während Europa ob des Sieges Emmanuel Macrons in Frankreich weiter aufatmet, dürfte dem Präsidenten selbst kaum Zeit zum Durchatmen bleiben. Zum einen ist die Agenda der französischen Ratspräsidentschaft weiter vollgepackt mit bislang ungelösten Fragestellungen. Zum anderen stehen Macron Parlamentswahlen ins Haus. Um hier nicht noch mehr Stimmen an die Rechten um Marine Le Pen zu verlieren, muss Macron sich in den kommenden Wochen stärker auf die Innenpolitik konzentrieren, schreibt Eric Bonse.
Unter Handlungsdruck steht auch die Pharmabranche. Es werde hier bereits viel für die verantwortungsvolle und nachhaltige Produktion von Arzneimittel getan, heißt es aus der Branche. Bei den Themen Arzneimittelzugang und Preisgestaltung gibt es allerdings erheblichen Nachbesserungsbedarf angesichts der Tatsache, dass zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu Medikamenten hätten, wie Eugenie Ankowitsch analysiert.
Im Schnellverfahren hat die Bundesregierung gestern Änderungen am Energiesicherungsgesetz auf den Weg gebracht, um im Falle einer Energiekrise in Europa anderen Ländern mit Gaslieferungen aushelfen zu können. Die Novelle berücksichtigt aber auch die Versorgung mit anderen Energieträgern.
Auch beim zweiten Emissionshandelssystem für das Heizen von Gebäuden und den Straßenverkehr geht es voran. Berichterstatter des EU-Parlaments für die Reform des europäischen Emissionshandels Peter Liese (EVP, DE) hat den Schattenberichterstatter:innen gestern einen Kompromiss vorgelegt. Welche Punkte im Kompromiss keine Rolle mehr spielen und auf welche Liese besteht, lesen Sie in den News.
Die EU-Gegner sind nach der Präsidentschaftswahl nicht besiegt – im Gegenteil. Die ersten fünf Jahre unter Macron hätten Populisten und Extreme stärker gemacht, sagt der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU). “Macron ist wiedergewählt, sein politisches Konzept ist gescheitert”, so Weber. Der europäische Grünen-Sprecher Rasmus Andresen nennt das gute Abschneiden der Rechtspopulistin Marine Le Pen einen “Warnschuss für ganz Europa”. Die Führerin des “Rassemblement National” hatte bei der Stichwahl am vergangenen Sonntag rund 2,7 Millionen Stimmen mehr bekommen als beim letzten Duell mit Macron vor fünf Jahren.
Bei der Parlamentswahl im Juni könnte Le Pen sogar noch stärker werden, so die Sorge in Brüssel. Auch Linken-Chef Jean-Luc Mélenchon dürfte eine Revanche versuchen; er will sogar Premierminister werden. Macron werde sich deshalb in den nächsten Wochen auf die Innenpolitik konzentrieren, prophezeit ein EU-Diplomat. Um zu reüssieren, muss sich der Präsident in Paris eine stabile Mehrheit sichern.
Dabei wartet auf ihn in Brüssel eine vollgepackte Agenda. Schon in fünf Wochen (30./31. Mai) steht der nächste EU-Gipfel an. Dabei soll es – wie schon Anfang März in Versailles – um die Ukraine, aber auch um die Energiepolitik und um die Verteidigung gehen. Alle drei Probleme sind in der Zwischenzeit dringlicher geworden. Bei der Ukraine müsse man sich nun auf einen langen Krieg einstellen, sagt ein EU-Diplomat. Neben der militärischen rücke auch die humanitäre Koordinierung der EU-Staaten in den Vordergrund. Zudem gelte es, eine regionale oder globale Lebensmittelkrise zu verhindern.
In der Energiepolitik setzt Paris große Hoffnungen auf die EU-Kommission. Sie soll nicht nur einen Vorschlag für ein Ölembargo vorlegen, sondern auch ein Konzept zum Ausstieg aus allen fossilen russischen Energieträgern erarbeiten. Außerdem wird bis zum Gipfel ein Vorschlag zur Reform des europäischen Energiemarkts erwartet.
Bis zum letzten regulären Gipfel unter französischer Präsidentschaft am 23. und 24. Juni könnte es außerdem eine erste gemeinsame Ausrichtung des Rates zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) geben. Das Auswärtige Amt in Berlin jedenfalls unterstützt mehr Tempo bei Erneuerbaren und Energieeffizienz. Die Kommission solle schnellere und höhere Ziele vorlegen, sagte am Montag Hinrich Thölken, Beauftragter für Energie- und Klimaaußenpolitik des Ministeriums.
Die Kommission hatte bereits ein höheres Ziel von 45 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 vorgeschlagen. Im EU-Parlament wird damit gerechnet, dass bis zur kommenden Woche geklärt wird, welche Amendments zur RED dafür nötig sein werden. Mit finalen Positionen des Rates zu Rechtsakten des Fit-for-55-Pakets ist bis zum Ende der französischen Ratspräsidentschaft aber nicht mehr zu rechnen.
In der Verteidigungspolitik geht es darum, europäische Investitionslücken zu schließen. Dabei müsse man die Gefahr einer Fragmentierung des Rüstungsmarkts vermeiden, so der EU-Diplomat. Paris macht sich Sorgen wegen der deutschen Entscheidung für den Kauf amerikanischer F35-Kampfjets; dies könne die Industrie in der EU schwächen. Europa-Staatsministerin Anna Lührmann teilt diese Sorge nicht. Die deutsch-französische Zusammenarbeit bei Rüstungsprojekten “dürfte einfacher werden, weil Deutschland jetzt mehr Geld bereitstellt”, sagte die Grünen-Politikerin der Nachrichtenagentur Reuters in Anspielung auf das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen der Bundeswehr.
Ähnlich sehe es in der Westbalkan-Politik aus: “Zum Westbalkan bekomme ich klare Signale aus Paris, dass man die Position wegen des dortigen russischen Einflusses verändert”, betont Lührmann. Bisher hatte Macron die Annäherung der Westbalkan-Staaten an die EU eher gebremst. Nun plant Frankreich einen Westbalkan-Gipfel.
Auf der Agenda steht zudem die Reform der EU-Defizitregeln, die Förderung von Frauen in Aufsichtsräten und die globale Mindeststeuer. Außerdem will Macron die Konferenz zur Zukunft der EU zu Ende bringen. Am 9. Mai werden die Ergebnisse präsentiert; danach will der französische EU-Vorsitz über das weitere Vorgehen entscheiden.
Die Konferenz müsse in einen Konvent münden und Vertragsänderungen vorbereiten, fordert der Rechtswissenschaftler Sven Simon. “Es wird darauf ankommen, dass sich Macron an seine Sorbonne-Rede erinnert”, so der CDU-Europaabgeordnete. Ähnlich äußerte sich Daniel Freund von den Grünen. Bisher gibt es für einen Konvent aber noch kein grünes Licht.
Auf der technologisch-regulatorischen Agenda der Ratspräsidentschaft finden sich zudem weitere Aspekte: Der vom französischen EU-Industriekommissar Thierry Breton vorangetriebene Chips Act wird derzeit in Rat und Parlament diskutiert, gleiches gilt für den Regulierungsvorschlag für Systeme mit sogenannter Künstlicher Intelligenz, hier sind die ersten Abschnitte des Verordnungsvorschlags bereits in der Ratsabstimmung.
Nur noch einführende Diskussionen dürfte die Ratspräsidentschaft zum Vorhaben eines besseren Kinderschutzes im Netz schaffen. Hier wird derzeit nach vielfacher Verschiebung für Mitte Mai ein Vorschlag der Kommission erwartet, die ersten Varianten fielen im Regulatory Scrutiny Board durch und erhielten zugleich unter dem Stichwort “Chatkontrolle” deutliche Kritik.
Ob der Vorschlag für eine europäische Regulierung zum Thema Medienfreiheit noch unter französischer Ratspräsidentschaft kommt, ist ebenfalls offen. Bislang nicht terminiert, aber noch für die erste Jahreshälfte vorgesehen, ist Bretons Vorschlag für mehr Cyberresilienz. Der Cyber Resilience Act soll unter anderem Internet of Things-Gerätehersteller und Anbieter von vernetzten Services stärker in die Pflicht nehmen.
Am 15. und 16. Mai soll in Frankreich die zweite Sitzung des Transatlantic Trade and Technology Council (TTC) stattfinden. Ziel des transatlantischen Forums ist eine intensivierte Zusammenarbeit bei wesentlichen Handels- und Technologiethemen, unter anderem bei Künstlicher Intelligenz, aber auch bei Lieferketten, Exportkontrollen und bei Standards.
Ausgeklammert aus dem TTC ist das Trans-Atlantic Data Privacy Framework: der neue Rahmen für die Übertragung personenbezogener Daten aus der EU in die USA, auf den sich EU-Kommission und US-Regierung Ende März grundsätzlich geeinigt hatten, wird separat be- und verhandelt. Hier steht eine Konkretisierung der verkündeten Einigung weiterhin vorerst aus, die in Nachfolge des vom EuGH für unzureichend befundenen Privacy Shield die Datentransfers rechtlich ermöglichen soll. Mit Falk Steiner, Manuel Berkel und Lukas Scheid
Nach dem deutschen Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz müssen Unternehmen sicherstellen, dass Menschenrechte und Umweltstandards über die gesamte Lieferkette hinweg eingehalten werden. Ab 2023 gilt es für Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten und ab 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in Deutschland. Die EU-Kommission präsentierte Ende Februar 2022 nun den lang erwarteten Vorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz, der über die Anforderungen des deutschen Gesetzes hinausgeht. Es soll nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in allen globalen Wertschöpfungsketten fördern.
Nach der grünen Taxonomie prüft die EU-Kommission außerdem das nächste Nachhaltigkeitslabel: die sogenannte soziale Taxonomie. Der Runde Tisch für nachhaltige Finanzen, ein von der Kommission eingesetztes Expertengremium, gibt in seinem Bericht Empfehlungen, wie Unternehmen auf ihren sozialen Nutzen hin bewertet werden sollten. Pharmaunternehmen etwa sollten unter anderem nachweisen, wie gut der Zugang zu ihren Medikamenten weltweit ist und ob sie erschwinglich sind.
Auf den ersten Blick scheint die Pharmaindustrie in einer guten Position zu sein, um die wachsenden Anforderungen im sogenannten ESG-Bereich (Environmental, Social, Governance) zu erfüllen: Im Vergleich zu anderen Branchen ist Pharma hoch reglementiert, verfügt über ausgefeilte Qualitätsmanagement-Systeme sowie teilweise dauerhafte und enge Lieferantenbeziehungen.
Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) betont, dass viele Unternehmen zur Umsetzung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen (VN) internationale Codes of Conduct und Lieferantenverträge besäßen, in denen sie sich und ihre Partner zur Achtung von Menschenrechten verpflichten. Außerdem gebe es zahlreiche nationale und supranationale Brancheninitiativen mit Blick auf nachhaltiges Lieferkettenmanagement und verantwortungsvolle Beschaffung, in denen deutsche Unternehmen aktiv seien.
Obwohl die Pharmaindustrie ganz wesentlich zum gesellschaftlichen Fortschritt beiträgt, steht sie dennoch immer wieder mit Umweltverschmutzung sowie politischen und finanziellen Skandalen in Verruf. “Wir stellen Produkte her, die Menschen helfen”, betont BAH-Geschäftsführer Elmar Kroth im Gespräch mit Europe.Table. “Dass man uns oft negativ darstellt, ist wirklich erschütternd.” Die Unternehmen würden sich nach Kräften bemühen, möglichst wenig Rohstoffe und Energie zu verbrauchen, die Emissionen zu reduzieren. Im Vergleich zu anderen Branchen stehe die Pharmaindustrie im ESG-Bereich sehr gut da, lautet sein Fazit.
