“die Rede ist vor allem deshalb aufschlussreich, weil sie zeigt, worüber die Bundesregierung zu sprechen bereit ist”, sagt Nils Redeker vom Jacques Delors Centre über die gestrige europapolitische Grundsatzrede von Bundeskanzler Scholz in Prag. Zur Sprache kamen bekannte Positionen des Kanzlers, etwa die Befürwortung einer Aufnahme der Westbalkan-Länder, der Ukraine, Moldau und langfristig auch Georgiens. Doch Scholz setzte auch neue Impulse, etwa indem er andeutete, dass Deutschland offen sei für ein neues Hilfsprogramm nach dem Vorbild von SURE, um die Folgen der Energiekrise abzumildern. Für Kritik sorgten insbesondere jene Punkte, die Scholz nicht erwähnte. Unsere ausführliche Analyse der Rede lesen Sie gleich im Anschluss.
Noch immer gilt bei Elektrogeräten meist: Neu kaufen ist attraktiver als reparieren. Das soll sich ändern. Die Reparierbarkeit von Produkten könnte ein sichtbares Kriterium beim Kauf eines Smartphones oder einer Waschmaschine werden. Mehrere Mitgliedstaaten, etwa Spanien, Belgien und Deutschland, haben konkrete Pläne für ein Reparatur-Label. Ein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission steht bislang aus. Frankreich ist da schon einen Schritt weiter: Im vergangenen Jahr führte das Land den Indice de réparabilité ein. Das erste Fazit ist positiv, doch NGOs haben auch Schwachstellen ausfindig gemacht. Leonie Düngefeld berichtet.
Die EU arbeitet an einem Notfallinstrument gegen die Auswirkungen hoher Strompreise. Greifen soll es schon bald. “Da sprechen wir von Wochen”, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern bei einer Veranstaltung mit Wirtschaftsminister Robert Habeck im Bundeswirtschaftsministerium. Zudem kündigte sie eine strukturelle Reform des Strommarktes an, über die Europe.Table bereits in der vergangenen Woche berichtete. Auch hier soll es schnell gehen: Die Reform ist bereits für Anfang 2023 geplant. Mehr erfahren Sie in den News.
Bald fünf Jahre ist es her, dass Emmanuel Macron seine Vorschläge für die Europäische Union an der Pariser Sorbonne-Universität vorstellte. Unter Angela Merkel blieb die Bundesregierung eine Antwort darauf schuldig. Der russische Angriff auf die Ukraine aber hat die Gemeinschaft in eine Reformdiskussion gezwungen, der sich ihr Nachfolger Olaf Scholz weder entziehen konnte, noch wollte. An der Prager Karls-Universität skizzierte der Bundeskanzler in einer Grundsatzrede gestern die Vorstellungen seiner Regierung zur Zukunft Europas.
Tschechien hat im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft inne, aber Scholz wollte an dieser Stelle auch eine Botschaft an die mittel- und osteuropäischen Staaten senden: Deren Bürger hätten während des Kalten Krieges das Gefühl bekommen, vom Westen hinter dem Eisernen Vorhang vergessen worden zu sein, sagte er. Das wirke bis heute nach, auch in den Debatten um die Zukunft der EU.
Am Schauplatz des Prager Frühlings 1968 und der Samtenen Revolution 1989 wollte der Kanzler überdies für sich klarziehen, “wo künftig die Trennlinie verläuft zwischen diesem freien Europa und einer neo-imperialen Autokratie”. Putins Russland definiere sich auf absehbare Zeit in Gegnerschaft zur Europäischen Union, sagte er. Auch China nutze die offenen Flanken, die die Europäer böten. Für die EU gelte es deshalb, nicht länger nur den Frieden nach innen zu sichern, sondern auch die Sicherheit nach außen zu gewährleisten. Dafür müsse sie “die Reihen schließen, alte Konflikte überwinden und neue Lösungen finden”.
Viele seiner konkreten Vorschläge hatte er schon in den vergangenen Monaten angerissen, aber Scholz setzte auch neue Impulse: Er unterbreitete den Nachbarländern das Angebot, gemeinsam eine europäische Luftabwehr aufzubauen. Zudem deutete Scholz an, dass Deutschland offen sei für ein neues Hilfsprogramm nach dem Vorbild von SURE, um die Folgen der Energiekrise abzufedern. “Die Rede ist vor allem deshalb aufschlussreich, weil sie zeigt, worüber die Bundesregierung zu sprechen bereit ist”, sagt Nils Redeker, Vize-Direktor des Jacques Delors Centre. Die konkreten Inhalte müssten nun folgen.
Diese Handlungsfelder macht der Kanzler dabei aus:
Scholz sprach sich erneut für die Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten aus – der Westbalkan-Länder, der Ukraine, Moldau und perspektivisch auch Georgiens. “Europas Mitte bewegt sich ostwärts”, sagte er, angelehnt an den Historiker Karl Schlögel. Wenn die EU es ernst meine mit der Beitrittsperspektive, müsse sie sich aber reformieren. Auch Vertragsänderungen seien denkbar, “wenn wir gemeinsam zu dem Schluss kommen”. Zuletzt aber lehnte etwa die Hälfte der Mitgliedsstaaten dies ab.
Die EU müsse wirtschaftlich und militärisch eigenständiger werden, fordert Scholz. Nötig sei eine Strategie “Made in Europe 2030”, angelehnt an Chinas Industriestrategie “Made in China 2025”.
Scholz will sich dafür einsetzen, alte Streitthemen beizulegen, die die EU-Staaten gegeneinander aufgebracht haben – insbesondere in der Migrations- und der Finanzpolitik.
Mit Leonie Düngefeld, Markus Grabitz und Corinna Visser.
30.08.2022 – 13:00-14:30 Uhr, online
DGAP, Podiumsdiskussion Die Folgen des Kriegs in der Ukraine für die deutsche Stabilisierungsarbeit
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) diskutiert die Auswirkungen des russischen Kriegs gegen die Ukraine auf die globale Nahrungsmittelsicherheit und auf das deutsche Stabilisierungsmanagement in Krisen und Konflikten. INFOS & ANMELDUNG
31.08.2022 – 10:00-16:00 Uhr, Berlin/online
BDE, Seminar Abfallrecht aktuell 2022 – Was ändert sich?
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) informiert über die verschiedenen gesetzlichen Änderungen im Abfallrecht. INFOS & ANMELDUNG
31.08.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
ASEW, Seminar Synergien durch urbane Datenplattformen
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) beschäftigt sich mit dem Potenzial der zunehmenden Vernetzung von Daten aus urbanen Regionen für Städte und Stadtwerke. INFOS & ANMELDUNG
01.09.2022 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
HBS/FNF, Diskussion Digital Futures – Szenarien für gerechte und inklusive digitale Zukünfte
Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) und die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutieren die Zukunft einer nachhaltigen, fairen und inklusiven Digitalisierung. INFOS & ANMELDUNG
01.09.2022 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
KAS, Diskussion Der Krieg in der Ukraine – Folgen für Deutschland und Europa
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) geht dem aktuellen Stand der hybriden Kriegsführung Russlands in Deutschland nach. INFOS & ANMELDUNG
08.09.2022 – 09:30 Uhr, London (UK)
EEX Sustainability Conference
The EEX group discusses how electricity trade services can make a tangible difference to decarbonisation. ANMELDUNG BIS 31.08.
09.09.2022 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
BVE, Vortrag 10 Jahre IPD – Mit Importförderung zu nachhaltigen Lieferketten und neuen Märkten
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) beleuchtet die Auswirkungen von Importförderungen auf die Wirtschaft. INFOS & ANMELDUNG
Worauf achten beim Kauf eines Smartphones oder einer neuen Waschmaschine? Die Reparierbarkeit dieser Produkte könnte demnächst ein sichtbares Kriterium werden. Im März hat die Europäische Kommission ihren Entwurf für eine neue Ökodesign-Verordnung vorgestellt. Auch ein Vorschlag für ein offizielles Produktlabel, das Informationen über die Reparierbarkeit preisgibt, wird vermutlich bald veröffentlicht. Zunächst soll sich das Bewertungssystem auf Smartphones und Tablets beziehen, später könnte es auf weitere Elektrogeräte ausgeweitet werden.
