Europa will mit der Initiative Global Gateway das chinesische Prestigeprojekt Belt and Road ausstechen. Amelie Richter hat sich die EU-Pläne analysiert und kommt zu dem Schluss: Die Rhetorik ist durchaus weitreichend. Doch vollmundige Ankündigungen allein werden nicht ausreichen. Die EU muss noch etliche Entscheidungen treffen, um in den Schwellenländern tatsächlich mit Pekings Ambitionen konkurrieren zu können.
Am Montag meldeten die traditionsreichen MV Werften Insolvenz an. Auf der Suche nach den Gründen führt der Weg rund 8800 Kilometer weit nach Osten – zur Genting Hong Kong Ltd. Sie ist der Eigentümer der Werften in Stralsund, Rostock und Wismar. Man wollte sie zu den modernsten und erfolgreichsten Werften der Welt ausbauen. Doch es kam anders. Nun stehen 1900 Arbeitsplätze vor dem Aus.
Japan und Australien schließen derweil einen Militärpakt. Die zwei großen Pazifik-Inseln nennen den Grund für ihre neue Sicherheitsallianz zwar nicht beim Namen. Doch sie richtet sich eindeutig gegen China. Die Aufrüstung der Volksrepublik zur See treibt die Nachbarn zusammen. So zieht jede Aktion ihre Gegenreaktion nach sich. Das gilt natürlich auch für den Abschluss neuer, exklusiver Allianzen, analysiert Michael Radunski.
Akutere Sorgen bereitet unterdessen der erste lokale Omikron-Ausbruch Chinas in Tianjin, einer Nachbarstadt von Peking. Unweit der Austragungsorte der Olympischen Winterspiele sollen sich mehrere Menschen mit der hochansteckenden Virus-Variante infiziert haben. Die “uneinnehmbare Festung”, wie China sich im Zusammenhang mit dem Corona-Virus mittlerweile selbstbewusst nennt, ist in höchster Alarmbereitschaft. Denn gegenüber Omikron bieten die chinesischen Impfstoffe möglicherweise keinen ausreichenden Schutz.
Im vergangenen Jahr ist gefühlt kaum eine Woche vergangen, in der keine chinesischen Kampfjets den Luftraum Taiwans gekreuzt haben. Das Säbelrasseln ist lauter geworden. Doch es gibt auch beruhigende Einschätzungen. Ein militärischer Konflikt drohe vorerst nicht, berichtet unser Team aus Peking. Zu groß ist die gegenseitige Abhängigkeit Chinas und Taiwans. Auch deutsche Unternehmen vor Ort sind nicht in Sorge.
Brüssels Antwort auf Chinas Belt-and-Road-Initiative (BRI) steckt noch in den Kinderschuhen. Bis Mitte 2022 will die EU-Kommission jedoch konkrete Projekte für ihre weltweite Infrastruktur-Strategie namens Global Gateway vorschlagen. Als “einzigartigen Wettbewerbsvorteil” sieht Brüssel dabei die Einbindung des Privatsektors. Global Gateway müsse diesen in vollem Umfang nutzen, um “eine tragfähige und attraktive Alternative für Partnerländer” zu sein, heißt es in der offiziellen Kommunikation. Wie das in der Praxis konkret aussehen soll, ist noch offen. Ebenso ungeklärt sind die Details zur Business Advisory Group, die im Rahmen von Global Gateway geplant ist. Auch andere Nachschärfungen der Initiative sind noch nötig.
Die Reaktion der deutschen Wirtschaft auf die Initiative sei bisher aber dennoch überwiegend positiv, wie Sebastian Holz von der deutschen Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest (GTAI) berichtet. Dass Global Gateway auch die Expertise des Privatsektors einhole, sei eine gute Sache. Holz sieht die Zusammenarbeit der EU mit privaten Unternehmen als Vorteil gegenüber Chinas neuer Seidenstraße. “Ich glaube, dass der europäische Privatsektor eine Stärke ist, die die Chinesen in der Form nicht haben. Dort sind es vor allem Staatsunternehmen, die die Projekte umsetzen”, sagte Holz gegenüber China.Table.
Das Interesse der Industrie sei da, so Holz. Die Initiative könne dazu beitragen, das Engagement gerade in Schwellenländern weniger risikoreich zu machen. Holz beschäftigt sich für GTAI , die dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zugeordnet ist, mit verschiedenen internationalen Projekten im Bereich Vernetzung. Bei der Außenwirtschaftsagentur gibt es seit Beginn des vergangenen Jahres dafür ein eigenes Projekt. Es nimmt nicht nur Global Gateway und BRI unter die Lupe, sondern auch andere EU-Vorstöße für internationale Infrastruktur. Es kümmert sich zudem um die von den USA angeführte Initiative “Build Back Better World” der G7-Staaten. Holz’ Bilanz der Vorgängerin von Global Gateway, der EU-Asien-Konnektivitätsstrategie, fällt allerdings eher schlecht aus: Die im Herbst 2018 vorgestellte Initiative aus Brüssel sei “sehr vage” geblieben, kritisiert der Analyst.
Global Gateway sei schon in seiner Rhetorik deutlich ambitionierter, lobt Holz. Zur Finanzierung des Vorhabens hat die EU-Kommission rund 300 Milliarden Euro aus staatlichen und privaten Quellen für den Zeitraum von 2021 bis 2027 in Aussicht gestellt. Das zeigt: Brüssel sieht die Konnektivität als einen zentralen Baustein seiner geo-ökonomisch orientierten Wirtschaftspolitik – und will hier entsprechend auch schnell Ergebnisse liefern. Im Juni dieses Jahres sollen die ersten Projekte angegangen werden.
Gigantische Brücken- und Autobahn-Bauten wie beispielsweise das BRI-Projekt in Montenegro werden dabei weniger im Fokus stehen. Die EU will eigenen Angaben zufolge primär auf die nachhaltigen Transportmittel setzen. “Man kann davon ausgehen, dass im Rahmen von Global Gateway keine großen Autobahnprojekte auf dem afrikanischen Kontinent gefördert werden”, sagt Holz. Das entspreche nicht dem grünen Anspruch der EU. Die Kommission betonte bei der Vorstellung von Global Gateway, dass die höchsten Standards in Bezug auf Nachhaltigkeit, Governance und Transparenz angelegt würden. Bei deutschen Unternehmen kommt das laut Holz gut an: “Sie wünschen sich alle, dass für diese Projekte hohe Nachhaltigkeitsstandards festgeschrieben werden, weil sie diese besser bedienen können als ihre internationale Konkurrenz.”
Wegen des geringeren Nachhaltigkeitsanspruchs der BRI seien das chinesische Prestigeprojekt und der Vorstoß aus Brüssel aber auch nur bedingt vergleichbar, betont Holz. “Die Ambition ist nicht, dass man die gleiche Menge an Beton verbaut, wie die Chinesen das im Rahmen ihrer Initiative tun.”
Eingebunden werden sollen die privaten Unternehmen durch die neu eingerichtete Business Advisory Group. “Wer in der Gruppe sitzen wird, ist noch nicht klar, das ist noch im Findungsprozess. Derzeit laufen die Verhandlungen und Überlegungen für einen Ansprechpartner in Brüssel für die Unternehmen”, erklärt Holz. In dem Beratungsgremium sollen die Unternehmen dann bei der Auswahl der Projekte und deren Umsetzung ein Mitspracherecht bekommen.
Gerade die Einbindung des Privatsektors sieht Alicia García-Herrero, Chefökonomin für den asiatisch-pazifischen Raum bei der französischen Investmentbank Natixis und Analystin der in Brüssel ansässigen Denkfabrik Bruegel, noch skeptisch. In dieser Hinsicht sei die Initiative der EU bei weitem noch nicht ausgegoren, so García-Herrero. “Es ist nicht klar, wie viel in dieser Initiative Business ist, und wie viel Entwicklungshilfe. Es gibt keine klare Definition.”
Die Beteiligung der privaten Wirtschaft sieht sie derzeit noch eher als Hindernis denn als Vorteil. “Wenn klar ist, wie die geschäftliche Seite aussieht, dann kann man auch erst Vergleiche mit der BRI ziehen”, meint die Analystin. Sie kritisiert, dass zwar der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi an dem Vorstoss beteiligt seien, aber nicht der für Handel zuständige Kommissar Valdis Dombrovskis. Ihrer Ansicht nach brauche es eine präzisere Vorgabe für die Wirtschaft: “Man muss den Unternehmen erklären, wie ihnen geholfen wird, weltweit zu exportieren oder zu investieren.”
Generell begrüßt García-Herrero den Ansatz von Global Gateway, da dieser verschiedene Initiativen unter einem Dach bündele – genau die Vielfältigkeit der angestrebten Projekte könnten ihrer Meinung nach aber ein Nachteil sein. “Im Grunde möchte ich also Gutes für die Welt tun, und das ist toll. Aber bei meinen genauen Zielen bin ich noch verwirrt”, fasst sie die Crux zusammen. Brüssel habe einfach alle Ansätze zusammengepackt und dabei die klare Linie aus den Augen verloren. So viele Partnerschaften und Programme seien in Global Gateway zusammengefasst, dass “niemand wirklich wisse, was sie genau machen werden”. García-Herrero Ratschlag: “Die EU muss spezifischer sein als die BRI, wenn sie damit wirklich konkurrieren will.“
Auch die Finanzierung des Mega-Projekts sei noch unpräzise. “Wir wissen wir nicht, woher diese 300 Milliarden kommen.” Es sei viel Engagement des Privatsektors nötig, um die Investitionssumme zu erreichen, sagt García-Herrero. 135 Milliarden Euro sollen aus dem Europäischen Fonds für nachhaltige Investitionen (EFSD+) bereitgestellt werden, 145 Milliarden Euro von anderen, auch nationalen Finanzinstituten, so etwa von der deutschen Förderbank KfW – von Zusagen ist jedoch noch nichts bekannt.
Ob das EU-Geld in den Empfängerländern dann mehr Zuspruch finden wird als Finanzierung aus Peking, steht noch infrage. Der Ansatz aus Brüssel setzt auf Transparenz und “good governance”. Die Projekte sollen den Menschen vor Ort zugutekommen, betonte EU-Kommissionschefin von der Leyen bei der Vorstellung. Es sei jedoch fraglich, ob die Länder die hohen Standards und Werte, die Global Gateway verbreiten wolle, akzeptierten, warnt García-Herrero. Bestimmte Regierungen seien primär daran interessiert, schnell an Geld für Projekte zu kommen – und wollen sich nicht von der EU die genauen Konditionen vorschreiben lassen. Chinese Kredite könnten für solche Länder deshalb interessanter sein.
Global Gateway ist ein wichtiger Schritt, zweifellos. Die hochgesetzten geo-ökonomischen Ziele erreicht man aber nicht allein durch die Veröffentlichung gigantomanischer Fonds, benötigt wird auch strategisches Vorgehen aus Brüssel.
Das Vokabular der EU-Initiative (“intelligent”, “sauber”, “sicher”) soll den Eindruck erwecken, europäische Projekte seien den BRI-Vorhaben qualitativ vorzuziehen – das entspricht dem europäischen Selbstbild, aber nicht unbedingt der Außenwahrnehmung. Dass der Bau des Flughafens in Berlin 14 Jahre gedauert hat, in Peking aber nur vier, ist auch jenseits der westlichen Welt nicht unbemerkt geblieben.
Gemeinsam mit dem deutschen Europa-Abgeordneten Reinhard Bütikofer wird Alicia García-Herrero bei einer Online-Veranstaltung von Bruegel am Dienstag einen genaueren Blick auf die beiden Infrastruktur-Initiativen aus Brüssel und Peking werfen.
Am Montagmittag platzt die Bombe: Die MV Werften in Mecklenburg-Vorpommern müssen Insolvenz anmelden. Seit Tagen hatten die Bundesregierung und die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern mit dem Eigentümer der MV Werften einen Ausweg aus der verfahrenen Situation gesucht. Doch mit der Genting Hong Kong Ltd. konnte keine Lösung gefunden werden.
Vordergründig sorgte ausgerechnet die “Global Dream” für das Aus der Werften. Es sollte eines der größten je gebauten Kreuzfahrtschiffe der Welt werden und war ausschließlich für den asiatischen Markt gedacht. Satte 1,5 Milliarden Euro sollte der Bau des 342 Meter langen Traumschiffs kosten und bis zu 9.500 Passagieren Platz bieten. Doch obwohl schon 75 Prozent des Schiffs fertiggestellt sind, konnte die restliche Finanzierung nicht gesichert werden. Die Bundesregierung war offenbar zu weiteren Hilfen bereit. Sie forderte dafür allerdings einen Eigenbeitrag von Genting. Und dieser kam offenbar nicht. Aus Berlin hieß es denn auch zuletzt, es fehle ein klares Bekenntnis der Eigentümer zu ihrer Werft.
Dabei begann der Einstieg der Hongkonger bei den deutschen Werften überaus verheißungsvoll. Das asiatische Tourismusunternehmen war bis dato vor allem durch seine Kreuzfahrtmarken Star Cruises, Crystal Cruises sowie Dream Cruises bekannt. Das Geschäft boomte, immer mehr Menschen wollten ihren Urlaub auf hoher See verbringen. Also brauchte die Genting HK dringend mehr Schiffe. Doch aufgrund der steigenden Nachfrage wurden die Lieferzeiten für Kreuzfahrschiffe immer länger. Genting suchte nach einem Ausweg: nach Neubauwerften für große Kreuzfahrtschiffe, die vor allem auf dem asiatischen Markt zum Einsatz kommen sollten. So wolle man für das schnelle Wachstum am Kreuzfahrtmarkt in China gerüstet sein, sagte Genting-Chef Lim Kok Thay damals. Fündig wurde Genting in Deutschland.
Für 230 Millionen Euro kaufte man die Werften in Bremerhaven, Wismar, Warnemünde und Stralsund. Anfang Juli 2016 verkündete Thay, man werde die drei traditionsreichen Werften in Wismar, Rostock und Stralsund unter dem Namen MV Werften (MV für Mecklenburg-Vorpommern) zusammenfassen und 100 Millionen Euro investieren, um sie zu den modernsten und effizientesten Werften der Kreuzschifffahrt zu machen. Mehr als 3.000 Beschäftige sollten dieses ambitionierte Ziel ermöglich.
Doch dann brach die Corona-Pandemie aus. Vor allem in China ergriff die Führung strikte Maßnahmen: Die Landesgrenzen wurden dichtgemacht, Städte mit mehreren Millionen Einwohner wurden in Lockdown geschickt. Entsprechend kam auch das Geschäft in der Kreuzfahrtbranche völlig zum Erliegen – und Genting in der Folge in massive Zahlungsschwierigkeiten. Schon im Sommer 2020 kündigte der Mutterkonzern der MV Werften an, Zahlungen an Banken und Gläubiger einzustellen. Im Gesamtjahr 2020 musste Genting einen Verlust von 1,7 Milliarden US-Dollar hinnehmen, die Schulden des Konzerns stiegen auf satte 3,4 Milliarden US-Dollar an. Es sei völlig unsicher, ob der Konzern unter diesem Umständen weiterbestehen könne, hieß es in einer unternehmenseigenen Mitteilung an die Hongkonger Börse Ende März 2021.
Besserung ist für die Kreuzfahrtbranche nicht in Sicht. Auf den wenigen Schiffen, die derzeit auf den Meeren unterwegs sind, steigt die Zahl der Neuinfektionen rapide an. Grund ist die Ausbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante. Und damit häufen sich wiederum Coronavirus-bedingte Planänderungen und Reiseabbrüche. Das Auswärtige Amt in Berlin rät jedenfalls von Schiffsreisen ab. Es bestehe das Risiko, dass Reisende auf dem Schiff unter Quarantäne gestellt werden, zudem sei ein Rücktransport nach Deutschland schwierig zu organisieren. Derweil rät die US-Gesundheitsbehörde “Centers for Disease Control and Prevention” (CDC) schon seit Dezember ihren Bürgern dringend davon ab, eine Kreuzfahrt anzutreten. Der Impfstatus spielt dabei keine Rolle, hieß es in der Mitteilung. Und Brasilien hat den Kreuzfahrtbetrieb wegen Hunderter Infektionen bis zum 21. Januar komplett eingestellt.
Angesichts des Drucks auf die gesamte Branche verwundert es nicht, dass auch die weitreichenden Pläne für Wismar, Rostock und Stralsund plötzlich nur noch reine Makulatur waren. Die Fertigung der laufenden Schiffbauprojekte wurde ausgesetzt, die Werften vorübergehend sogar ganz geschlossen.
