Table.Briefing: Bildung

Habecks Start-up-Papier + dazu: Table.Live-Briefing + Prekäre Lehrerfortbildung auf Didacta

  • Habeck möchte Start-ups in die Schule bringen
  • Gut und zu günstig: Mobile Lehrerfortbildung auf Didacta
  • Philologenverband sieht Schulen nicht auf ukrainische Schüler vorbereitet
  • MPK sucht Corona-Strategie für Schulen
  • Behindertenbeauftragter fordert Bildungssoftware ohne Barrieren
  • Schule für Ukrainer: Europaweites Portal verschafft Überblick
  • Im Porträt: Brainix-Gründerin Sonja Völkel – KI im Klassenraum
  • Presseschau
  • Termine
Liebe Leserin, lieber Leser,

zehntausende Lehrer:innen und die Bildungswirtschaft treffen sich bis zum Wochenende in Köln. Einst galt die Didacta als Schulbuchmesse, Lehrkräfte reisten mit klassensatzgroßen Koffern an, um Gedrucktes aller Art abzutransportieren. Längst aber steht digitale Bildung im Mittelpunkt der Messe. Und damit auch: Fortbildungen für digitalen Unterricht. Dieses Jahr ist die Mobile Schule mit dabei. Sie hat mit wenig Geld die Lehrerfortbildung revolutioniert. Nach wie vor erhalten Lehrkräfte als Fortbildner, wenn überhaupt, symbolische Honorare. So kauft sich eine nah an Apple angebundene Stiftung oder eben Europas größte Bildungsmesse preiswerte Fortbildungen von hoher Qualität ein – und auch das niedersächsische Bildungsministerium macht nun mit. Das lässt Christian Füller die Frage stellen: Wie lange ist das sozial tragbar?

Außerdem schauen wir uns das noch unveröffentlichte Start-up-Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium an. Es gilt im politischen Berlin als Kampfansage an die Kultusministerien. Denn in Robert Habecks Ministerium wünscht man sich neben Informatik als Pflichtfach und besserer Vermittlung von Digital- und Technikberufen insbesondere: mehr Kontakt der Schüler mit Start-ups. Die KMK hält private Bildungsanbieter aber aus den Schulen heraus. Das zeigte kürzlich die Totalabsage an die private, ukrainische Online-Schule Optima. Start-ups und Bildungssektor – bislang keine Liebesheirat.

Dazu lesen Sie heute an dieser Stelle eine Analyse – und vertiefen sie morgen beim ersten Table.Live-Briefing, direkt von der Didacta. Seien Sie dabei, wenn Christian Füller mit Lena Spak (Scobees) und Max Maendler (eduki) über Habecks Start-up-Papier und die Zusammenarbeit mit der Bildungspolitik spricht. Wir laden Sie herzlich ein, sich morgen von 10 bis 11 Uhr an unseren digitalen Tisch zu setzen. Melden Sie sich hier kostenlos an.

In diesem Sinne: Bis morgen,

Ihr
Niklas Prenzel
Bild von Niklas  Prenzel

Analyse

Habeck: Schüler sollen “möglichst früh” Start-ups kennenlernen

Die Bundesländer sollen ihre Schulen verpflichten, Informatikunterricht ab der 5. Klasse anzubieten. So will es ein Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium, das Bildung.Table vorliegt. In dem Konzept regen Robert Habecks Beamte an, dass Schülerinnen und Schüler beizeiten Start-ups kennenlernen mögen. Wörtlich heißt es, “Unternehmerinnen und Unternehmer von morgen sollen möglichst früh mit Start-ups in Kontakt kommen.” Dieser Wunsch wird von Start-ups und sogar vom bildungspolitischen Sprecher der Opposition unterstützt. Das Ansinnen von Wirtschaftsminister Habeck (Die Grünen) steht allerdings dem diametral entgegen, was die Schulminister:innen seit Beginn der Pandemie praktizieren. Sie halten Bildungs-Start-ups aktiv von den Schulen fern. Zunächst hatte der Spiegel über die neue “Start-up-Strategie der Bundesregierung” berichtet.

Das jüngste Beispiel für die Blockade von Start-ups wurde gerade bekannt. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Prien (CDU), äußerte sich explizit ablehnend zu dem derzeit wichtigsten Start-up Europas: der Optima-Online-Schule der Ukraine, bei der über 100.000 Schüler:innen kostenlos lernen, darunter Zehntausende Geflüchtete. Die Schulminister haben inzwischen beschlossen, private ukrainische Online-Schulen nicht zu fördern. Und zwar, weil sie privat sind. Auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger unterstützt diese Linie in einem Brief, der Bildung.Table vorliegt. “Aspekte des Schulunterrichts ukrainischer Geflüchteter”, so schreibt die FDP-Ministerin, “liegen grundsätzlich in der Zuständigkeit der Länder.”

Falsche Angaben über ukrainisches Start-up Optima

Die Kultusminister scheuen nicht davor zurück, mit unlauteren Methoden vorzugehen. In dem Kriterienkatalog der “Taskforce Ukraine, den Bildung.Table einsehen konnte, machen die Autoren über Optima falsche Angaben. Etwa werden verschiedene Preismodelle dargestellt, unter denen Schüler:innen bestimmte Möglichkeiten der Teilnahme an Optima haben. Was in dem Katalog nicht steht: Alle Preismodelle sind im Krieg außer Kraft gesetzt, jede:r ukrainische Schüler:in kann den vollen Umfang der Online-Schule nutzen – und zwar umsonst.

Optima hat sich inzwischen sogar eine gemeinnützige Unternehmensform gegeben. Nachfragen beim Leiter der Taskforce Hans Beckmann sind bei dem Thema nicht möglich. Auch der Kriterienkatalog ist wieder als Geheimpapier gekennzeichnet: “Nur zur internen Verwendung! Nicht zur Veröffentlichung vorgesehen!” Die KMK äußerte sich weder zu dem Kriterienkatalog noch zu Habecks Start-up-Strategie. Sie liege ihr noch nicht vor, sagte ein Sprecher. 

Informatikunterricht und Start-ups für Schüler

Das 28-seitige Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium, das Ende vergangener Woche zur Abstimmung an Bundesministerien ging, regt eine Vielzahl von Maßnahmen an. Dazu zählen eine bessere Finanzierung, die Erleichterung der Talentsuche sowie den besseren Zugang von Daten durch Start-ups.

Der Absatz zu Schulen gehört zum Kapitel Talente. “Die Bundesregierung wird den Dialog mit den Ländern zur Bildung intensivieren”, heißt es dort wörtlich. “Sie wird sich dafür einsetzen, dass Informatikunterricht ab der Sekundarstufe I verpflichtend eingeführt wird.” Die Vielfalt der digitalisierungs- und technologiebezogenen Berufsfelder solle Schule künftig “umfassend und klischeefrei vermitteln”. Diese Stelle wird allgemein als Seitenhieb auf die Kultusminister gelesen. Seit Mai 2020 ignorieren Bund und Länder das Angebot der Edu-Start-ups, gemeinsam über digitale Bildung nachzudenken. 

CDU: Start-ups brauchen “staatliche Aufträge” der Schulminister

In der Szene der deutschen EdTechs wurde das Papier wenig überraschend begrüßt. “Ich finde, dass das einen sehr guten und runden Eindruck macht”, sagte Peter Ganten, Vorsitzender des “Bundesverbandes Digitale Souveränität”, zu dem Papier. Ganten hatte sich kürzlich sehr kritisch zu den nicht gehaltenen digitalpolitischen Versprechen der Bundesregierung geäußert. Selbst der Start-up-Beauftragte der Regierung Merkel, Thomas Jarzombek (CDU), lobte das Papier. “Junge und innovative Unternehmen sind die Zukunft unserer Wirtschaft. Daher ist es gut und wichtig, dass das Wirtschaftsministerium hier einen Schwerpunkt legt.” Der Oppositionspolitiker wies gegenüber Bildung.Table darauf hin, dass die Start-up-Strategie eine Fortschreibung seiner Politik sei. Er sei daher gespannt, “ob unsere Steigerung des öffentlichen Wagniskapitals nun fortgesetzt wird.” 

Jarzombek legte zugleich die Finger in die Wunden der Kultusminister wie des Digitalpakts. “Neben Wagniskapital sind strategische staatliche Aufträge für Start-ups super wichtig“, sagte der CDU-Politiker. Dieser Weg sei auch im Bildungsbereich notwendig. Aber genau das findet derzeit nicht statt: Start-ups können nicht am Digitalpakt partizipieren. Und nicht einmal im Krieg werden funktionierende Portale gefördert – weil sie Start-ups sind. Viel zu tun für Robert Habeck. 