Frankreich ist in dieser Hinsicht Vorreiter: Bereits im Januar 2021 führte die Regierung den Indice de réparabilité ein – das ist ein Produktlabel, das Käuferinnen anhand einer farblichen Markierung und eines Punktestandes zwischen 0 und 10 anzeigt, wie gut das Produkt reparierbar ist. Bislang gilt es für fünf Produktgruppen: Smartphones, Fernseher, Laptops, Waschmaschinen und Rasenmäher.
Die Hersteller müssen diesen Wert selbst ermitteln. Sie erhalten ein Bewertungsraster vom französischen Ministerium für ökologischen Wandel. Der Index berechnet sich aus fünf Kriterien, die alle zu gleichen Teilen in die Gesamtwertung einfließen: Dokumentation, Zerlegbarkeit, Ersatzteile, Ersatzteilpreis sowie weitere produktspezifische Kriterien wie die Verfügbarkeit von Software-Updates. Pro nicht gelabeltem Modell müssen die Hersteller seit Januar 2022 eine Strafe zahlen.
Der Reparaturindex ist eine Maßnahme aus dem französischen Anti-Abfallgesetzes für eine Kreislaufwirtschaft (AGEC). Die Regierung will damit erreichen, dass in den nächsten fünf Jahren rund 60 Prozent der Elektro- und Elektronikgeräte repariert werden – momentan sind es rund 40 Prozent. Das Label soll Verbraucherinnen mehr Transparenz über die Nachhaltigkeit der Produkte bieten und gleichzeitig Anreize für Produzenten schaffen, langlebigere Geräte herzustellen.
Laut Berechnungen der französischen Agentur für ökologische Transition (ADEME) helfen Reparaturen von Elektrogeräten, erhebliche Mengen Emissionen zu vermeiden: zwischen dem Äquivalent von 13 kg CO2-Emissionen für die Produktion eines Smartphones bis zu 124 kg CO2-Emissionen für ein Fernsehgerät. Pro Jahr können in Frankreich auf diese Weise bis zu 2.218 Tonnen an CO2-Emissionen durch die Reparatur von Smartphones und bis zu 5.704 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr bei Fernsehgeräten eingespart werden, schätzt ADEME.
Ronan Groussier ist Head of Public Affairs der französischen NGO “Halte à l’Obsolescence Programmée” (HOP), eine der Interessengruppen, die im Entstehungsprozess des Labels involviert war. Insgesamt ist er zufrieden mit dem Ergebnis: “Die meisten großen Hindernisse für eine Reparatur, etwa die Verfügbarkeit und der Preis von Ersatzteilen, sind im Index aufgegriffen. Das ist gut”, sagt er. Auch die Verbraucherinnen halten das Modell laut verschiedenen Meinungsumfragen für eine gute Idee.
Allerdings müsse das Label noch transparenter und ambitionierter gestaltet werden. “Wir beobachten, dass die meisten Noten zwischen 6 und 9 von 10 liegen, nur sehr wenige sind niedriger als 5”, erklärt Groussier. “Viele Produkte haben außerdem ähnliche Bewertungen, trotz großer Unterschiede.” Geht es nach HOP, muss die Notenberechnung strenger werden, zunächst sollten alle Noten unter 6 liegen, um Anreize für Verbesserungen zu setzen. Ein Problem sei auch, dass zwischen den fünf Kriterien ein Kompensationseffekt besteht: Die Noten für die einzelnen Kriterien können sich gegenseitig ausgleichen.
Mehr Transparenz und Kontrolle fordert auch der Verein “Runder Tisch Reparatur”: Das französische Umweltministerium setze darauf, dass falsche Angaben und Berechnungsfehler durch zivilgesellschaftliche Akteure erkannt und gemeldet werden, denn die Aufsichtsbehörden kontrollieren die Werte kaum. Die für die Berechnung verwendeten Daten sollten daher öffentlich zugänglich sein. Bislang ist auf der Seite www.indicereparabilite.fr lediglich eine Übersicht bewerteter Produkte zu sehen.
Währenddessen gilt das französische Modell in anderen Ländern als Vorbild. In Belgien soll ein Reparierbarkeitslabel in Anlehnung an das französische als Teil des Federal Action Plan Circular Economy entwickelt werden. Die Organisation HOP erhält regelmäßig Anfragen aus dem Ausland, aus Schweden etwa oder Australien. Kürzlich erst wollte auch die taiwanesische Regierung mit Ronan Groussier über die Erfahrungen in Frankreich sprechen.
Auch das spanische Verbraucherschutzministerium hat 2021 einen “Índice de reparabilidad” angekündigt. “Der Reparabilitätsplan wird zurzeit intern vorangebracht, mit dem Ziel, Spanien zu einem Vorreiter in diesem Bereich zu machen”, sagte eine Sprecherin des Ministeriums zu Europe.Table. “Wir warten zunächst auf die Stellungnahme der Europäischen Kommission, um einen Text vorlegen zu können, der nicht gegen die EU-Vorschriften verstößt.” Sobald der Vorschlag vorliegt, wolle Spanien sein Projekt umsetzen.
Ähnlich klingt es auch in der Bundesregierung: “Wir setzen uns dafür ein, dass auf europäischer Ebene zügig Reparierbarkeit-Scores für Produkte eingeführt werden”, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums Europe.Table. “Wir halten eine Regelung für den gesamten EU-Binnenmarkt für zielführender als allein für die nationale Ebene. Dennoch prüfen wir auch, ob wir auf nationaler Ebene tätig werden können – ähnlich wie die Franzosen -, sollte es zu weiteren größeren Verzögerungen auf EU-Ebene kommen.”
Die Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) Ramona Pop sagte der Deutschen Presseagentur, ein Modell wie in Frankreich sei für Deutschland “nicht nur denkbar, sondern auch wünschenswert. Immer mehr Menschen sagen: Ich muss ja nicht sofort neu kaufen, nur weil etwas kaputt gegangen ist. Wir sehen aber auch, dass hohe Reparaturkosten viele dann doch abschrecken.” Sie schlägt deshalb zusätzlich einen Reparatur-Bonus vor, den die Verbraucherzentrale Thüringen im vergangenen Jahr bereits auf Landesebene eingeführt hat.
Eine kürzlich vom Umweltbundesamt herausgegebene Studie des Wuppertal Instituts empfiehlt ein “öffentlich sichtbares Reparierbarkeitslabel für Geräte (…), analog zum Energieeffizienzlabel”. Dieses sollte sich an einer Reihe an Indikatoren orientieren, welche die Studie in einer Matrix zusammenstellt. Dazu zählen etwa die Demontagetiefe, die Befestigungsart, für die Reparatur benötigte Werkzeuge und die Ersatzteilpolitik des Herstellers.
In Frankreich haben HOP und weitere Interessensgruppen öffentlich gefordert, die Schwachstellen des Reparaturlabels zu überarbeiten. Die Regierung zeigt sich offen, Gespräche zwischen Politik, Industrie und Zivilgesellschaft sollen spätestens Anfang Oktober beginnen. Das französische Reparaturlabel soll laut Gesetz 2024 in ein Haltbarkeitslabel umgewandelt werden, welches den Verbrauchern noch mehr Informationen über die Lebensdauer des Produkts liefert. Details sind jedoch noch nicht bekannt. mit dpa
Die EU bereitet ein Notfallinstrument gegen die Auswirkungen hoher Strompreise vor. Greifen solle es innerhalb weniger Wochen, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern Abend bei einer Diskussion in Berlin. Eine tiefergehende, strukturelle Reform des Strommarktes werde für Beginn des kommenden Jahres vorbereitet. Wie Europe.Table bereits am Freitag berichtete, will die Kommission 2023 einen Legislativvorschlag für ein neues Strommarktdesign vorlegen.
Das bereits zuvor angedachte Sondertreffen der EU-Energieminister soll am 9. September stattfinden. Das kündigte der tschechische Industrie- und Handelsminister Jozef Síkela gestern in Prag an. Thema der Beratungen sollen zum einen mögliche Nothilfen sein. Zur Sprache kommen soll auch der Vorschlag, den Strom- vom Gaspreis zu entkoppeln.