Die MV Werften suchten ihre Rettung unter dem Corona-Rettungsschirm des Bundes – und Berlin zeigte sich gewillt zu helfen. Mitte Mai versprach der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier, den deutschen Schiffbau gegen die Konkurrenz aus dem Ausland stärken zu wollen (China.Table berichtete).
Doch die Verhandlungen zwischen dem Bund, der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern sowie MV Werften und der Genting Hongkong über ein Rettungspaket führten zu keiner Lösung. Die Positionen waren unvereinbar: Der Bund versicherte bis zuletzt, rund 600 Millionen Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zur Verfügung stellen zu wollen. Als Sicherheit könnte der neue Hoffnungsträger “Global Dreams” verwendet werden. Allerdings solle auch der Eigentümer einen Beitrag zur Rettung der Werften leisten: knapp 60 Millionen Euro plus Garantien für die in Rede stehenden Bundesmittel.
Dem Präsidenten von Genting Hongkong zufolge habe man seinerseits dem Bund vier Angebote zur weiteren Finanzierung vorgelegt. Diese seien allerdings allesamt abgelehnt worden, sagte Colin Au. Auch sei im vergangenen Dezember die Auszahlung des fälligen Betrags beim Erreichen eines Bau-Zwischenstands – dem sogenannten Meilenstein F – blockiert worden. Genting habe nun schlicht keine weiteren Zugeständnisse mehr machen können. Colin Au verwies nochmals darauf, dass Genting seit der Übernahme mehr als zwei Milliarden Euro in die MV-Standorte aus eigener Tasche investiert habe, die Zahl der Mitarbeiter sei verdoppelt worden. “Die Werften jetzt fallen zu lassen, wäre der größte ökonomische Fehler, den die Bundesregierung machen könnte”, sagte Au und appellierte an Bund und Land, ihre Haltung doch nochmals zu überdenken. Neben den Arbeitsplätzen im Nordosten sei zusätzlich eine ganze Branche mitsamt Zulieferern im In- und Ausland bedroht.
Der Geschäftsführer der MV Werften Carsten Haake geht davon aus, dass sich die Bundesregierung aktuell nicht bewegen wolle – und dass sich Genting nicht bewegen könne. “Wir haben uns abgearbeitet an den Auflagen des Bundes”, sagte Haake. Einige Medien berichten hingegen, Genting-Chef Thay habe offenbar auf noch mehr Steuer-Millionen aus Deutschland spekuliert.
Zuletzt hatte der Mutterkonzern die Dezembergehälter an die Mitarbeiter in den Werften nicht mehr ausgezahlt. Entsprechend angespannt war die Stimmung auf der Betriebsversammlung am vergangenen Freitag in Wismar.
Rund 8.800 Kilometer entfernt nahm unterdessen das Drama seinen Lauf. Dort ging an der Börse in Hongkong folgendes Schreiben ein: “Auf Antrag der Genting Hong Kong Ltd. wird der Handel der Unternehmensaktien an der Börse in Hongkong ab Freitag, 7. Januar 2022, von 9.00 Uhr morgens an ausgesetzt.” Als Grund für den Stopp wurde auf eine bevorstehende Mitteilung des Konzerns verwiesen.
Jene Meldung kam dann am gestrigen Montag – und hatte es in sich: Die MV Werften in Mecklenburg-Vorpommern müssen Insolvenz anmelden. Damit ist klar: Die Finanzschwierigkeiten des Mutterkonzerns Genting Hongkong sorgen in Deutschland für eine große Firmenpleite. Wie es mit den zuletzt rund 1.900 Mitarbeitern weitergeht, ist völlig offen.
Australien und Japan haben am Donnerstag ein Abkommen zur verstärkten militärischen Kooperation unterzeichnet. In Artikel II des sogenannten Reciprocal Access Agreement (RAA) wird als Hauptziel ausgegeben, die defensive Zusammenarbeit der beiden Staaten zum gegenseitigen Nutzen zu verbessern.
Australiens Premierminister Scott Morrison nannte das Abkommen am Donnerstag einen historischen Meilenstein. “Dieser Vertrag ist Ausdruck dafür, dass unsere beiden Nationen bei unseren geeinsamen strategischen Sicherheitsherausforderungen zusammenarbeiten wollen und so zu einem sicheren und stabilen Indo-Pazifik beitragen wollen”, sagte Morrison. Angesichts “gemeinsamer strategischer Sicherheitsherausforderungen” sei es nötig, die Zusammenarbeit der Streitkräfte beider Länder zu verstärken.
Die japanische Seite betonte am Donnerstag den defensiven Charakter des Vertrags. Man wolle damit vor allem einen freien und offenen Indo-Pazifik garantieren, sagte der japanische Kabinettssekretär Hirokazu Matsuno. Und in der Tat liest sich das Abkommen wie eine harmlose Auflistung technischer Details: Wie lange im Voraus Truppenbesuche anzukündigen seien, oder welche Regelungen und Zollvorschriften dann jeweils gelten.
Doch die aus dem Vertrag hervorgehenden Möglichkeiten sind durchaus weitreichend: So könnte in Zukunft eine signifikante Zahl japanischer Soldaten mit australischen oder US-amerikanischen Truppen im Gebiet um den australischen Hafen von Darwin Manöver abhalten. Der Hafen liegt strategisch günstig, dient als Eingangstor zu den Märkten Asiens und potenzielle Drehscheibe für Rohstoff- und Agrarexporte (China.Table berichtete). Gleichzeitig könnten Australiens U-Boote regelmäßig japanische Stützpunkte anlaufen und nutzen.
Experten halten das Abkommen für wichtiger, als es sein bisher unauffälliges Profil vermuten lässt. “Das ist ein machtvoller Ausdruck dafür, wie stark zwei gleichgesinnte Demokratien zusammenarbeiten können, um die regionale Sicherheit zu formen”, beurteilt Peter Jennings das RAA-Abkommen. Und dann fügt der Direktor des Australian Strategic Policy Institute (ASPI) noch eine weitere Stoßrichtung des Abkommens hinzu: “Die Nachricht an die Region lautet: Wir haben bessere Optionen, als nur zitternd den Wünschen Pekings zu gehorchen.”
Denn so defensiv und technisch das Reciprocal Access Agreement (RAA) auf den ersten Blick daherkommen mag, es ist zweifellos eine Reaktion auf das zunehmend dominierende Auftreten Chinas in der Region. Seit Jahren weitet China seine militärische und wirtschaftliche Einflusssphäre im Indo-Pazifik aus, sei es durch den Bau von Landebahnen, die Einrichtung von Militärstützpunkten oder gar das simple Aufschütten von Inseln.
Im Grunde habe Chinas auftrumpfendes Verhalten das RAA erst möglich gemacht, meint Alessio Patalano im Gespräch mit China.Table. “Die Verhandlungen zwischen Australien und Japan haben schon 2014 begonnen, aber fast ein Jahrzehnt lang gab es kaum Fortschritte”, erklärt der Professor für Krieg und Strategie am King’s College in London. Das habe sich geändert, als China anfing, seine Muskeln spielen zu lassen und ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Nachbarstaaten auftrat. Patalano geht davon aus, dass die Regierung in Peking das Abkommen zwischen Australien und Japan als einen weiteren Versuch demokratischer Industrienationen brandmarken wird, den Aufstieg der Volksrepublik zu verhindern.
Die Reaktion in Peking auf das Abkommen fiel jedoch zunächst durchaus zurückhaltend aus. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums hatte am Mittwoch schon vor der Vertragsunterzeichnung gesagt, der Pazifische Ozean sei “groß genug für die gemeinsame Entwicklung der Länder in der Region”. Dann schob einer aber doch noch eine kleine Warnung hinterher: Kooperation und Zusammenarbeit seien gut. Aber sie sollten nicht die Interessen einer dritten Partei verletzen.
Peter Jennings zufolge tue China selbst jedoch genau das Gegenteil. “China ist voll damit beschäftigt zu versuchen, die Staaten aus dem Verband Südostasiatischer Nationen von den westlichen Demokratien zu trennen und ihre regionale Zusammenarbeit zu schwächen.” Nur durch eine verstärkte Kooperation gleichgesinnter Staaten könne man verhindern, dass Peking die Region in eine Vielzahl individueller Akteure aufsplittere. Auf sich allein gestellt haben einzelne Staaten China kaum etwas entgegenzusetzen.
Doch Canberra und Tokio haben nicht nur China mit diesem Abkommen im Blick, sondern wohl auch ihren gemeinsamen großen Verbündeten: die USA. In Amerika macht sich zunehmend eine isolationistische Stimmung breit. Die Amerikaner sind es überdrüssig, die Rolle des Weltpolizisten zu spielen. Nicht zuletzt der chaotische Abzug aus Afghanistan verdeutlicht, wie unpopulär die weltweiten Einsätze geworden sind, die viel Geld und vor allem die Leben etlicher US-Soldaten kosten.
Zwar versicherte Joe Biden bei seinem Amtsantritt, die USA seien zurück auf der geostrategischen Bühne, doch hat das Vertrauen in die Bündnistreue Amerikas zuletzt massiv gelitten. Sollten sich die Amerikaner dagegen weiter aus der Weltpolitik zurückziehen, würden Abkommen wie das RAA zum sicherheitspolitischen Herzstück demokratischer Staaten gegen die autoritäre Bedrohung aus Peking, meint Peter Jennings.
Zu guter Letzt hat das RAA zwischen Australien und Japan noch eine dritte Komponente, die nicht unbedingt auf den ersten Blick ersichtlich wird: Energiesicherheit. Australiens größtes Exportgut nach Japan war 2019/2020 Erdgas im Wert von mehr als 19 Milliarden AUS-Dollar (rund zwölf Mrd. Euro). Hinzu kamen Kohlelieferungen im Wert von rund 14 Milliarden AUS-Dollar. Im Jahr 2019 wurde 88 Prozent der japanischen Energie aus importierten fossilen Energieträgern gewonnen, mehr als zwei Drittel stammen aus Erdgas und Kohle; Erdgas macht derzeit rund 37 Prozent der japanischen Energieversorgung aus, Kohle 32 Prozent.
Vor diesem Hintergrund – und zusammen mit der Atomkatastrophe von Fukushima – ist die Energiesicherheit ein wichtiger Bestandteil der japanischen Außenpolitik und ein nicht zu unterschätzender Punkt in der Partnerschaft mit Australien.
Bei genauer Betrachtung des Reciprocal Access Agreement zwischen Australien und Japan wird klar: So technisch und defensiv das Abkommen erscheinen mag, es ist weit mehr als das. Es drückt den Willen zu mehr militärischer Zusammenarbeit aus – und liegt damit voll im Trend. Nach Jahren im Dornröschenschlaf erwachte zunächst Mitte 2021 der “Quadrilateral Security Dialogue”, kurz Quad, zu neuem Leben (China.Table berichtete). Das ist das informelle Gesprächsforum der USA, Japan, Australien und Indien.
Im September wurde mit AUKUS ein weiteres Bündnis ins Leben gerufen, dieses Mal zwischen Australien, dem Vereinigten Königreich und den USA. Gegenstand des Abkommens ist unter anderem, dass Australien bis März 2023 insbesondere bei der Entwicklung und dem Einsatz von Atom-U-Booten durch die USA und Großbritannien unterstützt wird.
Nun wurde mit dem Reciprocal Access Argeement ein nächster Schritt getan. So unterschiedlich die einzelnen Abkommen in ihren technischen Inhalten auch sind, eines ist ihnen allen gemein: In offiziellen Erklärungen wird vermieden, China explizit zu erwähnen. Und doch ist allen klar ist, worum es sowohl bei Quad, AUKUS oder nun RAA geht: Gegengewichte zu China aufzubauen.
Als in den USA und Europa vor einigen Wochen die ersten Omikron-Infektionen auftraten, bezeichneten chinesische Staatsmedien ihr Land noch als eine “uneinnehmbare Festung”. Die strikte Null-Corona-Politik der Regierung würde schon dafür sorgen, dass sich die neue und viel ansteckendere Virus-Variante nicht in der Volksrepublik verbreitet. Ob das stimmt, wird sich nun in Pekings Nachbarstadt Tianjin zeigen. Denn dort hat es die ersten lokalen Infektionen mit Omikron gegeben.
Wie die Behörden der 15-Millionen-Metropole am Sonntag mitteilten, wurden in der Stadt seit Freitag 20 Corona-Infektionen identifiziert. Eine Sequenzierung ergab demnach, dass es sich bei zwei Fällen eindeutig um Infektionen mit der Omikron-Variante handelt.
Ob die anderen 18 Infektionen, die in Verbindung zu den beiden Fällen stehen, ebenfalls auf die Omikron-Variante zurückgehen, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. Laut lokalen Medien handelt es sich bei den Infizierten vor allem um Schüler und deren Familienangehörige. Die Behörden rechnen damit, dass die Testung der gesamten Bevölkerung weitere Infektionen aufdecken wird. Zwar waren bereits im Dezember die zwei ersten Omikron-Fälle in China gemeldet worden. Allerdings hatte es sich dabei um Reiserückkehrer gehandelt, die sich in Tianjin und in der südchinesischen Metropole Guangzhou in Quarantäne befanden. Wenn sich bestätigt, dass es sich in allen Fällen um die neue Variante handelt, wäre das der erste lokale Omikron-Ausbruch, mit dem sich die chinesischen Behörden konfrontiert sehen. Und das ausgerechnet in Tianjin, einer Nachbarstadt von Peking, wo die Olympischen Winterspiele am 4. Februar beginnen sollen.
Gelingt es nicht, den Ausbruch schnell unter Kontrolle zu bringen, könnte Tianjin womöglich ein ähnlich harter Lockdown drohen, wie ihn derzeit die Menschen der zentalchinesischen Metropole Xi’an über sich ergehen lassen müssen. Dort waren in den vergangenen zwei Wochen rund 1.500 Infektionen aufgetreten, bei denen es sich jedoch offenbar noch um die Delta-Variante handelte. Schon nach den ersten Fällen durften die Menschen praktisch nicht mehr vor die Tür. Das soll so bleiben, bis es keine neuen Infektionen mehr gibt (China.Table berichtete).
Bislang hat das rigorose Vorgehen tatsächlich stets dazu geführt, dass die meist kleinen Ausbrüche in China nach wenigen Wochen wieder unter Kontrolle gebracht werden konnten. Doch Beobachter fürchten, dass durch Omikron die Lage schnell außer Kontrolle geraten könnte. Das hätte auch Folgen für deutsche Unternehmen vor Ort, die schon jetzt klagen, dass sich die strikten Maßnahmen auf ihr Geschäft auswirken.
Allein in Xi’an sind rund 20 deutsche Unternehmen vertreten, darunter Bosch und Siemens, die vom Lockdown betroffen sind. Deutsche Wirtschaftsvertreter in China verweisen zwar darauf, dass Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren dazugelernt und sich auf solche Situationen eingestellt hätten. Äußerst schwierig würde es jedoch, wenn sich nicht nur eine Stadt, sondern mehrere Regionen und wichtige Wirtschaftszentren gleichzeitig in einen Lockdown begeben müssten.
Schon jetzt könnte sich ein solches Szenario abzeichnen. Denn nicht nur in Xi’an und Tianjin kämpfen die Behörden derzeit gegen Ausbrüche. Auch in der Provinz Henan sowie im südchinesischen Shenzhen wurden in den letzten Tagen neue Delta-Infektionen verzeichnet. Genau wie Tianjin beherbergt Shenzhen einen der größten Frachthäfen Chinas. Geriete die Lage außer Kontrolle, würde sich dies weiter auf ohnehin schon strapazierte Lieferketten auswirken.
Dass China seine strikten Abschottungsmaßnahmen in naher Zukunft aufgibt, scheint mit der Verbreitung von Omikron unwahrscheinlicher denn je. Zwar liegt die Quote der vollständig Geimpften in China bei rund 85 Prozent und damit höher als etwa in Deutschland. Neue Studien hatten kürzlich jedoch Hinweise geliefert, dass die chinesischen Vakzine eine unzureichende Antikörperantwort gegen Omikron aufweisen könnten (China.Table berichtete).
