lange war es vermutet worden, nun hat die Europäische Union Beweise dafür gefunden, dass die Smartphones einiger EU-Beamter, darunter EU-Justizkommissar Didier Reynders, durch die Spionagesoftware Pegasus kompromittiert worden sind. Wer allerdings hinter dieser Ausspähaktion steckt, ob es womöglich ein EU-Land ist, sei noch unklar, meldete gestern die Nachrichtenagentur Reuters in Berufung auf ein Schreiben der EU.
Was bringt der Gaspreis-Deckel für die Stromerzeugung, wie ihn Spanien derzeit implementiert hat? Eine erste Bilanz zeigte jetzt ein ernüchterndes Ergebnis. Isabel Cuesta Camacho hat analysiert, warum die Auswirkungen auf die Verbraucherpreise trotz der Deckelung gering sind.
Die deutsche Wirtschaft ist oft ehrgeiziger in der Umsetzung der Klimaziele als die deutsche Politik. Das zeigt jetzt eine repräsentative Umfrage des Digitalverbandes Bitkom. Eine große Rolle spielt dabei die Digitalisierung, speziell das Cloud-Computing. Meine Kollegin Corinna Visser hat sich die Studie angesehen.
Der Europäische Rechnungshof geht derzeit davon aus, dass der Plan zur Energieunabhängigkeit der EU, auch genannt REPowerEU, nicht ausreicht, um das Ziel wirklich zu erreichen. Grund für die Zweifel ist die unsichere Finanzierung des Vorhabens. Mehr dazu lesen Sie in den News.
Im Portrait ist heute eine, die den Energiemarkt immer scharf im Blick hat: Barbara Lempp vertritt als Geschäftsführerin des Verbandes EFET Deutschland die Interessen von 150 Energiehändlern in Deutschland. Einen Preisdeckel für die Strompreise sieht sie nicht als den richtigen Weg in dieser Krise.
Eine spannende Lektüre wünscht
Seit dem 15. Juni wenden Spanien und Portugal die Maßnahme zur Deckelung des Gaspreises für die Stromerzeugung an. Die erste Bilanz nach einem Monat fällt jedoch dürftig aus. In Spanien ist der Börsenpreis für Strom politisch deshalb besonders wichtig, weil 37 Prozent der Haushalte einen regulierten Stromtarif haben, dessen Preis direkt an den Spotmarkt gekoppelt ist. Der Börsenpreis für Strom wiederum wird vom Gaspreis bestimmt: Nach den Regeln des europäischen Strommarktes bestimmt das teuerste Kraftwerk den Strompreis für alle Erzeugungsarten – und das ist angesichts der explodierenden Gaspreise in der Regel ein Gaskraftwerk.
An der Strombörse hatte der iberische Gaspreisdeckel durchaus einen dämpfenden Effekt. In den ersten zwei Wochen nach Einführung der Maßnahmen lag der Großhandelspreis für Elektrizität bei 145 Euro pro Megawattstunde und damit 47 Prozent unter dem Preis, der ohne die Preisobergrenze gezahlt worden wäre, heißt es in einer Erklärung des spanischen Ministeriums für ökologischen Wandel.
Für die Endkunden betrugen die Einsparungen im regulierten Tarif allerdings nur 14 Prozent. “Wir hätten uns einen niedrigeren Preis gewünscht, aber es gibt Elemente in der Preisgestaltung, die nicht von der Regierung, sondern von den Märkten abhängen”, sagte die Ministerin für den ökologischen Wandel, Teresa Ribera.
In einem Interview mit dem spanischen Radiosender Onda Cero räumte sie ein, dass es “offensichtlich” sei, dass der Strompreis “höher ist, als wir es uns wünschen”. Deshalb habe die Regierung “zusätzliche Maßnahmen wie die Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom um fünf Prozent und die Verlängerung des Wärme-Sozialbonus beschlossen”, so Ribera.
Den Gaspreisdeckel hatte die EU-Kommission Anfang Juni genehmigt – vor allem, weil die iberische Halbinsel nur geringe Leitungskapazitäten für den Stromhandel mit dem übrigen Europa hat und nur zehn Prozent des dort verbrauchten Gases aus Russland stammen. Trotzdem unterliegen Portugal und Spanien dem europäischen Preisfindungsmechanismus.
Bis Ende Mai 2023 dürfen die Portugal und Spanien den Gaspreis zur Stromerzeugung auf durchschnittlich 48,80 Euro pro Megawattstunde deckeln – einen Bruchteil der Kosten im übrigen Europa, wo der Gaspreis diese Woche auf über 200 Euro stieg.
Die Differenz zwischen dem Großhandelspreis für Gas und der Preisobergrenze dürfen Spanien und Portugal den Kraftwerksbetreibern als Beihilfe erstatten. Dafür waren zum Zeitpunkt der Genehmigung aus Brüssel zunächst 8,4 Milliarden Euro vorgesehen.
Allerdings finanziert die Regierung die Ausgleichszahlungen an die Kraftwerksbetreiber zum Teil durch eine Umlage für die Stromkunden. Dadurch sind Gaspreis und Stromtarife doch nicht komplett entkoppelt und die Entlastung fällt geringer aus als beim Börsenpreis.
Immerhin sorgen die Beihilfen dafür, dass der Preis an der spanischen Strombörse immer noch niedriger ist als in der übrigen EU. Gestern lag der Day-Ahead-Preis in Spanien im Tagesverlauf bei unter 180 Euro, in Deutschland erreichte der Spotpreis jedoch stundenweise zwischen 400 und 600 Euro.
Seit Anfang Juli ist allerdings auch in Spanien der Strompreis weiter gestiegen. Die Erzeugung aus günstigen erneuerbaren Energien ist eingebrochen – wegen der Dürre vor allem bei der Wasserkraft. Die Stromerzeugung aus Sonnenenergie wurde durch Hitze, aber vor allem das Wetterphänomen Calima beeinträchtigt, bei dem Sand aus der Sahara die Sonneneinstrahlung verhindert.
Wegen der hohen Temperaturen stieg parallel ausgerechnet der Gasbedarf für die Stromerzeugung. Klimaanlagen und Ventilatoren laufen auf Hochtouren. Nach Angaben des Unternehmens Enagas, welches das Gasnetz des Landes verwaltet, erreichte die Nachfrage nach Erdgas für die Stromerzeugung am 13. Juli über 800 Gigawattstunden und übertraf damit den bisherigen Rekord von 770 Gigawattstunden vom 16. Juni.
Die spanische Regierung versucht stattdessen mit anderen Maßnahmen, die Geldbeutel der Verbraucher inmitten der steigenden Inflation zu entlasten. Während der Debatte zur Lage der Nation Mitte Juli stellte Präsident Pedro Sánchez eine Reihe von Maßnahmen vor, mit denen verhindert werden soll, dass die Wirtschaftskrise auf Kosten der am stärksten Benachteiligten geht. Zusätzlich zu der bereits angekündigten Sondersteuer für Energieunternehmen wird die Regierung vorübergehend eine weitere Sondersteuer für Großbanken erheben, um über zwei Jahre hinweg sieben Milliarden Euro einzunehmen.
Unais Sordo, Generalsekretär von Comisiones Obreras (CCOO), einer der größten Gewerkschaften Spaniens, sagte zu Europe.Table: “Jede Verbesserung der Unternehmensüberschüsse, die sich aus Maßnahmen wie der Anhebung der Zinssätze ergibt, muss an die Bevölkerung weitergegeben werden statt an die Aktionäre.”
Der Digitalverband Bitkom hat die deutsche Politik aufgefordert, bei Rechenzentren für gleiche Wettbewerbsbedingungen in der EU zu sorgen. “Wir wünschen uns ein Level Playing Field innerhalb der EU, damit die Unternehmen nicht aus Kostengründen ihre neuen Rechenzentren ins benachbarte Ausland auslagern”, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder am Mittwoch bei der Vorlage einer repräsentativen Umfrage unter 500 deutschen Unternehmen zum Thema Digitalisierung und Klimaschutz. Rohleder wies darauf hin, dass der Strompreis immerhin etwa 50 Prozent der gesamten Ausgaben für ein Rechenzentrum ausmache.
Hintergrund ist, dass der Koalitionsvertrag vorsieht (Europe.Table berichtete), dass alle neuen Rechenzentren in Deutschland ab dem Jahr 2027 klimaneutral zu betreiben sind. Die Europäische Digitalstrategie hat sich dagegen zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2030 den klimaneutralen Betrieb zu erreichen. Hierzu gibt es auch eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen, den Climate Neutral Data Centre Pact.