“Der Gaspreis darf nicht mehr den Strompreis dominieren”, bestätigte von der Leyen in Berlin und deutete ein Instrument an, welches das gleiche Resultat wie eine Übergewinnsteuer hätte. Wer Energie zu niedrigen Kosten erzeuge, müsse bei sehr hohen Gewinnen einen Teil abgeben, damit Haushalte mit niedrigem Einkommen und notleidende Unternehmen unterstützt werden können. Die derzeitigen Preise seien das Ergebnis von Spekulation, kritisierte von der Leyen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach sich für den Erhalt der Merit Order aus, damit jeweils die günstigsten Kraftwerke zur Deckung der Stromnachfrage zum Einsatz kommen. “Das heißt aber nicht, dass die Preise der Merit Order automatisch für alle gleichermaßen gelten“, sagte Habeck und äußerte sich auch zu den Perspektiven der Gasverstromung: “Der schnelle Ruf ‘wir kicken alle Gaskraftwerke raus’ ist wahrscheinlich falsch.”
Zur Entwicklung der Gaslieferungen aus Russland sagte von der Leyen zudem, die Kommission rechne mit dem Worst Case: “Putin wird mit großer Wahrscheinlichkeit das Gas auf null reduzieren.”
Zur Frage, wie man den Menschen erklären möchte, dass neben den Energiepreisen auch die CO2-Preise steigen und dadurch die Belastung für Verbraucher noch größer wird, kam Habeck nicht umhin, die Alternativlosigkeit einer ambitionierten Klimapolitik zu betonen. Und auch von der Leyen betonte noch einmal, dass der Green Deal der Ausweg aus der Krise sei, statt für die Verschärfung der Krise zu sorgen. ber/luk/dpa
Die Außen- und Verteidigungsminister der EU-Staaten kommen an diesem Dienstag in Prag zu Beratungen über den anhaltenden Krieg Russlands gegen die Ukraine zusammen. Bei den Gesprächen der Verteidigungsminister am Vormittag soll unter anderem der Vorschlag des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell für einen europäischen Ausbildungseinsatz für die ukrainischen Streitkräfte Thema sein.
Mehrere EU-Länder bilden seit einiger Zeit ukrainische Truppen aus. Ziel ist vor allem, sie in die Lage zu versetzen, die Waffen zu bedienen, die westliche Länder an die Ukraine liefern. Es ist noch nicht klar, wo ein EU-Ausbildungsprogramm angesiedelt werden könnte und welches Mandat es haben könnte, sagten EU-Diplomaten vor dem Treffen der Verteidigungsminister gegenüber Reuters.
Die Außenminister werden sich unter anderem mit der Frage befassen, ob verhindert werden sollte, dass russische Staatsbürger als Touristen in die EU reisen. Nach Angaben von EU-Beamten könnten sie sich auf eine Verschärfung der Visa-Vergabe für Russen einigen und ein umfassenderes Verbot von Touristenvisa diskutieren. Als wahrscheinlich galt zuletzt, dass in einem ersten Schritt das noch bestehende Abkommen mit Russland zur Erleichterung der Ausstellung von Visa vollständig ausgesetzt wird.
Ein EU-Diplomat sagte am Montag, die Außenminister könnten sich grundsätzlich auf die Aussetzung des Abkommens einigen, was bedeuten würde, dass Russen 80 Euro statt 35 Euro für EU-Visa zahlen müssten und außerdem ein längeres Verfahren zu erwarten hätten. Bislang wurde das Abkommen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine offiziell nur für Geschäftsleute, Regierungsvertreter und Diplomaten außer Kraft gesetzt.
Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala hat sich für eine vollständige Aussetzung der Visa-Vergabe von EU-Staaten an russische Staatsbürger ausgesprochen. “Wir sind davon überzeugt, dass man ein klares Signal an die russische Gesellschaft aussenden muss”, sagte er nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag in Prag.
Bundeskanzler Olaf Scholz und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell lehnen einen solchen Schritt ab, da er gegen EU-Regeln verstoßen und russischen Dissidenten die Fluchtwege abschneiden könnte. Länder wie Tschechien haben die Vergabe von neuen Visa an russische Staatsbürger schon seit Längerem eigenmächtig weitgehend eingestellt. Dort gibt es nur sehr wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel für politisch Verfolgte oder enge Familienangehörige von EU-Bürgern. Mitte August schloss Estland als erstes Land in der EU seine Grenze für mehr als 50.000 Russen mit zuvor ausgestellten Visa. rtr/dpa
Das Bundeswirtschaftsministerium und die EU–Kommission haben sich beim Investitionsschutz auf Klarstellungen im Text des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada (Ceta) geeinigt. Die Klarstellungen, die jetzt noch mit den anderen EU-Ländern abgestimmt werden müssen, sollen den Weg frei machen für die Ratifizierung des seit September 2017 vorläufig angewandten Abkommens durch Deutschland.
Bislang haben 16 EU-Mitgliedstaaten Ceta ratifiziert. Damit das Abkommen endgültig in Kraft treten kann, müssen alle EU-Länder dies tun. Die Ampel-Regierung hatte sich für die Ratifizierung ausgesprochen, aber Klarstellungen bei den Textpassagen zum Investitionsschutz zur Bedingung gemacht.
Dabei ging es konkret darum, Rechtssicherheit zu gewährleisten und jeglichen Missbrauch auszuschließen. Kommission und Wirtschaftsministerium teilten mit, dass man sich bei den “sehr technischen Gesprächen” auf noch präzisere Definitionen der Begriffe “indirekte Enteignung” und der sogenannten “gerechten und billigen Behandlung” von Investoren geeinigt habe. Hier solle vor allem sichergestellt werden, dass notwendige Maßnahmen im Rahmen der Klima-, Energie- oder Gesundheitspolitik nicht von Investoren ausgehebelt werden oder zu Schadenersatzansprüchen führen können.
Die Kommission, die für die Handelspolitik der EU zuständig ist, will nun die Zustimmung der 26 anderen Mitgliedstaaten einholen. Sobald dies geschehen ist, sollen die Klarstellungen mit der kanadischen Seite besprochen und in den Vertragstext aufgenommen werden.
Franziska Brantner (Grüne), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, bekennt sich zu Ceta: “Wichtig ist aber, dass im Rahmen des bestehenden Abkommens klargestellt wird, dass das gemeinsame Ziel des Klimaschutzes ermöglicht wird und missbräuchliche Anwendungen im Bereich des Investitionsschutzes verhindert werden.” mgr
Zwei Impfstoffe, die eigens auf die COVID-19-Variante Omikron abgestimmt sind, stehen nach Informationen von Europe.Table unmittelbar vor der Zulassung in der EU. Es wird damit gerechnet, dass die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) am Donnerstag die Freigabe für die Impfstoffe von Biontech/Pfizer sowie von Moderna erteilen wird. Die EU hat mit beiden Herstellern Lieferverträge abgeschlossen. Daher dürfte schon in den nächsten Wochen das angepasste Vakzin für EU-Bürger zur Verfügung stehen. Mit dem Hersteller Biontech/Pfizer hat die EU Verträge über die Lieferung besonders hoher Stückzahlen abgeschlossen.
Die Impfstoffe sind auf die Omikron-Variante ba.1 angepasst, die Anfang des Jahres zirkulierte. Mittlerweile sind bereits die Varianten ba.4 und ba.5 unterwegs. Man geht davon aus, dass die neuen Impfstoffe einen wesentlich besseren Schutz gegen schwere Verläufe gewähren als die bisherigen Impfstoffe. Einen umfangreichen Schutz gegen eine Infektion dürften aber auch die neuen Impfstoffe nicht bieten. In den ersten Wochen nach der Impfung sei der Schutz höher, heißt es in Expertenkreisen, lasse dann aber wohl langsam nach.