Das Bild ist nach Ansicht von Impfstoff-Forschern bisher zwar nicht eindeutig. Dennoch kann es sich die Pekinger Führung nicht leisten, ein Risiko einzugehen. Zwar arbeitet China auf Hochtouren an einem eigenen mRNA-Impfstoff nach dem Vorbild von Biontech. Bis dieser verfügbar ist und einem Großteil der Bevölkerung zur Verfügung steht, dürfte jedoch noch einige Zeit vergehen (China.Table berichtete). Bis dahin bleibt aus Sicht Pekings die Abschottung die einzig akzeptable Strategie. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Fast täglich schickt Peking derzeit Kampfflugzeuge in die taiwanische Luftverteidigungszone. Diese ist zwar nicht mit dem Luftraum der Inselrepublik gleichzusetzen, dennoch werden die zunehmenden Flüge als klare Provokation verstanden. Allein in den vergangenen Monaten waren es mehr als im gesamten Vorjahr (China.Table berichtete).
Trotz Pekings Säbelrasseln halten die meisten Beobachter einen heißen Konflikt, in dem die Volksrepublik angreift, um endlich die erhoffte “Wiedervereinigung” zu erreichen, weder 2022 noch in den Jahren darauf für ein wahrscheinliches Szenario. Aus chinesischer Sicht ist Taiwan zwar eine abtrünnige Provinz. Trotz aller Drohgebärden ist der demokratische Nachbar jedoch gleichzeitig wirtschaftlich sehr eng mit dem kommunistischen Festland verflochten. Eine ausgewachsene Krise würde auf beiden Seiten der Taiwanstraße erhebliche Folgen haben.
“Taiwanische Unternehmen spielen eine sehr wichtige Rolle in der chinesischen Wirtschaft. Wenn man da ein Decoupling durchspielt, würde es beide Volkswirtschaften sehr hart treffen”, sagt Axel Limberg, der die Vertretung der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Taiwan leitet. In China seien 8.000 taiwanische Unternehmen aktiv, die laut Schätzungen eine zweistellige Millionenzahl an Mitarbeitern beschäftigen. Zudem sei Taiwan das wichtigste Zulieferland für China. Rund 45 Prozent der taiwanischen Exporte gehen in die Volksrepublik.
Die wirtschaftlichen Beziehungen reichen weit zurück: Taiwaner gehörten zu den ersten ausländischen Unternehmern, die mit dem Beginn der wirtschaftlichen Öffnung in der Volksrepublik investierten. Ähnlich wie wohlhabende Familien aus Hongkong gründeten sie Fabriken auf dem chinesischen Festland – noch bevor sich Firmen aus den USA und Europa für China interessierten. Zunächst wurden etwa Schuhe und Kleidung hergestellt, später siedelten auch taiwanische Hightech-Firmen ihre Produktion nach China um.
Der Auftragsfertiger Foxconn, von dem Apple und andere Smartphone-Giganten einen Großteil ihrer Geräte zusammenbauen lassen, hat seinen Hauptsitz zwar in Taiwan, die meisten der 1,3 Millionen Mitarbeiter werden jedoch in Fabriken in China beschäftigt. Damit ist die taiwanische Firma der größte private Arbeitgeber der Volksrepublik. Allein in der zentralchinesischen Metropole Zhengzhou, die in diesem Jahr von einem schweren Hochwasser heimgesucht wurde, beschäftigt Foxconn in drei Fabriken mehr als 250.000 Menschen.
China braucht also keinen Krieg, um Taiwan zu Fall zu bringen. Es würde schon reichen, den taiwanischen Fabriken auf dem chinesischen Festland den Strom abzustellen. Jedoch ist die wirtschaftliche Abhängigkeit weniger einseitig, als sie auf den ersten Blick wirkt. Denn einer der wenigen technologischen Schwachpunkte, die die ehrgeizige Volksrepublik ihren Gegnern noch bietet, ist zugleich die größte Stärke Taiwans: die Entwicklung und Produktion von Mikrochips.
China hat zwar massive Investitionen angekündigt und macht Fortschritte bei der Entwicklung eigener Prozessoren. Die Volksrepublik liegt aber noch immer so weit zurück, dass es jährlich Mikrochips im Wert von rund 300 Milliarden Dollar importieren muss (China.Table berichtete). Um sie in elektronische Produkte für den heimischen Markt und den Export zu verbauen, gibt China für die Chips sogar mehr Geld aus als für Ölimporte.
Taiwan hat sein “Siliziumschutzschild” vor allem dem global führenden Chiphersteller TSMC zu verdanken. Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company ist mit mehr als 50 Prozent Marktanteil unangefochten der größte Chip-Auftragsfertiger der Welt. Von Apple über AMD bis hin zu Tesla lassen zahlreiche namhafte US-Konzerne ihre ausgefeiltesten Chips bei TSMC produzieren. Und auch die meisten chinesischen Tech-Konzerne müssen mangels Alternativen auf das Know-how der Taiwaner setzen.
Nach Angaben von Roy C. Lee, einem Ökonomen der taiwanischen Denkfabrik CIER, kann China derzeit nur 15 bis 20 Prozent der Halbleiternachfrage mit seinen Kapazitäten im Inland decken. Ohne Chip-Importe aus Taiwan und Südkorea würde China seine Position als weltweit führendes Zentrum für die Herstellung elektronischer Produkte sofort verlieren, schlussfolgert Lee. Die Gefahr, dass China relevante wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen gegen Taiwan verhänge, sei vor diesem Hintergrund “begrenzt”.
Die gegenseitige Abhängigkeit spiegelt sich in Pekings Wirtschaftspolitik gegenüber Taiwan wider. Zwar verhängte China in diesem Jahr einen Einfuhrstopp von Ananasfrüchten aus Taiwan (China.Table berichtete). Auch sorgte die Führung mit neuen Regeln bereits vor der Pandemie dafür, dass weniger Chinesen nach Taiwan reisen und dort die Tourismusindustrie unterstützen. Doch diese Nadelstiche wirken sich kaum auf Taiwans boomende Wirtschaft aus. Während der Corona-Pandemie wuchs der Inselstaat im vergangenen Jahr mit 4,5 Prozent erstmals seit drei Jahrzehnten sogar schneller als die Volksrepublik.
Kaum besorgt ist auch die deutsche Business-Community in Taiwan. Im Gegenteil seien die meisten Unternehmen sehr zufrieden mit dem Standort und stecken teils hohe Summen in neue Produktionskapazitäten, heißt es bei der AHK. “Es gibt eine Vielzahl von Krisenszenarien, auf die deutsche Unternehmen in Taiwan vorbereitet sind. Taifuns oder andere Naturkatastrophen gehören dazu, eine kriegerische Auseinandersetzung aber sicher nicht”, sagt Limberg. “Man glaubt an die Stabilität Taiwans”. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
China plant, einen Friedensbotschafter in die von Konflikten geplagte Region am Horn von Afrika zu entsenden. Das erklärte Chinas Außenminister Wang Yi vergangenen Donnerstag bei einem diplomatischen Besuch in Kenia. Der bisher nicht namentlich genannte Sondergesandte soll sich vor allem um die Befriedung des militärischen Konfliktes in Äthiopien zwischen der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) und der neuen Regierung unter Premierminister Abi Ahmed bemühen.
In dem Bürgerkrieg, der Anfang November 2020 ausbrach, sind nach Schätzungen Zehntausende Menschen ums Leben gekommen. Hunderttausende befinden sich auf der Flucht, Millionen leiden an Hunger. Auf einer Pressekonferenz in der Hafenstadt Mombasa schlug Wang unter anderem die Einberufung einer Friedenskonferenz vor. Ein weiterer Brennpunkt in der Region ist Somalia, wo sich die islamistische Terrorgruppe Al-Shabaab mit der vom Westen unterstützten Regierung bekriegt.
Für China ist Stabilität in der Region von großer wirtschaftlicher und geostrategischer Bedeutung. In der kleinen, als stabil geltenden Republik Dschibuti am Horn von Afrika hat China eine Freihandelszone und einen Militärstützpunkt errichtet. Von hier will die Volksrepublik chinesische Waren nach ganz Ostafrika vertreiben. fpe
Sri Lankas Präsident Gotabaya Rajapaksa drängt auf Aufschub bei der Rückzahlung der Kredite seines Landes bei China. Das erklärte Rajapaksa bei einem Treffen mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi in Colombo am Sonntag. Sri Lanka befindet sich derzeit in einer Devisenkrise, die den Inselstaat an den Rand des Zahlungsausfalls gebracht hat. Das Land muss in diesem Jahr rund 4,5 Milliarden Dollar zurückzahlen, beginnend mit einer internationalen Staatsanleihe (ISB) in Höhe von 500 Millionen Dollar, die am 18. Januar fällig wird.
China ist Sri Lankas viertgrößter Kreditgeber. Umgerechnet fünf Milliarden US-Dollar hat die Volksrepublik Sri Lanka in den vergangenen Jahren geliehen, die unter anderem in den Bau von Autobahnen, Häfen, einen Flughafen und ein Kohlekraftwerk geflossen sind. Ausgezahlt haben sich diese Projekte allerdings kaum.
Rajapaksas Büro spricht von einer “großen Erleichterung”, sollte China einer nicht näher erläuterten Schuldenumschichtung zustimmen. Ein Yuan-Swap mit China in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar half Sri Lanka bereits Ende Dezember, seine Reserven auf 3,1 Milliarden US-Dollar aufzustocken. 2017 konnte Sri Lanka schon einmal seine Schulden an China nicht mehr bedienen, woraufhin sich Peking den strategisch wichtigen Hambantota-Hafen im Zuge einer Umschuldung für 99 Jahre gesichert hatte. Der Vorgang galt fortan als Musterbeispiel für Chinas “Schuldendiplomatie”. fpe
Peking hat seine Unterstützung für das gewaltsame Vorgehen des kasachischen Präsidenten Kassym-Jomart Tokajew gegen Demonstranten ausgesprochen. Präsident Xi Jinping lobte den kasachischen Staatschef ausdrücklich für dessen Reaktion auf die Proteste in Kasachstan: “Sie haben in kritischen Momenten starke Maßnahmen ergriffen und die Situation schnell beruhigt”, schrieb Xi am Freitag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua an Tokajew. “Damit haben Sie Ihr Verantwortungsbewusstsein und Ihr Pflichtgefühl als Politiker unter Beweis gestellt”, so Xi demnach.
Zuvor hatte auch das chinesische Außenministerium Unterstützung für das Vorgehen ausgedrückt und betont, es hoffe, dass die “starken Maßnahmen” Ruhe herstellen werden. “China unterstützt alle Bemühungen, die den kasachischen Behörden helfen, das Chaos so schnell wie möglich zu beenden, und wendet sich entschieden gegen das Vorgehen externer Kräfte, um absichtlich soziale Unruhen zu schaffen und Gewalt anzustiften”, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Wang Wenbin, bei einer Pressekonferenz in Peking. Die Volksrepublik werde “als brüderlicher Nachbar” Kasachstan jede notwendige Hilfe anbieten.
Kasachstan ist für China einer der wichtigsten Verbündeten in der Region. Xi Jinping hatte in dem Nachbarland sein geopolitisches Prestigeprojekt der neuen Seidenstraße erstmals vorgestellt. Seitdem wurden dort zahlreiche Investitionen mit chinesischem Geld angeschoben. China ist außerdem stark an einem stabilen Kasachstan interessiert, weil die Volksrepublik viele Rohstoffe aus dem Land bezieht, vor allem Gas und Öl. Von Kasachstan führt eine Ölpipeline direkt in die westchinesische Provinz Xinjiang. China importiert zudem Kohle aus Kasachstan.
Am Donnerstag betonte Wang Wenbin, dass China und Kasachstan “dauerhafte und umfassende strategische Partner” seien. Was in Kasachstan geschehe, sei eine “interne Angelegenheit”. Auf Bitten Kasachstans hatte Russland im Rahmen eines gemeinsamen Militärbündnisses Soldaten zur Unterstützung geschickt. Die kasachische und die russische Führung machen ausländische Kräfte für die schweren Unruhen verantwortlich. Peking heißt die Entsendung russischer Soldaten willkommen. Als brüderlicher Nachbar und strategischer Partner Kasachstans “unterstützt China alle Bemühungen, den Behörden in Kasachstan zu helfen, das Chaos so schnell wie möglich zu beenden”, erklärte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Freitag in Peking. ari
Im Handelskonflikt zwischen Litauen und China schaltet sich Medienberichten zufolge nun auch Deutschland ein. Franziska Brantner, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, plant demnach in dieser Woche nach Vilnius zu reisen, um dort über Probleme für deutsche und litauische Unternehmen wegen der chinesischen Handelsblockade zu sprechen. Die Grünen-Politikerin werde dort Vertreter verschiedener Behörden treffen, berichtete die litauische Nachrichtenseite 15min unter Berufung auf mehrere Quellen. Nähere Details zu dem Treffen gab es zunächst nicht.
Die Position Deutschlands könnte im Streit zwischen Litauen und China um das “Taiwan-Büro” in Vilnius eine wichtige Schlüsselrolle spielen (China.Table berichtete). Denn die deutschen Automobilkonzerne Hella und Continental haben Fabriken in der litauischen Freiwirtschaftszone Kaunas. Bereits im Dezember warnte die Deutsch-Baltische Handelskammer, dass deutsche Unternehmen in Litauen Probleme hätten, weil sie benötigte Komponenten aus China nicht mehr erhielten und die Volksrepublik Produkte aus Litauen im Zollsystem blockiere. In einem Schreiben warnte die Handelskammer zudem vor Fabrikschließungen, sollte das Problem nicht gelöst werden (China.Table berichtete). ari
Der US-amerikanische Chemiker und Nanoforscher Charles Lieber ist wegen nicht angegebener China-Verbindungen von einem Gericht in Boston schuldig gesprochen worden. Er hatte von chinesischen Universitäten und Förderprogrammen erhebliche Summen bezogen, ohne diese in den USA korrekt angezeigt zu haben. So hat er seit 2011 von der Wuhan University of Technology ein Gehalt von 50.000 Dollar im Monat erhalten. Liebers Anwälte bestanden darauf, dass das wissenschaftliche Engagement und die Bezahlung dafür seinerzeit vollständig legal gewesen seien. Die Regierung unter Donald Trump hatte eine Kampagne gegen Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage durch China gestartet. Im Zuge engmaschiger Ermittlungen wurde Lieber Anfang 2020 verhaftet. Er wurde vorher als Kandidat für den Nobelpreis gehandelt. fin
Wenn man sich die Wirtschaftslandschaft im Jahr 2021 ansieht, kommt man nicht umhin, das Auftauchen neuer Hindernisse für einen robusten Aufschwung zu bemerken. Die Vereinigten Staaten, Europa, China und andere stehen vor einer wachsenden Liste bemerkenswert ähnlicher kurz- und langfristiger Herausforderungen.
Die Pandemie bleibt die größte Sorge. Ohne eine umfassende weltweite Impfung werden weiterhin neue COVID-19-Varianten auftauchen, die die Regierungen möglicherweise dazu zwingen, erneut teilweise oder vollständige Lockdowns zu verhängen. Das Coronavirus stellt somit eine ständige Belastung für den Aufschwung dar.
Eine zweite Herausforderung ist die Blockade der globalen Lieferketten, die zusammen mit angebotsseitigen Verschiebungen auf den Arbeitsmärkten einen anhaltenden Inflationsdruck erzeugt hat, wie er seit über einem Jahrzehnt nicht mehr zu beobachten war. Ohne grenzüberschreitende Bemühungen zur Behebung von Lieferengpässen und Verknappungen könnten die Zentralbanken gezwungen sein, die derzeitige Nachfragesteigerung durch eine Straffung der Geldpolitik zu bremsen.
Ein weiteres gemeinsames Thema ist die komplexe Aufgabe, die digitalen Technologien und Sektoren, die inzwischen einen immer größeren Anteil an den meisten Volkswirtschaften ausmachen, angemessen zu regulieren. Die Regulierungsbehörden in Europa, den USA, China und Indien haben ihre Bemühungen in dieser Hinsicht intensiviert; neue Regeln für Datensicherheit, -zugriff und -nutzung wurden aufgestellt und Untersuchungen über den möglichen Missbrauch von Marktmacht, insbesondere durch die Mega-Plattformen, eingeleitet. Da sich der Finanzsektor auf digitale Zahlungsmethoden und Währungen verlagert und auf den Märkten für Kredite, Versicherungen und Vermögensverwaltung neue Marktteilnehmer auftauchen, müssen die Vorschriften dringend angepasst werden, um einen fairen Wettbewerb, den Zugang zu wertvollen Daten und die finanzielle Stabilität zu gewährleisten.
Es ist kein Geheimnis, dass in den letzten Jahrzehnten ein erheblicher Teil des neu geschaffenen Wohlstands in Technologiesektoren wie E-Commerce, Zahlungsverkehr, FinTech und soziale Medien entstanden ist. Das Ergebnis ist eine hohe Konzentration neuen Reichtums, was wiederum Bedenken hinsichtlich eines unzulässigen Einflusses auf die Politik aufkommen lässt. Diese Bedenken sind in den USA und China besonders ausgeprägt, auch wenn die beiden Länder sehr unterschiedliche Regierungssysteme und damit auch unterschiedliche Kanäle für die Einflussnahme haben.
