretisiert die Kommission in dem Dokument ihre Pläne. Die SoS-Verordnung macht sie zur Hüterin der “Kohärenz und Wirksamkeit” der national ergriffenen Maßnahmen im Verhältnis zur Union. Dazu soll es nun einen europäisch abgestimmten Plan für Industrieabschaltungen geben. Bisher arbeitet etwa die Bundesnetzagentur in Deutschland an eigenen Kriterien. Die Kommission möchte nun im Dialog mit der Industrie eigene Analysen zu wichtigen Lieferketten anstellen. Dafür nennt sie die Sektoren Sicherheit, Verteidigung, Ernährung und Gesundheit. Einfließen sollen in die Bewertung auch die Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Territorien.

    Mit den Mitgliedsstaaten sollen dann gemeinsame Kriterien für industrielle Abhängigkeiten und Abschaltungen entwickelt werden. Ziel sollen Leitlinien und Best-Practice-Beispiele für die Mitgliedsstaaten sowie ein Frühwarnsystem sein.

    Milliarden für Biogas und Leitungen

    Um bis 2027 auf fossile Energielieferungen verzichten zu können, müssten die EU-Staaten laut den Schätzungen der Kommission 195 Milliarden Euro investieren – zusätzlich zu den Folgen des Fit-for-55-Pakets, das bereits einen starken Ausbau von Erneuerbaren und Wasserstoff vorsah. Dafür würden die Mitgliedsländer allerdings auch Milliarden für Brennstoffimporte sparen.

    Allein 36 Milliarden Euro würden Investitionen in die Verdopplung der Biogaserzeugung verschlingen. Weitere 29 Milliarden Euro würden fällig für Investitionen in die Stromnetze und eine noch nicht genannte Summe für Gasinfrastruktur. Den größten Nachholbedarf für Letzteres hat laut Kommission neben Mittel- und Osteuropa ausgerechnet Norddeutschland.

    Verhaltener Bedarf für deutsche LNG-Terminals

    Bei den heftig umstrittenen LNG-Terminals stellt eine – allerdings noch vorläufige – Karte allerdings nur einen geringen Bedarf fest. Nur zwei schwimmende LNG-Terminals sind demnach im Rahmen von REPowerEU für die deutsche Nordseeküste als nötig identifiziert worden. Erst vor einer Woche hatte Deutschland vier Terminals gechartert.

    Das Energieeinsparziel für 2030 in der Energieeffizienz-Richtlinie möchte die Kommission auf 13 Prozent erhöhen, nachdem zunächst 9 Prozent vorgeschlagen worden waren. Schon kurzfristig soll eine Einsparkampagne dabei helfen, den Gas- und Ölverbrauch um jeweils fünf Prozent zu senken. Im Blick hat die Kommission dabei auch Verhaltensänderungen und nicht nur technische Maßnahmen.

    Neben den schon bekannten Zielen zum beschleunigten Ausbau von Wind- und Solarenergie erwähnt die Kommission nun erstmals auch Geothermie im Zusammenhang mit REPowerEU. Für den schnellen Hochlauf von Wasserstoff will die Behörde bis zum Sommer 100 IPCEIs genehmigen. Für den Import setzt die neue Internationale Energiestrategie zunächst auf drei Korridore: den Mittelmeerraum, die Nordsee und perspektivisch die Ukraine. Die globale europäische Wasserstoff-Fazilität soll die Finanzierungswürdigkeit von Projekten steigern.

    Rat einigt sich zu Gasspeichern

    Für das kurzfristige Füllen der Gasspeicher einigte sich der Ausschuss der Ständigen Vertreter schon gestern auf eine gemeinsame Position. Demnach soll die Verpflichtung 2026 auslaufen, wie aus einer Ratsmitteilung hervorgeht. Das Gesetz sieht vor, dass die Gasreserven dieses Jahr bis zum 1. November zu 80 Prozent gefüllt sein sollen und in den nächsten Jahren zu 90 Prozent. Auch das Parlament hatte seine Position schon festgelegt, somit können die Verhandlungen beginnen, damit das Gesetz rechtzeitig zum Winter in Kraft tritt.

    Die Staaten verständigten sich außerdem darauf, Vorräte an Flüssiggas (LNG) bei den Speichermengen mitzuzählen. Außerdem sollen die Verpflichtungen für Staaten, die besonders große Speicher haben, die sie nicht komplett selbst nutzen, angepasst werden. EU-Länder, die keine Gasspeicher haben, sollen Zugang zu Reserven in anderen Ländern erhalten und dafür die Kosten mittragen. Ausnahmen von den verpflichtenden Reserven soll es für Zypern, Malta und Irland geben, solange sie nicht an die Gasnetzwerke der anderen EU-Länder gekoppelt sind. mit dpa

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    Russland verhängt Sanktionen gegen Teile von Gazprom Germania

    Russland hat am Mittwochabend Sanktionen gegen Teile des Gaskonzerns Gazprom Germania angekündigt, der unter der Treuhandschaft der Bundesnetzagentur steht. Auf der Internetseite der Regierung in Moskau wurden insgesamt 31 Unternehmen aufgelistet, gegen die nicht genauer bezeichnete Maßnahmen erlassen werden. Auch EuRoPol GAZ PA gehört dazu, der Eigner des polnischen Abschnitts der Jamal-Europa Erdgas-Pipeline.

    Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am 3. Mai ein Dekret erlassen, wonach keine russische Einrichtung Geschäfte mit Firmen und Personen auf der Sanktionsliste tätigen darf. Ausdrücklich dürfen an sie keine Produkte oder Rohstoffe exportiert werden.

    Eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erklärte, die Ankündigung werde ausgewertet. “Noch liegen uns keine Details vor.” Sie verwies auf das Dekret vom Mai zu den Sanktionen. “Konkretisierungen sollten demnach binnen zehn Tagen erfolgen.” Auch die Bundesnetzagentur verwies auf das Fehlen von Einzelheiten. “Die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur als Treuhänderin von Gazprom Germania sind daher bereits dabei, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen und sich auf verschiedene Szenarien vorzubereiten.”

    Gazprom Germania gehört zu den größten Gasversorgern in Deutschland und betreibt den Transport, Vertrieb und die Speicherung von Erdgas. Hierzu gehört etwa der größte Gasspeicher des Landes im niedersächsischen Rehden. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat das Unternehmen bis Ende September in die Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur übergeben, nachdem der russische Mutterkonzern Gazprom die Tochter aufgegeben hatte. rtr

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    Gasfluss über die Ukraine stockt – Norwegen springt ein

    Der Krieg in der Ukraine lässt den Fluss von Gas in Richtung Europa und Deutschland stocken. Man liefere zwar weiterhin Gas über die Ukraine in Richtung Westen, allerdings weniger als zuletzt, teilte der russische Gazprom-Konzern am Mittwoch mit. Der ukrainische Netzbetreiber GTSOU hatte zuvor angekündigt, er könne eine Verdichterstation wegen des Konflikts in der Region Luhansk nicht mehr betreiben. Daher werde der Gasfluss über diese Route eingestellt. Laut Bundesnetzagentur kommt so gut ein Viertel weniger Gas als am Dienstag in Süddeutschland an. Norwegen und die Niederlande glichen dies aber mit höheren Lieferungen aus. Nennenswerte Preissteigerungen seien an den Großhandelsmärkten aktuell nicht zu beobachten.

    Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte, der Vorfall sei kein Grund, die aktuelle Gas-Frühwarn- auf die folgende Alarm-Stufe hochzusetzen. Der Ausfall sei kompensierbar. Dies sei theoretisch wohl auch über den Sommer hinweg möglich, sodass die Versorgung sicher sei. “Zumal ich hoffe und denke, dass die Gasmenge über die Ukraine irgendwann wieder auf das Niveau steigen wird, die zuvor über die Ukraine gekommen ist.” Die ukrainische Seite habe versichert, sie suche andere Wege für die Durchleitung des Brennstoffes.

    In der ostukrainischen Region Luhansk treffen verschiedene Pipelines zusammen, die in die Leitung Transgas münden. Diese wiederum kommt in Österreich und Süddeutschland an. Darüber hinaus gibt es mit Nord Stream 1 und der Jamal-Pipeline weitere große Verbindungen, die aus Russland Richtung Deutschland und Europa führen.

    Laut dem ukrainischem Netzbetreiber GTSOU haben pro-russische Separatisten in Luhansk Transit-Gas in von ihnen kontrollierte Gebiete geleitet. Die Region um den Knotenpunkt ist bereits seit Wochen unter Kontrolle der Separatisten. GTSOU zufolge wäre es aber möglich, Transit-Gas auch weiter nördlich durch die Ukraine fließen zu lassen. Gazprom bestritt dies als technisch nicht möglich.

    Die Buchungen über die Knotenstelle in der Region Luhansk fielen nach Angaben des Netzbetreibers am Mittwoch auf null. Gazprom erklärte, man liefere am Mittwoch 72 Millionen Kubikmeter Gas, nachdem es am Dienstag 95,8 Millionen Kubikmeter gewesen seien. Man selbst erfülle alle mit den Kunden eingegangenen Verpflichtungen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow betonte: “Russland hat immer seine Verpflichtungen erfüllt und beabsichtigt dies auch weiter zu tun.” rtr

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    Ernährungssicherung: Özdemir will Weizenproduktion ankurbeln

    Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) will nun doch Maßnahmen zur Sicherung der Getreideproduktion ergreifen und damit auf die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die globale Versorgungslage reagieren. Das gab das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am Mittwoch bekannt. Auf die von der EU-Kommission eingeräumte Möglichkeit, temporär auch ökologische Brachflächen zu bewirtschaften (Europe.Table berichtete), will die Bundesregierung allerdings weiterhin verzichten.