  • Bettina Stark-Watzinger
  • EdTech
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  • Start-ups

Mobile Lehrerfortbildung auf der Didacta

Wenn ab heute auf der Didacta die “Mobile Schule” für drei Tage Lehrerfortbildungen anbietet, dann ist das das Ergebnis einer langen Reise. Und es ist zugleich Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels der Weiterbildung für Pädagogen. Das Format “Lehrer:innen bilden Lehrer:innen” entwickelte sich über zehn Jahre aus der Waldschule Hatten heraus. Der damalige Lehrer Andreas Hofmann instruierte seine Kolleg:innen fürs Tablet. Heute organisiert er als Unternehmer überall in der Republik digital gestützte Lehrerfortbildungen – mit den besten Digitallehrkräften Deutschlands. Andere Institutionen haben das Konzept übernommen. Nur, wie lange lässt sich das Lieferando-Dumping-Modell der Lehrerbildung aufrechterhalten? Kann es sein, dass auf der größten Messe der Bildungswirtschaft die besten Lehrer:innen ohne Honorar Kolleg:innen fortbilden

Die Didacta macht mit Mobile Schule einen Pantersprung ins Digitale

Das Programm der Mobilen Schule auf der Didacta ist nicht klein. Drei ganze Tage lang bieten Lehrer:innen anderen Lehrer:innen alle Themen rund um digitale Bildung an. Es geht dort von der kaum verhohlenen Apple-Werbung “iPad-Ideenfeuerwerk am Beispiel einer typischen Unterrichtsstunde” bis hin zu Detailfragen wie “Fake News im Unterricht – erkennen und bewusst konsumieren”. Mit diesem Lehrerfortbildungs-Strang macht die Didacta einen weiten Sprung ins Digitale. 50.000 Besucher:innen werden in Köln erwartet – im Vergleich zu 100.000 bei der letzten Präsenz-Didacta 2019.

Gleichzeitig ist interessant, wer bei der Didacta von Bord gegangen ist. Der Verband für Bildungsmedien, also der Interessenvertreter des gedruckten Schulbuchs, gehört seit 2020 nicht mehr zu den Trägern. Diesmal haben auch die Schulbuchverlage deutlich kleinere Standflächen gebucht. Das ist eine Zeitenwende: Denn die Didacta war in den Köpfen der Menschen stets eine Schulbuchmesse. Lehrerinnen und Lehrer kamen mit großen Koffern und Ikea-Plastetaschen – um Gedrucktes aller Art abzutransportieren. Heute lernen sie bei der mobilen Schule für das digitale Klassenzimmer, to go nur für den Kopf.  

Diese Art Lehrerfortbildung verändert nicht nur die Gestalt der Didacta, die zwischen Hannover, Stuttgart und Köln zirkuliert. Dass man Lehrer:innen über die Digitalisierung des Lernens am besten in Formaten teilhaben lässt, die selbst digital sind, revolutioniert derzeit alle pädagogischen Provinzen. Und das geschieht viel schneller, als es die Fürsten der Kulturhoheit selber bewerkstelligen könnten. Die Kultusminister haben zwar zwei große Innovationsprozesse der Lehrerfortbildung angestoßen, die Reform des Mathematik-Unterrichts und die sogenannten Kompetenzzentren. Beides ist sehr gründlich und sehr sinnvoll, wird aber Schule nicht rasch verändern. Denn diese Projekte sind derart langwierig, dass sie jederzeit zum Stehen kommen können. Die Kompetenzzentren für Lehrerbildung etwa, zusammen mit dem Bund organisiert, rühren sich seit einem Jahr nicht mehr vom Fleck. 

Bayerns Lehrerakademie hat sich binnen zwei Jahren neu erfunden

Dass Lehrerfortbildung sich sehr wohl ändern kann, sieht man an einem der größten Fortbildungsinstitute Deutschlands, der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP) in Dillingen, Bayern. Dort hat sich nicht nur die Zahl der Fortbildungen seit 2019 verfünffacht (auf 240.000 Teilnehmer im Jahr 2021). Auch die Formate, wie man Lehrer:innen folgenreich einbezieht, sind heute andere. Früher reisten die Lehrkräfte, wenn sie es denn taten, mit dem Koffer nach Dillingen. Das bedeutet, dass neue Lehrkompetenzen nur sehr langsam nach unten zu jeder der 120.000 bayerischen Lehrkräfte durchtröpfelten – weil es so viele regionale, lokale und schulinterne Fortbildungsebenen gibt. 

Nun kann die ALP die Lehrkräfte direkt erreichen“, sagt ALP-Direktor Alfred Kotter Bildung.Table. “In den letzten zwei Jahren haben sich völlig neue digitale Formate an der ALP entwickelt”, berichtet der Akademieleiter. “So werden beispielsweise Lerngemeinschaften über einen längeren Zeitraum mit Impulsen versorgt.” Das Erproben in der schulischen Praxis wird sofort möglich. Beim Format Selbstlernkurs gebe es das 45-minütige Sonderformat namens “ALP-fre!stunde”. Fortbildner stellen Themen so dar, dass sie in einer Freistunde von Lehrern konsumierbar sind. Dieses Format klingt verdächtig nach “Mobile Schule”. Kotters ALP hat schnell gelernt.

Lehrkräfte mehren den Ruhm des wertvollsten Konzerns der Erde – für umsonst

Die Lehrerakademie Dillingen hat einen Vorteil, der Hofmann auf Dauer zu schaffen machen könnte. Denn die Fortbildner an der ALP sind natürlich bezahlt. Bei Hofmann ist das häufig nicht der Fall. Selbst bei einer Fortbildungsreihe für die eng mit Apple verzahnte “Gesellschaft für Digitale Bildung” im Januar/Februar bekamen die Fortbildner bei Hofmann kein Honorar. Ein kleiner Skandal – als Lehrer umsonst für eine “gemeinsame Veranstaltung der Apple-Händler im Bildungsbereich aus Deutschland” zu arbeiten. Hofmann sagte auf Anfrage, dass er so viel zahle, wie er eben zahlen könne. Selbst bei der renommierten Didacta seien das lediglich die Unkosten der Referent:innen. “Das war’s, mehr kann ich da einfach nicht bezahlen.” 

Er beschwor stattdessen den Geist der Mobilen Schule. “Ich hin sehr dankbar dafür, dass es Menschen gibt, die mit mir diesen Spirit aufrechterhalten.” Deswegen gebe es bei der Didacta einen Treffpunkt, wo Lehrer sich begegnen können. “Da wird nichts verkauft, da wird nichts vermarktet, da können sich Lehrer einfach treffen – mit Popcorn-Maschine und Bier.” Diese Grünkohl-Fahrt-Romantik gehört zu den Anfängen der Mobile Schule, als sie unter dem Kürzel “Molol” an der Uni Oldenburg von einer Handvoll Lehrer auf 1.000 Teilnehmer skalierte. 

Hofmann hat gerade 180.000 Euro von Niedersachsens Digitalstaatsekretär Stefan Muhle (CDU) bekommen. Zusammen mit mygatekeeper soll er einen digital hub errichten. Die Fördermittel fließen in das digitale Equipment der mobilen Schule. Ob sich ein Bundesland damit zufriedengibt, auf dem Rücken schlecht oder gar nicht bezahlter Kolleg:innen Lehrerfortbildungen zu veranstalten, wird sich zeigen. 

  • Bayern
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News

Philologenverband: Mehr ukrainische Lehrkräfte einstellen

Eine große Mehrheit von 88 Prozent der Lehrkräfte sagt, dass an ihren Schulen für die neuen Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine keine zusätzlichen Lehrkräfte bereitgestellt wurden. Das ergibt eine Umfrage des Deutschen Philologenverbands (DPhV), an der im April 1700 Gymnasiallehrkräfte online teilgenommen haben. 

Die Belastung für Lehrkräfte wächst: Lediglich 15 Prozent gaben an, dass sie für die Mehrarbeit durch die größer gewordenen Klassen an anderer Stelle entlastet wurden. Dass die Mehrheit der ukrainischen Schülerinnen und Schüler nicht in die Schulen vermittelt wurden, die deren Fähigkeiten und Leistungsstand entspricht, sagen 60 Prozent der befragten Lehrkräfte. 

Mehr Entlastungsstunden, weniger Bürokratie

DPhV-Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing fordert deshalb einerseits mehr Entlastungsstunden für die Lehrkräfte und andererseits mehr Stellen an den Schulen. “In den Nachtragshaushalten der Länder müssen umgehend bedarfsgerecht mehrere tausend Lehrerstellen geschaffen werden”, sagt Lin-Klitzing. 

