die neue Corona-Variante Omicron hat am Wochenende nicht nur wegen ihrer Ausbreitung, sondern auch wegen des Namens Kopfzerbrechen bereitet. Denn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bei der Benennung einige Buchstaben des griechischen Alphabets übergangen. Vor Omicron wären noch Ny und Xi an der Reihe gewesen. Ny fiel raus, da es auf Englisch zu sehr nach “new” klang. Und Xi? Erinnere laut WHO zu sehr an den chinesischen Nachnamen, der zwar nicht sehr verbreitet ist, aber mit dem Staatschef doch einen gewichtigen Träger hat. Kritiker warfen der WHO daraufhin falsche politische Rücksichtname vor – ob das bei der Variante “Biden” oder “Merkel” auch so gewesen wäre, sei einmal dahin gestellt.
Mehrere große Staaten haben zuletzt entschieden, wegen der aktuellen Energiekrise ihre strategischen Ölreserven anzuzapfen. Auch China zeigt sich dafür offen – eine feste Zusage steht aber noch aus, wie unsere Autorin Christiane Kühl analysiert. Das Thema hat geopolitisches Sprengstoff-Potenzial. Denn Peking betont, ähnlich wie in Klima-Punkten, dass die USA keine Kooperation erwarten könnten, wenn Washington gleichzeitig versuche, China einzuschränken. Zudem ist unklar, ob das Öl aus der Volksrepublik überhaupt Abnehmer finden würde.
Es war ein Witz, der dem Chef von JPMorgan fast im Halse stecken geblieben wäre. Denn mit der witzig gemeinten Vorhersage, das 100 Jahre alte China-Geschäft seiner Bank werde länger bestehen als die ebenso alte Kommunistische Partei, sorgte er für großes Entsetzen – in China, aber auch bei den eigenen Investoren. Ning Wang nimmt diese Anekdote zum Anlass, um zu zeigen, wie groß inzwischen die Abhängigkeit der Wall-Street-Banken vom guten Willen der Führung in Peking geworden ist. Verblüffend: Durch die Liberalisierung des chinesischen Marktes nimmt Pekings Einfluss sogar noch weiter zu.
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Es geht jetzt ziemlich schnell. Mehrere große Staaten haben entschieden, wegen der aktuellen Energiekrise ihre strategischen Erdölreserven anzuzapfen. Die USA sind dabei, die Ölhähne zu öffnen: Rund 50 Millionen Barrel sollen in den nächsten Monaten aus den Reserven fließen. Auch Indien, Japan und Großbritannien haben eine Öffnung ihrer Reserven angekündigt. Damit blickt die Welt nun auf China. Von Peking wird in diesen Tagen eine konkrete Ansage erwartet. Die US-Regierung hatte von einer international abgestimmten Freigabe-Aktion gesprochen.
Vor ein paar Wochen hatte sich die Hoffnung zerschlagen, dass der Ölförderclub der Opec-Staaten die Rohölförderung deutlich erhöhen werde, um den rasant steigenden Rohstoffpreisen entgegenzuwirken. Bislang weiten die 23 Förderländer des Ölverbunds Opec+ ihre Produktion nur in moderatem Tempo aus. Sie haben kein Interesse daran, den Markt zu fluten, denn dann sinken die Erlöse. Also richtet sich der Fokus vieler Staaten nun auf ihre Notreserven: Denn genau für diese Situationen sind sie da. US-Präsident Joe Biden kämpft zu Hause mit einer hohen Inflation, zu der die steigenden Ölpreise maßgeblich beitragen. Auf seinem Videogipfel mit Chinas Staatschef Xi Jinping hatte Biden die Volksrepublik angesichts steigender Ölpreise gebeten, ihre Ölreserven ebenfalls anzuzapfen.
China zeigte sich danach offen, aber gab zunächst keine eindeutige Zusage. Vor einer Woche gab das Büro für staatliche Reserven in Peking bekannt, dass es an einer Freigabe von Rohölreserven arbeite. Zu der Bitte der USA äußerte sich die Behörde allerdings nicht.
Denn wie beim Klimaschutz spielt auch bei dem Thema Erdölreserven die Geopolitik eine Rolle. Das Argument Pekings: Die USA haben kein Recht, von China Kooperation einzufordern, wenn sie zugleich versuchen, das Land einzudämmen. “China wird den USA vielleicht den Gefallen tun, seine Rohölreserven zu öffnen”, schreibt etwa die Staatszeitung Global Times. China werde jedoch angesichts der angespannten Beziehungen zu Washington “seine eigenen Interessen priorisieren”. Erst am Dienstag hatten die USA demonstrativ Taiwan zu Bidens virtuellem Gipfel der Demokratien eingeladen (China.Table berichtete). China ist qua seines Systems dabei natürlich außen vor. Doch die Einladung des von Peking als abtrünnige Provinz angesehenen Taiwan ist in den Augen der Regierung ein Affront.
Chinas Regierung ist derweil durchaus bewusst, dass Biden wegen der Inflation daheim unter großem innenpolitischen Druck steht – ein Druck, den Peking bisher nicht im gleichen Maße verspürt. Der aktuelle Rohölpreis von rund 80 US-Dollar pro Barrel erfordere nicht unbedingt eine sofortige Freigabe strategischer Reserven durch China, zitiert die South China Morning Post den Energieexperten Wang Yongzhong von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften. Wang räumt aber ein, dass beide, die USA und China, als Großverbraucher ein Interesse an einer Senkung des Preises haben.
Die USA verfügen mit 727 Millionen Barrel über die weltweit größten gemeldeten strategischen Erdölreserven. China dagegen begann überhaupt erst 2007 mit der Einlagerung von Ölreserven. Es publiziert die Menge der Reserven seither nicht regelmäßig: Die neuesten Daten des Nationalen Statistikamtes stammen von 2017. Damals hielt China insgesamt rund 280 Millionen Barrel an sieben Standorten vor, darunter in Dalian, Qingdao oder an der Küste der Provinz Zhejiang. Experten gehen allerdings davon aus, dass China vor allem im März und April 2020 eine große zusätzliche Menge eingelagert hat. Damals, zu Beginn der Corona-Pandemie, lagen die Ölpreise am Boden.
Ölsicherheit ist für China seit Jahrzehnten von großer strategischer Bedeutung. Die Volksrepublik ist der mit Abstand größte Ölimporteur der Welt, da sie nur geringe eigene Vorkommen besitzt. 2020 importierte China knapp drei Viertel seines verbrauchten Erdöls. Wang Yongzhong schätzt, dass Chinas Rohölreserven derzeit etwa der Importmenge von 40-50 Tagen entsprechen. Das ist nicht sehr viel. Die Internationale Energie-Agentur empfiehlt Reserven in Höhe der Nettoimporte von mindestens 90 Tagen. Doch China kann im Zweifelsfall auch auf die Lagerbestände seiner drei Ölkonzerne zurückgreifen, die sich alle mehrheitlich in Staatshand befinden.
Ob China überhaupt große Mengen freigegebener Erdölreserven im Land absetzen kann, ist indessen ungewiss. Im September hatte Peking bereits angekündigt, Teile seiner Reserven über Auktionen an Raffinerien zu verkaufen. Doch nur eine dieser Auktionen fand überhaupt statt. Sie traf auf nur mäßiges Interesse. Bei einer erneuten Auktion von Ölreserven würden Raffinerien möglicherweise kaum Interesse haben mitzubieten, unken die Analysten von S&P Global Platts unter Berufung auf Quellen in Chinas Ölsektor. “Denn die Inlandsnachfrage lässt angesichts der pandemiebedingten Beschränkungen vor den Olympischen Winterspielen nach.”
In der Tat wird erwartet, dass Peking die Raffinerieaktivitäten in Nordchina einschränken wird, um im Vorfeld der Olympischen Winterspiele von Peking im Februar 2022 deren Emissionen zu begrenzen. Durch die andauernde Null-Covid-Politik mit ihren zahlreichen Restriktionen ist zudem die Mobilität der Chinesen derzeit stark eingeschränkt. Und das senkt die Nachfrage nach Treibstoffen für den Verkehrssektor. Diesen Trend bestätigen die Importdaten von diesem Jahr: Zwischen Januar und Oktober lagen die Ölimporte Chinas um 7,2, Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Es ist also offen, inwieweit China im Kampf gegen den hohen Ölpreis mitwirken kann.
Es sollte ein Scherz sein, und er fing ganz staatstragend an: “Die Kommunistische Partei feiert ihr 100-jähriges Bestehen, genauso wie JPMorgan”, sagte Jamie Dimon. Denn die US-Bank JP Morgan Chase feiert in diesem Jahr ihr 100-Jähriges-Bestehen in China. Doch dann fügte Dimon spontan noch einen Satz hinzu, der den Spruch zu einem Desaster machte. “Und ich wette, wir werden länger durchhalten.” Kichernd ergänzte er noch: “Das kann ich in China nicht sagen. Sie hören wahrscheinlich sowieso zu.”
Dimons unbedachte Worte waren eine kolossale Fehleinschätzung – doch mit seiner Vermutung, dass in China mitgehört werde, lag er genau richtig. Bereits am folgenden Tag musste er sich öffentlich entschuldigen: “Ich bedauere die Aussage, die ich nicht hätte machen sollen. Ich habe versucht, die Stärke und Langlebigkeit unseres Unternehmens zu betonen”, stellte Dimon in einem Statement klar. Und seine Reue reichte noch weiter: “Es ist nie richtig, über eine Gruppe von Leuten Witze zu machen oder sie zu verunglimpfen. Egal ob es sich dabei um ein Land, dessen Führung oder Teile der Gesellschaft und der Kultur handelt”, ergänzte Dimon.
Eine öffentliche Bemerkung, die das politische Überleben der Kommunistischen Partei infrage stellt, ist für multinationale Unternehmen heutzutage absolutes Sperrgebiet. “Dimons Entschuldigung zeigt, wie viel Respekt ausländische Unternehmen der chinesischen Regierung entgegenbringen müssen, um in guter Gnade zu bleiben und Zugang zu den Märkten des Landes zu erhalten”, sagte Eswar Prasad, Professor an der Cornell University dem US-Finanzsender CNBC.
Dimons Bemerkungen fielen auf einer Veranstaltung des Boston College. Das Publikum im Saal und auf den sozialen Medien war besonders auf seine Aussagen zum chinesischen Markt gespannt. Denn Dimon war wenige Tage zuvor in die Kritik geraten, als er bei der Einreise nach Hongkong eine Sonderbehandlung in Anspruch genommen hatte: Dort durfte er für eine eintägige Reise in die Finanzmetropole die dreiwöchige Quarantäneregel umgehen. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam rechtfertigte die Bevorzugung des Spitzenmanagers mit der Stellung seiner Bank, die “Schlüsselgeschäften” in Hongkong nachgehe.
Lams Erklärung sagt viel aus über die Finanzbeziehungen zwischen Washington und Peking. Die Wall-Street-Banken wollen ihr Chinageschäft ausbauen. Sie sind vor allem auf das Vermögen der chinesischen Mittelschicht aus. Peking wiederum will die daraus resultierenden Abhängigkeiten nutzen, um politische Sanktionen aufzuweichen und sich zudem international in ein besseres Licht zu rücken.
Globale Finanzzentren sollten grenzüberschreitende Finanzierungen erleichtern, “anstatt zu Plattformen und Instrumenten zu werden, die Regierungen verwenden, um andere Länder zu sanktionieren”, meint Yi Huiman. Er ist Vorsitzender der chinesischen Wertpapieraufsichtsbehörde (CSRC). Die Aussage machte er im September auf einer von der World Federation of Exchanges organisierten Konferenz. Dabei handelt es sich um den Weltverband der Wertpapierbörsen. Yi kritisierte damit die Vereinigten Staaten, ohne sie ausdrücklich beim Namen zu nennen.