    Özdemir will GAP-Regelung zum Fruchtwechsel verschieben

    Der Vorstoß des Ministers zielt vielmehr darauf ab, die in der gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) vorgesehene sogenannte Fruchtfolge-Regelung zu verschieben. Diese sieht vor, dass ab dem Jahr 2023 auf der gleichen Fläche nicht mehr dieselbe Getreideart wie im jeweiligen Vorjahr angebaut werden darf, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu erhalten.

    Der mehrmals aufeinanderfolgende Anbau von Winterweizen wird damit nicht mehr möglich, ist in Deutschland aber gelebte Praxis. Als wichtigste Getreideart zur Nahrungsmittelproduktion macht Winterweizen laut BMEL rund ein Viertel der Gesamtackerfläche aus und wurde bislang zu etwa 20 Prozent hintereinander angebaut.

    Özdemir fordert nun, dass der in der GAP vorgesehene Fruchtwechsel erst ab dem Jahr 2024 erfüllt sein muss, um die Weizenproduktion zu sichern. “Damit erreichen wir gleich zwei Ziele. Wir tragen zur globalen Versorgung bei und wir erhalten die wenigen Flächen für den Artenschutz, die manche gerne abschaffen wollen”, so der Minister.

    Peter Jahr (CDU), GAP-Berichterstatter im EU-Parlament, begrüßt die Forderung, bezeichnet diese aber dennoch als “Zeichen eines unkoordinierten Handels”. Den Fruchtwechsel auszusetzen und gleichzeitig Flächen stillzulegen, passe nicht zusammen. “Im Übrigen plädieren wir für eine zweijährige Verschiebung, denn die Folgen des Ukraine-Kriegs werden leider länger spürbar sein.” Eine Entscheidung der EU-Kommission steht noch aus. til

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    CO2-Flottengrenzwerte: ENVI stimmt für Verbrenner-Aus 2035

    Die Abgeordneten des Umweltausschusses des EU-Parlaments (ENVI) haben am Mittwoch über die Anhebung der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge abgestimmt (Europe.Table berichtete). Bei der Abstimmung über den Bericht des hauptverantwortlichen Renew-Berichterstatters Jan Huitema (Europe.Table berichtete) kam es allerdings zu einem Patt von 44 Stimmen dafür und 44 dagegen. Die Anhebung der Ziele wurde damit zunächst noch nicht angenommen.

    Das Patt ist deshalb überraschend, weil die erwartete Mehrheit aus Liberalen, Grünen, Sozialdemokraten und Linken nicht zustande kam. FDP-Politiker Andreas Glück stimmte gegen den Bericht seiner eigenen Fraktion und damit gegen die Ziele von -40 Prozent Emissionen für Autos (-35 Prozent für Transporter) bis 2027 und -100 Prozent ab 2035 (gleichbedeutend mit dem Verbrenner-Aus).

    Erst Kommissionsvorschlag mit Verbrenner-Aus erhält Mehrheit

    Nachdem also der Huitema-Bericht keine Mehrheit bekam und auch der alternative Kompromiss von EVP, ECR und ID (-90 Prozent ab 2035 und ein Anrechnungssystem für alternative Kraftstoffe) knapp scheiterte, wurde über den Kommissionsvorschlag abgestimmt. Dieser erhielt schließlich eine knappe Mehrheit bei 46 Pro-, 40 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Der Kommissionsvorschlag sieht ebenfalls das Verbrenner-Aus ab 2035 vor, allerdings ohne das Zwischenziel für 2027. Das Zwischenziel für 2030 von – 55 Prozent bleibt gemäß dem Kommissionsvorschlag erhalten, einzig das Zwischenziel für Pkw für 2025 wurde im ENVI von 15 Prozent auf 20 Prozent angehoben. Ebenfalls angenommen: Der Bonus für sogenannte “Zero and Low Emissions Vehicles” (ZLEV) wird 2025 beendet (Europe.Table berichtete). Die Kommission hatte 2030 vorgeschlagen.

    “In der E-Mobilität liegt die Zukunft, das Ende des Verbrenners kommt”, kommentierte Michael Bloss, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament. Die Industrie habe lange auf dieses klare politische Signal gewartet. “Wer jetzt noch auf den Verbrenner setzt, handelt unverantwortlich”, so Bloss.

