Table.Briefing: Europe

Kirsten Westphal über H2Global + EU-Gesundheitsdatenraum + Schnellerer Bau von LNG-Terminals

  • Kirsten Westphal (H2Global): “Der Aufbau einer Wasserstoffwelt wird eine Generationenaufgabe”
  • Termine der Berliner Energietage
  • EU-Gesundheitsdatenraum: Kommission setzt auf Verbindlichkeit
  • Schnellerer Bau von LNG-Terminals
  • Deutschland will Quartierslösungen für Wärme
  • Draghi: Corona-Instrumente für Energiekrise nutzen
  • T&E-Studie: Genug Rohstoffe für 14 Millionen E-Autos
  • EU-Parlament: Strengere Grenzwerte für gefährliche Chemikalien
  • Eurogruppen-Präsident will gemeinsame Einlagensicherung voranbringen
  • EU-Parlament stimmt für Reform der EU-Wahlen
  • Axel Voss im Porträt: “Wir hätten mutiger sein können”
Liebe Leserin, lieber Leser,

noch am gestrigen Abend wollte die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union übermitteln. Aller Voraussicht nach wird er heute von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im EU-Parlament präsentiert. Wie EU-Chefdiplomat Josep Borrell ankündigte, wird der Vorschlag neue Strafmaßnahmen gegen Akteure beinhalten, die gezielt Falschinformationen verbreiten. Zudem ist neben dem Vorgehen gegen Ölimporte aus Russland auch ein Ausschluss weiterer Banken aus dem internationalen Kommunikationsnetzwerk Swift vorgesehen. Wir werden Sie natürlich auf dem Laufenden halten.

Grüner Wasserstoff und seine Derivate spielen eine wichtige Rolle im REPowerEU-Plan, mit dem die Kommission Europa unabhängiger von russischen Energielieferungen machen möchte. Das deutsche Förderprojekt H2Global widmet sich dem Import des für die Industrie so wichtigen Wasserstoffs. Kirsten Westphal leitet die Analyseabteilung der H2Global Stiftung. Im Interview mit Manuel Berkel spricht sie über die voraussichtlich ersten Schiffsladungen, hochkomplexe Lieferketten und die Ukraine als Partner.

Es ist ein gewaltiges Vorhaben: Seit gestern liegt der Vorschlag der EU-Kommission zum Europäischen Gesundheitsdatenraum vor. Damit sollen zum einen die Menschen in Europa digital auf ihre Behandlungsdaten zugreifen und über ihre Nutzung entscheiden können. Darüber hinaus sollen die Daten zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt werden. Eugenie Ankowitsch hat sich die Pläne genauer angesehen und erste Knackpunkte ausgemacht. 

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Sarah Schaefer
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Analyse

Kirsten Westphal: “Der Aufbau einer Wasserstoffwelt wird eine Generationenaufgabe”

Kirsten Westphal ist Executive Director Analysis & Research bei der H2Global Stiftung und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat. Im Interview mit Manuel Berkel spricht sie über die Bedeutung von H2Global  für die EU-Pläne zu grünem Wasserstoff.
Kirsten Westphal ist Executive Director Analysis & Research bei der H2Global Stiftung und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat.

Manuel Berkel: Die Industrie möchte Milliarden in klimafreundliche Anlagen investieren und ihre Produktion auf grünen Wasserstoff umstellen. Wann wird das erste grüne Gas über H2Global nach Europa kommen?

Kirsten Westphal: Im ersten Förderfenster reden wir noch nicht über reinen Wasserstoff, sondern über Derivate – also grünen Ammoniak, Methanol und Treibstoff für Flugzeuge. Die Ausschreibungen für diese drei Lose bereitet unsere Tochtergesellschaft HINT.CO gerade vor. Im Sommer wollen wir die Auktionsverfahren starten und bis Ende des Jahres die Verträge unterzeichnen. Mit den ersten Schiffsladungen wäre dann zwischen Ende 2024 und Anfang 2025 zu rechnen.

Grüner Wasserstoff und seine Derivate spielen auch eine wichtige Rolle im REPowerEU-Plan, mit dem die Kommission Europa unabhängiger von russischen Energielieferungen machen möchte (Europe.Table berichtete). Welche Bedeutung hat H2Global als deutsches Förderinstrument für die europäischen Pläne?

Die Initiative wurde zwar von der Bundesregierung aufgesetzt, aber H2Global versteht sich nicht als rein deutsches Instrument. Als Lieferpunkt ist die Region zwischen den Häfen Antwerpen, Zeebrugge, Rotterdam und Hamburg bis nach Rostock und Duisburg als großem Binnenhafen definiert. Diese nordwesteuropäische Industrieregion ist prädestiniert. Auch die H2Global Stiftung wird immer europäischer, wenn Sie schauen, wer sich bei uns engagiert. H2Global kann ein Wegbereiter für einen europäischen Wasserstoff-Accelerator werden, wie ihn REPowerEU beschreibt.

Welche Mengen an Wasserstoff-Derivaten wird H2Global denn beschaffen können? Die Kommission will die Ziele für grünes H2 bis 2030 vervierfachen – auf 20 Millionen Tonnen pro Jahr.

Im ersten Förderfenster haben wir 900 Millionen Euro bis 2033 zur Verfügung. Damit kaufen wir die Derivate und damit ist auch die erwartbare Differenz zwischen den Gebotspreisen für die Lieferung und für die Abnahme gedeckt. Welche Mengen wir dafür bekommen können, lässt sich derzeit schwer abzuschätzen. Weltweit gibt es bisher praktisch keine Preissignale, was grünes Ammoniak kostet. H2Global kann Transparenz über die Preise von Wasserstoff-Derivaten herstellen, für die Industrie wird das ein wichtiger Mehrwert sein. Die Frage ist aber berechtigt. Große Mengen wird H2Global in der ersten Förderrunde nicht beschaffen können. Es ist zunächst ein wichtiger Pilot. Entscheidend ist, dass wir mal loslegen und Wasserstoffprojekte finden, die sich skalieren lassen. Und H2Global wird europaweit das erste Instrument sein, um die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff zu erproben.

Was meinen Sie damit?

Bisher schaut man sehr stark auf die Produktion und die Abnehmer von grünem Wasserstoff und glaubt, das dazwischen wird schon irgendwie werden. Aber auch die Lieferketten sind hochkomplex: Transportmittel, Transportwege, Speicher. Die Logistik von Wasserstoff-Importen ist wegen des Krieges gegen die Ukraine noch dringlicher geworden. Wir werden eine größere Zahl unterschiedlicher Derivate schneller benötigen. H2Global schafft ein schützendes Dach, damit sich Lieferketten etablieren und Unternehmen entsprechend aufstellen können. Die Bieter müssen sich darum kümmern, dass die Logistik funktioniert. Das wird in die Gebote einfließen, deshalb werden die Ausschreibungen auch Transparenz über die Transportkosten schaffen. Ein anderer großer Faktor, der noch fehlt, ist die Regulatorik. Erst wenn der regulatorische Rahmen geklärt ist, können Unternehmen grünen Wasserstoff und seine Folgeprodukte wirklich in Wert setzen – Stichwort delegierter Rechtsakt zur RED II.

Verhandelt werden in Brüssel auch noch die Novelle der gesamten Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II und das Gaspaket (Europe.Table berichtete). Muss das alles beschlossen sein, damit Sie Ihre Wasserstoff-Derivate als “grün” zertifizieren können?

Bei den Fragen der Zertifizierung und der Anrechenbarkeit ist tatsächlich noch viel offen. Die Standards für unser erstes Förderfenster wird das Bundeswirtschaftsministerium bis zum Beginn der Auktionen definieren. Die Herausforderung wird sein, die Standards für H2Global so hoch zu setzen, dass die angekauften Produkte während der gesamten Vertragslaufzeit als grün gelten. Das gehört schon zu unseren Lessons Learned: Europas erster klimaneutraler Wasserstoff muss auch in zehn Jahren noch als grün verkauft werden können. Für H2-Pilotprojekte bräuchte es ein Grandfathering in der europäischen Regulierung.

Der Umstieg von Erdgas auf Wasserstoff wird als Chance gesehen, gefährliche Abhängigkeiten aufzubrechen. Wie lässt sich die Diversifizierung der Lieferanten sicherstellen?

Der Aufbau einer Wasserstoffwelt wird eine Generationenaufgabe. Um den Markt anzureizen, werden wir übergangsweise vielleicht ähnliche Strukturen erleben wie in der Erdgaswirtschaft – große Leitungen, an deren Ende Produzenten und Abnehmer skalieren. Aber langfristig wollen wir ja nicht wieder in ähnliche Fallen tappen. Deshalb ist H2Global von Anfang an flexibel ausgelegt. Das Instrument erlaubt es, neue Förderfenster an politische Ziele anzupassen. Man schaut jetzt viel in den Mittleren Osten, nach Australien und Chile. Dort gibt es Front-Runner, die über Kapital verfügen und in den Projekten schon recht weit sind. Aber in der zweiten oder dritten Runde von Förderfenstern könnten wir zum Beispiel Europas Partnerschaft mit weiteren afrikanischen Staaten ausbauen und so diversifizieren. Ich denke sehr an Interkonnektoren nach Ägypten, von wo aus man weitere Infrastrukturverbindungen in den Kontinent schaffen könnte. Diese ließen sich mit H2Global unterlegen.

Wird H2Global so lange bestehen bleiben oder wird es schon bald in einer europäischen Plattform aufgehen (Europe.Table berichtete)?

Im Koalitionsvertrag steht bereits, dass die Bundesregierung H2Global europäisch weiterentwickeln und finanziell entsprechend ausstatten möchte. Das ist auch gut, damit sich Investoren nicht immer wieder auf unterschiedliche nationale Regeln einstellen müssen und sich die Projekte untereinander keine Konkurrenz machen. H2Global kann der EU dabei helfen, mit einem Gesicht zur Welt zu sprechen – was in der Erdgaswelt lange gefehlt hat. Wenn ich weiter vorausdenke, können wir mehrere regional definierte Lieferregionen identifizieren. Wasserstoff könnte über Triest, Barcelona, Marseille oder andere Mittelmeerhäfen nach Europa gelangen.

Vor dem Krieg galt auch die Ukraine als aussichtsreicher Partner für Wasserstoffpartnerschaften. Besteht diese Vision weiterhin?

Angesichts der erschreckenden Bilder aus der Ukraine ist es nun leider noch viel zu früh für solche Pläne. Akteure in der EU haben die Ukraine aber zurecht immer schon mitgedacht beim Aufbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft, so wie beim European Hydrogen Backbone und der 2×40-Gigawatt-Strategie. Langfristig bleibt es sehr sinnvoll, die Ukraine in die Wasserstoffpläne der EU einzubeziehen. Bei den Strom- und Gasnetzen sehen wir bereits, wie wichtig die Zusammenarbeit von europäischen Betreibern mit ihren ukrainischen Partnern ist. Wenn es um den Wiederaufbau geht, werden die Interkonnektoren sowohl beim Strom als auch bei Wasserstoff eine wesentliche Rolle spielen.