Auch wenn die Terminologie in den USA und China unterschiedlich ist, kämpfen beide Länder darum, die zunehmende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen und die abnehmende soziale Mobilität umzukehren. In den USA sprechen viele Politiker davon, für ein integrativeres Wachstum zu sorgen. In China hat die Regierung eine neue Kampagne gestartet, um “gemeinsamen Wohlstand” zu erreichen. Hitzige Debatten in beiden Ländern darüber, wie diese Ziele am besten zu erreichen sind, spiegeln die Sorge wider, dass ein übertriebener oder zu enger Ansatz bei der Umverteilung die wirtschaftliche Effizienz und Dynamik beeinträchtigen könnte.
Die Ähnlichkeit dieser nationalen politischen Bemühungen lässt darauf schließen, dass die USA und China ein gemeinsames Interesse daran haben, neue Spielregeln für die Weltwirtschaft und den Finanzsektor aufzustellen. Beide müssen sich den neuen Realitäten anpassen, die sich aus der digitalen Revolution und den sich verschiebenden globalen Machtverhältnissen ergeben. Es besteht auch ein klarer Bedarf an neuen Abkommen zur Begrenzung der missbräuchlichen Nutzung von Digital- und Cyber-Technologien und zur Freigabe gutartiger grenzüberschreitender Technologieströme (in den Bereichen Gesundheit, Bildung und anderen Sektoren), die aus Gründen der nationalen Sicherheit blockiert zu werden drohen.
Schließlich ist da noch die globale Herausforderung des Klimawandels. Ohne den freien und reibungslosen Verkehr der erforderlichen Technologien und Finanzmittel wird die Welt keine Chance haben, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Auch hier wird der Erfolg davon abhängen, ob die USA und China zusammenarbeiten können.
Bei so vielen gemeinsamen Herausforderungen hätte man erwarten können, dass die führenden Weltmächte ein schwieriges, aber vernünftiges Gleichgewicht zwischen strategischem Wettbewerb und strategischer Zusammenarbeit anstreben. Schließlich würden sowohl China als auch die USA davon profitieren, wenn sie anerkennen würden, dass sie zwingende gemeinsame Interessen und nicht nur unvermeidliche Meinungsverschiedenheiten haben.
Dies ist jedoch größtenteils nicht geschehen. Obwohl sich US-Präsident Joe Biden und der chinesische Präsident Xi Jinping kürzlich darauf verständigt haben, Raum für eine Zusammenarbeit beim Klimawandel und der Energiewende zu schaffen, haben die USA unter Berufung auf Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit den strategischen Wettbewerb verschärft. Wir sind noch weit davon entfernt, in den Genuss eines freien Technologieflusses zu kommen, der notwendig ist, um die globalen Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts auf null zu reduzieren.
Schlimmer noch: Auf beiden Seiten verhärten sich die Haltungen, wobei jede Regierung in der bequemen, aber unproduktiven Gewissheit verharrt, dass sie die moralische Überlegenheit besitzt. In den USA geht man nicht mehr davon aus, dass Chinas Regierungssystem entweder scheitern oder sich in eine Art demokratischen Kapitalismus verwandeln wird. Politiker in beiden großen Parteien glauben nun, dass China seinen Aufstieg seiner hartnäckigen Weigerung zu verdanken hat, sich an die Regeln zu halten.
Auf chinesischer Seite wird die US-Strategie als Versuch gesehen, Chinas wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt zu behindern oder sogar umzukehren. Die parteipolitische Polarisierung und soziale Spaltung in den Vereinigten Staaten wird als Beweis für ein politisches und wirtschaftliches Systemversagen dargestellt.
In der Zwischenzeit erlebt die Weltwirtschaft weiterhin mindestens vier große strukturelle Veränderungen: die multidimensionale digitale Revolution, das Streben nach sauberer Energie und ökologischer Nachhaltigkeit, große Durchbrüche in der biomedizinischen Wissenschaft und Biologie sowie der Aufstieg Asiens. Alle vier Entwicklungen bieten große Chancen für die Verbesserung des globalen Wohlstands in vielen verschiedenen Dimensionen. Aber jede von ihnen wird auch disruptive Übergänge mit sich bringen, die größere Anpassungen der bestehenden globalen Institutionen und Rahmenbedingungen erfordern.
Unter diesen Umständen können wir uns nicht den Luxus leisten, uns ausschließlich auf den Wettbewerb zu konzentrieren oder Kämpfe um innenpolitische Vorteile auszutragen. Die Risiken für die globale Gesundheit und den Wohlstand sind zu hoch. Um den gefährlichen Weg des Wettbewerbs ohne Zusammenarbeit zu verlassen, bedarf es nachhaltiger Führungsstärke auf beiden Seiten und in allen Bereichen der Gesellschaft. Es gibt keine Garantie für den Erfolg, aber es gibt keine Alternative zum Versuch.
Michael Spence, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, ist emeritierter Professor an der Stanford University und Senior Fellow an der Hoover Institution. Übersetzung :Andreas Hubig.
Copyright: Project Syndicate, 2021.
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“Siemens defends slave labour (again)” titelte der britische Spectator letzte Woche. Die Entstehung dieser Schlagzeile ist ein Lehrstück darüber, was in der chinapolitischen Positionierung von einigen CEOs der Deutschland-AG danebengeht. Was war passiert? Siemens-Chef Roland Busch hatte zum Jahreswechsel in der Süddeutschen Zeitung vor einer “konfrontativen Außenpolitik” gewarnt und mahnte einen “respektvollen Umgang” mit China an.
Eine Sorge führte er sehr konkret aus: “Wenn Exportverbote erlassen werden, könnten diese dazu führen, dass wir keine Solarzellen aus China mehr kaufen können – dann ist die Energiewende an dieser Stelle zu Ende. Wollen wir das wirklich? Es ist doch unser gemeinsames Interesse, den weltweiten CO2-Ausstoß zu verringern”. Busch sprach es nicht direkt an, doch worauf er zielte, waren mögliche Sanktionen gegen Komponenten aus Xinjiang, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie auch mithilfe von Zwangsarbeit produziert werden.
Die Haltung der Amerikaner ist dazu klar: Im Dezember unterzeichnete US-Präsident Biden ein Gesetz, das Importe von Produkten, die in Xinjiang hergestellt wurden oder Komponenten und Materialien aus Xinjiang enthalten, weitgehend verbietet. Die Europäische Kommission ist dagegen skeptisch. Man könne die “US-Gesetzgebung in Europa nicht automatisch replizieren”, heißt es. Ein Importverbot würde nicht verhindern, dass diese Produkte weiter mit Zwangsarbeit hergestellt würden. Die EU-Kommission scheint ein Gesetz mit stärkeren Sorgfaltspflichten der Anbieter zu bevorzugen.
In diese Diskussion platzte Siemens-CEO Busch mit seiner Philippika gegen “Exportverbote”. Dabei hat Busch zumindest recht, was die Abhängigkeiten der Solarbranche von Xinjiang betrifft. Doch für einen Konzern, der eine Geschichte des Einsatzes von Zwangsarbeit hat, ist die Intervention bemerkenswert ungeschickt. Zumal Siemens laut FAZ mit dem chinesischen Rüstungszulieferer China Electronics Technology Group Corporation (CETC) zusammenarbeitet. CETC hat laut Human Rights Watch eine Überwachungs-App entwickelt, mit deren Hilfe Uiguren von der Polizei verfolgt und eingesperrt würden. Da hilft es eher wenig, dass Busch mit Blick auf die Menschenrechte versichert: “Wir halten diese weltweit ein, auch bei unseren Arbeitsplätzen in China”.
Nun rechtfertigt Busch natürlich keine Zwangsarbeit, anders als der Spectator es nahelegt. Es hätte aber viele geschicktere Wege gegeben, Skepsis an Importverboten zu äußern. Mit der ungelenken Art seiner Aussagen hat Busch der Fehlinterpretation seiner Worte Tür und Tor geöffnet. Was bei seiner Aussage etwa fehlt, ist ein explizites Bekenntnis, Menschenrechte auch in den Lieferketten und bei Kooperationspartnern einzuhalten.
Busch fällt auch hinter das zurück, was sein Vorgänger als Siemens-Chef und Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Joe Kaeser, kurz vor Ende seiner Amtszeit im September 2020 formulierte: “Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen in Hongkong, aber auch in der Provinz Xinjiang aufmerksam und mit Sorge. Wir lehnen jede Form von Unterdrückung, Zwangsarbeit und Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen kategorisch ab. All das würden wir grundsätzlich weder in unseren Betrieben dulden noch bei unseren Partnern folgenlos hinnehmen.” Für Kaeser, der jahrelang den chinesischen Parteistaat rhetorisch hofiert hatte, war dies eine bemerkenswert klare Formulierung. Busch signalisiert nun, dass er an Kaesers Kritik nicht anknüpfen möchte.
Stattdessen scheint sich Busch den Volkswagen-CEO Diess als Vorbild zu nehmen, den Chef eines weiteren deutschen Weltkonzerns mit Zwangsarbeits-Vergangenheit. Diess hatte 2019 der BBC gesagt, dass er von Umerziehungslagern nicht wisse und “stolz” sei auf die Arbeitsplätze, die Volkswagen in Xinjiang geschaffen habe. Dabei klingt er wie der ehemalige ZEIT-Herausgeber Theo Sommer, der 2019 behauptete, deutsche Unternehmen “können und werden in dem schwierigen Umfeld Xinjiangs einen Beitrag zum ersprießlichen Zusammenleben verschiedener Völkerschaften leisten. Dann werden – wie einst die südafrikanischen Schwarzen von BMW – eines Tages auch die Uiguren sagen können, wer zu den Mitarbeitern der deutschen Firmen gehört, der hat das große Los gezogen”.
Ganz so vehement wie Sommer würden wahrscheinlich nur wenige deutsche CEOs öffentlich argumentieren. Aber allzu oft wirken sie so, als hätten sie selbst das große Los des Kotaus gegenüber der chinesischen Führung gezogen. Der Journalist Robin Alexander berichtet in seinem Buch “Machtverfall” über die deutschen CEOs, die Merkel auf deren letzter China-Reise im September 2019 begleiteten: “Die Bosse haben auf die Kanzlerin eingewirkt, die chinesische Regierung nicht mit einer allzu deutlichen Kritik an der Aussetzung des Basic Law der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong und den Repressionen gegen die dortige Demokratiebewegung zu brüskieren”.
Weiter berichtet der Autor über eine Abstimmung unter den deutschen Managern während besagter Reise, ob sie die Chinesen ihrerseits auf die engere Überwachung von Internetaktivitäten chinesischer Belegschaften in Firmen mit deutscher Beteiligung ansprechen sollten – denn die gefährdet nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch deutsche Geschäftsgeheimnisse. Per Handzeichen im Kanzlerflugzeug stimmten die CEOs dagegen. Erschreckend daran ist, dass die Unternehmensführer auch dann gegenüber Peking zu kuschen scheinen, wenn ihre Kerninteressen tangiert sind.
Bei der Suche nach mehr strategischer Klarheit kombiniert mit Rückgrat könnten die CEOs beim BDI fündig werden. Dieser hatte im vergangenen Sommer ein Diskussionspapier über “Außenwirtschaftliche Zusammenarbeit mit Autokratien” zur “Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen im internationalen Systemwettbewerb” veröffentlicht und dabei den Begriff der “verantwortungsvollen Koexistenz” geprägt.
Mehr strategische Klarheit in der Chinapolitik ist auf Seiten von CEOs wie Busch dringend vonnöten, denn die vom Spectator verzerrte menschenrechtliche Komponente ist nicht das größte Problem. Ebenfalls beunruhigend ist, dass Busch die Klimakrise zu instrumentalisieren scheint für einen “Business as Usual”-Kurs gegenüber Peking. Und noch konsternierender ist die Tatsache, dass Busch die Thematik auf die Frage der Menschenrechte reduziert. Dabei geht es im Systemwettbewerb mit Pekings autoritärem Staatskapitalismus um weit mehr.
Zwangsarbeit ist nicht unser Hauptproblem, wenn wir uns bei Kerntechnologien für die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft von Produktion in China abhängig machen, oder wenn sich Unternehmen wie Volkswagen ein Klumpenrisiko China aufhalsen, in dem sie sich über Gebühr vom chinesischen Markt abhängig machen. 2020 unterzeichnete Siemens eine weitreichende “strategische Kooperationsvereinbarung” mit der schon erwähnten China Electronic Technology Group Corporation (CETC). Das Staatsunternehmen ist für das chinesische Militär als Zulieferer von zentraler Bedeutung. Tochterunternehmen von CETC unterliegen bereits US-Sanktionen. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die USA auch die Siemens-Kooperation mit CETC genauer anschauen werden.
Die Woche, in der ihr Lieblingsverein Borussia Dortmund gegen Bayern München verlor, bescherte Julia Hammelehle zumindest noch politische Genugtuung. Wenige Tage nach der schmerzhaften Bundesliga-Pleite ihres BVB übernahm “ihre” SPD das Kanzleramt – eine Form der emotionalen Wiedergutmachung. Fußball und Politik liegen manchmal eben nicht sehr weit auseinander, besonders was ihre Slogans angeht.
Als Strategieberaterin analysiert Julia Hammelehle internationale Politikfelder und konzipiert seit zwei Jahren Veranstaltungen und Begegnungen für die Münchner Sicherheitskonferenz. “Road to Munich” steht über dem Vorprogramm für die kommende Sicherheitskonferenz, die vom 18. bis 20. Februar 2022 stattfindet. So ähnlich heißen oft auch Marketing-Kampagnen von potenziellen Champions-League-Finalisten. Statt auf grünem Rasen zu kicken, wird jedoch im Hotel Bayerischer Hof über Klima und Nachhaltigkeit gesprochen. Statt Viererkette stehen neue Technologien und digitale Innovationen auf der Agenda.
Julia Hammelehle hat in Dresden Internationale Beziehungen studiert und in London EU-Politik. Zwischendurch war sie für ein Auslandssemester in Boston. Die 25-Jährige ist sicher, dass Veränderungen in der Klima- und Energiepolitik auch sicherheitspolitische Auswirkungen nach sich ziehen. Ihrer persönlichen Einschätzung nach könnte die Umstellung auf grüne Energien sogar zu Destabilisierungen in solchen Ländern führen, die noch auf fossile Energien setzen.
Mehr noch bringe die Umstellung “Herausforderungen für Länder mit sich, die auf Rohstoffen wie Lithium oder Kobalt sitzen, die für grüne Technologien benötigt werden”, sagt Hammelehle. Europa und die USA betrachteten die Dominanz Chinas in den Lieferketten für den Bau von Elektroautos oder Solarmodulen mit Sorge. “50 bis 70 Prozent des weltweiten Lithiums und Kobalts werden in China weiterverarbeitet. Die Volksrepublik dominiert die komplette Wertschöpfungskette von Seltenen Erden. Das ist nicht nur ein Wettbewerbsvorteil für China, sondern auch ein möglicher geopolitischer Hebel.”
Deshalb sei es wichtiger denn je, dass die EU und ihre transatlantischen Verbündeten die Volksrepublik China gleichzeitig als Partner, Wettbewerber und als systemischen Rivalen begreifen. “Das ist eine wichtige Grundlage für eine gemeinsame Strategie.” Und die sollte sich darauf konzentrieren, sich vor chinesischer Einflussnahme und ökonomischem Druck besser zu schützen und die eigene Handlungsfähigkeit zu stärken, so Hammelehle. “Eine gemeinsame Strategie muss beinhalten, über Investitionskontrollen für ein Level Playing Field einzutreten, Abhängigkeiten zu reduzieren und Anti-Coercion-Instrumente zu schärfen.”
Ergänzend dazu müsse in die eigene Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit, besonders in der Digitaltechnologie, investiert und neue Partnerschaften über Infrastrukturprojekte erschlossen und vertieft werden. Eine weitere Möglichkeit haben die USA mit dem diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele im Februar in Peking gewählt. “Aber auch da wäre es wichtig, innerhalb der EU ein gemeinsames Signal zu senden”, erklärt die Sport-Fanatikerin. “Wenn aber gar keine Sportlerinnen und Sportler geschickt würden, fände ich das nicht gut.” Gabriel Bub
Europa will mit der Initiative Global Gateway das chinesische Prestigeprojekt Belt and Road ausstechen. Amelie Richter hat sich die EU-Pläne analysiert und kommt zu dem Schluss: Die Rhetorik ist durchaus weitreichend. Doch vollmundige Ankündigungen allein werden nicht ausreichen. Die EU muss noch etliche Entscheidungen treffen, um in den Schwellenländern tatsächlich mit Pekings Ambitionen konkurrieren zu können.