Der härtere Kurs Chinas gegen amerikanische Finanzinstitutionen ist auch eine Reaktion auf die aggressive Handelspolitik der USA. Donald Trump versuchte gesetzlich, ausländische Unternehmen aus dem Handel an den US-Börsen zu drängen: Plötzlich mussten sie mussten nachweisen, nicht unter Kontrolle einer ausländischen Regierung zu stehen. Das Gesetz war zwar allgemein formuliert, doch Trump hatte damit eindeutig chinesische Firmen ins Visier genommen. Und sein Nachfolger Joe Biden hat bislang den China-Kurs seines Vorgängers nicht wesentlich entschärft.
Nun kommt also die Retourkutsche aus China. Zwar hat Peking seit 2018 den Zugang zum eigenen Finanzmarkt deutlich verbessert. Das hat in erster Linie dazu geführt, dass die Banken ihre Geschäftein China ausweiten konnten – was jetzt wiederum ihre Unsicherheiten erhöht. Denn inzwischen ist alles längst nicht mehr sicher, dass sich Chinas Märkte weiter öffnen werden. Durch das harte Vorgehen gegen private Technologieunternehmen wie dem Mitfahrdienstanbieter Didi, dem Internetriesen Tencent oder dem E-Commerce-Anbieter Alibaba, hat Staats- und Parteichef Xi Jinping deutlich gemacht, dass er die Wirtschaft wieder unter politische Kontrolle bringen will (China.Table berichtete).
Ausländische Investoren waren deshalb im Sommer so nervös und verunsichert, dass Fang Xinghai, der stellvertretende Vorsitzende der chinesischen Wertpapieraufsichtsbehörde, es für notwendig hielt, die Führungskräfte von Blackrock, Goldman Sachs und anderen Finanzinstituten auf einem Treffen zu beruhigen.
Peking fährt eine Doppelstrategie: Auf der einen Seite lässt es die internationalen Institute auf den eigenen Markt, wo sie zur Modernisierung der Branche beitragen. Zugleich will man aber dafür sorgen, dass die Aktionen der erfolgshungrigen Wall-Street-Banker strikt reguliert und eingehegt werden. Eine unbedachte Bemerkung wie die von JP-Morgan-Chef Dimon reicht da aus, um einen donnernden Schuss vor den Bug zu erhalten.
Klar ist: Aller Regulierungswut zum Trotz will Peking die Beteiligung ausländischer Banken stärken, da man sie für die Entwicklungen der heimischen Finanzmärkte als wichtig ansieht. Hier haben sich die Befürworter einer Öffnung gegen die Hardliner in der Partei durchgesetzt: Im Herbst vergangenen Jahres erklärte Chen Yulu, stellvertretender Gouverneur der chinesischen Zentralbank PBOC, China habe die Beschränkungen für ausländische Beteiligungen in den Bereichen Bankwesen, Wertpapiere, Termingeschäfte und Fondsverwaltung aufgehoben und Beschränkungen für die Qualifikation der Anteilseigner verringert (China.Table berichtete).
Seit 2018 die Barrieren für ausländische Finanzinstitutionen schrittweise abgebaut werden, haben Goldman Sachs, Morgan Stanley, UBS und Credit Suisse ihre bisherigen Joint-Ventures im Wertpapiergeschäft mehrheitlich übernommen. Vier weitere Banken, wie JP Morgan, die japanischen Finanzinstitute Nomura und Daiwa Securities, sowie DBS Bank aus Singapur, haben in China eigene Wertpapiergeschäfte gegründet, die sie entweder mehrheitlich oder gar zu 100 Prozent besitzen. Europäische Banken hinken im Vergleich etwas hinterher, viele warten derzeit noch auf die Genehmigungen zur Gründung von Wertpapierfirmen durch die chinesischen Behörden – wie die französische Bank BNP Paribas und die britische Standard Chartered.
Finanzmarktexperten mahnen jedoch vermehrt zur Vorsicht, wenn es um den chinesischen Markt geht. Ein transparenter, offener Finanzmarkt sei durch die bisherigen Öffnungen noch nicht entstanden. So musste sich beispielsweise der US-Vermögensverwalter Blackrock bereit erklären, die Daten seiner chinesischen Kunden in China zu speichern. Auch haben die aktuellen Kampagnen Xis an der Beständigkeit und Vorhersehbarkeit der chinesischen Reformpolitik gekratzt. Weil eben nicht klar sei, ob und wann Peking die Reißleine ziehe, könnte JP Morgan laut Unternehmensunterlagen bis zu 20 Milliarden US-Dollar in China verlieren, berichtet der Finanznachrichtendienst Bloomberg.
Ein kürzlich gescheiterter Deal der Investmentgruppe Blackstone hat die potenziellen Gefahren von Geschäften in China nochmals verdeutlicht. Der Deal scheiterte, obwohl der Mitbegründer des Unternehmens, Stephen Schwarzman, dem Land so verbunden war, dass er gemeinhin als “China-Flüsterer” des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump galt. Dennoch gelang es ihm nicht, wie geplant die Immobilien der Soho-Group in Shanghai für drei Milliarden US-Dollar vom Ehepaar Pan Shiyi und Zhang Xin zu übernehmen.
Die internationalen Finanzinstitute stecken also in der Zwickmühle: Einerseits wollen sie unbedingt auf einem der größten Märkte der Welt mitmischen. Andererseits müssen sie lernen, dass dort nach chinesischen Regeln gespielt wird. Und so hat auch Jamie Dimon nach seinen launigen Worten schnell eingesehen, dass er nicht viel Zeit hat, um etwaige Missverständnisse aus der Welt zu räumen, die das Chinageschäft seiner Bank belasten könnten. Er hätte sonst seinen Mitarbeitern und Investoren einen Bärendienst erwiesen.
Zwei Monate lang haben rund 300 Politikerinnen und Politiker von SPD, Grünen und FDP in 22 Arbeitsgruppen verhandelt. Am Mittwoch hat die neue Ampel-Koalition ihren Koalitionsvertrag schließlich vorgestellt. Dem Thema China haben die künftigen Regierungsparteien einen eigenen Abschnitt gewidmet. Und der hat es in sich. “Wir wollen und müssen unsere Beziehungen mit China in den Dimensionen Partnerschaft, Wettbewerb und Systemrivalität gestalten”, heißt es in dem von den drei Parteien ausgehandelten Vertrag.
Auf Grundlage der Menschenrechte und des internationalen Rechts werde die neue Bundesregierung zwar die Kooperation mit China suchen und im zunehmendem Wettbewerb mit China faire Spielregeln aushandeln. Aber der Vertrag enthält auch eine direkte Botschaft in Richtung Peking: “Unsere Erwartungen an die chinesische Außenpolitik ist, dass sie eine verantwortungsvolle Rolle für Frieden und Stabilität in ihrer Nachbarschaft spielt.”
Der Vertrag lässt es nicht bei allgemeinen Worten. Die Koalitionäre verdeutlichen konkret, was sie meinen. “Wir thematisieren klar Chinas Menschenrechtsverletzungen, besonders in Xinjiang.” Dem Prinzip “ein Land, zwei Systeme in Hongkong” müsse wieder Geltung verschafft werden. Auch das aggressive Vorgehen Chinas im Südchinesischen Meer wird genannt.
Zum ersten Mal wird auch die Taiwan-Frage in einem deutschen Koalitionsvertrag erwähnt. Die neue Bundesregierung sagt der Insel Unterstützung zu, ohne von der bisherigen Sprachregelung abzuweichen: “Eine Veränderung im Status quo in der Straße von Taiwan darf nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen.” Im Rahmen der Ein-China-Politik der EU werde eine Einbindung Taiwans in internationale Organisationen befürwortet.
Mit diesen Punkten nimmt die künftige Bundesregierung im Gegensatz zur Vorgängerregierung ganz bewusst den Konflikt mit der kommunistischen Führung in Kauf. Deutsche Alleingänge im Umgang mit China soll es unter Rot-Grün-Gelb nicht mehr geben. Die Ampel-Koalition will viel stärker auf eine gemeinsame Strategie mit der EU setzen. “Um in der systemischen Rivalität mit China unsere Werte und Interessen verwirklichen zu können, brauchen wir eine umfassende China-Strategie in Deutschland im Rahmen der gemeinsamen China-EU-Politik”, heißt es im Koalitionsvertrag. In Brüssel wird diese Passage mit Wohlwollen aufgenommen werden. Immer wieder war dort Kritik laut geworden, dass Deutschland zu sehr die eigenen wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund stellt.
Dem Dreiklang aus “Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale” folgt die EU bereits seit der 2019 veröffentlichten China-Strategie. Nun klingt er in dem Ampel-Papier an. Das ist auch nicht verwunderlich. Sowohl an dem Papier vor knapp zwei Jahren als auch jetzt bei der Passage im Koalitionsvertrag arbeitete maßgeblich der Grünen-Europaparlamentarier Reinhard Bütikofer mit. Der langjährige China-Kenner blickt schon seit Jahren mit Sorge auf die immer autoritäreren Züge der Volksrepublik unter Staats- und Parteichef Xi Jinping. Bütikofer warnt vor einer zu großen Abhängigkeit einiger großer deutscher Unternehmen von China. Und auch die FDP blickt sehr viel kritischer auf die Volksrepublik als es die bisherige Kanzlerin getan hat.
Im großen geopolitischen Streit zwischen den beiden Supermächten China und den USA bezieht die Ampelregierung ganz klar Position: für die USA. “Wir streben eine transatlantische Abstimmung in der China-Politik an und suchen die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Ländern, um strategische Abhängigkeiten zu reduzieren”, steht in der Abmachung der neuen Koalition. Die bisherige Bundesregierung unter Angela Merkel war auch in dieser Frage nicht eindeutig. Der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte bei der Präsentation des Koalitionsvertrags die “zentrale Bedeutung” der Zusammenarbeit mit den USA. Wer Deutschland künftig als Außenminister vertreten wird, stand offiziell zwar noch nicht fest. Es gilt aber als ausgemacht, dass Annalena Baerbock von den Grünen das Auswärtige Amt erhält.
An anderer Stelle des Koalitionsvertrags wird auch das EU-China-Investitionsabkommen CAI infrage gestellt, allerdings auch nicht klar abgelehnt. Die Ampel lässt ihm eine Hintertür offen: Wenn China und die EU es nachjustieren, erhält es doch noch eine Chance. Es handelt sich dabei um ein Projekt, das vor allem die alte Bundesregierung vorangetrieben hat. Es liegt derzeit auf Eis (China.Table berichtete). “Eine Ratifikation des EU-China-Investitionsabkommens im EU-Rat kann aus verschiedenen Gründen zurzeit nicht stattfinden. Wir werden uns für Reziprozität einsetzen”, heißt es in dem Papier. Die Grünen machen keinen Hehl daraus, dass sie das Abkommen ablehnen. Und auch die FDP hatte sich im Wahlkampf für eine Neuverhandlung des CAI ausgesprochen.
Die künftige Bundesregierung will zudem das Netz der Außenhandelskammern stärken. Für chinesische Investoren in Deutschland könnte hingegen bald Gegenwind wehen. Denn Übernahmen von kritischer Infrastruktur wie Strom- oder Breitbandnetz durch ausländische Investoren sollen auf Sicherheitsgefährdungen geprüft und gegebenenfalls schneller darauf reagiert werden. Eine Premiere in einem Koalitionspapier stellt auch das Ziel dar, die Asien- und China-Kompetenz “deutlich” auszubauen.