    EVP-Schattenberichterstatter Jens Gieseke zeigte sich dagegen enttäuscht, dass sein Vorschlag für ein Anrechnungssystem für E-Fuels abgelehnt wurde. “Liberale, Sozialdemokraten und Grüne haben sich heute gegen das Prinzip der Technologieoffenheit positioniert.” Den alleinigen Fokus auf die Elektromobilität hält der CDU-Mann für falsch. Man wisse noch nicht, ob man bis 2035 den notwendigen Strombedarf nachhaltig decken und die Ladeinfrastruktur bereitstellen könne, kommentierte Gieseke. Die finale Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments wird für den 7. Juni erwartet. luk

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    Deutschland fördert Northvolt-Batteriefabrik mit 155 Millionen Euro

    Deutschland fördert geplante Investitionen des schwedischen Batterie-Spezialisten Northvolt mit 155,4 Millionen Euro. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck überreichte am Mittwoch den entsprechenden Zuwendungsbescheid an das Unternehmen. 30 Prozent der Fördersumme trägt das Land Schleswig-Holstein, wo Northvolt voraussichtlich eine große Batteriezellfertigung aufbauen will.

    Die Fabrik soll laut Wirtschaftsministerium im Endausbau pro Jahr Hunderttausende Elektroautos mit nachhaltigen Batterien versorgen. Rund 3000 Jobs sollen entstehen. Northvolt hatte im Februar eine Absichtserklärung mit Schleswig-Holstein getroffen. Im Juli soll die endgültige Standortentscheidung fallen.

    Die Staatshilfen kommen aus einem europäischen Großprojekt (IPCEI) zur Förderung der Batteriezellfertigung in der EU. Damit will Europa unabhängiger von Lieferungen aus Asien werden. Laut Wirtschaftsministerium sind bis 2030 Investitionen von mehr als 15 Milliarden Euro in Batteriezellwerke angekündigt. Weitere Investitionen werde es in den Bereichen Rohstoffe, Batteriematerialien sowie Komponenten und Recycling geben. rtr

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    KI-Gesetz: Mehr Zeit für Änderungsanträge

    Nach wie vor scheint es bei den Mitgliedern der beiden Ausschüsse IMCO und LIBE großen Diskussionsbedarf rund um die Bestimmungen des geplanten KI-Gesetzes zu geben. Die Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen zum Berichtsentwurf der beiden Berichterstatter Brando Benifei (IMCO) und Dragoş Tudorache (LIBE) zur KI-Verordnung wurde jedenfalls um zwei Wochen bis zum 1. Juni verlängert. Das gaben die Vorsitzenden beider Ausschüsse gestern bei der gemeinsamen Sitzung bekannt. Am 30. Juni wollen die beiden Ausschüsse über die Änderungsanträge beraten. Damit gerät der ambitionierte Zeitplan von Benifei und Tudorache in Gefahr (Europe.Table berichtete).  

    Bei der gestrigen Sitzung stellten die beiden Berichterstatter ihren Berichtsentwurf zum KI-Gesetz vor. Dabei betonten sie wiederholt, dass der Entwurf nur die Aspekte umfasse, bei denen sie eine Einigung erzielen konnten. Der italienische Europaabgeordnete und sein rumänischer Kollege haben insgesamt 297 Änderungsanträge verfasst.

    Mehr Pflichten für Anwender

    Die beiden Abgeordneten einigten sich etwa darauf, die Definition von KI möglichst breit zu fassen und Sonderregelungen für Allzweck-KI auszuschließen, die Systeme für verschiedene Aufgaben trainieren können. Auch plädieren sie für eine Neuverteilung von Verantwortlichkeiten entlang der Wertschöpfungskette. Dabei sollen vor allem den Anwendern mehr Pflichten auferlegt werden. Tudorache und Benifei waren sich auch einig, dass die Rolle der Datenschutzgrundverordnung im KI-Gesetz weiter gestärkt werden muss.

    Eine weitere Gemeinsamkeit betrifft die Liste der verbotenen Praktiken. Beide wollen “Predictive Policing” hinzufügen, das ihrer Ansicht nach “gegen die Unschuldsvermutung und die Menschenwürde verstößt”. Außerdem wollen sie die Liste der hochriskanten KI-Systeme erweitern. Die beiden Berichterstatter empfehlen unter anderem, jene KI-Systeme auf diese Liste zu setzen, die “darauf abzielen, die Entwicklung von Kindern durch personalisierte Bildung oder kognitive oder emotionale Entwicklung zu gestalten”.

    Durchsetzungsmechanismus für Verstöße gegen KI-Verordnung

    Eine weitere wichtige Neuerung ist ein “Durchsetzungsmechanismus“, der vom Digital Services Act inspiriert ist. Damit würde die Europäische Kommission im Falle eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die KI-Verordnung ermächtigt, ein Verfahren einzuleiten. Tudorache und Benifei wollen außerdem sicherstellen, dass eine natürliche oder juristische Person rechtliche Schritte einleiten kann, wenn der Einsatz eines KI-Systems ihre Rechte verletzt. Beide plädieren in ihrem Berichtsentwurf für eine stärkere der Rolle des KI-Ausschusses, um unter anderem eine einheitliche Anwendung des Gesetzes zu gewährleisten.