Am Montag meldeten die traditionsreichen MV Werften Insolvenz an. Auf der Suche nach den Gründen führt der Weg rund 8800 Kilometer weit nach Osten – zur Genting Hong Kong Ltd. Sie ist der Eigentümer der Werften in Stralsund, Rostock und Wismar. Man wollte sie zu den modernsten und erfolgreichsten Werften der Welt ausbauen. Doch es kam anders. Nun stehen 1900 Arbeitsplätze vor dem Aus.
Japan und Australien schließen derweil einen Militärpakt. Die zwei großen Pazifik-Inseln nennen den Grund für ihre neue Sicherheitsallianz zwar nicht beim Namen. Doch sie richtet sich eindeutig gegen China. Die Aufrüstung der Volksrepublik zur See treibt die Nachbarn zusammen. So zieht jede Aktion ihre Gegenreaktion nach sich. Das gilt natürlich auch für den Abschluss neuer, exklusiver Allianzen, analysiert Michael Radunski.
Akutere Sorgen bereitet unterdessen der erste lokale Omikron-Ausbruch Chinas in Tianjin, einer Nachbarstadt von Peking. Unweit der Austragungsorte der Olympischen Winterspiele sollen sich mehrere Menschen mit der hochansteckenden Virus-Variante infiziert haben. Die “uneinnehmbare Festung”, wie China sich im Zusammenhang mit dem Corona-Virus mittlerweile selbstbewusst nennt, ist in höchster Alarmbereitschaft. Denn gegenüber Omikron bieten die chinesischen Impfstoffe möglicherweise keinen ausreichenden Schutz.
Im vergangenen Jahr ist gefühlt kaum eine Woche vergangen, in der keine chinesischen Kampfjets den Luftraum Taiwans gekreuzt haben. Das Säbelrasseln ist lauter geworden. Doch es gibt auch beruhigende Einschätzungen. Ein militärischer Konflikt drohe vorerst nicht, berichtet unser Team aus Peking. Zu groß ist die gegenseitige Abhängigkeit Chinas und Taiwans. Auch deutsche Unternehmen vor Ort sind nicht in Sorge.
Brüssels Antwort auf Chinas Belt-and-Road-Initiative (BRI) steckt noch in den Kinderschuhen. Bis Mitte 2022 will die EU-Kommission jedoch konkrete Projekte für ihre weltweite Infrastruktur-Strategie namens Global Gateway vorschlagen. Als “einzigartigen Wettbewerbsvorteil” sieht Brüssel dabei die Einbindung des Privatsektors. Global Gateway müsse diesen in vollem Umfang nutzen, um “eine tragfähige und attraktive Alternative für Partnerländer” zu sein, heißt es in der offiziellen Kommunikation. Wie das in der Praxis konkret aussehen soll, ist noch offen. Ebenso ungeklärt sind die Details zur Business Advisory Group, die im Rahmen von Global Gateway geplant ist. Auch andere Nachschärfungen der Initiative sind noch nötig.
Die Reaktion der deutschen Wirtschaft auf die Initiative sei bisher aber dennoch überwiegend positiv, wie Sebastian Holz von der deutschen Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest (GTAI) berichtet. Dass Global Gateway auch die Expertise des Privatsektors einhole, sei eine gute Sache. Holz sieht die Zusammenarbeit der EU mit privaten Unternehmen als Vorteil gegenüber Chinas neuer Seidenstraße. “Ich glaube, dass der europäische Privatsektor eine Stärke ist, die die Chinesen in der Form nicht haben. Dort sind es vor allem Staatsunternehmen, die die Projekte umsetzen”, sagte Holz gegenüber China.Table.
Das Interesse der Industrie sei da, so Holz. Die Initiative könne dazu beitragen, das Engagement gerade in Schwellenländern weniger risikoreich zu machen. Holz beschäftigt sich für GTAI , die dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zugeordnet ist, mit verschiedenen internationalen Projekten im Bereich Vernetzung. Bei der Außenwirtschaftsagentur gibt es seit Beginn des vergangenen Jahres dafür ein eigenes Projekt. Es nimmt nicht nur Global Gateway und BRI unter die Lupe, sondern auch andere EU-Vorstöße für internationale Infrastruktur. Es kümmert sich zudem um die von den USA angeführte Initiative “Build Back Better World” der G7-Staaten. Holz’ Bilanz der Vorgängerin von Global Gateway, der EU-Asien-Konnektivitätsstrategie, fällt allerdings eher schlecht aus: Die im Herbst 2018 vorgestellte Initiative aus Brüssel sei “sehr vage” geblieben, kritisiert der Analyst.
Global Gateway sei schon in seiner Rhetorik deutlich ambitionierter, lobt Holz. Zur Finanzierung des Vorhabens hat die EU-Kommission rund 300 Milliarden Euro aus staatlichen und privaten Quellen für den Zeitraum von 2021 bis 2027 in Aussicht gestellt. Das zeigt: Brüssel sieht die Konnektivität als einen zentralen Baustein seiner geo-ökonomisch orientierten Wirtschaftspolitik – und will hier entsprechend auch schnell Ergebnisse liefern. Im Juni dieses Jahres sollen die ersten Projekte angegangen werden.
Gigantische Brücken- und Autobahn-Bauten wie beispielsweise das BRI-Projekt in Montenegro werden dabei weniger im Fokus stehen. Die EU will eigenen Angaben zufolge primär auf die nachhaltigen Transportmittel setzen. “Man kann davon ausgehen, dass im Rahmen von Global Gateway keine großen Autobahnprojekte auf dem afrikanischen Kontinent gefördert werden”, sagt Holz. Das entspreche nicht dem grünen Anspruch der EU. Die Kommission betonte bei der Vorstellung von Global Gateway, dass die höchsten Standards in Bezug auf Nachhaltigkeit, Governance und Transparenz angelegt würden. Bei deutschen Unternehmen kommt das laut Holz gut an: “Sie wünschen sich alle, dass für diese Projekte hohe Nachhaltigkeitsstandards festgeschrieben werden, weil sie diese besser bedienen können als ihre internationale Konkurrenz.”
Wegen des geringeren Nachhaltigkeitsanspruchs der BRI seien das chinesische Prestigeprojekt und der Vorstoß aus Brüssel aber auch nur bedingt vergleichbar, betont Holz. “Die Ambition ist nicht, dass man die gleiche Menge an Beton verbaut, wie die Chinesen das im Rahmen ihrer Initiative tun.”
Eingebunden werden sollen die privaten Unternehmen durch die neu eingerichtete Business Advisory Group. “Wer in der Gruppe sitzen wird, ist noch nicht klar, das ist noch im Findungsprozess. Derzeit laufen die Verhandlungen und Überlegungen für einen Ansprechpartner in Brüssel für die Unternehmen”, erklärt Holz. In dem Beratungsgremium sollen die Unternehmen dann bei der Auswahl der Projekte und deren Umsetzung ein Mitspracherecht bekommen.
Gerade die Einbindung des Privatsektors sieht Alicia García-Herrero, Chefökonomin für den asiatisch-pazifischen Raum bei der französischen Investmentbank Natixis und Analystin der in Brüssel ansässigen Denkfabrik Bruegel, noch skeptisch. In dieser Hinsicht sei die Initiative der EU bei weitem noch nicht ausgegoren, so García-Herrero. “Es ist nicht klar, wie viel in dieser Initiative Business ist, und wie viel Entwicklungshilfe. Es gibt keine klare Definition.”
Die Beteiligung der privaten Wirtschaft sieht sie derzeit noch eher als Hindernis denn als Vorteil. “Wenn klar ist, wie die geschäftliche Seite aussieht, dann kann man auch erst Vergleiche mit der BRI ziehen”, meint die Analystin. Sie kritisiert, dass zwar der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell und Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi an dem Vorstoss beteiligt seien, aber nicht der für Handel zuständige Kommissar Valdis Dombrovskis. Ihrer Ansicht nach brauche es eine präzisere Vorgabe für die Wirtschaft: “Man muss den Unternehmen erklären, wie ihnen geholfen wird, weltweit zu exportieren oder zu investieren.”
Generell begrüßt García-Herrero den Ansatz von Global Gateway, da dieser verschiedene Initiativen unter einem Dach bündele – genau die Vielfältigkeit der angestrebten Projekte könnten ihrer Meinung nach aber ein Nachteil sein. “Im Grunde möchte ich also Gutes für die Welt tun, und das ist toll. Aber bei meinen genauen Zielen bin ich noch verwirrt”, fasst sie die Crux zusammen. Brüssel habe einfach alle Ansätze zusammengepackt und dabei die klare Linie aus den Augen verloren. So viele Partnerschaften und Programme seien in Global Gateway zusammengefasst, dass “niemand wirklich wisse, was sie genau machen werden”. García-Herrero Ratschlag: “Die EU muss spezifischer sein als die BRI, wenn sie damit wirklich konkurrieren will.“
Auch die Finanzierung des Mega-Projekts sei noch unpräzise. “Wir wissen wir nicht, woher diese 300 Milliarden kommen.” Es sei viel Engagement des Privatsektors nötig, um die Investitionssumme zu erreichen, sagt García-Herrero. 135 Milliarden Euro sollen aus dem Europäischen Fonds für nachhaltige Investitionen (EFSD+) bereitgestellt werden, 145 Milliarden Euro von anderen, auch nationalen Finanzinstituten, so etwa von der deutschen Förderbank KfW – von Zusagen ist jedoch noch nichts bekannt.
Ob das EU-Geld in den Empfängerländern dann mehr Zuspruch finden wird als Finanzierung aus Peking, steht noch infrage. Der Ansatz aus Brüssel setzt auf Transparenz und “good governance”. Die Projekte sollen den Menschen vor Ort zugutekommen, betonte EU-Kommissionschefin von der Leyen bei der Vorstellung. Es sei jedoch fraglich, ob die Länder die hohen Standards und Werte, die Global Gateway verbreiten wolle, akzeptierten, warnt García-Herrero. Bestimmte Regierungen seien primär daran interessiert, schnell an Geld für Projekte zu kommen – und wollen sich nicht von der EU die genauen Konditionen vorschreiben lassen. Chinese Kredite könnten für solche Länder deshalb interessanter sein.
Global Gateway ist ein wichtiger Schritt, zweifellos. Die hochgesetzten geo-ökonomischen Ziele erreicht man aber nicht allein durch die Veröffentlichung gigantomanischer Fonds, benötigt wird auch strategisches Vorgehen aus Brüssel.
Das Vokabular der EU-Initiative (“intelligent”, “sauber”, “sicher”) soll den Eindruck erwecken, europäische Projekte seien den BRI-Vorhaben qualitativ vorzuziehen – das entspricht dem europäischen Selbstbild, aber nicht unbedingt der Außenwahrnehmung. Dass der Bau des Flughafens in Berlin 14 Jahre gedauert hat, in Peking aber nur vier, ist auch jenseits der westlichen Welt nicht unbemerkt geblieben.
Gemeinsam mit dem deutschen Europa-Abgeordneten Reinhard Bütikofer wird Alicia García-Herrero bei einer Online-Veranstaltung von Bruegel am Dienstag einen genaueren Blick auf die beiden Infrastruktur-Initiativen aus Brüssel und Peking werfen.
Am Montagmittag platzt die Bombe: Die MV Werften in Mecklenburg-Vorpommern müssen Insolvenz anmelden. Seit Tagen hatten die Bundesregierung und die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern mit dem Eigentümer der MV Werften einen Ausweg aus der verfahrenen Situation gesucht. Doch mit der Genting Hong Kong Ltd. konnte keine Lösung gefunden werden.
Vordergründig sorgte ausgerechnet die “Global Dream” für das Aus der Werften. Es sollte eines der größten je gebauten Kreuzfahrtschiffe der Welt werden und war ausschließlich für den asiatischen Markt gedacht. Satte 1,5 Milliarden Euro sollte der Bau des 342 Meter langen Traumschiffs kosten und bis zu 9.500 Passagieren Platz bieten. Doch obwohl schon 75 Prozent des Schiffs fertiggestellt sind, konnte die restliche Finanzierung nicht gesichert werden. Die Bundesregierung war offenbar zu weiteren Hilfen bereit. Sie forderte dafür allerdings einen Eigenbeitrag von Genting. Und dieser kam offenbar nicht. Aus Berlin hieß es denn auch zuletzt, es fehle ein klares Bekenntnis der Eigentümer zu ihrer Werft.
Dabei begann der Einstieg der Hongkonger bei den deutschen Werften überaus verheißungsvoll. Das asiatische Tourismusunternehmen war bis dato vor allem durch seine Kreuzfahrtmarken Star Cruises, Crystal Cruises sowie Dream Cruises bekannt. Das Geschäft boomte, immer mehr Menschen wollten ihren Urlaub auf hoher See verbringen. Also brauchte die Genting HK dringend mehr Schiffe. Doch aufgrund der steigenden Nachfrage wurden die Lieferzeiten für Kreuzfahrschiffe immer länger. Genting suchte nach einem Ausweg: nach Neubauwerften für große Kreuzfahrtschiffe, die vor allem auf dem asiatischen Markt zum Einsatz kommen sollten. So wolle man für das schnelle Wachstum am Kreuzfahrtmarkt in China gerüstet sein, sagte Genting-Chef Lim Kok Thay damals. Fündig wurde Genting in Deutschland.
Für 230 Millionen Euro kaufte man die Werften in Bremerhaven, Wismar, Warnemünde und Stralsund. Anfang Juli 2016 verkündete Thay, man werde die drei traditionsreichen Werften in Wismar, Rostock und Stralsund unter dem Namen MV Werften (MV für Mecklenburg-Vorpommern) zusammenfassen und 100 Millionen Euro investieren, um sie zu den modernsten und effizientesten Werften der Kreuzschifffahrt zu machen. Mehr als 3.000 Beschäftige sollten dieses ambitionierte Ziel ermöglich.
Doch dann brach die Corona-Pandemie aus. Vor allem in China ergriff die Führung strikte Maßnahmen: Die Landesgrenzen wurden dichtgemacht, Städte mit mehreren Millionen Einwohner wurden in Lockdown geschickt. Entsprechend kam auch das Geschäft in der Kreuzfahrtbranche völlig zum Erliegen – und Genting in der Folge in massive Zahlungsschwierigkeiten. Schon im Sommer 2020 kündigte der Mutterkonzern der MV Werften an, Zahlungen an Banken und Gläubiger einzustellen. Im Gesamtjahr 2020 musste Genting einen Verlust von 1,7 Milliarden US-Dollar hinnehmen, die Schulden des Konzerns stiegen auf satte 3,4 Milliarden US-Dollar an. Es sei völlig unsicher, ob der Konzern unter diesem Umständen weiterbestehen könne, hieß es in einer unternehmenseigenen Mitteilung an die Hongkonger Börse Ende März 2021.
Besserung ist für die Kreuzfahrtbranche nicht in Sicht. Auf den wenigen Schiffen, die derzeit auf den Meeren unterwegs sind, steigt die Zahl der Neuinfektionen rapide an. Grund ist die Ausbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante. Und damit häufen sich wiederum Coronavirus-bedingte Planänderungen und Reiseabbrüche. Das Auswärtige Amt in Berlin rät jedenfalls von Schiffsreisen ab. Es bestehe das Risiko, dass Reisende auf dem Schiff unter Quarantäne gestellt werden, zudem sei ein Rücktransport nach Deutschland schwierig zu organisieren. Derweil rät die US-Gesundheitsbehörde “Centers for Disease Control and Prevention” (CDC) schon seit Dezember ihren Bürgern dringend davon ab, eine Kreuzfahrt anzutreten. Der Impfstatus spielt dabei keine Rolle, hieß es in der Mitteilung. Und Brasilien hat den Kreuzfahrtbetrieb wegen Hunderter Infektionen bis zum 21. Januar komplett eingestellt.
Angesichts des Drucks auf die gesamte Branche verwundert es nicht, dass auch die weitreichenden Pläne für Wismar, Rostock und Stralsund plötzlich nur noch reine Makulatur waren. Die Fertigung der laufenden Schiffbauprojekte wurde ausgesetzt, die Werften vorübergehend sogar ganz geschlossen.