Einen Platz im Koalitionsvertrag findet die Infrastruktur-Initiative “Global Gateway” aus Brüssel, die der chinesischen “Belt and Road Initiative” direkt Konkurrenz machen soll. “Global Gateway” sei ein wichtiges Instrument, um sich “aktiv für eine Infrastrukturentwicklung nach qualitativ hohen internationalen Standards” einzusetzen. Im Regierungspapier der Großen Koalition wurde lediglich davon gesprochen, “umfassende, moderne bilaterale Freihandelsabkommen mit Drittstaaten, insbesondere im asiatisch-pazifischen Raum” zu schließen.
EU-Handelskammerchef Jörg Wuttke sieht im Koalitionsvertrag eine Widerspiegelung der öffentlichen Meinung zu China-Themen: “Deutsche Politik wird sich sehr viel stärker auf Werte beziehen, was auch dem sehr viel kritischeren Meinungsbild der deutschen Öffentlichkeit gegenüber China entspricht.” Die deutschen Wirtschaftsinteressen bleiben gleichzeitig wichtig, betonte Wuttke gegenüber China.Table. Er hoffe, dass eine gute Balance gefunden werde und China auch “etwas feinfühliger sein wird für die öffentliche Meinung in Europa”. Für europäische Unternehmen in China bedeute das: “Firmen müssen sich auf komplexere Zeiten einstellen.”
Für den CDU-Europapolitiker David McAllister ist wichtig, dass die neuen Ansätze Deutschlands nun auch in Brüssel gehört werden: “Kein anderes europäisches Land pflegt so intensive bilaterale Beziehungen zu China wie Deutschland. Entscheidend ist daher, dass die deutsche Position in eine neue China-Strategie der Europäischen Union eingebettet wird.” Inwiefern sich die künftige Bundesregierung wirklich für die strategische Souveränität Europas einsetze, werde sich zeigen müssen, meint der Vorsitzende des Ausschusses für Außenpolitik des Europaparlaments. Der G7-Vorsitz Deutschlands im kommenden Jahr werde dafür “ein echter Realitätstest”, so McAllister. Amelie Richter/Felix Lee
Die Frachttochter der Deutschen Bahn fasst den Betrieb der Strecken nach China in einem eigenen Unternehmen zusammen. Die DB Cargo Transasia soll den Marktanteil der Schiene an den Fernost-Strecken erhöhen. Das Unternehmen beschäftigt zu diesem Zweck bereits 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Standorten Shanghai und Xi’an. Eine schnelle Expansion ist geplant. Der Geschäftsbereich hat 2018 als Verbindungsbüro mit zwei Mitarbeitern begonnen. Chef von DB Cargo Transasia ist Frank Schulze, der schon das Verbindungsbüro mitaufgebaut hat. fin
Die EU will Berichten zufolge für ihre Infrastrukturinitiative “Global Gateway” bis zu 300 Milliarden Euro mobilisieren, um auf Chinas Seidenstraßen-Programm zu reagieren. Für die Auszahlung der Gelder sei ein Zeitraum zwischen 2021 und 2027 veranschlagt, berichtete Financial Times (FT). Die 300 Milliarden Euro kommen demnach aus verschiedenen Programmen im EU-Haushalt. Die EU will aber auch den Privatsektor sowie die Europäische Investitionsbank und nationale Entwicklungsbanken einbinden. Am Mittwoch will sie die Strategie offiziell vorstellen.
“Global Gateway” wird von der EU nicht explizit als Alternative zu Chinas “Belt and Road”-Initiative vermarktet. In dem finalen Papier soll jedoch betont werden, dass “Global Gateway” eine “wertebasierte” Option und einen “ethischen Ansatz” bietet. “Indem ‘Global Gateway’ eine positive Wahl für globale Infrastrukturentwicklung bietet, wird es in internationale Stabilität und Zusammenarbeit investieren und zeigen, wie demokratische Werte Sicherheit und Fairness, Nachhaltigkeit für Partner und langfristige Vorteile für Menschen auf der ganzen Welt bieten”, zitiert die FT aus dem Dokument. Im Fokus stehen demnach Investitionen in Digitalisierung, Gesundheit, Klima, Energie und Verkehr sowie Bildung und Forschung.
Die geplante Summe ist im Vergleich zu einem ersten Entwurf von “Global Gateway” stark gestiegen. Die Initiative hätte eigentlich Mitte November von der EU-Kommission vorgestellt werden sollen. Damals kursierte in EU-Kreisen die Zahl von 40 Milliarden Euro (China.Table berichtete). Dass die Summe nun deutlich höher liegt, könnte ein Zeichen sein, wie wichtig das Vorhaben für EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist. Sie hatte den Namen der Initiative im September bei der Rede zur Lage der Europäischen Union bekannt gegeben (China.Table berichtete). ari
Ein geplantes Gemeinschaftsunternehmen von Audi und FAW in China wird offenbar erst mit Verspätung seine Arbeit aufnehmen können. Das berichtet das Magazin “Automobilwoche” am Montag exklusiv. Immerhin werde die notwendige Lizenz nach einer Intervention des Bundeswirtschaftsministeriums in Peking nun Anfang Dezember erteilt. Der Bau des gemeinsamen Werks könnte dann im kommenden Jahr beginnen, heißt es in dem Bericht weiter. Quellen für diese Information werden allerdings nicht genannt. Eine Audi-Sprecherin sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, es gebe Verzögerungen bei der Projektfreigabe. Das Unternehmen stehe ständig im Austausch mit dem Partner FAW und den Behörden. Die Vorbereitungen für den Baustart liefen weiter.
Audi und FAW wollen gemeinsam in China verschiedene Audi-Elektromodelle auf Basis der gemeinsam mit Porsche entwickelten Plattform PPE produzieren. Die Leitung des Joint-Ventures soll der China-erfahrene Audi-Manager Helmut Stettner übernehmen (China.Table berichtete). Die Deutschen sollen die Mehrheit an dem Gemeinschaftsunternehmen halten. Schon jetzt produzieren Audi und FAW in China gemeinsam mehrere Elektroautos. rad
Es ist ein Schritt, der die tiefere Zusammenarbeit zwischen den baltischen Staaten und Taiwan demonstrieren soll: Am Montag haben Parlamentarier aus Estland, Lettland und Litauen Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen besucht. Tsai begrüßte persönlich die Gruppe, die in den kommenden Tagen am “Open Parliament Forum” teilnehmen wird. Taiwan und die baltischen Staaten haben ähnliche Erfahrungen gemacht beim Ausbrechen aus einer autoritären Herrschaft und im Kampf für Freiheit”, sagte Tsai am Montag in Taipeh. Die Demokratie, die man heute genieße, sei hart erkämpft worden.
Man sei nach Taiwan gekommen, um seine Solidarität mit der Insel auszudrücken, sagte Matas Maldeikis, der die litauische Delegation anführt. Er hoffe, bald ein litauisches Handelsbüro in Taiwan eröffnen zu können. Es solle helfen, die Partnerschaft zwischen Taiwan und Litauen weiter zu verstärken, erklärte Maldeikis laut der Nachrichtenseite Euronews.
Mitte November hatte Taiwan ein offizielles Verbindungsbüro in Litauen eröffnet, welches de-facto als Botschaft dient (China.Table berichtete). Daraufhin hatten sich das Verhältnis zwischen China und Litauen dramatisch verschlechtert. So stufte die Volksrepublik offiziell ihre diplomatischen Beziehungen zu dem baltischen Staat herab (China.Table berichtete). China zog seinen Botschafter aus Litauen ab, stoppte den Schienen-Frachtverkehr und erteilte dem Land keine Einfuhrgenehmigungen mehr für Lebensmittel (China.Table berichtete). rad
Der chinesische Regierungsbeamte Hu Binchen ist trotz des Widerstands von Menschenrechtsgruppen aus mehreren Ländern in eine wichtige Aufsichtsfunktion bei der internationalen Polizei-Organisation Interpol gewählt worden. Hu gewann einen von zwei Sitzen als Vertreter Asiens im mächtigen Exekutivkomitee von Interpol. Die Wahl von Hu hatte Menschenrechtsorganisationen auf den Plan gerufen. Die Gruppen hatten wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen gegen die Kandidatur gekämpft. Hu ist stellvertretender Generaldirektor der “Abteilung für Internationale Kooperation” im Ministerium für Öffentliche Sicherheit und damit mutmaßlich auch für die Entführung von Dissidenten im Ausland zuständig.
Peter Dahlin, Mitbegründer und Direktor der Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders, sah in der Wahl Hus kein gutes Zeichnen für Interpol. Hu repräsentiere ein chinesisches Ministerium, das Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch den systematischen Einsatz von Verschwindenlassen begehe, so Dahlin gegenüber South China Morning Post. Die Abteilung, in der Hu arbeite, sei speziell für die Verfolgung und Rückführung von mutmaßlichen Dissidenten nach China zuständig. “Er hat keinen Platz am Tisch und Chinas Kandidatenauswahl wird seine Fähigkeit stärken, Interpol zu missbrauchen und das Vertrauen in die Organisation selbst zu untergraben”, sagte Dahlin.
Hu war dem Bericht zufolge ein Kollege des ehemaligen Interpol-Chefs Meng Hongwei. Dieser war 2018 bei einem Besuch in China verschwunden. Mengs Ehefrau hatte zuletzt schwere Vorwürfe gegen die Polizei-Organisation erhoben (China.Table berichtete). ari
Die Europäische Union wird ihre Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen gegen chinesische Beamte und eine Organisation mit hoher Wahrscheinlichkeit erneuern. Der Ausschuss der EU-Botschafter der Mitgliedsstaaten hat die Erneuerung der Strafmaßnahmen Informationen aus EU-Kreisen zufolge bereits bestätigt. Die Verlängerung der Sanktionen soll demnach bei einem Treffen von EU-Ministern Anfang Dezember genehmigt werden. Normalerweise folgen die Minister der Empfehlung der EU-Botschafter. Es bestehe wenig Aussicht auf eine Änderung der Strafmaßnahmen, da sich die Situation in Xinjiang nicht wesentlich geändert habe, zitiert die South China Morning Post die Ansicht mehrerer EU-Diplomaten.
Die EU hatte sich im März auf Sanktionen gegen vier Personen und eine Organisation im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang verständigt (China.Table berichtete). Die Sanktionen trafen Zhu Hailun, den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der KP Chinas in Xinjiang, sowie Wang Junzheng, Parteisekretär des Xinjiang Produktions- und Aufbaukorps (Xinjiang Production and Construction Corps. XPCC). Das XPCC ist eine wirtschaftliche und paramilitärische Organisationseinheit in Xinjiang, die der Zentralregierung in Peking unterstellt ist. Die EU-Sanktionen richteten sich außerdem gegen Wang Mingshan, Mitglied des Ständigen Ausschusses der KP Chinas Xinjiang und Chen Mingguo, Direktor des Xinjiang Public Security Bureau (PSB), der regionalen Sicherheitsbehörde in der Provinz.
Peking hatte auf die Strafmaßnahmen aus Brüssel im März umgehend reagiert und selbst Sanktionen gegen mehrere EU-Parlamentarier, Wissenschaftler und Thinktanks verhängt. Das wiederum führte zu einem Stillstand in der Bearbeitung des China-EU-Investitionsabkommens CAI. Das Europaparlament macht die Aufhebung der Sanktionen gegen die Abgeordneten zu einer klaren Voraussetzung zur Ratifizierung des Abkommens. Wie Peking auf die Erneuerung der EU-Sanktionen reagiert, wird deshalb auch richtunggebend für das Abkommen sein. ari
Chinas Militär hat erneut eine hohe Anzahl von Flugzeugen in Taiwans Identifikationszone zur Luftverteidigung (ADIZ) geschickt. Laut einer Erklärung des Verteidigungsministeriums in Taipeh waren 27 chinesische Flugzeuge, darunter acht J-16-Kampfjets, in Taiwans südwestliche Luftverteidigungs-Zone eingedrungen. Die Luftwaffe gab demnach Funkwarnungen heraus und setzte Flugabwehrraketensysteme ein. Die Entsendung war der größte Einsatz chinesischer Kampfflugzeuge in der Nähe von Taiwan seit Anfang Oktober. Damals hatte Chinas Militär eine Rekordzahl von 52 Flugzeugen in die ADIZ geschickt (China.Table berichtete).