    Zu den noch offenen Fragen gehören insbesondere die Konformitätsprüfung und Details rund um die geplanten Reallabore. Die beiden Abgeordneten haben auch über eine obligatorische Folgenabschätzung in Bezug auf die Grundrechte diskutiert, konnten aber keine Einigung erzielen. Eines der heikelsten Themen wird die biometrische Fernidentifizierung sein. Die Kommission will diese auf einige wenige Fälle beschränken. Währen dieser Ansatz von konservativen Abgeordneten unterstützt wird, fordern viele ein vollständiges Verbot. Um diese Punkte werden sich voraussichtlich auch die meisten Änderungsanträge der Ausschussmitglieder drehen, wie die anschließende Diskussion zeigte. ank

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    EU-Urheberrecht: Google will über 300 Verlagen Geld für News zahlen

    Google will mehr als 300 Verlegern in Deutschland, Frankreich und vier anderen EU-Ländern Geld für ihre Nachrichten zahlen. Zudem soll ein Tool eingeführt werden, um es anderen zu erleichtern, sich ebenfalls anzumelden, teilte das US-Unternehmen am Mittwoch in einem Blogpost mit.

    “Bisher haben wir Vereinbarungen mit mehr als 300 nationalen, lokalen und spezialisierten Nachrichtenpublikationen in Deutschland, Ungarn, Frankreich, Österreich, den Niederlanden und Irland getroffen, und viele weitere Gespräche laufen noch”, sagte Sulina Connal, Google-Direktorin für Nachrichten- und Verlagspartnerschaften. Zwei Drittel der Gruppe sind demnach deutsche Verlage, darunter “Spiegel”, “Zeit” und “Frankfurter Allgemeine Zeitung”. Aus dem Blog ging nicht hervor, wie viel den Verlagen gezahlt werde.

    Der Schritt folgt auf die Verabschiedung bahnbrechender EU-Urheberrechtsvorschriften vor drei Jahren, die Google und andere Online-Plattformen dazu verpflichten, Musiker, Künstler, Autoren, Nachrichtenverleger und Journalisten für die Nutzung ihrer Werke zu bezahlen.

    Verlage zählen zu den schärfsten Kritikern von Google und drängen Regierungen seit Langem, dafür zu sorgen, dass Online-Plattformen eine faire Vergütung für ihre Inhalte zahlen. Australien hat solche Zahlungen im vergangenen Jahr zur Pflicht gemacht, während Kanada im vorigen Monat eine ähnliche Gesetzgebung eingeführt hat. In Deutschland streiten Google und Verlage seit Jahren über die Auslegung des sogenannten Leistungsschutzrechts.

    Das Tool bietet den Verlagen eine erweiterte Vereinbarung zur Nachrichtenvorschau. Dies soll es Google erlauben, gegen eine Lizenzgebühr Textausschnitte und Vorschaubilder – Snippets und Thumbnails – zu zeigen. rtr

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    Erneuerbare: Weniger Abhängigkeit von China bei den Lieferketten

    Die EU sollte ihre Lieferketten für grüne Energietechnologien rasch überdenken und Maßnahmen ergreifen, um ihre Abhängigkeit von China in Teilbereichen zu reduzieren. Das formulieren der European Council on Foreign Relations (ECFR) und die Rhodium Group in einem heute erschienenen Policy Paper. Dafür seien eine verstärkte Innenpolitik und die stärkere Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern und Verbündeten notwendig. China komplett aus den Lieferketten herauszuhalten, sei jedoch weder möglich noch wünschenswert.

    Das Paper fasst die wichtigsten Risiken in der Lieferkette grüner Energietechnologien zusammen. Für viele wesentliche Schritte der Lieferkette seien die EU und andere Abnehmerländer auf Länder wie China angewiesen, etwa für den Abbau und die Verarbeitung der Rohstoffe oder die Herstellung der Zwischen- und Endprodukte. Geopolitische Spannungen wie zurzeit mit Russland oder einfache Betriebsstörungen im Herstellerland können deshalb die gesamte Lieferkette beeinträchtigen und den Zugang zu den Technologien einschränken. Eine Gefahr seien auch das fehlende Know-how in den Abnehmerländern sowie die Cybersicherheit.

    Risiken für jede Branche unterschiedlich

    Für die unterschiedlichen Branchen, in denen Technologien für erneuerbare Energien zum Einsatz kommen, bestehen andere Risiken, heißt es in der Analyse. Die Energiespeicherindustrie etwa, die sowohl für die Stromnetze als auch für Elektrofahrzeuge wichtig ist, berge hohe Risiken in der gesamten Lieferkette: Für die Herstellung von Batterien werden knappe und zugleich geografisch konzentrierte Rohstoffe wie Kobalt, Nickel und Lithium benötigt.