Zudem brauche es so schnell wie möglich Deutschkurse für ukrainische Lehrkräfte, damit diese in den Schulen das bestehende Personal an den Schulen entlasten können. “Sie müssen an zertifizierten Standards orientiert zumindest stundenweise unbürokratischer in unseren Schulen beschäftigt werden”, sagt Lin-Klitzing. 

Die Zahl der ukrainischen Schülerinnen und Schüler, die in Deutschland zur Schule gehen, steigt von Woche zu Woche. Aktuellen Zahlen der KMK zufolge sind es mehr als 110.000 ukrainische Kinder und Jugendliche. Die KMK rechnet mit bis zu 400.000 ukrainischen Schülerinnen und Schülern. Sofie Czilwik

Versprechen des Kanzlers: Keine Schulschließungen mehr

Auf dem Foto sieht man Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen mit Länderchefs im Gespräch über Schulschließungen wegen Corona.
02.06.2022, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt neben Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sowie Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, zur Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenkonferenz.

Olaf Scholz will sich vorbereiten – damit Deutschland im Herbst, wenn nötig, rechtzeitig von Sommer- auf Winterreifen umsteigen kann. So formulierte der SPD-Kanzler seine Strategie nach den Beratungen mit den Länderchefs vergangene Woche. Nach zwei Jahren ist der Instrumentenkasten, um die Pandemie zu bekämpfen, gut bestückt. Diesmal jedoch, das versprach Scholz, sollen es nicht wieder Kinder und Jugendliche sein, die besonders unter den Corona-Maßnahmen leiden. Es werde keine “flächendeckenden Schließungen von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen geben”, gab er zu Protokoll.

Daran werden ihn die Schüler:innen im Herbst messen.

“Wir dürfen die Fehler der Pandemiebekämpfung nicht wiederholen”, betont auch Bettina Stark-Watzinger in einer Videobotschaft. Die Bundesbildungsministerin plädiert für eine Erhöhung der Impfquote unter Kindern und Jugendlichen. “Schon jetzt ist absehbar, dass wir die Impfangebote rechtzeitig hochfahren müssen, möglichst niedrigschwellig”, sagte sie der Funke Mediengruppe. Und: Stark-Watzinger will “Tempo” beim Einbau von Luftfiltern in den Klassenzimmern machen. Schon jetzt stünden dafür Haushaltsmittel bereit. Nur: “Es muss vor Ort ankommen“, betont sie.

Die Suche nach Orientierung

Über den jüngsten Beschluss zu den Schulschließungen hinaus haben die Länder bislang keine klare Schul-Strategie. Bundesregierung und Bildungsminister warten noch auf verschiedene Berichte, von denen sie sich Orientierung erhoffen.

  • Der zwischenzeitlich aufgelöste Corona-Krisenstab des Kanzleramts sammelt Best-Practice-Beispiele aus zwei Jahren Krisenmanagement.
  • Der Corona-Expertenrat, der Scholz berät, bereitet eine Empfehlung zur Pandemiebekämpfung vor.
  • Und der Sachverständigenausschuss, eingesetzt auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes, arbeitet an einer wissenschaftlichen Evaluation der Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen.

Die geltenden Regeln im Infektionsschutzgesetz (IfSG) laufen am 23. September aus, wobei Gesundheitsminister Karl Lauterbach bereits eine Verlängerung angekündigt hat. Doch schon jetzt streitet er sich mit der FDP, wie es beispielsweise bei der Maskenpflicht weitergeht. Hier müssten sich die Koalitionäre einigen, erklärte zuletzt Bayerns Kultusminister. “Bei der Maske brauchen wir eine neue Regelung der Ampel. Stand jetzt könnten wir keine Maskenpflicht an den Schulen einführen”, so Michael Piazolo.

Viele Details hängen also von der anstehenden IfSG-Novelle ab – nicht nur bei der Maskenpflicht. Nach Scholz Schul-Versprechen scheint es ausgeschlossen, dass der Bund fixe Inzidenzwerte für Schulschließungen beschließt. Offen ist jedoch, welchen Spielraum der Bundestag den Ländern einräumt, die Schüler im Notfall doch wieder in den Distanzunterricht zu schicken. Moritz Baumann

Schule für Ukrainer: Europaweites Portal verschafft Überblick

Fast sieben Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer haben seit Kriegsbeginn ihr Land verlassen. Die Schulpflichtigen finden sich in einem neuen Land und Schulsystem wieder. Nun ist ein Hub online gegangen, der ihnen den Weg durch den Bildungsdschungel in den europäischen Staaten bahnt. Der New Ukrainian Schoolhub möchte über länderspezifische Bildungszugänge, aber auch ergänzende EdTech-Lösungen und ukrainische Online-Lernplattformen informieren. Denn viele geflüchtete Schüler sitzen nicht nur auf der Schulbank ihres Ankuftslands, sondern lernten mit Online-Angeboten weiter nach ukrainischem Lehrplan.

Man sieht einen Screenshot aus dem Portal New Ukrainian Schoolhub, ein Portal für ukrainische Lernplattformen
Der Hub informiert auf Ukrainisch und Englisch.

“Unsere Initiative baut sowohl auf der bestehenden Sammlung von über 200 unterstützenden EdTech-Angeboten aus über 20 Mitgliedstaaten auf, als auch auf den Bildungsmaterialien von ‘Learning Together’”, sagt Mitinitiatorin Beth Havinga, Managing Director der European EdTech Alliance. Neben der European EdTech Alliance wird die Initiative vom “Learning Together Project” der finnischen Regierung getragen. Helsinki hilft Kiew seit 2018 bei der Reform des Schulsystems. Zudem bezuschusst die Europäische Kommission den digitalen Schoolhub. npr

Behindertenbeauftragter fordert barrierefreie Software in Schulen

Die Bildungspolitik muss sich daran messen lassen, ob sie digitale Infrastrukturen barrierefrei gestaltet. Das sagte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, im Gespräch mit Bildung.Table. “Wer Geld für neue Software in die Hand nimmt, weil wir hier einen großen Nachholbedarf haben, sollte sich selbstverständlich für eine barrierefreie Software entscheiden, von der alle Menschen im gleichen Maße profitieren können.”

Inklusion sei die Umsetzung von fundamentalen Grundrechten. “Es reicht nicht, wenn Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam in eine Schule gehen.” Denn Kinder mit Behinderung hätten besondere Förderbedarfe, denen auch die Regelschule gerecht werden muss. Darauf sollten sich die Kinder und ihre Eltern verlassen können. Wenn das gelingt, können alle vom gemeinsamen Lernen profitieren.

Gesetze, Geld und das richtige Mindset

Bisher gelingt das in der Regel aber nicht. Zu diesem Ergebnis kam eine aktuelle Umfrage des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), in dem sich die Lehrkräfte vernichtend über die Rahmenbedingungen der Inklusion äußerten (Bildung.Table berichtete). Dabei ist es inzwischen schon dreizehn Jahre her, dass Bundestag und Bundesrat die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und damit zu geltendem Bundesrecht gemacht haben.

“Auf welche Bedingungen ein behindertes Kind an einer Regelschule trifft, hängt bisher noch wesentlich davon ab, in welchem Bundesland es lebt, welches Schulgesetz dort gilt und welche Ressourcen vorhanden sind”, sagt Jürgen Dusel. Damit sich das ändert, brauche es klare Rahmenbedingungen und kluge Investitionen ins Bildungssystem: kleine Klassen, ausreichend Förderpädagog*innen, gute Aus- und Fortbildungen für alle Lehrkräfte, aber auch die Bereitschaft, Schüler*innen mit Behinderung als Gewinn für die Gemeinschaft zu betrachten.

Bund, Länder, aber auch Kommunen als Schulträger müssen hier Hand in Hand arbeiten, findet Dusel. In einem Gespräch mit der Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte er in der vergangenen Woche dafür plädiert, die Behindertengleichstellungsgesetze bei ohnehin anstehenden Investitionen wie dem Digitalpakt zumindest mitzudenken. Janna Degener-Storr

Makerspace

Sonja Völkel – will mit Brainix KI ins Klassenzimmer bringen

Auf dem Foto sieht man Sonja Völkel - sie will mit Brainix KI ins Klassenzimmer bringen.
Sonja Völkel – Gründerin und angehende Lehrerin.

Vielleicht ist es ihrer Vergangenheit als Leistungsschwimmerin zu verdanken, dass Sonja Völkel auf Kritik gelassen reagiert. Davon erntet sie viel. Ihre Lernsoftware Brainix, fürchten manche, entmachtet Lehrer und isoliert Schüler. Mit der Software will die angehende Gymnasiallehrerin für Englisch und Latein jedoch keineswegs die Lehrkräfte abschaffen. Brainix soll vielmehr unterstützen, Inhalte vor immer heterogener werdenden Klassen erfolgreicher zu vermitteln.