China hatte zuletzt den militärischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf Taiwan erhöht. Erbost zeigte sich Peking wegen der Einladung Taiwans zu einem Demokratie-Gipfel von US-Präsident Joe Biden. Die Botschafter Chinas und Russlands in den USA kritisierten das für Dezember geplante Treffen scharf: Das Gipfel-Vorhaben sei “offensichtlich das Produkt der Kalten-Kriegs-Mentalität” der USA, schrieben die Diplomaten Qin Gang und Anatoly Antonow in dem am Freitag auf der konservativen Website “The National Interest” veröffentlichten Beitrag.
Die Veranstaltung werde neue “Trennlinien” zwischen den Ländern der Welt schaffen, so Qin und Antonow. Demokratie könne “auf unterschiedliche Weise realisiert” werden, schrieben die Botschafter. Es gebe “kein Modell”, das für alle Länder passend sei. Der von Biden geplante Demokratie-Gipfel soll vom 9. bis 10. Dezember als virtuelle Veranstaltung stattfinden. ari
Die Grundkonzeption des chinesischen Export Control Law (ECL) entspricht der EU-Dual-Use-Verordnung: Die Ausfuhr von Gütern, die auf einer Liste als kritisch erfasst sind, bedarf einer Genehmigung. Diese Güterliste umfasst Dual-Use-Güter, militärische Güter, nukleare Güter und solche, die die nationale Sicherheit und die nationalen Interessen Chinas betreffen.
Der Begriff Güter erfasst Waren und Technologie, aber auch Dienstleistungen. Der Ausführer erhält die Genehmigung nur, wenn er zuverlässig ist und eine Erklärung des drittländischen Empfängers zum Endverwender und zur Endverwendung der Waren vorlegt.
Derzeit ist all dies jedoch überwiegend graue Theorie. Es gibt noch keine konsolidierte Güterliste. Und die Behörden haben noch keine Anweisungen erhalten, wie sie die Vorschriften umzusetzen haben. Solange dies nicht der Fall ist, müssen Unternehmen in China weiter die vereinzelten Ausfuhrvorschriften beachten, die dort teilweise schon seit den 90ern gelten. Unternehmen sollten ihre Exportkontrollprogramme aber bereits jetzt anpassen – dafür hat das MOFCOM auch schon konkrete Leitlinien vorgelegt. Insbesondere sollten Exportkontrollklauseln in Verträgen angepasst werden, um sich nicht angreifbar zu machen.
Eine ausdrückliche Regelung zur Re-Exportkontrolle wurde im letzten Moment aus dem ECL gestrichen. China behält sich in einigen der Vorschriften des ECL zwar vor, Maßnahmen mit extraterritorialer Wirkung zu treffen, wenn es seine Interessen gefährdet sieht. Für Unternehmen außerhalb Chinas ist aber entscheidend, ob sie hinsichtlich gelisteter Komponenten aus China eine strukturierte Re-Exportkontrolle in der EU betreiben müssen. Dies ist – Stand heute – (noch) nicht der Fall, sie müssen sich derzeit lediglich an die Zusagen halten, die sie im Rahmen von Endverbleibserklärungen abgeben.
Unreliable Entity List
Das Konzept einer Unreliable Entity List ist aus den USA bekannt. Steht ein ausländisches Unternehmen auf dieser Liste, dürften chinesische Firmen mit diesem nur unter bestimmten Voraussetzung Geschäfte tätigen oder auch gar nicht. Die Listung kann erfolgen, wenn Unternehmen aufgrund von Maßnahmen ihrer Länder chinesische Unternehmen diskriminieren oder schädigen, oder die Interessen Chinas gefährden.
Schränken Unternehmen ihre Geschäfte mit diesen und vielen anderen chinesischen Unternehmen auf der US Entity List ein, laufen sie Gefahr, in die Unreliable Entity List aufgenommen zu werden. Dies betrifft auch EU-Unternehmen und zwar dann, wenn sie gelistete US-Güter nicht an chinesische Unternehmen liefern, um nicht gegen die US-(Re-)Exportkontrolle zu verstoßen.
Blocking Rules und Anti-Sanctions Law (ASL)
Die Blocking Rules richten sich an Unternehmen in China. Diese dürfen extraterritorial wirkende Vorschriften von Drittstaaten in China nicht befolgen. Wie auch bei der EU-Blocking-Regulation muss die drittländische Vorschrift, die nicht befolgt werden darf, ausdrücklich benannt werden. Diese Blocking Rules können insbesondere für chinesische Töchter von EU-Unternehmen relevant sein, die aufgrund einer konzernübergreifenden Exportkontrolle in China EU- und US-Exportkontroll- und Sanktionsrecht befolgen (müssen).
Das ASL entspricht dem Bereitstellungsverbot der EU-Sanktionslisten. Das Vermögen der gelisteten Personen oder Organisationen in China kann eingefroren und der geschäftliche Umgang mit ihnen verboten werden. Zudem kann natürlichen Personen die Einreise verweigert werden. Unmittelbar richtet sich das ASL gegen Personen und Organisationen, die an der Schaffung von Sanktionen gegenüber China beteiligt waren oder sind, also Politiker:innen, politische Institutionen und NGOs. Ebenso denkbar ist allerdings, dass Unternehmen sanktioniert werden, die im Rahmen ihrer ESG-Policy Initiativen unterstützen, die aus chinesischer Sicht interne Belange der Volksrepublik betreffen, allen voran die Menschenrechte.
Beide Instrumente sehen vor, dass chinesische Unternehmen, wenn sie sich durch die Praktiken ihrer Geschäftspartner unfair behandelt fühlen, diese vor chinesischen Gerichten zur Rechenschaft ziehen können. Diese Möglichkeit verschafft den Unternehmen eine erhebliche Verhandlungsmacht. Es ist zu befürchten, dass davon zukünftig Gebrauch gemacht wird.
Was ist zu tun?
Unternehmen in China sollten bei entsprechendem Risikoprofil nicht zuwarten, ein internes Exportkontrollprogramm aufzubauen, wie es in der EU oder den USA üblich ist. Auch wenn einzelne Elemente des ECL noch unklar sind oder Umsetzungsvorschriften fehlen, werden diese Mechanismen früher oder später vollumfänglich greifen.
Wie in anderen Bereichen der chinesischen Eingriffsverwaltung auch, sind Unternehmen gut beraten, eine enge Verbindung zu den Behörden aufzubauen, um mit diesen persönlich abzuklären, was von ihnen verlangt wird. Zum anderen ist Vorsicht immer dann geboten, wenn das eigene Verhalten als diskriminierend gegenüber China oder chinesischen Unternehmen verstanden werden kann, insbesondere wenn das Verhalten durch EU- oder US-Sanktionsvorschriften motiviert ist. Dann sollten Unternehmen innehalten und anhand der neuen Vorschriften prüfen, wie sie ihre Pflichten nach EU-, US- und chinesischen Sanktionsvorschriften in Einklang bringen können. Das wird nicht immer einfach sein und manchmal auch nicht gelingen.
Zuletzt müssen Unternehmen beachten, dass sich ihre Mitarbeiter:innen in China durch die Sanktionsmöglichkeiten persönlich bedroht fühlen können und durch Handlungsanweisung im Zusammenhang mit EU- und US-Vorschriften in ein unauflösbares Dilemma geraten können.
Bislang hat die chinesische Führung vor allem ihren Instrumentenkasten offen gelegt. Das legislative Projekt richtete sich zunächst vor allem gegen US-Präsident Trump und seine Trade Wars. Seit dem Wechsel der Regierung in den USA hat sich zwar zweifelsohne der Ton verbessert, aber die bestehenden Konflikte sind nicht gelöst, sondern haben sich eher noch vertieft und es sind weitere hinzugekommen. Das sind leider keine Umstände, die eine positive Prognose für den Einsatz der hier beschriebenen Gesetze und Vorschriften rechtfertigen würden. Wenn es den Interessen Chinas dient, werden diese Instrumente eingesetzt werden, um die Welt zittern zu lassen.
Eigentlich wollte sich Tamás Matura wie viele seiner Kommiliton:innen der Politikwissenschaft auf die Europäische Union spezialisieren. Doch dann weckte China sein Interesse – und die aufstrebende Weltmacht ließ den ungarischen Politikstudenten nicht mehr los. “Es gab schon unzählige kompetente EU-Expert:innen und auch viele Orientalist:innen, die sich mit wichtigen Fragen der Kultur, Geschichte und Kalligrafie Chinas beschäftigen. Aber nur eine Handvoll Leute in Ungarn kannte sich mit der modernen chinesischen Politik und Ökonomie aus – obwohl bereits klar war, dass China die Macht des 21. Jahrhunderts werden würde”, erinnert sich der heute 37-Jährige.
Kurze Zeit später zeigte sich, dass Tamás Matura seine Nische klug gewählt hatte: 2012 etablierte China in Budapest die Wirtschaftskooperation “16+1” mit mittel- und osteuropäischen Ländern und er war als junger Forscher mit dabei. Heute arbeitet Matura als Assistenzprofessor an der Corvinus Universität Budapest und ist Gründer des Central and Eastern European Center for Asian Studies.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sorgt dafür, dass sein Forschungsfeld spannender denn je ist und seine Ansichten in der europäischen und US-amerikanischen Wissenschaft nach wie vor sehr gefragt sind. “Unsere Regierung verfolgte in den letzten zehn Jahren eine ziemlich spektakuläre Chinapolitik und ironischerweise rückt dies Ungarn gemessen an seiner Größe in unverhältnismäßiger Weise in den Fokus”, sagt Matura. Konkret heißt das: Die ungarische Regierung positioniert sich als bester Freund Chinas in der Europäischen Union und hilft Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sogar in seinen Konflikten mit der EU, trotz all der kritischen Anmerkungen aus Brüssel und Washington.
Der ungarische Experte ist überzeugt, dass das Verhalten des Ministerpräsidenten seines Heimatlandes dabei im Ausland oft missverstanden wird: “Ungarn wird häufig zu Unrecht als Trojanisches Pferd Chinas und als Marionette Xi Jinpings bezeichnet. Dabei ist unser Land wirtschaftlich viel abhängiger von Deutschland. Und die chinesische Regierung ist mit dem Handeln Ungarns oft gar nicht einverstanden. In Wirklichkeit aber benutzen sich China und Ungarn gegenseitig, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.”
Matura sieht sich als gesamteuropäischen China-Kenner und will sich nicht auf das Heimatland reduzieren lassen. “Manche Leute denken, Ungarn als vormals sozialistisches Land hätte ein besseres Verständnis für China als die westeuropäischen Länder.” Er widerspricht dem entschlossen: “Ich glaube das nicht, denn ich selbst zum Beispiel habe keine persönlichen Erinnerungen an das sozialistische Regime. Und viele osteuropäische Länder wie Litauen üben harsche Kritik an China.”
