Table.Briefing: Europe

Franziska Brantner im Interview + Cyber Resilience Act + Xi und Putin

  • Franziska Brantner: “Auf den Rohstoffmärkten kann man viel kaputtmachen”
  • EU-Monitoring
  • Cyber Resilience Act: Bis zur letzten Waschmaschine
  • Xi und Putin: “Alte Freunde” und Rivalen
  • Ungarn nach Ansicht des EU-Parlaments keine vollwertige Demokratie mehr
  • Habeck: G7-Staaten erwägen Aufbaufonds für die Ukraine
  • Breton: Industriepolitik über gemeinsame Schulden finanzieren
  • Rechnungshof: Zweiter Wahlgang fällig
  • Agrarausschuss: Kommission soll Pestizidverordnung überarbeiten
  • EU-Parlament fordert Klimaanpassungsrahmen
  • Wasserstoff laut Forschern auch künftig kein dominanter Energieträger
  • What’s cooking in Brussels: Die Grünen wollen in die Bundesliga der EU-Parteien
Liebe Leserin, lieber Leser,

sich komplett von China abzukoppeln, könne nicht die Lösung sein, sagt Franziska Brantner. Doch zu große Abhängigkeiten könnten schmerzhaft enden. Diversifizierung sei darum notwendig. “Wir müssen uns wieder stärker der gesamten Welt zuwenden.” Im Interview mit Till Hoppe und Felix Lee spricht die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz außerdem über die Tücken einer Rohstoffstrategie, strategische Lagerhaltung und eine “faire und freie Handelspolitik”.

Computer, Telefone, Haushaltsgeräte, Autos oder Spielzeug – jedes dieser vernetzten Geräte sei ein potenzieller Angriffspunkt für einen Cyberangriff, sagte EU-Kommissar Thierry Breton. Mit dem Vorschlag für einen Cyber Resilience Act will die Kommission neue Wege beschreiten und auch die letzte intelligente Waschmaschine absichern. Das ist wohl nötig – geht aber mit enormem Aufwand für die Industrie einher, wie Falk Steiner berichtet.

Freundliches Händeschütteln und warme Worte in Samarkand: Beim Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit bedankte sich Russlands Präsident Wladimir Putin für die die “ausgewogene Position unserer chinesischen Freunde in Bezug auf die Ukraine-Krise”. Chinas Staatspräsident Xi Jinping nannte Putin einen “alten Freund”. Für Xi und Putin kam das Treffen wie gerufen, sollte es doch beweisen, dass sie international weitaus weniger isoliert sind, als viele Stimmen im Westen behaupten. Doch Xis Reise nach Zentralasien zeigte auch, wo für Peking die Grenzen im Schulterschluss mit Moskau liegen. Michael Radunski analysiert die Begegnung.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins Wochenende!

Ihre
Sarah Schaefer
Bild von Sarah  Schaefer

Analyse

Franziska Brantner: “Auf den Rohstoffmärkten kann man viel kaputtmachen”

Franziska Brantner im blauen Blazer. Im Interview spricht sie über die Tücken einer Rohstoffstrategie und eine neue Handelspolitik.
Franziska Brantner ist Parlamentarische Staatsekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Frau Brantner, die Grünen haben zu Beginn ihrer Regierungszeit eine Zeitenwende in der deutschen China-Politik angekündigt. Was machen Sie konkret anders?

Franziska Brantner: Erstens müssen wir genau analysieren, was sich auf chinesischer Seite in den letzten Jahren verändert hat. Wir brauchen ein akkurates Bild der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes als Grundlage unserer Politik. Zweitens haben wir zuletzt erlebt, wie schmerzhaft zu große Abhängigkeiten von einem einzelnen Land sein können und wie notwendig eine Diversifizierung für unsere Wirtschaft ist. Wir müssen uns wieder stärker der gesamten Welt zuwenden. Das heißt nicht, dass wir uns von China komplett abkoppeln. Die veränderte Weltlage erfordert allerdings eine neue Einschätzung.

Viele befürchten beim Taiwan-Konflikt eine weitere große Krise wie in der Ukraine – nur dass die deutsche Wirtschaft mit China sehr viel enger verwoben ist als mit Russland.

China war noch nie eine liberale Demokratie. Und trotzdem stellt sich die Systemfrage mehr als vor zehn Jahren, weiI die chinesische Politik im Inneren als auch nach Außen sich maßgeblich geändert hat. Es bleibt abzuwarten, welche Richtung die Führung nach dem großen Parteikongress im Oktober einschlägt. In einigen Sektoren haben wir bei Importen und bei Exporten große Abhängigkeiten. Diese gilt es konsequent durch Diversifizierung abzubauen. Außerdem muss die Menschenrechtslage stärker berücksichtigt werden. Gleichzeitig haben wir ein klares Interesse, beim Klimaschutz mit China zu kooperieren. In den internationalen Klimaverhandlungen ist Peking ein zentraler Akteur. Das Land hatte in diesem Sommer schlimme Dürren und Überschwemmungen.

Ihr Ministerium will staatliche Investitionsgarantien für in China tätige deutsche Firmen kippen. Das ist doch ein sehr eindeutiges Signal.

Wir kippen gar nichts, sondern prüfen genau. Wenn es klare Anhaltspunkte gibt, dass in einer Region, in der deutsche Unternehmen produzieren, nachweislich Zwangsarbeit vorhanden ist, wird es keine staatlichen Investitionsgarantien geben.

Die Frage ist ja, welche Art von Investitionen deutscher Firmen die Bundesregierung künftig noch unterstützen wird.

Wenn wir als Regierung wollen, dass deutsche Unternehmen stärker diversifizieren, dann sollten wir das selbst auch tun. Und das sollten wir auch bei unseren Förderinstrumenten tun. Das bedeutet nicht, dass deutsche Unternehmen sich komplett vom chinesischen Markt zurückziehen sollen. In einigen zentralen Bereichen sollten sich einige von ihnen aber weniger abhängig machen. Diese Diversifizierung erfolgt aber nicht von heute auf morgen.

“Eine faire und freie Handelspolitik”

Die Industrie sieht die Politik in der Pflicht: Es brauche dringend neue Handelsabkommen, fordert der BDI, um alternative Beschaffungs- und Zielmärkte zu öffnen.

Da hat der BDI recht: Nur durch ein Zuwenden zur Welt in ihrer Breite werden wir Erfolg haben und unseren Wohlstand sichern. Aber es muss dabei fair und nachhaltig zugehen. Wir befinden uns im Wettbewerb mit China, und die anderen Länder fragen: Was ist der Mehrwert für uns, wenn wir mit Europa zusammenarbeiten? Sie wollen keine reinen Rohstofflieferanten sein, sondern einen größeren Teil der Wertschöpfung bei sich behalten und eben auch ihre Umwelt schonen. Die Wasserthematik ist in dem Zusammenhang zum Beispiel sehr relevant. Das ist anders als noch vor 20 oder 30 Jahren.

Ist das die Art von Freihandel, auf die sich auch die Grünen einlassen können? Bislang haben Ihre Parteifreunde im Europaparlament die Abkommen meist abgelehnt.

Wir wollen eine faire und freie Handelspolitik. Die Bedingungen, unter denen die alte Handelspolitik gelaufen ist, waren weder besonders hilfreich für uns, für die Partnerländer noch für das Klima. Wir ringen in Europa um jede Tonne CO2, und dann importieren wir die Produkte aus anderen Ländern mit geringeren Standards. Dem Klima ist es am Ende egal, wo das CO2 entsteht. Um Klimadumping zu verhindern, sollen nun die Zusagen aus dem Pariser Klimaschutzvertrag genauso einklagbar sein wie andere Standards. Das ist schon ein beachtlicher Erfolg grüner Politik.

Beim Handelsabkommen mit Kanada fordert die Bundesregierung Klarstellungen bei den Klagerechten von Investoren. Ist die kanadische Regierung offen dafür?

Ja. Kanada ist das Land, das am dritthäufigsten vor Schiedsgerichten verklagt wurde. Die Schiedsgerichte sind nur auf Drängen der EU und unter anderem der damaligen Bundesregierung in den CETA-Vertrag aufgenommen worden. Deswegen sagen die Kanadier uns, dass sie mit Klarstellungen einverstanden sind, solange wir den eigentlichen Vertrag dafür nicht öffnen, um nicht das bereits laufende Ratifizierungsverfahren zu gefährden. Es geht beiden Seiten darum, missbräuchliche Klagen zu verhindern.

Der Energiecharta-Vertrag soll reformiert werden, um Investorenklagen gegen die Klimapolitik zu erschweren. Unterstützt die Bundesregierung das Verhandlungsergebnis?

Wir sind noch in der internen Abstimmung. Im Rahmen der neuen Handelspolitik haben wir klare Kriterien für den Energiecharta-Vertrag definiert – er darf der Klimapolitik nicht entgegenstehen. Auf europäischer Ebene bewegt sich zudem sehr viel gerade. Die Italiener sind aus dem Vertrag ausgetreten, Polen wird das jetzt auch tun. Andere Länder überlegen das genauso. Wir sollten daher nicht rein national entscheiden, sondern berücksichtigen, wie sich das Meinungsbild in der EU entwickelt.

“Negative Anreize beheben”

Sie sitzen auch an einer neuen Rohstoffstrategie. Geben Sie uns ein Update?

Wir werden bald ein Update vorstellen, aber denken dies gleich europäisch. Die EU-Kommission wird einen Raw Materials Act vorlegen, und wir geben hier unseren Input. Aber wir müssen sorgsam vorgehen und mit Unternehmen und Experten sprechen. Auf den Rohstoffmärkten kann man schnell viel kaputtmachen.

Eine der Ideen ist die strategische Lagerhaltung von kritischen Rohstoffen. Die Industrie fordert dafür aber steuerliche Anreize.

Für die Rohstoffbeschaffung ist ja nicht der Staat zuständig, sondern die Unternehmen. Und es ist auch in deren Interesse, dass sie resiliente Lieferketten haben. Wir wollen nicht staatlich finanzieren, was grundsätzlich Aufgabe der Unternehmen ist. Wir möchten sie dabei unterstützen, durch gebündelte Expertise wie bei der deutschen Rohstoffagentur, durch die Kompetenzzentren bei den Außenhandelskammern, aber auch durch gezielte Regierungskooperation mit Partnerländern wie Kanada oder Chile. Wo es negative staatliche Anreize gibt, werden wir sie möglichst beheben. Lagerhaltung hilft aber nur bedingt, wenn man von einem Lieferanten abhängig ist. Deshalb muss es immer auch um die Diversifizierung der Quellen und der Weiterverarbeitung gehen.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist, die heimische Förderung in Europa etwa von Lithium auszubauen – für die Grünen ein sensibles Thema.

Ich bin ein Befürworter davon, wenn es sauber und nachhaltig gemacht wird, wie es im Rheingraben gerade erprobt wird. Dort wird versucht, mithilfe von Geothermie Lithium zu gewinnen. Geothermie ist eine gute Chance für Wärme und Lithium – aber sie muss fachlich korrekt angewandt werden, Scharlatane können schnell auch große Schäden anrichten. Wir setzen daher auf den geregelten Rahmen.

Höhere Umwelt- und Sozialstandards bedeuten meist höhere Preise: Wie wettbewerbsfähig kann nachhaltiger Bergbau in Europa sein?

Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir europäische Sozial- und Umweltstandards aufsetzen, die auch für den Import gelten. Das ist auch im Interesse der Lieferländer. In der Atacama-Wüste in Chile wohnen zwar viel weniger Menschen als im Rheingraben, aber auch Sie wollen, dass die Lithiumgewinnung wasserschonend und energieeffizienter wird.

“Das Lieferkettengesetz kann helfen”

Welche Rolle spielt hier das EU-Lieferkettengesetz?

Das Lieferkettengesetz kann helfen, eine europäische Produktion und Weiterverarbeitung zu ermöglichen. Wir möchten nicht, dass unsere Rohstoffe aus Kinderarbeit kommen, und könnten mit den Preisen nicht konkurrieren. Aber wir können technologisch besser sein, weniger Wasser und Energie verbrauchen. Extrem wichtig für uns ist außerdem der Gedanke von Kreislaufwirtschaft, Recycling und Substitution.

Was sollte hier passieren?

Wir gehen bis jetzt recht unachtsam mit einigen kritischen Rohstoffen um, die schon bei uns in verarbeiteter Form in Europa sind. Dabei sind diese eine unserer großen Reserven. Wir haben hier eine große Aufgabe. Deswegen müssen wir vorankommen mit Blick auf rechtliche Grundlagen, Normierungen, Fördermöglichkeiten, schnelleren Planungsverfahren für Recyclinganlagen usw.

Die Industrie ächzt sehr unter den hohen Energiepreisen und argumentiert: Bitte ladet uns nicht noch mehr Lasten auf. Wäre es angemessen, etwas das Lieferkettengesetz zurückzustellen?