Insgesamt zeigte die Umfrage, dass die deutsche Wirtschaft bei ihren Klimazielen häufig ehrgeiziger ist als die deutsche Politik. Fast die Hälfte der Unternehmen (45 Prozent) gab an, bereits bis zum Jahr 2030 klimaneutral sein zu wollen – weitere 37 Prozent bis 2040. Die Digitalisierung wird dabei eine große Rolle spielen: Jedes Unternehmen, das eine konkrete Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt (52 Prozent) oder plant (37 Prozent), integriert darin digitale Technologien. Bei einem Viertel (24 Prozent) sind digitale Technologien für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele sogar entscheidend.
Aus der Sicht des Bitkom kommt kein Unternehmen bei der Erreichung seiner Nachhaltigkeitsziele ohne Digitalisierung aus. Ohne eine drastisch gesteigerte Energieeffizienz mithilfe digitaler Technologien werde es Deutschland nicht gelingen, den Verbrauch von Öl, Gas und Kohle und damit den CO2-Ausstoß massiv zu senken, sagte Rohleder. Der weit überwiegende Teil der befragten Unternehmen unterstützt dabei das Ziel der Bundesregierung, Klimaneutralität bis 2045 zu realisieren. Lediglich acht Prozent der Unternehmen können oder wollen das nicht. Jedes hundertste Unternehmen betrachtet sich aktuell bereits als klimaneutral.
Um vor allem kleine und mittelständische Unternehmen auf ihrem Weg in die Klimaneutralität zu unterstützen, forderte Rohleder entsprechende Beratungsmodule in der von der Bundesregierung geförderten Mittelstandsberatung. Die Beratungsstellen sollten den Unternehmen praktische Anleitungen geben, wie sie die Digitalisierung zur Dekarbonisierung ihres Unternehmens einsetzen können. “Es gibt hier aus unserer Sicht genug Erfahrungen und akademisches Wissen, aber nicht genug Beratungsangebote für die praktische Umsetzung.” Zudem fordert mehr als die Hälfte (58 Prozent), dass der Staat mit gutem Beispiel vorangeht und auf Nachhaltigkeit bei der Beschaffung von IT-Dienstleistungen und digitalen Geräten im öffentlichen Sektor achtet.
Welche positiven Klimaeffekte die Digitalisierung hat, ist bei der Mehrheit der Unternehmen bereits erkennbar: Bei 77 Prozent der Befragten ist der CO2-Ausstoß durch den Einsatz digitaler Technologien und Anwendungen insgesamt gesunken. Dazu beigetragen hat nach Angaben der Mehrheit der Unternehmen (71 Prozent) das Cloud-Computing. Der Betrieb von Servern, Speichern und Anwendungen in einem großen Rechenzentrum ist in der Regel effizienter als der Betrieb dieser Infrastruktur vor Ort in jedem einzelnen Unternehmen. Die Hälfte (52 Prozent) sieht auch im Internet of Things (IoT) Potenzial für mehr Klimaschutz, da die Vernetzung von Geräten und Maschinen dabei hilft, die Energieeffizienz zu steigern.
Doch die Digitalisierung setzt die entsprechende Infrastruktur voraus. “Rechenzentren sind das Fundament der Digitalisierung“, sagte Sophie Kamrad, Referentin für nachhaltige digitale Infrastrukturen beim Bitkom, zu Europe.Table. Gleichzeitig haben Rechenzentren wegen ihres hohen Energiebedarfs auch eine große Hebelwirkung. Deutschland stehe dabei mit anderen europäischen Standorten im Wettbewerb. “Vor allem die nordischen Länder haben hier Wettbewerbsvorteile – wegen ihres hohen Anteils an erneuerbaren Energien und auch wegen der klimatischen Verhältnisse”, erläuterte Kamrad.
Denn Rechenzentren brauchen nicht nur viel Energie, sie erzeugen auch viel Abwärme, die bisher noch zu wenig genutzt wird. Für Deutschland als Standort für Rechenzentren spreche dagegen die Nähe zu einem der weltweit größten Internetknoten DE-CIX in Frankfurt am Main sowie die deutschen Regelungen zu Datenschutz und Rechtssicherheit. “Der größte Nachteil, den deutsche Rechenzentren haben, sind dagegen die höchsten Strompreise in der EU“, sagte Kamrad. “Die Preise müssen ganz klar sinken, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.” Denn es sei strategisch wichtig, dass auch in Deutschland neue Rechenzentren entstehen. “Ohne die entsprechenden Rechenzentren verbaut man sich den Zugang zu künftigen Entwicklungsszenarien und Innovationen”, sagte Kamrad.
Der Plan zur Energieunabhängigkeit Europas (REPowerEU) reicht laut den Prüfern des Europäischen Rechnungshofes möglicherweise nicht aus, um die Ziele des Plans zu erreichen (Europe.Table berichtete). Das ging aus einer Stellungnahme der Rechnungsprüfer vom Dienstag hervor. Problematisch sei dabei vor allem die Finanzierung, um die Diversifizierung der Energieversorgung, den ökologischen Wandel und die Gasunabhängigkeit von Russland voranzutreiben. Denn: Der Großteil der Geldquellen für REPowerEU liege nicht in der Kontrolle der Kommission.
Nach Schätzungen der Kommission werden für das Programm zusätzliche Investitionen in Höhe von 210 Milliarden Euro benötigt. Diese sollen durch zusätzliche Verkäufe von CO2-Zertifikaten (Europe.Table berichtete) aus der Marktstabilitätsreserve (MSR), freiwillige Zuschüsse aus Kohäsionsfonds und Entwicklungsfonds für den ländlichen Raum sowie verbleibende Darlehen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität zusammen kommen.
Letztere ist Teil des EU-Krisenplans zur Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie. Und weil die Umsetzung der Maßnahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität bei den Mitgliedsländern liegt, besteht laut den Rechnungsprüfern die Gefahr, “dass Projekte von strategischer Bedeutung für die EU als Ganzes nicht durch REPowerEU finanziert werden”.
Aus der Freiwilligkeit der Zuschüsse aus den Fonds ergeben sich weitere Unsicherheiten. Daher könne der tatsächlich verfügbare Betrag erheblich niedriger sein, schreiben die Auditoren in ihrer Stellungnahme.
Ein drittes, aber bereits bekanntes, Problem ergibt sich aus den 20 Milliarden Euro, die aus MSR-Zertifikaten kommen sollen. Dies könne den ursprünglichen Zweck der Reserve, den CO2-Preis zu stabilisieren, untergraben und das ETS aushebeln, heißt es. Immerhin, schreiben die Prüfer, liege diese Geldquelle als einzige in der Hand der Kommission.
Die geplante Zuweisung der REPowerEU-Gelder sehen die Prüfer ebenfalls kritisch, denn sie sollen entsprechend der für die Aufbau- und Resilienzfazilität vorgesehenen Anteile zugewiesen werden. Diese spiegele jedoch weder die aktuellen Herausforderungen und Ziele von REPowerEU noch den spezifischen Bedarf der EU-Länder wider.
Bereits kurz nach Veröffentlichung der Kommissionspläne hatten Klimapolitikforscher und Analysten Bedenken an der Finanzierung von REPowerEU geäußert (Europe.Table berichtete). Sie hatten vor allem davor gewarnt, Zertifikate aus der MSR zur Geldbeschaffung zu verwenden, da es zu Unsicherheiten im ETS führen würde.
Die Kommission steht somit vor einer Reihe von Problemen mit ihrem Vorschlag zur Energieunabhängigkeit Europas. Denn grundsätzlich findet die Idee eines solchen Plans breite Unterstützung, sowohl im Parlament als auch unter den Mitgliedstaaten und vielen Experten. Doch die Finanzierungsmodelle stoßen bislang vielerorts auf Ablehnung. luk
Russland hat wie angekündigt (Europe.Table berichtete) die Gaslieferungen über die wichtigste Pipeline Nord Stream 1 erneut gekürzt und nennt dafür technische Gründe. Die Lieferungen seien gegenüber den Vortagen halbiert worden, die Auslastung der Leitungen liege bei 19,5 Prozent der eigentlichen Kapazität, teilte die Bundesnetzagentur am Mittwoch mit.
