- China Telecom, China Mobile und China Unicom fordern Verbleib an der NYSE
- Wachstumsbremse Chipindustrie
- CAI löst 26 bilaterale Abkommen nicht ab
- Xiaomi: Lackmustest für Biden
- Automarkt China: Bedeutung für Deutsche wächst
- Bergleute in Qixia gerettet
- Im Portrait: Björn Etgen
Edi 25.1.2021
alle reden über CAI, seit Freitag liegt der Text vor. Amelie Richter hat am Wochenende darin gestöbert und entdeckt: Das Abkommen wird die 26 bisher schon existierenden Investitionsschutz-Abkommen zwischen China und einzelnen EU-Mitgliedsländern nicht ersetzen. Sieht so europäische Einigkeit aus?
Vier Kernarbeitsnormen mit je zwei Übereinkommen beschreibt die Internationale Arbeitsorganisation ILO: Verbot von Diskriminierung, Kinderarbeit, Zwangsarbeit und das Recht auf Kollektivverhandlungen. Die Normen sind eines der großen Themen beim CAI. Schauen wir mal nach, wer die Normen bisher ratifiziert hat: 138 Staaten bekennen sich zu allen acht Übereinkommen, China bringt es auf vier – und die USA auf zwei.
Eine funktionierende Chipindustrie kann man allein mit Subventionen nicht aufbauen. Wie Peking jetzt Versäumtes nachholen will schreiben Ning Wang und Finn Mayer-Kuckuk auf.
Biden revidiert Trump – Die Bilder aus dem Oval Office gingen um die Welt, kaum das der neue US-Präsident im Amt war. Gespannt wartet Peking darauf, ob der Neue auch das dekretierte Delisting der großen chinesischen Mobilfunkunternehmen von der New Yorker Börse rückgängig machen und den Handy-Riesen Xiaomi von der Liste der Unternehmen streichen wird, mit denen US-Amerikaner in Zukunft weder Geschäfte machen noch in sie investieren dürfen.
Antje Sirleschtov

Presseschau
Presseschau 25. Januar 2021
Chinese Miners Pulled to Surface 2 Weeks After Underground Explosion NYTIMES
The JL-3: the new missile ‘raising the cost’ of a US fight with China SOUTH CHINA MORNING POST
China to build 30 ‚fully connected‘ 5G factories by 2023 CHINA DAILY
Chinese environmentalists up in arms over forest destroyed to make way for vineyards SOUTH CHINA MORNING POST
Chinese aircraft enter Taiwan’s air defence zone for second day THE GUARDIAN
How Beijing Turned China’s Covid-19 Tragedy to Its Advantage NYTIMES
China setzt weiter voll auf Kohle TAGESSCHAU
Chinesische Desinformationskampagne gegen Corona-Impfstoff von Biontech FR
VW ohne China „nicht mehr vorstellbar“, meint Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer MANAGER MAGAZIN
Analyse
Telekom-Riesen fordern Verbleib an der NYSE
Finn Mayer-Kuckuk

Es ist Saison für die Rücknahme von Beschlüssen von Donald Trump. Darauf setzen auch die drei großen chinesischen Telekommunikationskonzerne. China Telekom, China Mobile und China Unicom waren gegen das Ende seiner Amtszeit das Ziel der Angriffe Trumps. Nun wenden sie sich gemeinsam an die Börse New York. Ihr Anliegen: eine erneute Überprüfung der Entscheidung, ihre Aktien in den USA aus dem Handel zu nehmen. In einer Mitteilung an die Börse Hongkong gestehen die drei Unternehmen jedoch ein, dass ihr Manöver trotz des Regierungswechsels eventuell nicht erfolgreich sein wird. Die Rechtslage ist derzeit jedenfalls reichlich unklar.
In seinem Bemühen Härte gegenüber China zu zeigen hatte Trump im November verfügt: US-Institutionen dürfen nicht zur Finanzierung von chinesischen Firmen beitragen, die Verbindung zum Militär haben. Auf China Mobile, China Telecom und China Unicom trifft das genauso zu wie auf praktisch alle anderen Großunternehmen des Landes. Am Silvestertag hat die New York Stock Exchange (NYSE) angekündigt die Aktien der drei Konzerne aus dem Handel zu nehmen. Wegen enormer Kritik an den Schäden für amerikanische Investoren und rechtlicher Zweifel hat der Börsenbetreiber diese Entscheidung Anfang Januar zurückgenommen. Zwei Tage später hat die NYSE den Plan für das Delisting jedoch wieder bekräftigt.
Jetzt hoffen die drei chinesischen Telekom-Riesen auf eine erneute Kehrtwende und damit eine endgültige Rücknahme der Entscheidung. Die Hinterlegungsscheine, mit denen sie an der NYSE gelistet sind, könnten dann im Handel bleiben. Tatsächlich gab es auch innerhalb der US-Regierung Zweifel: Sind die Festnetz- und Mobilfunk-Firmen wirklich eine Gefahr für die Sicherheit der USA? Und was ist mit den Interessen von amerikanischen Firmen in China? Diese sind dort nun ihrerseits erweiterten Überprüfungen unterworfen.
China Telekom, China Mobile und China Unicom gehören zu den größten Unternehmen ihrer Art. China Mobile zählt 950 Millionen Kunden mit Handyverträgen, davon nach Stand vom Dezember 150 Millionen mit 5G-Verträgen. Sie gehören zu den großen Staatsunternehmen, die direkt der Zentralregierung unterstellt sind – und eigneten sich damit bestens als Angriffsziel für Trump.