Das Gesetz muss so ausgestaltet werden, dass die Umsetzung gerade für kleine und mittlere Unternehmen nicht zur Unmöglichkeit wird. Das ist unser gemeinsames Interesse. Aber es ist dieser Tage wichtiger denn je zu wissen, woher eigentlich unsere Produkte kommen. Wir sehen ja, welche hohen Folgekosten wir zahlen müssen, wenn die Lieferketten nicht funktionieren.

Wie kann man Mittelständler bei den Dokumentationspflichten entlasten?

Ich hoffe, dass wir da gute europäische Lösungen finden, dafür setzen wir uns ein. Außerdem setzen wir auf digitale Unterstützung. Und das Zweite ist natürlich, dass wir doppelte Berichtspflichten möglichst vermeiden. Zudem versuchen wir, uns im Rahmen der G7 mit anderen westlichen Ländern abzustimmen, auch wenn das ein dickeres Brett ist. Viele Mittelständler sind ja auf mehreren Märkten unterwegs. Sie sagen mir vielfach, ok, gebt mir einen Standard, aber nicht zehn. Das finde ich sehr nachvollziehbar.

Weitere Fragen rund um die deutsche China-Politik beantwortet Franziska Brantner bei unseren Kolleginnen und Kollegen von China.Table.

  • China
  • Handel
  • Handelspolitik
  • Klima & Umwelt
  • Landwirtschaft
  • Rohstoffe
  • Rohstoffstrategie

EU-Monitoring

16.09.2022_Monitoring

Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
20.09.2022 10:00 Uhr
Themen: Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates am 20./21.10.2022, Sachstand zu den Beziehungen EU-Vereinigtes Königreich, Gedankenaustausch zu den Maßnahmen im Anschluss an die Konferenz zur Zukunft Europas.
Vorläufige Tagesordnung

EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland
20.09.2022
Themen: Die SpaceNet AG und die Telekom Deutschland GmbH, die Internetzugangsdienste und – im Fall der Telekom – auch Telefondienste anbieten, haben vor dem Verwaltungsgericht Köln auf Feststellung geklagt, dass sie nicht verpflichtet sind, bestimmte Verkehrsdaten ihrer Kunden auf Vorrat zu speichern. Der EuGH prüft die Vereinbarkeit der im Telekommunikationsgesetz vorgesehenen Vorratsdatenspeicherungspflicht mit dem Unionsrecht.
Schlussanträge

Wöchentliche Kommissionssitzung
21.09.2022
Themen: Überarbeitung der Verordnung über Feuerwaffen, Empfehlung zur Krebsvorsorge.
Vorläufige Tagesordnung

Cyber Resilience Act: Bis zur letzten Waschmaschine

Was bei Kraftwerken und Internetknoten unfraglich scheint: Dass es sich dabei um kritische Infrastrukturen handelt. Doch wie kritisch sind Millionen internetfähiger Klein- und Kleinstgeräte, wenn alles miteinander vernetzt ist?

Genau diese Frage stellte sich 2016 ganz akut, als hunderttausende mit dem Internet verbundener Geräte ohne das Wissen ihrer Eigentümer und Nutzer im Mirai-Botnetz eingebunden wurden. Webcams oder Router wurden Teil einer digitalen Armee, die plötzlich im Dienst der Botnetz-Betreiber standen. Nicht nur, dass jedes infizierte System weitere verwundbare Systeme suchen half.

Nein, die Betreiber hatten ein anderes Ziel: Die grundsätzlich einfachste aller Angriffsmethoden der Cybersicherheit zu verwenden, die sogenannten Denial-of-Service-Attacke. Dabei wird die größtmögliche Menge an Datenverkehr ausgelöst, die die jeweiligen Internetanbindungen hergeben, um ein Ziel entweder unerreichbar zu machen oder dort Fehlfunktionen auszulösen, um anschließend in die Systeme eindringen zu können. Wenn dabei auch noch ganz viele unterschiedliche Systeme aus unterschiedlichen Netzsegmenten gleichzeitig angreifen, ist die Detektion und Abwehr eines solchen “Distributed Denial of Service-Angriffs” (DDoS) für die IT-Sicherheitsabteilungen regelmäßig eine große Herausforderung.

Security-by-Design-Prinzip

Genau solche Endgeräte und ihre Software sollen künftig mit klaren Anforderungen versehen werden. Der Cyber Resilience Act (CRA) ist dabei ein komplexes Gesetzeswerk: Er definiert grundlegende Anforderungen an die IT-Sicherheit – das sogenannte Security-by-Design-Prinzip. Die Kommission will in zwei Kategorien unterscheiden:

  • Produkte mit digitalen Elementen
  • Kritische Produkte mit digitalen Elementen

Die erste Kategorie der Produkte mit digitalen Elementen fällt unter vergleichsweise wenig Vorschriften, definiert im Anhang II zum Verordnungsvorschlag. Doch schon diese enthält interessante Aspekte, wie etwa eine Verpflichtung zu

  • sicheren Voreinstellungen im Auslieferungszustand,
  • sicheren Datenübertragungsmethoden
  • Sicherheitsupdate-Möglichkeiten

Auch eine Offenlegungspflicht für Sicherheitslücken, sobald Updates ausgerollt sind, greift bereits für diese Kategorie – allerdings gibt es bereits Kritik von SPD- und Piratenabgeordneten, dass diese zahnlos sei: Die Kommission habe vergessen, Sicherheitsupdates klar über die erwartbare Lebensdauer eines Produkts verpflichtend zu machen.

Die Kommission findet ihren Vorschlag erwartungsgemäß gut: “Ähnlich, wie das CE-Kennzeichen bei Spielzeug oder Kühlschränken die Sicherheit bescheinigt, stellt das Cyberresilienzgesetz sicher, dass die angebotenen vernetzten Hardware- und Softwareprodukte strenge Cybersicherheitsanforderungen erfüllen”, sagte Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager am Donnerstag. “Dazu nehmen wir diejenigen in die Pflicht, die die Produkte in Verkehr bringen.”

Anhang III der Verordnung definiert die Pflichten für die als kritisch eingestuften Produkte mit digitalen Elementen. Darunter soll Software wie etwa Passwortmanager fallen, aber auch Virenscanner, manche Betriebssysteme, Mikroprozessoren, anwendungsspezifische Schaltkreise (ASIC) oder Netzwerkgeräte. Hier kommen wesentlich umfangreichere Pflichten auf die Inverkehrbringer zu.

Verbände fordern Nachbesserungen

Wie sie die Vorgaben einhalten, sollen Unternehmen künftig erklären müssen – eine Konformitätserklärung wird verpflichtend. Aber welchen Maßstab müssen sie dafür anlegen? Wann müssen sie Produkte oder Teilprodukte welchen Prüfungen unterziehen? Teile der Wirtschaft warnen vor Verunsicherung.

“Wenn Unternehmen solche oder darauf aufbauende Produkte auf Basis dieser Einteilung nur erschwert auf den Markt bringen können, wird es zu großen Verzögerungen in der EU beim Einsatz digitaler Produkte und Komponenten kommen”, sagt Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. Statt reine Hochrisikolisten zu führen, müsse das Konzept des vorgesehenen Verwendungszwecks im Vordergrund stehen, fordert er.

Das fordert auch der VDMA: Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Hartmut Rauen ist dennoch nicht zufrieden. Damit Hersteller nicht jedes einzelne Element in jedem Kontext neu prüfen müssen, sieht der Verordnungsvorschlag vor, dass die Konformität dann als gegeben betrachtet werden soll, wenn es einen offiziellen Standard gibt, der als ausreichend anerkannt wird. Grundsätzlich begrüßen das die Industrievertreter. Rauen kritisiert aber: “Entscheidend für den Erfolg des Cyber Resilience Act wird die rechtzeitige Verfügbarkeit von harmonisierten Normen sein. Fehlen entsprechende Standards, sind Engpässe bei der Verfügbarkeit zugelassener Produkte unumgänglich.”

Brüssels Digitalpuzzle bekommt ein weiteres Teilchen

Dass der Vorschlag jetzt auf dem Tisch liegt, freut Verbraucherschützer: “In der Vergangenheit konnten freiwillige Lösungen und Industriestandards die Situation nicht verbessern”, sagt Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. Es sei “wichtig, dass keine reinen Selbsterklärungen der Hersteller genügen.” Der Verbraucherverband fordert, dass die Einhaltung von IT-Sicherheitsanforderungen von autorisierten und unabhängigen Stellen zertifiziert und geprüft werden solle – was über den jetzigen Vorschlag noch einmal deutlich hinausgehen würde.

Der CRA ist ein weiterer Baustein in einer ganzen Reihe von ineinandergreifenden EU-Regularien. Der Entwurf der Kommission ist gespickt mit Querverweisen auf andere Gesetzeswerke, die – wie die KI-Verordnung – teilweise noch in einem relativ frühen Beratungsstadium sind. Dazu kommen spezifische Vorschriften, die der CRA nicht überformen soll, etwa bei allem, was für die Fahrzeug-Typenzulassung relevant ist oder für Medizingeräte.

“Der zentrale Aspekt ist, dass der CRA wirklich eher als Schlussstein und Auffangregelung gedacht ist, für all die Bereiche, in denen wir noch keine harten Regularien haben”, sagt der auf IT-Recht spezialisierte Rechtsanwalt Stefan Hessel von Reusch Law. “Mit dem CRA werden zu jedem Produkt, das am europäischen Markt vertrieben wird oder in Verkehr gebracht wird, spezifische Cybersecurityverpflichtungen zu erfüllen sein.”

Wirkung wohl erst ab 2026

In Kombination mit dem Produkthaftungsrecht, Datenschutzgrundverordnung, KI-Verordnung und dem Data Act sieht Hessel zwei Dinge auf sich und seine Kunden zukommen: viel Arbeit – und Frustration. Insbesondere kleine Unternehmen seien kaum in der Lage, alle Vorschriften gleichzeitig zu beachten und umzusetzen.

Ob der Cyber Resilience Act es in dieser Legislaturperiode noch durch Beratungsprozess und Trilog schafft, beurteilen mit dem Thema gut vertraute Kreise höchst unterschiedlich. Denn auch wenn aus ganz unterschiedlichen Perspektiven Nachbesserungsbedarf gesehen wird: Die Dringlichkeit der besseren Absicherung vernetzter Geräte erkennen alle Beteiligte an.

Und die Übergangsvorschriften, die die Kommission vorsieht, sind lang: Zwei Jahre sollen ab Verabschiedung vergehen, bis das Gesetzeswerk in Kraft tritt. Zu diesem Zeitpunkt auf dem Markt befindliche Produkte sollen, sofern keine relevanten Veränderungen an ihnen vorgenommen werden, nicht darunter fallen. Realistisch betrachtet dürfte der Cyber Resilience Act also frühestens 2026 überhaupt seine Wirkung zu entfalten beginnen.

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Xi und Putin: “Alte Freunde” und Rivalen

Chinas Staatspräsident ist zurück auf der internationalen Bühne. Auf dem Gipfeltreffen der “Shanghai Cooperation Organization” (SCO) in Usbekistan ist Xi Jinping mit den Staatschefs aus Indien, Pakistan, Iran und Russland zusammengekommen. Mit Spannung wurde aber vor allem auf das Gespräch mit Russlands Präsident Wladimir Putin geblickt. 

In Samarkand sicherten sich die beiden Staatsführer wortreich ihre gegenseitige Unterstützung zu. Xi nannte Putin einen “alten Freund” und kündigte an, China werde mit Russland auch in Zukunft eng zusammenarbeiten. Putin wiederum zeigte sich erfreut: “Wir schätzen die ausgewogene Position unserer chinesischen Freunde in Bezug auf die Ukraine-Krise sehr.”

Dabei gestand Putin durchaus ein, dass Xi ihm gegenüber im Gespräch Fragen und Bedenken bezüglich der Situation in der Ukraine geäußert habe. “Wir verstehen Eure Fragen und Sorgen dazu”, sagte er. Im Hinblick auf Taiwan versprach er: Russland unterstütze die “Ein-Land-Politik” Chinas und lehne westliche Provokationen ab. Gemeint ist damit unter anderem der Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi, der Vorsitzenden des US-amerikanischen Repräsentantenhauses.

Alternative zu westlichen Institutionen

In Samarkand nutzten Xi und Putin ihr Treffen, um zu zeigen, dass Russland und China international weitaus weniger isoliert sind, als von vielen Politikern im Westen immer wieder verkündet wird – und dafür kam ihnen das zweitägige SCO-Gipfeltreffen wie gerufen.

Die SCO zeigt exemplarisch, wie China sich anschickt, alternative Strukturen zu westlich dominierten Institutionen zu errichten: Der 2001 gegründeten SCO gehören neben China und Russland auch Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan an. Weder Westeuropäer noch Amerikaner sitzen mit am Tisch, dafür aber Länder wie Belarus (als Beobachterstaat) oder Iran, das in Kürze der SCO beitreten wird, wie in Samarkand bekannt wurde.