Die Bundesregierung nannte angegebene technischen Gründe aufgrund der Wartung einer Siemens-Turbine (Europe.Table berichtete) vorgeschoben. Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sprach von einem “Machtspiel” Russlands. “Die Turbine ist da, sie ist gewartet.” Einem Transport nach Russland stehe nichts im Weg. “Es liegt nicht an der deutschen Seite.”
Die Netzagentur erklärte, die Versorgungslage sei angespannt, eine weitere Verschlechterung könne nicht ausgeschlossen werden. “Unternehmen und private Verbraucher müssen sich auf deutlich steigende Gaspreise einstellen.”
Die Kürzungen machen es Deutschland schwerer, wie geplant die Gasspeicher für den Winter füllen. Derzeit sind sie zu rund 67 Prozent voll, bis zum November sollen es aber 95 Prozent sein. Deutschland muss die fehlenden Mengen kurzfristig und teuer auf dem engen Markt nachkaufen. Die Bundesregierung sucht daher auch händeringend nach Alternativen zu russischem Gas.
Frankreich signalisierte für die kalten Monate Hilfe: Nach Angaben von Regierungsvertretern könnte Gas im Umfang von etwa 20 Terawattstunden nach Deutschland fließen. Dies wären etwa zwei Prozent des deutschen Jahresverbrauchs. “130 Gigawattstunden pro Tag wären möglich. Im Winter würde sich das auf insgesamt 20 Terawattstunden summieren”, sagte ein französischer Regierungsvertreter. Das entspräche etwa fünf Prozent des Jahresverbrauchs Frankreichs.
Die Bundesnetzagentur dringt auf Einsparungen ab sofort und sieht erste Erfolge: Die privaten Haushalte, aber auch die Industrie verbrauchten “fünf, sechs, sieben Prozent weniger”, sagte Agentur-Chef Klaus Müller im Deutschlandfunk. “Deutschland muss weniger Gas verbrauchen.” Jetzt müsse in allen Bereichen der Gesellschaft etwas getan werden, sei es technische Innovation, sei es das Diversifizieren von Energiequellen.
“Aber das Entscheidende ist das Gaseinsparen. Und da möchte ich gern weniger sozusagen Klagen hören, sondern mehr Meldungen, wo jemand sagt, wir als Branche, wir als Stadt, wir als Region tragen dazu bei, Gas zu sparen.” Zugleich müssten sich die Verbraucher auf höhere Energiepreise einstellen, sagte Müller. “Es ist eine Preisentwicklung auf Ansage.” rtr
Die Gruppe der sieben reichsten Volkswirtschaften will bis zum 5. Dezember eine Preisobergrenze für russische Ölexporte einführen, da dann die Sanktionen der EU gegen Russland in Kraft treten, die den Import von russischem Rohöl auf dem Seeweg verbieten. Das sagte ein hochrangiger G7-Beamter am Mittwoch.
“Das Ziel ist es, sich an den Zeitplan anzupassen, den die EU bereits festgelegt hat. Wir wollen sicherstellen, dass der Preisbegrenzungsmechanismus zur gleichen Zeit in Kraft tritt”, sagte der Beamte, der nicht namentlich genannt werden wollte.
Die G7-Staaten – die Vereinigten Staaten, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien – hatten im vergangenen Monat erklärt, sie würden eine Preisobergrenze für russisches Rohöl in Erwägung ziehen, um die Öleinnahmen einzudämmen, mit denen Moskau seine Invasion in der Ukraine finanziert.
Seitdem gibt es Bemühungen, China und Indien mit ins Boot zu holen, die bereits russisches Öl mit einem Abschlag auf den Marktpreis kaufen. “Wir haben bereits von einer Reihe asiatischer Länder gehört, die daran interessiert sind, entweder der Koalition beizutreten oder den Preispunkt, an dem der Preis festgelegt wird, besser zu verstehen, um ihre Position in den Verhandlungen mit den Russen über künftige Verträge zu stärken”, sagte der G7-Beamte.
Der von der G7 festgelegte Preis würde aus diesem Grund veröffentlicht werden. China und Indien sind an der Idee interessiert, ihre Ölimportkosten zu minimieren, weil sie über die Auswirkungen auf den Haushalt durch die oft subventionierten Einzelhandelspreise und die Inflation besorgt sind, sagte der Beamte.
Die G7 wollen, dass der Preis für russisches Rohöl von den Mitgliedern des Käuferkartells auf einem Niveau festgesetzt wird, das über den russischen Produktionskosten liegt, um dem Kreml einen Anreiz zu bieten, weiter zu pumpen, aber deutlich unter den derzeit hohen Marktpreisen.
Auf diese Weise stünde Russland vor der schwierigen Wahl, entweder geringeren, aber kontinuierlichen Einnahmen zuzustimmen oder fast keine Einnahmen zu erzielen, sobald das EU-Embargo für Rohöl im Dezember in Kraft tritt (Europe.Table berichtete).
Der Beamte sagte, Russland werde es schwer haben, sein Rohöl anderswo zu verkaufen, da die EU-Sanktionen ein Verbot aller Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Erdölhandel, einschließlich Versicherung, Rückversicherung und Finanzierung von Ladungen und Schiffen, vorsehen würden. rtr
Das von Russland und der Ukraine vereinbarte Kontrollzentrum zur Überwachung von ukrainischen Getreideexporten ist in Istanbul offiziell eröffnet worden. Die Türkei glaube, dass das Zentrum einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Nahrungsmittelkrise leisten werde, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar am Mittwoch bei der Eröffnungszeremonie in Istanbul.
Derzeit liefen Vorbereitungen, damit das erste mit Getreide beladene Schiff die Ukraine über das Schwarze Meer verlassen könne. Schiffe sollen bei der Durchfahrt durch die Meerenge Bosporus, also bei Ein- und Ausfahrt ins Schwarze Meer, kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen oder Ähnliches geladen haben. Das Koordinationszentrum werde die Handelsschiffe registrieren und deren Bewegungen unter anderem über Satelliten verfolgen, sagte Akar.
Das Zentrum ist Teil eines am Freitag in Istanbul unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei geschlossenen Abkommens (Europe.Table berichtete), mit der die Blockade ukrainischer Häfen aufgehoben wurde. Das Zentrum ist laut Akar schon seit Samstag im Betrieb. Dass die Ukraine, Russland und die UN schon einen Tag nach Unterzeichnung Vertreter entsandten, wertete Akar als Zeichen der Entschlossenheit, das Abkommen umzusetzen. In dem Zentrum arbeiteten Zivilisten und Militärs – jeweils fünf Vertreter pro Partei, sagte Akar.
Russland hatte in der Vereinbarung am Freitag zugesichert, Schiffe über einen Seekorridor fahren zu lassen und diese sowie beteiligte Häfen nicht anzugreifen (Europe.Table berichtete). Die Ukraine zählte vor dem russischen Angriffskrieg zu den wichtigsten Getreideexporteuren der Welt. Wegen des Kriegs konnten bislang jedoch mehr als 20 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine nicht exportiert werden. dpa
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron empfängt am Donnerstagabend den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Die beiden wollen sich zu einem Arbeitsessen im Pariser Élyséepalast zusammensetzen. Welche Themen sie besprechen wollen, gab der französische Präsidialpalast zunächst nicht bekannt. Nach Ankündigung des saudischen Königshofs soll es um bilaterale Beziehungen und um Themen von gemeinsamem Interesse gehen.
Der Kronprinz befindet sich derzeit auf seiner ersten Reise in die Europäische Union (Europe.Table berichtete) seit der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi vor fast vier Jahren. Khashoggi, der eine Kolumne für die “Washington Post” schrieb, war im Herbst 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Killerkommando auf brutale Weise getötet worden. US-Geheimdienste sehen den Kronprinzen in der direkten Verantwortung. Dieser bestritt, die Tötung angeordnet zu haben.
Der Kronprinz war bereits am Dienstag nach Athen, Griechenland, gereist und hatte dort den griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis getroffen. Sie besiegelten dort eine Vereinbarung über die Verlegung eines Unterwasser-Datenkabels, das Europa mit Asien verbinden soll, und sprachen über die Möglichkeit, ihre Stromnetze miteinander zu verbinden, um Europa mit günstiger grüner Energie zu versorgen.
Griechenland und Saudi-Arabien hatten sich bereits im Mai auf die wichtigsten Bedingungen eines geplanten Joint Ventures zum Bau eines Datenkabels, des sogenannten “East to Med data Corridor” geeinigt. Es soll von Mena Hub entwickelt werden, das sich im Besitz der saudi-arabischen STC und des griechischen Telekommunikations- und Satellitenanwendungsunternehmens TTSA befindet.