Bisher richtet sich die Empfehlung von EMA und Ständiger Impfkommission (Stiko) für eine Auffrischungsimpfung an Ältere über 60 und Risikopatienten. Sie basierte auf den Erfahrungen mit Impfstoffen, die nicht auf Omikron angepasst waren. Mit der Zulassung von eigens angepassten Impfstoffen dürfte die Empfehlung neu diskutiert werden. Man geht davon aus, dass der Impfstoff schon bald auch Jüngeren und Nicht-Risikopatienten als vierte und fünfte Impfung empfohlen wird. mgr
Google verfügt nach einer Untersuchung des Bundeskartellamtes auch außerhalb des Kerngeschäfts mit seiner Suchmaschine über eine starke Marktposition bei Online-Werbung. Diese müsse kartellrechtlich untersucht werden, geht aus einem “Diskussionsbericht” der Behörde hervor, der am Montag in Bonn veröffentlicht wurde. Das Bundeskartellamt hatte bereits im Mai 2021 eine Untersuchung gegen Google und die Konzernmutter Alphabet zum Kerngeschäft eingeleitet.
Hinter der Werbung außerhalb von Suchmaschinen stecke ein “hochkomplexes, für viele recht intransparentes System des automatisierten Handels mit Online-Werbeplätzen”, sagte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. “Google hat auch in diesem technischen Teilbereich der Online-Werbung auf nahezu allen Stufen der Wertschöpfungskette eine starke Marktposition. Es stellen sich nicht zuletzt deshalb zahlreiche wettbewerbliche Fragen.”
Die Online-Werbetechnik ermögliche einen hochgradig komplexen und stark automatisierten Handel mit den Werbeflächen, die automatisierte Ausspielung der Anzeigen sowie Messung der Werbestatistiken. Die Untersuchung habe gezeigt, dass bei diesem sogenannten Programmatic Advertising einzelne Marktteilnehmer – und hier insbesondere Google – erheblichen Einfluss auf das Gesamtsystem hätten.
Behördenchef Mundt verwies in diesem Zusammenhang auf Instrumente der erweiterten Missbrauchsaufsicht, die der deutsche Gesetzgeber Anfang 2021 eingeführt hat. Die neuen Regeln des Paragrafen 19a GWB erlaubten dem Bundeskartellamt ein früheres und effektiveres Eingreifen gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. Das Bundeskartellamt ermögliche es Marktteilnehmern und interessierten Kreisen, zum jetzt veröffentlichten Diskussionsbericht bis zum 28. Oktober 2022 Stellung zu nehmen.
Ein Google-Sprecher erklärte, Werbetools von Google und vielen anderen Wettbewerbern würden Anbietern von Websites und Apps bei der Finanzierung ihrer Inhalte helfen. Die Untersuchung des Bundeskartellamts decke nur einen Bruchteil des breitgefächerten und äußerst wettbewerbsintensiven Ad-Tech-Marktes ab. dpa
Die EU-Kartellbehörde wird keine Berufung gegen ein Gerichtsurteil einlegen, mit dem die 997 Millionen Euro schwere Geldstrafe gegen den US-Chiphersteller Qualcomm aufgehoben wurde. Das erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von mit der Angelegenheit vertrauten Personen. Man gehe nicht davon aus, dass eine Berufung Erfolg haben werde, hieß es.
Das Gericht der Europäischen Union hatte in seinem Urteil vom Juni die Handhabung des Falls durch die Europäische Kommission scharf kritisiert und erklärt, Verfahrensfehler hätten Qualcomms Verteidigungsrechte beeinträchtigt. Die Richter erklärten auch die Analyse der Kommission für ungültig, wonach die Zahlungen von Qualcomm an Apple wettbewerbswidrig waren, da die Regulierungsbehörde nicht alle relevanten Fakten berücksichtigt hatte.
Die Kommission hatte 2018 die Strafe gegen Qualcomm verhängt, weil sie der Ansicht war, das amerikanische Unternehmen habe Milliarden Dollar an Apple gezahlt, damit Apple nicht bei der Konkurrenz kaufe, so die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager damals. Das Urteil war ein herber Rückschlag für Vestager. Die Kommission lehnte eine Stellungnahme ab.
Die nächste Bewährungsprobe steht Vestager am 14. September bevor, wenn das Gericht über die Anfechtung einer Rekord-Kartellstrafe in Höhe von 4,34 Milliarden Euro entscheidet, die Google wegen der Nutzung seines mobilen Betriebssystems Android zur Verdrängung von Konkurrenten verhängt hat. rtr/dpa
Spätestens seit der Pandemie ist klar: Die Digitalisierung in Deutschland hat noch einen weiten Weg vor sich. Einer, der den Fortschritt unterstützen will, ist Heiko Gossen, Geschäftsführer von migosens, einem Beratungsunternehmen für Datenschutz, Informationssicherheit und Worksmart. Kunden und Kundinnen von migosens kommen aus dem Bereich Telekommunikation, Energie, Finanzen oder Produktion.
Studiert hat der ursprünglich aus der Eifel stammende Gossen Energietechnik an der Fachhochschule Köln, den Abschluss hat er aber nicht gemacht. Stattdessen arbeitete er einige Jahre im Bereich Film als Tonassistent. Auf die Frage, wie er davon zum Datenschutz gekommen ist, sagt Gossen: “Ich sage manchmal scherzhaft, mein Lebenslauf entspricht dem typischen Lebenslauf eines Datenschützers: Da kommt ganz viel drin vor – nur das Thema Datenschutz war nie auf dem Schirm.” 2004 will es der Zufall, dass ein Kollege von Gossen für ein Datenschutz-Seminar ausfällt und Gossen stattdessen hingeht. Von da an lässt ihn das Thema nicht mehr los. Im Jahr 2005 gründete er migosens, gemeinsam mit Paiman Minavi.
Im Vorstand des Arbeitskreises Datenschutz des Digitalverbands Bitkom hat Gossen mehrere Praxisleitfäden zum Datenschutz erarbeitet. “Der Arbeitskreis und seine Arbeit sind so wichtig, weil die Mitgliedsunternehmen aus der Digitalwirtschaft eine sehr große Datenschutzkompetenz bündeln, die gleichzeitig die reale Welt mit ihren Geschäftsmodellen kennt”, sagt Gossen.
Deutschlands Scheu in der Digitalisierung lässt sich seiner Meinung nach auf viele Faktoren zurückführen: “Wir hören ganz oft, dass der Datenschutz ein großer Hemmschuh sei. Ich glaube aber, dass die Zahl der Fälle, wo der Datenschutz dem Fortschritt wirklich im Wege steht, vernachlässigbar gering ist”, sagt Gossen. In anderen europäischen Ländern würden ja die gleichen Datenschutzverordnungen gelten.
Gleichzeitig sei es wichtig, dass Unternehmen nicht von unzureichender Infrastruktur gebremst würden, beispielsweise durch flächendeckend verfügbares Breitband. “Außerdem müssen wir weiterhin daran arbeiten, dass Digitalisierung nicht als Schreckgespenst wahrgenommen wird, sondern als Chance. Sowohl von Unternehmen als auch innerhalb der Gesellschaft”, sagt der 47-Jährige.
Darum sei es entscheidend, auch Vorbehalte abzubauen, etwa im Hinblick auf den Wegfall von Arbeitsplätzen. Der Fachkräftemangel ließe sich beispielsweise nur durch Fortschritt lösen und ein wichtiger Baustein dabei sei die Digitalisierung. “Die Arbeit verändert sich, aber sie fällt nicht weg”, ist Gossen überzeugt.
Wie eine erfolgreiche Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft aussehen könnte, fällt dem Migosens-Geschäftsführer schwer zu prognostizieren. Es gebe zu viele individuelle Facetten. Wichtige Faktoren für ihn seien aber autonomes Fahren, die Automatisierung von Prozessen in Unternehmen oder die Digitalisierung deutscher Behörden.