“Die SCO dient China und Russland aktuell als Alternative zu den bestehenden US-dominierten Institutionen der internationalen Politik”, sagt Eva Seiwert, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Associate Research Fellow an der OSCE Academy in Bishkek, im Gespräch mit China.Table.

China gewinnt in Russlands Einflusssphäre

Zentralasien ist für China sehr wichtig. Und genau hier liegt der eigentliche Fokus von Xis erster Auslandsreise seit Beginn der Corona-Pandemie. Es war Kasachstan, wo Xi im September 2013 sein größtes außenpolitisches Projekt vorstellte: die “Belt and Road”-Initiative. Seither hat China massiv in die Region investiert – finanziell in unzählige Infrastrukturprojekte, wie auch diplomatisch in den Aufbau von guten Beziehungen zu den einzelnen Staaten. “China gelingt es sehr gut, über die SCO seinen Einfluss in Russlands ehemaligem Einflussgebiet immer weiter auszubauen“, sagt Seiwert.  

So unterzeichneten China und Usbekistan in Samarkand beispielsweise Handels- und Investitionsabkommen im Wert von 15 Milliarden US-Dollar. Und auch der in Samarkand angekündigte Beitritt Irans zur SCO kann durchaus als Erfolg für Xi gewertet werden.

Länder wie Usbekistan oder Kasachstan, die früher Teil der Sowjetunion waren, fühlen sich angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine bedroht. Gerade Kasachstan hat sich zuletzt deutlich gegen den russischen Überfall positioniert.

Verständnis für Einmarsch in die Ukraine

Ganz im Gegensatz zu China. Vergangene Woche reiste Li Zhanshu, Mitglied im Ständigen Ausschuss der Kommunistischen Partei und damit einer der mächtigsten neun Männer Chinas, nach Russland. Dort brachte er ausdrücklich Chinas Verständnis für Russlands Einmarsch zum Ausdruck: “Im Fall der Ukraine haben die USA und die Nato Russland direkt vor der Haustür bedroht, die nationale Sicherheit und die Leben der Menschen im Land gefährdet.” Entsprechend habe Russland lediglich “Maßnahmen ergriffen, die notwendig waren”.

Der gegenseitigen Zusicherung von Xi und Putin auf dem SCO-Treffen am Donnerstag hätte es also gar nicht bedurft. Und so ist es wichtig, sich von Xis Bildern mit Putin nicht davon ablenken zu lassen, wie man Xis Vorhaben auf seiner Reise verstehen sollte.

So reiste Xi nach fast 1000 Tagen selbstgewählter Isolation am Mittwoch zuerst nach Kasachstan. Dort sorgte zuletzt ein hastig gelöschter Telegram-Post von Dmitri Medwedew für Aufregung, in dem der ehemalige russische Präsident vorschlug, Moskau sollte nach der Ukraine seine Aufmerksamkeit dem Schicksal Nordkasachstans zuwenden.

Am Mittwoch in Kasachstan sagte Xi gegenüber Präsident Kassym-Schomart Tokajew: “Unabhängig davon, wie sich die internationale Situation ändert, werden wir Kasachstan weiterhin entschlossen beim Schutz seiner Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität unterstützen.” China werde sich kategorisch gegen die Einmischung jeglicher Kräfte in die inneren Angelegenheiten des Landes widersetzen. “Das ist eine subtile, aber doch sehr klare Warnung an Putin”, urteilt Seiwert.

Machtpolitische Schieflage

Denn während China seinen Einfluss in Zentralasien ausbaut, gelingt es Moskau immer weniger, innerhalb der SCO Unterstützung für seine aggressiven Aktionen zu gewinnen. So versuchte 2008 der damalige Präsident Dmitri Medwedew, die SCO-Staaten auf dem Gipfel in Duschanbe dazu zu bringen, Russlands Einmarsch in Georgien zu unterstützen. Medwedew scheiterte damals mit seinem Vorhaben – nicht zuletzt, weil China fürchtete, durch die Abspaltung von Abchasien und Südossetien einen Präzedenzfall für die Abspaltung Taiwans von China zu schaffen.

Auf immer mehr Ebenen wird die machtpolitische Schieflage zwischen China und Russland deutlich. Das zeigt diese Reise eindrucksvoll: Auf taktischer Ebene sucht Xi den Schulterschluss mit Putin – gegen Amerika und gegen den wachsenden wirtschaftlichen Druck des Westens.

Rhetorisch zeigt er Verständnis für Russlands Angriff, hält sich aber gleichzeitig an die westlichen Sanktionen. Xi will keine feste Entente mit Russland eingehen. Denn auf strategischer Ebene will er den globalen Marktzugang behalten und trotz aller Dissonanzen die Verbindungen zum Westen nicht komplett abreißen lassen. Michael Radunski

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News

EU-Parlament sieht Ungarn nicht mehr als vollwertige Demokratie

Ungarn ist nach Ansicht des Europaparlaments keine vollwertige Demokratie mehr. Stattdessen hätten sich die Zustände in dem mitteleuropäischen Land so sehr verschlechtert, dass es zu einer “Wahlautokratie” geworden sei, heißt es in einem Bericht, den die große Mehrheit der Abgeordneten am Donnerstag in Straßburg annahm. Auch die Untätigkeit der EU habe zu “einem Zerfall der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn beigetragen”. Die ungarische Regierung versuche, die Grundwerte der EU-Verträge vorsätzlich und systematisch zu untergraben.

Das EU-Parlament übt seit Langem heftige Kritik an der rechtsnationalen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán. Bereits 2018 leiteten die Abgeordneten ein Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gegen Ungarn ein, weil es Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte in dem Land bedroht sah. Das Verfahren, an dessen Ende der Entzug der Stimmrechte im Ministerrat stehen könnte, tritt im Rat der EU-Staaten jedoch auf der Stelle.

Wegen weit verbreiteter Korruption und anderer Verstöße gegen den Rechtsstaat droht dem Land nun aber die Kürzung von EU-Mitteln in Milliardenhöhe. Einen entsprechenden Vorschlag an die Mitgliedstaaten könnte die Kommission am Sonntag beschließen, wie die Deutsche Presse-Agentur in Brüssel aus EU-Kreisen erfuhr. Es wäre das erste Mal, dass die Behörde wegen rechtsstaatlicher Verstöße die Kürzung von EU-Mitteln vorschlägt.

Bereits im April hatte die Kommission den Rechtsstaatsmechanismus gegen Ungarn ausgelöst. Der Vorschlag, Geld zu kürzen, wäre der nächste Schritt in dem Verfahren. Allerdings besteht noch immer die Möglichkeit für einen Kompromiss mit Budapest. Im Europaparlament wird deshalb befürchtet, dass das Geld letztlich doch fließen wird. In ihrer Rede zur Lage der EU hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen betont, entschieden gegen Korruption vorgehen zu wollen. dpa

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Habeck: G7-Staaten erwägen Aufbaufonds für die Ukraine

Die G7-Gruppe diskutiert nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Einrichtung eines größeren Aufbaufonds für die Ukraine. Die ukrainische Vizeregierungschefin Julia Swyrydenko, die beim Treffen der G7-Handelsminister im brandenburgischen Neuhardenberg zu Gast war, habe den Finanzbedarf für den Wiederaufbau der Ukraine mit 350 Milliarden Euro beziffert, sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag.

“Es ist eine gigantische Summe, die sicherlich nicht nur mit öffentlichem Geld aufgebracht werden kann”, sagte Habeck. Deswegen habe man auch über die Einrichtung eines Finanzinstruments oder Fonds gesprochen, der dieses Geld “hebeln” könne.

Aufbaufonds für Ukraine: Riesige Summen

EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis sagte am Rande der Beratungen zu den 350 Milliarden Euro, es gehe um “riesige Summen” angesichts der heftigen Zerstörung, die die russische Aggression in der Ukraine hinterlassen habe – “und diese Summen schließen die jüngsten Entwicklungen noch nicht ein“. Mit der ukrainischen Gegenoffensive habe Russland begonnen, gezielt kritische Infrastruktur wie Kraftwerke oder Dämme zu zerstören.

Von der EU soll die Ukraine Hilfe in Höhe von neun Milliarden Euro zur Deckung laufender Kosten des Staates und etwa dem Betrieb von Krankenhäusern bekommen; das Geld ist zum Teil bereits ausgezahlt. Es sei gut möglich, dass noch weitere Unterstützung nötig sei, um die Zeit bis zu einem Wiederaufbau des Landes zu überbrücken, sagte Dombrovskis.

Von der Leyen: “Beitrittsprozess auf gutem Weg”

Bei ihrem Besuch in Kiew hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Anstrengungen der Ukraine für den angestrebten Beitritt in die EU gelobt. “Ich muss sagen, der Beitrittsprozess ist auf einem guten Weg”, sagte sie am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Die EU hatte die Ukraine im Juni offiziell in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen. Die weiteren Verhandlungen können allerdings erst beginnen, wenn das Land umfassende Reformen umgesetzt hat, etwa in der Justiz und bei der Bekämpfung von Korruption. dpa

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Breton: Industriepolitik über gemeinsame Schulden finanzieren

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat sich dafür ausgesprochen, einen neuen EU-Souveränitätsfonds über Schulden zu finanzieren. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen und des geringen Spielraumes im Mehrjährigen Finanzrahmen der EU seien unkonventionelle Ideen notwendig, schreibt Breton in einem Blogpost. “Daher sollten wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, diesen Fonds durch gemeinsame Schulden zu finanzieren, wie wir es bei Next Generation EU erfolgreich getan haben.”

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Mittwoch in ihrer Rede zur Lage der EU angekündigt, einen European Sovereignty Fund auflegen zu wollen. Ziel solle es sein, die Zukunftsfähigkeit der Industrie in Europa zu sichern, sagte sie, ohne Einzelheiten zu nennen.

Nach Thierry Bretons Vorstellungen sollte ein solcher Fonds dazu dienen, kritische Abhängigkeiten zu anderen Staaten zu reduzieren. So könnten mit den Mitteln IPCEI-Projekte aufgestockt werden. Bislang finanzieren die Mitgliedsstaaten die Industrieförderung bei solchen “Wichtigen Projekten von gemeinsamem europäischem Interesse” bei Batterien oder Wasserstoff aus den nationalen Budgets.

Markus Ferber, Koordinator der EVP-Fraktion im Wirtschaftsausschuss, sieht den Vorstoß kritisch. “In der jetzigen Finanzverfassung kann die Europäische Union keine zusätzlichen Schulden aufnehmen“, sagte er Europe.Table. Jeder neue Schuldentopf müsse durch die Mitgliedstaaten abgesichert werden, entweder durch höhere Beiträge an den Gemeinschaftshaushalt oder durch Garantien im Rahmen der Ausgabenobergrenze. Beides bedürfe der Ratifikation in allen nationalen Parlamenten, so der CSU-Politiker. “Insofern halte ich es für wenig aussichtsreich, dass es hierfür die Einstimmigkeit im Rat geben wird. Die Kommission sollte nur das versprechen, was sie auch seriös finanzieren kann.” tho

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Rechnungshof: Zweiter Wahlgang fällig

In der ersten Runde der Wahl des Präsidenten des Europäischen Rechnungshofes (EuRH) hat keiner der Kandidaten die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erzielt. Der bisherige Präsident Klaus-Heiner Lehne strebt keine dritte Amtszeit an. Die 27 Mitglieder des Hofes kommen am Dienstag, 20. September, in Luxemburg für den zweiten Wahlgang zusammen.

Jedes Mitgliedsland der EU entsendet ein Mitglied an den EuRH. Aufgabe des EuRH ist es, die Rechtmäßigkeit aller Einnahmen und Ausgaben der EU-Institutionen sicherzustellen. Lehne war früher für die CDU Europa-Abgeordneter und wurde erstmals 2016 zum Vorsitzenden gewählt, 2019 wurde er in seinem Amt bestätigt. Es ist nicht bekannt, wer kandidiert. mgr

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Agrarausschuss: Kommission soll Pestizidverordnung überarbeiten

Beim Informellen Agrarrat in Prag wird der Chef des Agrarausschusses im Europa-Parlament (AGRI), Norbert Lins (CDU), nach Informationen von Europe.Table heute die Kommission auffordern, ihren Vorschlag zur Pestizidverordnung noch einmal zu überarbeiten. Der Gesetzesvorschlag, den die Kommission am 22. Juni gemacht hat, sei so nicht von den Co-Gesetzgebern zu bearbeiten.