“Durch die Verbindung des Stromnetzes … können wir Griechenland und Südwesteuropa über Griechenland mit viel günstigerer erneuerbarer Energie versorgen”, sagte Prinz Mohammed. Außerdem wurden bilaterale Abkommen in den Bereichen Energie und militärische Zusammenarbeit unterzeichnet. rtr/dpa
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat sich am zweiten Verhandlungstag über den Corona-Wiederaufbaufonds der EU intensiv mit der Kontrolle des Fonds befasst. Dazu wurde Clemens Ladenburger vom Juristischen Dienst der EU-Kommission befragt. Bundesverfassungsrichter Peter Müller wollte wissen, wie kontrolliert werden könne, dass nicht weitere EU-Kredite aufgenommen werden, um auch bei anderen wirtschaftlichen Notlagen einzugreifen.
Verfassungsrichterin Christine Langenfeld fragte, wie ein Verschiebebahnhof verhindert werden könne. Sie befürchtete, dass EU-Mitgliedsländer notwendige Investitionen nicht aus ihrem Haushalt finanzieren, sondern dazu auf den Fonds zurückgreifen könnten.
Ladenburger betonte in seiner eineinhalbstündigen Befragung, dass die Kreditaufnahme nach den EU-Verträgen nur in wirtschaftlichen Notsituationen erlaubt sei. Andernfalls müssten die EU-Verträge geändert werden. Die Kontrolle sieht Ladenburger dadurch gesichert, dass nur nach Vorlage eines genauen Investitionsprogramms ausgezahlt wird. Die Reformfortschritte würden kontrolliert, bei Rückschritten werde Geld zurückgefordert. Das Geld dürfe also nicht zur Sanierung des nationalen Haushalts verwendet werden, sondern nur in Investitionen fließen.
Bereits am Dienstag, dem ersten Verhandlungstag, zeichnete sich ab, dass die Karlsruher Verfassungsrichter in der EU-Schuldenaufnahme allein noch keine offensichtliche Überschreitung der Kompetenzen sehen. Die EU-Verträge erlaubten grundsätzlich in wirtschaftlichen Notlagen zweckgebundene Finanzhilfen.
Es geht um insgesamt 750 Milliarden Euro, die die Kommission als Kredite aufnimmt, um die Bewältigung der Corona-Krise zu finanzieren. Die Mitgliedstaaten sollen Gelder teils als Zuschuss, teils als rückzahlbare Kredite erhalten. Diese sollen in Klimaschutz, Digitalisierung und Reformen investiert werden. Es ist das erste Mal, dass die EU Kredite aufnimmt, für die die Mitgliedstaaten bei Zahlungsausfällen haften. Der Bundestag stimmte dem Programm im März 2021 mit Zweidrittelmehrheit zu. Dagegen legten über 2000 Bürgerinnen und Bürger Verfassungsbeschwerde ein. Das Urteil des Zweiten Senats wird in einigen Monaten erwartet. rtr
Russland hat nach dem Sendeverbot für seinen Staatsfernsehsender RT in Frankreich Druck gegen westliche Medien angedroht. Moskaus Reaktion auf das vom Europäischen Gericht bestätigte Verbot der EU von RT France werde “ziemlich negativ” sein, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. “Der Angriff auf die Freiheit des Wortes, auf die Freiheit der Massenmedien in den europäischen Staaten, darunter in Frankreich, das ist ein Prozess, der unsere Besorgnis und unser Bedauern auslöst”, sagte Peskow.
Der Kremlsprecher ging dabei nicht auf die Vielzahl verbotener Medien in Russland ein. “Natürlich ergreifen wir ebenbürtige Maßnahmen des Drucks gegen westliche Massenmedien, die bei uns im Land arbeiten”, sagte Peskow. “Wir werden sie auch nicht in unserem Land arbeiten lassen, und hier wird es keine weiche Haltung geben.” Er erwähnte auch nicht, dass russische Korrespondenten in der EU frei arbeiten können. Dagegen dürfen westliche Korrespondenten in Russland nur mit einer Akkreditierung des Außenministeriums arbeiten.
Zuvor hatten die Richter in Luxemburg eine Klage von RT France gegen ein EU-Sendeverbot wegen des Vorwurfs der Kriegspropaganda (Europe.Table berichtete) zurückgewiesen (Rechtssache T-125/22). Die Sanktion war Anfang März kurz nach Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine ergangen. Sie betrifft alle Verbreitungswege von RT und Sputnik in der EU, etwa per Kabel, Satellit oder Internet. Betroffen davon sind auch RT-Ableger wie RT auf Deutsch oder Französisch. Die EU hat mittlerweile drei weiteren Sendern die Sendefrequenzen gestrichen.
Auch der Ableger RT DE darf in Deutschland nicht senden. Deshalb hatte Russland der Deutschen Welle, dem Auslandssender der Bundesrepublik Deutschland, die Sendelizenz entzogen und das Korrespondentenbüro in Moskau schließen lassen. Peskow äußerte die Hoffnung, dass “Schlupflöcher” gefunden werden, “damit die so begehrte Übertragung unserer Informationen über verschiedene Kanäle wieder losgehen kann”. dpa
Zur Energiepolitik kam die gelernte Juristin Barbara Lempp durch Herbert Reul. Sie bewarb sich 2003 bei dem heutigen CDU-Innenminister Nordrhein-Westfalens als Referentin im Europäischen Parlament. Reul fragte sie im Bewerbungsgespräch, für welches Politikfeld er sich interessieren solle, falls er gewählt werde. Lempp schlug ihm die Energiepolitik vor.
Reul wurde gewählt, Lempp bekam den Job und stieg später zur Büroleiterin auf. “Dann habe ich festgestellt, dass man sich mit Energie ein Leben lang beschäftigen kann.” Danach arbeitete sie mehr als sechs Jahre für RWE. Heute ist Lempp Deutschland-Chefin der European Federation of Energy Traders (EFET), einem Zusammenschluss von 150 Energiehändlern. Für ihre Interessen setzt sich Lempp in Berlin ein.
In den neun Jahren, in denen Lempp bei EFET arbeitet, war der Strompreis noch nie so hoch. Das sei auch für die Stromhändler ein Problem, erklärt sie. Stromverkäufer machen zwar ein gutes Geschäft, aber Energieunternehmen müssen auch Strom einkaufen. Das wird zum Problem. “Hinter jedem Geschäft müssen Barmittel als Sicherheit hinterlegt werden und das bindet Kapital.”
Dennoch setzt sie sich mit ihrem Verband gegen Preisdeckel ein, wie sie etwa von Yasmin Fahimi, der Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, und Teilen der Opposition gefordert werden. Das stoppe Investitionen der Unternehmen. Lempp fordert eine staatliche Abfederung sowie ein grundlegendes Versprechen endlich umzusetzen. “Wir müssen mehr Energie einsparen“, sagt Lempp (Europe.Table berichtete). “Darüber sind wir uns seit der Energiewende alle einig, aber jetzt wird es maximal wichtig.”
Lempp will die entstehende Energielücke ideologiefrei diskutieren, heißt: Deutschland sollte seine Kohlevorkommen nutzen (Europe.Table berichtete), CO2 sollte abgeschieden und gespeichert werden und auch für die Laufzeitverlängerung der drei verbleibenden AKWs werde man nicht umhinkommen, sollte Russland den Gashahn zudrehen. “Die nächsten zwei Winter sind kritisch”, sagt Lempp.
Die Marktprinzipien zu verteidigen, sei aktuell nicht einfach, erzählt Lempp. Lobbyieren sei schwierig, weil die Entscheidungstragenden in der Politik nervös seien und die Preise unbedingt abfedern wollen. Dabei hat ihr Verband einen Vorteil: Intern liefen die Abstimmungen unter den Mitgliedsunternehmen sehr schnell und alle leiden unter den gleichen Problemen.
Das Berliner Team besteht inklusive Lempp aus nur drei Leuten. Das funktioniere aber gut, weil auch die Mitgliedsunternehmen eingebunden werden und Positionspapiere schreiben, die dann schnell abgestimmt werden können. Von EFET bekämen Politikerinnen und Politiker die ungeschminkte Marktsicht auf den Energiehandel. Beim großen Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sitzen beispielsweise auch die Netzbetreiber am Tisch, die Positionen sind dann weniger klar. “Ich muss mich nicht verbiegen”, sagt Lempp. Tom Schmidtgen
lange war es vermutet worden, nun hat die Europäische Union Beweise dafür gefunden, dass die Smartphones einiger EU-Beamter, darunter EU-Justizkommissar Didier Reynders, durch die Spionagesoftware Pegasus kompromittiert worden sind. Wer allerdings hinter dieser Ausspähaktion steckt, ob es womöglich ein EU-Land ist, sei noch unklar, meldete gestern die Nachrichtenagentur Reuters in Berufung auf ein Schreiben der EU.