Wie sich die Beziehungen zwischen der EU und China künftig entwickeln, das hängt Maturas Ansicht nach wesentlich davon ab, wie sich die neue deutsche Regierung China gegenüber positioniert. Aber auch die Frage, ob Viktor Orbán in Ungarn wiedergewählt wird, ist für die Entwicklung der Beziehungen entscheidend. Janna Degener-Storr
die neue Corona-Variante Omicron hat am Wochenende nicht nur wegen ihrer Ausbreitung, sondern auch wegen des Namens Kopfzerbrechen bereitet. Denn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bei der Benennung einige Buchstaben des griechischen Alphabets übergangen. Vor Omicron wären noch Ny und Xi an der Reihe gewesen. Ny fiel raus, da es auf Englisch zu sehr nach “new” klang. Und Xi? Erinnere laut WHO zu sehr an den chinesischen Nachnamen, der zwar nicht sehr verbreitet ist, aber mit dem Staatschef doch einen gewichtigen Träger hat. Kritiker warfen der WHO daraufhin falsche politische Rücksichtname vor – ob das bei der Variante “Biden” oder “Merkel” auch so gewesen wäre, sei einmal dahin gestellt.
Mehrere große Staaten haben zuletzt entschieden, wegen der aktuellen Energiekrise ihre strategischen Ölreserven anzuzapfen. Auch China zeigt sich dafür offen – eine feste Zusage steht aber noch aus, wie unsere Autorin Christiane Kühl analysiert. Das Thema hat geopolitisches Sprengstoff-Potenzial. Denn Peking betont, ähnlich wie in Klima-Punkten, dass die USA keine Kooperation erwarten könnten, wenn Washington gleichzeitig versuche, China einzuschränken. Zudem ist unklar, ob das Öl aus der Volksrepublik überhaupt Abnehmer finden würde.
Es war ein Witz, der dem Chef von JPMorgan fast im Halse stecken geblieben wäre. Denn mit der witzig gemeinten Vorhersage, das 100 Jahre alte China-Geschäft seiner Bank werde länger bestehen als die ebenso alte Kommunistische Partei, sorgte er für großes Entsetzen – in China, aber auch bei den eigenen Investoren. Ning Wang nimmt diese Anekdote zum Anlass, um zu zeigen, wie groß inzwischen die Abhängigkeit der Wall-Street-Banken vom guten Willen der Führung in Peking geworden ist. Verblüffend: Durch die Liberalisierung des chinesischen Marktes nimmt Pekings Einfluss sogar noch weiter zu.
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Es geht jetzt ziemlich schnell. Mehrere große Staaten haben entschieden, wegen der aktuellen Energiekrise ihre strategischen Erdölreserven anzuzapfen. Die USA sind dabei, die Ölhähne zu öffnen: Rund 50 Millionen Barrel sollen in den nächsten Monaten aus den Reserven fließen. Auch Indien, Japan und Großbritannien haben eine Öffnung ihrer Reserven angekündigt. Damit blickt die Welt nun auf China. Von Peking wird in diesen Tagen eine konkrete Ansage erwartet. Die US-Regierung hatte von einer international abgestimmten Freigabe-Aktion gesprochen.
Vor ein paar Wochen hatte sich die Hoffnung zerschlagen, dass der Ölförderclub der Opec-Staaten die Rohölförderung deutlich erhöhen werde, um den rasant steigenden Rohstoffpreisen entgegenzuwirken. Bislang weiten die 23 Förderländer des Ölverbunds Opec+ ihre Produktion nur in moderatem Tempo aus. Sie haben kein Interesse daran, den Markt zu fluten, denn dann sinken die Erlöse. Also richtet sich der Fokus vieler Staaten nun auf ihre Notreserven: Denn genau für diese Situationen sind sie da. US-Präsident Joe Biden kämpft zu Hause mit einer hohen Inflation, zu der die steigenden Ölpreise maßgeblich beitragen. Auf seinem Videogipfel mit Chinas Staatschef Xi Jinping hatte Biden die Volksrepublik angesichts steigender Ölpreise gebeten, ihre Ölreserven ebenfalls anzuzapfen.
China zeigte sich danach offen, aber gab zunächst keine eindeutige Zusage. Vor einer Woche gab das Büro für staatliche Reserven in Peking bekannt, dass es an einer Freigabe von Rohölreserven arbeite. Zu der Bitte der USA äußerte sich die Behörde allerdings nicht.
Denn wie beim Klimaschutz spielt auch bei dem Thema Erdölreserven die Geopolitik eine Rolle. Das Argument Pekings: Die USA haben kein Recht, von China Kooperation einzufordern, wenn sie zugleich versuchen, das Land einzudämmen. “China wird den USA vielleicht den Gefallen tun, seine Rohölreserven zu öffnen”, schreibt etwa die Staatszeitung Global Times. China werde jedoch angesichts der angespannten Beziehungen zu Washington “seine eigenen Interessen priorisieren”. Erst am Dienstag hatten die USA demonstrativ Taiwan zu Bidens virtuellem Gipfel der Demokratien eingeladen (China.Table berichtete). China ist qua seines Systems dabei natürlich außen vor. Doch die Einladung des von Peking als abtrünnige Provinz angesehenen Taiwan ist in den Augen der Regierung ein Affront.
Chinas Regierung ist derweil durchaus bewusst, dass Biden wegen der Inflation daheim unter großem innenpolitischen Druck steht – ein Druck, den Peking bisher nicht im gleichen Maße verspürt. Der aktuelle Rohölpreis von rund 80 US-Dollar pro Barrel erfordere nicht unbedingt eine sofortige Freigabe strategischer Reserven durch China, zitiert die South China Morning Post den Energieexperten Wang Yongzhong von der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften. Wang räumt aber ein, dass beide, die USA und China, als Großverbraucher ein Interesse an einer Senkung des Preises haben.
Die USA verfügen mit 727 Millionen Barrel über die weltweit größten gemeldeten strategischen Erdölreserven. China dagegen begann überhaupt erst 2007 mit der Einlagerung von Ölreserven. Es publiziert die Menge der Reserven seither nicht regelmäßig: Die neuesten Daten des Nationalen Statistikamtes stammen von 2017. Damals hielt China insgesamt rund 280 Millionen Barrel an sieben Standorten vor, darunter in Dalian, Qingdao oder an der Küste der Provinz Zhejiang. Experten gehen allerdings davon aus, dass China vor allem im März und April 2020 eine große zusätzliche Menge eingelagert hat. Damals, zu Beginn der Corona-Pandemie, lagen die Ölpreise am Boden.
Ölsicherheit ist für China seit Jahrzehnten von großer strategischer Bedeutung. Die Volksrepublik ist der mit Abstand größte Ölimporteur der Welt, da sie nur geringe eigene Vorkommen besitzt. 2020 importierte China knapp drei Viertel seines verbrauchten Erdöls. Wang Yongzhong schätzt, dass Chinas Rohölreserven derzeit etwa der Importmenge von 40-50 Tagen entsprechen. Das ist nicht sehr viel. Die Internationale Energie-Agentur empfiehlt Reserven in Höhe der Nettoimporte von mindestens 90 Tagen. Doch China kann im Zweifelsfall auch auf die Lagerbestände seiner drei Ölkonzerne zurückgreifen, die sich alle mehrheitlich in Staatshand befinden.
Ob China überhaupt große Mengen freigegebener Erdölreserven im Land absetzen kann, ist indessen ungewiss. Im September hatte Peking bereits angekündigt, Teile seiner Reserven über Auktionen an Raffinerien zu verkaufen. Doch nur eine dieser Auktionen fand überhaupt statt. Sie traf auf nur mäßiges Interesse. Bei einer erneuten Auktion von Ölreserven würden Raffinerien möglicherweise kaum Interesse haben mitzubieten, unken die Analysten von S&P Global Platts unter Berufung auf Quellen in Chinas Ölsektor. “Denn die Inlandsnachfrage lässt angesichts der pandemiebedingten Beschränkungen vor den Olympischen Winterspielen nach.”
In der Tat wird erwartet, dass Peking die Raffinerieaktivitäten in Nordchina einschränken wird, um im Vorfeld der Olympischen Winterspiele von Peking im Februar 2022 deren Emissionen zu begrenzen. Durch die andauernde Null-Covid-Politik mit ihren zahlreichen Restriktionen ist zudem die Mobilität der Chinesen derzeit stark eingeschränkt. Und das senkt die Nachfrage nach Treibstoffen für den Verkehrssektor. Diesen Trend bestätigen die Importdaten von diesem Jahr: Zwischen Januar und Oktober lagen die Ölimporte Chinas um 7,2, Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum. Es ist also offen, inwieweit China im Kampf gegen den hohen Ölpreis mitwirken kann.
Es sollte ein Scherz sein, und er fing ganz staatstragend an: “Die Kommunistische Partei feiert ihr 100-jähriges Bestehen, genauso wie JPMorgan”, sagte Jamie Dimon. Denn die US-Bank JP Morgan Chase feiert in diesem Jahr ihr 100-Jähriges-Bestehen in China. Doch dann fügte Dimon spontan noch einen Satz hinzu, der den Spruch zu einem Desaster machte. “Und ich wette, wir werden länger durchhalten.” Kichernd ergänzte er noch: “Das kann ich in China nicht sagen. Sie hören wahrscheinlich sowieso zu.”
Dimons unbedachte Worte waren eine kolossale Fehleinschätzung – doch mit seiner Vermutung, dass in China mitgehört werde, lag er genau richtig. Bereits am folgenden Tag musste er sich öffentlich entschuldigen: “Ich bedauere die Aussage, die ich nicht hätte machen sollen. Ich habe versucht, die Stärke und Langlebigkeit unseres Unternehmens zu betonen”, stellte Dimon in einem Statement klar. Und seine Reue reichte noch weiter: “Es ist nie richtig, über eine Gruppe von Leuten Witze zu machen oder sie zu verunglimpfen. Egal ob es sich dabei um ein Land, dessen Führung oder Teile der Gesellschaft und der Kultur handelt”, ergänzte Dimon.
Eine öffentliche Bemerkung, die das politische Überleben der Kommunistischen Partei infrage stellt, ist für multinationale Unternehmen heutzutage absolutes Sperrgebiet. “Dimons Entschuldigung zeigt, wie viel Respekt ausländische Unternehmen der chinesischen Regierung entgegenbringen müssen, um in guter Gnade zu bleiben und Zugang zu den Märkten des Landes zu erhalten”, sagte Eswar Prasad, Professor an der Cornell University dem US-Finanzsender CNBC.
Dimons Bemerkungen fielen auf einer Veranstaltung des Boston College. Das Publikum im Saal und auf den sozialen Medien war besonders auf seine Aussagen zum chinesischen Markt gespannt. Denn Dimon war wenige Tage zuvor in die Kritik geraten, als er bei der Einreise nach Hongkong eine Sonderbehandlung in Anspruch genommen hatte: Dort durfte er für eine eintägige Reise in die Finanzmetropole die dreiwöchige Quarantäneregel umgehen. Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam rechtfertigte die Bevorzugung des Spitzenmanagers mit der Stellung seiner Bank, die “Schlüsselgeschäften” in Hongkong nachgehe.
Lams Erklärung sagt viel aus über die Finanzbeziehungen zwischen Washington und Peking. Die Wall-Street-Banken wollen ihr Chinageschäft ausbauen. Sie sind vor allem auf das Vermögen der chinesischen Mittelschicht aus. Peking wiederum will die daraus resultierenden Abhängigkeiten nutzen, um politische Sanktionen aufzuweichen und sich zudem international in ein besseres Licht zu rücken.
Globale Finanzzentren sollten grenzüberschreitende Finanzierungen erleichtern, “anstatt zu Plattformen und Instrumenten zu werden, die Regierungen verwenden, um andere Länder zu sanktionieren”, meint Yi Huiman. Er ist Vorsitzender der chinesischen Wertpapieraufsichtsbehörde (CSRC). Die Aussage machte er im September auf einer von der World Federation of Exchanges organisierten Konferenz. Dabei handelt es sich um den Weltverband der Wertpapierbörsen. Yi kritisierte damit die Vereinigten Staaten, ohne sie ausdrücklich beim Namen zu nennen.