Beim Treffen der Agrarminister, das die tschechische Ratspräsidentschaft unter das Thema der Nahrungsmittelsicherheit gestellt hat, sagt Lins heute: “Dieser Vorschlag verfolgt den vollkommen falschen Ansatz und sendet das falsche Signal an unsere Landwirte.” Diese seien bereits in ihrer Arbeit durch die steigenden Preise und die extremen Klimabedingungen beeinträchtigt. Die Bauern seien diejenigen, die die Ernährungssicherheit gewährleisteten. Der Vorschlag der Kommission sei “vollkommen blind” gegenüber den Konsequenzen für die Landwirte. “In Deutschland etwa würde Pflanzenschutz auf einem Viertel der gesamten Agrarfläche vollkommen verboten werden.” Dies käme einem Berufsverbot für viele Betriebe gleich, vor allem die kleinen Betriebe wären davon betroffen.

Der Kommissionsvorschlag sieht nicht nur vor, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Geplant ist auch, Pflanzenschutz in allen Natura-2000-Schutzgebieten sowie allen Landschafts- und Vogelschutzgebieten zu verbieten. Von dieser Maßnahme wären vor allem die deutschen Bauern in hohem Maße betroffen.

Für seine Forderung an die Kommission, den Vorschlag noch einmal zu überarbeiten, hat Lins nach eigenen Worten die Unterstützung von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen im Ausschuss. Die Federführung für das Dossier liegt beim Umweltausschuss (ENVI). Die Ablehnung durch den Agrarausschuss ist also eher ein politisches Signal. mgr

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EU-Parlament fordert Klimaanpassungsrahmen

In einer Resolution, die das EU-Parlament am Donnerstag verabschiedet hat, forderten die Abgeordneten die Kommission mit großer Mehrheit auf, die Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel zu erhöhen. Die EU müsse ihre Pläne zur Anpassung an den Klimawandel ausbauen. Daher solle die Kommission einen “umfassenden, ehrgeizigen und rechtsverbindlichen europäischen Rahmen für die Anpassung an den Klimawandel” vorschlagen, der sich insbesondere an die am stärksten gefährdeten Regionen der EU richtet, heißt es in der Resolution.

Angesichts der Dürren und Waldbrände nimmt das EU-Parlament auch die Mitgliedstaaten in die Pflicht. Sie sollen kurz-, mittel- und langfristige Wiederherstellungsmaßnahmen für die zerstörten Ökosysteme festlegen. Für die Zukunft fordern die Parlamentarier EU-Leitlinien für solche Wiederherstellungspläne nach Notsituationen.

Resolution: mehr Solidarität unter den Mitgliedsstaaten

Innerhalb der Notsituationen fordert das Parlament mehr Solidarität und Hilfsmechanismen unter den Mitgliedstaaten. Das Programm RescEU soll ausgebaut und der Europäische Solidaritätsfonds für Naturkatastrophen aufgestockt werden. Man müsse sich gegenseitig helfen, betonte der umweltpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Peter Liese. “In Deutschland gab es lange eine Zurückhaltung bei europäischen Aktivitäten im Bereich Katastrophenhilfe. Jetzt haben im Harz Löschflugzeuge aus Italien, die Mithilfe des EU-Programms RescEU finanziert wurden, den entscheidenden Beitrag geleistet.” Dies zeige, dass europäische Solidarität notwendiger sei, als viele in Deutschland lange gedacht hätten, sagte Liese.

Mitgliedstaaten sollen außerdem ihre Lebensmittelsysteme widerstandsfähiger gestalten, heißt es weiter. Sie sollen strategische Futter- und Lebensmittelvorräte anlegen und Bewässerungssysteme einführen, die nicht auf Oberflächen- oder Grundwasser zurückgreifen. Die EU-Kommission solle diesbezüglich auch eine EU-Wasserstrategie für besseres Abwasserrecycling, effiziente Nutzung von Regenwasser sowie die generelle Reduzierung des Wasserverbrauchs vorlegen.

Klimastresstest bis 2023

Um die Risiken von Wetterextremen für Mensch und Natur künftig zu minimieren, soll zudem ein Stresstest für die Klimaresilienz wichtiger Infrastrukturen bis zum Sommer 2023 sowie eine EU-weite Bewertung der Klimarisiken durchgeführt werden.

Eine Resolution des Parlaments ist nicht rechtlich bindend und drückt lediglich den Wunsch der Abgeordneten aus. Da das Papier jedoch mit 469 Ja-Stimmen, 34 Nein-Stimmen und 44 Enthaltungen eine deutliche Zustimmung erhielt, dürfte die Kommission dem Text durchaus Beachtung schenken. luk

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Wasserstoff laut Forschern auch künftig kein dominanter Energieträger

Wasserstoff spielt nach einer Studie künftig in der globalen Klimapolitik eine wichtige Rolle – er wird aber nicht der dominierende Energieträger der Zukunft sein. So lautet das Fazit einer am Donnerstag vorgestellten Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI). Die Forscher erwarten die größte Nachfrage von Wasserstoff im Verkehrsbereich. Im EU-Verkehrssektor könnte demnach der Anteil im Jahr 2050 bei 28 Prozent bezogen auf den Gesamtenergiebedarf liegen. Im internationalen Schiffs- und Flugverkehr sei der Einsatz von H2-Syntheseprodukten gesetzt. Im Auto- und Lkw-Verkehr sei ein Wasserstoffeinsatz jedoch weniger klar.

Die globale Wasserstoffnachfrage hängt demnach auch von der regionalen Klimapolitik ab und wie ambitioniert diese sei. Für die EU wird der Anteil bis 2050 auf bis zu 14 Prozent geschätzt, für China hingegen wiesen die meisten Szenarien nur einen Wasserstoffanteil von maximal 4 Prozent an der Endenergie aus.

Welche Bedeutung Wasserstoff künftig haben könnte, wurde im Rahmen einer sogenannten Meta-Studie unter Koordination des Fraunhofer ISI untersucht. Die Forscher werteten im Rahmen des Forschungsprojekts HyPat mehr als 40 Energiesystem- und Wasserstoffszenarien aus. “Um Treibhausgasemissionen global zu senken, werden Maßnahmen zum Energie-Einsparen und die direkte Elektrifizierung auf Basis von erneuerbarem Strom zum Beispiel durch Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge oder in Wärmenetzen als wichtigste Hebel gesehen”, stellte Fraunhofer-Forscher Martin Wietschel fest. Wasserstoff spiele dort eine relevante Rolle, wo andere Technologien technisch oder wirtschaftlich nicht umsetzbar seien.

Die EU-Kommission plant, drei Milliarden Euro für den Import von grünem Wasserstoff bereitzustellen. In ihrer Rede zur Lage der EU hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Gründung einer Wasserstoffbank angekündigt. dpa/sas

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Presseschau

EU-Parlament spricht Ungarn Demokratie-Status ab TAGESSCHAU
Von der Leyen in Kiew: EU unterstützt Ukraine “so lange wie erforderlich” MORGENPOST
Habeck will Start der Gasumlage offenbar verschieben ZEIT
EU wird Geräte-Hersteller zu 5 Jahren Sicherheits-Updates verpflichten WINFUTURE
EU-Kommission legt Cyberresilienz-Gesetz für vernetzte Geräte vor EURACTIV
EU-Parlament unterstützt 45-Prozent-Ziel für Erneuerbare PV-MAGAZINE
EU-Parlament: Erhöhung des E-Fuel-Ziels WELT
Polen stellt sich gegen EU-weite Abgabe auf Energieunternehmen EURACTIV
Top EU official calls for “judicial guarantees” to stop abuse of spyware POLITICO

Kolumne

What’s cooking in Brussels?

Der Vater von Philippe Lamberts hatte ein kleines Unternehmen, das Sauerkraut herstellte. In Belgien. Nur das Familienunternehmen zu übernehmen, reizte ihn nicht, erst recht nicht ein Unternehmen, das bei der Ernte von den Unwägbarkeiten des Wetters abhängig ist. Also entschied er sich für ein Ingenieurstudium und arbeitete anschließend etwa 20 Jahre lang bei IBM – für die Jüngeren unter Ihnen: IBM genoss damals eine Aura, die mit der von Apple heute vergleichbar ist.

Dann beschloss der Ingenieur, der sich selbst auch als Christ bezeichnet, sich politisch zu engagieren – bei den belgischen Grünen, die in der Partei “Ecolo” zusammengeschlossen sind. Im Jahr 2009 überging er den Status als freiwilliger Parteiunterstützer und wurde direkt zum Parteiprofi, als er zum Europaabgeordneten gewählt wurde. 2014 wurde er Co-Fraktionsvorsitzender der Europäischen Grünen, neben der Deutschen Rebecca Harms und dann neben Ska Keller, die ihren Posten nun aufgibt. Auch Lamberts hat nach mehr als einem Jahrzehnt politischer Tätigkeit auf der europäischen Bühne seinen Rücktritt angekündigt.

Bei den Europawahlen im Jahr 2019 wurden die Grünen mit 75 Abgeordneten zur viertstärksten politischen Kraft – zweifelsohne ein Wahlerfolg. Durch den Aufstieg von 52 auf 75 Abgeordnete sind sie im Europäischen Parlament vom sechsten auf den vierten Platz vorgerückt. Damit liegen sie hinter den Christdemokraten der EVP, den Sozialisten und Sozialdemokraten der S&D und den Liberalen und “Macronistes” von Renew.

In vielen Ländern noch immer in der Nische

Mais voilà. Philippe Lamberts freut sich zwar über einen tendenziell wachsenden politischen Einfluss innerhalb der EU, “der aber immer noch an eine gläserne Decke stößt”, das heißt: Es fällt schwer, über die traditionelle grüne Wählerschaft hinauszugehen. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Situation in Schweden, wo die Grünen 40 Jahre nach ihrer Gründung immer noch nicht aus der politischen Nische herausgekommen sind. Oder die Situation in Südeuropa, wo die Grünen sich nach wie vor schwer damit tun, sich politisch zu etablieren.

Das zukünftige Duo muss versuchen, diese gläserne Decke zu durchbrechen, wenn es die “Bundesliga” der europäischen politischen Parteien erreichen will, um den von Lamberts benutzten Begriff zu verwenden. Um dies zu erreichen, müssen sie zeigen, dass Fragen der sozialen Gerechtigkeit im Mittelpunkt des grünen Projekts stehen – damit es für einen Teil der sozialdemokratischen Wählerschaft anziehend ist – und gleichzeitig betonen, dass sie für eine freie soziale Marktwirtschaft stehen, womit sie bei einem Teil der liberalen Wählerschaft punkten könnten.

Dies muss aber auch geschehen unter Berücksichtigung der Kritik der Generation Fridays for Future, die der Partei vorwirft, ihren Willen zur Umgestaltung des Systems und der Institutionen verloren zu haben. Alles andere als einfach.

Die Bundesliga der politischen Parteien zu erreichen, bedeutet für Lamberts unter anderem, dass ein grüner Politiker oder eine grüne Politikerin an die Spitze einer nationalen Regierung gewählt wird. “Die Liberalen haben (Anm.: auf Ratsebene) mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein Schwergewicht”, sagt Lamberts. Diese Persönlichkeit würde dann als potenzieller Magnet für Kandidaten dienen, die sich für die Grünen interessieren, aber noch nicht konvertiert sind.

Scharfe Kritik an Macron

Der Brüsseler Europaabgeordnete hat sich bei Themen im Zusammenhang mit der Finanzkrise einen Namen gemacht. Im Jahr 2013 initiierte er einen EU-Vorschlag zur Deckelung der Einkommen in der Finanzbranche. “Wir haben die Grenzen eines sich selbst überlassenen Marktes erreicht, der sich um die Forderungen nach Wachstum und Anhäufung von Reichtum dreht”, sagt er heute. “Wir fordern keine staatszentrierte Wirtschaft, sondern eine Marktwirtschaft” – also eine Wirtschaft, die sich nicht auf Menschen konzentriert, die von ihrem Vermögen leben, und in der das menschliche Glück nicht durch die Anhäufung von Reichtum und Material definiert wird.

Lamberts ist nicht nur durch seine Positionen zur Finanzwelt bekannt geworden, sondern auch durch seine Rhetorik. So kritisierte er 2018 in Straßburg die Politik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der das Europaparlament besuchte. Macrons Politik stelle “die Devise Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit infrage”, sagte Lamberts und kritisierte restriktive innenpolitische Maßnahmen, Waffenverkäufe, Atomkraft und die Schließung von Flüchtlingslagern.

Der Grünen-Politiker benutzte den Ausdruck “les premiers de cordée”, was auf Deutsch als “Vorsteiger” zu übersetzen ist – ein Begriff, der Führungsqualitäten beschreibt und dem Staatschef besonders gut gefällt. Dazu ließ Lamberts Macron ein Kletterseil überreichen. Dieses Seil ist Paris bis heute im Hals stecken geblieben.