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Berliner Energietage

09:30-11:00 Uhr
BMWK Klimaschutz-Sofortprogramm: Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung für mehr Tempo beim Erreichen der Klimaschutz-Ziele
Auf dem Podium diskutieren verschiedene Akteur:innen aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, welche Maßnahmen aus dem Klimaschutz-Sofortprogramm die “Game Changer” sind und welche Maßnahmen daraus mit höchster Priorität vorangetrieben werden sollten. Details

11:00-12:30 Uhr
en2x Wirtschaftsstandort Deutschland – Auf dem Weg zu netto null CO₂-Emissionen | Welche Beiträge leistet die Mineralölbranche?
Die Bundesregierung strebt bis 2045 netto null CO2-Emissionen an. Auf welche politischen Weichenstellungen kommt es jetzt an, damit die Branche die Erreichung der Klimaziele zügig voranbringen kann? Details

15:30-17:30 Uhr
Öko-Institut Viel frischer Wind im Emissionshandel
Der bestehende EU-Emissionshandel für die Industrie und die Energiewirtschaft soll reformiert und ein zusätzliches Emissionshandelssystem für Gebäude und Straßenverkehr soll eingeführt werden. Der deutsche nationale Emissionshandel ist seit mittlerweile einem Jahr implementiert und mit der neuen Bundesregierung ist zusätzlicher Schwung in die Klimapolitik gekommen. Und in China ist der größte Kohlenstoffmarkt der Welt gestartet. Wo stehen wir? Wie geht es weiter? Details

EU-Gesundheitsdatenraum: Kommission setzt auf Verbindlichkeit

Nach einer Reihe von Verzögerungen hat die EU-Kommission gestern einen Verordnungsentwurf für den European Health Data Space (EHDS) vorgelegt. Die Verordnung zielt darauf ab, die Gesundheitsversorgung in der EU zu verbessern, die Rechte der Patienten an ihren elektronischen Gesundheitsdaten zu stärken sowie die wissenschaftliche Forschung zu fördern.  

“Der europäische Raum für Gesundheitsdaten ist ein grundlegender Umbruch im digitalen Wandel der Gesundheitsversorgung in der EU”, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides bei der Vorstellung des Vorschlags in Straßburg. Die EU mache damit einen “wahrhaft historischen Schritt” auf dem Weg zur digitalen Gesundheitsversorgung. “Revolutionär“, pflichtete ihr der Vizepräsident der EU-Kommission Margaritis Schinas bei.

Reichlich Diskussionsbedarf zum European Health Data Space

Entgegen vieler Spekulationen, die seit der Verschiebung der ursprünglich auf den 5. April datierten Veröffentlichung kursierten, gab es im Vergleich zur geleakten Fassung vom März (Europe.Table berichtete) keine grundsätzlichen Änderungen an der Infrastruktur des European Health Data Space. Das heißt jedoch nicht, dass es keinen Diskussionsbedarf gibt. Bis zur endgültigen Verabschiedung der Verordnung – die Kommission geht recht optimistisch von anderthalb bis zwei Jahren Verhandlungen aus – dürften viele Hindernisse zu überwinden sein.

“Für Patient:innen bedeutet der EHDS, dass sie direkte digitale Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten erhalten und sie bei Bedarf mit Ärzt:innen in der gesamten Union teilen können”, sagte der S&D-Abgeordnete Tiemo Wölken. Auch für die Forschung bedeute eine bessere Datenlage vor allem riesige Potenziale bei der Erforschung und Entwicklung neuer Arzneimittel und Therapien von seltenen Krankheiten, für die es in einzelnen Mitgliedstaaten oft nicht genügend Daten gebe. “In den kommenden Wochen gilt es jetzt zu prüfen, ob der Vorschlag der Kommission diesen wichtigen Zielen genügt“, so Wölken.

Recht auf primäre Datennutzung

Die Kommission schlägt zwei getrennte Gesundheitsdateninfrastrukturen vor. Einerseits sollen Menschen auf ihre eigenen Behandlungsdaten digital zugreifen und über deren – auch grenzüberschreitende – Nutzung entscheiden können (Primärnutzung). Andererseits sollen Gesund­heits­da­ten zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt werden (Sekun­där­nut­zung).

Im Rahmen der Primärnutzung räumt die Kommission jedem das Recht ein auf “sofortigen, kostenlosen Zugang zu seinen personenbezogenen elektronischen Gesundheitsdaten in leicht lesbarer und zugänglicher Form“. Die Patient:innen können ihre Daten teilen, den Zugang einschränken oder widerrufen. Mit diesem Anspruch hofft die EU-Kommission, das Recht der Patient:innen auf Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten zu stärken.

Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, die wichtigsten Daten, etwa die Patientenakte, elektronische Rezepte, medizinische Bilder, Laborergebnisse und Entlassungsberichte, in einem gemeinsamen europäischen Format zur Verfügung zu stellen. Die nationalen Akteure in manch einem Mitgliedstaat dürften in einer Sache aufatmen: Personenbezogene Gesundheitsdaten, die vor der Anwendung der Verordnung nicht elektronisch erhoben wurden, müssen auf Beschluss der nationalen Regierungen nicht in ein elektronisches Format umgewandelt werden.

Deutschland muss aufholen

Gemäß Verordnungsentwurf muss jeder Mitgliedstaat eine nationale Einrichtung schaffen, die unter anderem die erforderlichen elektronischen Gesundheitsdienste zur Verfügung stellt. In Deutschland gibt es mit der Gematik als nationale Agentur für digitale Medizin eine solche Einrichtung. Die Gematik trägt nach eigenen Angaben die Gesamtverantwortung für die Telematikinfrastruktur (TI), die zentrale Plattform für digitale Anwendungen im deutschen Gesundheitswesen.

Damit Patient:innen ihre Gesundheitsdaten grenzüberschreitend mit Leistungserbringern in anderen Mitgliedstaaten austauschen können, und zwar in deren Sprache, soll die Beteiligung der Mitgliedstaaten an der digitalen Infrastruktur MyHealth@EU verpflichtend sein. Das dürfte für ordentlich Zündstoff im Rat sorgen, ließen sich doch viele Mitgliedstaaten bisher ausgiebig Zeit mit der Anbindung an die seit über zehn Jahren bestehende Plattform.

Derzeit nutzen lediglich zehn EU-Länder MyHealth@EU und dazu noch in einem äußerst beschränkten Umfang. Laut Kommission planten bisher die meisten Staaten, dieser Plattform bis 2025 beizutreten. Nun soll das verbindlich werden. Für Länder wie die Bundesrepublik, die immer noch mit der Einführung des E-Rezepts kämpft, dürfte diese Zielsetzung ehrgeizig sein.

“Für Deutschland heißt das: Wir müssen jetzt Tempo machen bei der Digitalisierung unseres Gesundheits­wesens“, sagte der Präsident des Digitalverbands Bitkom Achim Berg. “Wir müssen daher den Ausbau der elektronischen Patientenakte, der digitalen Infrastruktur zum Einsatz von Gesundheitsdaten oder die Interoperabilität vorantreiben.” In diesem Zusammenhang sei wichtig, dass das im Koalitionsvertrag geplante deutsche Gesundheitsdatennutzungsgesetz schnell und in Einklang mit den europäischen Regelungen auf den Weg gebracht werde

Sekundäre Nutzung

Mit dem Verordnungsentwurf regelt die Kommission aber auch die sogenannte Sekundärnutzung der Gesundheitsdaten. Jeder Mitgliedstaat soll dafür eine oder mehrere Stellen benennen, die den Zugang zu Gesundheitsdaten ermöglichen. Nur eine soll allerdings als Koordinatorin und nationale Kontaktstelle fungieren und unter anderem für die Bereitstellung elektronischer Gesundheitsdaten für die Sekundärnutzung – auch grenzüberschreitend – zuständig sein. Die nationalen Stellen werden in die neue dezentrale EU-Infrastruktur für die Sekundärnutzung HealthData@EU eingebunden. Diese Infrastruktur wird ab 2022 im Rahmen eines EU4Health-Projekts erprobt (Europe.Table berichtete).

Die Verarbeitung der Daten muss in einer sicheren Umgebung erfolgen. Dazu definiert die Kommission eine Reihe von Sicherheitsanforderungen: So sollen Unbefugte keinen Zugang zur sicheren Verarbeitungsumgebung haben. Auch unbefugtes Lesen, Kopieren, Ändern oder Entfernen von elektronischen Gesundheitsdaten muss verhindert werden. Alle Zugriffe sind zu protokollieren.

Die Datenstellen müssen zudem für Transparenz sorgen. Sie sollen etwa Informationen über Anträge auf Datenzugang bekannt machen. Darüber hinaus müssen die Datennutzer die Ergebnisse ihrer Datennutzung veröffentlichen und die Stellen für den Zugang zu Gesundheitsdaten über alle wichtigen Erkenntnisse informieren, die für die Gesundheit des Einzelnen relevant sind.

In Deutschland wird das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ Gesundheit) als eine nationale Kontaktstelle fungieren, das sich allerdings noch im Aufbau befindet. Angesiedelt ist es am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Das FDZ Gesundheit wurde im Jahr 2019 vom Gesetzgeber durch das Digitale-Versorgung-Gesetz initiiert. Aktuell werden nach Angaben des BfArM die rechtlichen, technischen und organisatorischen Maßnahmen definiert und implementiert. Anträge auf Datennutzung können voraussichtlich ab Herbst 2022 gestellt werden.

Datenkategorien und Nutzungszwecke definiert

Die Kommission definiert in dem vorliegenden Verordnungsentwurf eine Reihe von Datenkategorien für die Sekundärnutzung. Demnach umfasst sie Daten aus elektronischen Patientenakten, öffentlichen Registern und klinischen Studien, genetische und genomische Daten, aber auch Sozialdaten, die sich auf die Gesundheit auswirken. Hinzu kommen Verwaltungsdaten, einschließlich Daten über Leistungsansprüche und Kostenerstattung.

Der Katalog der zulässigen Verwendungszwecke umfasst unter anderem Forschung im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die Unterstützung von Behörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, Bildungszwecke, die wissenschaftliche Forschung und das Training von Algorithmen für medizinische Anwendungen. Es ist verboten, Daten zu verwenden, um Entscheidungen zu treffen, die für den Einzelnen nachteilig sind, um Versicherungsprämien zu erhöhen, um Gesundheitsprodukte an Angehörige der Gesundheitsberufe oder Patienten zu vermarkten oder um schädliche Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln.

Einer der Knackpunkte dürfte der Datenschutz sein. Gesundheitsdaten gelten als besonders sensibel. Vor allem im EU-Parlament dürfte es zu vielen Diskussionen diesbezüglich kommen. Die herausragende Bedeutung des Datenschutzes und der Datensicherheit betont auch der Sozialdemokrat Tiemo Wölken: “Patient:innen müssen dem digitalen Datenaustausch uneingeschränkt vertrauen können, die hochsensiblen persönlichen Gesundheitsdaten dürfen nicht in die falschen Hände fallen.” Auch bei der Aufsicht könnten EP-Abgeordnete auf besonders hohen Standards bestehen.

Das weiß auch die Kommission. Datenschutz- und Sicherheitsstandards sollten stets beachtet werden, betonte Kyriakides mehrmals bei der Vorstellung des Verordnungsentwurfs. Bürger sollten die Kontrolle über ihre Daten haben und selbst entscheiden, welche Informationen sie teilen. Forscher bräuchten zudem die Erlaubnis der nationalen Behörden, um mit den Daten zu arbeiten.

Großer Investitionsbedarf beim European Health Data Space

Um den Europäischen Gesundheitsdatenraum zu verwirklichen, muss in elektronische Patientenakten, Telemedizin, Interoperabilität, aber auch Datenqualität, Institutionen und Lösungen für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten investiert werden. Gleichzeitig sind interoperable EU-weite Infrastrukturen erforderlich, um die grenzüberschreitende Nutzung von Gesundheitsdaten in der EU zu ermöglichen.