Der härtere Kurs Chinas gegen amerikanische Finanzinstitutionen ist auch eine Reaktion auf die aggressive Handelspolitik der USA. Donald Trump versuchte gesetzlich, ausländische Unternehmen aus dem Handel an den US-Börsen zu drängen: Plötzlich mussten sie mussten nachweisen, nicht unter Kontrolle einer ausländischen Regierung zu stehen. Das Gesetz war zwar allgemein formuliert, doch Trump hatte damit eindeutig chinesische Firmen ins Visier genommen. Und sein Nachfolger Joe Biden hat bislang den China-Kurs seines Vorgängers nicht wesentlich entschärft.
Nun kommt also die Retourkutsche aus China. Zwar hat Peking seit 2018 den Zugang zum eigenen Finanzmarkt deutlich verbessert. Das hat in erster Linie dazu geführt, dass die Banken ihre Geschäftein China ausweiten konnten – was jetzt wiederum ihre Unsicherheiten erhöht. Denn inzwischen ist alles längst nicht mehr sicher, dass sich Chinas Märkte weiter öffnen werden. Durch das harte Vorgehen gegen private Technologieunternehmen wie dem Mitfahrdienstanbieter Didi, dem Internetriesen Tencent oder dem E-Commerce-Anbieter Alibaba, hat Staats- und Parteichef Xi Jinping deutlich gemacht, dass er die Wirtschaft wieder unter politische Kontrolle bringen will (China.Table berichtete).
Ausländische Investoren waren deshalb im Sommer so nervös und verunsichert, dass Fang Xinghai, der stellvertretende Vorsitzende der chinesischen Wertpapieraufsichtsbehörde, es für notwendig hielt, die Führungskräfte von Blackrock, Goldman Sachs und anderen Finanzinstituten auf einem Treffen zu beruhigen.
Peking fährt eine Doppelstrategie: Auf der einen Seite lässt es die internationalen Institute auf den eigenen Markt, wo sie zur Modernisierung der Branche beitragen. Zugleich will man aber dafür sorgen, dass die Aktionen der erfolgshungrigen Wall-Street-Banker strikt reguliert und eingehegt werden. Eine unbedachte Bemerkung wie die von JP-Morgan-Chef Dimon reicht da aus, um einen donnernden Schuss vor den Bug zu erhalten.
Klar ist: Aller Regulierungswut zum Trotz will Peking die Beteiligung ausländischer Banken stärken, da man sie für die Entwicklungen der heimischen Finanzmärkte als wichtig ansieht. Hier haben sich die Befürworter einer Öffnung gegen die Hardliner in der Partei durchgesetzt: Im Herbst vergangenen Jahres erklärte Chen Yulu, stellvertretender Gouverneur der chinesischen Zentralbank PBOC, China habe die Beschränkungen für ausländische Beteiligungen in den Bereichen Bankwesen, Wertpapiere, Termingeschäfte und Fondsverwaltung aufgehoben und Beschränkungen für die Qualifikation der Anteilseigner verringert (China.Table berichtete).
Seit 2018 die Barrieren für ausländische Finanzinstitutionen schrittweise abgebaut werden, haben Goldman Sachs, Morgan Stanley, UBS und Credit Suisse ihre bisherigen Joint-Ventures im Wertpapiergeschäft mehrheitlich übernommen. Vier weitere Banken, wie JP Morgan, die japanischen Finanzinstitute Nomura und Daiwa Securities, sowie DBS Bank aus Singapur, haben in China eigene Wertpapiergeschäfte gegründet, die sie entweder mehrheitlich oder gar zu 100 Prozent besitzen. Europäische Banken hinken im Vergleich etwas hinterher, viele warten derzeit noch auf die Genehmigungen zur Gründung von Wertpapierfirmen durch die chinesischen Behörden – wie die französische Bank BNP Paribas und die britische Standard Chartered.
Finanzmarktexperten mahnen jedoch vermehrt zur Vorsicht, wenn es um den chinesischen Markt geht. Ein transparenter, offener Finanzmarkt sei durch die bisherigen Öffnungen noch nicht entstanden. So musste sich beispielsweise der US-Vermögensverwalter Blackrock bereit erklären, die Daten seiner chinesischen Kunden in China zu speichern. Auch haben die aktuellen Kampagnen Xis an der Beständigkeit und Vorhersehbarkeit der chinesischen Reformpolitik gekratzt. Weil eben nicht klar sei, ob und wann Peking die Reißleine ziehe, könnte JP Morgan laut Unternehmensunterlagen bis zu 20 Milliarden US-Dollar in China verlieren, berichtet der Finanznachrichtendienst Bloomberg.
Ein kürzlich gescheiterter Deal der Investmentgruppe Blackstone hat die potenziellen Gefahren von Geschäften in China nochmals verdeutlicht. Der Deal scheiterte, obwohl der Mitbegründer des Unternehmens, Stephen Schwarzman, dem Land so verbunden war, dass er gemeinhin als “China-Flüsterer” des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump galt. Dennoch gelang es ihm nicht, wie geplant die Immobilien der Soho-Group in Shanghai für drei Milliarden US-Dollar vom Ehepaar Pan Shiyi und Zhang Xin zu übernehmen.
Die internationalen Finanzinstitute stecken also in der Zwickmühle: Einerseits wollen sie unbedingt auf einem der größten Märkte der Welt mitmischen. Andererseits müssen sie lernen, dass dort nach chinesischen Regeln gespielt wird. Und so hat auch Jamie Dimon nach seinen launigen Worten schnell eingesehen, dass er nicht viel Zeit hat, um etwaige Missverständnisse aus der Welt zu räumen, die das Chinageschäft seiner Bank belasten könnten. Er hätte sonst seinen Mitarbeitern und Investoren einen Bärendienst erwiesen.
Zwei Monate lang haben rund 300 Politikerinnen und Politiker von SPD, Grünen und FDP in 22 Arbeitsgruppen verhandelt. Am Mittwoch hat die neue Ampel-Koalition ihren Koalitionsvertrag schließlich vorgestellt. Dem Thema China haben die künftigen Regierungsparteien einen eigenen Abschnitt gewidmet. Und der hat es in sich. “Wir wollen und müssen unsere Beziehungen mit China in den Dimensionen Partnerschaft, Wettbewerb und Systemrivalität gestalten”, heißt es in dem von den drei Parteien ausgehandelten Vertrag.
Auf Grundlage der Menschenrechte und des internationalen Rechts werde die neue Bundesregierung zwar die Kooperation mit China suchen und im zunehmendem Wettbewerb mit China faire Spielregeln aushandeln. Aber der Vertrag enthält auch eine direkte Botschaft in Richtung Peking: “Unsere Erwartungen an die chinesische Außenpolitik ist, dass sie eine verantwortungsvolle Rolle für Frieden und Stabilität in ihrer Nachbarschaft spielt.”
Der Vertrag lässt es nicht bei allgemeinen Worten. Die Koalitionäre verdeutlichen konkret, was sie meinen. “Wir thematisieren klar Chinas Menschenrechtsverletzungen, besonders in Xinjiang.” Dem Prinzip “ein Land, zwei Systeme in Hongkong” müsse wieder Geltung verschafft werden. Auch das aggressive Vorgehen Chinas im Südchinesischen Meer wird genannt.
Zum ersten Mal wird auch die Taiwan-Frage in einem deutschen Koalitionsvertrag erwähnt. Die neue Bundesregierung sagt der Insel Unterstützung zu, ohne von der bisherigen Sprachregelung abzuweichen: “Eine Veränderung im Status quo in der Straße von Taiwan darf nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen.” Im Rahmen der Ein-China-Politik der EU werde eine Einbindung Taiwans in internationale Organisationen befürwortet.
Mit diesen Punkten nimmt die künftige Bundesregierung im Gegensatz zur Vorgängerregierung ganz bewusst den Konflikt mit der kommunistischen Führung in Kauf. Deutsche Alleingänge im Umgang mit China soll es unter Rot-Grün-Gelb nicht mehr geben. Die Ampel-Koalition will viel stärker auf eine gemeinsame Strategie mit der EU setzen. “Um in der systemischen Rivalität mit China unsere Werte und Interessen verwirklichen zu können, brauchen wir eine umfassende China-Strategie in Deutschland im Rahmen der gemeinsamen China-EU-Politik”, heißt es im Koalitionsvertrag. In Brüssel wird diese Passage mit Wohlwollen aufgenommen werden. Immer wieder war dort Kritik laut geworden, dass Deutschland zu sehr die eigenen wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund stellt.
Dem Dreiklang aus “Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale” folgt die EU bereits seit der 2019 veröffentlichten China-Strategie. Nun klingt er in dem Ampel-Papier an. Das ist auch nicht verwunderlich. Sowohl an dem Papier vor knapp zwei Jahren als auch jetzt bei der Passage im Koalitionsvertrag arbeitete maßgeblich der Grünen-Europaparlamentarier Reinhard Bütikofer mit. Der langjährige China-Kenner blickt schon seit Jahren mit Sorge auf die immer autoritäreren Züge der Volksrepublik unter Staats- und Parteichef Xi Jinping. Bütikofer warnt vor einer zu großen Abhängigkeit einiger großer deutscher Unternehmen von China. Und auch die FDP blickt sehr viel kritischer auf die Volksrepublik als es die bisherige Kanzlerin getan hat.
Im großen geopolitischen Streit zwischen den beiden Supermächten China und den USA bezieht die Ampelregierung ganz klar Position: für die USA. “Wir streben eine transatlantische Abstimmung in der China-Politik an und suchen die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Ländern, um strategische Abhängigkeiten zu reduzieren”, steht in der Abmachung der neuen Koalition. Die bisherige Bundesregierung unter Angela Merkel war auch in dieser Frage nicht eindeutig. Der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte bei der Präsentation des Koalitionsvertrags die “zentrale Bedeutung” der Zusammenarbeit mit den USA. Wer Deutschland künftig als Außenminister vertreten wird, stand offiziell zwar noch nicht fest. Es gilt aber als ausgemacht, dass Annalena Baerbock von den Grünen das Auswärtige Amt erhält.
An anderer Stelle des Koalitionsvertrags wird auch das EU-China-Investitionsabkommen CAI infrage gestellt, allerdings auch nicht klar abgelehnt. Die Ampel lässt ihm eine Hintertür offen: Wenn China und die EU es nachjustieren, erhält es doch noch eine Chance. Es handelt sich dabei um ein Projekt, das vor allem die alte Bundesregierung vorangetrieben hat. Es liegt derzeit auf Eis (China.Table berichtete). “Eine Ratifikation des EU-China-Investitionsabkommens im EU-Rat kann aus verschiedenen Gründen zurzeit nicht stattfinden. Wir werden uns für Reziprozität einsetzen”, heißt es in dem Papier. Die Grünen machen keinen Hehl daraus, dass sie das Abkommen ablehnen. Und auch die FDP hatte sich im Wahlkampf für eine Neuverhandlung des CAI ausgesprochen.
Die künftige Bundesregierung will zudem das Netz der Außenhandelskammern stärken. Für chinesische Investoren in Deutschland könnte hingegen bald Gegenwind wehen. Denn Übernahmen von kritischer Infrastruktur wie Strom- oder Breitbandnetz durch ausländische Investoren sollen auf Sicherheitsgefährdungen geprüft und gegebenenfalls schneller darauf reagiert werden. Eine Premiere in einem Koalitionspapier stellt auch das Ziel dar, die Asien- und China-Kompetenz “deutlich” auszubauen.