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  • Europawahlen 2024

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Franziska Brantner: “Auf den Rohstoffmärkten kann man viel kaputtmachen”
    • EU-Monitoring
    • Cyber Resilience Act: Bis zur letzten Waschmaschine
    • Xi und Putin: “Alte Freunde” und Rivalen
    • Ungarn nach Ansicht des EU-Parlaments keine vollwertige Demokratie mehr
    • Habeck: G7-Staaten erwägen Aufbaufonds für die Ukraine
    • Breton: Industriepolitik über gemeinsame Schulden finanzieren
    • Rechnungshof: Zweiter Wahlgang fällig
    • Agrarausschuss: Kommission soll Pestizidverordnung überarbeiten
    • EU-Parlament fordert Klimaanpassungsrahmen
    • Wasserstoff laut Forschern auch künftig kein dominanter Energieträger
    • What’s cooking in Brussels: Die Grünen wollen in die Bundesliga der EU-Parteien
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    sich komplett von China abzukoppeln, könne nicht die Lösung sein, sagt Franziska Brantner. Doch zu große Abhängigkeiten könnten schmerzhaft enden. Diversifizierung sei darum notwendig. “Wir müssen uns wieder stärker der gesamten Welt zuwenden.” Im Interview mit Till Hoppe und Felix Lee spricht die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz außerdem über die Tücken einer Rohstoffstrategie, strategische Lagerhaltung und eine “faire und freie Handelspolitik”.

    Computer, Telefone, Haushaltsgeräte, Autos oder Spielzeug – jedes dieser vernetzten Geräte sei ein potenzieller Angriffspunkt für einen Cyberangriff, sagte EU-Kommissar Thierry Breton. Mit dem Vorschlag für einen Cyber Resilience Act will die Kommission neue Wege beschreiten und auch die letzte intelligente Waschmaschine absichern. Das ist wohl nötig – geht aber mit enormem Aufwand für die Industrie einher, wie Falk Steiner berichtet.

    Freundliches Händeschütteln und warme Worte in Samarkand: Beim Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit bedankte sich Russlands Präsident Wladimir Putin für die die “ausgewogene Position unserer chinesischen Freunde in Bezug auf die Ukraine-Krise”. Chinas Staatspräsident Xi Jinping nannte Putin einen “alten Freund”. Für Xi und Putin kam das Treffen wie gerufen, sollte es doch beweisen, dass sie international weitaus weniger isoliert sind, als viele Stimmen im Westen behaupten. Doch Xis Reise nach Zentralasien zeigte auch, wo für Peking die Grenzen im Schulterschluss mit Moskau liegen. Michael Radunski analysiert die Begegnung.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins Wochenende!

    Ihre
    Sarah Schaefer
    Bild von Sarah  Schaefer

    Analyse

    Franziska Brantner: “Auf den Rohstoffmärkten kann man viel kaputtmachen”

    Franziska Brantner im blauen Blazer. Im Interview spricht sie über die Tücken einer Rohstoffstrategie und eine neue Handelspolitik.
    Franziska Brantner ist Parlamentarische Staatsekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

    Frau Brantner, die Grünen haben zu Beginn ihrer Regierungszeit eine Zeitenwende in der deutschen China-Politik angekündigt. Was machen Sie konkret anders?

    Franziska Brantner: Erstens müssen wir genau analysieren, was sich auf chinesischer Seite in den letzten Jahren verändert hat. Wir brauchen ein akkurates Bild der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes als Grundlage unserer Politik. Zweitens haben wir zuletzt erlebt, wie schmerzhaft zu große Abhängigkeiten von einem einzelnen Land sein können und wie notwendig eine Diversifizierung für unsere Wirtschaft ist. Wir müssen uns wieder stärker der gesamten Welt zuwenden. Das heißt nicht, dass wir uns von China komplett abkoppeln. Die veränderte Weltlage erfordert allerdings eine neue Einschätzung.

    Viele befürchten beim Taiwan-Konflikt eine weitere große Krise wie in der Ukraine – nur dass die deutsche Wirtschaft mit China sehr viel enger verwoben ist als mit Russland.

    China war noch nie eine liberale Demokratie. Und trotzdem stellt sich die Systemfrage mehr als vor zehn Jahren, weiI die chinesische Politik im Inneren als auch nach Außen sich maßgeblich geändert hat. Es bleibt abzuwarten, welche Richtung die Führung nach dem großen Parteikongress im Oktober einschlägt. In einigen Sektoren haben wir bei Importen und bei Exporten große Abhängigkeiten. Diese gilt es konsequent durch Diversifizierung abzubauen. Außerdem muss die Menschenrechtslage stärker berücksichtigt werden. Gleichzeitig haben wir ein klares Interesse, beim Klimaschutz mit China zu kooperieren. In den internationalen Klimaverhandlungen ist Peking ein zentraler Akteur. Das Land hatte in diesem Sommer schlimme Dürren und Überschwemmungen.

    Ihr Ministerium will staatliche Investitionsgarantien für in China tätige deutsche Firmen kippen. Das ist doch ein sehr eindeutiges Signal.

    Wir kippen gar nichts, sondern prüfen genau. Wenn es klare Anhaltspunkte gibt, dass in einer Region, in der deutsche Unternehmen produzieren, nachweislich Zwangsarbeit vorhanden ist, wird es keine staatlichen Investitionsgarantien geben.

    Die Frage ist ja, welche Art von Investitionen deutscher Firmen die Bundesregierung künftig noch unterstützen wird.

    Wenn wir als Regierung wollen, dass deutsche Unternehmen stärker diversifizieren, dann sollten wir das selbst auch tun. Und das sollten wir auch bei unseren Förderinstrumenten tun. Das bedeutet nicht, dass deutsche Unternehmen sich komplett vom chinesischen Markt zurückziehen sollen. In einigen zentralen Bereichen sollten sich einige von ihnen aber weniger abhängig machen. Diese Diversifizierung erfolgt aber nicht von heute auf morgen.

    “Eine faire und freie Handelspolitik”

    Die Industrie sieht die Politik in der Pflicht: Es brauche dringend neue Handelsabkommen, fordert der BDI, um alternative Beschaffungs- und Zielmärkte zu öffnen.

    Da hat der BDI recht: Nur durch ein Zuwenden zur Welt in ihrer Breite werden wir Erfolg haben und unseren Wohlstand sichern. Aber es muss dabei fair und nachhaltig zugehen. Wir befinden uns im Wettbewerb mit China, und die anderen Länder fragen: Was ist der Mehrwert für uns, wenn wir mit Europa zusammenarbeiten? Sie wollen keine reinen Rohstofflieferanten sein, sondern einen größeren Teil der Wertschöpfung bei sich behalten und eben auch ihre Umwelt schonen. Die Wasserthematik ist in dem Zusammenhang zum Beispiel sehr relevant. Das ist anders als noch vor 20 oder 30 Jahren.

    Ist das die Art von Freihandel, auf die sich auch die Grünen einlassen können? Bislang haben Ihre Parteifreunde im Europaparlament die Abkommen meist abgelehnt.

    Wir wollen eine faire und freie Handelspolitik. Die Bedingungen, unter denen die alte Handelspolitik gelaufen ist, waren weder besonders hilfreich für uns, für die Partnerländer noch für das Klima. Wir ringen in Europa um jede Tonne CO2, und dann importieren wir die Produkte aus anderen Ländern mit geringeren Standards. Dem Klima ist es am Ende egal, wo das CO2 entsteht. Um Klimadumping zu verhindern, sollen nun die Zusagen aus dem Pariser Klimaschutzvertrag genauso einklagbar sein wie andere Standards. Das ist schon ein beachtlicher Erfolg grüner Politik.

    Beim Handelsabkommen mit Kanada fordert die Bundesregierung Klarstellungen bei den Klagerechten von Investoren. Ist die kanadische Regierung offen dafür?

    Ja. Kanada ist das Land, das am dritthäufigsten vor Schiedsgerichten verklagt wurde. Die Schiedsgerichte sind nur auf Drängen der EU und unter anderem der damaligen Bundesregierung in den CETA-Vertrag aufgenommen worden. Deswegen sagen die Kanadier uns, dass sie mit Klarstellungen einverstanden sind, solange wir den eigentlichen Vertrag dafür nicht öffnen, um nicht das bereits laufende Ratifizierungsverfahren zu gefährden. Es geht beiden Seiten darum, missbräuchliche Klagen zu verhindern.

    Der Energiecharta-Vertrag soll reformiert werden, um Investorenklagen gegen die Klimapolitik zu erschweren. Unterstützt die Bundesregierung das Verhandlungsergebnis?

    Wir sind noch in der internen Abstimmung. Im Rahmen der neuen Handelspolitik haben wir klare Kriterien für den Energiecharta-Vertrag definiert – er darf der Klimapolitik nicht entgegenstehen. Auf europäischer Ebene bewegt sich zudem sehr viel gerade. Die Italiener sind aus dem Vertrag ausgetreten, Polen wird das jetzt auch tun. Andere Länder überlegen das genauso. Wir sollten daher nicht rein national entscheiden, sondern berücksichtigen, wie sich das Meinungsbild in der EU entwickelt.

    “Negative Anreize beheben”

    Sie sitzen auch an einer neuen Rohstoffstrategie. Geben Sie uns ein Update?

    Wir werden bald ein Update vorstellen, aber denken dies gleich europäisch. Die EU-Kommission wird einen Raw Materials Act vorlegen, und wir geben hier unseren Input. Aber wir müssen sorgsam vorgehen und mit Unternehmen und Experten sprechen. Auf den Rohstoffmärkten kann man schnell viel kaputtmachen.

    Eine der Ideen ist die strategische Lagerhaltung von kritischen Rohstoffen. Die Industrie fordert dafür aber steuerliche Anreize.

    Für die Rohstoffbeschaffung ist ja nicht der Staat zuständig, sondern die Unternehmen. Und es ist auch in deren Interesse, dass sie resiliente Lieferketten haben. Wir wollen nicht staatlich finanzieren, was grundsätzlich Aufgabe der Unternehmen ist. Wir möchten sie dabei unterstützen, durch gebündelte Expertise wie bei der deutschen Rohstoffagentur, durch die Kompetenzzentren bei den Außenhandelskammern, aber auch durch gezielte Regierungskooperation mit Partnerländern wie Kanada oder Chile. Wo es negative staatliche Anreize gibt, werden wir sie möglichst beheben. Lagerhaltung hilft aber nur bedingt, wenn man von einem Lieferanten abhängig ist. Deshalb muss es immer auch um die Diversifizierung der Quellen und der Weiterverarbeitung gehen.

    Ein weiterer Ansatzpunkt ist, die heimische Förderung in Europa etwa von Lithium auszubauen – für die Grünen ein sensibles Thema.

    Ich bin ein Befürworter davon, wenn es sauber und nachhaltig gemacht wird, wie es im Rheingraben gerade erprobt wird. Dort wird versucht, mithilfe von Geothermie Lithium zu gewinnen. Geothermie ist eine gute Chance für Wärme und Lithium – aber sie muss fachlich korrekt angewandt werden, Scharlatane können schnell auch große Schäden anrichten. Wir setzen daher auf den geregelten Rahmen.

    Höhere Umwelt- und Sozialstandards bedeuten meist höhere Preise: Wie wettbewerbsfähig kann nachhaltiger Bergbau in Europa sein?

    Wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen, müssen wir europäische Sozial- und Umweltstandards aufsetzen, die auch für den Import gelten. Das ist auch im Interesse der Lieferländer. In der Atacama-Wüste in Chile wohnen zwar viel weniger Menschen als im Rheingraben, aber auch Sie wollen, dass die Lithiumgewinnung wasserschonend und energieeffizienter wird.

    “Das Lieferkettengesetz kann helfen”

    Welche Rolle spielt hier das EU-Lieferkettengesetz?

    Das Lieferkettengesetz kann helfen, eine europäische Produktion und Weiterverarbeitung zu ermöglichen. Wir möchten nicht, dass unsere Rohstoffe aus Kinderarbeit kommen, und könnten mit den Preisen nicht konkurrieren. Aber wir können technologisch besser sein, weniger Wasser und Energie verbrauchen. Extrem wichtig für uns ist außerdem der Gedanke von Kreislaufwirtschaft, Recycling und Substitution.

    Was sollte hier passieren?

    Wir gehen bis jetzt recht unachtsam mit einigen kritischen Rohstoffen um, die schon bei uns in verarbeiteter Form in Europa sind. Dabei sind diese eine unserer großen Reserven. Wir haben hier eine große Aufgabe. Deswegen müssen wir vorankommen mit Blick auf rechtliche Grundlagen, Normierungen, Fördermöglichkeiten, schnelleren Planungsverfahren für Recyclinganlagen usw.

    Die Industrie ächzt sehr unter den hohen Energiepreisen und argumentiert: Bitte ladet uns nicht noch mehr Lasten auf. Wäre es angemessen, etwas das Lieferkettengesetz zurückzustellen?

    Das Gesetz muss so ausgestaltet werden, dass die Umsetzung gerade für kleine und mittlere Unternehmen nicht zur Unmöglichkeit wird. Das ist unser gemeinsames Interesse. Aber es ist dieser Tage wichtiger denn je zu wissen, woher eigentlich unsere Produkte kommen. Wir sehen ja, welche hohen Folgekosten wir zahlen müssen, wenn die Lieferketten nicht funktionieren.