Für die Entwicklung des European Health Data Space hat die Kommission über 800 Millionen Euro veranschlagt. Das Geld soll aus mehreren EU-Förderprogrammen kommen, darunter EU4Health, Digital Europe Programme, Connecting Europe Facility und Horizon Europe. Darüber hinaus hätten Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Gelder aus der Recovery and Resilience Facility zu bekommen. 12 Milliarden Euro sind nach Angaben der Kommission für Investitionen in die Gesundheit vorgesehen, einschließlich der digitalen Gesundheit und der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten.

Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung und das Programm InvestEU würden komplementäre Möglichkeiten für zusätzliche Investitionen in die digitale Gesundheit auf der Grundlage des nationalen Bedarfs bieten. Die Kommission will die Mitgliedstaaten auf Wunsch auch bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Strategien und Aktionsplänen zur besseren Interoperabilität der Gesundheitssysteme unterstützen.

Abgesehen von den technischen Herausforderungen und hohem Investitionsbedarf hängt der Erfolg des European Health Data Space jedoch stark davon ab, ob alle Akteure, von den Ärzten in Praxis und Klinik über Krankenhausmanager bis hin zur Politik auf allen Ebenen, überzeugt werden können, beim EHDS mitzumachen.

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News

Schnellerer Bau von LNG-Terminals

Der Bau von LNG-Terminals in Deutschland geht voran. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet zurzeit an der Beschaffung von vier schwimmenden Flüssiggas-Terminals (Floating Storage and Regasification Units, FSRU), wie Andreas Kaiser, Referent im BMWK, auf den Berliner Energietagen berichtete. Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven solle noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden, das Terminal in Brunsbüttel Anfang kommenden Jahres. “Als Standorte für die zwei weiteren LNG-Terminals kommen Stade, Rostock, Hamburg und Eemshaven in den Niederlanden in Betracht”, sagte Kaiser. Mittelfristig sollen dann auch stationäre LNG-Terminals errichtet werden.

Das Terminal in Wilhelmshaven wird vom Energiekonzern Uniper betrieben. Über die Anbindungsleitung sollen laut Angaben des Netzbetreibers Open Grid Europe (OGE) anfangs jährlich zehn Milliarden Kubikmeter Erdgas transportiert werden. Durch den Anschluss an die Fernleitung NETRA ist der Transport von der Nordsee nach Süd- und Ostdeutschland möglich, wo das Gas russische Importe ersetzen soll. Später kann die Leitung auf Wasserstoff umgestellt werden, heißt es in einer Pressemitteilung von OGE.

Beschleunigungsgesetz für LNG-Terminals in Deutschland

Um den Bau von Flüssiggas-Terminals in Norddeutschland zu beschleunigen, will die Bundesregierung zudem das LNG-Beschleunigungsgesetz vorlegen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat in Abstimmung mit dem Umweltministerium eine Formulierungshilfe für ein Gesetz erstellt, über die sich die Ressorts nun abstimmen.

Als weitere Maßnahme zur Diversifizierung der Importquellen hat das Ministerium mit einem Ankaufprogramm bereits fast eine Milliarde Kubikmeter Erdgas erworben, sagte Kaiser auf den Energietagen. Bis Ende Mai sollen diese in deutsche Erdgasspeicher gefüllt werden. Aktuell seien die Speicher zu etwa einem Drittel gefüllt, es werde kontinuierlich eingespeichert. Laut Bundeswirtschaftsministerium kann bis zum Ende des Jahres durch diese Maßnahmen der Anteil der russischen Gaslieferungen auf etwa dreißig Prozent gesenkt werden. Das Ziel sei, bis zum Sommer 2024 unabhängig von russischen Gaslieferungen zu sein. leo/dpa

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Deutschland will Quartierslösungen für Wärme

In der laufenden Novelle der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) will sich das Bundeswirtschaftsministerium für eine stärkere Berücksichtigung von gemeinschaftlichen Ansätzen zur Wärmeversorgung einsetzen. Das kündigte der Parlamentarische Staatssekretär Oliver Krischer (Grüne) am Dienstag bei den Berliner Energietagen an. In verdichteten Städten könne es kontraproduktiv sein, nur die Energieversorgung einzelner Gebäude zu betrachten. Auch bei der Novelle des deutschen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) 2023 solle der Quartiersansatz gestärkt werden.

EU-Gebäuderichtlinie: Kommission untersucht Quartiersansätze

Nach diesem Ansatz können Eigentümer derzeit die Pflichten nach dem GEG für ihre Gebäude auch dadurch erfüllen, dass sie gemeinsam Anlagen zur Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) betreiben. Die EU-Gebäuderichtlinie enthält derzeit nur den Auftrag an die Kommission, zu untersuchen, inwiefern die Staaten im Gebäudesektor auch Quartiersansätze anwenden könnten. Nach europäischem Recht muss allerdings weiter jedes einzelne Gebäude die Mindestanforderungen an die Energieeffizienz erfüllen.

Zum Problem könnte sich entwickeln, wie der Quartiersansatz mit der Notwendigkeit einer ambitionierten Reduktion des Gasverbrauchs in Einklang gebracht werden kann. Wärme und Strom erzeugende, effiziente KWK-Anlagen werden derzeit meist mit Erdgas betrieben.

Befürworter von Quartierslösungen ist der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). Für die Mitgliedsunternehmen sei es verstörend, dass die EU-Gebäuderichtlinie nur einzelne Gebäude adressiere, sagte deren Präsident Axel Gedaschko. ber

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Draghi: Corona-Instrumente für Energiekrise nutzen

Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat sich dafür ausgesprochen, in der Corona-Pandemie eingeführte EU-Finanzierungsinstrumente auch zur Abfederung der Folgen des Kriegs in der Ukraine einzusetzen. Die Mitgliedstaaten seien wegen Investitionen in den Klimaschutz und die Stützung der eigenen Wirtschaft schon stark gefordert, sagte er vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. “Kein nationaler Haushalt kann das allein schultern.”

Konkret forderte Draghi, das über EU-Anleihen finanzierte Programm SURE auszuweiten. Das zu Beginn der Pandemie mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro aufgelegte Programm ermöglicht es den Regierungen, zinsgünstige Darlehen zu erhalten, um ihre Arbeitsmärkte über Kurzarbeitergeld zu stützen. Draghi plädierte dafür, SURE nun auch für Maßnahmen zur Abfederung der hohen Energiepreise einzusetzen. So erhielten die Mitgliedstaaten mehr Spielraum, um die Energierechnungen zu deckeln oder um die Sozialabgaben für Geringverdiener zu senken. Auf EU-Ebene aufgenommene Schulden seien angesichts anziehender Zins-Spreads für bestimmte Mitgliedsstaaten die bessere Lösung, als selbst Anleihen auszugeben.

Bewältigung der Energiekrise in Europa auf EU-Agenda

“Dadurch könnten wir Unterstützung bieten und das Risiko einer Finanzinstabilität eingrenzen“, sagte Draghi. Es gehe um den sozialen Frieden in Europa und um die Fähigkeit, die Sanktionen gegen Russland mitzutragen (Europe.Table berichtete), “insbesondere in den Ländern, die aus historischen Gründen stärker von Russland abhängig sind”.

Der italienische Premier forderte sofortige Entscheidungen, wie die EU die Energiepreiskrise bewältigen wolle. Das Thema werde beim nächsten EU-Gipfel Ende Mai oben auf der Agenda stehen. Italien gebe allein in diesem Jahr rund 30 Milliarden Euro dafür aus, um Familien und Unternehmen zu stützen. Durch die Koppelung an den hohen Gaspreis habe sich der Strompreis in den ersten vier Monaten vervierfacht im Vergleich zum Vorjahr. “Das Problem ist systemisch und muss mit strukturellen Veränderungen angepackt werden, damit der Gaspreis vom Strompreis abgekoppelt wird”, forderte er. Das aber wird von Deutschland und anderen EU-Staaten bislang abgelehnt. tho

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T&E-Studie: Genug Rohstoffe für 14 Millionen E-Autos

Einer Untersuchung des Umweltdachverbandes Transport and Environment (T&E) zufolge sind global genügend Rohstoffe verfügbar, um 2023 weltweit bis zu 14 Millionen Elektroautos zu produzieren. Auch ohne russische Lieferungen von Nickel und Lithium seien die tatsächlichen Produktionskapazitäten 55 Prozent höher als bisherige Marktprognosen. Die häufige Behauptung, dass kurzfristig nicht genügend Rohstoffe zur Verfügung stünden, um die Verkehrswende trotz Sanktionen gegen Russland voranzutreiben, trifft aus Sicht von T&E daher nicht zu.

Der beste Weg für Europa, das Putin-Regime für seinen illegalen Krieg gegen die Ukraine zu bestrafen, sei die Umstellung auf Elektrofahrzeuge, meint T&E. Im Gegensatz zu Öl würden Nickel und Lithium überwiegend in demokratischen Ländern abgebaut. EU-Politiker:innen sollten daher ihr diplomatisches Gewicht für eine “grüne” Energieunabhängigkeit einsetzen.

Lithium und Nickel statt LNG

Der Verband fordert die EU dazu auf, sich auf die Sicherungen freier Rohstoff-Kapazitäten zu fokussieren, statt den gemeinsamen Ankauf von fossilem LNG voranzutreiben. So solle man vermehrt Lithium aus Australien oder Südamerika beschaffen und Nickel aus Kanada und Indonesien. “Während China und die USA ihre politischen Muskeln spielen lassen, um die Versorgung mit wichtigen Metallen zu sichern, suchen die europäischen Politiker auf der ganzen Welt nach mehr Öl”, kritisiert Julia Poliscanova, leitende Direktorin bei T&E.

Bis Ende 2021 wurden weltweit etwa 15 Millionen E-Autos zugelassen. Die Analyse von T&E legt nahe, dass auch bei steigendem Bedarf an Elektroautos keine Rohstoff-Knappheiten für Lithium und Nickel vorliegen. Im Gegenteil: Wenn man die Materialverfügbarkeit sowie die Produktionskapazitäten der Gigafabriken für Batterien berücksichtigt, könnten laut T&E im Jahr 2025 sogar schon 21 Millionen E-Autos produziert werden. Dies zeige, dass die derzeitige Produktion nicht durch Rohstoffe eingeschränkt werde, sondern durch die minimale Einhaltung der regulatorischen Anforderungen durch die Automobilhersteller, so der Verband. luk

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EU-Parlament: Strengere Grenzwerte für gefährliche Chemikalien

Die Grenzwerte für bestimmte besonders schädliche Chemikalien in Abfällen sollen in der EU gesenkt werden. Das EU-Parlament hat am Dienstag in Straßburg einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt, aber gleichzeitig noch strengere Werte für einige Stoffe vorgeschlagen. Dabei geht es beispielsweise um Perfluoroctansäure (PFOA), die den Angaben zufolge etwa in wasserdichten Textilien und Feuerlöschschaumstoffen enthalten ist.

Dem Kommissionsvorschlag zufolge sollen die sogenannten persistenten organischen Schadstoffe (POP) strenger reguliert werden. Diese seien “Chemikalien mit giftigen Eigenschaften, die für lange Zeit in der Umwelt verbleiben, sich in Nahrungsketten anreichern und der menschlichen Gesundheit und der Umwelt schaden können”.