Auf das Thema Arzneimittelzugang und Preisgestaltung, das im globalen Streben nach Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt, angesprochen, redet Kroth allerdings lieber über das soziale Engagement der Pharmaunternehmen in den Produktionsländern. Als Beispiel nennt er den Bau von Kindergärten, damit die Mütter, die in der Erntezeit viel Zeit auf dem Feld verbringen, ihre Kinder gut betreut wissen.
Doch in einer globalen Gesellschaft, die mit wachsender Ungleichheit konfrontiert ist, kann sich die Pharmabranche mit dem Bau von Kindergärten und anderen Charity-Projekten wohl kaum aus der sozialen Verantwortung stehlen. Vor allem in Entwicklungsländern brauchen die Menschen Zugang zu erschwinglichen Medikamenten. Aber auch in Europa gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern (Europe.Table berichtete), wie eine aktuelle Erhebung des europäischen Dachverbandes der Pharmaunternehmen EFPIA ergab.
Lange Zeit galt die Aufmerksamkeit vor allem dem Zugang zu Medikamenten gegen Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Malaria und HIV. In den vergangenen Jahren hat sich die Diskussion jedoch auf nicht-übertragbare Krankheiten (NCDs) Krankheiten und auf neue Regionen ausgedehnt. Bei der Entwicklung von Therapien konzentrieren sich Pharmaunternehmen jedoch oft auf solvente Märkte. Für den Vertrieb der Medikamente auch in anderen Märkten bestehen für die Konzerne kaum Anreize.
Einige Pharmaunternehmen geben inzwischen an, bei neuen Medikamenten in der Pipeline eine Strategie für die Zugänglichkeit in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen mitzuentwickeln. Novartis war das erste Unternehmen mit einer systematischen Zugangsplanung. Laut Access to Medicine Index 2021 gesellten sich inzwischen AstraZeneca, GSK, Johnson & Johnson, Merck, Pfizer, Sanofi und Takeda dazu. Produkte, die bereits auf dem Markt sind, werden jedoch weitgehend übersehen, wenn es darum geht, den Zugang zu verbessern, betonen die Experten der Access to Medicine Foundation. Weltweit hätten zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu den Medikamenten, die sie benötigen.
Zuletzt gab es viele Kontroversen rund um die Preise und die Verfügbarkeit von COVID-19-Impfstoffen. Zunächst wurde die Pharmaindustrie von vielen als Retter wahrgenommen und hatte die Chance zum Imagewechsel. Doch diese Chance wurde vertan. Zuletzt wurde öffentlich, wie der Pharmagigant Pfizer seine Marktmacht dazu genutzt hat, die Gewinne zu maximieren und die Risiken zu begrenzen.
Eigentlich sind die Verträge streng geheim. Doch eine New Yorker Bürgervereinigung namens Public Citizen erhielt Zugang zu neun dieser Vereinbarungen und legte in einem Bericht offen, wie Pfizer als einer der weltweit führenden Hersteller von COVID-19-Impfstoffen seine Macht ausübte, um Regierungen zum Schweigen zu bringen, das Angebot zu drosseln, Risiken zu verlagern und die Gewinne inmitten einer Pandemie zu maximieren.
Im Mai vergangenen Jahres schloss die EU mit Pfizer einen Vertrag über den Kauf von 1,8 Milliarden Impfdosen, ebenfalls unter strenger Geheimhaltung. Seitdem versuchen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments die Verträge einzusehen – bisher vergeblich. In einer parlamentarischen Anfrage wollten einige Abgeordnete Anfang Februar etwa von der EU-Kommission wissen, warum Teile der Vertragstexte geheim gehalten werden und ob die Kommission beabsichtigt, die vollständigen Vertragstexte bekannt zu machen. Die Antwortfrist läuft am 3. Mai ab.
Vor wenigen Tagen haben die Grünen/EFA-Mitglieder Jutta Paulus, Tilly Metz, Margrete Auken, Michèle Rivasi und Kim van Sparrentak beim Europäischen Gerichtshof eine Klage gegen die Europäische Kommission eingereicht (Europe.Table berichtete). “Die Weigerung der Europäischen Kommission, die Impfstoffverträge transparent zu machen, beeinträchtigt das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fähigkeit der EU-Kommission, in Handelsabkommen mit der Pharmaindustrie die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt zu stellen”, sagte Tilly Metz. So wird der strahlende Retter wieder zum Bösewicht.
Zu den wichtigsten Aspekten im Bereich Umweltschutz gehören in der Pharmabranche der hohe Energieverbrauch, globale Lieferketten, Rückstände bei der Produktion pharmazeutischer Produkte in der Umwelt und große Mengen an Verpackungsmüll. Einige Unternehmen machen Fortschritte, vor allem beim Wasser- und Energieverbrauch. So konnte Sanofi eigenen Angaben nach zwischen 2015 und 2020 die CO2-Emissionen um über 27 Prozent reduzieren. Roche soll den Wasserverbrauch pro Mitarbeitenden seit 2015 um über 25 Prozent gesenkt haben.
Doch die Zahlen beziehen sich auf die großen Konzerne und ihre eigenen Anlagen. Immer häufiger werden Arzneimittel, vor allem aber ihre Vorprodukte, von Unternehmen in Drittstaaten, häufig in China und Indien produziert. Der BAH-Geschäftsführer Elmar Kroth schränkt die Verantwortung der westlichen Pharmaunternehmen für die Einhaltung von Umweltstandards in diesen Produktionsländern jedoch ein. Die Produktion in Drittländern unterliege nun mal den nationalen Gesetzen, sagt er. “Wir als Hersteller haben zwar detaillierte Anforderungen an die Produkte, die wir aus diesen Ländern beziehen. Darauf, wie dortige Unternehmen beispielsweise mit dem Abwasser umgehen, haben wir aber einen relativ geringen Einfluss.”
Es sei fraglich, ob europäische Firmen überhaupt in der Lage seien, von ihren Vorlieferanten die notwendigen Auskünfte zu bekommen, meint Kroth angesichts der gesetzlichen Vorschriften, die in den nächsten Jahren auf die Industrie zukommen. Denn die Lieferketten könnten unter Umständen sehr lang sein. Er räumt jedoch ein, dass es in einigen Anlagen durchaus Handlungsbedarf gebe.
Wie groß dieser Bedarf ist, haben die Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung an einem der größten indischen Pharmastandorte Hyderabad Ende 2019 offengelegt. Dort lassen fast alle großen deutschen Generikahersteller – wie Ratiopharm, Hexal oder Stada – Wirkstoffe produzieren. Die Reporter sind mit Unterstützung von Wissenschaftlern dem Verdacht nachgegangen, dass die Pharmaunternehmen Abwässer in die Umwelt leiten. Der mutmaßliche Grund: die Kosten. Denn die Aufbereitung von Resten aus der Herstellung von Medikamenten ist extrem aufwändig und teuer.
Die entnommenen Proben wurden anschließend vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Nürnberg auf Rückstände von insgesamt 25 verschiedenen Medikamenten untersucht. Die Wissenschaftler fanden Antibiotika sowie Pilzmedikamente in den Gewässern in teils hundertfach oder gar mehrere Tausend Mal über vorgeschlagenen Grenzwerten für die jeweiligen Substanzen vor. Der renommierte, schwedische Umweltpharmakologe Joakim Larsson sagte dem NDR, viele der gemessenen Werte seien so hoch, dass es keine andere vernünftige Erklärung dafür gebe als Industrieabwässer.
Wer meint, dass die mit Antibiotika verseuchten Gewässer in Hyderabad Europa nicht gefährlich werden könnten, irrt gewaltig. Wenn Antibiotika in die Umwelt gelangen, entwickeln Bakterien, die dort leben, Resistenzen. Antibakterielle Resistenzen sind eine der größten Herausforderungen der Zukunft (Europe.Table berichtete).
27.04.2022 – 10:00-11:30 Uhr, online
Hydrogene Europe, Seminar Hydrogen Talk
The seminar will bring together representatives of truck manufacturers, end-users, representatives of hydrogen refueling station system providers, and civil society. INFOS & REGISTRATION
27.04.2022 – 11:00-12:00 Uhr, online
Medical Valley, Seminar Risikomanagement und IT-Sicherheit bei DiGA: Vorgehen, Erfahrungen und Tipps aus der Praxis
Medical Valley umreißt die Cybersicherheitsnormen und technischen Richtlinien für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) und gibt praktische Tipps zum Vorgehen bei einer Risikoanalyse. INFOS & ANMELDUNG
27.04.2022 – 13:45-19:15 Uhr, online
Die Zeit, Konferenz Die grüne Transformation: Wie gestalten wir den Wandel in Wirtschaft & Gesellschaft?
Die Zeit lädt Expert:innen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft ein, Ideen, Ansätze und Lösungen für die grüne Transformation zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG
27.04.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
FSR, Panel Discussion The EU’s hydrogen accelerator – What steps should be taken?
The Florence School of Regulation (FSR) addresses the question how to trigger investments and developments in the hydrogen sector. INFOS & REGISTRATION
27.04.2022 – 18:00-20:00 Uhr, online
HWK, Seminar Ab in die Tonne! Elektrogeräte, Batterien und Akkus und die Anforderungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes
Die Handwerkskammer (HWK) erläutert die aktuellen und kommenden gesetzlichen Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft. INFOS & ANMELDUNG
27.04.2022 – 19:00 Uhr, Hamburg
Körber Forum, Podiumsdiskussion Kryptowährungen: Fluch oder Segen?
Die Podiumsdiskussion der Körber-Stiftung geht der Frage nach, welche Vor- und Nachteile die Kryptowährung Bitcoin für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringt. INFOS & ANMELDEN
28.04.-29.04.2022, online
ERA, Seminar Digital Contracts and Data-Trading
The Europäische Rechtsakademie (ERA) discusses how EU private law can respond to the requirements of the data economy and the use of artificial intelligence. INFOS & REGISTRATION
28.04.2022 – 13:00-17:00 Uhr, online
Next, Konferenz Frühjahrskonferenz 2022
Next trifft sich zur Frühjahrskonferenz, um den ressort- und ebenen-übergreifenden Austausch zu fördern und die digitale Transformation der Verwaltung zu gestalten. INFOS & ANMELDUNG
28.04.2022 – 14:00-15:30 Uhr, online
DE, Conference Digital Deep Dive – A Standardisation Strategy for a Global Europe
Digital Europe (DE) delves into the ins and outs of the Standardisation Strategy and the effect it will have on areas such as AI and the EU-US Trade and Technology Council. INFOS & ANMELDUNG
28.04.2022 – 14:30-15:30 Uhr, online
KAS, Panel Discussion Think Digital! AI Act Status Update
The Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) invites panelists to address the question how to balance potential risks and benefits of industrial AI in horizontal regulation. INFOS & REGISTRATION
03.05.-05.05.2022, Barcelona/online
MTE, Conference Med Tech Forum 2022
Med Tech Europe (MTE) offers onsite networking, plenary and parallel sessions and exhibitions. INFOS & REGISTRATION
Die Bundesregierung schafft mit einer Gesetzesänderung die Grundlagen, um in einer Mangellage andere EU-Staaten mit Gaslieferungen unterstützen zu können. “Künftig kann die Bundesregierung dafür auch die Maßnahmen nach dem Energiesicherungsgesetz anwenden, wenn ein anderer Mitgliedstaat in eine solche Energiekrise gerät und Deutschland nach den Vorgaben der EU-SoS-Verordnung um Unterstützung bittet”, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Montag mit. Wegen der besonderen Eilbedürftigkeit beschloss das Kabinett mehrere Gesetzesänderungen als Formulierungshilfe für die Regierungsfraktionen im schriftlichen Umlaufverfahren. Üblicherweise tagt das Kabinett nur mittwochs.