Was bringt der Gaspreis-Deckel für die Stromerzeugung, wie ihn Spanien derzeit implementiert hat? Eine erste Bilanz zeigte jetzt ein ernüchterndes Ergebnis. Isabel Cuesta Camacho hat analysiert, warum die Auswirkungen auf die Verbraucherpreise trotz der Deckelung gering sind.
Die deutsche Wirtschaft ist oft ehrgeiziger in der Umsetzung der Klimaziele als die deutsche Politik. Das zeigt jetzt eine repräsentative Umfrage des Digitalverbandes Bitkom. Eine große Rolle spielt dabei die Digitalisierung, speziell das Cloud-Computing. Meine Kollegin Corinna Visser hat sich die Studie angesehen.
Der Europäische Rechnungshof geht derzeit davon aus, dass der Plan zur Energieunabhängigkeit der EU, auch genannt REPowerEU, nicht ausreicht, um das Ziel wirklich zu erreichen. Grund für die Zweifel ist die unsichere Finanzierung des Vorhabens. Mehr dazu lesen Sie in den News.
Im Portrait ist heute eine, die den Energiemarkt immer scharf im Blick hat: Barbara Lempp vertritt als Geschäftsführerin des Verbandes EFET Deutschland die Interessen von 150 Energiehändlern in Deutschland. Einen Preisdeckel für die Strompreise sieht sie nicht als den richtigen Weg in dieser Krise.
Eine spannende Lektüre wünscht
Seit dem 15. Juni wenden Spanien und Portugal die Maßnahme zur Deckelung des Gaspreises für die Stromerzeugung an. Die erste Bilanz nach einem Monat fällt jedoch dürftig aus. In Spanien ist der Börsenpreis für Strom politisch deshalb besonders wichtig, weil 37 Prozent der Haushalte einen regulierten Stromtarif haben, dessen Preis direkt an den Spotmarkt gekoppelt ist. Der Börsenpreis für Strom wiederum wird vom Gaspreis bestimmt: Nach den Regeln des europäischen Strommarktes bestimmt das teuerste Kraftwerk den Strompreis für alle Erzeugungsarten – und das ist angesichts der explodierenden Gaspreise in der Regel ein Gaskraftwerk.
An der Strombörse hatte der iberische Gaspreisdeckel durchaus einen dämpfenden Effekt. In den ersten zwei Wochen nach Einführung der Maßnahmen lag der Großhandelspreis für Elektrizität bei 145 Euro pro Megawattstunde und damit 47 Prozent unter dem Preis, der ohne die Preisobergrenze gezahlt worden wäre, heißt es in einer Erklärung des spanischen Ministeriums für ökologischen Wandel.
Für die Endkunden betrugen die Einsparungen im regulierten Tarif allerdings nur 14 Prozent. “Wir hätten uns einen niedrigeren Preis gewünscht, aber es gibt Elemente in der Preisgestaltung, die nicht von der Regierung, sondern von den Märkten abhängen”, sagte die Ministerin für den ökologischen Wandel, Teresa Ribera.
In einem Interview mit dem spanischen Radiosender Onda Cero räumte sie ein, dass es “offensichtlich” sei, dass der Strompreis “höher ist, als wir es uns wünschen”. Deshalb habe die Regierung “zusätzliche Maßnahmen wie die Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom um fünf Prozent und die Verlängerung des Wärme-Sozialbonus beschlossen”, so Ribera.
Den Gaspreisdeckel hatte die EU-Kommission Anfang Juni genehmigt – vor allem, weil die iberische Halbinsel nur geringe Leitungskapazitäten für den Stromhandel mit dem übrigen Europa hat und nur zehn Prozent des dort verbrauchten Gases aus Russland stammen. Trotzdem unterliegen Portugal und Spanien dem europäischen Preisfindungsmechanismus.
Bis Ende Mai 2023 dürfen die Portugal und Spanien den Gaspreis zur Stromerzeugung auf durchschnittlich 48,80 Euro pro Megawattstunde deckeln – einen Bruchteil der Kosten im übrigen Europa, wo der Gaspreis diese Woche auf über 200 Euro stieg.
Die Differenz zwischen dem Großhandelspreis für Gas und der Preisobergrenze dürfen Spanien und Portugal den Kraftwerksbetreibern als Beihilfe erstatten. Dafür waren zum Zeitpunkt der Genehmigung aus Brüssel zunächst 8,4 Milliarden Euro vorgesehen.
Allerdings finanziert die Regierung die Ausgleichszahlungen an die Kraftwerksbetreiber zum Teil durch eine Umlage für die Stromkunden. Dadurch sind Gaspreis und Stromtarife doch nicht komplett entkoppelt und die Entlastung fällt geringer aus als beim Börsenpreis.
Immerhin sorgen die Beihilfen dafür, dass der Preis an der spanischen Strombörse immer noch niedriger ist als in der übrigen EU. Gestern lag der Day-Ahead-Preis in Spanien im Tagesverlauf bei unter 180 Euro, in Deutschland erreichte der Spotpreis jedoch stundenweise zwischen 400 und 600 Euro.
Seit Anfang Juli ist allerdings auch in Spanien der Strompreis weiter gestiegen. Die Erzeugung aus günstigen erneuerbaren Energien ist eingebrochen – wegen der Dürre vor allem bei der Wasserkraft. Die Stromerzeugung aus Sonnenenergie wurde durch Hitze, aber vor allem das Wetterphänomen Calima beeinträchtigt, bei dem Sand aus der Sahara die Sonneneinstrahlung verhindert.
Wegen der hohen Temperaturen stieg parallel ausgerechnet der Gasbedarf für die Stromerzeugung. Klimaanlagen und Ventilatoren laufen auf Hochtouren. Nach Angaben des Unternehmens Enagas, welches das Gasnetz des Landes verwaltet, erreichte die Nachfrage nach Erdgas für die Stromerzeugung am 13. Juli über 800 Gigawattstunden und übertraf damit den bisherigen Rekord von 770 Gigawattstunden vom 16. Juni.
Die spanische Regierung versucht stattdessen mit anderen Maßnahmen, die Geldbeutel der Verbraucher inmitten der steigenden Inflation zu entlasten. Während der Debatte zur Lage der Nation Mitte Juli stellte Präsident Pedro Sánchez eine Reihe von Maßnahmen vor, mit denen verhindert werden soll, dass die Wirtschaftskrise auf Kosten der am stärksten Benachteiligten geht. Zusätzlich zu der bereits angekündigten Sondersteuer für Energieunternehmen wird die Regierung vorübergehend eine weitere Sondersteuer für Großbanken erheben, um über zwei Jahre hinweg sieben Milliarden Euro einzunehmen.
Unais Sordo, Generalsekretär von Comisiones Obreras (CCOO), einer der größten Gewerkschaften Spaniens, sagte zu Europe.Table: “Jede Verbesserung der Unternehmensüberschüsse, die sich aus Maßnahmen wie der Anhebung der Zinssätze ergibt, muss an die Bevölkerung weitergegeben werden statt an die Aktionäre.”
Der Digitalverband Bitkom hat die deutsche Politik aufgefordert, bei Rechenzentren für gleiche Wettbewerbsbedingungen in der EU zu sorgen. “Wir wünschen uns ein Level Playing Field innerhalb der EU, damit die Unternehmen nicht aus Kostengründen ihre neuen Rechenzentren ins benachbarte Ausland auslagern”, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder am Mittwoch bei der Vorlage einer repräsentativen Umfrage unter 500 deutschen Unternehmen zum Thema Digitalisierung und Klimaschutz. Rohleder wies darauf hin, dass der Strompreis immerhin etwa 50 Prozent der gesamten Ausgaben für ein Rechenzentrum ausmache.
Hintergrund ist, dass der Koalitionsvertrag vorsieht (Europe.Table berichtete), dass alle neuen Rechenzentren in Deutschland ab dem Jahr 2027 klimaneutral zu betreiben sind. Die Europäische Digitalstrategie hat sich dagegen zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2030 den klimaneutralen Betrieb zu erreichen. Hierzu gibt es auch eine freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen, den Climate Neutral Data Centre Pact.