Die MV Werften suchten ihre Rettung unter dem Corona-Rettungsschirm des Bundes – und Berlin zeigte sich gewillt zu helfen. Mitte Mai versprach der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier, den deutschen Schiffbau gegen die Konkurrenz aus dem Ausland stärken zu wollen (China.Table berichtete).
Doch die Verhandlungen zwischen dem Bund, der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern sowie MV Werften und der Genting Hongkong über ein Rettungspaket führten zu keiner Lösung. Die Positionen waren unvereinbar: Der Bund versicherte bis zuletzt, rund 600 Millionen Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zur Verfügung stellen zu wollen. Als Sicherheit könnte der neue Hoffnungsträger “Global Dreams” verwendet werden. Allerdings solle auch der Eigentümer einen Beitrag zur Rettung der Werften leisten: knapp 60 Millionen Euro plus Garantien für die in Rede stehenden Bundesmittel.
Dem Präsidenten von Genting Hongkong zufolge habe man seinerseits dem Bund vier Angebote zur weiteren Finanzierung vorgelegt. Diese seien allerdings allesamt abgelehnt worden, sagte Colin Au. Auch sei im vergangenen Dezember die Auszahlung des fälligen Betrags beim Erreichen eines Bau-Zwischenstands – dem sogenannten Meilenstein F – blockiert worden. Genting habe nun schlicht keine weiteren Zugeständnisse mehr machen können. Colin Au verwies nochmals darauf, dass Genting seit der Übernahme mehr als zwei Milliarden Euro in die MV-Standorte aus eigener Tasche investiert habe, die Zahl der Mitarbeiter sei verdoppelt worden. “Die Werften jetzt fallen zu lassen, wäre der größte ökonomische Fehler, den die Bundesregierung machen könnte”, sagte Au und appellierte an Bund und Land, ihre Haltung doch nochmals zu überdenken. Neben den Arbeitsplätzen im Nordosten sei zusätzlich eine ganze Branche mitsamt Zulieferern im In- und Ausland bedroht.
Der Geschäftsführer der MV Werften Carsten Haake geht davon aus, dass sich die Bundesregierung aktuell nicht bewegen wolle – und dass sich Genting nicht bewegen könne. “Wir haben uns abgearbeitet an den Auflagen des Bundes”, sagte Haake. Einige Medien berichten hingegen, Genting-Chef Thay habe offenbar auf noch mehr Steuer-Millionen aus Deutschland spekuliert.
Zuletzt hatte der Mutterkonzern die Dezembergehälter an die Mitarbeiter in den Werften nicht mehr ausgezahlt. Entsprechend angespannt war die Stimmung auf der Betriebsversammlung am vergangenen Freitag in Wismar.
Rund 8.800 Kilometer entfernt nahm unterdessen das Drama seinen Lauf. Dort ging an der Börse in Hongkong folgendes Schreiben ein: “Auf Antrag der Genting Hong Kong Ltd. wird der Handel der Unternehmensaktien an der Börse in Hongkong ab Freitag, 7. Januar 2022, von 9.00 Uhr morgens an ausgesetzt.” Als Grund für den Stopp wurde auf eine bevorstehende Mitteilung des Konzerns verwiesen.
Jene Meldung kam dann am gestrigen Montag – und hatte es in sich: Die MV Werften in Mecklenburg-Vorpommern müssen Insolvenz anmelden. Damit ist klar: Die Finanzschwierigkeiten des Mutterkonzerns Genting Hongkong sorgen in Deutschland für eine große Firmenpleite. Wie es mit den zuletzt rund 1.900 Mitarbeitern weitergeht, ist völlig offen.
Australien und Japan haben am Donnerstag ein Abkommen zur verstärkten militärischen Kooperation unterzeichnet. In Artikel II des sogenannten Reciprocal Access Agreement (RAA) wird als Hauptziel ausgegeben, die defensive Zusammenarbeit der beiden Staaten zum gegenseitigen Nutzen zu verbessern.
Australiens Premierminister Scott Morrison nannte das Abkommen am Donnerstag einen historischen Meilenstein. “Dieser Vertrag ist Ausdruck dafür, dass unsere beiden Nationen bei unseren geeinsamen strategischen Sicherheitsherausforderungen zusammenarbeiten wollen und so zu einem sicheren und stabilen Indo-Pazifik beitragen wollen”, sagte Morrison. Angesichts “gemeinsamer strategischer Sicherheitsherausforderungen” sei es nötig, die Zusammenarbeit der Streitkräfte beider Länder zu verstärken.
Die japanische Seite betonte am Donnerstag den defensiven Charakter des Vertrags. Man wolle damit vor allem einen freien und offenen Indo-Pazifik garantieren, sagte der japanische Kabinettssekretär Hirokazu Matsuno. Und in der Tat liest sich das Abkommen wie eine harmlose Auflistung technischer Details: Wie lange im Voraus Truppenbesuche anzukündigen seien, oder welche Regelungen und Zollvorschriften dann jeweils gelten.
Doch die aus dem Vertrag hervorgehenden Möglichkeiten sind durchaus weitreichend: So könnte in Zukunft eine signifikante Zahl japanischer Soldaten mit australischen oder US-amerikanischen Truppen im Gebiet um den australischen Hafen von Darwin Manöver abhalten. Der Hafen liegt strategisch günstig, dient als Eingangstor zu den Märkten Asiens und potenzielle Drehscheibe für Rohstoff- und Agrarexporte (China.Table berichtete). Gleichzeitig könnten Australiens U-Boote regelmäßig japanische Stützpunkte anlaufen und nutzen.
Experten halten das Abkommen für wichtiger, als es sein bisher unauffälliges Profil vermuten lässt. “Das ist ein machtvoller Ausdruck dafür, wie stark zwei gleichgesinnte Demokratien zusammenarbeiten können, um die regionale Sicherheit zu formen”, beurteilt Peter Jennings das RAA-Abkommen. Und dann fügt der Direktor des Australian Strategic Policy Institute (ASPI) noch eine weitere Stoßrichtung des Abkommens hinzu: “Die Nachricht an die Region lautet: Wir haben bessere Optionen, als nur zitternd den Wünschen Pekings zu gehorchen.”
Denn so defensiv und technisch das Reciprocal Access Agreement (RAA) auf den ersten Blick daherkommen mag, es ist zweifellos eine Reaktion auf das zunehmend dominierende Auftreten Chinas in der Region. Seit Jahren weitet China seine militärische und wirtschaftliche Einflusssphäre im Indo-Pazifik aus, sei es durch den Bau von Landebahnen, die Einrichtung von Militärstützpunkten oder gar das simple Aufschütten von Inseln.
Im Grunde habe Chinas auftrumpfendes Verhalten das RAA erst möglich gemacht, meint Alessio Patalano im Gespräch mit China.Table. “Die Verhandlungen zwischen Australien und Japan haben schon 2014 begonnen, aber fast ein Jahrzehnt lang gab es kaum Fortschritte”, erklärt der Professor für Krieg und Strategie am King’s College in London. Das habe sich geändert, als China anfing, seine Muskeln spielen zu lassen und ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Nachbarstaaten auftrat. Patalano geht davon aus, dass die Regierung in Peking das Abkommen zwischen Australien und Japan als einen weiteren Versuch demokratischer Industrienationen brandmarken wird, den Aufstieg der Volksrepublik zu verhindern.
Die Reaktion in Peking auf das Abkommen fiel jedoch zunächst durchaus zurückhaltend aus. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums hatte am Mittwoch schon vor der Vertragsunterzeichnung gesagt, der Pazifische Ozean sei “groß genug für die gemeinsame Entwicklung der Länder in der Region”. Dann schob einer aber doch noch eine kleine Warnung hinterher: Kooperation und Zusammenarbeit seien gut. Aber sie sollten nicht die Interessen einer dritten Partei verletzen.
Peter Jennings zufolge tue China selbst jedoch genau das Gegenteil. “China ist voll damit beschäftigt zu versuchen, die Staaten aus dem Verband Südostasiatischer Nationen von den westlichen Demokratien zu trennen und ihre regionale Zusammenarbeit zu schwächen.” Nur durch eine verstärkte Kooperation gleichgesinnter Staaten könne man verhindern, dass Peking die Region in eine Vielzahl individueller Akteure aufsplittere. Auf sich allein gestellt haben einzelne Staaten China kaum etwas entgegenzusetzen.
Doch Canberra und Tokio haben nicht nur China mit diesem Abkommen im Blick, sondern wohl auch ihren gemeinsamen großen Verbündeten: die USA. In Amerika macht sich zunehmend eine isolationistische Stimmung breit. Die Amerikaner sind es überdrüssig, die Rolle des Weltpolizisten zu spielen. Nicht zuletzt der chaotische Abzug aus Afghanistan verdeutlicht, wie unpopulär die weltweiten Einsätze geworden sind, die viel Geld und vor allem die Leben etlicher US-Soldaten kosten.
Zwar versicherte Joe Biden bei seinem Amtsantritt, die USA seien zurück auf der geostrategischen Bühne, doch hat das Vertrauen in die Bündnistreue Amerikas zuletzt massiv gelitten. Sollten sich die Amerikaner dagegen weiter aus der Weltpolitik zurückziehen, würden Abkommen wie das RAA zum sicherheitspolitischen Herzstück demokratischer Staaten gegen die autoritäre Bedrohung aus Peking, meint Peter Jennings.
Zu guter Letzt hat das RAA zwischen Australien und Japan noch eine dritte Komponente, die nicht unbedingt auf den ersten Blick ersichtlich wird: Energiesicherheit. Australiens größtes Exportgut nach Japan war 2019/2020 Erdgas im Wert von mehr als 19 Milliarden AUS-Dollar (rund zwölf Mrd. Euro). Hinzu kamen Kohlelieferungen im Wert von rund 14 Milliarden AUS-Dollar. Im Jahr 2019 wurde 88 Prozent der japanischen Energie aus importierten fossilen Energieträgern gewonnen, mehr als zwei Drittel stammen aus Erdgas und Kohle; Erdgas macht derzeit rund 37 Prozent der japanischen Energieversorgung aus, Kohle 32 Prozent.
Vor diesem Hintergrund – und zusammen mit der Atomkatastrophe von Fukushima – ist die Energiesicherheit ein wichtiger Bestandteil der japanischen Außenpolitik und ein nicht zu unterschätzender Punkt in der Partnerschaft mit Australien.
Bei genauer Betrachtung des Reciprocal Access Agreement zwischen Australien und Japan wird klar: So technisch und defensiv das Abkommen erscheinen mag, es ist weit mehr als das. Es drückt den Willen zu mehr militärischer Zusammenarbeit aus – und liegt damit voll im Trend. Nach Jahren im Dornröschenschlaf erwachte zunächst Mitte 2021 der “Quadrilateral Security Dialogue”, kurz Quad, zu neuem Leben (China.Table berichtete). Das ist das informelle Gesprächsforum der USA, Japan, Australien und Indien.
Im September wurde mit AUKUS ein weiteres Bündnis ins Leben gerufen, dieses Mal zwischen Australien, dem Vereinigten Königreich und den USA. Gegenstand des Abkommens ist unter anderem, dass Australien bis März 2023 insbesondere bei der Entwicklung und dem Einsatz von Atom-U-Booten durch die USA und Großbritannien unterstützt wird.
Nun wurde mit dem Reciprocal Access Argeement ein nächster Schritt getan. So unterschiedlich die einzelnen Abkommen in ihren technischen Inhalten auch sind, eines ist ihnen allen gemein: In offiziellen Erklärungen wird vermieden, China explizit zu erwähnen. Und doch ist allen klar ist, worum es sowohl bei Quad, AUKUS oder nun RAA geht: Gegengewichte zu China aufzubauen.
Als in den USA und Europa vor einigen Wochen die ersten Omikron-Infektionen auftraten, bezeichneten chinesische Staatsmedien ihr Land noch als eine “uneinnehmbare Festung”. Die strikte Null-Corona-Politik der Regierung würde schon dafür sorgen, dass sich die neue und viel ansteckendere Virus-Variante nicht in der Volksrepublik verbreitet. Ob das stimmt, wird sich nun in Pekings Nachbarstadt Tianjin zeigen. Denn dort hat es die ersten lokalen Infektionen mit Omikron gegeben.
Wie die Behörden der 15-Millionen-Metropole am Sonntag mitteilten, wurden in der Stadt seit Freitag 20 Corona-Infektionen identifiziert. Eine Sequenzierung ergab demnach, dass es sich bei zwei Fällen eindeutig um Infektionen mit der Omikron-Variante handelt.
Ob die anderen 18 Infektionen, die in Verbindung zu den beiden Fällen stehen, ebenfalls auf die Omikron-Variante zurückgehen, ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. Laut lokalen Medien handelt es sich bei den Infizierten vor allem um Schüler und deren Familienangehörige. Die Behörden rechnen damit, dass die Testung der gesamten Bevölkerung weitere Infektionen aufdecken wird. Zwar waren bereits im Dezember die zwei ersten Omikron-Fälle in China gemeldet worden. Allerdings hatte es sich dabei um Reiserückkehrer gehandelt, die sich in Tianjin und in der südchinesischen Metropole Guangzhou in Quarantäne befanden. Wenn sich bestätigt, dass es sich in allen Fällen um die neue Variante handelt, wäre das der erste lokale Omikron-Ausbruch, mit dem sich die chinesischen Behörden konfrontiert sehen. Und das ausgerechnet in Tianjin, einer Nachbarstadt von Peking, wo die Olympischen Winterspiele am 4. Februar beginnen sollen.
Gelingt es nicht, den Ausbruch schnell unter Kontrolle zu bringen, könnte Tianjin womöglich ein ähnlich harter Lockdown drohen, wie ihn derzeit die Menschen der zentalchinesischen Metropole Xi’an über sich ergehen lassen müssen. Dort waren in den vergangenen zwei Wochen rund 1.500 Infektionen aufgetreten, bei denen es sich jedoch offenbar noch um die Delta-Variante handelte. Schon nach den ersten Fällen durften die Menschen praktisch nicht mehr vor die Tür. Das soll so bleiben, bis es keine neuen Infektionen mehr gibt (China.Table berichtete).
Bislang hat das rigorose Vorgehen tatsächlich stets dazu geführt, dass die meist kleinen Ausbrüche in China nach wenigen Wochen wieder unter Kontrolle gebracht werden konnten. Doch Beobachter fürchten, dass durch Omikron die Lage schnell außer Kontrolle geraten könnte. Das hätte auch Folgen für deutsche Unternehmen vor Ort, die schon jetzt klagen, dass sich die strikten Maßnahmen auf ihr Geschäft auswirken.
Allein in Xi’an sind rund 20 deutsche Unternehmen vertreten, darunter Bosch und Siemens, die vom Lockdown betroffen sind. Deutsche Wirtschaftsvertreter in China verweisen zwar darauf, dass Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren dazugelernt und sich auf solche Situationen eingestellt hätten. Äußerst schwierig würde es jedoch, wenn sich nicht nur eine Stadt, sondern mehrere Regionen und wichtige Wirtschaftszentren gleichzeitig in einen Lockdown begeben müssten.
Schon jetzt könnte sich ein solches Szenario abzeichnen. Denn nicht nur in Xi’an und Tianjin kämpfen die Behörden derzeit gegen Ausbrüche. Auch in der Provinz Henan sowie im südchinesischen Shenzhen wurden in den letzten Tagen neue Delta-Infektionen verzeichnet. Genau wie Tianjin beherbergt Shenzhen einen der größten Frachthäfen Chinas. Geriete die Lage außer Kontrolle, würde sich dies weiter auf ohnehin schon strapazierte Lieferketten auswirken.
Dass China seine strikten Abschottungsmaßnahmen in naher Zukunft aufgibt, scheint mit der Verbreitung von Omikron unwahrscheinlicher denn je. Zwar liegt die Quote der vollständig Geimpften in China bei rund 85 Prozent und damit höher als etwa in Deutschland. Neue Studien hatten kürzlich jedoch Hinweise geliefert, dass die chinesischen Vakzine eine unzureichende Antikörperantwort gegen Omikron aufweisen könnten (China.Table berichtete).
Das Bild ist nach Ansicht von Impfstoff-Forschern bisher zwar nicht eindeutig. Dennoch kann es sich die Pekinger Führung nicht leisten, ein Risiko einzugehen. Zwar arbeitet China auf Hochtouren an einem eigenen mRNA-Impfstoff nach dem Vorbild von Biontech. Bis dieser verfügbar ist und einem Großteil der Bevölkerung zur Verfügung steht, dürfte jedoch noch einige Zeit vergehen (China.Table berichtete). Bis dahin bleibt aus Sicht Pekings die Abschottung die einzig akzeptable Strategie. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Fast täglich schickt Peking derzeit Kampfflugzeuge in die taiwanische Luftverteidigungszone. Diese ist zwar nicht mit dem Luftraum der Inselrepublik gleichzusetzen, dennoch werden die zunehmenden Flüge als klare Provokation verstanden. Allein in den vergangenen Monaten waren es mehr als im gesamten Vorjahr (China.Table berichtete).