Für marktbasierte Solidaritätsmaßnahmen sollen Bilanzkreisverantwortliche und Endverbraucher künftig über eine neue digitale Sicherheitsplattform anderen Mitgliedstaaten Gas anbieten können. Für nicht-marktbasierte Maßnahmen kann die Bundesnetzagentur Einschränkungen des Energieverbrauchs anordnen.
Für genauere Regelungen enthält die Gesetzesänderung eine Verordnungsermächtigung. Zur Regelung dieser Solidaritätslieferungen verhandele Deutschland mit seinen acht EU-Nachbarn und Italien bilaterale Abkommen, heißt es in der Gesetzesbegründung. Darin würden auch Entschädigungen für Gewerbe- und Industriebetriebe vereinbart, die ihren Verbrauch einschränken, um geschützte Kunden in anderen Mitgliedsstaaten zu versorgen.
Auch für Mängel in der Versorgung mit anderen Energieträgern werden in der Novelle Vorkehrungen getroffen. Künftig sollen zum Beispiel für Stromerzeugungsanlagen Ausnahmen von Vorschriften nach dem Natur- und Immissionsschutzrecht möglich sein, um die Energieversorgung zu sichern. Beispielhaft wird in der Begründung der nächtliche Betrieb von Windenergieanlagen genannt, die Verbrennung von Kohlen anderer Qualität oder der Betrieb von Gaskraftwerken mit anderen Energieträgern.
Denkbar seien auch Energieeinsparmaßnahmen im Verkehrsbereich und insbesondere im Pendelverkehr. “So kann es möglich und notwendig sein, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten anbieten müssen, die Büroarbeit oder vergleichbare Arbeiten in deren Wohnungen zu erledigen, wenn dem keine betrieblichen Gründe entgegenstehen und Beschäftigte verpflichtet werden, das Angebot anzunehmen, soweit ihnen dies möglich ist”, heißt es in der Gesetzesbegründung. Ausnahmen sollen aber sowohl für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gelten. Für Beschäftigte genüge eine formlose Mitteilung über die Gründe.
Mögliche Ausfälle der Versorgung mit Kraftstoffen standen bislang nicht im Zentrum der Befürchtungen rund um einen Ausfall russischer Lieferungen. Nach bisherigen Darstellungen ging das Bundeswirtschaftsministerium davon aus, bis Ende des Jahres auf russische Öllieferungen verzichten zu können. Unterdessen hat das russische Unternehmen Rosneft Schwierigkeiten, Öl an Staaten außerhalb der EU zu verkaufen. Rosneft sei damit gescheitert, 6,5 Millionen Tonnen Öl gegen Zahlung in Rubel zu versteigern, meldete Reuters am Montag. ber/rtr
Peter Liese (EVP, DE), Berichterstatter des EU-Parlaments für die Reform des europäischen Emissionshandels (ETS), hat am Montag einen möglichen Kompromiss mit den Schattenberichterstatter:innen diskutiert. Sein Vorschlag, der Europe.Table in einer Vorab-Version vorliegt, bezieht sich ausschließlich auf die Einführung eines zweiten EU-Emissionshandels für das Heizen von Gebäuden und den Straßenverkehr (ETS 2). Er habe in den letzten Wochen viele Gespräche geführt und sei überzeugt, dass das Parlament genauso wie der Rat einen Kompromiss finden wird, erklärte Liese gegenüber Europe.Table.
Liese will übergangsweise bis 2029 eine Preisobergrenze von 55 Euro pro Tonne CO2 für den ETS 2 einführen, um eine zu starke Belastung der Verbraucher:innen zu vermeiden. Wird die Preisobergrenze erreicht, sollen über drei Monate 10 Millionen CO2-Emissionszertifikate aus der Marktstabilitätsreserve auf den Markt gespült werden, um den Preis zu drücken. Außerdem spricht er sich für einen sogenannten “Warnpreis” von 45 Euro pro Tonne aus. Wird dieser überschritten, sollen EU und Mitgliedstaaten “unverzüglich weitere Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen ergreifen”, um zu verhindern, dass die Preisobergrenze erreicht wird.
Hersteller von Öl und Gas sollen zudem verpflichtet werden, einen Teil der Kosten des ETS 2 aufzufangen. Hiermit reagiere man vor allem auf die Berichte über Mitnahmeeffekte in Zeiten hoher Energiepreise, so Liese. Seit Herbst 2021, als sowohl Energiepreise als auch der CO2-Preis stark anstieg, war die Kritik am ETS 2 immer lauter geworden, da die Kosten an Konsumenten weitergegeben werden könnten. Laut Lieses Kompromiss sollen Unternehmen nur die Hälfte der Kosten des CO2-Preises an Endkonsumenten weitergeben können. Die Kommission solle dies überprüfen und gegebenenfalls Strafen verhängen.
Darüber hinaus soll die Einführung des Klimasozialfonds um zwei Jahre vorgezogen werden, sodass “einkommensschwache Familien länger Zeit haben, sich auf die Herausforderungen des ETS 2 einzustellen”. Zudem stellt Liese in seinem Kompromiss klar, dass bei steigenden CO2-Preisen auch die verfügbaren Mittel des Klimasozialfonds steigen. Mitgliedstaaten sollen ihre Einnahmen aus dem Verkauf der ETS 2-Zertifikate demnach vollständig für die Finanzierung ihrer nationalen Klimasozialpläne und anderer sozialen Maßnahmen einsetzen.
Gegenüber seinem Berichtsentwurf hat Peter Liese den Anwendungsbereich des ETS 2 wieder reduziert (Europe.Table berichtete). Emissionen aus Landwirtschaft und Fischerei hat er herausgenommen. Der private Schiffsverkehr und Prozesswärme bleiben allerdings auch in seinem Kompromiss erhalten. Die Kommission hat diese beiden Sektoren nicht berücksichtigt. Laut Liese sei dies “insbesondere für die deutsche Wirtschaft wichtig, da sie durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz einbezogen ist”.
Liese hatte in seinem Berichtsentwurf auch ein sogenanntes “Opt-Out” für den ETS 2 vorgeschlagen – also die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, erst zwei Jahre später in den zweiten Emissionshandel einzusteigen. Diesen Vorschlag hat er nun vom Tisch genommen, da er glaube, dass andere Elemente wichtiger seien, um einen Kompromiss zu erzielen. luk
Der Vorschlag für ein sechstes Sanktionspaket dürfte erst nächste Woche vorliegen. Die EU-Kommission werde am Mittwoch den Ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten (AstV) ihre Vorstellungen präsentieren, wie sie vorgehen wolle, heißt es aus EU-Kreisen. In einem zweiten Schritt werde Brüssel dann mit einzelnen Mitgliedstaaten den Spielraum etwa mit Blick auf das besonders umstrittene Thema Ölembargo ausloten. Die Kommission habe kein Interesse, ein Paket vorzuschlagen, das dann nicht die Unterstützung der Mitgliedstaaten habe.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat in Interviews mit verschiedenen europäischen Zeitungen beklagt, dass die nötige Einstimmigkeit für ein Ölembargo fehle. Bei der EU-Kommission scheint man über die Aussagen des Chefdiplomaten wenig erfreut zu sein. Die EU war bisher stolz auf Tempo und Geschlossenheit bei den Sanktionen gegen Russland. Borrells Aussagen machen deutlich, dass die Einigkeit immer schwieriger zu erreichen ist. Tatsächlich soll bisher neben den drei baltischen Staaten und Polen nur noch Irland für ein sofortiges Ölembargo sein.
Die Mehrheit argumentiert, dass Sanktionen der EU nicht mehr schaden dürfen als Putins Regime. Ein sofortiges Embargo hätte zudem global negative Auswirkungen, so EU-Kreise: Beim sofortigen Embargo müssten die Europäer Öl auf dem Weltmarkt einkaufen und würden dort die Preise in die Höhe treiben. Wahrscheinlicher sei deshalb ein schrittweiser Ausstieg. Einzelne Mitgliedstaaten könnten dabei ihr eigenes Tempo bestimmen.
Deutschland will zum Beispiel ab nächstem Jahr kein russisches Öl mehr importieren, wie Außenministerin Baerbock letzte Woche in Riga in Aussicht stellte. Vorstellbar sei auch, bei einzelnen Ölsorten schneller aussteigen, heißt es in Brüssel. Als Teil des sechsten Sanktionspakets könnten auch weitere Warengruppen mit einem Importverbot belegt, zusätzliche Banken vom Zahlungsdienstleister Swift ausgeschlossen und Einreise- beziehungsweise Kontensperren gegen weitere Personen aus Putins Umfeld verhängt werden. sti
Die Europäische Kommission hat gestern den Jahresbericht über das Schnellwarnsystem für Produktsicherheit veröffentlicht. Kraftfahrzeuge und Spielzeug waren demnach im Jahr 2021 die am häufigsten im “Safety Gate” als gefährlich gemeldeten Produkte. Auch Gesichtsmasken und andere medizinische Schutzausrüstung stufte das Warnsystem besonders häufig als gefährlich ein.
Über das Safety Gate tauschen die EU-Mitgliedstaaten, das Vereinigte Königreich und die EU-Kommission Warnungen über Non-Food-Produkte aus, welche die Gesundheit oder Sicherheit der Verbraucher:innen gefährden. Im vergangenen Jahr meldeten die Behörden laut Jahresbericht insgesamt 2142 Warnungen. Die Kategorie “Kraftfahrzeuge” führt zum ersten Mal die Liste der gemeldeten Produkte an, meist handelte es sich hier um Rückrufe aufgrund technischer Probleme. Meldungen von Spielzeugen betrafen vor allem darin enthaltene Chemikalien und Knopfbatterien.
Um die immer stärkere Nutzung von Online-Shopping-Plattformen zu berücksichtigen, startete die Kommission gestern außerdem den “Web Crawler”. Das neue Instrument soll Online-Angebote von Produkten erkennen, die im Safety Gate als gefährlich gemeldet wurden, und automatische Listen erstellen. Auf dieser Grundlage können nationale Behörden dann Anbietern anordnen, die gemeldeten Produkte zurückzunehmen.
Der EU-Kommissar für Justiz und Verbraucherschutz, Didier Reynders, bezeichnete Safety Gate als “wesentliches Instrument zum Schutz der Verbraucher”. Das System habe auch dazu beigetragen, dass die Ausrüstung zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie den höchsten Standards entsprochen habe.
Verbraucherverbände sehen die hohe Zahl von Warnmeldungen hingegen als erschütterndes Signal für Konsument:innen. “Diese Zahlen sollten ein Weckruf für die europäischen Regulierungsbehörden sein, sich in den kommenden Monaten auf eine ehrgeizige neue Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit zu einigen, die die Verbraucher tatsächlich schützt”, sagte Monique Goyens, Generaldirektorin des europäischen Verbraucherverbands BEUC. leo
In der Europäischen Union könnten künftig gleich ganze Gruppen gesundheitsgefährdender und umweltschädlicher Chemikalien verboten werden. Ein entsprechender Fahrplan, die Restrictions Roadmap, ist am Montag von der EU-Kommission in Brüssel veröffentlicht worden.