An dem Vorhaben kann sich noch etwas ändern. Am Ende müssen EU-Parlament und die EU-Länder einen Kompromiss finden. Die EU-Staaten hatten sich bereits Mitte März auf ihre Position geeinigt. Nun können die Verhandlungen über die endgültige Regelung beginnen. dpa

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Eurogruppen-Präsident will gemeinsame Einlagensicherung voranbringen

Der Präsident der Eurogruppe will die umstrittene gemeinsame Einlagensicherung für Banken in der Europäischen Union (EU) voranbringen. Bei einer Videokonferenz am Dienstag präsentierte Paschal Donohoe den Finanzministern der Euro-Länder einen Fahrplan in zwei Phasen, um die Bankenunion zu vervollständigen.

Teil des Plans ist die gemeinsame Einlagensicherung Edis (European deposit insurance scheme), mit der Banken sich im Krisenfall gegenseitig absichern sollen, um Kunden vor dem Verlust ihrer Bankguthaben zu schützen. Der Vorschlag sieht auch neue Regeln im Umgang mit Staatsanleihen, beim Banken-Krisenmanagement sowie Maßnahmen für die Integration des Finanzbinnenmarktes vor.

“Es gab ein breites Einverständnis der Kollegen, dass wir bei der Bankenunion Fortschritte machen müssen”, sagte Donohoe nach dem Online-Treffen. Mehrere Länder wie Deutschland und Italien hätten jedoch Nachbesserungen gefordert. Der Arbeitsplan solle bei einem Gipfel der Euro-Länder im Juni angenommen werden. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte, die EU-Kommission stehe bereit, dann die entsprechenden Gesetzesvorschläge vorzulegen, um den Plan umzusetzen.

Gemeinsame Einlagensicherung: Geld aus EU-Fonds in Phase zwei

Konkret schlägt Donohoe vor, dass in einer ersten Phase die nationalen Einlagensicherungssysteme der Länder sich gegenseitig Geld leihen sollen, wenn Banken in Schwierigkeiten geraten. Das soll durch einen gemeinsamen Fonds koordiniert werden. Erst in einer zweiten Phase sollen Länder für die gemeinsame Einlagensicherung auch direkt aus dem zentralen EU-Fonds Geld leihen können, als Rückversicherung. Vor der Umsetzung der zweiten Phase soll es aber noch eine politische Einigung geben. Phase eins könnte EU-Beamten zufolge 2025 in Kraft treten.

Besonders in Deutschland wird eine gemeinsame Einlagensicherung kritisch gesehen. Regionale Sparkassen befürchten etwa, dass ihre Sicherungsmittel verwendet werden könnten, um globale Geschäftsaktivitäten abzusichern. Der Arbeitsplan sieht allerdings eine mögliche Sonderbehandlung von kleineren Banken wie Sparkassen vor, die bereits ein eigenes Absicherungssystem haben.

Der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Mark Branson, äußerte sich positiv zu dem Vorstoß. “Ich sehe das als eine Vollendung der Bankenunion”, sagte Branson. Die Bankenunion sei zentral, um Europa als attraktiven Markt für international erfolgreiche Banken zu gestalten. dpa

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EU-Parlament stimmt für Reform der EU-Wahlen

Sperrklausel in Deutschland, länderübergreifende Wahllisten und ein einheitlicher Wahltag: Das Europaparlament hat sich für eine Reform der EU-Wahlen ausgesprochen. 323 Abgeordnete stimmten am Dienstag in Straßburg für einen entsprechenden Gesetzesvorschlag, 262 dagegen, wie das Parlament mitteilte. Nun müssen noch die EU-Staaten zustimmen.

Nach den Vorstellungen des Parlaments sollen konkret 28 neue Sitze für die transnationalen Listen im EU-Parlament geschaffen werden, die zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt sein sollen. Zudem soll in Europa einheitlich am 9. Mai gewählt werden, der Tag kann von den einzelnen Ländern zum Feiertag erklärt werden.

Reform der EU-Wahlen: Schwierigkeiten für kleine Parteien

Die umstrittene Sperrklausel von 3,5 Prozent könnte dazu führen, dass einige Parteien wie die Freien Wähler, die Satirepartei Die Partei, Volt oder die Tierschutzpartei große Probleme bekommen, ihre Mandate wieder zu erringen. Bei der vergangenen Wahl 2019 reichten etwa Volt bereits 250 000 Stimmen (0,7 Prozent) für ein Mandat.

Es soll zwar Ausnahmeregeln geben, davon werden viele der kleinen Parteien aber wahrscheinlich nicht profitieren können. Das Bundesverfassungsgericht hatte einem innerdeutschen Versuch für eine Sperrklausel eigentlich einen Riegel vorgeschoben, der nun über die EU-Ebene umgangen wird. dpa

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Presseschau

EU-Parlament stimmt für 3,5-Prozent-Hürde bei Europawahl ZEIT
Brüssel treibt Öl-Embargo gegen Russland voran NTV
Slowakei verlangt Ausnahme von einem EU-Ölembargo ZEIT
LNG-Terminal: Griechenland wird zum Knotenpunkt für Gas in Südosteuropa HANDELSBLATT
EU-Kommission will Gesundheitsdaten europaweit vernetzen AERZTEBLATT
French Presidency eyes general approach on governance framework for digital transformation EURACTIV
Erzwingung von NFC-Öffnung beim iPhone: PayPal machte Druck auf EU-Kommission HEISE
Over 200 Spanish mobile numbers ‘possible targets of Pegasus spyware’ THEGUARDIAN

Portrait

Axel Voss: “Wir hätten mutiger sein können”

Für die DSGVO war Axel Voss Schattenberichterstatter der EVP-Fraktion. Heute ist er Berichterstatter des Sonderausschuss zu künstlicher Intelligenz (AIDA).
Der CDU-Politiker Axel Voss ist Berichterstatter des AIDA-Sonderausschusses.

“Wer in KI führt, führt auch die Welt. Deshalb dürfen wir uns es nicht erlauben, hinterherzuhinken”, sagt Axel Voss (59), Berichterstatter im Sonderausschuss zu künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter (AIDA) im EU-Parlament.

Der Bericht des AIDA-Sonderausschusses wurde gestern im Europäischen Parlament mit einer großen Mehrheit angenommen. Im Mittelpunkt des Berichts steht dabei die Wettbewerbsfähigkeit der EU in den digitalen Märkten und wie sie gefördert werden kann. So werden politische Optionen identifiziert, die das Potenzial der KI in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Klimawandel freisetzen könnten, um Pandemien und den Hunger in der Welt zu bekämpfen und die Lebensqualität der Menschen durch personalisierte Medizin zu verbessern.

Künstliche Intelligenz könne, wenn sie mit der notwendigen Unterstützungsinfrastruktur, Bildung und Ausbildung kombiniert werde, die Kapital- und Arbeitsproduktivität, Innovation, nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen steigern, heißt es im Bericht.

Warnung vor Europa als digitale Kolonie

Im Plenum des EU-Parlaments zeigte sich Voss nicht vollkommen zufrieden mit dem fertigen Bericht. Denn viele seiner ursprünglichen Forderungen wurden in der beschlossenen Kompromissfassung teilweise erheblich abgeschwächt. “Wir haben viel erreicht”, sagte Voss bei der Aussprache im Plenum. Doch: “Wir hätten noch mutiger oder sogar revolutionär sein können.”

Die KI sei die Schlüsseltechnologie der Zukunft und von hoher strategischer Relevanz. Europa müsse sich die Frage stellen, wie es mit anderen Regionen der Welt mithalten will, “die weitaus konsequenter und gezielter Forschung und Entwicklung voranbringen, Talente ausbilden, die viel Geld in die Hand nehmen und flexibler auf neue Entwicklungen reagieren können”. Voss warnte eindringlich vor einem Europa als “digitale Kolonie” solcher Regionen, deren Werte es nicht teilt.

Europas Aufgabe im Bereich KI beschreibt Voss so: “Es ist eine große Herausforderung, Werte zu integrieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.” Er ist generell der Ansicht, dass das Potenzial von KI zu wenig ausgeschöpft wird: “Wir sind mittlerweile zu eingeschüchtert von dem Datenschutz, weil keiner sich vorwerfen lassen möchte, man würde nicht richtig mit Daten umgehen. Und das führt dazu, dass viele Sachen unterbleiben, die sinnvoll wären.”

Gesichtserkennung, aber keine Alexa

Privat nutzt er die Gesichtserkennung am iPhone. Amazons Alexa oder ähnliche Home Spots möchte Voss sich aber nicht ins Wohnzimmer stellen: “Da halte ich mich schon etwas zurück. Ich würde vielleicht noch von der Telekom was nehmen.”

Die geplante Verordnung zur Regulierung von KI (AI Act) hätte Voss gerne federführend im Rechtsausschuss diskutiert. Die Zuständigkeit für diese Verordnung wurde aber an die Ausschüsse für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) und Binnenmarkt (IMCO) gegeben. “Der AI Act beantwortet die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Algorithmen umgehen wollen.” Das habe weder spezifisch mit Grundrecht noch mit Binnenmarkt zu tun, sondern sei “etwas Ethisches, und das liegt eben bei dem Rechtsausschuss”, so Voss.

Seit 2009 ist er Abgeordneter im Europäischen Parlament. 2017 wurde er Koordinator der EVP-Fraktion im Rechtsausschuss. In seiner parlamentarischen Arbeit liegt der Schwerpunkt auf digitalen Themen. “Das war gar nicht so geplant”, sagt er. Seine Neugier wurde im Laufe der Diskussion um das Datenschutzrecht geweckt: “Ich wollte praktikabler an die Dinge herangehen.”

DSGVO-Berichterstatter Axel Voss war vom Hass überrascht

Für die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) war Axel Voss Schattenberichterstatter der EVP-Fraktion. Später war er als Berichterstatter für die Urheberrechtsrichtlinie zuständig. Und plötzlich war der Name “Axel Voss” jungen Menschen ein Begriff. Die Diskussion um Upload-Filter im Kontext von Artikel 13 (später Artikel 17) sorgte Anfang 2019 für Protest im Netz und auf der Straße. “Diese Empörungswelle habe ich so überhaupt nicht vorausgesehen“, erinnert sich Voss. Er habe das Urheberrecht als eine Nische für Experten wahrgenommen. “Ich war überrascht von dem Hass, der einem entgegenschlägt, obwohl man doch eigentlich nur Grundrechte gegeneinander ausbalanciert.”

Mit Recht und Gesetzen kennt er sich als Anwalt aus. Er studierte Rechtswissenschaften in Trier, Freiburg und München. Dass er einen juristischen und keinen technischen Hintergrund hat, sieht er nicht als Problem: “Natürlich muss man die Auswirkungen von dem, was man da macht, in einer digitalen Welt noch mal anders betrachten als in einer nicht digitalen Welt. Man braucht Verständnis für Probleme, muss aber nicht unbedingt wissen, was da technisch abläuft.”