Insgesamt zeigte die Umfrage, dass die deutsche Wirtschaft bei ihren Klimazielen häufig ehrgeiziger ist als die deutsche Politik. Fast die Hälfte der Unternehmen (45 Prozent) gab an, bereits bis zum Jahr 2030 klimaneutral sein zu wollen – weitere 37 Prozent bis 2040. Die Digitalisierung wird dabei eine große Rolle spielen: Jedes Unternehmen, das eine konkrete Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt (52 Prozent) oder plant (37 Prozent), integriert darin digitale Technologien. Bei einem Viertel (24 Prozent) sind digitale Technologien für die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele sogar entscheidend.
Aus der Sicht des Bitkom kommt kein Unternehmen bei der Erreichung seiner Nachhaltigkeitsziele ohne Digitalisierung aus. Ohne eine drastisch gesteigerte Energieeffizienz mithilfe digitaler Technologien werde es Deutschland nicht gelingen, den Verbrauch von Öl, Gas und Kohle und damit den CO2-Ausstoß massiv zu senken, sagte Rohleder. Der weit überwiegende Teil der befragten Unternehmen unterstützt dabei das Ziel der Bundesregierung, Klimaneutralität bis 2045 zu realisieren. Lediglich acht Prozent der Unternehmen können oder wollen das nicht. Jedes hundertste Unternehmen betrachtet sich aktuell bereits als klimaneutral.
Um vor allem kleine und mittelständische Unternehmen auf ihrem Weg in die Klimaneutralität zu unterstützen, forderte Rohleder entsprechende Beratungsmodule in der von der Bundesregierung geförderten Mittelstandsberatung. Die Beratungsstellen sollten den Unternehmen praktische Anleitungen geben, wie sie die Digitalisierung zur Dekarbonisierung ihres Unternehmens einsetzen können. “Es gibt hier aus unserer Sicht genug Erfahrungen und akademisches Wissen, aber nicht genug Beratungsangebote für die praktische Umsetzung.” Zudem fordert mehr als die Hälfte (58 Prozent), dass der Staat mit gutem Beispiel vorangeht und auf Nachhaltigkeit bei der Beschaffung von IT-Dienstleistungen und digitalen Geräten im öffentlichen Sektor achtet.
Welche positiven Klimaeffekte die Digitalisierung hat, ist bei der Mehrheit der Unternehmen bereits erkennbar: Bei 77 Prozent der Befragten ist der CO2-Ausstoß durch den Einsatz digitaler Technologien und Anwendungen insgesamt gesunken. Dazu beigetragen hat nach Angaben der Mehrheit der Unternehmen (71 Prozent) das Cloud-Computing. Der Betrieb von Servern, Speichern und Anwendungen in einem großen Rechenzentrum ist in der Regel effizienter als der Betrieb dieser Infrastruktur vor Ort in jedem einzelnen Unternehmen. Die Hälfte (52 Prozent) sieht auch im Internet of Things (IoT) Potenzial für mehr Klimaschutz, da die Vernetzung von Geräten und Maschinen dabei hilft, die Energieeffizienz zu steigern.
Doch die Digitalisierung setzt die entsprechende Infrastruktur voraus. “Rechenzentren sind das Fundament der Digitalisierung“, sagte Sophie Kamrad, Referentin für nachhaltige digitale Infrastrukturen beim Bitkom, zu Europe.Table. Gleichzeitig haben Rechenzentren wegen ihres hohen Energiebedarfs auch eine große Hebelwirkung. Deutschland stehe dabei mit anderen europäischen Standorten im Wettbewerb. “Vor allem die nordischen Länder haben hier Wettbewerbsvorteile – wegen ihres hohen Anteils an erneuerbaren Energien und auch wegen der klimatischen Verhältnisse”, erläuterte Kamrad.
Denn Rechenzentren brauchen nicht nur viel Energie, sie erzeugen auch viel Abwärme, die bisher noch zu wenig genutzt wird. Für Deutschland als Standort für Rechenzentren spreche dagegen die Nähe zu einem der weltweit größten Internetknoten DE-CIX in Frankfurt am Main sowie die deutschen Regelungen zu Datenschutz und Rechtssicherheit. “Der größte Nachteil, den deutsche Rechenzentren haben, sind dagegen die höchsten Strompreise in der EU“, sagte Kamrad. “Die Preise müssen ganz klar sinken, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.” Denn es sei strategisch wichtig, dass auch in Deutschland neue Rechenzentren entstehen. “Ohne die entsprechenden Rechenzentren verbaut man sich den Zugang zu künftigen Entwicklungsszenarien und Innovationen”, sagte Kamrad.
Der Plan zur Energieunabhängigkeit Europas (REPowerEU) reicht laut den Prüfern des Europäischen Rechnungshofes möglicherweise nicht aus, um die Ziele des Plans zu erreichen (Europe.Table berichtete). Das ging aus einer Stellungnahme der Rechnungsprüfer vom Dienstag hervor. Problematisch sei dabei vor allem die Finanzierung, um die Diversifizierung der Energieversorgung, den ökologischen Wandel und die Gasunabhängigkeit von Russland voranzutreiben. Denn: Der Großteil der Geldquellen für REPowerEU liege nicht in der Kontrolle der Kommission.
Nach Schätzungen der Kommission werden für das Programm zusätzliche Investitionen in Höhe von 210 Milliarden Euro benötigt. Diese sollen durch zusätzliche Verkäufe von CO2-Zertifikaten (Europe.Table berichtete) aus der Marktstabilitätsreserve (MSR), freiwillige Zuschüsse aus Kohäsionsfonds und Entwicklungsfonds für den ländlichen Raum sowie verbleibende Darlehen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität zusammen kommen.
Letztere ist Teil des EU-Krisenplans zur Abfederung der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie. Und weil die Umsetzung der Maßnahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität bei den Mitgliedsländern liegt, besteht laut den Rechnungsprüfern die Gefahr, “dass Projekte von strategischer Bedeutung für die EU als Ganzes nicht durch REPowerEU finanziert werden”.
Aus der Freiwilligkeit der Zuschüsse aus den Fonds ergeben sich weitere Unsicherheiten. Daher könne der tatsächlich verfügbare Betrag erheblich niedriger sein, schreiben die Auditoren in ihrer Stellungnahme.
Ein drittes, aber bereits bekanntes, Problem ergibt sich aus den 20 Milliarden Euro, die aus MSR-Zertifikaten kommen sollen. Dies könne den ursprünglichen Zweck der Reserve, den CO2-Preis zu stabilisieren, untergraben und das ETS aushebeln, heißt es. Immerhin, schreiben die Prüfer, liege diese Geldquelle als einzige in der Hand der Kommission.
Die geplante Zuweisung der REPowerEU-Gelder sehen die Prüfer ebenfalls kritisch, denn sie sollen entsprechend der für die Aufbau- und Resilienzfazilität vorgesehenen Anteile zugewiesen werden. Diese spiegele jedoch weder die aktuellen Herausforderungen und Ziele von REPowerEU noch den spezifischen Bedarf der EU-Länder wider.
Bereits kurz nach Veröffentlichung der Kommissionspläne hatten Klimapolitikforscher und Analysten Bedenken an der Finanzierung von REPowerEU geäußert (Europe.Table berichtete). Sie hatten vor allem davor gewarnt, Zertifikate aus der MSR zur Geldbeschaffung zu verwenden, da es zu Unsicherheiten im ETS führen würde.
Die Kommission steht somit vor einer Reihe von Problemen mit ihrem Vorschlag zur Energieunabhängigkeit Europas. Denn grundsätzlich findet die Idee eines solchen Plans breite Unterstützung, sowohl im Parlament als auch unter den Mitgliedstaaten und vielen Experten. Doch die Finanzierungsmodelle stoßen bislang vielerorts auf Ablehnung. luk
Russland hat wie angekündigt (Europe.Table berichtete) die Gaslieferungen über die wichtigste Pipeline Nord Stream 1 erneut gekürzt und nennt dafür technische Gründe. Die Lieferungen seien gegenüber den Vortagen halbiert worden, die Auslastung der Leitungen liege bei 19,5 Prozent der eigentlichen Kapazität, teilte die Bundesnetzagentur am Mittwoch mit.
Die Bundesregierung nannte angegebene technischen Gründe aufgrund der Wartung einer Siemens-Turbine (Europe.Table berichtete) vorgeschoben. Vize-Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sprach von einem “Machtspiel” Russlands. “Die Turbine ist da, sie ist gewartet.” Einem Transport nach Russland stehe nichts im Weg. “Es liegt nicht an der deutschen Seite.”