Die Umweltorganisation EEB begrüßte den Plan. Er sei eine politische Verpflichtung, bestehende Gesetze zu nutzen, um Stoffe, die häufig mit Krebs in Verbindung gebracht werden, zu verbieten, teilte das Europäische Umweltbüro mit. Dies gelte auch für sogenannte Bisphenole, die häufig in Kunststoffen verwendet würden, aber die menschlichen Hormone störten. Außerdem seien alle Formen von PVC, dem am wenigsten recycelbaren Kunststoff, der große Mengen giftiger Zusatzstoffe enthalte, betroffen.
Der Verbotsprozess für die Chemikalien werde innerhalb von zwei Jahren beginnen. Bis 2030 werden den Angaben der Umweltorganisation zufolge alle Stoffe auf der Liste verschwunden sein. Eigentlich würden Chemikalien auf EU-Ebene einzeln reguliert, jedoch sei dieser Ansatz nicht mehr schnell genug, da bereits 2016 weltweit alle 1,4 Sekunden eine neue Chemikalie entwickelt worden sei.
Das Vorhaben ist Teil der vor rund eineinhalb Jahren von der EU-Kommission vorgestellten Chemikalien-Strategie. Schädliche Chemikalien sollen in Europa aus Alltagsprodukten wie Spielzeug, Kosmetik, Waschmitteln oder Textilien verbannt werden. Die EU hat bereits seit 2007 ein umfassendes System zur Registrierung von Chemikalien, genannt REACH. Es soll nun überarbeitet und besser durchgesetzt werden. leo/dpa
Die EU wird mit Indien wieder über ein Freihandelsabkommen sprechen. Das kündigte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Montag bei einem Besuch in Indien an. Erste Gespräche sollen im Juni stattfinden. Die Beziehung zwischen der EU und Indien sei eine der wichtigsten des kommenden Jahrzehnts und eine stärkere Partnerschaft eine Priorität der EU. Bereits jetzt sei die EU Indiens drittwichtigster Handelspartner.
Seit Jahren versuchen die EU und Indien auch ein Freihandelsabkommen zu vereinbaren. Bereits vor einem Jahr hieß es, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen würden. Diese Ankündigung wird nun in die Tat umgesetzt. Seit 2007 laufen Gespräche zwischen Indien und der EU. Sie lagen seit 2013 mehr oder weniger auf Eis. Hürden waren aus deutscher Sicht etwa Schutzmaßnahmen für den indischen Autosektor oder die Pharmabranche.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fordert, dass Bewegung in die Verhandlungen kommt. “In der aktuellen weltpolitischen Lage ist es notwendig, dass die EU die seit langem stockenden Gespräche zu einem Handelsabkommen mit Indien wieder aktiviert”, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der Deutschen Presse-Agentur. dpa
Elon Musk hat am Montag den Kauf von Twitter für 44 Milliarden Dollar abgeschlossen. Damit geht die Kontrolle über die Social-Media-Plattform, die von Millionen von Nutzern und weltweit führenden Persönlichkeiten genutzt wird, auf den reichsten Menschen der Welt über.
Es ist ein wegweisender Moment für das 16 Jahre alte Unternehmen, das sich zu einem der einflussreichsten öffentlichen Kanäle der Welt entwickelt hat und nun vor einer Reihe von Herausforderungen steht. Die Diskussionen über den Deal, der in der vergangenen Woche noch ungewiss schien, nahmen am Wochenende Fahrt auf, nachdem Musk die Twitter-Aktionäre mit Finanzierungsdetails seines Angebots umworben hatte.
Unter Druck begann Twitter, mit Elon Musk zu verhandeln, um das Unternehmen zu dem vorgeschlagenen Preis von 54,20 Dollar pro Aktie zu kaufen. “Die freie Meinungsäußerung ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden”, sagte Musk in einer Erklärung.
Die Twitter-Aktien stiegen nach dieser Nachricht um etwa 6 Prozent. Musk hat bereits angekündigt, den US-Konzern von der Börse nehmen zu wollen. rtr
Die EU-Kommission will im Herbst ihren lang erwarteten Vorschlag für ein Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit vorlegen. Es werde davon ausgegangen, dass im September eine Vorlage für ein eigenständiges Gesetz präsentiert werden könne, teilte eine Vertreterin der EU-Generaldirektion für Handel am Montag im Handelsausschuss des Europaparlaments mit. Die EU-Kommission arbeite derzeit an einem detaillierten Konzept, genauere Angaben zum Inhalt des Importverbots gebe es jedoch noch nicht.
Das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit müsse sich auf einen robusten Rahmen und internationale Standards stützen. Dass einzelne Länder wie China durch die Gesetzgebung herausgepickt würden, müsste vermieden werden.
Das Importverbot für Waren, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden, war vergangenes Jahr von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen während ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union angekündigt worden. Eigentlich wurde davon ausgegangen, dass das Importverbot Teil des EU-Lieferkettengesetzes werden würde – der von der Brüsseler Behörde vorgelegte Entwurf dazu ließ das Einfuhrverbot dann jedoch außen vor (Europe.Table berichtete).
Offen sei vor allem noch die Frage, wie mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bei dem Importverbot umgegangen werde. Es müsse verhältnismäßig gestaltet werden. KMU auszuschließen, sei aber auch nicht “die beste Antwort”, erklärte die Beamtin vor dem Ausschuss.
Das EU-Lieferkettengesetz lässt KMU weitgehend außen vor. Der Entwurf der EU-Kommission sieht mehrere Grenzen vor: Firmen in der EU sind betroffen, wenn sie weltweit einen Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erwirtschaften und mehr als 500 Mitarbeitende haben. Strengere Regeln gibt es für Unternehmen, die in Sektoren arbeiten, bei denen das Risiko von Ausbeutung und Umweltzerstörung höher ist. Hier sind 250 Angestellte und ein Umsatz von 40 Millionen Euro vorgesehen. ari
Nicht nur in puncto Verteidigung, sondern auch im Bereich Energie und Resilienz bietet ein einheitlicher Binnenmarkt das Verbesserungspotenzial, das wir heute brauchen. Und der Vertrag sieht es ausdrücklich vor in Artikel 194 AEUV. Die Europäische Union muss deshalb jetzt in folgenden vier Bereichen dringend handeln:
Die mit dem Einmarsch in die Ukraine wieder deutlich gewordene Abhängigkeit von russischem Erdgas – 75 Prozent des Bezugs von leitungsgebundenem Gas wird von EU-Staaten abgenommen – hat allen vor Augen geführt, dass der Europäische Energiebinnenmarkt integrativer gedacht und besser ausgestaltet werden muss. Nicht nur der sogenannte “Taxonomie”-Vorschlag der EU-Kommission, mit dem die Bonität von Energiearten unter finanzmarktrechtlichen Überlegungen bewertet werden soll, sondern auch die anderen Vorschläge des “Green Deal” gehen bereits wichtige Schritte in die richtige Richtung.
Deswegen ist jetzt der Moment gekommen, wo ein einheitlicher Energiebinnenmarkt geschaffen werden muss. Primärenergie und Elektrizität müssen mit starken und resilienten Netzen grenzüberschreitend europaweit zur Verfügung gestellt werden. Es bedarf einer Vertiefung der europäischen Energieinfrastruktur, um das System flexibel zu machen. Mit grenzüberschreitenden Verbindungen bilden wir ein europäisches Verbundnetz, in dem Strom über Landesgrenzen hinweg einfacher, effizienter und günstiger übertragen werden kann. Nur so kann Europa im 21. Jahrhundert seine Energieversorgung sicher, nachhaltig und bezahlbar vorhalten.
Schon vor Jahren hat das Europäische Parlament innerhalb des Forschungsrahmenprogramms mehr Mittel für die Verteidigungsforschung bereitgestellt. Damit ist das Parlament der Grundidee von Art. 296 AEUV gefolgt, der schon heute eine europaweite Ausschreibung von Verteidigungsgütern vorsieht. Leider haben die Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren vor allem nationale Interessen vorangestellt. Auch die deutsche Idee, das israelische Raketenabwehrsystem jetzt mit dem Sondervermögen nur für Deutschland anzuschaffen, zeugt von einer großen Naivität: Denn wie soll sich Deutschland verteidigen, wenn unsere Nachbarstaaten nicht auch sicher sind?
Wir brauchen also auch ein europäisches Kampfflugzeug, einen europäischen Panzer und eine europäische Drohne. Dafür müssen jetzt die richtigen Entscheidungen vorbereitet werden. Europa ist nur sicher, wenn alle sicher sind! Auch wenn es auf dem Weg zu einer Europäischen Armee noch weit ist, können zumindest bei der Ausrüstung endlich gemeinsame Projekte den Weg weisen!
Nach dem Abschluss der wettbewerbsrechtlichen Regeln im Gesetz über digitale Märkte, wodurch endlich die Durchsetzung der europäischen Regeln schneller angewendet werden können, kommt jetzt das Gesetz über digitale Dienste. Dadurch sollen künftig nur noch legale Inhalte auf den großen Internetplattformen verfügbar sein. Dass es daran bis heute Zweifel gibt, ist ein Armutszeugnis – zumal es sich bei den Betroffenen um die größten Unternehmen der Welt handelt. Angesichts des Aufwandes, den die Behörden – und im Falle der sogenannten “very large online platforms” (VLOPs): der Europäischen Kommission – mit der Aufsicht dieser Unternehmen haben, ist es keinesfalls unverhältnismäßig, dafür eine Verwaltungsgebühr zu verlangen. Denn: Wer den Binnenmarkt nutzen will, muss sich auch an der Einhaltung der Regeln beteiligen.
Europas innerer Zusammenhalt zeigt sich nirgendwo besser als an den ehemaligen Grenzen der Mitgliedstaaten. Diese Grenzen sind weitgehend aus dem Alltag verschwunden, aber sie sind noch immer organisatorische Barrieren in Situationen, wo bessere Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine ist ein Beispiel, das zeigt, dass guter Wille allein noch kein Konzept ist. Flüchtlinge, die aus der Ukraine kommen, benötigen einen unkomplizierten Bargeldwechsel von Hrywnia in Euro, auch müsste die digitale Selbstregistrierung der Ankommenden möglich gemacht werden. Aber auch die Covid-Krise hat gezeigt, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Gesundheitsfragen noch nicht auf der Höhe der Zeit ist.
Eine vorausschauende Nutzung der Ressourcen der Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten, eine abgestimmte Quarantänepolitik über Landesgrenzen hinweg, die Offenhaltung der Transportwege für medizinisches Material und Lebensmittel, aber auch für Krankenschwestern, OP-Ärzte und Servicetechniker ist in dieser Krise nicht so gelungen wie die Bürger das von der Europäischen Union erwarten dürfen. Deswegen muss die Europäische Kommission im Sommer mit dem sogenannten “Single Market Emergency Instrument” einen ambitionierten Vorschlag vorlegen, der die Interessen der Bürger in den Grenzregionen in den Mittelpunkt stellt.
Der Angriff auf die Ukraine hat eine große Solidarität der EU-Staaten gezeigt. Ob die Ukraine bald oder erst mittelfristig in die Europäische Union aufgenommen werden wird, hängt vor allem von den Mitgliedstaaten ab. Klar ist aber schon jetzt, dass die EU ihre Hausaufgaben machen muss, wenn sie mit den heutigen Herausforderungen erfolgreich umgehen will.
während Europa ob des Sieges Emmanuel Macrons in Frankreich weiter aufatmet, dürfte dem Präsidenten selbst kaum Zeit zum Durchatmen bleiben. Zum einen ist die Agenda der französischen Ratspräsidentschaft weiter vollgepackt mit bislang ungelösten Fragestellungen. Zum anderen stehen Macron Parlamentswahlen ins Haus. Um hier nicht noch mehr Stimmen an die Rechten um Marine Le Pen zu verlieren, muss Macron sich in den kommenden Wochen stärker auf die Innenpolitik konzentrieren, schreibt Eric Bonse.