Trotz Pekings Säbelrasseln halten die meisten Beobachter einen heißen Konflikt, in dem die Volksrepublik angreift, um endlich die erhoffte “Wiedervereinigung” zu erreichen, weder 2022 noch in den Jahren darauf für ein wahrscheinliches Szenario. Aus chinesischer Sicht ist Taiwan zwar eine abtrünnige Provinz. Trotz aller Drohgebärden ist der demokratische Nachbar jedoch gleichzeitig wirtschaftlich sehr eng mit dem kommunistischen Festland verflochten. Eine ausgewachsene Krise würde auf beiden Seiten der Taiwanstraße erhebliche Folgen haben.
“Taiwanische Unternehmen spielen eine sehr wichtige Rolle in der chinesischen Wirtschaft. Wenn man da ein Decoupling durchspielt, würde es beide Volkswirtschaften sehr hart treffen”, sagt Axel Limberg, der die Vertretung der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Taiwan leitet. In China seien 8.000 taiwanische Unternehmen aktiv, die laut Schätzungen eine zweistellige Millionenzahl an Mitarbeitern beschäftigen. Zudem sei Taiwan das wichtigste Zulieferland für China. Rund 45 Prozent der taiwanischen Exporte gehen in die Volksrepublik.
Die wirtschaftlichen Beziehungen reichen weit zurück: Taiwaner gehörten zu den ersten ausländischen Unternehmern, die mit dem Beginn der wirtschaftlichen Öffnung in der Volksrepublik investierten. Ähnlich wie wohlhabende Familien aus Hongkong gründeten sie Fabriken auf dem chinesischen Festland – noch bevor sich Firmen aus den USA und Europa für China interessierten. Zunächst wurden etwa Schuhe und Kleidung hergestellt, später siedelten auch taiwanische Hightech-Firmen ihre Produktion nach China um.
Der Auftragsfertiger Foxconn, von dem Apple und andere Smartphone-Giganten einen Großteil ihrer Geräte zusammenbauen lassen, hat seinen Hauptsitz zwar in Taiwan, die meisten der 1,3 Millionen Mitarbeiter werden jedoch in Fabriken in China beschäftigt. Damit ist die taiwanische Firma der größte private Arbeitgeber der Volksrepublik. Allein in der zentralchinesischen Metropole Zhengzhou, die in diesem Jahr von einem schweren Hochwasser heimgesucht wurde, beschäftigt Foxconn in drei Fabriken mehr als 250.000 Menschen.
China braucht also keinen Krieg, um Taiwan zu Fall zu bringen. Es würde schon reichen, den taiwanischen Fabriken auf dem chinesischen Festland den Strom abzustellen. Jedoch ist die wirtschaftliche Abhängigkeit weniger einseitig, als sie auf den ersten Blick wirkt. Denn einer der wenigen technologischen Schwachpunkte, die die ehrgeizige Volksrepublik ihren Gegnern noch bietet, ist zugleich die größte Stärke Taiwans: die Entwicklung und Produktion von Mikrochips.
China hat zwar massive Investitionen angekündigt und macht Fortschritte bei der Entwicklung eigener Prozessoren. Die Volksrepublik liegt aber noch immer so weit zurück, dass es jährlich Mikrochips im Wert von rund 300 Milliarden Dollar importieren muss (China.Table berichtete). Um sie in elektronische Produkte für den heimischen Markt und den Export zu verbauen, gibt China für die Chips sogar mehr Geld aus als für Ölimporte.
Taiwan hat sein “Siliziumschutzschild” vor allem dem global führenden Chiphersteller TSMC zu verdanken. Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company ist mit mehr als 50 Prozent Marktanteil unangefochten der größte Chip-Auftragsfertiger der Welt. Von Apple über AMD bis hin zu Tesla lassen zahlreiche namhafte US-Konzerne ihre ausgefeiltesten Chips bei TSMC produzieren. Und auch die meisten chinesischen Tech-Konzerne müssen mangels Alternativen auf das Know-how der Taiwaner setzen.
Nach Angaben von Roy C. Lee, einem Ökonomen der taiwanischen Denkfabrik CIER, kann China derzeit nur 15 bis 20 Prozent der Halbleiternachfrage mit seinen Kapazitäten im Inland decken. Ohne Chip-Importe aus Taiwan und Südkorea würde China seine Position als weltweit führendes Zentrum für die Herstellung elektronischer Produkte sofort verlieren, schlussfolgert Lee. Die Gefahr, dass China relevante wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen gegen Taiwan verhänge, sei vor diesem Hintergrund “begrenzt”.
Die gegenseitige Abhängigkeit spiegelt sich in Pekings Wirtschaftspolitik gegenüber Taiwan wider. Zwar verhängte China in diesem Jahr einen Einfuhrstopp von Ananasfrüchten aus Taiwan (China.Table berichtete). Auch sorgte die Führung mit neuen Regeln bereits vor der Pandemie dafür, dass weniger Chinesen nach Taiwan reisen und dort die Tourismusindustrie unterstützen. Doch diese Nadelstiche wirken sich kaum auf Taiwans boomende Wirtschaft aus. Während der Corona-Pandemie wuchs der Inselstaat im vergangenen Jahr mit 4,5 Prozent erstmals seit drei Jahrzehnten sogar schneller als die Volksrepublik.
Kaum besorgt ist auch die deutsche Business-Community in Taiwan. Im Gegenteil seien die meisten Unternehmen sehr zufrieden mit dem Standort und stecken teils hohe Summen in neue Produktionskapazitäten, heißt es bei der AHK. “Es gibt eine Vielzahl von Krisenszenarien, auf die deutsche Unternehmen in Taiwan vorbereitet sind. Taifuns oder andere Naturkatastrophen gehören dazu, eine kriegerische Auseinandersetzung aber sicher nicht”, sagt Limberg. “Man glaubt an die Stabilität Taiwans”. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
China plant, einen Friedensbotschafter in die von Konflikten geplagte Region am Horn von Afrika zu entsenden. Das erklärte Chinas Außenminister Wang Yi vergangenen Donnerstag bei einem diplomatischen Besuch in Kenia. Der bisher nicht namentlich genannte Sondergesandte soll sich vor allem um die Befriedung des militärischen Konfliktes in Äthiopien zwischen der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) und der neuen Regierung unter Premierminister Abi Ahmed bemühen.
In dem Bürgerkrieg, der Anfang November 2020 ausbrach, sind nach Schätzungen Zehntausende Menschen ums Leben gekommen. Hunderttausende befinden sich auf der Flucht, Millionen leiden an Hunger. Auf einer Pressekonferenz in der Hafenstadt Mombasa schlug Wang unter anderem die Einberufung einer Friedenskonferenz vor. Ein weiterer Brennpunkt in der Region ist Somalia, wo sich die islamistische Terrorgruppe Al-Shabaab mit der vom Westen unterstützten Regierung bekriegt.
Für China ist Stabilität in der Region von großer wirtschaftlicher und geostrategischer Bedeutung. In der kleinen, als stabil geltenden Republik Dschibuti am Horn von Afrika hat China eine Freihandelszone und einen Militärstützpunkt errichtet. Von hier will die Volksrepublik chinesische Waren nach ganz Ostafrika vertreiben. fpe
Sri Lankas Präsident Gotabaya Rajapaksa drängt auf Aufschub bei der Rückzahlung der Kredite seines Landes bei China. Das erklärte Rajapaksa bei einem Treffen mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi in Colombo am Sonntag. Sri Lanka befindet sich derzeit in einer Devisenkrise, die den Inselstaat an den Rand des Zahlungsausfalls gebracht hat. Das Land muss in diesem Jahr rund 4,5 Milliarden Dollar zurückzahlen, beginnend mit einer internationalen Staatsanleihe (ISB) in Höhe von 500 Millionen Dollar, die am 18. Januar fällig wird.
China ist Sri Lankas viertgrößter Kreditgeber. Umgerechnet fünf Milliarden US-Dollar hat die Volksrepublik Sri Lanka in den vergangenen Jahren geliehen, die unter anderem in den Bau von Autobahnen, Häfen, einen Flughafen und ein Kohlekraftwerk geflossen sind. Ausgezahlt haben sich diese Projekte allerdings kaum.
Rajapaksas Büro spricht von einer “großen Erleichterung”, sollte China einer nicht näher erläuterten Schuldenumschichtung zustimmen. Ein Yuan-Swap mit China in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar half Sri Lanka bereits Ende Dezember, seine Reserven auf 3,1 Milliarden US-Dollar aufzustocken. 2017 konnte Sri Lanka schon einmal seine Schulden an China nicht mehr bedienen, woraufhin sich Peking den strategisch wichtigen Hambantota-Hafen im Zuge einer Umschuldung für 99 Jahre gesichert hatte. Der Vorgang galt fortan als Musterbeispiel für Chinas “Schuldendiplomatie”. fpe
Peking hat seine Unterstützung für das gewaltsame Vorgehen des kasachischen Präsidenten Kassym-Jomart Tokajew gegen Demonstranten ausgesprochen. Präsident Xi Jinping lobte den kasachischen Staatschef ausdrücklich für dessen Reaktion auf die Proteste in Kasachstan: “Sie haben in kritischen Momenten starke Maßnahmen ergriffen und die Situation schnell beruhigt”, schrieb Xi am Freitag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua an Tokajew. “Damit haben Sie Ihr Verantwortungsbewusstsein und Ihr Pflichtgefühl als Politiker unter Beweis gestellt”, so Xi demnach.
Zuvor hatte auch das chinesische Außenministerium Unterstützung für das Vorgehen ausgedrückt und betont, es hoffe, dass die “starken Maßnahmen” Ruhe herstellen werden. “China unterstützt alle Bemühungen, die den kasachischen Behörden helfen, das Chaos so schnell wie möglich zu beenden, und wendet sich entschieden gegen das Vorgehen externer Kräfte, um absichtlich soziale Unruhen zu schaffen und Gewalt anzustiften”, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Wang Wenbin, bei einer Pressekonferenz in Peking. Die Volksrepublik werde “als brüderlicher Nachbar” Kasachstan jede notwendige Hilfe anbieten.
Kasachstan ist für China einer der wichtigsten Verbündeten in der Region. Xi Jinping hatte in dem Nachbarland sein geopolitisches Prestigeprojekt der neuen Seidenstraße erstmals vorgestellt. Seitdem wurden dort zahlreiche Investitionen mit chinesischem Geld angeschoben. China ist außerdem stark an einem stabilen Kasachstan interessiert, weil die Volksrepublik viele Rohstoffe aus dem Land bezieht, vor allem Gas und Öl. Von Kasachstan führt eine Ölpipeline direkt in die westchinesische Provinz Xinjiang. China importiert zudem Kohle aus Kasachstan.
Am Donnerstag betonte Wang Wenbin, dass China und Kasachstan “dauerhafte und umfassende strategische Partner” seien. Was in Kasachstan geschehe, sei eine “interne Angelegenheit”. Auf Bitten Kasachstans hatte Russland im Rahmen eines gemeinsamen Militärbündnisses Soldaten zur Unterstützung geschickt. Die kasachische und die russische Führung machen ausländische Kräfte für die schweren Unruhen verantwortlich. Peking heißt die Entsendung russischer Soldaten willkommen. Als brüderlicher Nachbar und strategischer Partner Kasachstans “unterstützt China alle Bemühungen, den Behörden in Kasachstan zu helfen, das Chaos so schnell wie möglich zu beenden”, erklärte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Freitag in Peking. ari
Im Handelskonflikt zwischen Litauen und China schaltet sich Medienberichten zufolge nun auch Deutschland ein. Franziska Brantner, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, plant demnach in dieser Woche nach Vilnius zu reisen, um dort über Probleme für deutsche und litauische Unternehmen wegen der chinesischen Handelsblockade zu sprechen. Die Grünen-Politikerin werde dort Vertreter verschiedener Behörden treffen, berichtete die litauische Nachrichtenseite 15min unter Berufung auf mehrere Quellen. Nähere Details zu dem Treffen gab es zunächst nicht.
Die Position Deutschlands könnte im Streit zwischen Litauen und China um das “Taiwan-Büro” in Vilnius eine wichtige Schlüsselrolle spielen (China.Table berichtete). Denn die deutschen Automobilkonzerne Hella und Continental haben Fabriken in der litauischen Freiwirtschaftszone Kaunas. Bereits im Dezember warnte die Deutsch-Baltische Handelskammer, dass deutsche Unternehmen in Litauen Probleme hätten, weil sie benötigte Komponenten aus China nicht mehr erhielten und die Volksrepublik Produkte aus Litauen im Zollsystem blockiere. In einem Schreiben warnte die Handelskammer zudem vor Fabrikschließungen, sollte das Problem nicht gelöst werden (China.Table berichtete). ari
Der US-amerikanische Chemiker und Nanoforscher Charles Lieber ist wegen nicht angegebener China-Verbindungen von einem Gericht in Boston schuldig gesprochen worden. Er hatte von chinesischen Universitäten und Förderprogrammen erhebliche Summen bezogen, ohne diese in den USA korrekt angezeigt zu haben. So hat er seit 2011 von der Wuhan University of Technology ein Gehalt von 50.000 Dollar im Monat erhalten. Liebers Anwälte bestanden darauf, dass das wissenschaftliche Engagement und die Bezahlung dafür seinerzeit vollständig legal gewesen seien. Die Regierung unter Donald Trump hatte eine Kampagne gegen Wirtschafts- und Wissenschaftsspionage durch China gestartet. Im Zuge engmaschiger Ermittlungen wurde Lieber Anfang 2020 verhaftet. Er wurde vorher als Kandidat für den Nobelpreis gehandelt. fin
Wenn man sich die Wirtschaftslandschaft im Jahr 2021 ansieht, kommt man nicht umhin, das Auftauchen neuer Hindernisse für einen robusten Aufschwung zu bemerken. Die Vereinigten Staaten, Europa, China und andere stehen vor einer wachsenden Liste bemerkenswert ähnlicher kurz- und langfristiger Herausforderungen.
Die Pandemie bleibt die größte Sorge. Ohne eine umfassende weltweite Impfung werden weiterhin neue COVID-19-Varianten auftauchen, die die Regierungen möglicherweise dazu zwingen, erneut teilweise oder vollständige Lockdowns zu verhängen. Das Coronavirus stellt somit eine ständige Belastung für den Aufschwung dar.
Eine zweite Herausforderung ist die Blockade der globalen Lieferketten, die zusammen mit angebotsseitigen Verschiebungen auf den Arbeitsmärkten einen anhaltenden Inflationsdruck erzeugt hat, wie er seit über einem Jahrzehnt nicht mehr zu beobachten war. Ohne grenzüberschreitende Bemühungen zur Behebung von Lieferengpässen und Verknappungen könnten die Zentralbanken gezwungen sein, die derzeitige Nachfragesteigerung durch eine Straffung der Geldpolitik zu bremsen.
Ein weiteres gemeinsames Thema ist die komplexe Aufgabe, die digitalen Technologien und Sektoren, die inzwischen einen immer größeren Anteil an den meisten Volkswirtschaften ausmachen, angemessen zu regulieren. Die Regulierungsbehörden in Europa, den USA, China und Indien haben ihre Bemühungen in dieser Hinsicht intensiviert; neue Regeln für Datensicherheit, -zugriff und -nutzung wurden aufgestellt und Untersuchungen über den möglichen Missbrauch von Marktmacht, insbesondere durch die Mega-Plattformen, eingeleitet. Da sich der Finanzsektor auf digitale Zahlungsmethoden und Währungen verlagert und auf den Märkten für Kredite, Versicherungen und Vermögensverwaltung neue Marktteilnehmer auftauchen, müssen die Vorschriften dringend angepasst werden, um einen fairen Wettbewerb, den Zugang zu wertvollen Daten und die finanzielle Stabilität zu gewährleisten.
Es ist kein Geheimnis, dass in den letzten Jahrzehnten ein erheblicher Teil des neu geschaffenen Wohlstands in Technologiesektoren wie E-Commerce, Zahlungsverkehr, FinTech und soziale Medien entstanden ist. Das Ergebnis ist eine hohe Konzentration neuen Reichtums, was wiederum Bedenken hinsichtlich eines unzulässigen Einflusses auf die Politik aufkommen lässt. Diese Bedenken sind in den USA und China besonders ausgeprägt, auch wenn die beiden Länder sehr unterschiedliche Regierungssysteme und damit auch unterschiedliche Kanäle für die Einflussnahme haben.