Auch wenn autonomes Fahren noch in weiter Ferne liegt, Autofahren beschäftigt Heiko Gossen auch in seiner Freizeit. Wohnmobil fahren, um genau zu sein. Er gehört allerdings nicht zu denen, die sich den Camper erst in der Pandemie angeschafft haben, sondern er war schon vorher da. Gossen schätzt die Freiheit und die Flexibilität. “So sind wir nicht darauf angewiesen, dass das Wetter an unserem Standort gut ist, sondern wir suchen uns den Ort nach dem Wetter aus.” Arbeiten geht für ihn ja auch schon standortunabhängig digital, zur Not auch aus dem Wohnmobil. Sarah Tekath
“die Rede ist vor allem deshalb aufschlussreich, weil sie zeigt, worüber die Bundesregierung zu sprechen bereit ist”, sagt Nils Redeker vom Jacques Delors Centre über die gestrige europapolitische Grundsatzrede von Bundeskanzler Scholz in Prag. Zur Sprache kamen bekannte Positionen des Kanzlers, etwa die Befürwortung einer Aufnahme der Westbalkan-Länder, der Ukraine, Moldau und langfristig auch Georgiens. Doch Scholz setzte auch neue Impulse, etwa indem er andeutete, dass Deutschland offen sei für ein neues Hilfsprogramm nach dem Vorbild von SURE, um die Folgen der Energiekrise abzumildern. Für Kritik sorgten insbesondere jene Punkte, die Scholz nicht erwähnte. Unsere ausführliche Analyse der Rede lesen Sie gleich im Anschluss.
Noch immer gilt bei Elektrogeräten meist: Neu kaufen ist attraktiver als reparieren. Das soll sich ändern. Die Reparierbarkeit von Produkten könnte ein sichtbares Kriterium beim Kauf eines Smartphones oder einer Waschmaschine werden. Mehrere Mitgliedstaaten, etwa Spanien, Belgien und Deutschland, haben konkrete Pläne für ein Reparatur-Label. Ein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission steht bislang aus. Frankreich ist da schon einen Schritt weiter: Im vergangenen Jahr führte das Land den Indice de réparabilité ein. Das erste Fazit ist positiv, doch NGOs haben auch Schwachstellen ausfindig gemacht. Leonie Düngefeld berichtet.
Die EU arbeitet an einem Notfallinstrument gegen die Auswirkungen hoher Strompreise. Greifen soll es schon bald. “Da sprechen wir von Wochen”, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern bei einer Veranstaltung mit Wirtschaftsminister Robert Habeck im Bundeswirtschaftsministerium. Zudem kündigte sie eine strukturelle Reform des Strommarktes an, über die Europe.Table bereits in der vergangenen Woche berichtete. Auch hier soll es schnell gehen: Die Reform ist bereits für Anfang 2023 geplant. Mehr erfahren Sie in den News.
Bald fünf Jahre ist es her, dass Emmanuel Macron seine Vorschläge für die Europäische Union an der Pariser Sorbonne-Universität vorstellte. Unter Angela Merkel blieb die Bundesregierung eine Antwort darauf schuldig. Der russische Angriff auf die Ukraine aber hat die Gemeinschaft in eine Reformdiskussion gezwungen, der sich ihr Nachfolger Olaf Scholz weder entziehen konnte, noch wollte. An der Prager Karls-Universität skizzierte der Bundeskanzler in einer Grundsatzrede gestern die Vorstellungen seiner Regierung zur Zukunft Europas.
Tschechien hat im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft inne, aber Scholz wollte an dieser Stelle auch eine Botschaft an die mittel- und osteuropäischen Staaten senden: Deren Bürger hätten während des Kalten Krieges das Gefühl bekommen, vom Westen hinter dem Eisernen Vorhang vergessen worden zu sein, sagte er. Das wirke bis heute nach, auch in den Debatten um die Zukunft der EU.
Am Schauplatz des Prager Frühlings 1968 und der Samtenen Revolution 1989 wollte der Kanzler überdies für sich klarziehen, “wo künftig die Trennlinie verläuft zwischen diesem freien Europa und einer neo-imperialen Autokratie”. Putins Russland definiere sich auf absehbare Zeit in Gegnerschaft zur Europäischen Union, sagte er. Auch China nutze die offenen Flanken, die die Europäer böten. Für die EU gelte es deshalb, nicht länger nur den Frieden nach innen zu sichern, sondern auch die Sicherheit nach außen zu gewährleisten. Dafür müsse sie “die Reihen schließen, alte Konflikte überwinden und neue Lösungen finden”.
Viele seiner konkreten Vorschläge hatte er schon in den vergangenen Monaten angerissen, aber Scholz setzte auch neue Impulse: Er unterbreitete den Nachbarländern das Angebot, gemeinsam eine europäische Luftabwehr aufzubauen. Zudem deutete Scholz an, dass Deutschland offen sei für ein neues Hilfsprogramm nach dem Vorbild von SURE, um die Folgen der Energiekrise abzufedern. “Die Rede ist vor allem deshalb aufschlussreich, weil sie zeigt, worüber die Bundesregierung zu sprechen bereit ist”, sagt Nils Redeker, Vize-Direktor des Jacques Delors Centre. Die konkreten Inhalte müssten nun folgen.
Diese Handlungsfelder macht der Kanzler dabei aus:
Scholz sprach sich erneut für die Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten aus – der Westbalkan-Länder, der Ukraine, Moldau und perspektivisch auch Georgiens. “Europas Mitte bewegt sich ostwärts”, sagte er, angelehnt an den Historiker Karl Schlögel. Wenn die EU es ernst meine mit der Beitrittsperspektive, müsse sie sich aber reformieren. Auch Vertragsänderungen seien denkbar, “wenn wir gemeinsam zu dem Schluss kommen”. Zuletzt aber lehnte etwa die Hälfte der Mitgliedsstaaten dies ab.
Die EU müsse wirtschaftlich und militärisch eigenständiger werden, fordert Scholz. Nötig sei eine Strategie “Made in Europe 2030”, angelehnt an Chinas Industriestrategie “Made in China 2025”.
Scholz will sich dafür einsetzen, alte Streitthemen beizulegen, die die EU-Staaten gegeneinander aufgebracht haben – insbesondere in der Migrations- und der Finanzpolitik.
Mit Leonie Düngefeld, Markus Grabitz und Corinna Visser.
30.08.2022 – 13:00-14:30 Uhr, online
DGAP, Podiumsdiskussion Die Folgen des Kriegs in der Ukraine für die deutsche Stabilisierungsarbeit
Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) diskutiert die Auswirkungen des russischen Kriegs gegen die Ukraine auf die globale Nahrungsmittelsicherheit und auf das deutsche Stabilisierungsmanagement in Krisen und Konflikten. INFOS & ANMELDUNG
31.08.2022 – 10:00-16:00 Uhr, Berlin/online
BDE, Seminar Abfallrecht aktuell 2022 – Was ändert sich?
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) informiert über die verschiedenen gesetzlichen Änderungen im Abfallrecht. INFOS & ANMELDUNG
31.08.2022 – 10:00-11:00 Uhr, online
ASEW, Seminar Synergien durch urbane Datenplattformen
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) beschäftigt sich mit dem Potenzial der zunehmenden Vernetzung von Daten aus urbanen Regionen für Städte und Stadtwerke. INFOS & ANMELDUNG
01.09.2022 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
HBS/FNF, Diskussion Digital Futures – Szenarien für gerechte und inklusive digitale Zukünfte
Die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) und die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) diskutieren die Zukunft einer nachhaltigen, fairen und inklusiven Digitalisierung. INFOS & ANMELDUNG
01.09.2022 – 18:30-20:00 Uhr, Berlin
KAS, Diskussion Der Krieg in der Ukraine – Folgen für Deutschland und Europa
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) geht dem aktuellen Stand der hybriden Kriegsführung Russlands in Deutschland nach. INFOS & ANMELDUNG
08.09.2022 – 09:30 Uhr, London (UK)
EEX Sustainability Conference
The EEX group discusses how electricity trade services can make a tangible difference to decarbonisation. ANMELDUNG BIS 31.08.
09.09.2022 – 10:00-14:00 Uhr, Berlin
BVE, Vortrag 10 Jahre IPD – Mit Importförderung zu nachhaltigen Lieferketten und neuen Märkten
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) beleuchtet die Auswirkungen von Importförderungen auf die Wirtschaft. INFOS & ANMELDUNG
Worauf achten beim Kauf eines Smartphones oder einer neuen Waschmaschine? Die Reparierbarkeit dieser Produkte könnte demnächst ein sichtbares Kriterium werden. Im März hat die Europäische Kommission ihren Entwurf für eine neue Ökodesign-Verordnung vorgestellt. Auch ein Vorschlag für ein offizielles Produktlabel, das Informationen über die Reparierbarkeit preisgibt, wird vermutlich bald veröffentlicht. Zunächst soll sich das Bewertungssystem auf Smartphones und Tablets beziehen, später könnte es auf weitere Elektrogeräte ausgeweitet werden.