Die KI-gestützte Software soll Schüler:innen in die Lage versetzen, sich Wissen selbstständig zu erarbeiten. Entsprechend ihrer individuellen Stärken und Schwächen können sie gefördert werden – und das über ein ganzes Schuljahr hinweg. Brainix orientiert sich am Lehrplan und gliedert Lerninhalte eines Schulfaches in Lektionen. Die können die Nutzer online, und damit von überall aus, abarbeiten. Lehrkräfte sollen somit mehr Freiräume bekommen, sich um die sozialen Kompetenzen der Schüler:innen zu kümmern und gezielt Feedback zu geben.

Wettlauf der KI-Lernmethoden

Nachdem KI-gestützte Lehrmittel wie Brainix in anderen Ländern wie Großbritannien und Dänemark bereits seit Jahren eingesetzt werden, kommen sie langsam in deutschen Klassenzimmern an. Im Herbst 2020 testeten die Kultusminister an 20 Schulen erstmals den Einsatz von KI im Unterricht. Verwendet wurde die dänische Lernsoftware Area 9. Jetzt ist Sonja Völkel in Bayern so weit, auch die Ressourcen von Brainix ins Rennen zu schicken. Etabliert sie sich dort mit ihrer Software, könnte sie dem dänischen Konkurrenten den Rang ablaufen.

Überzeugt sind noch nicht alle im Bildungswesen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, äußert sich gegenüber Bildung.Table zurückhaltend. Visionen, wie individualisiertes Lernen und virtuelle Assistenten, begrüße der Lehrerverband prinzipiell – solange sie pädagogischen sinnvoll sind. “Ob gerade leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler, die in besonderer Weise von der direkten Motivation abhängig sind, davon profitieren, wenn Präsenzzeit verringert und Selbstlernzeit erweitert wird, wage ich zu bezweifeln”, sagt Meidinger.

Sonja Völkel ist hingegen von den Vorteilen und Chancen ihres digitalen Lehrwerks überzeugt. “Lehrende berichten uns, dass ihnen insbesondere die Steuerung der Lernwege hilft.” So könnten sie die Lernfortschritte der Lerner individueller beurteilen. “Meine Vision ist, dass unsere Lernsoftware hilft, das implizite Lernen bei Schülerinnen und Schülern zu verbessern.” Welchen Schülern hilft die App besonders? Introvertierten Schülern zum Beispiel, meint Völkel. So ließen sich Fragen leichter stellen, als vor der versammelten 30-köpfigen Klasse. Maria Köpf

Presseschau

Berliner CDU plant Missbilligungsantrag gegen Astrid-Sabine Busse TAGESSPIEGEL
Berlin: Opposition kritisiert SPD-Plan zu Lehrermangel als realitätsfern WELT
Propaganda in russischen Klassenzimmern WELT
Zu wenig verfügbare Gymnasialplätze: “Kapazitäten beinahe voll ausgeschöpft” WELT
GB: Auswirkungen der neuen Visa-Politik für Akademiker:innen SZ
Myrle Dziak-Mahler fordert Revolution für Schule von Morgen BILDUNGSKLICK
Berliner Schulen: Der Beitrag von Kindern und Jugendlichen zur Pandemiebekämpfung SZ
Nach Corona: Lehrkräfte sehen Verschlechterung bei Handschrift von Schüler:innen SZ
Erasmus: 20% mehr Anträge als 2021 WIESBADENERKURIER
Analyse von Theresa Schoppers Referenzrahmenentwurfs NEWS4TEACHERS
Meinung zum Lehrermangel in Berlin: Weniger Stunden und besserer Unterricht TAZ
Studien zu Corona-Restriktionen und deren Auswirkungen für Kinder und Jugendliche WELT
Interview: Klaus Hurrelmann über Cornelsen-Schulleitungsstudie und Alltagsbürokratie CHECKPOINTELEARNING

Termine

08. bis 10. Juni 2022
Festival: re:publica
Das Festival für die digitale Gesellschaft steht dieses Jahr unter dem Motto “Any Way The Wind Blows” und bietet Sessions mit Themen aus Kultur, Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und vielem mehr.
Besondere Tipps aus der Bildung.Table-Redaktion:
Am 08. Juni 2022 bieten das Bundesinstitut für Berufsbildung und die Online-Community EPALE von 10:30 bis 17:00 Uhr Einblick in zukünftige Veränderungen in der europäischen Erwachsenenbildung.
Am 09 Juni sprechen von 12:30 bis 13:30 Uhr Felicitas Macgilchrist, Ulrike Lucke, Michael Seemann und Heike Ekea Gleibs über die Rolle und den Einfluss von digitalen Lernplattformen.
INFOS

ab 09. Juni 2022
Online-Weiterbildung im Dialog: Bildungsreferent/in für nachhaltige Entwicklung
Das Institut für Nachhaltigkeitsbildung bietet mit dieser Weiterbildung zur Bildungsreferent:in für nachhaltige Entwicklung einen einmonatigen Kurs mit insgesamt 20 Lerneinheiten an. Inhalte sind unter anderem Umwelt- und nachhaltigkeitspädagogische Konzepte im zeitlichen Wandel oder Beratung bei der Erstellung eigener Nachhaltigkeitsprofile und nachhaltigkeitspädagogischer Konzepte INFOS

09. Juni 2022, 18:30 bis 20:00 Uhr
Salon Bildung: Pädagogik im NS-System und Aspekte einer Bildung zum Widerstand
Dieser von Saskia Müller geführte Diskussionsvortrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung befasst sich mit den Themen Erinnerungspolitik, Antifaschismus, Rassismus und Bildungspolitik. Dabei wird die NS-Pädagogik im besonderen Hinblick auf den Nationalsozialistischen Lehrerbund betrachtet sowie die Möglichkeiten, Widerstand zu formieren. INFOS

13. bis 14. Juni 2022
Jahrestagung des Mercator-Instituts: Gemeinsam für sprachliche Bildung – systematisch und vernetzt
Diese Veranstaltung bietet ein breites Angebot aus Fachgesprächen, Workshops und Vorträgen, die sich mit sprachlichen Kompetenzen und deren Einfluss auf Bildungserfolg und gesellschaftlicher Teilhabe auseinandersetzen. Besonderer Fokus liegt dabei auf Kooperation und Vernetzung. Das Hauptprogramm kann per Live-Stream verfolgt werden. INFOS

13. Juni 2022, 16:00-18:00 Uhr
Zukunftssalon Schule: Wie können wir Digitalität und Inklusion für unsere Grundschulen zusammendenken?
Das Zusammendenken von Digitalität und Inklusionspädagogik ist Hauptthema dieses Zukunftssalons. Impulse werden gegeben von Katrin Böhme, Expertin für Inklusionspädagogik der Universität Potsdam, der Schulleiterin Julia Gronke-Herrmann und der Sonderpädagogin Lea Schulz. INFOS & ANMELDUNG

14. Juni 2022, 15:00 bis 18:00 Uhr
Digitales Lernforum: Kinder und Jugendliche in Schwierigkeiten 5 – Wenn das Familienleben zur Belastung wird
Das digitale Lernforum der Robert-Bosch-Stiftung gibt Impulse und Workshops, die sich mit dem Umgang mit vermeidenden Lösungsstrategien beschäftigen. Ziel soll sein, Schwierigkeiten von Kindern und Jugendlichen im sozialen und persönlichen Bereich besser verstehen und darauf reagieren zu können. INFOS & ANMELDUNG

14. Juni 2022, 16:00 bis 17:00 Uhr
Community Call: Dialogräume schaffen – Regionales Zusammenwirken von Schulträger, Schulleitung und Schulaufsicht
Das Forum Bildung Digitalisierung will Einblicke in den Dialog- und Experimentierraum für Schulen, Schulträger und Schulaufsichten geben und einen Raum für Austausch und Kommunikation schaffen. Gäste sind Schulrätin Meike Harder, IT-Koordinatorin Tanja Jeschke und Schulleiterin Anke Schermer. INFOS & ANMELDUNG

14. Juni 2022, 16:30 Uhr
HERDT|Live@school: Von der Tafel zum Tablet – Eine erste Bilanz
Ingo Voß ist Koordinator des iPad-Konzeptes an der Thomas-Morus-Oberschule in Osnabrück. Nun zieht er Bilanz seines Digitalisierungsprojektes und spricht dabei unter anderem über dessen Umsetzung und das damit einhergehende Fortbildungskonzept. INFOS