Voss pendelt zwischen Bonn und Brüssel. Während der Pandemie fährt er die Strecke mit dem Auto, ansonsten auch gern mit dem Zug. Warum er von der Relevanz der Entscheidungen über den digitalen Bereich überzeugt ist? “Realitäten manifestieren sich über Technik. Das bekommt man im Laufe der Zeit mit.” Paula Faul/Eugenie Ankowitsch

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Kirsten Westphal (H2Global): “Der Aufbau einer Wasserstoffwelt wird eine Generationenaufgabe”
    • Termine der Berliner Energietage
    • EU-Gesundheitsdatenraum: Kommission setzt auf Verbindlichkeit
    • Schnellerer Bau von LNG-Terminals
    • Deutschland will Quartierslösungen für Wärme
    • Draghi: Corona-Instrumente für Energiekrise nutzen
    • T&E-Studie: Genug Rohstoffe für 14 Millionen E-Autos
    • EU-Parlament: Strengere Grenzwerte für gefährliche Chemikalien
    • Eurogruppen-Präsident will gemeinsame Einlagensicherung voranbringen
    • EU-Parlament stimmt für Reform der EU-Wahlen
    • Axel Voss im Porträt: “Wir hätten mutiger sein können”
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    noch am gestrigen Abend wollte die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland an die Mitgliedstaaten der Europäischen Union übermitteln. Aller Voraussicht nach wird er heute von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im EU-Parlament präsentiert. Wie EU-Chefdiplomat Josep Borrell ankündigte, wird der Vorschlag neue Strafmaßnahmen gegen Akteure beinhalten, die gezielt Falschinformationen verbreiten. Zudem ist neben dem Vorgehen gegen Ölimporte aus Russland auch ein Ausschluss weiterer Banken aus dem internationalen Kommunikationsnetzwerk Swift vorgesehen. Wir werden Sie natürlich auf dem Laufenden halten.

    Grüner Wasserstoff und seine Derivate spielen eine wichtige Rolle im REPowerEU-Plan, mit dem die Kommission Europa unabhängiger von russischen Energielieferungen machen möchte. Das deutsche Förderprojekt H2Global widmet sich dem Import des für die Industrie so wichtigen Wasserstoffs. Kirsten Westphal leitet die Analyseabteilung der H2Global Stiftung. Im Interview mit Manuel Berkel spricht sie über die voraussichtlich ersten Schiffsladungen, hochkomplexe Lieferketten und die Ukraine als Partner.

    Es ist ein gewaltiges Vorhaben: Seit gestern liegt der Vorschlag der EU-Kommission zum Europäischen Gesundheitsdatenraum vor. Damit sollen zum einen die Menschen in Europa digital auf ihre Behandlungsdaten zugreifen und über ihre Nutzung entscheiden können. Darüber hinaus sollen die Daten zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt werden. Eugenie Ankowitsch hat sich die Pläne genauer angesehen und erste Knackpunkte ausgemacht. 

    Ihre
    Sarah Schaefer
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    Analyse

    Kirsten Westphal: “Der Aufbau einer Wasserstoffwelt wird eine Generationenaufgabe”

    Kirsten Westphal ist Executive Director Analysis & Research bei der H2Global Stiftung und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat. Im Interview mit Manuel Berkel spricht sie über die Bedeutung von H2Global  für die EU-Pläne zu grünem Wasserstoff.
    Kirsten Westphal ist Executive Director Analysis & Research bei der H2Global Stiftung und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat.

    Manuel Berkel: Die Industrie möchte Milliarden in klimafreundliche Anlagen investieren und ihre Produktion auf grünen Wasserstoff umstellen. Wann wird das erste grüne Gas über H2Global nach Europa kommen?

    Kirsten Westphal: Im ersten Förderfenster reden wir noch nicht über reinen Wasserstoff, sondern über Derivate – also grünen Ammoniak, Methanol und Treibstoff für Flugzeuge. Die Ausschreibungen für diese drei Lose bereitet unsere Tochtergesellschaft HINT.CO gerade vor. Im Sommer wollen wir die Auktionsverfahren starten und bis Ende des Jahres die Verträge unterzeichnen. Mit den ersten Schiffsladungen wäre dann zwischen Ende 2024 und Anfang 2025 zu rechnen.

    Grüner Wasserstoff und seine Derivate spielen auch eine wichtige Rolle im REPowerEU-Plan, mit dem die Kommission Europa unabhängiger von russischen Energielieferungen machen möchte (Europe.Table berichtete). Welche Bedeutung hat H2Global als deutsches Förderinstrument für die europäischen Pläne?

    Die Initiative wurde zwar von der Bundesregierung aufgesetzt, aber H2Global versteht sich nicht als rein deutsches Instrument. Als Lieferpunkt ist die Region zwischen den Häfen Antwerpen, Zeebrugge, Rotterdam und Hamburg bis nach Rostock und Duisburg als großem Binnenhafen definiert. Diese nordwesteuropäische Industrieregion ist prädestiniert. Auch die H2Global Stiftung wird immer europäischer, wenn Sie schauen, wer sich bei uns engagiert. H2Global kann ein Wegbereiter für einen europäischen Wasserstoff-Accelerator werden, wie ihn REPowerEU beschreibt.

    Welche Mengen an Wasserstoff-Derivaten wird H2Global denn beschaffen können? Die Kommission will die Ziele für grünes H2 bis 2030 vervierfachen – auf 20 Millionen Tonnen pro Jahr.

    Im ersten Förderfenster haben wir 900 Millionen Euro bis 2033 zur Verfügung. Damit kaufen wir die Derivate und damit ist auch die erwartbare Differenz zwischen den Gebotspreisen für die Lieferung und für die Abnahme gedeckt. Welche Mengen wir dafür bekommen können, lässt sich derzeit schwer abzuschätzen. Weltweit gibt es bisher praktisch keine Preissignale, was grünes Ammoniak kostet. H2Global kann Transparenz über die Preise von Wasserstoff-Derivaten herstellen, für die Industrie wird das ein wichtiger Mehrwert sein. Die Frage ist aber berechtigt. Große Mengen wird H2Global in der ersten Förderrunde nicht beschaffen können. Es ist zunächst ein wichtiger Pilot. Entscheidend ist, dass wir mal loslegen und Wasserstoffprojekte finden, die sich skalieren lassen. Und H2Global wird europaweit das erste Instrument sein, um die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette für grünen Wasserstoff zu erproben.

    Was meinen Sie damit?

    Bisher schaut man sehr stark auf die Produktion und die Abnehmer von grünem Wasserstoff und glaubt, das dazwischen wird schon irgendwie werden. Aber auch die Lieferketten sind hochkomplex: Transportmittel, Transportwege, Speicher. Die Logistik von Wasserstoff-Importen ist wegen des Krieges gegen die Ukraine noch dringlicher geworden. Wir werden eine größere Zahl unterschiedlicher Derivate schneller benötigen. H2Global schafft ein schützendes Dach, damit sich Lieferketten etablieren und Unternehmen entsprechend aufstellen können. Die Bieter müssen sich darum kümmern, dass die Logistik funktioniert. Das wird in die Gebote einfließen, deshalb werden die Ausschreibungen auch Transparenz über die Transportkosten schaffen. Ein anderer großer Faktor, der noch fehlt, ist die Regulatorik. Erst wenn der regulatorische Rahmen geklärt ist, können Unternehmen grünen Wasserstoff und seine Folgeprodukte wirklich in Wert setzen – Stichwort delegierter Rechtsakt zur RED II.

    Verhandelt werden in Brüssel auch noch die Novelle der gesamten Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II und das Gaspaket (Europe.Table berichtete). Muss das alles beschlossen sein, damit Sie Ihre Wasserstoff-Derivate als “grün” zertifizieren können?

    Bei den Fragen der Zertifizierung und der Anrechenbarkeit ist tatsächlich noch viel offen. Die Standards für unser erstes Förderfenster wird das Bundeswirtschaftsministerium bis zum Beginn der Auktionen definieren. Die Herausforderung wird sein, die Standards für H2Global so hoch zu setzen, dass die angekauften Produkte während der gesamten Vertragslaufzeit als grün gelten. Das gehört schon zu unseren Lessons Learned: Europas erster klimaneutraler Wasserstoff muss auch in zehn Jahren noch als grün verkauft werden können. Für H2-Pilotprojekte bräuchte es ein Grandfathering in der europäischen Regulierung.

    Der Umstieg von Erdgas auf Wasserstoff wird als Chance gesehen, gefährliche Abhängigkeiten aufzubrechen. Wie lässt sich die Diversifizierung der Lieferanten sicherstellen?

    Der Aufbau einer Wasserstoffwelt wird eine Generationenaufgabe. Um den Markt anzureizen, werden wir übergangsweise vielleicht ähnliche Strukturen erleben wie in der Erdgaswirtschaft – große Leitungen, an deren Ende Produzenten und Abnehmer skalieren. Aber langfristig wollen wir ja nicht wieder in ähnliche Fallen tappen. Deshalb ist H2Global von Anfang an flexibel ausgelegt. Das Instrument erlaubt es, neue Förderfenster an politische Ziele anzupassen. Man schaut jetzt viel in den Mittleren Osten, nach Australien und Chile. Dort gibt es Front-Runner, die über Kapital verfügen und in den Projekten schon recht weit sind. Aber in der zweiten oder dritten Runde von Förderfenstern könnten wir zum Beispiel Europas Partnerschaft mit weiteren afrikanischen Staaten ausbauen und so diversifizieren. Ich denke sehr an Interkonnektoren nach Ägypten, von wo aus man weitere Infrastrukturverbindungen in den Kontinent schaffen könnte. Diese ließen sich mit H2Global unterlegen.

    Wird H2Global so lange bestehen bleiben oder wird es schon bald in einer europäischen Plattform aufgehen (Europe.Table berichtete)?

    Im Koalitionsvertrag steht bereits, dass die Bundesregierung H2Global europäisch weiterentwickeln und finanziell entsprechend ausstatten möchte. Das ist auch gut, damit sich Investoren nicht immer wieder auf unterschiedliche nationale Regeln einstellen müssen und sich die Projekte untereinander keine Konkurrenz machen. H2Global kann der EU dabei helfen, mit einem Gesicht zur Welt zu sprechen – was in der Erdgaswelt lange gefehlt hat. Wenn ich weiter vorausdenke, können wir mehrere regional definierte Lieferregionen identifizieren. Wasserstoff könnte über Triest, Barcelona, Marseille oder andere Mittelmeerhäfen nach Europa gelangen.

    Vor dem Krieg galt auch die Ukraine als aussichtsreicher Partner für Wasserstoffpartnerschaften. Besteht diese Vision weiterhin?

    Angesichts der erschreckenden Bilder aus der Ukraine ist es nun leider noch viel zu früh für solche Pläne. Akteure in der EU haben die Ukraine aber zurecht immer schon mitgedacht beim Aufbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft, so wie beim European Hydrogen Backbone und der 2×40-Gigawatt-Strategie. Langfristig bleibt es sehr sinnvoll, die Ukraine in die Wasserstoffpläne der EU einzubeziehen. Bei den Strom- und Gasnetzen sehen wir bereits, wie wichtig die Zusammenarbeit von europäischen Betreibern mit ihren ukrainischen Partnern ist. Wenn es um den Wiederaufbau geht, werden die Interkonnektoren sowohl beim Strom als auch bei Wasserstoff eine wesentliche Rolle spielen.