Die Netzagentur erklärte, die Versorgungslage sei angespannt, eine weitere Verschlechterung könne nicht ausgeschlossen werden. “Unternehmen und private Verbraucher müssen sich auf deutlich steigende Gaspreise einstellen.”
Die Kürzungen machen es Deutschland schwerer, wie geplant die Gasspeicher für den Winter füllen. Derzeit sind sie zu rund 67 Prozent voll, bis zum November sollen es aber 95 Prozent sein. Deutschland muss die fehlenden Mengen kurzfristig und teuer auf dem engen Markt nachkaufen. Die Bundesregierung sucht daher auch händeringend nach Alternativen zu russischem Gas.
Frankreich signalisierte für die kalten Monate Hilfe: Nach Angaben von Regierungsvertretern könnte Gas im Umfang von etwa 20 Terawattstunden nach Deutschland fließen. Dies wären etwa zwei Prozent des deutschen Jahresverbrauchs. “130 Gigawattstunden pro Tag wären möglich. Im Winter würde sich das auf insgesamt 20 Terawattstunden summieren”, sagte ein französischer Regierungsvertreter. Das entspräche etwa fünf Prozent des Jahresverbrauchs Frankreichs.
Die Bundesnetzagentur dringt auf Einsparungen ab sofort und sieht erste Erfolge: Die privaten Haushalte, aber auch die Industrie verbrauchten “fünf, sechs, sieben Prozent weniger”, sagte Agentur-Chef Klaus Müller im Deutschlandfunk. “Deutschland muss weniger Gas verbrauchen.” Jetzt müsse in allen Bereichen der Gesellschaft etwas getan werden, sei es technische Innovation, sei es das Diversifizieren von Energiequellen.
“Aber das Entscheidende ist das Gaseinsparen. Und da möchte ich gern weniger sozusagen Klagen hören, sondern mehr Meldungen, wo jemand sagt, wir als Branche, wir als Stadt, wir als Region tragen dazu bei, Gas zu sparen.” Zugleich müssten sich die Verbraucher auf höhere Energiepreise einstellen, sagte Müller. “Es ist eine Preisentwicklung auf Ansage.” rtr
Die Gruppe der sieben reichsten Volkswirtschaften will bis zum 5. Dezember eine Preisobergrenze für russische Ölexporte einführen, da dann die Sanktionen der EU gegen Russland in Kraft treten, die den Import von russischem Rohöl auf dem Seeweg verbieten. Das sagte ein hochrangiger G7-Beamter am Mittwoch.
“Das Ziel ist es, sich an den Zeitplan anzupassen, den die EU bereits festgelegt hat. Wir wollen sicherstellen, dass der Preisbegrenzungsmechanismus zur gleichen Zeit in Kraft tritt”, sagte der Beamte, der nicht namentlich genannt werden wollte.
Die G7-Staaten – die Vereinigten Staaten, Kanada, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien – hatten im vergangenen Monat erklärt, sie würden eine Preisobergrenze für russisches Rohöl in Erwägung ziehen, um die Öleinnahmen einzudämmen, mit denen Moskau seine Invasion in der Ukraine finanziert.
Seitdem gibt es Bemühungen, China und Indien mit ins Boot zu holen, die bereits russisches Öl mit einem Abschlag auf den Marktpreis kaufen. “Wir haben bereits von einer Reihe asiatischer Länder gehört, die daran interessiert sind, entweder der Koalition beizutreten oder den Preispunkt, an dem der Preis festgelegt wird, besser zu verstehen, um ihre Position in den Verhandlungen mit den Russen über künftige Verträge zu stärken”, sagte der G7-Beamte.
Der von der G7 festgelegte Preis würde aus diesem Grund veröffentlicht werden. China und Indien sind an der Idee interessiert, ihre Ölimportkosten zu minimieren, weil sie über die Auswirkungen auf den Haushalt durch die oft subventionierten Einzelhandelspreise und die Inflation besorgt sind, sagte der Beamte.
Die G7 wollen, dass der Preis für russisches Rohöl von den Mitgliedern des Käuferkartells auf einem Niveau festgesetzt wird, das über den russischen Produktionskosten liegt, um dem Kreml einen Anreiz zu bieten, weiter zu pumpen, aber deutlich unter den derzeit hohen Marktpreisen.
Auf diese Weise stünde Russland vor der schwierigen Wahl, entweder geringeren, aber kontinuierlichen Einnahmen zuzustimmen oder fast keine Einnahmen zu erzielen, sobald das EU-Embargo für Rohöl im Dezember in Kraft tritt (Europe.Table berichtete).
Der Beamte sagte, Russland werde es schwer haben, sein Rohöl anderswo zu verkaufen, da die EU-Sanktionen ein Verbot aller Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Erdölhandel, einschließlich Versicherung, Rückversicherung und Finanzierung von Ladungen und Schiffen, vorsehen würden. rtr
Das von Russland und der Ukraine vereinbarte Kontrollzentrum zur Überwachung von ukrainischen Getreideexporten ist in Istanbul offiziell eröffnet worden. Die Türkei glaube, dass das Zentrum einen wesentlichen Beitrag zur Überwindung der Nahrungsmittelkrise leisten werde, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar am Mittwoch bei der Eröffnungszeremonie in Istanbul.
Derzeit liefen Vorbereitungen, damit das erste mit Getreide beladene Schiff die Ukraine über das Schwarze Meer verlassen könne. Schiffe sollen bei der Durchfahrt durch die Meerenge Bosporus, also bei Ein- und Ausfahrt ins Schwarze Meer, kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen oder Ähnliches geladen haben. Das Koordinationszentrum werde die Handelsschiffe registrieren und deren Bewegungen unter anderem über Satelliten verfolgen, sagte Akar.
Das Zentrum ist Teil eines am Freitag in Istanbul unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei geschlossenen Abkommens (Europe.Table berichtete), mit der die Blockade ukrainischer Häfen aufgehoben wurde. Das Zentrum ist laut Akar schon seit Samstag im Betrieb. Dass die Ukraine, Russland und die UN schon einen Tag nach Unterzeichnung Vertreter entsandten, wertete Akar als Zeichen der Entschlossenheit, das Abkommen umzusetzen. In dem Zentrum arbeiteten Zivilisten und Militärs – jeweils fünf Vertreter pro Partei, sagte Akar.
Russland hatte in der Vereinbarung am Freitag zugesichert, Schiffe über einen Seekorridor fahren zu lassen und diese sowie beteiligte Häfen nicht anzugreifen (Europe.Table berichtete). Die Ukraine zählte vor dem russischen Angriffskrieg zu den wichtigsten Getreideexporteuren der Welt. Wegen des Kriegs konnten bislang jedoch mehr als 20 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine nicht exportiert werden. dpa
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron empfängt am Donnerstagabend den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Die beiden wollen sich zu einem Arbeitsessen im Pariser Élyséepalast zusammensetzen. Welche Themen sie besprechen wollen, gab der französische Präsidialpalast zunächst nicht bekannt. Nach Ankündigung des saudischen Königshofs soll es um bilaterale Beziehungen und um Themen von gemeinsamem Interesse gehen.
Der Kronprinz befindet sich derzeit auf seiner ersten Reise in die Europäische Union (Europe.Table berichtete) seit der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi vor fast vier Jahren. Khashoggi, der eine Kolumne für die “Washington Post” schrieb, war im Herbst 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Killerkommando auf brutale Weise getötet worden. US-Geheimdienste sehen den Kronprinzen in der direkten Verantwortung. Dieser bestritt, die Tötung angeordnet zu haben.
Der Kronprinz war bereits am Dienstag nach Athen, Griechenland, gereist und hatte dort den griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis getroffen. Sie besiegelten dort eine Vereinbarung über die Verlegung eines Unterwasser-Datenkabels, das Europa mit Asien verbinden soll, und sprachen über die Möglichkeit, ihre Stromnetze miteinander zu verbinden, um Europa mit günstiger grüner Energie zu versorgen.
Griechenland und Saudi-Arabien hatten sich bereits im Mai auf die wichtigsten Bedingungen eines geplanten Joint Ventures zum Bau eines Datenkabels, des sogenannten “East to Med data Corridor” geeinigt. Es soll von Mena Hub entwickelt werden, das sich im Besitz der saudi-arabischen STC und des griechischen Telekommunikations- und Satellitenanwendungsunternehmens TTSA befindet.