Einen Platz im Koalitionsvertrag findet die Infrastruktur-Initiative “Global Gateway” aus Brüssel, die der chinesischen “Belt and Road Initiative” direkt Konkurrenz machen soll. “Global Gateway” sei ein wichtiges Instrument, um sich “aktiv für eine Infrastrukturentwicklung nach qualitativ hohen internationalen Standards” einzusetzen. Im Regierungspapier der Großen Koalition wurde lediglich davon gesprochen, “umfassende, moderne bilaterale Freihandelsabkommen mit Drittstaaten, insbesondere im asiatisch-pazifischen Raum” zu schließen.
EU-Handelskammerchef Jörg Wuttke sieht im Koalitionsvertrag eine Widerspiegelung der öffentlichen Meinung zu China-Themen: “Deutsche Politik wird sich sehr viel stärker auf Werte beziehen, was auch dem sehr viel kritischeren Meinungsbild der deutschen Öffentlichkeit gegenüber China entspricht.” Die deutschen Wirtschaftsinteressen bleiben gleichzeitig wichtig, betonte Wuttke gegenüber China.Table. Er hoffe, dass eine gute Balance gefunden werde und China auch “etwas feinfühliger sein wird für die öffentliche Meinung in Europa”. Für europäische Unternehmen in China bedeute das: “Firmen müssen sich auf komplexere Zeiten einstellen.”
Für den CDU-Europapolitiker David McAllister ist wichtig, dass die neuen Ansätze Deutschlands nun auch in Brüssel gehört werden: “Kein anderes europäisches Land pflegt so intensive bilaterale Beziehungen zu China wie Deutschland. Entscheidend ist daher, dass die deutsche Position in eine neue China-Strategie der Europäischen Union eingebettet wird.” Inwiefern sich die künftige Bundesregierung wirklich für die strategische Souveränität Europas einsetze, werde sich zeigen müssen, meint der Vorsitzende des Ausschusses für Außenpolitik des Europaparlaments. Der G7-Vorsitz Deutschlands im kommenden Jahr werde dafür “ein echter Realitätstest”, so McAllister. Amelie Richter/Felix Lee
Die Frachttochter der Deutschen Bahn fasst den Betrieb der Strecken nach China in einem eigenen Unternehmen zusammen. Die DB Cargo Transasia soll den Marktanteil der Schiene an den Fernost-Strecken erhöhen. Das Unternehmen beschäftigt zu diesem Zweck bereits 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Standorten Shanghai und Xi’an. Eine schnelle Expansion ist geplant. Der Geschäftsbereich hat 2018 als Verbindungsbüro mit zwei Mitarbeitern begonnen. Chef von DB Cargo Transasia ist Frank Schulze, der schon das Verbindungsbüro mitaufgebaut hat. fin
Die EU will Berichten zufolge für ihre Infrastrukturinitiative “Global Gateway” bis zu 300 Milliarden Euro mobilisieren, um auf Chinas Seidenstraßen-Programm zu reagieren. Für die Auszahlung der Gelder sei ein Zeitraum zwischen 2021 und 2027 veranschlagt, berichtete Financial Times (FT). Die 300 Milliarden Euro kommen demnach aus verschiedenen Programmen im EU-Haushalt. Die EU will aber auch den Privatsektor sowie die Europäische Investitionsbank und nationale Entwicklungsbanken einbinden. Am Mittwoch will sie die Strategie offiziell vorstellen.
“Global Gateway” wird von der EU nicht explizit als Alternative zu Chinas “Belt and Road”-Initiative vermarktet. In dem finalen Papier soll jedoch betont werden, dass “Global Gateway” eine “wertebasierte” Option und einen “ethischen Ansatz” bietet. “Indem ‘Global Gateway’ eine positive Wahl für globale Infrastrukturentwicklung bietet, wird es in internationale Stabilität und Zusammenarbeit investieren und zeigen, wie demokratische Werte Sicherheit und Fairness, Nachhaltigkeit für Partner und langfristige Vorteile für Menschen auf der ganzen Welt bieten”, zitiert die FT aus dem Dokument. Im Fokus stehen demnach Investitionen in Digitalisierung, Gesundheit, Klima, Energie und Verkehr sowie Bildung und Forschung.
Die geplante Summe ist im Vergleich zu einem ersten Entwurf von “Global Gateway” stark gestiegen. Die Initiative hätte eigentlich Mitte November von der EU-Kommission vorgestellt werden sollen. Damals kursierte in EU-Kreisen die Zahl von 40 Milliarden Euro (China.Table berichtete). Dass die Summe nun deutlich höher liegt, könnte ein Zeichen sein, wie wichtig das Vorhaben für EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist. Sie hatte den Namen der Initiative im September bei der Rede zur Lage der Europäischen Union bekannt gegeben (China.Table berichtete). ari
Ein geplantes Gemeinschaftsunternehmen von Audi und FAW in China wird offenbar erst mit Verspätung seine Arbeit aufnehmen können. Das berichtet das Magazin “Automobilwoche” am Montag exklusiv. Immerhin werde die notwendige Lizenz nach einer Intervention des Bundeswirtschaftsministeriums in Peking nun Anfang Dezember erteilt. Der Bau des gemeinsamen Werks könnte dann im kommenden Jahr beginnen, heißt es in dem Bericht weiter. Quellen für diese Information werden allerdings nicht genannt. Eine Audi-Sprecherin sagte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, es gebe Verzögerungen bei der Projektfreigabe. Das Unternehmen stehe ständig im Austausch mit dem Partner FAW und den Behörden. Die Vorbereitungen für den Baustart liefen weiter.
Audi und FAW wollen gemeinsam in China verschiedene Audi-Elektromodelle auf Basis der gemeinsam mit Porsche entwickelten Plattform PPE produzieren. Die Leitung des Joint-Ventures soll der China-erfahrene Audi-Manager Helmut Stettner übernehmen (China.Table berichtete). Die Deutschen sollen die Mehrheit an dem Gemeinschaftsunternehmen halten. Schon jetzt produzieren Audi und FAW in China gemeinsam mehrere Elektroautos. rad
Es ist ein Schritt, der die tiefere Zusammenarbeit zwischen den baltischen Staaten und Taiwan demonstrieren soll: Am Montag haben Parlamentarier aus Estland, Lettland und Litauen Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen besucht. Tsai begrüßte persönlich die Gruppe, die in den kommenden Tagen am “Open Parliament Forum” teilnehmen wird. Taiwan und die baltischen Staaten haben ähnliche Erfahrungen gemacht beim Ausbrechen aus einer autoritären Herrschaft und im Kampf für Freiheit”, sagte Tsai am Montag in Taipeh. Die Demokratie, die man heute genieße, sei hart erkämpft worden.
Man sei nach Taiwan gekommen, um seine Solidarität mit der Insel auszudrücken, sagte Matas Maldeikis, der die litauische Delegation anführt. Er hoffe, bald ein litauisches Handelsbüro in Taiwan eröffnen zu können. Es solle helfen, die Partnerschaft zwischen Taiwan und Litauen weiter zu verstärken, erklärte Maldeikis laut der Nachrichtenseite Euronews.
Mitte November hatte Taiwan ein offizielles Verbindungsbüro in Litauen eröffnet, welches de-facto als Botschaft dient (China.Table berichtete). Daraufhin hatten sich das Verhältnis zwischen China und Litauen dramatisch verschlechtert. So stufte die Volksrepublik offiziell ihre diplomatischen Beziehungen zu dem baltischen Staat herab (China.Table berichtete). China zog seinen Botschafter aus Litauen ab, stoppte den Schienen-Frachtverkehr und erteilte dem Land keine Einfuhrgenehmigungen mehr für Lebensmittel (China.Table berichtete). rad
Der chinesische Regierungsbeamte Hu Binchen ist trotz des Widerstands von Menschenrechtsgruppen aus mehreren Ländern in eine wichtige Aufsichtsfunktion bei der internationalen Polizei-Organisation Interpol gewählt worden. Hu gewann einen von zwei Sitzen als Vertreter Asiens im mächtigen Exekutivkomitee von Interpol. Die Wahl von Hu hatte Menschenrechtsorganisationen auf den Plan gerufen. Die Gruppen hatten wegen mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen gegen die Kandidatur gekämpft. Hu ist stellvertretender Generaldirektor der “Abteilung für Internationale Kooperation” im Ministerium für Öffentliche Sicherheit und damit mutmaßlich auch für die Entführung von Dissidenten im Ausland zuständig.
Peter Dahlin, Mitbegründer und Direktor der Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders, sah in der Wahl Hus kein gutes Zeichnen für Interpol. Hu repräsentiere ein chinesisches Ministerium, das Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch den systematischen Einsatz von Verschwindenlassen begehe, so Dahlin gegenüber South China Morning Post. Die Abteilung, in der Hu arbeite, sei speziell für die Verfolgung und Rückführung von mutmaßlichen Dissidenten nach China zuständig. “Er hat keinen Platz am Tisch und Chinas Kandidatenauswahl wird seine Fähigkeit stärken, Interpol zu missbrauchen und das Vertrauen in die Organisation selbst zu untergraben”, sagte Dahlin.
Hu war dem Bericht zufolge ein Kollege des ehemaligen Interpol-Chefs Meng Hongwei. Dieser war 2018 bei einem Besuch in China verschwunden. Mengs Ehefrau hatte zuletzt schwere Vorwürfe gegen die Polizei-Organisation erhoben (China.Table berichtete). ari
Die Europäische Union wird ihre Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen gegen chinesische Beamte und eine Organisation mit hoher Wahrscheinlichkeit erneuern. Der Ausschuss der EU-Botschafter der Mitgliedsstaaten hat die Erneuerung der Strafmaßnahmen Informationen aus EU-Kreisen zufolge bereits bestätigt. Die Verlängerung der Sanktionen soll demnach bei einem Treffen von EU-Ministern Anfang Dezember genehmigt werden. Normalerweise folgen die Minister der Empfehlung der EU-Botschafter. Es bestehe wenig Aussicht auf eine Änderung der Strafmaßnahmen, da sich die Situation in Xinjiang nicht wesentlich geändert habe, zitiert die South China Morning Post die Ansicht mehrerer EU-Diplomaten.
Die EU hatte sich im März auf Sanktionen gegen vier Personen und eine Organisation im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang verständigt (China.Table berichtete). Die Sanktionen trafen Zhu Hailun, den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der KP Chinas in Xinjiang, sowie Wang Junzheng, Parteisekretär des Xinjiang Produktions- und Aufbaukorps (Xinjiang Production and Construction Corps. XPCC). Das XPCC ist eine wirtschaftliche und paramilitärische Organisationseinheit in Xinjiang, die der Zentralregierung in Peking unterstellt ist. Die EU-Sanktionen richteten sich außerdem gegen Wang Mingshan, Mitglied des Ständigen Ausschusses der KP Chinas Xinjiang und Chen Mingguo, Direktor des Xinjiang Public Security Bureau (PSB), der regionalen Sicherheitsbehörde in der Provinz.
Peking hatte auf die Strafmaßnahmen aus Brüssel im März umgehend reagiert und selbst Sanktionen gegen mehrere EU-Parlamentarier, Wissenschaftler und Thinktanks verhängt. Das wiederum führte zu einem Stillstand in der Bearbeitung des China-EU-Investitionsabkommens CAI. Das Europaparlament macht die Aufhebung der Sanktionen gegen die Abgeordneten zu einer klaren Voraussetzung zur Ratifizierung des Abkommens. Wie Peking auf die Erneuerung der EU-Sanktionen reagiert, wird deshalb auch richtunggebend für das Abkommen sein. ari
Chinas Militär hat erneut eine hohe Anzahl von Flugzeugen in Taiwans Identifikationszone zur Luftverteidigung (ADIZ) geschickt. Laut einer Erklärung des Verteidigungsministeriums in Taipeh waren 27 chinesische Flugzeuge, darunter acht J-16-Kampfjets, in Taiwans südwestliche Luftverteidigungs-Zone eingedrungen. Die Luftwaffe gab demnach Funkwarnungen heraus und setzte Flugabwehrraketensysteme ein. Die Entsendung war der größte Einsatz chinesischer Kampfflugzeuge in der Nähe von Taiwan seit Anfang Oktober. Damals hatte Chinas Militär eine Rekordzahl von 52 Flugzeugen in die ADIZ geschickt (China.Table berichtete).