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    Berliner Energietage

    09:30-11:00 Uhr
    BMWK Klimaschutz-Sofortprogramm: Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung für mehr Tempo beim Erreichen der Klimaschutz-Ziele
    Auf dem Podium diskutieren verschiedene Akteur:innen aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, welche Maßnahmen aus dem Klimaschutz-Sofortprogramm die “Game Changer” sind und welche Maßnahmen daraus mit höchster Priorität vorangetrieben werden sollten. Details

    11:00-12:30 Uhr
    en2x Wirtschaftsstandort Deutschland – Auf dem Weg zu netto null CO₂-Emissionen | Welche Beiträge leistet die Mineralölbranche?
    Die Bundesregierung strebt bis 2045 netto null CO2-Emissionen an. Auf welche politischen Weichenstellungen kommt es jetzt an, damit die Branche die Erreichung der Klimaziele zügig voranbringen kann? Details

    15:30-17:30 Uhr
    Öko-Institut Viel frischer Wind im Emissionshandel
    Der bestehende EU-Emissionshandel für die Industrie und die Energiewirtschaft soll reformiert und ein zusätzliches Emissionshandelssystem für Gebäude und Straßenverkehr soll eingeführt werden. Der deutsche nationale Emissionshandel ist seit mittlerweile einem Jahr implementiert und mit der neuen Bundesregierung ist zusätzlicher Schwung in die Klimapolitik gekommen. Und in China ist der größte Kohlenstoffmarkt der Welt gestartet. Wo stehen wir? Wie geht es weiter? Details

    EU-Gesundheitsdatenraum: Kommission setzt auf Verbindlichkeit

    Nach einer Reihe von Verzögerungen hat die EU-Kommission gestern einen Verordnungsentwurf für den European Health Data Space (EHDS) vorgelegt. Die Verordnung zielt darauf ab, die Gesundheitsversorgung in der EU zu verbessern, die Rechte der Patienten an ihren elektronischen Gesundheitsdaten zu stärken sowie die wissenschaftliche Forschung zu fördern.  

    “Der europäische Raum für Gesundheitsdaten ist ein grundlegender Umbruch im digitalen Wandel der Gesundheitsversorgung in der EU”, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides bei der Vorstellung des Vorschlags in Straßburg. Die EU mache damit einen “wahrhaft historischen Schritt” auf dem Weg zur digitalen Gesundheitsversorgung. “Revolutionär“, pflichtete ihr der Vizepräsident der EU-Kommission Margaritis Schinas bei.

    Reichlich Diskussionsbedarf zum European Health Data Space

    Entgegen vieler Spekulationen, die seit der Verschiebung der ursprünglich auf den 5. April datierten Veröffentlichung kursierten, gab es im Vergleich zur geleakten Fassung vom März (Europe.Table berichtete) keine grundsätzlichen Änderungen an der Infrastruktur des European Health Data Space. Das heißt jedoch nicht, dass es keinen Diskussionsbedarf gibt. Bis zur endgültigen Verabschiedung der Verordnung – die Kommission geht recht optimistisch von anderthalb bis zwei Jahren Verhandlungen aus – dürften viele Hindernisse zu überwinden sein.

    “Für Patient:innen bedeutet der EHDS, dass sie direkte digitale Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten erhalten und sie bei Bedarf mit Ärzt:innen in der gesamten Union teilen können”, sagte der S&D-Abgeordnete Tiemo Wölken. Auch für die Forschung bedeute eine bessere Datenlage vor allem riesige Potenziale bei der Erforschung und Entwicklung neuer Arzneimittel und Therapien von seltenen Krankheiten, für die es in einzelnen Mitgliedstaaten oft nicht genügend Daten gebe. “In den kommenden Wochen gilt es jetzt zu prüfen, ob der Vorschlag der Kommission diesen wichtigen Zielen genügt“, so Wölken.

    Recht auf primäre Datennutzung

    Die Kommission schlägt zwei getrennte Gesundheitsdateninfrastrukturen vor. Einerseits sollen Menschen auf ihre eigenen Behandlungsdaten digital zugreifen und über deren – auch grenzüberschreitende – Nutzung entscheiden können (Primärnutzung). Andererseits sollen Gesund­heits­da­ten zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt werden (Sekun­där­nut­zung).

    Im Rahmen der Primärnutzung räumt die Kommission jedem das Recht ein auf “sofortigen, kostenlosen Zugang zu seinen personenbezogenen elektronischen Gesundheitsdaten in leicht lesbarer und zugänglicher Form“. Die Patient:innen können ihre Daten teilen, den Zugang einschränken oder widerrufen. Mit diesem Anspruch hofft die EU-Kommission, das Recht der Patient:innen auf Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten zu stärken.

    Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, die wichtigsten Daten, etwa die Patientenakte, elektronische Rezepte, medizinische Bilder, Laborergebnisse und Entlassungsberichte, in einem gemeinsamen europäischen Format zur Verfügung zu stellen. Die nationalen Akteure in manch einem Mitgliedstaat dürften in einer Sache aufatmen: Personenbezogene Gesundheitsdaten, die vor der Anwendung der Verordnung nicht elektronisch erhoben wurden, müssen auf Beschluss der nationalen Regierungen nicht in ein elektronisches Format umgewandelt werden.

    Deutschland muss aufholen

    Gemäß Verordnungsentwurf muss jeder Mitgliedstaat eine nationale Einrichtung schaffen, die unter anderem die erforderlichen elektronischen Gesundheitsdienste zur Verfügung stellt. In Deutschland gibt es mit der Gematik als nationale Agentur für digitale Medizin eine solche Einrichtung. Die Gematik trägt nach eigenen Angaben die Gesamtverantwortung für die Telematikinfrastruktur (TI), die zentrale Plattform für digitale Anwendungen im deutschen Gesundheitswesen.

    Damit Patient:innen ihre Gesundheitsdaten grenzüberschreitend mit Leistungserbringern in anderen Mitgliedstaaten austauschen können, und zwar in deren Sprache, soll die Beteiligung der Mitgliedstaaten an der digitalen Infrastruktur MyHealth@EU verpflichtend sein. Das dürfte für ordentlich Zündstoff im Rat sorgen, ließen sich doch viele Mitgliedstaaten bisher ausgiebig Zeit mit der Anbindung an die seit über zehn Jahren bestehende Plattform.

    Derzeit nutzen lediglich zehn EU-Länder MyHealth@EU und dazu noch in einem äußerst beschränkten Umfang. Laut Kommission planten bisher die meisten Staaten, dieser Plattform bis 2025 beizutreten. Nun soll das verbindlich werden. Für Länder wie die Bundesrepublik, die immer noch mit der Einführung des E-Rezepts kämpft, dürfte diese Zielsetzung ehrgeizig sein.

    “Für Deutschland heißt das: Wir müssen jetzt Tempo machen bei der Digitalisierung unseres Gesundheits­wesens“, sagte der Präsident des Digitalverbands Bitkom Achim Berg. “Wir müssen daher den Ausbau der elektronischen Patientenakte, der digitalen Infrastruktur zum Einsatz von Gesundheitsdaten oder die Interoperabilität vorantreiben.” In diesem Zusammenhang sei wichtig, dass das im Koalitionsvertrag geplante deutsche Gesundheitsdatennutzungsgesetz schnell und in Einklang mit den europäischen Regelungen auf den Weg gebracht werde

    Sekundäre Nutzung

    Mit dem Verordnungsentwurf regelt die Kommission aber auch die sogenannte Sekundärnutzung der Gesundheitsdaten. Jeder Mitgliedstaat soll dafür eine oder mehrere Stellen benennen, die den Zugang zu Gesundheitsdaten ermöglichen. Nur eine soll allerdings als Koordinatorin und nationale Kontaktstelle fungieren und unter anderem für die Bereitstellung elektronischer Gesundheitsdaten für die Sekundärnutzung – auch grenzüberschreitend – zuständig sein. Die nationalen Stellen werden in die neue dezentrale EU-Infrastruktur für die Sekundärnutzung HealthData@EU eingebunden. Diese Infrastruktur wird ab 2022 im Rahmen eines EU4Health-Projekts erprobt (Europe.Table berichtete).

    Die Verarbeitung der Daten muss in einer sicheren Umgebung erfolgen. Dazu definiert die Kommission eine Reihe von Sicherheitsanforderungen: So sollen Unbefugte keinen Zugang zur sicheren Verarbeitungsumgebung haben. Auch unbefugtes Lesen, Kopieren, Ändern oder Entfernen von elektronischen Gesundheitsdaten muss verhindert werden. Alle Zugriffe sind zu protokollieren.

    Die Datenstellen müssen zudem für Transparenz sorgen. Sie sollen etwa Informationen über Anträge auf Datenzugang bekannt machen. Darüber hinaus müssen die Datennutzer die Ergebnisse ihrer Datennutzung veröffentlichen und die Stellen für den Zugang zu Gesundheitsdaten über alle wichtigen Erkenntnisse informieren, die für die Gesundheit des Einzelnen relevant sind.

    In Deutschland wird das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ Gesundheit) als eine nationale Kontaktstelle fungieren, das sich allerdings noch im Aufbau befindet. Angesiedelt ist es am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Das FDZ Gesundheit wurde im Jahr 2019 vom Gesetzgeber durch das Digitale-Versorgung-Gesetz initiiert. Aktuell werden nach Angaben des BfArM die rechtlichen, technischen und organisatorischen Maßnahmen definiert und implementiert. Anträge auf Datennutzung können voraussichtlich ab Herbst 2022 gestellt werden.

    Datenkategorien und Nutzungszwecke definiert

    Die Kommission definiert in dem vorliegenden Verordnungsentwurf eine Reihe von Datenkategorien für die Sekundärnutzung. Demnach umfasst sie Daten aus elektronischen Patientenakten, öffentlichen Registern und klinischen Studien, genetische und genomische Daten, aber auch Sozialdaten, die sich auf die Gesundheit auswirken. Hinzu kommen Verwaltungsdaten, einschließlich Daten über Leistungsansprüche und Kostenerstattung.

    Der Katalog der zulässigen Verwendungszwecke umfasst unter anderem Forschung im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die Unterstützung von Behörden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben, Bildungszwecke, die wissenschaftliche Forschung und das Training von Algorithmen für medizinische Anwendungen. Es ist verboten, Daten zu verwenden, um Entscheidungen zu treffen, die für den Einzelnen nachteilig sind, um Versicherungsprämien zu erhöhen, um Gesundheitsprodukte an Angehörige der Gesundheitsberufe oder Patienten zu vermarkten oder um schädliche Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln.

    Einer der Knackpunkte dürfte der Datenschutz sein. Gesundheitsdaten gelten als besonders sensibel. Vor allem im EU-Parlament dürfte es zu vielen Diskussionen diesbezüglich kommen. Die herausragende Bedeutung des Datenschutzes und der Datensicherheit betont auch der Sozialdemokrat Tiemo Wölken: “Patient:innen müssen dem digitalen Datenaustausch uneingeschränkt vertrauen können, die hochsensiblen persönlichen Gesundheitsdaten dürfen nicht in die falschen Hände fallen.” Auch bei der Aufsicht könnten EP-Abgeordnete auf besonders hohen Standards bestehen.

    Das weiß auch die Kommission. Datenschutz- und Sicherheitsstandards sollten stets beachtet werden, betonte Kyriakides mehrmals bei der Vorstellung des Verordnungsentwurfs. Bürger sollten die Kontrolle über ihre Daten haben und selbst entscheiden, welche Informationen sie teilen. Forscher bräuchten zudem die Erlaubnis der nationalen Behörden, um mit den Daten zu arbeiten.

    Großer Investitionsbedarf beim European Health Data Space

    Um den Europäischen Gesundheitsdatenraum zu verwirklichen, muss in elektronische Patientenakten, Telemedizin, Interoperabilität, aber auch Datenqualität, Institutionen und Lösungen für die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten investiert werden. Gleichzeitig sind interoperable EU-weite Infrastrukturen erforderlich, um die grenzüberschreitende Nutzung von Gesundheitsdaten in der EU zu ermöglichen.