“Durch die Verbindung des Stromnetzes … können wir Griechenland und Südwesteuropa über Griechenland mit viel günstigerer erneuerbarer Energie versorgen”, sagte Prinz Mohammed. Außerdem wurden bilaterale Abkommen in den Bereichen Energie und militärische Zusammenarbeit unterzeichnet. rtr/dpa
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat sich am zweiten Verhandlungstag über den Corona-Wiederaufbaufonds der EU intensiv mit der Kontrolle des Fonds befasst. Dazu wurde Clemens Ladenburger vom Juristischen Dienst der EU-Kommission befragt. Bundesverfassungsrichter Peter Müller wollte wissen, wie kontrolliert werden könne, dass nicht weitere EU-Kredite aufgenommen werden, um auch bei anderen wirtschaftlichen Notlagen einzugreifen.
Verfassungsrichterin Christine Langenfeld fragte, wie ein Verschiebebahnhof verhindert werden könne. Sie befürchtete, dass EU-Mitgliedsländer notwendige Investitionen nicht aus ihrem Haushalt finanzieren, sondern dazu auf den Fonds zurückgreifen könnten.
Ladenburger betonte in seiner eineinhalbstündigen Befragung, dass die Kreditaufnahme nach den EU-Verträgen nur in wirtschaftlichen Notsituationen erlaubt sei. Andernfalls müssten die EU-Verträge geändert werden. Die Kontrolle sieht Ladenburger dadurch gesichert, dass nur nach Vorlage eines genauen Investitionsprogramms ausgezahlt wird. Die Reformfortschritte würden kontrolliert, bei Rückschritten werde Geld zurückgefordert. Das Geld dürfe also nicht zur Sanierung des nationalen Haushalts verwendet werden, sondern nur in Investitionen fließen.
Bereits am Dienstag, dem ersten Verhandlungstag, zeichnete sich ab, dass die Karlsruher Verfassungsrichter in der EU-Schuldenaufnahme allein noch keine offensichtliche Überschreitung der Kompetenzen sehen. Die EU-Verträge erlaubten grundsätzlich in wirtschaftlichen Notlagen zweckgebundene Finanzhilfen.
Es geht um insgesamt 750 Milliarden Euro, die die Kommission als Kredite aufnimmt, um die Bewältigung der Corona-Krise zu finanzieren. Die Mitgliedstaaten sollen Gelder teils als Zuschuss, teils als rückzahlbare Kredite erhalten. Diese sollen in Klimaschutz, Digitalisierung und Reformen investiert werden. Es ist das erste Mal, dass die EU Kredite aufnimmt, für die die Mitgliedstaaten bei Zahlungsausfällen haften. Der Bundestag stimmte dem Programm im März 2021 mit Zweidrittelmehrheit zu. Dagegen legten über 2000 Bürgerinnen und Bürger Verfassungsbeschwerde ein. Das Urteil des Zweiten Senats wird in einigen Monaten erwartet. rtr
Russland hat nach dem Sendeverbot für seinen Staatsfernsehsender RT in Frankreich Druck gegen westliche Medien angedroht. Moskaus Reaktion auf das vom Europäischen Gericht bestätigte Verbot der EU von RT France werde “ziemlich negativ” sein, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. “Der Angriff auf die Freiheit des Wortes, auf die Freiheit der Massenmedien in den europäischen Staaten, darunter in Frankreich, das ist ein Prozess, der unsere Besorgnis und unser Bedauern auslöst”, sagte Peskow.
Der Kremlsprecher ging dabei nicht auf die Vielzahl verbotener Medien in Russland ein. “Natürlich ergreifen wir ebenbürtige Maßnahmen des Drucks gegen westliche Massenmedien, die bei uns im Land arbeiten”, sagte Peskow. “Wir werden sie auch nicht in unserem Land arbeiten lassen, und hier wird es keine weiche Haltung geben.” Er erwähnte auch nicht, dass russische Korrespondenten in der EU frei arbeiten können. Dagegen dürfen westliche Korrespondenten in Russland nur mit einer Akkreditierung des Außenministeriums arbeiten.
Zuvor hatten die Richter in Luxemburg eine Klage von RT France gegen ein EU-Sendeverbot wegen des Vorwurfs der Kriegspropaganda (Europe.Table berichtete) zurückgewiesen (Rechtssache T-125/22). Die Sanktion war Anfang März kurz nach Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine ergangen. Sie betrifft alle Verbreitungswege von RT und Sputnik in der EU, etwa per Kabel, Satellit oder Internet. Betroffen davon sind auch RT-Ableger wie RT auf Deutsch oder Französisch. Die EU hat mittlerweile drei weiteren Sendern die Sendefrequenzen gestrichen.
Auch der Ableger RT DE darf in Deutschland nicht senden. Deshalb hatte Russland der Deutschen Welle, dem Auslandssender der Bundesrepublik Deutschland, die Sendelizenz entzogen und das Korrespondentenbüro in Moskau schließen lassen. Peskow äußerte die Hoffnung, dass “Schlupflöcher” gefunden werden, “damit die so begehrte Übertragung unserer Informationen über verschiedene Kanäle wieder losgehen kann”. dpa
Zur Energiepolitik kam die gelernte Juristin Barbara Lempp durch Herbert Reul. Sie bewarb sich 2003 bei dem heutigen CDU-Innenminister Nordrhein-Westfalens als Referentin im Europäischen Parlament. Reul fragte sie im Bewerbungsgespräch, für welches Politikfeld er sich interessieren solle, falls er gewählt werde. Lempp schlug ihm die Energiepolitik vor.
Reul wurde gewählt, Lempp bekam den Job und stieg später zur Büroleiterin auf. “Dann habe ich festgestellt, dass man sich mit Energie ein Leben lang beschäftigen kann.” Danach arbeitete sie mehr als sechs Jahre für RWE. Heute ist Lempp Deutschland-Chefin der European Federation of Energy Traders (EFET), einem Zusammenschluss von 150 Energiehändlern. Für ihre Interessen setzt sich Lempp in Berlin ein.
In den neun Jahren, in denen Lempp bei EFET arbeitet, war der Strompreis noch nie so hoch. Das sei auch für die Stromhändler ein Problem, erklärt sie. Stromverkäufer machen zwar ein gutes Geschäft, aber Energieunternehmen müssen auch Strom einkaufen. Das wird zum Problem. “Hinter jedem Geschäft müssen Barmittel als Sicherheit hinterlegt werden und das bindet Kapital.”
Dennoch setzt sie sich mit ihrem Verband gegen Preisdeckel ein, wie sie etwa von Yasmin Fahimi, der Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, und Teilen der Opposition gefordert werden. Das stoppe Investitionen der Unternehmen. Lempp fordert eine staatliche Abfederung sowie ein grundlegendes Versprechen endlich umzusetzen. “Wir müssen mehr Energie einsparen“, sagt Lempp (Europe.Table berichtete). “Darüber sind wir uns seit der Energiewende alle einig, aber jetzt wird es maximal wichtig.”
Lempp will die entstehende Energielücke ideologiefrei diskutieren, heißt: Deutschland sollte seine Kohlevorkommen nutzen (Europe.Table berichtete), CO2 sollte abgeschieden und gespeichert werden und auch für die Laufzeitverlängerung der drei verbleibenden AKWs werde man nicht umhinkommen, sollte Russland den Gashahn zudrehen. “Die nächsten zwei Winter sind kritisch”, sagt Lempp.
Die Marktprinzipien zu verteidigen, sei aktuell nicht einfach, erzählt Lempp. Lobbyieren sei schwierig, weil die Entscheidungstragenden in der Politik nervös seien und die Preise unbedingt abfedern wollen. Dabei hat ihr Verband einen Vorteil: Intern liefen die Abstimmungen unter den Mitgliedsunternehmen sehr schnell und alle leiden unter den gleichen Problemen.
Das Berliner Team besteht inklusive Lempp aus nur drei Leuten. Das funktioniere aber gut, weil auch die Mitgliedsunternehmen eingebunden werden und Positionspapiere schreiben, die dann schnell abgestimmt werden können. Von EFET bekämen Politikerinnen und Politiker die ungeschminkte Marktsicht auf den Energiehandel. Beim großen Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sitzen beispielsweise auch die Netzbetreiber am Tisch, die Positionen sind dann weniger klar. “Ich muss mich nicht verbiegen”, sagt Lempp. Tom Schmidtgen