China hatte zuletzt den militärischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf Taiwan erhöht. Erbost zeigte sich Peking wegen der Einladung Taiwans zu einem Demokratie-Gipfel von US-Präsident Joe Biden. Die Botschafter Chinas und Russlands in den USA kritisierten das für Dezember geplante Treffen scharf: Das Gipfel-Vorhaben sei “offensichtlich das Produkt der Kalten-Kriegs-Mentalität” der USA, schrieben die Diplomaten Qin Gang und Anatoly Antonow in dem am Freitag auf der konservativen Website “The National Interest” veröffentlichten Beitrag.
Die Veranstaltung werde neue “Trennlinien” zwischen den Ländern der Welt schaffen, so Qin und Antonow. Demokratie könne “auf unterschiedliche Weise realisiert” werden, schrieben die Botschafter. Es gebe “kein Modell”, das für alle Länder passend sei. Der von Biden geplante Demokratie-Gipfel soll vom 9. bis 10. Dezember als virtuelle Veranstaltung stattfinden. ari
Die Grundkonzeption des chinesischen Export Control Law (ECL) entspricht der EU-Dual-Use-Verordnung: Die Ausfuhr von Gütern, die auf einer Liste als kritisch erfasst sind, bedarf einer Genehmigung. Diese Güterliste umfasst Dual-Use-Güter, militärische Güter, nukleare Güter und solche, die die nationale Sicherheit und die nationalen Interessen Chinas betreffen.
Der Begriff Güter erfasst Waren und Technologie, aber auch Dienstleistungen. Der Ausführer erhält die Genehmigung nur, wenn er zuverlässig ist und eine Erklärung des drittländischen Empfängers zum Endverwender und zur Endverwendung der Waren vorlegt.
Derzeit ist all dies jedoch überwiegend graue Theorie. Es gibt noch keine konsolidierte Güterliste. Und die Behörden haben noch keine Anweisungen erhalten, wie sie die Vorschriften umzusetzen haben. Solange dies nicht der Fall ist, müssen Unternehmen in China weiter die vereinzelten Ausfuhrvorschriften beachten, die dort teilweise schon seit den 90ern gelten. Unternehmen sollten ihre Exportkontrollprogramme aber bereits jetzt anpassen – dafür hat das MOFCOM auch schon konkrete Leitlinien vorgelegt. Insbesondere sollten Exportkontrollklauseln in Verträgen angepasst werden, um sich nicht angreifbar zu machen.
Eine ausdrückliche Regelung zur Re-Exportkontrolle wurde im letzten Moment aus dem ECL gestrichen. China behält sich in einigen der Vorschriften des ECL zwar vor, Maßnahmen mit extraterritorialer Wirkung zu treffen, wenn es seine Interessen gefährdet sieht. Für Unternehmen außerhalb Chinas ist aber entscheidend, ob sie hinsichtlich gelisteter Komponenten aus China eine strukturierte Re-Exportkontrolle in der EU betreiben müssen. Dies ist – Stand heute – (noch) nicht der Fall, sie müssen sich derzeit lediglich an die Zusagen halten, die sie im Rahmen von Endverbleibserklärungen abgeben.
Unreliable Entity List
Das Konzept einer Unreliable Entity List ist aus den USA bekannt. Steht ein ausländisches Unternehmen auf dieser Liste, dürften chinesische Firmen mit diesem nur unter bestimmten Voraussetzung Geschäfte tätigen oder auch gar nicht. Die Listung kann erfolgen, wenn Unternehmen aufgrund von Maßnahmen ihrer Länder chinesische Unternehmen diskriminieren oder schädigen, oder die Interessen Chinas gefährden.
Schränken Unternehmen ihre Geschäfte mit diesen und vielen anderen chinesischen Unternehmen auf der US Entity List ein, laufen sie Gefahr, in die Unreliable Entity List aufgenommen zu werden. Dies betrifft auch EU-Unternehmen und zwar dann, wenn sie gelistete US-Güter nicht an chinesische Unternehmen liefern, um nicht gegen die US-(Re-)Exportkontrolle zu verstoßen.
Blocking Rules und Anti-Sanctions Law (ASL)
Die Blocking Rules richten sich an Unternehmen in China. Diese dürfen extraterritorial wirkende Vorschriften von Drittstaaten in China nicht befolgen. Wie auch bei der EU-Blocking-Regulation muss die drittländische Vorschrift, die nicht befolgt werden darf, ausdrücklich benannt werden. Diese Blocking Rules können insbesondere für chinesische Töchter von EU-Unternehmen relevant sein, die aufgrund einer konzernübergreifenden Exportkontrolle in China EU- und US-Exportkontroll- und Sanktionsrecht befolgen (müssen).
Das ASL entspricht dem Bereitstellungsverbot der EU-Sanktionslisten. Das Vermögen der gelisteten Personen oder Organisationen in China kann eingefroren und der geschäftliche Umgang mit ihnen verboten werden. Zudem kann natürlichen Personen die Einreise verweigert werden. Unmittelbar richtet sich das ASL gegen Personen und Organisationen, die an der Schaffung von Sanktionen gegenüber China beteiligt waren oder sind, also Politiker:innen, politische Institutionen und NGOs. Ebenso denkbar ist allerdings, dass Unternehmen sanktioniert werden, die im Rahmen ihrer ESG-Policy Initiativen unterstützen, die aus chinesischer Sicht interne Belange der Volksrepublik betreffen, allen voran die Menschenrechte.
Beide Instrumente sehen vor, dass chinesische Unternehmen, wenn sie sich durch die Praktiken ihrer Geschäftspartner unfair behandelt fühlen, diese vor chinesischen Gerichten zur Rechenschaft ziehen können. Diese Möglichkeit verschafft den Unternehmen eine erhebliche Verhandlungsmacht. Es ist zu befürchten, dass davon zukünftig Gebrauch gemacht wird.
Was ist zu tun?
Unternehmen in China sollten bei entsprechendem Risikoprofil nicht zuwarten, ein internes Exportkontrollprogramm aufzubauen, wie es in der EU oder den USA üblich ist. Auch wenn einzelne Elemente des ECL noch unklar sind oder Umsetzungsvorschriften fehlen, werden diese Mechanismen früher oder später vollumfänglich greifen.
Wie in anderen Bereichen der chinesischen Eingriffsverwaltung auch, sind Unternehmen gut beraten, eine enge Verbindung zu den Behörden aufzubauen, um mit diesen persönlich abzuklären, was von ihnen verlangt wird. Zum anderen ist Vorsicht immer dann geboten, wenn das eigene Verhalten als diskriminierend gegenüber China oder chinesischen Unternehmen verstanden werden kann, insbesondere wenn das Verhalten durch EU- oder US-Sanktionsvorschriften motiviert ist. Dann sollten Unternehmen innehalten und anhand der neuen Vorschriften prüfen, wie sie ihre Pflichten nach EU-, US- und chinesischen Sanktionsvorschriften in Einklang bringen können. Das wird nicht immer einfach sein und manchmal auch nicht gelingen.
Zuletzt müssen Unternehmen beachten, dass sich ihre Mitarbeiter:innen in China durch die Sanktionsmöglichkeiten persönlich bedroht fühlen können und durch Handlungsanweisung im Zusammenhang mit EU- und US-Vorschriften in ein unauflösbares Dilemma geraten können.
Bislang hat die chinesische Führung vor allem ihren Instrumentenkasten offen gelegt. Das legislative Projekt richtete sich zunächst vor allem gegen US-Präsident Trump und seine Trade Wars. Seit dem Wechsel der Regierung in den USA hat sich zwar zweifelsohne der Ton verbessert, aber die bestehenden Konflikte sind nicht gelöst, sondern haben sich eher noch vertieft und es sind weitere hinzugekommen. Das sind leider keine Umstände, die eine positive Prognose für den Einsatz der hier beschriebenen Gesetze und Vorschriften rechtfertigen würden. Wenn es den Interessen Chinas dient, werden diese Instrumente eingesetzt werden, um die Welt zittern zu lassen.
Eigentlich wollte sich Tamás Matura wie viele seiner Kommiliton:innen der Politikwissenschaft auf die Europäische Union spezialisieren. Doch dann weckte China sein Interesse – und die aufstrebende Weltmacht ließ den ungarischen Politikstudenten nicht mehr los. “Es gab schon unzählige kompetente EU-Expert:innen und auch viele Orientalist:innen, die sich mit wichtigen Fragen der Kultur, Geschichte und Kalligrafie Chinas beschäftigen. Aber nur eine Handvoll Leute in Ungarn kannte sich mit der modernen chinesischen Politik und Ökonomie aus – obwohl bereits klar war, dass China die Macht des 21. Jahrhunderts werden würde”, erinnert sich der heute 37-Jährige.
Kurze Zeit später zeigte sich, dass Tamás Matura seine Nische klug gewählt hatte: 2012 etablierte China in Budapest die Wirtschaftskooperation “16+1” mit mittel- und osteuropäischen Ländern und er war als junger Forscher mit dabei. Heute arbeitet Matura als Assistenzprofessor an der Corvinus Universität Budapest und ist Gründer des Central and Eastern European Center for Asian Studies.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sorgt dafür, dass sein Forschungsfeld spannender denn je ist und seine Ansichten in der europäischen und US-amerikanischen Wissenschaft nach wie vor sehr gefragt sind. “Unsere Regierung verfolgte in den letzten zehn Jahren eine ziemlich spektakuläre Chinapolitik und ironischerweise rückt dies Ungarn gemessen an seiner Größe in unverhältnismäßiger Weise in den Fokus”, sagt Matura. Konkret heißt das: Die ungarische Regierung positioniert sich als bester Freund Chinas in der Europäischen Union und hilft Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sogar in seinen Konflikten mit der EU, trotz all der kritischen Anmerkungen aus Brüssel und Washington.
Der ungarische Experte ist überzeugt, dass das Verhalten des Ministerpräsidenten seines Heimatlandes dabei im Ausland oft missverstanden wird: “Ungarn wird häufig zu Unrecht als Trojanisches Pferd Chinas und als Marionette Xi Jinpings bezeichnet. Dabei ist unser Land wirtschaftlich viel abhängiger von Deutschland. Und die chinesische Regierung ist mit dem Handeln Ungarns oft gar nicht einverstanden. In Wirklichkeit aber benutzen sich China und Ungarn gegenseitig, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.”
Matura sieht sich als gesamteuropäischen China-Kenner und will sich nicht auf das Heimatland reduzieren lassen. “Manche Leute denken, Ungarn als vormals sozialistisches Land hätte ein besseres Verständnis für China als die westeuropäischen Länder.” Er widerspricht dem entschlossen: “Ich glaube das nicht, denn ich selbst zum Beispiel habe keine persönlichen Erinnerungen an das sozialistische Regime. Und viele osteuropäische Länder wie Litauen üben harsche Kritik an China.”
Wie sich die Beziehungen zwischen der EU und China künftig entwickeln, das hängt Maturas Ansicht nach wesentlich davon ab, wie sich die neue deutsche Regierung China gegenüber positioniert. Aber auch die Frage, ob Viktor Orbán in Ungarn wiedergewählt wird, ist für die Entwicklung der Beziehungen entscheidend. Janna Degener-Storr