    In der Solarindustrie seien die Risiken in Bezug auf kritische Mineralien am geringsten, “da die Rohstoffe, die den Großteil der Panele ausmachen, insbesondere Siliziumdioxid, weltweit im Überfluss vorhanden sind”. Dafür sei das Risiko der geografischen Konzentration umso höher, da der größte Teil der Produktionskette in China stattfinde. Sieben der zehn größten Hersteller von Polysilizium etwa seien Chinesisch, und 97 Prozent der weltweiten Ingot- und Waferproduktion entfielen auf China.

    Die Risiken für kritische Mineralien in der Windindustrie seien wiederum hoch, da seltene Erden wie Neodym für die Herstellung der Windturbinen gebraucht und vor allem in China abgebaut und raffiniert werden. In der Produktion von Zwischen- und Endprodukten seien europäische und andere westliche Unternehmen hingegen noch wettbewerbsfähig, die EU sei zum Beispiel “weltweit führend bei der Ausfuhr von Windturbinengeneratoren”.

    Für die grüne Wasserstoffindustrie seien die Lieferketten noch zu wenig gefestigt, als dass die Risiken vollständig benannt werden könnten. Elektrolyseure und Brennstoffzellen benötigten allerdings seltene Mineralien wie Platin und Iridium, deren größte Vorkommen sich in Russland und Südafrika befinden. Auch in der Produktion der Elektrolyseure seien europäische Unternehmen momentan wettbewerbsfähig. Allerdings könnten die massiven Investitionen Chinas in diesem Bereich in der Zukunft ähnliche Risiken erzeugen wie in der Solarindustrie, so das Paper.

    Weniger Abhängigkeit von China: Lokale Lieferketten stärken

    Der ECFR und die Rhodium Group formulieren außerdem Strategien, mit denen die EU die Abhängigkeit von China lockern kann. Zuerst müsse die EU eine “gründliche und realistische Bewertung der Risiken in den Lieferketten” durchführen und grüne Energietechnologien als Teil der kritischen Infrastruktur behandeln. Die Abhängigkeit von China sollte man verringern, um stattdessen lokalere Lieferketten mit anderen Wirtschaftspartnern aufzubauen. China müsse und könne man nicht komplett ausschließen; “in Bereichen, in denen die Sicherheitsbedenken am geringsten sind”, sollte man die Lieferketten selektiv beibehalten.

    Ein komplettes Reshoring der Produktionsprozesse sei keine Option, da dies mit immensen Kosten verbunden wäre und am Ende die Energiewende sogar verzögern würde. Ein Reshoring sollte deshalb nur für die Prozesse mit den größten Sicherheitsrisiken erwogen werden, heißt es. Die EU sollte deshalb in jedem Fall ihre Bezugsquellen diversifizieren und dafür gezielte Anreize wie Subventionen oder Steuererleichterungen nutzen. Sie sollte sich zudem um eine Harmonisierung von Normen und Standards mit gleichgesinnten Partnern bemühen. Auch eine stärkere Lagerhaltung sei für bestimmte Waren und Materialien denkbar.

    Es werde Jahre dauern und “erhebliche öffentliche und private Investitionen erfordern”, um die Risiken in den Lieferketten zu mindern. Die EU müsse deshalb die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Unternehmen verbessern und Vorhersehbarkeit und Kontinuität ihrer Politik gewährleisten. Zugleich müssen hohe ökologische und ethische Standards aufrechterhalten werden, um mit den Technologien auch tatsächlich die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. leo

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    Presseschau

    Europäische Union: 195 Milliarden für Energie-Unabhängigkeit HANDELSBLATT
    Energieversorgung sichern: EU-Länder verpflichten sich bis 2026 zu Gasreserven RND
    EU will Schuldengrenzen wegen Ukraine länger aussetzen DER STANDARD
    Bei den Sanktionen gegen Putin tanzt Orban aus der Reihe NZZ
    Nachbarn Polen und Slowakei fordern Kandidatenstatus für Ukraine N-TV
    “Die Einflussnahme auf dem Balkan bietet Russland eine weitere Bühne” WIWO
    Kritik an EU-Plan zum Kampf gegen Kindesmissbrauch: “Riesenschritt in Richtung eines Überwachungsstaats” SPIEGEL
    Maskenpflicht bei Flugreisen endet TAGESSCHAU
    G7 wollen Digitalisierung “grüner” machen SÜDDEUTSCHE
    EU will klares Aus für Verbrennungsmotoren ab 2035 beschließen HANDELSBLATT
    Wieso das Verbot der Verbrenner-Autos umstritten ist SÜDDEUTSCHE
    Großbritannien und Schweden unterzeichnen militärischen Beistandspakt BERLINER ZEITUNG
    Frankreichs Antiterror-Einheit ermittelt gegen Interpol-Chef wegen Foltervorwürfen T-ONLINE
    Streit um Nordirland-Protokoll: Brexit-Vertrag zwischen EU und Großbritannien ist plötzlich in Gefahr RND
    EU-Kommission will Verbraucherschutz bei Online-Finanzen stärken T3N
    China, Ukraine set to dominate EU-Japan summit DEUTSCHE WELLE