    Wie kann man Mittelständler bei den Dokumentationspflichten entlasten?

    Ich hoffe, dass wir da gute europäische Lösungen finden, dafür setzen wir uns ein. Außerdem setzen wir auf digitale Unterstützung. Und das Zweite ist natürlich, dass wir doppelte Berichtspflichten möglichst vermeiden. Zudem versuchen wir, uns im Rahmen der G7 mit anderen westlichen Ländern abzustimmen, auch wenn das ein dickeres Brett ist. Viele Mittelständler sind ja auf mehreren Märkten unterwegs. Sie sagen mir vielfach, ok, gebt mir einen Standard, aber nicht zehn. Das finde ich sehr nachvollziehbar.

    Weitere Fragen rund um die deutsche China-Politik beantwortet Franziska Brantner bei unseren Kolleginnen und Kollegen von China.Table.

    • China
    • Handel
    • Handelspolitik
    • Klima & Umwelt
    • Landwirtschaft
    • Rohstoffe
    • Rohstoffstrategie

    EU-Monitoring

    16.09.2022_Monitoring

    Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
    20.09.2022 10:00 Uhr
    Themen: Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates am 20./21.10.2022, Sachstand zu den Beziehungen EU-Vereinigtes Königreich, Gedankenaustausch zu den Maßnahmen im Anschluss an die Konferenz zur Zukunft Europas.
    Vorläufige Tagesordnung

    EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland
    20.09.2022
    Themen: Die SpaceNet AG und die Telekom Deutschland GmbH, die Internetzugangsdienste und – im Fall der Telekom – auch Telefondienste anbieten, haben vor dem Verwaltungsgericht Köln auf Feststellung geklagt, dass sie nicht verpflichtet sind, bestimmte Verkehrsdaten ihrer Kunden auf Vorrat zu speichern. Der EuGH prüft die Vereinbarkeit der im Telekommunikationsgesetz vorgesehenen Vorratsdatenspeicherungspflicht mit dem Unionsrecht.
    Schlussanträge

    Wöchentliche Kommissionssitzung
    21.09.2022
    Themen: Überarbeitung der Verordnung über Feuerwaffen, Empfehlung zur Krebsvorsorge.
    Vorläufige Tagesordnung

    Cyber Resilience Act: Bis zur letzten Waschmaschine

    Was bei Kraftwerken und Internetknoten unfraglich scheint: Dass es sich dabei um kritische Infrastrukturen handelt. Doch wie kritisch sind Millionen internetfähiger Klein- und Kleinstgeräte, wenn alles miteinander vernetzt ist?

    Genau diese Frage stellte sich 2016 ganz akut, als hunderttausende mit dem Internet verbundener Geräte ohne das Wissen ihrer Eigentümer und Nutzer im Mirai-Botnetz eingebunden wurden. Webcams oder Router wurden Teil einer digitalen Armee, die plötzlich im Dienst der Botnetz-Betreiber standen. Nicht nur, dass jedes infizierte System weitere verwundbare Systeme suchen half.

    Nein, die Betreiber hatten ein anderes Ziel: Die grundsätzlich einfachste aller Angriffsmethoden der Cybersicherheit zu verwenden, die sogenannten Denial-of-Service-Attacke. Dabei wird die größtmögliche Menge an Datenverkehr ausgelöst, die die jeweiligen Internetanbindungen hergeben, um ein Ziel entweder unerreichbar zu machen oder dort Fehlfunktionen auszulösen, um anschließend in die Systeme eindringen zu können. Wenn dabei auch noch ganz viele unterschiedliche Systeme aus unterschiedlichen Netzsegmenten gleichzeitig angreifen, ist die Detektion und Abwehr eines solchen “Distributed Denial of Service-Angriffs” (DDoS) für die IT-Sicherheitsabteilungen regelmäßig eine große Herausforderung.

    Security-by-Design-Prinzip

    Genau solche Endgeräte und ihre Software sollen künftig mit klaren Anforderungen versehen werden. Der Cyber Resilience Act (CRA) ist dabei ein komplexes Gesetzeswerk: Er definiert grundlegende Anforderungen an die IT-Sicherheit – das sogenannte Security-by-Design-Prinzip. Die Kommission will in zwei Kategorien unterscheiden:

    • Produkte mit digitalen Elementen
    • Kritische Produkte mit digitalen Elementen

    Die erste Kategorie der Produkte mit digitalen Elementen fällt unter vergleichsweise wenig Vorschriften, definiert im Anhang II zum Verordnungsvorschlag. Doch schon diese enthält interessante Aspekte, wie etwa eine Verpflichtung zu

    • sicheren Voreinstellungen im Auslieferungszustand,
    • sicheren Datenübertragungsmethoden
    • Sicherheitsupdate-Möglichkeiten

    Auch eine Offenlegungspflicht für Sicherheitslücken, sobald Updates ausgerollt sind, greift bereits für diese Kategorie – allerdings gibt es bereits Kritik von SPD- und Piratenabgeordneten, dass diese zahnlos sei: Die Kommission habe vergessen, Sicherheitsupdates klar über die erwartbare Lebensdauer eines Produkts verpflichtend zu machen.

    Die Kommission findet ihren Vorschlag erwartungsgemäß gut: “Ähnlich, wie das CE-Kennzeichen bei Spielzeug oder Kühlschränken die Sicherheit bescheinigt, stellt das Cyberresilienzgesetz sicher, dass die angebotenen vernetzten Hardware- und Softwareprodukte strenge Cybersicherheitsanforderungen erfüllen”, sagte Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager am Donnerstag. “Dazu nehmen wir diejenigen in die Pflicht, die die Produkte in Verkehr bringen.”

    Anhang III der Verordnung definiert die Pflichten für die als kritisch eingestuften Produkte mit digitalen Elementen. Darunter soll Software wie etwa Passwortmanager fallen, aber auch Virenscanner, manche Betriebssysteme, Mikroprozessoren, anwendungsspezifische Schaltkreise (ASIC) oder Netzwerkgeräte. Hier kommen wesentlich umfangreichere Pflichten auf die Inverkehrbringer zu.

    Verbände fordern Nachbesserungen

    Wie sie die Vorgaben einhalten, sollen Unternehmen künftig erklären müssen – eine Konformitätserklärung wird verpflichtend. Aber welchen Maßstab müssen sie dafür anlegen? Wann müssen sie Produkte oder Teilprodukte welchen Prüfungen unterziehen? Teile der Wirtschaft warnen vor Verunsicherung.

    “Wenn Unternehmen solche oder darauf aufbauende Produkte auf Basis dieser Einteilung nur erschwert auf den Markt bringen können, wird es zu großen Verzögerungen in der EU beim Einsatz digitaler Produkte und Komponenten kommen”, sagt Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung. Statt reine Hochrisikolisten zu führen, müsse das Konzept des vorgesehenen Verwendungszwecks im Vordergrund stehen, fordert er.

    Das fordert auch der VDMA: Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Hartmut Rauen ist dennoch nicht zufrieden. Damit Hersteller nicht jedes einzelne Element in jedem Kontext neu prüfen müssen, sieht der Verordnungsvorschlag vor, dass die Konformität dann als gegeben betrachtet werden soll, wenn es einen offiziellen Standard gibt, der als ausreichend anerkannt wird. Grundsätzlich begrüßen das die Industrievertreter. Rauen kritisiert aber: “Entscheidend für den Erfolg des Cyber Resilience Act wird die rechtzeitige Verfügbarkeit von harmonisierten Normen sein. Fehlen entsprechende Standards, sind Engpässe bei der Verfügbarkeit zugelassener Produkte unumgänglich.”

    Brüssels Digitalpuzzle bekommt ein weiteres Teilchen

    Dass der Vorschlag jetzt auf dem Tisch liegt, freut Verbraucherschützer: “In der Vergangenheit konnten freiwillige Lösungen und Industriestandards die Situation nicht verbessern”, sagt Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. Es sei “wichtig, dass keine reinen Selbsterklärungen der Hersteller genügen.” Der Verbraucherverband fordert, dass die Einhaltung von IT-Sicherheitsanforderungen von autorisierten und unabhängigen Stellen zertifiziert und geprüft werden solle – was über den jetzigen Vorschlag noch einmal deutlich hinausgehen würde.

    Der CRA ist ein weiterer Baustein in einer ganzen Reihe von ineinandergreifenden EU-Regularien. Der Entwurf der Kommission ist gespickt mit Querverweisen auf andere Gesetzeswerke, die – wie die KI-Verordnung – teilweise noch in einem relativ frühen Beratungsstadium sind. Dazu kommen spezifische Vorschriften, die der CRA nicht überformen soll, etwa bei allem, was für die Fahrzeug-Typenzulassung relevant ist oder für Medizingeräte.

    “Der zentrale Aspekt ist, dass der CRA wirklich eher als Schlussstein und Auffangregelung gedacht ist, für all die Bereiche, in denen wir noch keine harten Regularien haben”, sagt der auf IT-Recht spezialisierte Rechtsanwalt Stefan Hessel von Reusch Law. “Mit dem CRA werden zu jedem Produkt, das am europäischen Markt vertrieben wird oder in Verkehr gebracht wird, spezifische Cybersecurityverpflichtungen zu erfüllen sein.”

    Wirkung wohl erst ab 2026

    In Kombination mit dem Produkthaftungsrecht, Datenschutzgrundverordnung, KI-Verordnung und dem Data Act sieht Hessel zwei Dinge auf sich und seine Kunden zukommen: viel Arbeit – und Frustration. Insbesondere kleine Unternehmen seien kaum in der Lage, alle Vorschriften gleichzeitig zu beachten und umzusetzen.

    Ob der Cyber Resilience Act es in dieser Legislaturperiode noch durch Beratungsprozess und Trilog schafft, beurteilen mit dem Thema gut vertraute Kreise höchst unterschiedlich. Denn auch wenn aus ganz unterschiedlichen Perspektiven Nachbesserungsbedarf gesehen wird: Die Dringlichkeit der besseren Absicherung vernetzter Geräte erkennen alle Beteiligte an.

    Und die Übergangsvorschriften, die die Kommission vorsieht, sind lang: Zwei Jahre sollen ab Verabschiedung vergehen, bis das Gesetzeswerk in Kraft tritt. Zu diesem Zeitpunkt auf dem Markt befindliche Produkte sollen, sofern keine relevanten Veränderungen an ihnen vorgenommen werden, nicht darunter fallen. Realistisch betrachtet dürfte der Cyber Resilience Act also frühestens 2026 überhaupt seine Wirkung zu entfalten beginnen.

    • CRA
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    • Digitalpolitik

    Xi und Putin: “Alte Freunde” und Rivalen

    Chinas Staatspräsident ist zurück auf der internationalen Bühne. Auf dem Gipfeltreffen der “Shanghai Cooperation Organization” (SCO) in Usbekistan ist Xi Jinping mit den Staatschefs aus Indien, Pakistan, Iran und Russland zusammengekommen. Mit Spannung wurde aber vor allem auf das Gespräch mit Russlands Präsident Wladimir Putin geblickt. 

    In Samarkand sicherten sich die beiden Staatsführer wortreich ihre gegenseitige Unterstützung zu. Xi nannte Putin einen “alten Freund” und kündigte an, China werde mit Russland auch in Zukunft eng zusammenarbeiten. Putin wiederum zeigte sich erfreut: “Wir schätzen die ausgewogene Position unserer chinesischen Freunde in Bezug auf die Ukraine-Krise sehr.”

    Dabei gestand Putin durchaus ein, dass Xi ihm gegenüber im Gespräch Fragen und Bedenken bezüglich der Situation in der Ukraine geäußert habe. “Wir verstehen Eure Fragen und Sorgen dazu”, sagte er. Im Hinblick auf Taiwan versprach er: Russland unterstütze die “Ein-Land-Politik” Chinas und lehne westliche Provokationen ab. Gemeint ist damit unter anderem der Taiwan-Besuch von Nancy Pelosi, der Vorsitzenden des US-amerikanischen Repräsentantenhauses.

    Alternative zu westlichen Institutionen

    In Samarkand nutzten Xi und Putin ihr Treffen, um zu zeigen, dass Russland und China international weitaus weniger isoliert sind, als von vielen Politikern im Westen immer wieder verkündet wird – und dafür kam ihnen das zweitägige SCO-Gipfeltreffen wie gerufen.

    Die SCO zeigt exemplarisch, wie China sich anschickt, alternative Strukturen zu westlich dominierten Institutionen zu errichten: Der 2001 gegründeten SCO gehören neben China und Russland auch Indien, Kasachstan, Kirgisistan, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan an. Weder Westeuropäer noch Amerikaner sitzen mit am Tisch, dafür aber Länder wie Belarus (als Beobachterstaat) oder Iran, das in Kürze der SCO beitreten wird, wie in Samarkand bekannt wurde.