Frankreich ist in dieser Hinsicht Vorreiter: Bereits im Januar 2021 führte die Regierung den Indice de réparabilité ein – das ist ein Produktlabel, das Käuferinnen anhand einer farblichen Markierung und eines Punktestandes zwischen 0 und 10 anzeigt, wie gut das Produkt reparierbar ist. Bislang gilt es für fünf Produktgruppen: Smartphones, Fernseher, Laptops, Waschmaschinen und Rasenmäher.
Die Hersteller müssen diesen Wert selbst ermitteln. Sie erhalten ein Bewertungsraster vom französischen Ministerium für ökologischen Wandel. Der Index berechnet sich aus fünf Kriterien, die alle zu gleichen Teilen in die Gesamtwertung einfließen: Dokumentation, Zerlegbarkeit, Ersatzteile, Ersatzteilpreis sowie weitere produktspezifische Kriterien wie die Verfügbarkeit von Software-Updates. Pro nicht gelabeltem Modell müssen die Hersteller seit Januar 2022 eine Strafe zahlen.
Der Reparaturindex ist eine Maßnahme aus dem französischen Anti-Abfallgesetzes für eine Kreislaufwirtschaft (AGEC). Die Regierung will damit erreichen, dass in den nächsten fünf Jahren rund 60 Prozent der Elektro- und Elektronikgeräte repariert werden – momentan sind es rund 40 Prozent. Das Label soll Verbraucherinnen mehr Transparenz über die Nachhaltigkeit der Produkte bieten und gleichzeitig Anreize für Produzenten schaffen, langlebigere Geräte herzustellen.
Laut Berechnungen der französischen Agentur für ökologische Transition (ADEME) helfen Reparaturen von Elektrogeräten, erhebliche Mengen Emissionen zu vermeiden: zwischen dem Äquivalent von 13 kg CO2-Emissionen für die Produktion eines Smartphones bis zu 124 kg CO2-Emissionen für ein Fernsehgerät. Pro Jahr können in Frankreich auf diese Weise bis zu 2.218 Tonnen an CO2-Emissionen durch die Reparatur von Smartphones und bis zu 5.704 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr bei Fernsehgeräten eingespart werden, schätzt ADEME.
Ronan Groussier ist Head of Public Affairs der französischen NGO “Halte à l’Obsolescence Programmée” (HOP), eine der Interessengruppen, die im Entstehungsprozess des Labels involviert war. Insgesamt ist er zufrieden mit dem Ergebnis: “Die meisten großen Hindernisse für eine Reparatur, etwa die Verfügbarkeit und der Preis von Ersatzteilen, sind im Index aufgegriffen. Das ist gut”, sagt er. Auch die Verbraucherinnen halten das Modell laut verschiedenen Meinungsumfragen für eine gute Idee.
Allerdings müsse das Label noch transparenter und ambitionierter gestaltet werden. “Wir beobachten, dass die meisten Noten zwischen 6 und 9 von 10 liegen, nur sehr wenige sind niedriger als 5”, erklärt Groussier. “Viele Produkte haben außerdem ähnliche Bewertungen, trotz großer Unterschiede.” Geht es nach HOP, muss die Notenberechnung strenger werden, zunächst sollten alle Noten unter 6 liegen, um Anreize für Verbesserungen zu setzen. Ein Problem sei auch, dass zwischen den fünf Kriterien ein Kompensationseffekt besteht: Die Noten für die einzelnen Kriterien können sich gegenseitig ausgleichen.
Mehr Transparenz und Kontrolle fordert auch der Verein “Runder Tisch Reparatur”: Das französische Umweltministerium setze darauf, dass falsche Angaben und Berechnungsfehler durch zivilgesellschaftliche Akteure erkannt und gemeldet werden, denn die Aufsichtsbehörden kontrollieren die Werte kaum. Die für die Berechnung verwendeten Daten sollten daher öffentlich zugänglich sein. Bislang ist auf der Seite www.indicereparabilite.fr lediglich eine Übersicht bewerteter Produkte zu sehen.
Währenddessen gilt das französische Modell in anderen Ländern als Vorbild. In Belgien soll ein Reparierbarkeitslabel in Anlehnung an das französische als Teil des Federal Action Plan Circular Economy entwickelt werden. Die Organisation HOP erhält regelmäßig Anfragen aus dem Ausland, aus Schweden etwa oder Australien. Kürzlich erst wollte auch die taiwanesische Regierung mit Ronan Groussier über die Erfahrungen in Frankreich sprechen.
Auch das spanische Verbraucherschutzministerium hat 2021 einen “Índice de reparabilidad” angekündigt. “Der Reparabilitätsplan wird zurzeit intern vorangebracht, mit dem Ziel, Spanien zu einem Vorreiter in diesem Bereich zu machen”, sagte eine Sprecherin des Ministeriums zu Europe.Table. “Wir warten zunächst auf die Stellungnahme der Europäischen Kommission, um einen Text vorlegen zu können, der nicht gegen die EU-Vorschriften verstößt.” Sobald der Vorschlag vorliegt, wolle Spanien sein Projekt umsetzen.
Ähnlich klingt es auch in der Bundesregierung: “Wir setzen uns dafür ein, dass auf europäischer Ebene zügig Reparierbarkeit-Scores für Produkte eingeführt werden”, sagte ein Sprecher des Bundesumweltministeriums Europe.Table. “Wir halten eine Regelung für den gesamten EU-Binnenmarkt für zielführender als allein für die nationale Ebene. Dennoch prüfen wir auch, ob wir auf nationaler Ebene tätig werden können – ähnlich wie die Franzosen -, sollte es zu weiteren größeren Verzögerungen auf EU-Ebene kommen.”
Die Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) Ramona Pop sagte der Deutschen Presseagentur, ein Modell wie in Frankreich sei für Deutschland “nicht nur denkbar, sondern auch wünschenswert. Immer mehr Menschen sagen: Ich muss ja nicht sofort neu kaufen, nur weil etwas kaputt gegangen ist. Wir sehen aber auch, dass hohe Reparaturkosten viele dann doch abschrecken.” Sie schlägt deshalb zusätzlich einen Reparatur-Bonus vor, den die Verbraucherzentrale Thüringen im vergangenen Jahr bereits auf Landesebene eingeführt hat.
Eine kürzlich vom Umweltbundesamt herausgegebene Studie des Wuppertal Instituts empfiehlt ein “öffentlich sichtbares Reparierbarkeitslabel für Geräte (…), analog zum Energieeffizienzlabel”. Dieses sollte sich an einer Reihe an Indikatoren orientieren, welche die Studie in einer Matrix zusammenstellt. Dazu zählen etwa die Demontagetiefe, die Befestigungsart, für die Reparatur benötigte Werkzeuge und die Ersatzteilpolitik des Herstellers.
In Frankreich haben HOP und weitere Interessensgruppen öffentlich gefordert, die Schwachstellen des Reparaturlabels zu überarbeiten. Die Regierung zeigt sich offen, Gespräche zwischen Politik, Industrie und Zivilgesellschaft sollen spätestens Anfang Oktober beginnen. Das französische Reparaturlabel soll laut Gesetz 2024 in ein Haltbarkeitslabel umgewandelt werden, welches den Verbrauchern noch mehr Informationen über die Lebensdauer des Produkts liefert. Details sind jedoch noch nicht bekannt. mit dpa
Die EU bereitet ein Notfallinstrument gegen die Auswirkungen hoher Strompreise vor. Greifen solle es innerhalb weniger Wochen, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern Abend bei einer Diskussion in Berlin. Eine tiefergehende, strukturelle Reform des Strommarktes werde für Beginn des kommenden Jahres vorbereitet. Wie Europe.Table bereits am Freitag berichtete, will die Kommission 2023 einen Legislativvorschlag für ein neues Strommarktdesign vorlegen.
Das bereits zuvor angedachte Sondertreffen der EU-Energieminister soll am 9. September stattfinden. Das kündigte der tschechische Industrie- und Handelsminister Jozef Síkela gestern in Prag an. Thema der Beratungen sollen zum einen mögliche Nothilfen sein. Zur Sprache kommen soll auch der Vorschlag, den Strom- vom Gaspreis zu entkoppeln.