Unter Handlungsdruck steht auch die Pharmabranche. Es werde hier bereits viel für die verantwortungsvolle und nachhaltige Produktion von Arzneimittel getan, heißt es aus der Branche. Bei den Themen Arzneimittelzugang und Preisgestaltung gibt es allerdings erheblichen Nachbesserungsbedarf angesichts der Tatsache, dass zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu Medikamenten hätten, wie Eugenie Ankowitsch analysiert.
Im Schnellverfahren hat die Bundesregierung gestern Änderungen am Energiesicherungsgesetz auf den Weg gebracht, um im Falle einer Energiekrise in Europa anderen Ländern mit Gaslieferungen aushelfen zu können. Die Novelle berücksichtigt aber auch die Versorgung mit anderen Energieträgern.
Auch beim zweiten Emissionshandelssystem für das Heizen von Gebäuden und den Straßenverkehr geht es voran. Berichterstatter des EU-Parlaments für die Reform des europäischen Emissionshandels Peter Liese (EVP, DE) hat den Schattenberichterstatter:innen gestern einen Kompromiss vorgelegt. Welche Punkte im Kompromiss keine Rolle mehr spielen und auf welche Liese besteht, lesen Sie in den News.
Die EU-Gegner sind nach der Präsidentschaftswahl nicht besiegt – im Gegenteil. Die ersten fünf Jahre unter Macron hätten Populisten und Extreme stärker gemacht, sagt der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU). “Macron ist wiedergewählt, sein politisches Konzept ist gescheitert”, so Weber. Der europäische Grünen-Sprecher Rasmus Andresen nennt das gute Abschneiden der Rechtspopulistin Marine Le Pen einen “Warnschuss für ganz Europa”. Die Führerin des “Rassemblement National” hatte bei der Stichwahl am vergangenen Sonntag rund 2,7 Millionen Stimmen mehr bekommen als beim letzten Duell mit Macron vor fünf Jahren.
Bei der Parlamentswahl im Juni könnte Le Pen sogar noch stärker werden, so die Sorge in Brüssel. Auch Linken-Chef Jean-Luc Mélenchon dürfte eine Revanche versuchen; er will sogar Premierminister werden. Macron werde sich deshalb in den nächsten Wochen auf die Innenpolitik konzentrieren, prophezeit ein EU-Diplomat. Um zu reüssieren, muss sich der Präsident in Paris eine stabile Mehrheit sichern.
Dabei wartet auf ihn in Brüssel eine vollgepackte Agenda. Schon in fünf Wochen (30./31. Mai) steht der nächste EU-Gipfel an. Dabei soll es – wie schon Anfang März in Versailles – um die Ukraine, aber auch um die Energiepolitik und um die Verteidigung gehen. Alle drei Probleme sind in der Zwischenzeit dringlicher geworden. Bei der Ukraine müsse man sich nun auf einen langen Krieg einstellen, sagt ein EU-Diplomat. Neben der militärischen rücke auch die humanitäre Koordinierung der EU-Staaten in den Vordergrund. Zudem gelte es, eine regionale oder globale Lebensmittelkrise zu verhindern.
In der Energiepolitik setzt Paris große Hoffnungen auf die EU-Kommission. Sie soll nicht nur einen Vorschlag für ein Ölembargo vorlegen, sondern auch ein Konzept zum Ausstieg aus allen fossilen russischen Energieträgern erarbeiten. Außerdem wird bis zum Gipfel ein Vorschlag zur Reform des europäischen Energiemarkts erwartet.
Bis zum letzten regulären Gipfel unter französischer Präsidentschaft am 23. und 24. Juni könnte es außerdem eine erste gemeinsame Ausrichtung des Rates zur Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) geben. Das Auswärtige Amt in Berlin jedenfalls unterstützt mehr Tempo bei Erneuerbaren und Energieeffizienz. Die Kommission solle schnellere und höhere Ziele vorlegen, sagte am Montag Hinrich Thölken, Beauftragter für Energie- und Klimaaußenpolitik des Ministeriums.
Die Kommission hatte bereits ein höheres Ziel von 45 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 vorgeschlagen. Im EU-Parlament wird damit gerechnet, dass bis zur kommenden Woche geklärt wird, welche Amendments zur RED dafür nötig sein werden. Mit finalen Positionen des Rates zu Rechtsakten des Fit-for-55-Pakets ist bis zum Ende der französischen Ratspräsidentschaft aber nicht mehr zu rechnen.
In der Verteidigungspolitik geht es darum, europäische Investitionslücken zu schließen. Dabei müsse man die Gefahr einer Fragmentierung des Rüstungsmarkts vermeiden, so der EU-Diplomat. Paris macht sich Sorgen wegen der deutschen Entscheidung für den Kauf amerikanischer F35-Kampfjets; dies könne die Industrie in der EU schwächen. Europa-Staatsministerin Anna Lührmann teilt diese Sorge nicht. Die deutsch-französische Zusammenarbeit bei Rüstungsprojekten “dürfte einfacher werden, weil Deutschland jetzt mehr Geld bereitstellt”, sagte die Grünen-Politikerin der Nachrichtenagentur Reuters in Anspielung auf das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen der Bundeswehr.
Ähnlich sehe es in der Westbalkan-Politik aus: “Zum Westbalkan bekomme ich klare Signale aus Paris, dass man die Position wegen des dortigen russischen Einflusses verändert”, betont Lührmann. Bisher hatte Macron die Annäherung der Westbalkan-Staaten an die EU eher gebremst. Nun plant Frankreich einen Westbalkan-Gipfel.
Auf der Agenda steht zudem die Reform der EU-Defizitregeln, die Förderung von Frauen in Aufsichtsräten und die globale Mindeststeuer. Außerdem will Macron die Konferenz zur Zukunft der EU zu Ende bringen. Am 9. Mai werden die Ergebnisse präsentiert; danach will der französische EU-Vorsitz über das weitere Vorgehen entscheiden.
Die Konferenz müsse in einen Konvent münden und Vertragsänderungen vorbereiten, fordert der Rechtswissenschaftler Sven Simon. “Es wird darauf ankommen, dass sich Macron an seine Sorbonne-Rede erinnert”, so der CDU-Europaabgeordnete. Ähnlich äußerte sich Daniel Freund von den Grünen. Bisher gibt es für einen Konvent aber noch kein grünes Licht.
Auf der technologisch-regulatorischen Agenda der Ratspräsidentschaft finden sich zudem weitere Aspekte: Der vom französischen EU-Industriekommissar Thierry Breton vorangetriebene Chips Act wird derzeit in Rat und Parlament diskutiert, gleiches gilt für den Regulierungsvorschlag für Systeme mit sogenannter Künstlicher Intelligenz, hier sind die ersten Abschnitte des Verordnungsvorschlags bereits in der Ratsabstimmung.
Nur noch einführende Diskussionen dürfte die Ratspräsidentschaft zum Vorhaben eines besseren Kinderschutzes im Netz schaffen. Hier wird derzeit nach vielfacher Verschiebung für Mitte Mai ein Vorschlag der Kommission erwartet, die ersten Varianten fielen im Regulatory Scrutiny Board durch und erhielten zugleich unter dem Stichwort “Chatkontrolle” deutliche Kritik.
Ob der Vorschlag für eine europäische Regulierung zum Thema Medienfreiheit noch unter französischer Ratspräsidentschaft kommt, ist ebenfalls offen. Bislang nicht terminiert, aber noch für die erste Jahreshälfte vorgesehen, ist Bretons Vorschlag für mehr Cyberresilienz. Der Cyber Resilience Act soll unter anderem Internet of Things-Gerätehersteller und Anbieter von vernetzten Services stärker in die Pflicht nehmen.
Am 15. und 16. Mai soll in Frankreich die zweite Sitzung des Transatlantic Trade and Technology Council (TTC) stattfinden. Ziel des transatlantischen Forums ist eine intensivierte Zusammenarbeit bei wesentlichen Handels- und Technologiethemen, unter anderem bei Künstlicher Intelligenz, aber auch bei Lieferketten, Exportkontrollen und bei Standards.
Ausgeklammert aus dem TTC ist das Trans-Atlantic Data Privacy Framework: der neue Rahmen für die Übertragung personenbezogener Daten aus der EU in die USA, auf den sich EU-Kommission und US-Regierung Ende März grundsätzlich geeinigt hatten, wird separat be- und verhandelt. Hier steht eine Konkretisierung der verkündeten Einigung weiterhin vorerst aus, die in Nachfolge des vom EuGH für unzureichend befundenen Privacy Shield die Datentransfers rechtlich ermöglichen soll. Mit Falk Steiner, Manuel Berkel und Lukas Scheid
Nach dem deutschen Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz müssen Unternehmen sicherstellen, dass Menschenrechte und Umweltstandards über die gesamte Lieferkette hinweg eingehalten werden. Ab 2023 gilt es für Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten und ab 2024 für Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in Deutschland. Die EU-Kommission präsentierte Ende Februar 2022 nun den lang erwarteten Vorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz, der über die Anforderungen des deutschen Gesetzes hinausgeht. Es soll nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in allen globalen Wertschöpfungsketten fördern.
Nach der grünen Taxonomie prüft die EU-Kommission außerdem das nächste Nachhaltigkeitslabel: die sogenannte soziale Taxonomie. Der Runde Tisch für nachhaltige Finanzen, ein von der Kommission eingesetztes Expertengremium, gibt in seinem Bericht Empfehlungen, wie Unternehmen auf ihren sozialen Nutzen hin bewertet werden sollten. Pharmaunternehmen etwa sollten unter anderem nachweisen, wie gut der Zugang zu ihren Medikamenten weltweit ist und ob sie erschwinglich sind.
Auf den ersten Blick scheint die Pharmaindustrie in einer guten Position zu sein, um die wachsenden Anforderungen im sogenannten ESG-Bereich (Environmental, Social, Governance) zu erfüllen: Im Vergleich zu anderen Branchen ist Pharma hoch reglementiert, verfügt über ausgefeilte Qualitätsmanagement-Systeme sowie teilweise dauerhafte und enge Lieferantenbeziehungen.
Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) betont, dass viele Unternehmen zur Umsetzung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen (VN) internationale Codes of Conduct und Lieferantenverträge besäßen, in denen sie sich und ihre Partner zur Achtung von Menschenrechten verpflichten. Außerdem gebe es zahlreiche nationale und supranationale Brancheninitiativen mit Blick auf nachhaltiges Lieferkettenmanagement und verantwortungsvolle Beschaffung, in denen deutsche Unternehmen aktiv seien.
Obwohl die Pharmaindustrie ganz wesentlich zum gesellschaftlichen Fortschritt beiträgt, steht sie dennoch immer wieder mit Umweltverschmutzung sowie politischen und finanziellen Skandalen in Verruf. “Wir stellen Produkte her, die Menschen helfen”, betont BAH-Geschäftsführer Elmar Kroth im Gespräch mit Europe.Table. “Dass man uns oft negativ darstellt, ist wirklich erschütternd.” Die Unternehmen würden sich nach Kräften bemühen, möglichst wenig Rohstoffe und Energie zu verbrauchen, die Emissionen zu reduzieren. Im Vergleich zu anderen Branchen stehe die Pharmaindustrie im ESG-Bereich sehr gut da, lautet sein Fazit.