Licenses:
    • Habeck möchte Start-ups in die Schule bringen
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    • Behindertenbeauftragter fordert Bildungssoftware ohne Barrieren
    • Schule für Ukrainer: Europaweites Portal verschafft Überblick
    • Im Porträt: Brainix-Gründerin Sonja Völkel – KI im Klassenraum
    • Presseschau
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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    zehntausende Lehrer:innen und die Bildungswirtschaft treffen sich bis zum Wochenende in Köln. Einst galt die Didacta als Schulbuchmesse, Lehrkräfte reisten mit klassensatzgroßen Koffern an, um Gedrucktes aller Art abzutransportieren. Längst aber steht digitale Bildung im Mittelpunkt der Messe. Und damit auch: Fortbildungen für digitalen Unterricht. Dieses Jahr ist die Mobile Schule mit dabei. Sie hat mit wenig Geld die Lehrerfortbildung revolutioniert. Nach wie vor erhalten Lehrkräfte als Fortbildner, wenn überhaupt, symbolische Honorare. So kauft sich eine nah an Apple angebundene Stiftung oder eben Europas größte Bildungsmesse preiswerte Fortbildungen von hoher Qualität ein – und auch das niedersächsische Bildungsministerium macht nun mit. Das lässt Christian Füller die Frage stellen: Wie lange ist das sozial tragbar?

    Außerdem schauen wir uns das noch unveröffentlichte Start-up-Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium an. Es gilt im politischen Berlin als Kampfansage an die Kultusministerien. Denn in Robert Habecks Ministerium wünscht man sich neben Informatik als Pflichtfach und besserer Vermittlung von Digital- und Technikberufen insbesondere: mehr Kontakt der Schüler mit Start-ups. Die KMK hält private Bildungsanbieter aber aus den Schulen heraus. Das zeigte kürzlich die Totalabsage an die private, ukrainische Online-Schule Optima. Start-ups und Bildungssektor – bislang keine Liebesheirat.

    Dazu lesen Sie heute an dieser Stelle eine Analyse – und vertiefen sie morgen beim ersten Table.Live-Briefing, direkt von der Didacta. Seien Sie dabei, wenn Christian Füller mit Lena Spak (Scobees) und Max Maendler (eduki) über Habecks Start-up-Papier und die Zusammenarbeit mit der Bildungspolitik spricht. Wir laden Sie herzlich ein, sich morgen von 10 bis 11 Uhr an unseren digitalen Tisch zu setzen. Melden Sie sich hier kostenlos an.

    In diesem Sinne: Bis morgen,

    Ihr
    Niklas Prenzel
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    Habeck: Schüler sollen “möglichst früh” Start-ups kennenlernen

    Die Bundesländer sollen ihre Schulen verpflichten, Informatikunterricht ab der 5. Klasse anzubieten. So will es ein Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium, das Bildung.Table vorliegt. In dem Konzept regen Robert Habecks Beamte an, dass Schülerinnen und Schüler beizeiten Start-ups kennenlernen mögen. Wörtlich heißt es, “Unternehmerinnen und Unternehmer von morgen sollen möglichst früh mit Start-ups in Kontakt kommen.” Dieser Wunsch wird von Start-ups und sogar vom bildungspolitischen Sprecher der Opposition unterstützt. Das Ansinnen von Wirtschaftsminister Habeck (Die Grünen) steht allerdings dem diametral entgegen, was die Schulminister:innen seit Beginn der Pandemie praktizieren. Sie halten Bildungs-Start-ups aktiv von den Schulen fern. Zunächst hatte der Spiegel über die neue “Start-up-Strategie der Bundesregierung” berichtet.

    Das jüngste Beispiel für die Blockade von Start-ups wurde gerade bekannt. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Prien (CDU), äußerte sich explizit ablehnend zu dem derzeit wichtigsten Start-up Europas: der Optima-Online-Schule der Ukraine, bei der über 100.000 Schüler:innen kostenlos lernen, darunter Zehntausende Geflüchtete. Die Schulminister haben inzwischen beschlossen, private ukrainische Online-Schulen nicht zu fördern. Und zwar, weil sie privat sind. Auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger unterstützt diese Linie in einem Brief, der Bildung.Table vorliegt. “Aspekte des Schulunterrichts ukrainischer Geflüchteter”, so schreibt die FDP-Ministerin, “liegen grundsätzlich in der Zuständigkeit der Länder.”

    Falsche Angaben über ukrainisches Start-up Optima

    Die Kultusminister scheuen nicht davor zurück, mit unlauteren Methoden vorzugehen. In dem Kriterienkatalog der “Taskforce Ukraine, den Bildung.Table einsehen konnte, machen die Autoren über Optima falsche Angaben. Etwa werden verschiedene Preismodelle dargestellt, unter denen Schüler:innen bestimmte Möglichkeiten der Teilnahme an Optima haben. Was in dem Katalog nicht steht: Alle Preismodelle sind im Krieg außer Kraft gesetzt, jede:r ukrainische Schüler:in kann den vollen Umfang der Online-Schule nutzen – und zwar umsonst.

    Optima hat sich inzwischen sogar eine gemeinnützige Unternehmensform gegeben. Nachfragen beim Leiter der Taskforce Hans Beckmann sind bei dem Thema nicht möglich. Auch der Kriterienkatalog ist wieder als Geheimpapier gekennzeichnet: “Nur zur internen Verwendung! Nicht zur Veröffentlichung vorgesehen!” Die KMK äußerte sich weder zu dem Kriterienkatalog noch zu Habecks Start-up-Strategie. Sie liege ihr noch nicht vor, sagte ein Sprecher. 

    Informatikunterricht und Start-ups für Schüler

    Das 28-seitige Papier aus dem Bundeswirtschaftsministerium, das Ende vergangener Woche zur Abstimmung an Bundesministerien ging, regt eine Vielzahl von Maßnahmen an. Dazu zählen eine bessere Finanzierung, die Erleichterung der Talentsuche sowie den besseren Zugang von Daten durch Start-ups.

    Der Absatz zu Schulen gehört zum Kapitel Talente. “Die Bundesregierung wird den Dialog mit den Ländern zur Bildung intensivieren”, heißt es dort wörtlich. “Sie wird sich dafür einsetzen, dass Informatikunterricht ab der Sekundarstufe I verpflichtend eingeführt wird.” Die Vielfalt der digitalisierungs- und technologiebezogenen Berufsfelder solle Schule künftig “umfassend und klischeefrei vermitteln”. Diese Stelle wird allgemein als Seitenhieb auf die Kultusminister gelesen. Seit Mai 2020 ignorieren Bund und Länder das Angebot der Edu-Start-ups, gemeinsam über digitale Bildung nachzudenken. 

    CDU: Start-ups brauchen “staatliche Aufträge” der Schulminister

    In der Szene der deutschen EdTechs wurde das Papier wenig überraschend begrüßt. “Ich finde, dass das einen sehr guten und runden Eindruck macht”, sagte Peter Ganten, Vorsitzender des “Bundesverbandes Digitale Souveränität”, zu dem Papier. Ganten hatte sich kürzlich sehr kritisch zu den nicht gehaltenen digitalpolitischen Versprechen der Bundesregierung geäußert. Selbst der Start-up-Beauftragte der Regierung Merkel, Thomas Jarzombek (CDU), lobte das Papier. “Junge und innovative Unternehmen sind die Zukunft unserer Wirtschaft. Daher ist es gut und wichtig, dass das Wirtschaftsministerium hier einen Schwerpunkt legt.” Der Oppositionspolitiker wies gegenüber Bildung.Table darauf hin, dass die Start-up-Strategie eine Fortschreibung seiner Politik sei. Er sei daher gespannt, “ob unsere Steigerung des öffentlichen Wagniskapitals nun fortgesetzt wird.” 

    Jarzombek legte zugleich die Finger in die Wunden der Kultusminister wie des Digitalpakts. “Neben Wagniskapital sind strategische staatliche Aufträge für Start-ups super wichtig“, sagte der CDU-Politiker. Dieser Weg sei auch im Bildungsbereich notwendig. Aber genau das findet derzeit nicht statt: Start-ups können nicht am Digitalpakt partizipieren. Und nicht einmal im Krieg werden funktionierende Portale gefördert – weil sie Start-ups sind. Viel zu tun für Robert Habeck. 