    Für die Entwicklung des European Health Data Space hat die Kommission über 800 Millionen Euro veranschlagt. Das Geld soll aus mehreren EU-Förderprogrammen kommen, darunter EU4Health, Digital Europe Programme, Connecting Europe Facility und Horizon Europe. Darüber hinaus hätten Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Gelder aus der Recovery and Resilience Facility zu bekommen. 12 Milliarden Euro sind nach Angaben der Kommission für Investitionen in die Gesundheit vorgesehen, einschließlich der digitalen Gesundheit und der Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten.

    Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung und das Programm InvestEU würden komplementäre Möglichkeiten für zusätzliche Investitionen in die digitale Gesundheit auf der Grundlage des nationalen Bedarfs bieten. Die Kommission will die Mitgliedstaaten auf Wunsch auch bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Strategien und Aktionsplänen zur besseren Interoperabilität der Gesundheitssysteme unterstützen.

    Abgesehen von den technischen Herausforderungen und hohem Investitionsbedarf hängt der Erfolg des European Health Data Space jedoch stark davon ab, ob alle Akteure, von den Ärzten in Praxis und Klinik über Krankenhausmanager bis hin zur Politik auf allen Ebenen, überzeugt werden können, beim EHDS mitzumachen.

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    Schnellerer Bau von LNG-Terminals

    Der Bau von LNG-Terminals in Deutschland geht voran. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet zurzeit an der Beschaffung von vier schwimmenden Flüssiggas-Terminals (Floating Storage and Regasification Units, FSRU), wie Andreas Kaiser, Referent im BMWK, auf den Berliner Energietagen berichtete. Das LNG-Terminal in Wilhelmshaven solle noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden, das Terminal in Brunsbüttel Anfang kommenden Jahres. “Als Standorte für die zwei weiteren LNG-Terminals kommen Stade, Rostock, Hamburg und Eemshaven in den Niederlanden in Betracht”, sagte Kaiser. Mittelfristig sollen dann auch stationäre LNG-Terminals errichtet werden.

    Das Terminal in Wilhelmshaven wird vom Energiekonzern Uniper betrieben. Über die Anbindungsleitung sollen laut Angaben des Netzbetreibers Open Grid Europe (OGE) anfangs jährlich zehn Milliarden Kubikmeter Erdgas transportiert werden. Durch den Anschluss an die Fernleitung NETRA ist der Transport von der Nordsee nach Süd- und Ostdeutschland möglich, wo das Gas russische Importe ersetzen soll. Später kann die Leitung auf Wasserstoff umgestellt werden, heißt es in einer Pressemitteilung von OGE.

    Beschleunigungsgesetz für LNG-Terminals in Deutschland

    Um den Bau von Flüssiggas-Terminals in Norddeutschland zu beschleunigen, will die Bundesregierung zudem das LNG-Beschleunigungsgesetz vorlegen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat in Abstimmung mit dem Umweltministerium eine Formulierungshilfe für ein Gesetz erstellt, über die sich die Ressorts nun abstimmen.

    Als weitere Maßnahme zur Diversifizierung der Importquellen hat das Ministerium mit einem Ankaufprogramm bereits fast eine Milliarde Kubikmeter Erdgas erworben, sagte Kaiser auf den Energietagen. Bis Ende Mai sollen diese in deutsche Erdgasspeicher gefüllt werden. Aktuell seien die Speicher zu etwa einem Drittel gefüllt, es werde kontinuierlich eingespeichert. Laut Bundeswirtschaftsministerium kann bis zum Ende des Jahres durch diese Maßnahmen der Anteil der russischen Gaslieferungen auf etwa dreißig Prozent gesenkt werden. Das Ziel sei, bis zum Sommer 2024 unabhängig von russischen Gaslieferungen zu sein. leo/dpa

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    Deutschland will Quartierslösungen für Wärme

    In der laufenden Novelle der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) will sich das Bundeswirtschaftsministerium für eine stärkere Berücksichtigung von gemeinschaftlichen Ansätzen zur Wärmeversorgung einsetzen. Das kündigte der Parlamentarische Staatssekretär Oliver Krischer (Grüne) am Dienstag bei den Berliner Energietagen an. In verdichteten Städten könne es kontraproduktiv sein, nur die Energieversorgung einzelner Gebäude zu betrachten. Auch bei der Novelle des deutschen Gebäudeenergiegesetzes (GEG) 2023 solle der Quartiersansatz gestärkt werden.

    EU-Gebäuderichtlinie: Kommission untersucht Quartiersansätze

    Nach diesem Ansatz können Eigentümer derzeit die Pflichten nach dem GEG für ihre Gebäude auch dadurch erfüllen, dass sie gemeinsam Anlagen zur Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) betreiben. Die EU-Gebäuderichtlinie enthält derzeit nur den Auftrag an die Kommission, zu untersuchen, inwiefern die Staaten im Gebäudesektor auch Quartiersansätze anwenden könnten. Nach europäischem Recht muss allerdings weiter jedes einzelne Gebäude die Mindestanforderungen an die Energieeffizienz erfüllen.

    Zum Problem könnte sich entwickeln, wie der Quartiersansatz mit der Notwendigkeit einer ambitionierten Reduktion des Gasverbrauchs in Einklang gebracht werden kann. Wärme und Strom erzeugende, effiziente KWK-Anlagen werden derzeit meist mit Erdgas betrieben.

    Befürworter von Quartierslösungen ist der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW). Für die Mitgliedsunternehmen sei es verstörend, dass die EU-Gebäuderichtlinie nur einzelne Gebäude adressiere, sagte deren Präsident Axel Gedaschko. ber

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    Draghi: Corona-Instrumente für Energiekrise nutzen

    Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat sich dafür ausgesprochen, in der Corona-Pandemie eingeführte EU-Finanzierungsinstrumente auch zur Abfederung der Folgen des Kriegs in der Ukraine einzusetzen. Die Mitgliedstaaten seien wegen Investitionen in den Klimaschutz und die Stützung der eigenen Wirtschaft schon stark gefordert, sagte er vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. “Kein nationaler Haushalt kann das allein schultern.”

    Konkret forderte Draghi, das über EU-Anleihen finanzierte Programm SURE auszuweiten. Das zu Beginn der Pandemie mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro aufgelegte Programm ermöglicht es den Regierungen, zinsgünstige Darlehen zu erhalten, um ihre Arbeitsmärkte über Kurzarbeitergeld zu stützen. Draghi plädierte dafür, SURE nun auch für Maßnahmen zur Abfederung der hohen Energiepreise einzusetzen. So erhielten die Mitgliedstaaten mehr Spielraum, um die Energierechnungen zu deckeln oder um die Sozialabgaben für Geringverdiener zu senken. Auf EU-Ebene aufgenommene Schulden seien angesichts anziehender Zins-Spreads für bestimmte Mitgliedsstaaten die bessere Lösung, als selbst Anleihen auszugeben.

    Bewältigung der Energiekrise in Europa auf EU-Agenda

    “Dadurch könnten wir Unterstützung bieten und das Risiko einer Finanzinstabilität eingrenzen“, sagte Draghi. Es gehe um den sozialen Frieden in Europa und um die Fähigkeit, die Sanktionen gegen Russland mitzutragen (Europe.Table berichtete), “insbesondere in den Ländern, die aus historischen Gründen stärker von Russland abhängig sind”.

    Der italienische Premier forderte sofortige Entscheidungen, wie die EU die Energiepreiskrise bewältigen wolle. Das Thema werde beim nächsten EU-Gipfel Ende Mai oben auf der Agenda stehen. Italien gebe allein in diesem Jahr rund 30 Milliarden Euro dafür aus, um Familien und Unternehmen zu stützen. Durch die Koppelung an den hohen Gaspreis habe sich der Strompreis in den ersten vier Monaten vervierfacht im Vergleich zum Vorjahr. “Das Problem ist systemisch und muss mit strukturellen Veränderungen angepackt werden, damit der Gaspreis vom Strompreis abgekoppelt wird”, forderte er. Das aber wird von Deutschland und anderen EU-Staaten bislang abgelehnt. tho

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    T&E-Studie: Genug Rohstoffe für 14 Millionen E-Autos

    Einer Untersuchung des Umweltdachverbandes Transport and Environment (T&E) zufolge sind global genügend Rohstoffe verfügbar, um 2023 weltweit bis zu 14 Millionen Elektroautos zu produzieren. Auch ohne russische Lieferungen von Nickel und Lithium seien die tatsächlichen Produktionskapazitäten 55 Prozent höher als bisherige Marktprognosen. Die häufige Behauptung, dass kurzfristig nicht genügend Rohstoffe zur Verfügung stünden, um die Verkehrswende trotz Sanktionen gegen Russland voranzutreiben, trifft aus Sicht von T&E daher nicht zu.

    Der beste Weg für Europa, das Putin-Regime für seinen illegalen Krieg gegen die Ukraine zu bestrafen, sei die Umstellung auf Elektrofahrzeuge, meint T&E. Im Gegensatz zu Öl würden Nickel und Lithium überwiegend in demokratischen Ländern abgebaut. EU-Politiker:innen sollten daher ihr diplomatisches Gewicht für eine “grüne” Energieunabhängigkeit einsetzen.

    Lithium und Nickel statt LNG

    Der Verband fordert die EU dazu auf, sich auf die Sicherungen freier Rohstoff-Kapazitäten zu fokussieren, statt den gemeinsamen Ankauf von fossilem LNG voranzutreiben. So solle man vermehrt Lithium aus Australien oder Südamerika beschaffen und Nickel aus Kanada und Indonesien. “Während China und die USA ihre politischen Muskeln spielen lassen, um die Versorgung mit wichtigen Metallen zu sichern, suchen die europäischen Politiker auf der ganzen Welt nach mehr Öl”, kritisiert Julia Poliscanova, leitende Direktorin bei T&E.

    Bis Ende 2021 wurden weltweit etwa 15 Millionen E-Autos zugelassen. Die Analyse von T&E legt nahe, dass auch bei steigendem Bedarf an Elektroautos keine Rohstoff-Knappheiten für Lithium und Nickel vorliegen. Im Gegenteil: Wenn man die Materialverfügbarkeit sowie die Produktionskapazitäten der Gigafabriken für Batterien berücksichtigt, könnten laut T&E im Jahr 2025 sogar schon 21 Millionen E-Autos produziert werden. Dies zeige, dass die derzeitige Produktion nicht durch Rohstoffe eingeschränkt werde, sondern durch die minimale Einhaltung der regulatorischen Anforderungen durch die Automobilhersteller, so der Verband. luk

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    EU-Parlament: Strengere Grenzwerte für gefährliche Chemikalien

    Die Grenzwerte für bestimmte besonders schädliche Chemikalien in Abfällen sollen in der EU gesenkt werden. Das EU-Parlament hat am Dienstag in Straßburg einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission zugestimmt, aber gleichzeitig noch strengere Werte für einige Stoffe vorgeschlagen. Dabei geht es beispielsweise um Perfluoroctansäure (PFOA), die den Angaben zufolge etwa in wasserdichten Textilien und Feuerlöschschaumstoffen enthalten ist.

    Dem Kommissionsvorschlag zufolge sollen die sogenannten persistenten organischen Schadstoffe (POP) strenger reguliert werden. Diese seien “Chemikalien mit giftigen Eigenschaften, die für lange Zeit in der Umwelt verbleiben, sich in Nahrungsketten anreichern und der menschlichen Gesundheit und der Umwelt schaden können”.