Auf das Thema Arzneimittelzugang und Preisgestaltung, das im globalen Streben nach Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt, angesprochen, redet Kroth allerdings lieber über das soziale Engagement der Pharmaunternehmen in den Produktionsländern. Als Beispiel nennt er den Bau von Kindergärten, damit die Mütter, die in der Erntezeit viel Zeit auf dem Feld verbringen, ihre Kinder gut betreut wissen.
Doch in einer globalen Gesellschaft, die mit wachsender Ungleichheit konfrontiert ist, kann sich die Pharmabranche mit dem Bau von Kindergärten und anderen Charity-Projekten wohl kaum aus der sozialen Verantwortung stehlen. Vor allem in Entwicklungsländern brauchen die Menschen Zugang zu erschwinglichen Medikamenten. Aber auch in Europa gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern (Europe.Table berichtete), wie eine aktuelle Erhebung des europäischen Dachverbandes der Pharmaunternehmen EFPIA ergab.
Lange Zeit galt die Aufmerksamkeit vor allem dem Zugang zu Medikamenten gegen Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Malaria und HIV. In den vergangenen Jahren hat sich die Diskussion jedoch auf nicht-übertragbare Krankheiten (NCDs) Krankheiten und auf neue Regionen ausgedehnt. Bei der Entwicklung von Therapien konzentrieren sich Pharmaunternehmen jedoch oft auf solvente Märkte. Für den Vertrieb der Medikamente auch in anderen Märkten bestehen für die Konzerne kaum Anreize.
Einige Pharmaunternehmen geben inzwischen an, bei neuen Medikamenten in der Pipeline eine Strategie für die Zugänglichkeit in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen mitzuentwickeln. Novartis war das erste Unternehmen mit einer systematischen Zugangsplanung. Laut Access to Medicine Index 2021 gesellten sich inzwischen AstraZeneca, GSK, Johnson & Johnson, Merck, Pfizer, Sanofi und Takeda dazu. Produkte, die bereits auf dem Markt sind, werden jedoch weitgehend übersehen, wenn es darum geht, den Zugang zu verbessern, betonen die Experten der Access to Medicine Foundation. Weltweit hätten zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu den Medikamenten, die sie benötigen.
Zuletzt gab es viele Kontroversen rund um die Preise und die Verfügbarkeit von COVID-19-Impfstoffen. Zunächst wurde die Pharmaindustrie von vielen als Retter wahrgenommen und hatte die Chance zum Imagewechsel. Doch diese Chance wurde vertan. Zuletzt wurde öffentlich, wie der Pharmagigant Pfizer seine Marktmacht dazu genutzt hat, die Gewinne zu maximieren und die Risiken zu begrenzen.
Eigentlich sind die Verträge streng geheim. Doch eine New Yorker Bürgervereinigung namens Public Citizen erhielt Zugang zu neun dieser Vereinbarungen und legte in einem Bericht offen, wie Pfizer als einer der weltweit führenden Hersteller von COVID-19-Impfstoffen seine Macht ausübte, um Regierungen zum Schweigen zu bringen, das Angebot zu drosseln, Risiken zu verlagern und die Gewinne inmitten einer Pandemie zu maximieren.
Im Mai vergangenen Jahres schloss die EU mit Pfizer einen Vertrag über den Kauf von 1,8 Milliarden Impfdosen, ebenfalls unter strenger Geheimhaltung. Seitdem versuchen die Abgeordneten des Europäischen Parlaments die Verträge einzusehen – bisher vergeblich. In einer parlamentarischen Anfrage wollten einige Abgeordnete Anfang Februar etwa von der EU-Kommission wissen, warum Teile der Vertragstexte geheim gehalten werden und ob die Kommission beabsichtigt, die vollständigen Vertragstexte bekannt zu machen. Die Antwortfrist läuft am 3. Mai ab.
Vor wenigen Tagen haben die Grünen/EFA-Mitglieder Jutta Paulus, Tilly Metz, Margrete Auken, Michèle Rivasi und Kim van Sparrentak beim Europäischen Gerichtshof eine Klage gegen die Europäische Kommission eingereicht (Europe.Table berichtete). “Die Weigerung der Europäischen Kommission, die Impfstoffverträge transparent zu machen, beeinträchtigt das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Fähigkeit der EU-Kommission, in Handelsabkommen mit der Pharmaindustrie die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt zu stellen”, sagte Tilly Metz. So wird der strahlende Retter wieder zum Bösewicht.
Zu den wichtigsten Aspekten im Bereich Umweltschutz gehören in der Pharmabranche der hohe Energieverbrauch, globale Lieferketten, Rückstände bei der Produktion pharmazeutischer Produkte in der Umwelt und große Mengen an Verpackungsmüll. Einige Unternehmen machen Fortschritte, vor allem beim Wasser- und Energieverbrauch. So konnte Sanofi eigenen Angaben nach zwischen 2015 und 2020 die CO2-Emissionen um über 27 Prozent reduzieren. Roche soll den Wasserverbrauch pro Mitarbeitenden seit 2015 um über 25 Prozent gesenkt haben.
Doch die Zahlen beziehen sich auf die großen Konzerne und ihre eigenen Anlagen. Immer häufiger werden Arzneimittel, vor allem aber ihre Vorprodukte, von Unternehmen in Drittstaaten, häufig in China und Indien produziert. Der BAH-Geschäftsführer Elmar Kroth schränkt die Verantwortung der westlichen Pharmaunternehmen für die Einhaltung von Umweltstandards in diesen Produktionsländern jedoch ein. Die Produktion in Drittländern unterliege nun mal den nationalen Gesetzen, sagt er. “Wir als Hersteller haben zwar detaillierte Anforderungen an die Produkte, die wir aus diesen Ländern beziehen. Darauf, wie dortige Unternehmen beispielsweise mit dem Abwasser umgehen, haben wir aber einen relativ geringen Einfluss.”
Es sei fraglich, ob europäische Firmen überhaupt in der Lage seien, von ihren Vorlieferanten die notwendigen Auskünfte zu bekommen, meint Kroth angesichts der gesetzlichen Vorschriften, die in den nächsten Jahren auf die Industrie zukommen. Denn die Lieferketten könnten unter Umständen sehr lang sein. Er räumt jedoch ein, dass es in einigen Anlagen durchaus Handlungsbedarf gebe.
Wie groß dieser Bedarf ist, haben die Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung an einem der größten indischen Pharmastandorte Hyderabad Ende 2019 offengelegt. Dort lassen fast alle großen deutschen Generikahersteller – wie Ratiopharm, Hexal oder Stada – Wirkstoffe produzieren. Die Reporter sind mit Unterstützung von Wissenschaftlern dem Verdacht nachgegangen, dass die Pharmaunternehmen Abwässer in die Umwelt leiten. Der mutmaßliche Grund: die Kosten. Denn die Aufbereitung von Resten aus der Herstellung von Medikamenten ist extrem aufwändig und teuer.
Die entnommenen Proben wurden anschließend vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Nürnberg auf Rückstände von insgesamt 25 verschiedenen Medikamenten untersucht. Die Wissenschaftler fanden Antibiotika sowie Pilzmedikamente in den Gewässern in teils hundertfach oder gar mehrere Tausend Mal über vorgeschlagenen Grenzwerten für die jeweiligen Substanzen vor. Der renommierte, schwedische Umweltpharmakologe Joakim Larsson sagte dem NDR, viele der gemessenen Werte seien so hoch, dass es keine andere vernünftige Erklärung dafür gebe als Industrieabwässer.
Wer meint, dass die mit Antibiotika verseuchten Gewässer in Hyderabad Europa nicht gefährlich werden könnten, irrt gewaltig. Wenn Antibiotika in die Umwelt gelangen, entwickeln Bakterien, die dort leben, Resistenzen. Antibakterielle Resistenzen sind eine der größten Herausforderungen der Zukunft (Europe.Table berichtete).
27.04.2022 – 10:00-11:30 Uhr, online
Hydrogene Europe, Seminar Hydrogen Talk
The seminar will bring together representatives of truck manufacturers, end-users, representatives of hydrogen refueling station system providers, and civil society. INFOS & REGISTRATION
27.04.2022 – 11:00-12:00 Uhr, online
Medical Valley, Seminar Risikomanagement und IT-Sicherheit bei DiGA: Vorgehen, Erfahrungen und Tipps aus der Praxis
Medical Valley umreißt die Cybersicherheitsnormen und technischen Richtlinien für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) und gibt praktische Tipps zum Vorgehen bei einer Risikoanalyse. INFOS & ANMELDUNG
27.04.2022 – 13:45-19:15 Uhr, online
Die Zeit, Konferenz Die grüne Transformation: Wie gestalten wir den Wandel in Wirtschaft & Gesellschaft?
Die Zeit lädt Expert:innen aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft ein, Ideen, Ansätze und Lösungen für die grüne Transformation zu diskutieren. INFOS & ANMELDUNG
27.04.2022 – 15:00-16:30 Uhr, online
FSR, Panel Discussion The EU’s hydrogen accelerator – What steps should be taken?
The Florence School of Regulation (FSR) addresses the question how to trigger investments and developments in the hydrogen sector. INFOS & REGISTRATION
27.04.2022 – 18:00-20:00 Uhr, online
HWK, Seminar Ab in die Tonne! Elektrogeräte, Batterien und Akkus und die Anforderungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes
Die Handwerkskammer (HWK) erläutert die aktuellen und kommenden gesetzlichen Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft. INFOS & ANMELDUNG
27.04.2022 – 19:00 Uhr, Hamburg
Körber Forum, Podiumsdiskussion Kryptowährungen: Fluch oder Segen?
Die Podiumsdiskussion der Körber-Stiftung geht der Frage nach, welche Vor- und Nachteile die Kryptowährung Bitcoin für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringt. INFOS & ANMELDEN
28.04.-29.04.2022, online
ERA, Seminar Digital Contracts and Data-Trading
The Europäische Rechtsakademie (ERA) discusses how EU private law can respond to the requirements of the data economy and the use of artificial intelligence. INFOS & REGISTRATION
28.04.2022 – 13:00-17:00 Uhr, online
Next, Konferenz Frühjahrskonferenz 2022
Next trifft sich zur Frühjahrskonferenz, um den ressort- und ebenen-übergreifenden Austausch zu fördern und die digitale Transformation der Verwaltung zu gestalten. INFOS & ANMELDUNG
28.04.2022 – 14:00-15:30 Uhr, online
DE, Conference Digital Deep Dive – A Standardisation Strategy for a Global Europe
Digital Europe (DE) delves into the ins and outs of the Standardisation Strategy and the effect it will have on areas such as AI and the EU-US Trade and Technology Council. INFOS & ANMELDUNG
28.04.2022 – 14:30-15:30 Uhr, online
KAS, Panel Discussion Think Digital! AI Act Status Update
The Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) invites panelists to address the question how to balance potential risks and benefits of industrial AI in horizontal regulation. INFOS & REGISTRATION
03.05.-05.05.2022, Barcelona/online
MTE, Conference Med Tech Forum 2022
Med Tech Europe (MTE) offers onsite networking, plenary and parallel sessions and exhibitions. INFOS & REGISTRATION
Die Bundesregierung schafft mit einer Gesetzesänderung die Grundlagen, um in einer Mangellage andere EU-Staaten mit Gaslieferungen unterstützen zu können. “Künftig kann die Bundesregierung dafür auch die Maßnahmen nach dem Energiesicherungsgesetz anwenden, wenn ein anderer Mitgliedstaat in eine solche Energiekrise gerät und Deutschland nach den Vorgaben der EU-SoS-Verordnung um Unterstützung bittet”, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Montag mit. Wegen der besonderen Eilbedürftigkeit beschloss das Kabinett mehrere Gesetzesänderungen als Formulierungshilfe für die Regierungsfraktionen im schriftlichen Umlaufverfahren. Üblicherweise tagt das Kabinett nur mittwochs.