“Der Gaspreis darf nicht mehr den Strompreis dominieren”, bestätigte von der Leyen in Berlin und deutete ein Instrument an, welches das gleiche Resultat wie eine Übergewinnsteuer hätte. Wer Energie zu niedrigen Kosten erzeuge, müsse bei sehr hohen Gewinnen einen Teil abgeben, damit Haushalte mit niedrigem Einkommen und notleidende Unternehmen unterstützt werden können. Die derzeitigen Preise seien das Ergebnis von Spekulation, kritisierte von der Leyen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach sich für den Erhalt der Merit Order aus, damit jeweils die günstigsten Kraftwerke zur Deckung der Stromnachfrage zum Einsatz kommen. “Das heißt aber nicht, dass die Preise der Merit Order automatisch für alle gleichermaßen gelten“, sagte Habeck und äußerte sich auch zu den Perspektiven der Gasverstromung: “Der schnelle Ruf ‘wir kicken alle Gaskraftwerke raus’ ist wahrscheinlich falsch.”
Zur Entwicklung der Gaslieferungen aus Russland sagte von der Leyen zudem, die Kommission rechne mit dem Worst Case: “Putin wird mit großer Wahrscheinlichkeit das Gas auf null reduzieren.”
Zur Frage, wie man den Menschen erklären möchte, dass neben den Energiepreisen auch die CO2-Preise steigen und dadurch die Belastung für Verbraucher noch größer wird, kam Habeck nicht umhin, die Alternativlosigkeit einer ambitionierten Klimapolitik zu betonen. Und auch von der Leyen betonte noch einmal, dass der Green Deal der Ausweg aus der Krise sei, statt für die Verschärfung der Krise zu sorgen. ber/luk/dpa
Die Außen- und Verteidigungsminister der EU-Staaten kommen an diesem Dienstag in Prag zu Beratungen über den anhaltenden Krieg Russlands gegen die Ukraine zusammen. Bei den Gesprächen der Verteidigungsminister am Vormittag soll unter anderem der Vorschlag des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell für einen europäischen Ausbildungseinsatz für die ukrainischen Streitkräfte Thema sein.
Mehrere EU-Länder bilden seit einiger Zeit ukrainische Truppen aus. Ziel ist vor allem, sie in die Lage zu versetzen, die Waffen zu bedienen, die westliche Länder an die Ukraine liefern. Es ist noch nicht klar, wo ein EU-Ausbildungsprogramm angesiedelt werden könnte und welches Mandat es haben könnte, sagten EU-Diplomaten vor dem Treffen der Verteidigungsminister gegenüber Reuters.
Die Außenminister werden sich unter anderem mit der Frage befassen, ob verhindert werden sollte, dass russische Staatsbürger als Touristen in die EU reisen. Nach Angaben von EU-Beamten könnten sie sich auf eine Verschärfung der Visa-Vergabe für Russen einigen und ein umfassenderes Verbot von Touristenvisa diskutieren. Als wahrscheinlich galt zuletzt, dass in einem ersten Schritt das noch bestehende Abkommen mit Russland zur Erleichterung der Ausstellung von Visa vollständig ausgesetzt wird.
Ein EU-Diplomat sagte am Montag, die Außenminister könnten sich grundsätzlich auf die Aussetzung des Abkommens einigen, was bedeuten würde, dass Russen 80 Euro statt 35 Euro für EU-Visa zahlen müssten und außerdem ein längeres Verfahren zu erwarten hätten. Bislang wurde das Abkommen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine offiziell nur für Geschäftsleute, Regierungsvertreter und Diplomaten außer Kraft gesetzt.
Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala hat sich für eine vollständige Aussetzung der Visa-Vergabe von EU-Staaten an russische Staatsbürger ausgesprochen. “Wir sind davon überzeugt, dass man ein klares Signal an die russische Gesellschaft aussenden muss”, sagte er nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag in Prag.
Bundeskanzler Olaf Scholz und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell lehnen einen solchen Schritt ab, da er gegen EU-Regeln verstoßen und russischen Dissidenten die Fluchtwege abschneiden könnte. Länder wie Tschechien haben die Vergabe von neuen Visa an russische Staatsbürger schon seit Längerem eigenmächtig weitgehend eingestellt. Dort gibt es nur sehr wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel für politisch Verfolgte oder enge Familienangehörige von EU-Bürgern. Mitte August schloss Estland als erstes Land in der EU seine Grenze für mehr als 50.000 Russen mit zuvor ausgestellten Visa. rtr/dpa
Das Bundeswirtschaftsministerium und die EU–Kommission haben sich beim Investitionsschutz auf Klarstellungen im Text des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada (Ceta) geeinigt. Die Klarstellungen, die jetzt noch mit den anderen EU-Ländern abgestimmt werden müssen, sollen den Weg frei machen für die Ratifizierung des seit September 2017 vorläufig angewandten Abkommens durch Deutschland.
Bislang haben 16 EU-Mitgliedstaaten Ceta ratifiziert. Damit das Abkommen endgültig in Kraft treten kann, müssen alle EU-Länder dies tun. Die Ampel-Regierung hatte sich für die Ratifizierung ausgesprochen, aber Klarstellungen bei den Textpassagen zum Investitionsschutz zur Bedingung gemacht.
Dabei ging es konkret darum, Rechtssicherheit zu gewährleisten und jeglichen Missbrauch auszuschließen. Kommission und Wirtschaftsministerium teilten mit, dass man sich bei den “sehr technischen Gesprächen” auf noch präzisere Definitionen der Begriffe “indirekte Enteignung” und der sogenannten “gerechten und billigen Behandlung” von Investoren geeinigt habe. Hier solle vor allem sichergestellt werden, dass notwendige Maßnahmen im Rahmen der Klima-, Energie- oder Gesundheitspolitik nicht von Investoren ausgehebelt werden oder zu Schadenersatzansprüchen führen können.
Die Kommission, die für die Handelspolitik der EU zuständig ist, will nun die Zustimmung der 26 anderen Mitgliedstaaten einholen. Sobald dies geschehen ist, sollen die Klarstellungen mit der kanadischen Seite besprochen und in den Vertragstext aufgenommen werden.
Franziska Brantner (Grüne), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, bekennt sich zu Ceta: “Wichtig ist aber, dass im Rahmen des bestehenden Abkommens klargestellt wird, dass das gemeinsame Ziel des Klimaschutzes ermöglicht wird und missbräuchliche Anwendungen im Bereich des Investitionsschutzes verhindert werden.” mgr
Zwei Impfstoffe, die eigens auf die COVID-19-Variante Omikron abgestimmt sind, stehen nach Informationen von Europe.Table unmittelbar vor der Zulassung in der EU. Es wird damit gerechnet, dass die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) am Donnerstag die Freigabe für die Impfstoffe von Biontech/Pfizer sowie von Moderna erteilen wird. Die EU hat mit beiden Herstellern Lieferverträge abgeschlossen. Daher dürfte schon in den nächsten Wochen das angepasste Vakzin für EU-Bürger zur Verfügung stehen. Mit dem Hersteller Biontech/Pfizer hat die EU Verträge über die Lieferung besonders hoher Stückzahlen abgeschlossen.
Die Impfstoffe sind auf die Omikron-Variante ba.1 angepasst, die Anfang des Jahres zirkulierte. Mittlerweile sind bereits die Varianten ba.4 und ba.5 unterwegs. Man geht davon aus, dass die neuen Impfstoffe einen wesentlich besseren Schutz gegen schwere Verläufe gewähren als die bisherigen Impfstoffe. Einen umfangreichen Schutz gegen eine Infektion dürften aber auch die neuen Impfstoffe nicht bieten. In den ersten Wochen nach der Impfung sei der Schutz höher, heißt es in Expertenkreisen, lasse dann aber wohl langsam nach.