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    Mobile Lehrerfortbildung auf der Didacta

    Wenn ab heute auf der Didacta die “Mobile Schule” für drei Tage Lehrerfortbildungen anbietet, dann ist das das Ergebnis einer langen Reise. Und es ist zugleich Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels der Weiterbildung für Pädagogen. Das Format “Lehrer:innen bilden Lehrer:innen” entwickelte sich über zehn Jahre aus der Waldschule Hatten heraus. Der damalige Lehrer Andreas Hofmann instruierte seine Kolleg:innen fürs Tablet. Heute organisiert er als Unternehmer überall in der Republik digital gestützte Lehrerfortbildungen – mit den besten Digitallehrkräften Deutschlands. Andere Institutionen haben das Konzept übernommen. Nur, wie lange lässt sich das Lieferando-Dumping-Modell der Lehrerbildung aufrechterhalten? Kann es sein, dass auf der größten Messe der Bildungswirtschaft die besten Lehrer:innen ohne Honorar Kolleg:innen fortbilden

    Die Didacta macht mit Mobile Schule einen Pantersprung ins Digitale

    Das Programm der Mobilen Schule auf der Didacta ist nicht klein. Drei ganze Tage lang bieten Lehrer:innen anderen Lehrer:innen alle Themen rund um digitale Bildung an. Es geht dort von der kaum verhohlenen Apple-Werbung “iPad-Ideenfeuerwerk am Beispiel einer typischen Unterrichtsstunde” bis hin zu Detailfragen wie “Fake News im Unterricht – erkennen und bewusst konsumieren”. Mit diesem Lehrerfortbildungs-Strang macht die Didacta einen weiten Sprung ins Digitale. 50.000 Besucher:innen werden in Köln erwartet – im Vergleich zu 100.000 bei der letzten Präsenz-Didacta 2019.

    Gleichzeitig ist interessant, wer bei der Didacta von Bord gegangen ist. Der Verband für Bildungsmedien, also der Interessenvertreter des gedruckten Schulbuchs, gehört seit 2020 nicht mehr zu den Trägern. Diesmal haben auch die Schulbuchverlage deutlich kleinere Standflächen gebucht. Das ist eine Zeitenwende: Denn die Didacta war in den Köpfen der Menschen stets eine Schulbuchmesse. Lehrerinnen und Lehrer kamen mit großen Koffern und Ikea-Plastetaschen – um Gedrucktes aller Art abzutransportieren. Heute lernen sie bei der mobilen Schule für das digitale Klassenzimmer, to go nur für den Kopf.  

    Diese Art Lehrerfortbildung verändert nicht nur die Gestalt der Didacta, die zwischen Hannover, Stuttgart und Köln zirkuliert. Dass man Lehrer:innen über die Digitalisierung des Lernens am besten in Formaten teilhaben lässt, die selbst digital sind, revolutioniert derzeit alle pädagogischen Provinzen. Und das geschieht viel schneller, als es die Fürsten der Kulturhoheit selber bewerkstelligen könnten. Die Kultusminister haben zwar zwei große Innovationsprozesse der Lehrerfortbildung angestoßen, die Reform des Mathematik-Unterrichts und die sogenannten Kompetenzzentren. Beides ist sehr gründlich und sehr sinnvoll, wird aber Schule nicht rasch verändern. Denn diese Projekte sind derart langwierig, dass sie jederzeit zum Stehen kommen können. Die Kompetenzzentren für Lehrerbildung etwa, zusammen mit dem Bund organisiert, rühren sich seit einem Jahr nicht mehr vom Fleck. 

    Bayerns Lehrerakademie hat sich binnen zwei Jahren neu erfunden

    Dass Lehrerfortbildung sich sehr wohl ändern kann, sieht man an einem der größten Fortbildungsinstitute Deutschlands, der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung (ALP) in Dillingen, Bayern. Dort hat sich nicht nur die Zahl der Fortbildungen seit 2019 verfünffacht (auf 240.000 Teilnehmer im Jahr 2021). Auch die Formate, wie man Lehrer:innen folgenreich einbezieht, sind heute andere. Früher reisten die Lehrkräfte, wenn sie es denn taten, mit dem Koffer nach Dillingen. Das bedeutet, dass neue Lehrkompetenzen nur sehr langsam nach unten zu jeder der 120.000 bayerischen Lehrkräfte durchtröpfelten – weil es so viele regionale, lokale und schulinterne Fortbildungsebenen gibt. 

    Nun kann die ALP die Lehrkräfte direkt erreichen“, sagt ALP-Direktor Alfred Kotter Bildung.Table. “In den letzten zwei Jahren haben sich völlig neue digitale Formate an der ALP entwickelt”, berichtet der Akademieleiter. “So werden beispielsweise Lerngemeinschaften über einen längeren Zeitraum mit Impulsen versorgt.” Das Erproben in der schulischen Praxis wird sofort möglich. Beim Format Selbstlernkurs gebe es das 45-minütige Sonderformat namens “ALP-fre!stunde”. Fortbildner stellen Themen so dar, dass sie in einer Freistunde von Lehrern konsumierbar sind. Dieses Format klingt verdächtig nach “Mobile Schule”. Kotters ALP hat schnell gelernt.

    Lehrkräfte mehren den Ruhm des wertvollsten Konzerns der Erde – für umsonst

    Die Lehrerakademie Dillingen hat einen Vorteil, der Hofmann auf Dauer zu schaffen machen könnte. Denn die Fortbildner an der ALP sind natürlich bezahlt. Bei Hofmann ist das häufig nicht der Fall. Selbst bei einer Fortbildungsreihe für die eng mit Apple verzahnte “Gesellschaft für Digitale Bildung” im Januar/Februar bekamen die Fortbildner bei Hofmann kein Honorar. Ein kleiner Skandal – als Lehrer umsonst für eine “gemeinsame Veranstaltung der Apple-Händler im Bildungsbereich aus Deutschland” zu arbeiten. Hofmann sagte auf Anfrage, dass er so viel zahle, wie er eben zahlen könne. Selbst bei der renommierten Didacta seien das lediglich die Unkosten der Referent:innen. “Das war’s, mehr kann ich da einfach nicht bezahlen.” 

    Er beschwor stattdessen den Geist der Mobilen Schule. “Ich hin sehr dankbar dafür, dass es Menschen gibt, die mit mir diesen Spirit aufrechterhalten.” Deswegen gebe es bei der Didacta einen Treffpunkt, wo Lehrer sich begegnen können. “Da wird nichts verkauft, da wird nichts vermarktet, da können sich Lehrer einfach treffen – mit Popcorn-Maschine und Bier.” Diese Grünkohl-Fahrt-Romantik gehört zu den Anfängen der Mobile Schule, als sie unter dem Kürzel “Molol” an der Uni Oldenburg von einer Handvoll Lehrer auf 1.000 Teilnehmer skalierte. 

    Hofmann hat gerade 180.000 Euro von Niedersachsens Digitalstaatsekretär Stefan Muhle (CDU) bekommen. Zusammen mit mygatekeeper soll er einen digital hub errichten. Die Fördermittel fließen in das digitale Equipment der mobilen Schule. Ob sich ein Bundesland damit zufriedengibt, auf dem Rücken schlecht oder gar nicht bezahlter Kolleg:innen Lehrerfortbildungen zu veranstalten, wird sich zeigen. 

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    News

    Philologenverband: Mehr ukrainische Lehrkräfte einstellen

    Eine große Mehrheit von 88 Prozent der Lehrkräfte sagt, dass an ihren Schulen für die neuen Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine keine zusätzlichen Lehrkräfte bereitgestellt wurden. Das ergibt eine Umfrage des Deutschen Philologenverbands (DPhV), an der im April 1700 Gymnasiallehrkräfte online teilgenommen haben. 

    Die Belastung für Lehrkräfte wächst: Lediglich 15 Prozent gaben an, dass sie für die Mehrarbeit durch die größer gewordenen Klassen an anderer Stelle entlastet wurden. Dass die Mehrheit der ukrainischen Schülerinnen und Schüler nicht in die Schulen vermittelt wurden, die deren Fähigkeiten und Leistungsstand entspricht, sagen 60 Prozent der befragten Lehrkräfte. 

    Mehr Entlastungsstunden, weniger Bürokratie

    DPhV-Bundesvorsitzende Susanne Lin-Klitzing fordert deshalb einerseits mehr Entlastungsstunden für die Lehrkräfte und andererseits mehr Stellen an den Schulen. “In den Nachtragshaushalten der Länder müssen umgehend bedarfsgerecht mehrere tausend Lehrerstellen geschaffen werden”, sagt Lin-Klitzing. 

    Zudem brauche es so schnell wie möglich Deutschkurse für ukrainische Lehrkräfte, damit diese in den Schulen das bestehende Personal an den Schulen entlasten können. “Sie müssen an zertifizierten Standards orientiert zumindest stundenweise unbürokratischer in unseren Schulen beschäftigt werden”, sagt Lin-Klitzing. 