    “Die SCO dient China und Russland aktuell als Alternative zu den bestehenden US-dominierten Institutionen der internationalen Politik”, sagt Eva Seiwert, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Associate Research Fellow an der OSCE Academy in Bishkek, im Gespräch mit China.Table.

    China gewinnt in Russlands Einflusssphäre

    Zentralasien ist für China sehr wichtig. Und genau hier liegt der eigentliche Fokus von Xis erster Auslandsreise seit Beginn der Corona-Pandemie. Es war Kasachstan, wo Xi im September 2013 sein größtes außenpolitisches Projekt vorstellte: die “Belt and Road”-Initiative. Seither hat China massiv in die Region investiert – finanziell in unzählige Infrastrukturprojekte, wie auch diplomatisch in den Aufbau von guten Beziehungen zu den einzelnen Staaten. “China gelingt es sehr gut, über die SCO seinen Einfluss in Russlands ehemaligem Einflussgebiet immer weiter auszubauen“, sagt Seiwert.  

    So unterzeichneten China und Usbekistan in Samarkand beispielsweise Handels- und Investitionsabkommen im Wert von 15 Milliarden US-Dollar. Und auch der in Samarkand angekündigte Beitritt Irans zur SCO kann durchaus als Erfolg für Xi gewertet werden.

    Länder wie Usbekistan oder Kasachstan, die früher Teil der Sowjetunion waren, fühlen sich angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine bedroht. Gerade Kasachstan hat sich zuletzt deutlich gegen den russischen Überfall positioniert.

    Verständnis für Einmarsch in die Ukraine

    Ganz im Gegensatz zu China. Vergangene Woche reiste Li Zhanshu, Mitglied im Ständigen Ausschuss der Kommunistischen Partei und damit einer der mächtigsten neun Männer Chinas, nach Russland. Dort brachte er ausdrücklich Chinas Verständnis für Russlands Einmarsch zum Ausdruck: “Im Fall der Ukraine haben die USA und die Nato Russland direkt vor der Haustür bedroht, die nationale Sicherheit und die Leben der Menschen im Land gefährdet.” Entsprechend habe Russland lediglich “Maßnahmen ergriffen, die notwendig waren”.

    Der gegenseitigen Zusicherung von Xi und Putin auf dem SCO-Treffen am Donnerstag hätte es also gar nicht bedurft. Und so ist es wichtig, sich von Xis Bildern mit Putin nicht davon ablenken zu lassen, wie man Xis Vorhaben auf seiner Reise verstehen sollte.

    So reiste Xi nach fast 1000 Tagen selbstgewählter Isolation am Mittwoch zuerst nach Kasachstan. Dort sorgte zuletzt ein hastig gelöschter Telegram-Post von Dmitri Medwedew für Aufregung, in dem der ehemalige russische Präsident vorschlug, Moskau sollte nach der Ukraine seine Aufmerksamkeit dem Schicksal Nordkasachstans zuwenden.

    Am Mittwoch in Kasachstan sagte Xi gegenüber Präsident Kassym-Schomart Tokajew: “Unabhängig davon, wie sich die internationale Situation ändert, werden wir Kasachstan weiterhin entschlossen beim Schutz seiner Unabhängigkeit, Souveränität und territorialen Integrität unterstützen.” China werde sich kategorisch gegen die Einmischung jeglicher Kräfte in die inneren Angelegenheiten des Landes widersetzen. “Das ist eine subtile, aber doch sehr klare Warnung an Putin”, urteilt Seiwert.

    Machtpolitische Schieflage

    Denn während China seinen Einfluss in Zentralasien ausbaut, gelingt es Moskau immer weniger, innerhalb der SCO Unterstützung für seine aggressiven Aktionen zu gewinnen. So versuchte 2008 der damalige Präsident Dmitri Medwedew, die SCO-Staaten auf dem Gipfel in Duschanbe dazu zu bringen, Russlands Einmarsch in Georgien zu unterstützen. Medwedew scheiterte damals mit seinem Vorhaben – nicht zuletzt, weil China fürchtete, durch die Abspaltung von Abchasien und Südossetien einen Präzedenzfall für die Abspaltung Taiwans von China zu schaffen.

    Auf immer mehr Ebenen wird die machtpolitische Schieflage zwischen China und Russland deutlich. Das zeigt diese Reise eindrucksvoll: Auf taktischer Ebene sucht Xi den Schulterschluss mit Putin – gegen Amerika und gegen den wachsenden wirtschaftlichen Druck des Westens.

    Rhetorisch zeigt er Verständnis für Russlands Angriff, hält sich aber gleichzeitig an die westlichen Sanktionen. Xi will keine feste Entente mit Russland eingehen. Denn auf strategischer Ebene will er den globalen Marktzugang behalten und trotz aller Dissonanzen die Verbindungen zum Westen nicht komplett abreißen lassen. Michael Radunski

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    EU-Parlament sieht Ungarn nicht mehr als vollwertige Demokratie

    Ungarn ist nach Ansicht des Europaparlaments keine vollwertige Demokratie mehr. Stattdessen hätten sich die Zustände in dem mitteleuropäischen Land so sehr verschlechtert, dass es zu einer “Wahlautokratie” geworden sei, heißt es in einem Bericht, den die große Mehrheit der Abgeordneten am Donnerstag in Straßburg annahm. Auch die Untätigkeit der EU habe zu “einem Zerfall der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte in Ungarn beigetragen”. Die ungarische Regierung versuche, die Grundwerte der EU-Verträge vorsätzlich und systematisch zu untergraben.

    Das EU-Parlament übt seit Langem heftige Kritik an der rechtsnationalen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán. Bereits 2018 leiteten die Abgeordneten ein Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gegen Ungarn ein, weil es Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte in dem Land bedroht sah. Das Verfahren, an dessen Ende der Entzug der Stimmrechte im Ministerrat stehen könnte, tritt im Rat der EU-Staaten jedoch auf der Stelle.

    Wegen weit verbreiteter Korruption und anderer Verstöße gegen den Rechtsstaat droht dem Land nun aber die Kürzung von EU-Mitteln in Milliardenhöhe. Einen entsprechenden Vorschlag an die Mitgliedstaaten könnte die Kommission am Sonntag beschließen, wie die Deutsche Presse-Agentur in Brüssel aus EU-Kreisen erfuhr. Es wäre das erste Mal, dass die Behörde wegen rechtsstaatlicher Verstöße die Kürzung von EU-Mitteln vorschlägt.

    Bereits im April hatte die Kommission den Rechtsstaatsmechanismus gegen Ungarn ausgelöst. Der Vorschlag, Geld zu kürzen, wäre der nächste Schritt in dem Verfahren. Allerdings besteht noch immer die Möglichkeit für einen Kompromiss mit Budapest. Im Europaparlament wird deshalb befürchtet, dass das Geld letztlich doch fließen wird. In ihrer Rede zur Lage der EU hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen betont, entschieden gegen Korruption vorgehen zu wollen. dpa

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    Habeck: G7-Staaten erwägen Aufbaufonds für die Ukraine

    Die G7-Gruppe diskutiert nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Einrichtung eines größeren Aufbaufonds für die Ukraine. Die ukrainische Vizeregierungschefin Julia Swyrydenko, die beim Treffen der G7-Handelsminister im brandenburgischen Neuhardenberg zu Gast war, habe den Finanzbedarf für den Wiederaufbau der Ukraine mit 350 Milliarden Euro beziffert, sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag.

    “Es ist eine gigantische Summe, die sicherlich nicht nur mit öffentlichem Geld aufgebracht werden kann”, sagte Habeck. Deswegen habe man auch über die Einrichtung eines Finanzinstruments oder Fonds gesprochen, der dieses Geld “hebeln” könne.

    Aufbaufonds für Ukraine: Riesige Summen

    EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis sagte am Rande der Beratungen zu den 350 Milliarden Euro, es gehe um “riesige Summen” angesichts der heftigen Zerstörung, die die russische Aggression in der Ukraine hinterlassen habe – “und diese Summen schließen die jüngsten Entwicklungen noch nicht ein“. Mit der ukrainischen Gegenoffensive habe Russland begonnen, gezielt kritische Infrastruktur wie Kraftwerke oder Dämme zu zerstören.

    Von der EU soll die Ukraine Hilfe in Höhe von neun Milliarden Euro zur Deckung laufender Kosten des Staates und etwa dem Betrieb von Krankenhäusern bekommen; das Geld ist zum Teil bereits ausgezahlt. Es sei gut möglich, dass noch weitere Unterstützung nötig sei, um die Zeit bis zu einem Wiederaufbau des Landes zu überbrücken, sagte Dombrovskis.

    Von der Leyen: “Beitrittsprozess auf gutem Weg”

    Bei ihrem Besuch in Kiew hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Anstrengungen der Ukraine für den angestrebten Beitritt in die EU gelobt. “Ich muss sagen, der Beitrittsprozess ist auf einem guten Weg”, sagte sie am Donnerstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Wolodymyr Selenskyj.

    Die EU hatte die Ukraine im Juni offiziell in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen. Die weiteren Verhandlungen können allerdings erst beginnen, wenn das Land umfassende Reformen umgesetzt hat, etwa in der Justiz und bei der Bekämpfung von Korruption. dpa

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    Breton: Industriepolitik über gemeinsame Schulden finanzieren

    EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat sich dafür ausgesprochen, einen neuen EU-Souveränitätsfonds über Schulden zu finanzieren. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen und des geringen Spielraumes im Mehrjährigen Finanzrahmen der EU seien unkonventionelle Ideen notwendig, schreibt Breton in einem Blogpost. “Daher sollten wir die Möglichkeit in Betracht ziehen, diesen Fonds durch gemeinsame Schulden zu finanzieren, wie wir es bei Next Generation EU erfolgreich getan haben.”

    Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Mittwoch in ihrer Rede zur Lage der EU angekündigt, einen European Sovereignty Fund auflegen zu wollen. Ziel solle es sein, die Zukunftsfähigkeit der Industrie in Europa zu sichern, sagte sie, ohne Einzelheiten zu nennen.

    Nach Thierry Bretons Vorstellungen sollte ein solcher Fonds dazu dienen, kritische Abhängigkeiten zu anderen Staaten zu reduzieren. So könnten mit den Mitteln IPCEI-Projekte aufgestockt werden. Bislang finanzieren die Mitgliedsstaaten die Industrieförderung bei solchen “Wichtigen Projekten von gemeinsamem europäischem Interesse” bei Batterien oder Wasserstoff aus den nationalen Budgets.

    Markus Ferber, Koordinator der EVP-Fraktion im Wirtschaftsausschuss, sieht den Vorstoß kritisch. “In der jetzigen Finanzverfassung kann die Europäische Union keine zusätzlichen Schulden aufnehmen“, sagte er Europe.Table. Jeder neue Schuldentopf müsse durch die Mitgliedstaaten abgesichert werden, entweder durch höhere Beiträge an den Gemeinschaftshaushalt oder durch Garantien im Rahmen der Ausgabenobergrenze. Beides bedürfe der Ratifikation in allen nationalen Parlamenten, so der CSU-Politiker. “Insofern halte ich es für wenig aussichtsreich, dass es hierfür die Einstimmigkeit im Rat geben wird. Die Kommission sollte nur das versprechen, was sie auch seriös finanzieren kann.” tho

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    Rechnungshof: Zweiter Wahlgang fällig

    In der ersten Runde der Wahl des Präsidenten des Europäischen Rechnungshofes (EuRH) hat keiner der Kandidaten die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erzielt. Der bisherige Präsident Klaus-Heiner Lehne strebt keine dritte Amtszeit an. Die 27 Mitglieder des Hofes kommen am Dienstag, 20. September, in Luxemburg für den zweiten Wahlgang zusammen.

    Jedes Mitgliedsland der EU entsendet ein Mitglied an den EuRH. Aufgabe des EuRH ist es, die Rechtmäßigkeit aller Einnahmen und Ausgaben der EU-Institutionen sicherzustellen. Lehne war früher für die CDU Europa-Abgeordneter und wurde erstmals 2016 zum Vorsitzenden gewählt, 2019 wurde er in seinem Amt bestätigt. Es ist nicht bekannt, wer kandidiert. mgr

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    Agrarausschuss: Kommission soll Pestizidverordnung überarbeiten

    Beim Informellen Agrarrat in Prag wird der Chef des Agrarausschusses im Europa-Parlament (AGRI), Norbert Lins (CDU), nach Informationen von Europe.Table heute die Kommission auffordern, ihren Vorschlag zur Pestizidverordnung noch einmal zu überarbeiten. Der Gesetzesvorschlag, den die Kommission am 22. Juni gemacht hat, sei so nicht von den Co-Gesetzgebern zu bearbeiten.