Auch wenn die Terminologie in den USA und China unterschiedlich ist, kämpfen beide Länder darum, die zunehmende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen und die abnehmende soziale Mobilität umzukehren. In den USA sprechen viele Politiker davon, für ein integrativeres Wachstum zu sorgen. In China hat die Regierung eine neue Kampagne gestartet, um “gemeinsamen Wohlstand” zu erreichen. Hitzige Debatten in beiden Ländern darüber, wie diese Ziele am besten zu erreichen sind, spiegeln die Sorge wider, dass ein übertriebener oder zu enger Ansatz bei der Umverteilung die wirtschaftliche Effizienz und Dynamik beeinträchtigen könnte.
Die Ähnlichkeit dieser nationalen politischen Bemühungen lässt darauf schließen, dass die USA und China ein gemeinsames Interesse daran haben, neue Spielregeln für die Weltwirtschaft und den Finanzsektor aufzustellen. Beide müssen sich den neuen Realitäten anpassen, die sich aus der digitalen Revolution und den sich verschiebenden globalen Machtverhältnissen ergeben. Es besteht auch ein klarer Bedarf an neuen Abkommen zur Begrenzung der missbräuchlichen Nutzung von Digital- und Cyber-Technologien und zur Freigabe gutartiger grenzüberschreitender Technologieströme (in den Bereichen Gesundheit, Bildung und anderen Sektoren), die aus Gründen der nationalen Sicherheit blockiert zu werden drohen.
Schließlich ist da noch die globale Herausforderung des Klimawandels. Ohne den freien und reibungslosen Verkehr der erforderlichen Technologien und Finanzmittel wird die Welt keine Chance haben, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Auch hier wird der Erfolg davon abhängen, ob die USA und China zusammenarbeiten können.
Bei so vielen gemeinsamen Herausforderungen hätte man erwarten können, dass die führenden Weltmächte ein schwieriges, aber vernünftiges Gleichgewicht zwischen strategischem Wettbewerb und strategischer Zusammenarbeit anstreben. Schließlich würden sowohl China als auch die USA davon profitieren, wenn sie anerkennen würden, dass sie zwingende gemeinsame Interessen und nicht nur unvermeidliche Meinungsverschiedenheiten haben.
Dies ist jedoch größtenteils nicht geschehen. Obwohl sich US-Präsident Joe Biden und der chinesische Präsident Xi Jinping kürzlich darauf verständigt haben, Raum für eine Zusammenarbeit beim Klimawandel und der Energiewende zu schaffen, haben die USA unter Berufung auf Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit den strategischen Wettbewerb verschärft. Wir sind noch weit davon entfernt, in den Genuss eines freien Technologieflusses zu kommen, der notwendig ist, um die globalen Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts auf null zu reduzieren.
Schlimmer noch: Auf beiden Seiten verhärten sich die Haltungen, wobei jede Regierung in der bequemen, aber unproduktiven Gewissheit verharrt, dass sie die moralische Überlegenheit besitzt. In den USA geht man nicht mehr davon aus, dass Chinas Regierungssystem entweder scheitern oder sich in eine Art demokratischen Kapitalismus verwandeln wird. Politiker in beiden großen Parteien glauben nun, dass China seinen Aufstieg seiner hartnäckigen Weigerung zu verdanken hat, sich an die Regeln zu halten.
Auf chinesischer Seite wird die US-Strategie als Versuch gesehen, Chinas wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt zu behindern oder sogar umzukehren. Die parteipolitische Polarisierung und soziale Spaltung in den Vereinigten Staaten wird als Beweis für ein politisches und wirtschaftliches Systemversagen dargestellt.
In der Zwischenzeit erlebt die Weltwirtschaft weiterhin mindestens vier große strukturelle Veränderungen: die multidimensionale digitale Revolution, das Streben nach sauberer Energie und ökologischer Nachhaltigkeit, große Durchbrüche in der biomedizinischen Wissenschaft und Biologie sowie der Aufstieg Asiens. Alle vier Entwicklungen bieten große Chancen für die Verbesserung des globalen Wohlstands in vielen verschiedenen Dimensionen. Aber jede von ihnen wird auch disruptive Übergänge mit sich bringen, die größere Anpassungen der bestehenden globalen Institutionen und Rahmenbedingungen erfordern.
Unter diesen Umständen können wir uns nicht den Luxus leisten, uns ausschließlich auf den Wettbewerb zu konzentrieren oder Kämpfe um innenpolitische Vorteile auszutragen. Die Risiken für die globale Gesundheit und den Wohlstand sind zu hoch. Um den gefährlichen Weg des Wettbewerbs ohne Zusammenarbeit zu verlassen, bedarf es nachhaltiger Führungsstärke auf beiden Seiten und in allen Bereichen der Gesellschaft. Es gibt keine Garantie für den Erfolg, aber es gibt keine Alternative zum Versuch.
Michael Spence, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, ist emeritierter Professor an der Stanford University und Senior Fellow an der Hoover Institution. Übersetzung :Andreas Hubig.
Copyright: Project Syndicate, 2021.
www.project-syndicate.org
“Siemens defends slave labour (again)” titelte der britische Spectator letzte Woche. Die Entstehung dieser Schlagzeile ist ein Lehrstück darüber, was in der chinapolitischen Positionierung von einigen CEOs der Deutschland-AG danebengeht. Was war passiert? Siemens-Chef Roland Busch hatte zum Jahreswechsel in der Süddeutschen Zeitung vor einer “konfrontativen Außenpolitik” gewarnt und mahnte einen “respektvollen Umgang” mit China an.
Eine Sorge führte er sehr konkret aus: “Wenn Exportverbote erlassen werden, könnten diese dazu führen, dass wir keine Solarzellen aus China mehr kaufen können – dann ist die Energiewende an dieser Stelle zu Ende. Wollen wir das wirklich? Es ist doch unser gemeinsames Interesse, den weltweiten CO2-Ausstoß zu verringern”. Busch sprach es nicht direkt an, doch worauf er zielte, waren mögliche Sanktionen gegen Komponenten aus Xinjiang, bei denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie auch mithilfe von Zwangsarbeit produziert werden.
Die Haltung der Amerikaner ist dazu klar: Im Dezember unterzeichnete US-Präsident Biden ein Gesetz, das Importe von Produkten, die in Xinjiang hergestellt wurden oder Komponenten und Materialien aus Xinjiang enthalten, weitgehend verbietet. Die Europäische Kommission ist dagegen skeptisch. Man könne die “US-Gesetzgebung in Europa nicht automatisch replizieren”, heißt es. Ein Importverbot würde nicht verhindern, dass diese Produkte weiter mit Zwangsarbeit hergestellt würden. Die EU-Kommission scheint ein Gesetz mit stärkeren Sorgfaltspflichten der Anbieter zu bevorzugen.
In diese Diskussion platzte Siemens-CEO Busch mit seiner Philippika gegen “Exportverbote”. Dabei hat Busch zumindest recht, was die Abhängigkeiten der Solarbranche von Xinjiang betrifft. Doch für einen Konzern, der eine Geschichte des Einsatzes von Zwangsarbeit hat, ist die Intervention bemerkenswert ungeschickt. Zumal Siemens laut FAZ mit dem chinesischen Rüstungszulieferer China Electronics Technology Group Corporation (CETC) zusammenarbeitet. CETC hat laut Human Rights Watch eine Überwachungs-App entwickelt, mit deren Hilfe Uiguren von der Polizei verfolgt und eingesperrt würden. Da hilft es eher wenig, dass Busch mit Blick auf die Menschenrechte versichert: “Wir halten diese weltweit ein, auch bei unseren Arbeitsplätzen in China”.
Nun rechtfertigt Busch natürlich keine Zwangsarbeit, anders als der Spectator es nahelegt. Es hätte aber viele geschicktere Wege gegeben, Skepsis an Importverboten zu äußern. Mit der ungelenken Art seiner Aussagen hat Busch der Fehlinterpretation seiner Worte Tür und Tor geöffnet. Was bei seiner Aussage etwa fehlt, ist ein explizites Bekenntnis, Menschenrechte auch in den Lieferketten und bei Kooperationspartnern einzuhalten.
Busch fällt auch hinter das zurück, was sein Vorgänger als Siemens-Chef und Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Joe Kaeser, kurz vor Ende seiner Amtszeit im September 2020 formulierte: “Wir beobachten die aktuellen Entwicklungen in Hongkong, aber auch in der Provinz Xinjiang aufmerksam und mit Sorge. Wir lehnen jede Form von Unterdrückung, Zwangsarbeit und Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen kategorisch ab. All das würden wir grundsätzlich weder in unseren Betrieben dulden noch bei unseren Partnern folgenlos hinnehmen.” Für Kaeser, der jahrelang den chinesischen Parteistaat rhetorisch hofiert hatte, war dies eine bemerkenswert klare Formulierung. Busch signalisiert nun, dass er an Kaesers Kritik nicht anknüpfen möchte.
Stattdessen scheint sich Busch den Volkswagen-CEO Diess als Vorbild zu nehmen, den Chef eines weiteren deutschen Weltkonzerns mit Zwangsarbeits-Vergangenheit. Diess hatte 2019 der BBC gesagt, dass er von Umerziehungslagern nicht wisse und “stolz” sei auf die Arbeitsplätze, die Volkswagen in Xinjiang geschaffen habe. Dabei klingt er wie der ehemalige ZEIT-Herausgeber Theo Sommer, der 2019 behauptete, deutsche Unternehmen “können und werden in dem schwierigen Umfeld Xinjiangs einen Beitrag zum ersprießlichen Zusammenleben verschiedener Völkerschaften leisten. Dann werden – wie einst die südafrikanischen Schwarzen von BMW – eines Tages auch die Uiguren sagen können, wer zu den Mitarbeitern der deutschen Firmen gehört, der hat das große Los gezogen”.
Ganz so vehement wie Sommer würden wahrscheinlich nur wenige deutsche CEOs öffentlich argumentieren. Aber allzu oft wirken sie so, als hätten sie selbst das große Los des Kotaus gegenüber der chinesischen Führung gezogen. Der Journalist Robin Alexander berichtet in seinem Buch “Machtverfall” über die deutschen CEOs, die Merkel auf deren letzter China-Reise im September 2019 begleiteten: “Die Bosse haben auf die Kanzlerin eingewirkt, die chinesische Regierung nicht mit einer allzu deutlichen Kritik an der Aussetzung des Basic Law der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong und den Repressionen gegen die dortige Demokratiebewegung zu brüskieren”.
Weiter berichtet der Autor über eine Abstimmung unter den deutschen Managern während besagter Reise, ob sie die Chinesen ihrerseits auf die engere Überwachung von Internetaktivitäten chinesischer Belegschaften in Firmen mit deutscher Beteiligung ansprechen sollten – denn die gefährdet nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch deutsche Geschäftsgeheimnisse. Per Handzeichen im Kanzlerflugzeug stimmten die CEOs dagegen. Erschreckend daran ist, dass die Unternehmensführer auch dann gegenüber Peking zu kuschen scheinen, wenn ihre Kerninteressen tangiert sind.
Bei der Suche nach mehr strategischer Klarheit kombiniert mit Rückgrat könnten die CEOs beim BDI fündig werden. Dieser hatte im vergangenen Sommer ein Diskussionspapier über “Außenwirtschaftliche Zusammenarbeit mit Autokratien” zur “Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen im internationalen Systemwettbewerb” veröffentlicht und dabei den Begriff der “verantwortungsvollen Koexistenz” geprägt.
Mehr strategische Klarheit in der Chinapolitik ist auf Seiten von CEOs wie Busch dringend vonnöten, denn die vom Spectator verzerrte menschenrechtliche Komponente ist nicht das größte Problem. Ebenfalls beunruhigend ist, dass Busch die Klimakrise zu instrumentalisieren scheint für einen “Business as Usual”-Kurs gegenüber Peking. Und noch konsternierender ist die Tatsache, dass Busch die Thematik auf die Frage der Menschenrechte reduziert. Dabei geht es im Systemwettbewerb mit Pekings autoritärem Staatskapitalismus um weit mehr.
Zwangsarbeit ist nicht unser Hauptproblem, wenn wir uns bei Kerntechnologien für die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft von Produktion in China abhängig machen, oder wenn sich Unternehmen wie Volkswagen ein Klumpenrisiko China aufhalsen, in dem sie sich über Gebühr vom chinesischen Markt abhängig machen. 2020 unterzeichnete Siemens eine weitreichende “strategische Kooperationsvereinbarung” mit der schon erwähnten China Electronic Technology Group Corporation (CETC). Das Staatsunternehmen ist für das chinesische Militär als Zulieferer von zentraler Bedeutung. Tochterunternehmen von CETC unterliegen bereits US-Sanktionen. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die USA auch die Siemens-Kooperation mit CETC genauer anschauen werden.
Die Woche, in der ihr Lieblingsverein Borussia Dortmund gegen Bayern München verlor, bescherte Julia Hammelehle zumindest noch politische Genugtuung. Wenige Tage nach der schmerzhaften Bundesliga-Pleite ihres BVB übernahm “ihre” SPD das Kanzleramt – eine Form der emotionalen Wiedergutmachung. Fußball und Politik liegen manchmal eben nicht sehr weit auseinander, besonders was ihre Slogans angeht.
Als Strategieberaterin analysiert Julia Hammelehle internationale Politikfelder und konzipiert seit zwei Jahren Veranstaltungen und Begegnungen für die Münchner Sicherheitskonferenz. “Road to Munich” steht über dem Vorprogramm für die kommende Sicherheitskonferenz, die vom 18. bis 20. Februar 2022 stattfindet. So ähnlich heißen oft auch Marketing-Kampagnen von potenziellen Champions-League-Finalisten. Statt auf grünem Rasen zu kicken, wird jedoch im Hotel Bayerischer Hof über Klima und Nachhaltigkeit gesprochen. Statt Viererkette stehen neue Technologien und digitale Innovationen auf der Agenda.
Julia Hammelehle hat in Dresden Internationale Beziehungen studiert und in London EU-Politik. Zwischendurch war sie für ein Auslandssemester in Boston. Die 25-Jährige ist sicher, dass Veränderungen in der Klima- und Energiepolitik auch sicherheitspolitische Auswirkungen nach sich ziehen. Ihrer persönlichen Einschätzung nach könnte die Umstellung auf grüne Energien sogar zu Destabilisierungen in solchen Ländern führen, die noch auf fossile Energien setzen.
Mehr noch bringe die Umstellung “Herausforderungen für Länder mit sich, die auf Rohstoffen wie Lithium oder Kobalt sitzen, die für grüne Technologien benötigt werden”, sagt Hammelehle. Europa und die USA betrachteten die Dominanz Chinas in den Lieferketten für den Bau von Elektroautos oder Solarmodulen mit Sorge. “50 bis 70 Prozent des weltweiten Lithiums und Kobalts werden in China weiterverarbeitet. Die Volksrepublik dominiert die komplette Wertschöpfungskette von Seltenen Erden. Das ist nicht nur ein Wettbewerbsvorteil für China, sondern auch ein möglicher geopolitischer Hebel.”
Deshalb sei es wichtiger denn je, dass die EU und ihre transatlantischen Verbündeten die Volksrepublik China gleichzeitig als Partner, Wettbewerber und als systemischen Rivalen begreifen. “Das ist eine wichtige Grundlage für eine gemeinsame Strategie.” Und die sollte sich darauf konzentrieren, sich vor chinesischer Einflussnahme und ökonomischem Druck besser zu schützen und die eigene Handlungsfähigkeit zu stärken, so Hammelehle. “Eine gemeinsame Strategie muss beinhalten, über Investitionskontrollen für ein Level Playing Field einzutreten, Abhängigkeiten zu reduzieren und Anti-Coercion-Instrumente zu schärfen.”
Ergänzend dazu müsse in die eigene Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit, besonders in der Digitaltechnologie, investiert und neue Partnerschaften über Infrastrukturprojekte erschlossen und vertieft werden. Eine weitere Möglichkeit haben die USA mit dem diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele im Februar in Peking gewählt. “Aber auch da wäre es wichtig, innerhalb der EU ein gemeinsames Signal zu senden”, erklärt die Sport-Fanatikerin. “Wenn aber gar keine Sportlerinnen und Sportler geschickt würden, fände ich das nicht gut.” Gabriel Bub