    An dem Vorhaben kann sich noch etwas ändern. Am Ende müssen EU-Parlament und die EU-Länder einen Kompromiss finden. Die EU-Staaten hatten sich bereits Mitte März auf ihre Position geeinigt. Nun können die Verhandlungen über die endgültige Regelung beginnen. dpa

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    Eurogruppen-Präsident will gemeinsame Einlagensicherung voranbringen

    Der Präsident der Eurogruppe will die umstrittene gemeinsame Einlagensicherung für Banken in der Europäischen Union (EU) voranbringen. Bei einer Videokonferenz am Dienstag präsentierte Paschal Donohoe den Finanzministern der Euro-Länder einen Fahrplan in zwei Phasen, um die Bankenunion zu vervollständigen.

    Teil des Plans ist die gemeinsame Einlagensicherung Edis (European deposit insurance scheme), mit der Banken sich im Krisenfall gegenseitig absichern sollen, um Kunden vor dem Verlust ihrer Bankguthaben zu schützen. Der Vorschlag sieht auch neue Regeln im Umgang mit Staatsanleihen, beim Banken-Krisenmanagement sowie Maßnahmen für die Integration des Finanzbinnenmarktes vor.

    “Es gab ein breites Einverständnis der Kollegen, dass wir bei der Bankenunion Fortschritte machen müssen”, sagte Donohoe nach dem Online-Treffen. Mehrere Länder wie Deutschland und Italien hätten jedoch Nachbesserungen gefordert. Der Arbeitsplan solle bei einem Gipfel der Euro-Länder im Juni angenommen werden. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte, die EU-Kommission stehe bereit, dann die entsprechenden Gesetzesvorschläge vorzulegen, um den Plan umzusetzen.

    Gemeinsame Einlagensicherung: Geld aus EU-Fonds in Phase zwei

    Konkret schlägt Donohoe vor, dass in einer ersten Phase die nationalen Einlagensicherungssysteme der Länder sich gegenseitig Geld leihen sollen, wenn Banken in Schwierigkeiten geraten. Das soll durch einen gemeinsamen Fonds koordiniert werden. Erst in einer zweiten Phase sollen Länder für die gemeinsame Einlagensicherung auch direkt aus dem zentralen EU-Fonds Geld leihen können, als Rückversicherung. Vor der Umsetzung der zweiten Phase soll es aber noch eine politische Einigung geben. Phase eins könnte EU-Beamten zufolge 2025 in Kraft treten.

    Besonders in Deutschland wird eine gemeinsame Einlagensicherung kritisch gesehen. Regionale Sparkassen befürchten etwa, dass ihre Sicherungsmittel verwendet werden könnten, um globale Geschäftsaktivitäten abzusichern. Der Arbeitsplan sieht allerdings eine mögliche Sonderbehandlung von kleineren Banken wie Sparkassen vor, die bereits ein eigenes Absicherungssystem haben.

    Der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Mark Branson, äußerte sich positiv zu dem Vorstoß. “Ich sehe das als eine Vollendung der Bankenunion”, sagte Branson. Die Bankenunion sei zentral, um Europa als attraktiven Markt für international erfolgreiche Banken zu gestalten. dpa

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    EU-Parlament stimmt für Reform der EU-Wahlen

    Sperrklausel in Deutschland, länderübergreifende Wahllisten und ein einheitlicher Wahltag: Das Europaparlament hat sich für eine Reform der EU-Wahlen ausgesprochen. 323 Abgeordnete stimmten am Dienstag in Straßburg für einen entsprechenden Gesetzesvorschlag, 262 dagegen, wie das Parlament mitteilte. Nun müssen noch die EU-Staaten zustimmen.

    Nach den Vorstellungen des Parlaments sollen konkret 28 neue Sitze für die transnationalen Listen im EU-Parlament geschaffen werden, die zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt sein sollen. Zudem soll in Europa einheitlich am 9. Mai gewählt werden, der Tag kann von den einzelnen Ländern zum Feiertag erklärt werden.

    Reform der EU-Wahlen: Schwierigkeiten für kleine Parteien

    Die umstrittene Sperrklausel von 3,5 Prozent könnte dazu führen, dass einige Parteien wie die Freien Wähler, die Satirepartei Die Partei, Volt oder die Tierschutzpartei große Probleme bekommen, ihre Mandate wieder zu erringen. Bei der vergangenen Wahl 2019 reichten etwa Volt bereits 250 000 Stimmen (0,7 Prozent) für ein Mandat.

    Es soll zwar Ausnahmeregeln geben, davon werden viele der kleinen Parteien aber wahrscheinlich nicht profitieren können. Das Bundesverfassungsgericht hatte einem innerdeutschen Versuch für eine Sperrklausel eigentlich einen Riegel vorgeschoben, der nun über die EU-Ebene umgangen wird. dpa

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    EU-Parlament stimmt für 3,5-Prozent-Hürde bei Europawahl ZEIT
    Brüssel treibt Öl-Embargo gegen Russland voran NTV
    Slowakei verlangt Ausnahme von einem EU-Ölembargo ZEIT
    LNG-Terminal: Griechenland wird zum Knotenpunkt für Gas in Südosteuropa HANDELSBLATT
    EU-Kommission will Gesundheitsdaten europaweit vernetzen AERZTEBLATT
    French Presidency eyes general approach on governance framework for digital transformation EURACTIV
    Erzwingung von NFC-Öffnung beim iPhone: PayPal machte Druck auf EU-Kommission HEISE
    Over 200 Spanish mobile numbers ‘possible targets of Pegasus spyware’ THEGUARDIAN

    Portrait

    Axel Voss: “Wir hätten mutiger sein können”

    Für die DSGVO war Axel Voss Schattenberichterstatter der EVP-Fraktion. Heute ist er Berichterstatter des Sonderausschuss zu künstlicher Intelligenz (AIDA).
    Der CDU-Politiker Axel Voss ist Berichterstatter des AIDA-Sonderausschusses.

    “Wer in KI führt, führt auch die Welt. Deshalb dürfen wir uns es nicht erlauben, hinterherzuhinken”, sagt Axel Voss (59), Berichterstatter im Sonderausschuss zu künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter (AIDA) im EU-Parlament.

    Der Bericht des AIDA-Sonderausschusses wurde gestern im Europäischen Parlament mit einer großen Mehrheit angenommen. Im Mittelpunkt des Berichts steht dabei die Wettbewerbsfähigkeit der EU in den digitalen Märkten und wie sie gefördert werden kann. So werden politische Optionen identifiziert, die das Potenzial der KI in den Bereichen Gesundheit, Umwelt und Klimawandel freisetzen könnten, um Pandemien und den Hunger in der Welt zu bekämpfen und die Lebensqualität der Menschen durch personalisierte Medizin zu verbessern.

    Künstliche Intelligenz könne, wenn sie mit der notwendigen Unterstützungsinfrastruktur, Bildung und Ausbildung kombiniert werde, die Kapital- und Arbeitsproduktivität, Innovation, nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen steigern, heißt es im Bericht.

    Warnung vor Europa als digitale Kolonie

    Im Plenum des EU-Parlaments zeigte sich Voss nicht vollkommen zufrieden mit dem fertigen Bericht. Denn viele seiner ursprünglichen Forderungen wurden in der beschlossenen Kompromissfassung teilweise erheblich abgeschwächt. “Wir haben viel erreicht”, sagte Voss bei der Aussprache im Plenum. Doch: “Wir hätten noch mutiger oder sogar revolutionär sein können.”

    Die KI sei die Schlüsseltechnologie der Zukunft und von hoher strategischer Relevanz. Europa müsse sich die Frage stellen, wie es mit anderen Regionen der Welt mithalten will, “die weitaus konsequenter und gezielter Forschung und Entwicklung voranbringen, Talente ausbilden, die viel Geld in die Hand nehmen und flexibler auf neue Entwicklungen reagieren können”. Voss warnte eindringlich vor einem Europa als “digitale Kolonie” solcher Regionen, deren Werte es nicht teilt.

    Europas Aufgabe im Bereich KI beschreibt Voss so: “Es ist eine große Herausforderung, Werte zu integrieren und wettbewerbsfähig zu bleiben.” Er ist generell der Ansicht, dass das Potenzial von KI zu wenig ausgeschöpft wird: “Wir sind mittlerweile zu eingeschüchtert von dem Datenschutz, weil keiner sich vorwerfen lassen möchte, man würde nicht richtig mit Daten umgehen. Und das führt dazu, dass viele Sachen unterbleiben, die sinnvoll wären.”

    Gesichtserkennung, aber keine Alexa

    Privat nutzt er die Gesichtserkennung am iPhone. Amazons Alexa oder ähnliche Home Spots möchte Voss sich aber nicht ins Wohnzimmer stellen: “Da halte ich mich schon etwas zurück. Ich würde vielleicht noch von der Telekom was nehmen.”

    Die geplante Verordnung zur Regulierung von KI (AI Act) hätte Voss gerne federführend im Rechtsausschuss diskutiert. Die Zuständigkeit für diese Verordnung wurde aber an die Ausschüsse für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) und Binnenmarkt (IMCO) gegeben. “Der AI Act beantwortet die Frage, wie wir als Gesellschaft mit Algorithmen umgehen wollen.” Das habe weder spezifisch mit Grundrecht noch mit Binnenmarkt zu tun, sondern sei “etwas Ethisches, und das liegt eben bei dem Rechtsausschuss”, so Voss.

    Seit 2009 ist er Abgeordneter im Europäischen Parlament. 2017 wurde er Koordinator der EVP-Fraktion im Rechtsausschuss. In seiner parlamentarischen Arbeit liegt der Schwerpunkt auf digitalen Themen. “Das war gar nicht so geplant”, sagt er. Seine Neugier wurde im Laufe der Diskussion um das Datenschutzrecht geweckt: “Ich wollte praktikabler an die Dinge herangehen.”

    DSGVO-Berichterstatter Axel Voss war vom Hass überrascht

    Für die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) war Axel Voss Schattenberichterstatter der EVP-Fraktion. Später war er als Berichterstatter für die Urheberrechtsrichtlinie zuständig. Und plötzlich war der Name “Axel Voss” jungen Menschen ein Begriff. Die Diskussion um Upload-Filter im Kontext von Artikel 13 (später Artikel 17) sorgte Anfang 2019 für Protest im Netz und auf der Straße. “Diese Empörungswelle habe ich so überhaupt nicht vorausgesehen“, erinnert sich Voss. Er habe das Urheberrecht als eine Nische für Experten wahrgenommen. “Ich war überrascht von dem Hass, der einem entgegenschlägt, obwohl man doch eigentlich nur Grundrechte gegeneinander ausbalanciert.”

    Mit Recht und Gesetzen kennt er sich als Anwalt aus. Er studierte Rechtswissenschaften in Trier, Freiburg und München. Dass er einen juristischen und keinen technischen Hintergrund hat, sieht er nicht als Problem: “Natürlich muss man die Auswirkungen von dem, was man da macht, in einer digitalen Welt noch mal anders betrachten als in einer nicht digitalen Welt. Man braucht Verständnis für Probleme, muss aber nicht unbedingt wissen, was da technisch abläuft.”

    Voss pendelt zwischen Bonn und Brüssel. Während der Pandemie fährt er die Strecke mit dem Auto, ansonsten auch gern mit dem Zug. Warum er von der Relevanz der Entscheidungen über den digitalen Bereich überzeugt ist? “Realitäten manifestieren sich über Technik. Das bekommt man im Laufe der Zeit mit.” Paula Faul/Eugenie Ankowitsch

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