Bisher richtet sich die Empfehlung von EMA und Ständiger Impfkommission (Stiko) für eine Auffrischungsimpfung an Ältere über 60 und Risikopatienten. Sie basierte auf den Erfahrungen mit Impfstoffen, die nicht auf Omikron angepasst waren. Mit der Zulassung von eigens angepassten Impfstoffen dürfte die Empfehlung neu diskutiert werden. Man geht davon aus, dass der Impfstoff schon bald auch Jüngeren und Nicht-Risikopatienten als vierte und fünfte Impfung empfohlen wird. mgr
Google verfügt nach einer Untersuchung des Bundeskartellamtes auch außerhalb des Kerngeschäfts mit seiner Suchmaschine über eine starke Marktposition bei Online-Werbung. Diese müsse kartellrechtlich untersucht werden, geht aus einem “Diskussionsbericht” der Behörde hervor, der am Montag in Bonn veröffentlicht wurde. Das Bundeskartellamt hatte bereits im Mai 2021 eine Untersuchung gegen Google und die Konzernmutter Alphabet zum Kerngeschäft eingeleitet.
Hinter der Werbung außerhalb von Suchmaschinen stecke ein “hochkomplexes, für viele recht intransparentes System des automatisierten Handels mit Online-Werbeplätzen”, sagte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. “Google hat auch in diesem technischen Teilbereich der Online-Werbung auf nahezu allen Stufen der Wertschöpfungskette eine starke Marktposition. Es stellen sich nicht zuletzt deshalb zahlreiche wettbewerbliche Fragen.”
Die Online-Werbetechnik ermögliche einen hochgradig komplexen und stark automatisierten Handel mit den Werbeflächen, die automatisierte Ausspielung der Anzeigen sowie Messung der Werbestatistiken. Die Untersuchung habe gezeigt, dass bei diesem sogenannten Programmatic Advertising einzelne Marktteilnehmer – und hier insbesondere Google – erheblichen Einfluss auf das Gesamtsystem hätten.
Behördenchef Mundt verwies in diesem Zusammenhang auf Instrumente der erweiterten Missbrauchsaufsicht, die der deutsche Gesetzgeber Anfang 2021 eingeführt hat. Die neuen Regeln des Paragrafen 19a GWB erlaubten dem Bundeskartellamt ein früheres und effektiveres Eingreifen gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. Das Bundeskartellamt ermögliche es Marktteilnehmern und interessierten Kreisen, zum jetzt veröffentlichten Diskussionsbericht bis zum 28. Oktober 2022 Stellung zu nehmen.
Ein Google-Sprecher erklärte, Werbetools von Google und vielen anderen Wettbewerbern würden Anbietern von Websites und Apps bei der Finanzierung ihrer Inhalte helfen. Die Untersuchung des Bundeskartellamts decke nur einen Bruchteil des breitgefächerten und äußerst wettbewerbsintensiven Ad-Tech-Marktes ab. dpa
Die EU-Kartellbehörde wird keine Berufung gegen ein Gerichtsurteil einlegen, mit dem die 997 Millionen Euro schwere Geldstrafe gegen den US-Chiphersteller Qualcomm aufgehoben wurde. Das erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von mit der Angelegenheit vertrauten Personen. Man gehe nicht davon aus, dass eine Berufung Erfolg haben werde, hieß es.
Das Gericht der Europäischen Union hatte in seinem Urteil vom Juni die Handhabung des Falls durch die Europäische Kommission scharf kritisiert und erklärt, Verfahrensfehler hätten Qualcomms Verteidigungsrechte beeinträchtigt. Die Richter erklärten auch die Analyse der Kommission für ungültig, wonach die Zahlungen von Qualcomm an Apple wettbewerbswidrig waren, da die Regulierungsbehörde nicht alle relevanten Fakten berücksichtigt hatte.
Die Kommission hatte 2018 die Strafe gegen Qualcomm verhängt, weil sie der Ansicht war, das amerikanische Unternehmen habe Milliarden Dollar an Apple gezahlt, damit Apple nicht bei der Konkurrenz kaufe, so die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager damals. Das Urteil war ein herber Rückschlag für Vestager. Die Kommission lehnte eine Stellungnahme ab.
Die nächste Bewährungsprobe steht Vestager am 14. September bevor, wenn das Gericht über die Anfechtung einer Rekord-Kartellstrafe in Höhe von 4,34 Milliarden Euro entscheidet, die Google wegen der Nutzung seines mobilen Betriebssystems Android zur Verdrängung von Konkurrenten verhängt hat. rtr/dpa
Spätestens seit der Pandemie ist klar: Die Digitalisierung in Deutschland hat noch einen weiten Weg vor sich. Einer, der den Fortschritt unterstützen will, ist Heiko Gossen, Geschäftsführer von migosens, einem Beratungsunternehmen für Datenschutz, Informationssicherheit und Worksmart. Kunden und Kundinnen von migosens kommen aus dem Bereich Telekommunikation, Energie, Finanzen oder Produktion.
Studiert hat der ursprünglich aus der Eifel stammende Gossen Energietechnik an der Fachhochschule Köln, den Abschluss hat er aber nicht gemacht. Stattdessen arbeitete er einige Jahre im Bereich Film als Tonassistent. Auf die Frage, wie er davon zum Datenschutz gekommen ist, sagt Gossen: “Ich sage manchmal scherzhaft, mein Lebenslauf entspricht dem typischen Lebenslauf eines Datenschützers: Da kommt ganz viel drin vor – nur das Thema Datenschutz war nie auf dem Schirm.” 2004 will es der Zufall, dass ein Kollege von Gossen für ein Datenschutz-Seminar ausfällt und Gossen stattdessen hingeht. Von da an lässt ihn das Thema nicht mehr los. Im Jahr 2005 gründete er migosens, gemeinsam mit Paiman Minavi.
Im Vorstand des Arbeitskreises Datenschutz des Digitalverbands Bitkom hat Gossen mehrere Praxisleitfäden zum Datenschutz erarbeitet. “Der Arbeitskreis und seine Arbeit sind so wichtig, weil die Mitgliedsunternehmen aus der Digitalwirtschaft eine sehr große Datenschutzkompetenz bündeln, die gleichzeitig die reale Welt mit ihren Geschäftsmodellen kennt”, sagt Gossen.
Deutschlands Scheu in der Digitalisierung lässt sich seiner Meinung nach auf viele Faktoren zurückführen: “Wir hören ganz oft, dass der Datenschutz ein großer Hemmschuh sei. Ich glaube aber, dass die Zahl der Fälle, wo der Datenschutz dem Fortschritt wirklich im Wege steht, vernachlässigbar gering ist”, sagt Gossen. In anderen europäischen Ländern würden ja die gleichen Datenschutzverordnungen gelten.
Gleichzeitig sei es wichtig, dass Unternehmen nicht von unzureichender Infrastruktur gebremst würden, beispielsweise durch flächendeckend verfügbares Breitband. “Außerdem müssen wir weiterhin daran arbeiten, dass Digitalisierung nicht als Schreckgespenst wahrgenommen wird, sondern als Chance. Sowohl von Unternehmen als auch innerhalb der Gesellschaft”, sagt der 47-Jährige.
Darum sei es entscheidend, auch Vorbehalte abzubauen, etwa im Hinblick auf den Wegfall von Arbeitsplätzen. Der Fachkräftemangel ließe sich beispielsweise nur durch Fortschritt lösen und ein wichtiger Baustein dabei sei die Digitalisierung. “Die Arbeit verändert sich, aber sie fällt nicht weg”, ist Gossen überzeugt.
Wie eine erfolgreiche Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft aussehen könnte, fällt dem Migosens-Geschäftsführer schwer zu prognostizieren. Es gebe zu viele individuelle Facetten. Wichtige Faktoren für ihn seien aber autonomes Fahren, die Automatisierung von Prozessen in Unternehmen oder die Digitalisierung deutscher Behörden.
Auch wenn autonomes Fahren noch in weiter Ferne liegt, Autofahren beschäftigt Heiko Gossen auch in seiner Freizeit. Wohnmobil fahren, um genau zu sein. Er gehört allerdings nicht zu denen, die sich den Camper erst in der Pandemie angeschafft haben, sondern er war schon vorher da. Gossen schätzt die Freiheit und die Flexibilität. “So sind wir nicht darauf angewiesen, dass das Wetter an unserem Standort gut ist, sondern wir suchen uns den Ort nach dem Wetter aus.” Arbeiten geht für ihn ja auch schon standortunabhängig digital, zur Not auch aus dem Wohnmobil. Sarah Tekath