Für marktbasierte Solidaritätsmaßnahmen sollen Bilanzkreisverantwortliche und Endverbraucher künftig über eine neue digitale Sicherheitsplattform anderen Mitgliedstaaten Gas anbieten können. Für nicht-marktbasierte Maßnahmen kann die Bundesnetzagentur Einschränkungen des Energieverbrauchs anordnen.
Für genauere Regelungen enthält die Gesetzesänderung eine Verordnungsermächtigung. Zur Regelung dieser Solidaritätslieferungen verhandele Deutschland mit seinen acht EU-Nachbarn und Italien bilaterale Abkommen, heißt es in der Gesetzesbegründung. Darin würden auch Entschädigungen für Gewerbe- und Industriebetriebe vereinbart, die ihren Verbrauch einschränken, um geschützte Kunden in anderen Mitgliedsstaaten zu versorgen.
Auch für Mängel in der Versorgung mit anderen Energieträgern werden in der Novelle Vorkehrungen getroffen. Künftig sollen zum Beispiel für Stromerzeugungsanlagen Ausnahmen von Vorschriften nach dem Natur- und Immissionsschutzrecht möglich sein, um die Energieversorgung zu sichern. Beispielhaft wird in der Begründung der nächtliche Betrieb von Windenergieanlagen genannt, die Verbrennung von Kohlen anderer Qualität oder der Betrieb von Gaskraftwerken mit anderen Energieträgern.
Denkbar seien auch Energieeinsparmaßnahmen im Verkehrsbereich und insbesondere im Pendelverkehr. “So kann es möglich und notwendig sein, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten anbieten müssen, die Büroarbeit oder vergleichbare Arbeiten in deren Wohnungen zu erledigen, wenn dem keine betrieblichen Gründe entgegenstehen und Beschäftigte verpflichtet werden, das Angebot anzunehmen, soweit ihnen dies möglich ist”, heißt es in der Gesetzesbegründung. Ausnahmen sollen aber sowohl für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber gelten. Für Beschäftigte genüge eine formlose Mitteilung über die Gründe.
Mögliche Ausfälle der Versorgung mit Kraftstoffen standen bislang nicht im Zentrum der Befürchtungen rund um einen Ausfall russischer Lieferungen. Nach bisherigen Darstellungen ging das Bundeswirtschaftsministerium davon aus, bis Ende des Jahres auf russische Öllieferungen verzichten zu können. Unterdessen hat das russische Unternehmen Rosneft Schwierigkeiten, Öl an Staaten außerhalb der EU zu verkaufen. Rosneft sei damit gescheitert, 6,5 Millionen Tonnen Öl gegen Zahlung in Rubel zu versteigern, meldete Reuters am Montag. ber/rtr
Peter Liese (EVP, DE), Berichterstatter des EU-Parlaments für die Reform des europäischen Emissionshandels (ETS), hat am Montag einen möglichen Kompromiss mit den Schattenberichterstatter:innen diskutiert. Sein Vorschlag, der Europe.Table in einer Vorab-Version vorliegt, bezieht sich ausschließlich auf die Einführung eines zweiten EU-Emissionshandels für das Heizen von Gebäuden und den Straßenverkehr (ETS 2). Er habe in den letzten Wochen viele Gespräche geführt und sei überzeugt, dass das Parlament genauso wie der Rat einen Kompromiss finden wird, erklärte Liese gegenüber Europe.Table.
Liese will übergangsweise bis 2029 eine Preisobergrenze von 55 Euro pro Tonne CO2 für den ETS 2 einführen, um eine zu starke Belastung der Verbraucher:innen zu vermeiden. Wird die Preisobergrenze erreicht, sollen über drei Monate 10 Millionen CO2-Emissionszertifikate aus der Marktstabilitätsreserve auf den Markt gespült werden, um den Preis zu drücken. Außerdem spricht er sich für einen sogenannten “Warnpreis” von 45 Euro pro Tonne aus. Wird dieser überschritten, sollen EU und Mitgliedstaaten “unverzüglich weitere Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen ergreifen”, um zu verhindern, dass die Preisobergrenze erreicht wird.
Hersteller von Öl und Gas sollen zudem verpflichtet werden, einen Teil der Kosten des ETS 2 aufzufangen. Hiermit reagiere man vor allem auf die Berichte über Mitnahmeeffekte in Zeiten hoher Energiepreise, so Liese. Seit Herbst 2021, als sowohl Energiepreise als auch der CO2-Preis stark anstieg, war die Kritik am ETS 2 immer lauter geworden, da die Kosten an Konsumenten weitergegeben werden könnten. Laut Lieses Kompromiss sollen Unternehmen nur die Hälfte der Kosten des CO2-Preises an Endkonsumenten weitergeben können. Die Kommission solle dies überprüfen und gegebenenfalls Strafen verhängen.
Darüber hinaus soll die Einführung des Klimasozialfonds um zwei Jahre vorgezogen werden, sodass “einkommensschwache Familien länger Zeit haben, sich auf die Herausforderungen des ETS 2 einzustellen”. Zudem stellt Liese in seinem Kompromiss klar, dass bei steigenden CO2-Preisen auch die verfügbaren Mittel des Klimasozialfonds steigen. Mitgliedstaaten sollen ihre Einnahmen aus dem Verkauf der ETS 2-Zertifikate demnach vollständig für die Finanzierung ihrer nationalen Klimasozialpläne und anderer sozialen Maßnahmen einsetzen.
Gegenüber seinem Berichtsentwurf hat Peter Liese den Anwendungsbereich des ETS 2 wieder reduziert (Europe.Table berichtete). Emissionen aus Landwirtschaft und Fischerei hat er herausgenommen. Der private Schiffsverkehr und Prozesswärme bleiben allerdings auch in seinem Kompromiss erhalten. Die Kommission hat diese beiden Sektoren nicht berücksichtigt. Laut Liese sei dies “insbesondere für die deutsche Wirtschaft wichtig, da sie durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz einbezogen ist”.
Liese hatte in seinem Berichtsentwurf auch ein sogenanntes “Opt-Out” für den ETS 2 vorgeschlagen – also die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, erst zwei Jahre später in den zweiten Emissionshandel einzusteigen. Diesen Vorschlag hat er nun vom Tisch genommen, da er glaube, dass andere Elemente wichtiger seien, um einen Kompromiss zu erzielen. luk
Der Vorschlag für ein sechstes Sanktionspaket dürfte erst nächste Woche vorliegen. Die EU-Kommission werde am Mittwoch den Ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten (AstV) ihre Vorstellungen präsentieren, wie sie vorgehen wolle, heißt es aus EU-Kreisen. In einem zweiten Schritt werde Brüssel dann mit einzelnen Mitgliedstaaten den Spielraum etwa mit Blick auf das besonders umstrittene Thema Ölembargo ausloten. Die Kommission habe kein Interesse, ein Paket vorzuschlagen, das dann nicht die Unterstützung der Mitgliedstaaten habe.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat in Interviews mit verschiedenen europäischen Zeitungen beklagt, dass die nötige Einstimmigkeit für ein Ölembargo fehle. Bei der EU-Kommission scheint man über die Aussagen des Chefdiplomaten wenig erfreut zu sein. Die EU war bisher stolz auf Tempo und Geschlossenheit bei den Sanktionen gegen Russland. Borrells Aussagen machen deutlich, dass die Einigkeit immer schwieriger zu erreichen ist. Tatsächlich soll bisher neben den drei baltischen Staaten und Polen nur noch Irland für ein sofortiges Ölembargo sein.
Die Mehrheit argumentiert, dass Sanktionen der EU nicht mehr schaden dürfen als Putins Regime. Ein sofortiges Embargo hätte zudem global negative Auswirkungen, so EU-Kreise: Beim sofortigen Embargo müssten die Europäer Öl auf dem Weltmarkt einkaufen und würden dort die Preise in die Höhe treiben. Wahrscheinlicher sei deshalb ein schrittweiser Ausstieg. Einzelne Mitgliedstaaten könnten dabei ihr eigenes Tempo bestimmen.
Deutschland will zum Beispiel ab nächstem Jahr kein russisches Öl mehr importieren, wie Außenministerin Baerbock letzte Woche in Riga in Aussicht stellte. Vorstellbar sei auch, bei einzelnen Ölsorten schneller aussteigen, heißt es in Brüssel. Als Teil des sechsten Sanktionspakets könnten auch weitere Warengruppen mit einem Importverbot belegt, zusätzliche Banken vom Zahlungsdienstleister Swift ausgeschlossen und Einreise- beziehungsweise Kontensperren gegen weitere Personen aus Putins Umfeld verhängt werden. sti
Die Europäische Kommission hat gestern den Jahresbericht über das Schnellwarnsystem für Produktsicherheit veröffentlicht. Kraftfahrzeuge und Spielzeug waren demnach im Jahr 2021 die am häufigsten im “Safety Gate” als gefährlich gemeldeten Produkte. Auch Gesichtsmasken und andere medizinische Schutzausrüstung stufte das Warnsystem besonders häufig als gefährlich ein.
Über das Safety Gate tauschen die EU-Mitgliedstaaten, das Vereinigte Königreich und die EU-Kommission Warnungen über Non-Food-Produkte aus, welche die Gesundheit oder Sicherheit der Verbraucher:innen gefährden. Im vergangenen Jahr meldeten die Behörden laut Jahresbericht insgesamt 2142 Warnungen. Die Kategorie “Kraftfahrzeuge” führt zum ersten Mal die Liste der gemeldeten Produkte an, meist handelte es sich hier um Rückrufe aufgrund technischer Probleme. Meldungen von Spielzeugen betrafen vor allem darin enthaltene Chemikalien und Knopfbatterien.
Um die immer stärkere Nutzung von Online-Shopping-Plattformen zu berücksichtigen, startete die Kommission gestern außerdem den “Web Crawler”. Das neue Instrument soll Online-Angebote von Produkten erkennen, die im Safety Gate als gefährlich gemeldet wurden, und automatische Listen erstellen. Auf dieser Grundlage können nationale Behörden dann Anbietern anordnen, die gemeldeten Produkte zurückzunehmen.
Der EU-Kommissar für Justiz und Verbraucherschutz, Didier Reynders, bezeichnete Safety Gate als “wesentliches Instrument zum Schutz der Verbraucher”. Das System habe auch dazu beigetragen, dass die Ausrüstung zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie den höchsten Standards entsprochen habe.
Verbraucherverbände sehen die hohe Zahl von Warnmeldungen hingegen als erschütterndes Signal für Konsument:innen. “Diese Zahlen sollten ein Weckruf für die europäischen Regulierungsbehörden sein, sich in den kommenden Monaten auf eine ehrgeizige neue Verordnung über die allgemeine Produktsicherheit zu einigen, die die Verbraucher tatsächlich schützt”, sagte Monique Goyens, Generaldirektorin des europäischen Verbraucherverbands BEUC. leo
In der Europäischen Union könnten künftig gleich ganze Gruppen gesundheitsgefährdender und umweltschädlicher Chemikalien verboten werden. Ein entsprechender Fahrplan, die Restrictions Roadmap, ist am Montag von der EU-Kommission in Brüssel veröffentlicht worden.