    Standpunkt

    Chinas Russlandpolitik: Der Westen muss Peking einbeziehen

    William Klein
    William Klein ist beratender Partner bei Finsbury Glover Hering in Berlin. Zuvor war er US-Diplomat, zuletzt stellvertretender Chef der US-Botschaft in Peking. Im Standpunkt schreibt er über den Ukraine-Krieg und die Russlandpolitik in China.
    William Klein ist beratender Partner bei Finsbury Glover Hering in Berlin. Zuvor war er US-Diplomat, zuletzt stellvertretender Chef der US-Botschaft in Peking.

    Europa beobachtet genau, wie China auf den Krieg in der Ukraine reagiert. Beim EU-China-Gipfel forderten die EU-Spitzen China auf, seine Beziehungen zu Russland zu nutzen, um das Blutvergießen zu beenden. Am 28. April nahm der Deutsche Bundestag eine noch direktere Entschließung an, in der er China vorwarf, den Krieg zu unterstützen. Die Abgeordneten warnten: Bemühungen, die Sanktionen zu unterlaufen oder Russland mit Waffen zu versorgen, werden mit weiteren Sanktionen geahndet. 

    Innenpolitische Faktoren in China beeinflussen Haltung zur Ukraine

    Die Entscheidungen, die China in Bezug auf die Ukraine trifft, können die ohnehin angespannten Beziehungen zu Europa auf Jahre hinaus weiter belasten. Welche Richtung könnte China in Zukunft einschlagen? Kann Europa gemeinsam mit gleichgesinnten Partnern noch Einfluss auf Pekings Entscheidungen nehmen

    Dass China Russland als Partner in seinem geopolitischen Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten betrachtet, ist bekannt. Aber die innenpolitischen Faktoren, die Pekings derzeitige Haltung zur Ukraine beeinflussen, sind weniger gut bekannt. Es lohnt sich daher, mögliche Antworten auf diese Fragen in Chinas Innenpolitik zu suchen. 

    Partnerschaft mit Russland unverzichtbar

    Die Kommunistische Partei verfolgt langfristig zwei innenpolitische Hauptziele: die Legitimität der Einparteienherrschaft zu sichern und das Land zu modernisieren, um den Entwicklungsstand der fortschrittlichsten Volkswirtschaften der Welt zu erreichen. Chinas Regierungsbeamte sind sich darüber im Klaren, dass diese Ziele eng miteinander verbunden sind, da sie die wirtschaftliche Modernisierung als entscheidend für die Legitimität der Partei ansehen.

    Die Regierung ist sich auch darüber im Klaren, dass die Vereinigten Staaten in der Lage sind und die Absicht haben, Chinas Streben nach diesen Zielen zu stören. Diese Überzeugung hat sich während der Trump-Regierung fast durchgängig durchgesetzt, und die Sicht auf die Absichten der USA haben sich unter Präsident Biden nur noch verschärft. 

    Die meisten chinesischen Politiker sehen ihr Land immer noch als den verletzlicheren Akteur im geopolitischen Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten, auch wenn die Zuversicht wächst, dass die Zeit zu Pekings Gunsten arbeitet. Deshalb sieht Peking seine Partnerschaft mit Russland als unverzichtbar an. Nicht nur, um seine geopolitischen Ziele voranzubringen, sondern auch, um existenzielle Risiken für die Partei im eigenen Land zu mindern. Die Beziehungen zu Russland mögen Chinas Beziehungen zum Westen gefährden. Aber die Führung hält die von Amerika ausgehende Bedrohung nach wie vor für eindeutig größer

    Europas Schlüsselrolle

    Kann der Westen diese Einschätzung der Bedrohung beeinflussen, die aus Sicht Chinas von ihm ausgeht? China ist für seine Modernisierungsziele nach wie vor auf die wirtschaftliche Verflechtung mit dem Westen angewiesen und wird daher seine Haltung zum Krieg anpassen, um das Risiko von Sanktionen zu verringern, wie sie der Westen gegen Russland verhängt hat.

    Um China jedoch zu weiteren Schritten zu bewegen, muss das strategische Misstrauen, das die Beziehungen zwischen den USA und China prägt, angegangen werden. Natürlich liegt die Hauptlast eines solchen Unterfangens bei Washington, aber auch Europa kommt eine Schlüsselrolle zu. Es muss seine Botschaften an Peking weiterhin mit den Vereinigten Staaten koordinieren. Dennoch kann Europa die Partner in Washington mit einer Nuancierung, die in der stark polarisierten politischen Atmosphäre in den Vereinigten Staaten oft fehlt, an die Vorteile eines Engagements mit China für den Westen erinnern. 