    Die Zahl der ukrainischen Schülerinnen und Schüler, die in Deutschland zur Schule gehen, steigt von Woche zu Woche. Aktuellen Zahlen der KMK zufolge sind es mehr als 110.000 ukrainische Kinder und Jugendliche. Die KMK rechnet mit bis zu 400.000 ukrainischen Schülerinnen und Schülern. Sofie Czilwik

    Versprechen des Kanzlers: Keine Schulschließungen mehr

    Auf dem Foto sieht man Bundeskanzler Olaf Scholz zusammen mit Länderchefs im Gespräch über Schulschließungen wegen Corona.
    02.06.2022, Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt neben Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sowie Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, zur Pressekonferenz nach der Ministerpräsidentenkonferenz.

    Olaf Scholz will sich vorbereiten – damit Deutschland im Herbst, wenn nötig, rechtzeitig von Sommer- auf Winterreifen umsteigen kann. So formulierte der SPD-Kanzler seine Strategie nach den Beratungen mit den Länderchefs vergangene Woche. Nach zwei Jahren ist der Instrumentenkasten, um die Pandemie zu bekämpfen, gut bestückt. Diesmal jedoch, das versprach Scholz, sollen es nicht wieder Kinder und Jugendliche sein, die besonders unter den Corona-Maßnahmen leiden. Es werde keine “flächendeckenden Schließungen von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen geben”, gab er zu Protokoll.

    Daran werden ihn die Schüler:innen im Herbst messen.

    “Wir dürfen die Fehler der Pandemiebekämpfung nicht wiederholen”, betont auch Bettina Stark-Watzinger in einer Videobotschaft. Die Bundesbildungsministerin plädiert für eine Erhöhung der Impfquote unter Kindern und Jugendlichen. “Schon jetzt ist absehbar, dass wir die Impfangebote rechtzeitig hochfahren müssen, möglichst niedrigschwellig”, sagte sie der Funke Mediengruppe. Und: Stark-Watzinger will “Tempo” beim Einbau von Luftfiltern in den Klassenzimmern machen. Schon jetzt stünden dafür Haushaltsmittel bereit. Nur: “Es muss vor Ort ankommen“, betont sie.

    Die Suche nach Orientierung

    Über den jüngsten Beschluss zu den Schulschließungen hinaus haben die Länder bislang keine klare Schul-Strategie. Bundesregierung und Bildungsminister warten noch auf verschiedene Berichte, von denen sie sich Orientierung erhoffen.

    • Der zwischenzeitlich aufgelöste Corona-Krisenstab des Kanzleramts sammelt Best-Practice-Beispiele aus zwei Jahren Krisenmanagement.
    • Der Corona-Expertenrat, der Scholz berät, bereitet eine Empfehlung zur Pandemiebekämpfung vor.
    • Und der Sachverständigenausschuss, eingesetzt auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes, arbeitet an einer wissenschaftlichen Evaluation der Wirksamkeit der Corona-Maßnahmen.

    Die geltenden Regeln im Infektionsschutzgesetz (IfSG) laufen am 23. September aus, wobei Gesundheitsminister Karl Lauterbach bereits eine Verlängerung angekündigt hat. Doch schon jetzt streitet er sich mit der FDP, wie es beispielsweise bei der Maskenpflicht weitergeht. Hier müssten sich die Koalitionäre einigen, erklärte zuletzt Bayerns Kultusminister. “Bei der Maske brauchen wir eine neue Regelung der Ampel. Stand jetzt könnten wir keine Maskenpflicht an den Schulen einführen”, so Michael Piazolo.

    Viele Details hängen also von der anstehenden IfSG-Novelle ab – nicht nur bei der Maskenpflicht. Nach Scholz Schul-Versprechen scheint es ausgeschlossen, dass der Bund fixe Inzidenzwerte für Schulschließungen beschließt. Offen ist jedoch, welchen Spielraum der Bundestag den Ländern einräumt, die Schüler im Notfall doch wieder in den Distanzunterricht zu schicken. Moritz Baumann

    Schule für Ukrainer: Europaweites Portal verschafft Überblick

    Fast sieben Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer haben seit Kriegsbeginn ihr Land verlassen. Die Schulpflichtigen finden sich in einem neuen Land und Schulsystem wieder. Nun ist ein Hub online gegangen, der ihnen den Weg durch den Bildungsdschungel in den europäischen Staaten bahnt. Der New Ukrainian Schoolhub möchte über länderspezifische Bildungszugänge, aber auch ergänzende EdTech-Lösungen und ukrainische Online-Lernplattformen informieren. Denn viele geflüchtete Schüler sitzen nicht nur auf der Schulbank ihres Ankuftslands, sondern lernten mit Online-Angeboten weiter nach ukrainischem Lehrplan.

    Man sieht einen Screenshot aus dem Portal New Ukrainian Schoolhub, ein Portal für ukrainische Lernplattformen
    Der Hub informiert auf Ukrainisch und Englisch.

    “Unsere Initiative baut sowohl auf der bestehenden Sammlung von über 200 unterstützenden EdTech-Angeboten aus über 20 Mitgliedstaaten auf, als auch auf den Bildungsmaterialien von ‘Learning Together’”, sagt Mitinitiatorin Beth Havinga, Managing Director der European EdTech Alliance. Neben der European EdTech Alliance wird die Initiative vom “Learning Together Project” der finnischen Regierung getragen. Helsinki hilft Kiew seit 2018 bei der Reform des Schulsystems. Zudem bezuschusst die Europäische Kommission den digitalen Schoolhub. npr

    Behindertenbeauftragter fordert barrierefreie Software in Schulen

    Die Bildungspolitik muss sich daran messen lassen, ob sie digitale Infrastrukturen barrierefrei gestaltet. Das sagte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, im Gespräch mit Bildung.Table. “Wer Geld für neue Software in die Hand nimmt, weil wir hier einen großen Nachholbedarf haben, sollte sich selbstverständlich für eine barrierefreie Software entscheiden, von der alle Menschen im gleichen Maße profitieren können.”

    Inklusion sei die Umsetzung von fundamentalen Grundrechten. “Es reicht nicht, wenn Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam in eine Schule gehen.” Denn Kinder mit Behinderung hätten besondere Förderbedarfe, denen auch die Regelschule gerecht werden muss. Darauf sollten sich die Kinder und ihre Eltern verlassen können. Wenn das gelingt, können alle vom gemeinsamen Lernen profitieren.

    Gesetze, Geld und das richtige Mindset

    Bisher gelingt das in der Regel aber nicht. Zu diesem Ergebnis kam eine aktuelle Umfrage des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), in dem sich die Lehrkräfte vernichtend über die Rahmenbedingungen der Inklusion äußerten (Bildung.Table berichtete). Dabei ist es inzwischen schon dreizehn Jahre her, dass Bundestag und Bundesrat die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und damit zu geltendem Bundesrecht gemacht haben.

    “Auf welche Bedingungen ein behindertes Kind an einer Regelschule trifft, hängt bisher noch wesentlich davon ab, in welchem Bundesland es lebt, welches Schulgesetz dort gilt und welche Ressourcen vorhanden sind”, sagt Jürgen Dusel. Damit sich das ändert, brauche es klare Rahmenbedingungen und kluge Investitionen ins Bildungssystem: kleine Klassen, ausreichend Förderpädagog*innen, gute Aus- und Fortbildungen für alle Lehrkräfte, aber auch die Bereitschaft, Schüler*innen mit Behinderung als Gewinn für die Gemeinschaft zu betrachten.

    Bund, Länder, aber auch Kommunen als Schulträger müssen hier Hand in Hand arbeiten, findet Dusel. In einem Gespräch mit der Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte er in der vergangenen Woche dafür plädiert, die Behindertengleichstellungsgesetze bei ohnehin anstehenden Investitionen wie dem Digitalpakt zumindest mitzudenken. Janna Degener-Storr

    Makerspace

    Sonja Völkel – will mit Brainix KI ins Klassenzimmer bringen

    Auf dem Foto sieht man Sonja Völkel - sie will mit Brainix KI ins Klassenzimmer bringen.
    Sonja Völkel – Gründerin und angehende Lehrerin.

    Vielleicht ist es ihrer Vergangenheit als Leistungsschwimmerin zu verdanken, dass Sonja Völkel auf Kritik gelassen reagiert. Davon erntet sie viel. Ihre Lernsoftware Brainix, fürchten manche, entmachtet Lehrer und isoliert Schüler. Mit der Software will die angehende Gymnasiallehrerin für Englisch und Latein jedoch keineswegs die Lehrkräfte abschaffen. Brainix soll vielmehr unterstützen, Inhalte vor immer heterogener werdenden Klassen erfolgreicher zu vermitteln.