Die Umweltorganisation EEB begrüßte den Plan. Er sei eine politische Verpflichtung, bestehende Gesetze zu nutzen, um Stoffe, die häufig mit Krebs in Verbindung gebracht werden, zu verbieten, teilte das Europäische Umweltbüro mit. Dies gelte auch für sogenannte Bisphenole, die häufig in Kunststoffen verwendet würden, aber die menschlichen Hormone störten. Außerdem seien alle Formen von PVC, dem am wenigsten recycelbaren Kunststoff, der große Mengen giftiger Zusatzstoffe enthalte, betroffen.
Der Verbotsprozess für die Chemikalien werde innerhalb von zwei Jahren beginnen. Bis 2030 werden den Angaben der Umweltorganisation zufolge alle Stoffe auf der Liste verschwunden sein. Eigentlich würden Chemikalien auf EU-Ebene einzeln reguliert, jedoch sei dieser Ansatz nicht mehr schnell genug, da bereits 2016 weltweit alle 1,4 Sekunden eine neue Chemikalie entwickelt worden sei.
Das Vorhaben ist Teil der vor rund eineinhalb Jahren von der EU-Kommission vorgestellten Chemikalien-Strategie. Schädliche Chemikalien sollen in Europa aus Alltagsprodukten wie Spielzeug, Kosmetik, Waschmitteln oder Textilien verbannt werden. Die EU hat bereits seit 2007 ein umfassendes System zur Registrierung von Chemikalien, genannt REACH. Es soll nun überarbeitet und besser durchgesetzt werden. leo/dpa
Die EU wird mit Indien wieder über ein Freihandelsabkommen sprechen. Das kündigte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Montag bei einem Besuch in Indien an. Erste Gespräche sollen im Juni stattfinden. Die Beziehung zwischen der EU und Indien sei eine der wichtigsten des kommenden Jahrzehnts und eine stärkere Partnerschaft eine Priorität der EU. Bereits jetzt sei die EU Indiens drittwichtigster Handelspartner.
Seit Jahren versuchen die EU und Indien auch ein Freihandelsabkommen zu vereinbaren. Bereits vor einem Jahr hieß es, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen würden. Diese Ankündigung wird nun in die Tat umgesetzt. Seit 2007 laufen Gespräche zwischen Indien und der EU. Sie lagen seit 2013 mehr oder weniger auf Eis. Hürden waren aus deutscher Sicht etwa Schutzmaßnahmen für den indischen Autosektor oder die Pharmabranche.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fordert, dass Bewegung in die Verhandlungen kommt. “In der aktuellen weltpolitischen Lage ist es notwendig, dass die EU die seit langem stockenden Gespräche zu einem Handelsabkommen mit Indien wieder aktiviert”, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der Deutschen Presse-Agentur. dpa
Elon Musk hat am Montag den Kauf von Twitter für 44 Milliarden Dollar abgeschlossen. Damit geht die Kontrolle über die Social-Media-Plattform, die von Millionen von Nutzern und weltweit führenden Persönlichkeiten genutzt wird, auf den reichsten Menschen der Welt über.
Es ist ein wegweisender Moment für das 16 Jahre alte Unternehmen, das sich zu einem der einflussreichsten öffentlichen Kanäle der Welt entwickelt hat und nun vor einer Reihe von Herausforderungen steht. Die Diskussionen über den Deal, der in der vergangenen Woche noch ungewiss schien, nahmen am Wochenende Fahrt auf, nachdem Musk die Twitter-Aktionäre mit Finanzierungsdetails seines Angebots umworben hatte.
Unter Druck begann Twitter, mit Elon Musk zu verhandeln, um das Unternehmen zu dem vorgeschlagenen Preis von 54,20 Dollar pro Aktie zu kaufen. “Die freie Meinungsäußerung ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden”, sagte Musk in einer Erklärung.
Die Twitter-Aktien stiegen nach dieser Nachricht um etwa 6 Prozent. Musk hat bereits angekündigt, den US-Konzern von der Börse nehmen zu wollen. rtr
Die EU-Kommission will im Herbst ihren lang erwarteten Vorschlag für ein Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit vorlegen. Es werde davon ausgegangen, dass im September eine Vorlage für ein eigenständiges Gesetz präsentiert werden könne, teilte eine Vertreterin der EU-Generaldirektion für Handel am Montag im Handelsausschuss des Europaparlaments mit. Die EU-Kommission arbeite derzeit an einem detaillierten Konzept, genauere Angaben zum Inhalt des Importverbots gebe es jedoch noch nicht.
Das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit müsse sich auf einen robusten Rahmen und internationale Standards stützen. Dass einzelne Länder wie China durch die Gesetzgebung herausgepickt würden, müsste vermieden werden.
Das Importverbot für Waren, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden, war vergangenes Jahr von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen während ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union angekündigt worden. Eigentlich wurde davon ausgegangen, dass das Importverbot Teil des EU-Lieferkettengesetzes werden würde – der von der Brüsseler Behörde vorgelegte Entwurf dazu ließ das Einfuhrverbot dann jedoch außen vor (Europe.Table berichtete).
Offen sei vor allem noch die Frage, wie mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bei dem Importverbot umgegangen werde. Es müsse verhältnismäßig gestaltet werden. KMU auszuschließen, sei aber auch nicht “die beste Antwort”, erklärte die Beamtin vor dem Ausschuss.
Das EU-Lieferkettengesetz lässt KMU weitgehend außen vor. Der Entwurf der EU-Kommission sieht mehrere Grenzen vor: Firmen in der EU sind betroffen, wenn sie weltweit einen Jahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro erwirtschaften und mehr als 500 Mitarbeitende haben. Strengere Regeln gibt es für Unternehmen, die in Sektoren arbeiten, bei denen das Risiko von Ausbeutung und Umweltzerstörung höher ist. Hier sind 250 Angestellte und ein Umsatz von 40 Millionen Euro vorgesehen. ari
Nicht nur in puncto Verteidigung, sondern auch im Bereich Energie und Resilienz bietet ein einheitlicher Binnenmarkt das Verbesserungspotenzial, das wir heute brauchen. Und der Vertrag sieht es ausdrücklich vor in Artikel 194 AEUV. Die Europäische Union muss deshalb jetzt in folgenden vier Bereichen dringend handeln:
Die mit dem Einmarsch in die Ukraine wieder deutlich gewordene Abhängigkeit von russischem Erdgas – 75 Prozent des Bezugs von leitungsgebundenem Gas wird von EU-Staaten abgenommen – hat allen vor Augen geführt, dass der Europäische Energiebinnenmarkt integrativer gedacht und besser ausgestaltet werden muss. Nicht nur der sogenannte “Taxonomie”-Vorschlag der EU-Kommission, mit dem die Bonität von Energiearten unter finanzmarktrechtlichen Überlegungen bewertet werden soll, sondern auch die anderen Vorschläge des “Green Deal” gehen bereits wichtige Schritte in die richtige Richtung.
Deswegen ist jetzt der Moment gekommen, wo ein einheitlicher Energiebinnenmarkt geschaffen werden muss. Primärenergie und Elektrizität müssen mit starken und resilienten Netzen grenzüberschreitend europaweit zur Verfügung gestellt werden. Es bedarf einer Vertiefung der europäischen Energieinfrastruktur, um das System flexibel zu machen. Mit grenzüberschreitenden Verbindungen bilden wir ein europäisches Verbundnetz, in dem Strom über Landesgrenzen hinweg einfacher, effizienter und günstiger übertragen werden kann. Nur so kann Europa im 21. Jahrhundert seine Energieversorgung sicher, nachhaltig und bezahlbar vorhalten.
Schon vor Jahren hat das Europäische Parlament innerhalb des Forschungsrahmenprogramms mehr Mittel für die Verteidigungsforschung bereitgestellt. Damit ist das Parlament der Grundidee von Art. 296 AEUV gefolgt, der schon heute eine europaweite Ausschreibung von Verteidigungsgütern vorsieht. Leider haben die Mitgliedstaaten in den vergangenen Jahren vor allem nationale Interessen vorangestellt. Auch die deutsche Idee, das israelische Raketenabwehrsystem jetzt mit dem Sondervermögen nur für Deutschland anzuschaffen, zeugt von einer großen Naivität: Denn wie soll sich Deutschland verteidigen, wenn unsere Nachbarstaaten nicht auch sicher sind?
Wir brauchen also auch ein europäisches Kampfflugzeug, einen europäischen Panzer und eine europäische Drohne. Dafür müssen jetzt die richtigen Entscheidungen vorbereitet werden. Europa ist nur sicher, wenn alle sicher sind! Auch wenn es auf dem Weg zu einer Europäischen Armee noch weit ist, können zumindest bei der Ausrüstung endlich gemeinsame Projekte den Weg weisen!
Nach dem Abschluss der wettbewerbsrechtlichen Regeln im Gesetz über digitale Märkte, wodurch endlich die Durchsetzung der europäischen Regeln schneller angewendet werden können, kommt jetzt das Gesetz über digitale Dienste. Dadurch sollen künftig nur noch legale Inhalte auf den großen Internetplattformen verfügbar sein. Dass es daran bis heute Zweifel gibt, ist ein Armutszeugnis – zumal es sich bei den Betroffenen um die größten Unternehmen der Welt handelt. Angesichts des Aufwandes, den die Behörden – und im Falle der sogenannten “very large online platforms” (VLOPs): der Europäischen Kommission – mit der Aufsicht dieser Unternehmen haben, ist es keinesfalls unverhältnismäßig, dafür eine Verwaltungsgebühr zu verlangen. Denn: Wer den Binnenmarkt nutzen will, muss sich auch an der Einhaltung der Regeln beteiligen.
Europas innerer Zusammenhalt zeigt sich nirgendwo besser als an den ehemaligen Grenzen der Mitgliedstaaten. Diese Grenzen sind weitgehend aus dem Alltag verschwunden, aber sie sind noch immer organisatorische Barrieren in Situationen, wo bessere Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine ist ein Beispiel, das zeigt, dass guter Wille allein noch kein Konzept ist. Flüchtlinge, die aus der Ukraine kommen, benötigen einen unkomplizierten Bargeldwechsel von Hrywnia in Euro, auch müsste die digitale Selbstregistrierung der Ankommenden möglich gemacht werden. Aber auch die Covid-Krise hat gezeigt, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Gesundheitsfragen noch nicht auf der Höhe der Zeit ist.
Eine vorausschauende Nutzung der Ressourcen der Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten, eine abgestimmte Quarantänepolitik über Landesgrenzen hinweg, die Offenhaltung der Transportwege für medizinisches Material und Lebensmittel, aber auch für Krankenschwestern, OP-Ärzte und Servicetechniker ist in dieser Krise nicht so gelungen wie die Bürger das von der Europäischen Union erwarten dürfen. Deswegen muss die Europäische Kommission im Sommer mit dem sogenannten “Single Market Emergency Instrument” einen ambitionierten Vorschlag vorlegen, der die Interessen der Bürger in den Grenzregionen in den Mittelpunkt stellt.
Der Angriff auf die Ukraine hat eine große Solidarität der EU-Staaten gezeigt. Ob die Ukraine bald oder erst mittelfristig in die Europäische Union aufgenommen werden wird, hängt vor allem von den Mitgliedstaaten ab. Klar ist aber schon jetzt, dass die EU ihre Hausaufgaben machen muss, wenn sie mit den heutigen Herausforderungen erfolgreich umgehen will.