    Natürlich birgt dieser Ansatz auch Risiken. Die Staats- und Regierungschefs der EU waren auf dem jüngsten Gipfel deutlich frustriert über Chinas Haltung. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bezeichnete die Gespräche als einen “Dialog der Gehörlosen”. In den Vereinigten Staaten könnten nun einige der vielen Kritiker eines strategischen Engagements mit China auf hoher Ebene eine Gelegenheit sehen, die Regierung Biden politisch zu schwächen.

    Peking seinerseits mag Ideen haben, wie das Misstrauen zwischen den USA und China auf eine Weise geschürt werden kann, welche die westlichen Partner nicht akzeptieren können. Aber China gar nicht einzubeziehen, hat sich auch nicht als effektiver erwiesen als ein Dialog. Letztlich kann der Westen nur durch ein direktes, entschlossenes und koordiniertes Engagement herausfinden, welchen Weg China in Bezug auf Russland gehen will und welche anderen Wege möglich sind. 

    Hohe Schwelle für Kurswechsel in Pekings Russlandpolitik

    Wie wahrscheinlich ist es, dass ein solcher Ansatz erfolgreich sein wird? Das hängt von der Messlatte für den Erfolg ab. Mindestens drei innenpolitische Faktoren deuten auf Kontinuität in Pekings Umgang mit dem Krieg hin.

    Erstens sieht es so aus, dass die öffentliche Meinung die aktuelle Politik unterstützt. Wladimir Putins Darstellung eines aggressiven, betrügerischen Westens, der ein geschwächtes Russland demütigt, findet bei einem Großteil der chinesischen Öffentlichkeit Anklang, der inzwischen überzeugt ist, dass die Vereinigten Staaten sich weigern, China als gleichwertige Macht zu akzeptieren.

    Die meisten Chinesen spüren die Kosten des Krieges noch nicht. Wenn die Inflation in die Höhe schießt und sich das Wachstum weiter verlangsamt, werden die meisten Menschen wahrscheinlich dem Westen die Schuld geben und nicht ihrer Führung. Außenpolitische Experten in China sind sich nicht einig über Pekings Haltung zur Ukraine. Aber es ist fraglich, wie viel Einfluss die Befürworter eines Kurswechsels tatsächlich haben.

    Zweitens ist die sehr auf die persönlichen Bindungen zwischen Xi und Putin zugeschnittene Herangehensweise Chinas für die Beziehungen mit Russland ein Indiz für Kontinuität.  Innenpolitische Narrative verknüpfen die Vertiefung der “No Limits”-Beziehungen mit den persönlichen Beziehungen zwischen Xi und Putin. Aufgrund dieser direkten Verbindung zu Xi wird die Schwelle für einen offenen Kurswechsel in Pekings Russlandpolitik sehr hoch sein.

    Stabilität steht im Vordergrund

    Schließlich engt auch der politische Kalender Chinas den Spielraum für politische Veränderungen in diesem Jahr ein. Im Herbst tagt der Kongress der Kommunistischen Partei, der nur alle fünf Jahre zusammenkommt. Im Vorfeld des Kongresses werden Beamte traditionell konservativer und die Politik wird insgesamt vorsichtiger. Selbst Xis erwartete Wiederwahl für eine dritte fünfjährige Amtszeit als Parteivorsitzender, was mit der bisherigen, ungeschriebenen Konvention von Amtszeitbeschränkungen brechen wird, lässt die Partei nicht weniger vorsichtig werden.

    Angesichts der Unsicherheiten, die durch ein langsameres Wirtschaftswachstum, die Lockdowns in der Pandemie und den Ukraine-Krieg verursacht werden, hat die Partei angekündigt, dass “Stabilität” – was auch Vorsicht in der chinesischen Politik bedeutet – bei der Vorbereitung des Kongresses an erster Stelle steht. 

    Keiner dieser Faktoren jedoch schließt eine Weiterentwicklung der chinesischen Haltung zum Krieg völlig aus. Es ist das Risiko wert, die Grenzen der derzeitigen chinesischen Politik auf diplomatischem Wege auszuloten. Ein isoliertes China an der Seite von Putins Russland kann nicht das vom Westen bevorzugte Szenario für die Zukunft sein. Der Westen muss jedoch damit rechnen, dass Änderungen an Chinas derzeitigem Kurs nur schrittweise erfolgen und möglicherweise so subtil sind, dass Außenstehende sie leicht übersehen können.

    Ein Politikwechsel könnte es auch schon sein, wenn angedachte oder geplante Maßnahmen nicht vollzogen werden, etwa Waffenlieferungen an Russland. In Anbetracht der chinesischen Interessenlage sollten solche Ergebnisse schon als Erfolg der Diplomatie gewertet werden.

    • China

    Europe.Table Redaktion

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