    Die KI-gestützte Software soll Schüler:innen in die Lage versetzen, sich Wissen selbstständig zu erarbeiten. Entsprechend ihrer individuellen Stärken und Schwächen können sie gefördert werden – und das über ein ganzes Schuljahr hinweg. Brainix orientiert sich am Lehrplan und gliedert Lerninhalte eines Schulfaches in Lektionen. Die können die Nutzer online, und damit von überall aus, abarbeiten. Lehrkräfte sollen somit mehr Freiräume bekommen, sich um die sozialen Kompetenzen der Schüler:innen zu kümmern und gezielt Feedback zu geben.

    Wettlauf der KI-Lernmethoden

    Nachdem KI-gestützte Lehrmittel wie Brainix in anderen Ländern wie Großbritannien und Dänemark bereits seit Jahren eingesetzt werden, kommen sie langsam in deutschen Klassenzimmern an. Im Herbst 2020 testeten die Kultusminister an 20 Schulen erstmals den Einsatz von KI im Unterricht. Verwendet wurde die dänische Lernsoftware Area 9. Jetzt ist Sonja Völkel in Bayern so weit, auch die Ressourcen von Brainix ins Rennen zu schicken. Etabliert sie sich dort mit ihrer Software, könnte sie dem dänischen Konkurrenten den Rang ablaufen.

    Überzeugt sind noch nicht alle im Bildungswesen. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, äußert sich gegenüber Bildung.Table zurückhaltend. Visionen, wie individualisiertes Lernen und virtuelle Assistenten, begrüße der Lehrerverband prinzipiell – solange sie pädagogischen sinnvoll sind. “Ob gerade leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler, die in besonderer Weise von der direkten Motivation abhängig sind, davon profitieren, wenn Präsenzzeit verringert und Selbstlernzeit erweitert wird, wage ich zu bezweifeln”, sagt Meidinger.

    Sonja Völkel ist hingegen von den Vorteilen und Chancen ihres digitalen Lehrwerks überzeugt. “Lehrende berichten uns, dass ihnen insbesondere die Steuerung der Lernwege hilft.” So könnten sie die Lernfortschritte der Lerner individueller beurteilen. “Meine Vision ist, dass unsere Lernsoftware hilft, das implizite Lernen bei Schülerinnen und Schülern zu verbessern.” Welchen Schülern hilft die App besonders? Introvertierten Schülern zum Beispiel, meint Völkel. So ließen sich Fragen leichter stellen, als vor der versammelten 30-köpfigen Klasse. Maria Köpf

    Presseschau

    Berliner CDU plant Missbilligungsantrag gegen Astrid-Sabine Busse TAGESSPIEGEL
    Berlin: Opposition kritisiert SPD-Plan zu Lehrermangel als realitätsfern WELT
    Propaganda in russischen Klassenzimmern WELT
    Zu wenig verfügbare Gymnasialplätze: “Kapazitäten beinahe voll ausgeschöpft” WELT
    GB: Auswirkungen der neuen Visa-Politik für Akademiker:innen SZ
    Myrle Dziak-Mahler fordert Revolution für Schule von Morgen BILDUNGSKLICK
    Berliner Schulen: Der Beitrag von Kindern und Jugendlichen zur Pandemiebekämpfung SZ
    Nach Corona: Lehrkräfte sehen Verschlechterung bei Handschrift von Schüler:innen SZ
    Erasmus: 20% mehr Anträge als 2021 WIESBADENERKURIER
    Analyse von Theresa Schoppers Referenzrahmenentwurfs NEWS4TEACHERS
    Meinung zum Lehrermangel in Berlin: Weniger Stunden und besserer Unterricht TAZ
    Studien zu Corona-Restriktionen und deren Auswirkungen für Kinder und Jugendliche WELT
    Interview: Klaus Hurrelmann über Cornelsen-Schulleitungsstudie und Alltagsbürokratie CHECKPOINTELEARNING

    Termine

    08. bis 10. Juni 2022
    Festival: re:publica
    Das Festival für die digitale Gesellschaft steht dieses Jahr unter dem Motto “Any Way The Wind Blows” und bietet Sessions mit Themen aus Kultur, Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und vielem mehr.
    Besondere Tipps aus der Bildung.Table-Redaktion:
    Am 08. Juni 2022 bieten das Bundesinstitut für Berufsbildung und die Online-Community EPALE von 10:30 bis 17:00 Uhr Einblick in zukünftige Veränderungen in der europäischen Erwachsenenbildung.
    Am 09 Juni sprechen von 12:30 bis 13:30 Uhr Felicitas Macgilchrist, Ulrike Lucke, Michael Seemann und Heike Ekea Gleibs über die Rolle und den Einfluss von digitalen Lernplattformen.
    INFOS

    ab 09. Juni 2022
    Online-Weiterbildung im Dialog: Bildungsreferent/in für nachhaltige Entwicklung
    Das Institut für Nachhaltigkeitsbildung bietet mit dieser Weiterbildung zur Bildungsreferent:in für nachhaltige Entwicklung einen einmonatigen Kurs mit insgesamt 20 Lerneinheiten an. Inhalte sind unter anderem Umwelt- und nachhaltigkeitspädagogische Konzepte im zeitlichen Wandel oder Beratung bei der Erstellung eigener Nachhaltigkeitsprofile und nachhaltigkeitspädagogischer Konzepte INFOS

    09. Juni 2022, 18:30 bis 20:00 Uhr
    Salon Bildung: Pädagogik im NS-System und Aspekte einer Bildung zum Widerstand
    Dieser von Saskia Müller geführte Diskussionsvortrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung befasst sich mit den Themen Erinnerungspolitik, Antifaschismus, Rassismus und Bildungspolitik. Dabei wird die NS-Pädagogik im besonderen Hinblick auf den Nationalsozialistischen Lehrerbund betrachtet sowie die Möglichkeiten, Widerstand zu formieren. INFOS

    13. bis 14. Juni 2022
    Jahrestagung des Mercator-Instituts: Gemeinsam für sprachliche Bildung – systematisch und vernetzt
    Diese Veranstaltung bietet ein breites Angebot aus Fachgesprächen, Workshops und Vorträgen, die sich mit sprachlichen Kompetenzen und deren Einfluss auf Bildungserfolg und gesellschaftlicher Teilhabe auseinandersetzen. Besonderer Fokus liegt dabei auf Kooperation und Vernetzung. Das Hauptprogramm kann per Live-Stream verfolgt werden. INFOS

    13. Juni 2022, 16:00-18:00 Uhr
    Zukunftssalon Schule: Wie können wir Digitalität und Inklusion für unsere Grundschulen zusammendenken?
    Das Zusammendenken von Digitalität und Inklusionspädagogik ist Hauptthema dieses Zukunftssalons. Impulse werden gegeben von Katrin Böhme, Expertin für Inklusionspädagogik der Universität Potsdam, der Schulleiterin Julia Gronke-Herrmann und der Sonderpädagogin Lea Schulz. INFOS & ANMELDUNG

    14. Juni 2022, 15:00 bis 18:00 Uhr
    Digitales Lernforum: Kinder und Jugendliche in Schwierigkeiten 5 – Wenn das Familienleben zur Belastung wird
    Das digitale Lernforum der Robert-Bosch-Stiftung gibt Impulse und Workshops, die sich mit dem Umgang mit vermeidenden Lösungsstrategien beschäftigen. Ziel soll sein, Schwierigkeiten von Kindern und Jugendlichen im sozialen und persönlichen Bereich besser verstehen und darauf reagieren zu können. INFOS & ANMELDUNG

    14. Juni 2022, 16:00 bis 17:00 Uhr
    Community Call: Dialogräume schaffen – Regionales Zusammenwirken von Schulträger, Schulleitung und Schulaufsicht
    Das Forum Bildung Digitalisierung will Einblicke in den Dialog- und Experimentierraum für Schulen, Schulträger und Schulaufsichten geben und einen Raum für Austausch und Kommunikation schaffen. Gäste sind Schulrätin Meike Harder, IT-Koordinatorin Tanja Jeschke und Schulleiterin Anke Schermer. INFOS & ANMELDUNG

    14. Juni 2022, 16:30 Uhr
    HERDT|Live@school: Von der Tafel zum Tablet – Eine erste Bilanz
    Ingo Voß ist Koordinator des iPad-Konzeptes an der Thomas-Morus-Oberschule in Osnabrück. Nun zieht er Bilanz seines Digitalisierungsprojektes und spricht dabei unter anderem über dessen Umsetzung und das damit einhergehende Fortbildungskonzept. INFOS

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