    Beim Treffen der Agrarminister, das die tschechische Ratspräsidentschaft unter das Thema der Nahrungsmittelsicherheit gestellt hat, sagt Lins heute: “Dieser Vorschlag verfolgt den vollkommen falschen Ansatz und sendet das falsche Signal an unsere Landwirte.” Diese seien bereits in ihrer Arbeit durch die steigenden Preise und die extremen Klimabedingungen beeinträchtigt. Die Bauern seien diejenigen, die die Ernährungssicherheit gewährleisteten. Der Vorschlag der Kommission sei “vollkommen blind” gegenüber den Konsequenzen für die Landwirte. “In Deutschland etwa würde Pflanzenschutz auf einem Viertel der gesamten Agrarfläche vollkommen verboten werden.” Dies käme einem Berufsverbot für viele Betriebe gleich, vor allem die kleinen Betriebe wären davon betroffen.

    Der Kommissionsvorschlag sieht nicht nur vor, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Geplant ist auch, Pflanzenschutz in allen Natura-2000-Schutzgebieten sowie allen Landschafts- und Vogelschutzgebieten zu verbieten. Von dieser Maßnahme wären vor allem die deutschen Bauern in hohem Maße betroffen.

    Für seine Forderung an die Kommission, den Vorschlag noch einmal zu überarbeiten, hat Lins nach eigenen Worten die Unterstützung von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen im Ausschuss. Die Federführung für das Dossier liegt beim Umweltausschuss (ENVI). Die Ablehnung durch den Agrarausschuss ist also eher ein politisches Signal. mgr

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    EU-Parlament fordert Klimaanpassungsrahmen

    In einer Resolution, die das EU-Parlament am Donnerstag verabschiedet hat, forderten die Abgeordneten die Kommission mit großer Mehrheit auf, die Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel zu erhöhen. Die EU müsse ihre Pläne zur Anpassung an den Klimawandel ausbauen. Daher solle die Kommission einen “umfassenden, ehrgeizigen und rechtsverbindlichen europäischen Rahmen für die Anpassung an den Klimawandel” vorschlagen, der sich insbesondere an die am stärksten gefährdeten Regionen der EU richtet, heißt es in der Resolution.

    Angesichts der Dürren und Waldbrände nimmt das EU-Parlament auch die Mitgliedstaaten in die Pflicht. Sie sollen kurz-, mittel- und langfristige Wiederherstellungsmaßnahmen für die zerstörten Ökosysteme festlegen. Für die Zukunft fordern die Parlamentarier EU-Leitlinien für solche Wiederherstellungspläne nach Notsituationen.

    Resolution: mehr Solidarität unter den Mitgliedsstaaten

    Innerhalb der Notsituationen fordert das Parlament mehr Solidarität und Hilfsmechanismen unter den Mitgliedstaaten. Das Programm RescEU soll ausgebaut und der Europäische Solidaritätsfonds für Naturkatastrophen aufgestockt werden. Man müsse sich gegenseitig helfen, betonte der umweltpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Peter Liese. “In Deutschland gab es lange eine Zurückhaltung bei europäischen Aktivitäten im Bereich Katastrophenhilfe. Jetzt haben im Harz Löschflugzeuge aus Italien, die Mithilfe des EU-Programms RescEU finanziert wurden, den entscheidenden Beitrag geleistet.” Dies zeige, dass europäische Solidarität notwendiger sei, als viele in Deutschland lange gedacht hätten, sagte Liese.

    Mitgliedstaaten sollen außerdem ihre Lebensmittelsysteme widerstandsfähiger gestalten, heißt es weiter. Sie sollen strategische Futter- und Lebensmittelvorräte anlegen und Bewässerungssysteme einführen, die nicht auf Oberflächen- oder Grundwasser zurückgreifen. Die EU-Kommission solle diesbezüglich auch eine EU-Wasserstrategie für besseres Abwasserrecycling, effiziente Nutzung von Regenwasser sowie die generelle Reduzierung des Wasserverbrauchs vorlegen.

    Klimastresstest bis 2023

    Um die Risiken von Wetterextremen für Mensch und Natur künftig zu minimieren, soll zudem ein Stresstest für die Klimaresilienz wichtiger Infrastrukturen bis zum Sommer 2023 sowie eine EU-weite Bewertung der Klimarisiken durchgeführt werden.

    Eine Resolution des Parlaments ist nicht rechtlich bindend und drückt lediglich den Wunsch der Abgeordneten aus. Da das Papier jedoch mit 469 Ja-Stimmen, 34 Nein-Stimmen und 44 Enthaltungen eine deutliche Zustimmung erhielt, dürfte die Kommission dem Text durchaus Beachtung schenken. luk

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    Wasserstoff laut Forschern auch künftig kein dominanter Energieträger

    Wasserstoff spielt nach einer Studie künftig in der globalen Klimapolitik eine wichtige Rolle – er wird aber nicht der dominierende Energieträger der Zukunft sein. So lautet das Fazit einer am Donnerstag vorgestellten Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI). Die Forscher erwarten die größte Nachfrage von Wasserstoff im Verkehrsbereich. Im EU-Verkehrssektor könnte demnach der Anteil im Jahr 2050 bei 28 Prozent bezogen auf den Gesamtenergiebedarf liegen. Im internationalen Schiffs- und Flugverkehr sei der Einsatz von H2-Syntheseprodukten gesetzt. Im Auto- und Lkw-Verkehr sei ein Wasserstoffeinsatz jedoch weniger klar.

    Die globale Wasserstoffnachfrage hängt demnach auch von der regionalen Klimapolitik ab und wie ambitioniert diese sei. Für die EU wird der Anteil bis 2050 auf bis zu 14 Prozent geschätzt, für China hingegen wiesen die meisten Szenarien nur einen Wasserstoffanteil von maximal 4 Prozent an der Endenergie aus.

    Welche Bedeutung Wasserstoff künftig haben könnte, wurde im Rahmen einer sogenannten Meta-Studie unter Koordination des Fraunhofer ISI untersucht. Die Forscher werteten im Rahmen des Forschungsprojekts HyPat mehr als 40 Energiesystem- und Wasserstoffszenarien aus. “Um Treibhausgasemissionen global zu senken, werden Maßnahmen zum Energie-Einsparen und die direkte Elektrifizierung auf Basis von erneuerbarem Strom zum Beispiel durch Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge oder in Wärmenetzen als wichtigste Hebel gesehen”, stellte Fraunhofer-Forscher Martin Wietschel fest. Wasserstoff spiele dort eine relevante Rolle, wo andere Technologien technisch oder wirtschaftlich nicht umsetzbar seien.

    Die EU-Kommission plant, drei Milliarden Euro für den Import von grünem Wasserstoff bereitzustellen. In ihrer Rede zur Lage der EU hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Gründung einer Wasserstoffbank angekündigt. dpa/sas

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    Presseschau

    EU-Parlament spricht Ungarn Demokratie-Status ab TAGESSCHAU
    Von der Leyen in Kiew: EU unterstützt Ukraine “so lange wie erforderlich” MORGENPOST
    Habeck will Start der Gasumlage offenbar verschieben ZEIT
    EU wird Geräte-Hersteller zu 5 Jahren Sicherheits-Updates verpflichten WINFUTURE
    EU-Kommission legt Cyberresilienz-Gesetz für vernetzte Geräte vor EURACTIV
    EU-Parlament unterstützt 45-Prozent-Ziel für Erneuerbare PV-MAGAZINE
    EU-Parlament: Erhöhung des E-Fuel-Ziels WELT
    Polen stellt sich gegen EU-weite Abgabe auf Energieunternehmen EURACTIV
    Top EU official calls for “judicial guarantees” to stop abuse of spyware POLITICO

    Kolumne

    What’s cooking in Brussels?

    Der Vater von Philippe Lamberts hatte ein kleines Unternehmen, das Sauerkraut herstellte. In Belgien. Nur das Familienunternehmen zu übernehmen, reizte ihn nicht, erst recht nicht ein Unternehmen, das bei der Ernte von den Unwägbarkeiten des Wetters abhängig ist. Also entschied er sich für ein Ingenieurstudium und arbeitete anschließend etwa 20 Jahre lang bei IBM – für die Jüngeren unter Ihnen: IBM genoss damals eine Aura, die mit der von Apple heute vergleichbar ist.

    Dann beschloss der Ingenieur, der sich selbst auch als Christ bezeichnet, sich politisch zu engagieren – bei den belgischen Grünen, die in der Partei “Ecolo” zusammengeschlossen sind. Im Jahr 2009 überging er den Status als freiwilliger Parteiunterstützer und wurde direkt zum Parteiprofi, als er zum Europaabgeordneten gewählt wurde. 2014 wurde er Co-Fraktionsvorsitzender der Europäischen Grünen, neben der Deutschen Rebecca Harms und dann neben Ska Keller, die ihren Posten nun aufgibt. Auch Lamberts hat nach mehr als einem Jahrzehnt politischer Tätigkeit auf der europäischen Bühne seinen Rücktritt angekündigt.

    Bei den Europawahlen im Jahr 2019 wurden die Grünen mit 75 Abgeordneten zur viertstärksten politischen Kraft – zweifelsohne ein Wahlerfolg. Durch den Aufstieg von 52 auf 75 Abgeordnete sind sie im Europäischen Parlament vom sechsten auf den vierten Platz vorgerückt. Damit liegen sie hinter den Christdemokraten der EVP, den Sozialisten und Sozialdemokraten der S&D und den Liberalen und “Macronistes” von Renew.

    In vielen Ländern noch immer in der Nische

    Mais voilà. Philippe Lamberts freut sich zwar über einen tendenziell wachsenden politischen Einfluss innerhalb der EU, “der aber immer noch an eine gläserne Decke stößt”, das heißt: Es fällt schwer, über die traditionelle grüne Wählerschaft hinauszugehen. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Situation in Schweden, wo die Grünen 40 Jahre nach ihrer Gründung immer noch nicht aus der politischen Nische herausgekommen sind. Oder die Situation in Südeuropa, wo die Grünen sich nach wie vor schwer damit tun, sich politisch zu etablieren.

    Das zukünftige Duo muss versuchen, diese gläserne Decke zu durchbrechen, wenn es die “Bundesliga” der europäischen politischen Parteien erreichen will, um den von Lamberts benutzten Begriff zu verwenden. Um dies zu erreichen, müssen sie zeigen, dass Fragen der sozialen Gerechtigkeit im Mittelpunkt des grünen Projekts stehen – damit es für einen Teil der sozialdemokratischen Wählerschaft anziehend ist – und gleichzeitig betonen, dass sie für eine freie soziale Marktwirtschaft stehen, womit sie bei einem Teil der liberalen Wählerschaft punkten könnten.

    Dies muss aber auch geschehen unter Berücksichtigung der Kritik der Generation Fridays for Future, die der Partei vorwirft, ihren Willen zur Umgestaltung des Systems und der Institutionen verloren zu haben. Alles andere als einfach.

    Die Bundesliga der politischen Parteien zu erreichen, bedeutet für Lamberts unter anderem, dass ein grüner Politiker oder eine grüne Politikerin an die Spitze einer nationalen Regierung gewählt wird. “Die Liberalen haben (Anm.: auf Ratsebene) mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ein Schwergewicht”, sagt Lamberts. Diese Persönlichkeit würde dann als potenzieller Magnet für Kandidaten dienen, die sich für die Grünen interessieren, aber noch nicht konvertiert sind.

    Scharfe Kritik an Macron

    Der Brüsseler Europaabgeordnete hat sich bei Themen im Zusammenhang mit der Finanzkrise einen Namen gemacht. Im Jahr 2013 initiierte er einen EU-Vorschlag zur Deckelung der Einkommen in der Finanzbranche. “Wir haben die Grenzen eines sich selbst überlassenen Marktes erreicht, der sich um die Forderungen nach Wachstum und Anhäufung von Reichtum dreht”, sagt er heute. “Wir fordern keine staatszentrierte Wirtschaft, sondern eine Marktwirtschaft” – also eine Wirtschaft, die sich nicht auf Menschen konzentriert, die von ihrem Vermögen leben, und in der das menschliche Glück nicht durch die Anhäufung von Reichtum und Material definiert wird.

    Lamberts ist nicht nur durch seine Positionen zur Finanzwelt bekannt geworden, sondern auch durch seine Rhetorik. So kritisierte er 2018 in Straßburg die Politik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der das Europaparlament besuchte. Macrons Politik stelle “die Devise Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit infrage”, sagte Lamberts und kritisierte restriktive innenpolitische Maßnahmen, Waffenverkäufe, Atomkraft und die Schließung von Flüchtlingslagern.

    Der Grünen-Politiker benutzte den Ausdruck “les premiers de cordée”, was auf Deutsch als “Vorsteiger” zu übersetzen ist – ein Begriff, der Führungsqualitäten beschreibt und dem Staatschef besonders gut gefällt. Dazu ließ Lamberts Macron ein Kletterseil überreichen. Dieses Seil ist Paris bis heute im Hals stecken geblieben.

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    Europe.Table Redaktion

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