Bisher ist noch unklar, wie die neue Regierung unter Joe Biden sich positionieren wird. Auch Biden will hart mit China verhandeln, dabei aber rationaler vorgehen. Die NYSE wird nun vermutlich abwarten, bis die Lage sich etwas klärt. Den eigenen Regeln zufolge hat sie 25 Tage Zeit, um über die Anträge der chinesischen Unternehmen zu entscheiden.
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Wachstumsbremse Chip-Industrie
Es ist eine Entscheidung, die mit dem Preis wenig zu tun hat – dafür umso mehr mit Erfahrung und Verlässlichkeit. Ihre Wirkung jedoch ist umso größer. „Wer IT-Infrastruktur für die Finanzindustrie aufbaut, wird sich nur selten für Mikrochips aus China entscheiden“, sagt ein Manager aus der Halbleiterbranche. Da es um Wettbewerber geht, will er nicht namentlich genannt werden. Er verrät aber: „Selbst, wenn deren Produkte günstiger sind und die gleiche Leistung bringen, werden sie sich eher für Anbieter entscheiden, zu denen schon seit Jahren ein Vertrauensverhältnis besteht.“
China, das Wachstumsland schlechthin, hat es schwer, sich auf dem boomenden Markt für Halbleiter zu behaupten. Laut den Daten von World Semiconductor Trade Statistics wird der Halbleitermarkt in diesem Jahr um 8,4 Prozent wachsen. Im vergangenen Jahr waren es fünf Prozent. Mittlerweile macht die Branche jährlich Umsätze von über 450 Milliarden US-Dollar. Doch während chinesische Unternehmen 60 Prozent der weltweit hergestellten Chips verbrauchen, kommen nur knapp 16 Prozent der dort verarbeiteten Einheiten aus dem Inland. Die gesamte chinesische Halbleiterindustrie stellt ungefähr so viel her wie ein einzelner US-Anbieter, AMD.
Die geringe Eigenständigkeit rächt sich jetzt für China ebenso wie für Deutschland. Denn die Corona-Pandemie hat einerseits die Nachfrage hochgetrieben, andererseits hat sie die Lieferketten durcheinandergebracht. Computer fürs Homeoffice, Spielkonsolen für den Nachwuchs, der Ausbau des Internets und der IT-Infrastruktur in Betrieben, Behörden und der Bildung – all das braucht Chips.
Im Extremfall führt die aktuelle Nachfragespitze dazu, dass Autobauer ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken müssen. Zuletzt war Audi betroffen: Der Premium-Hersteller hat 10.000 Arbeiter in Neckarsulm und Ingolstadt nach Hause geschickt, weil der Nachschub an Chips stockte. Vielen Autozulieferern in Deutschland ist zu spät klar geworden, dass der Chipmarkt weltweit leergefegt ist.
Vor allem Unternehmen aus der Unterhaltungsbranche haben die Gelegenheit genutzt und die Bestände bei den Chipproduzenten aufgekauft. Nun warten die deutschen Autobauer auf ihre Halbleiterbestellungen – und das womöglich noch für ein paar Monate. Denn solange dauert es im Schnitt, bis Hersteller liefern können, sobald die Bestellungen eingegangen sind.
Die Vorgänge in der weltweiten Fahrzeugbranche sind für Peking eine Warnung: Wer seine Versorgung mit Halbleiterelementen nicht kontrollieren kann, ist angreifbar. Das hatte sich bereits in der Ära Donald Trump gezeigt, als dieser durch Sanktionen die Produktion bei Elektroherstellern wie Huawei und ZTE ins Stocken gebracht hat. Auch derzeit fehlen in China akut Chips.
Bildungsprogramm für Fachleute
Zwar soll der Eigenanteil in den kommenden Jahren bis 2025 auf 19,4 Prozent ansteigen, sodass pro Jahr im Schnitt rund ein Prozentpunkt Wachstum hinzukommt, aber selbst das würde die Ziele des „Made in China 2025“ Plans von Peking stark verfehlen. Dann möchte China 70 Prozent seines Verbrauchs von Chips selbst herstellen.
Im Jahr 2020 hat die chinesische Regierung 100 Milliarden US-Dollar aufgewendet, um die Branche mit Steuervergünstigungen, billigen Krediten und anderen Anreizen zu subventionieren. Laut dem Wirtschaftsmagazin Economist haben sich allein 50.000 Firmen im vergangenen Jahr registriert, die „irgendetwas mit Halbleitern machten“. Und Universitäten in der Volksrepublik stellen ihre Lehrpläne um, um den Nachwuchs für die Chipindustrie auszubilden. Bisher hatten chinesische Halbleiterfirmen wie SMIC vor allem von TSMC aus Taiwan, dem größten Halbleiterproduzenten weltweit, Mitarbeiter mit Gehältern abgeworben, die bis zu dreimal höher lagen als in deren Heimat üblich. So sind allein im vergangenen Jahr 100 Manager und Ingenieure von TSMC in Halbleiterwerke auf dem Festland abgewandert.
Chinas Halbleiterherstellern ist dabei vor allem klar geworden, dass sie technisch besser werden müssen. Sie haben daher vor allem in Forschung und Entwicklung investiert. Es bleiben jedoch große Probleme – vor allem bei der Kompatibilität. Die international gebräuchliche Software läuft nicht störungsfrei auf den chinesischen Chips. Da bisher kaum internationaler Austausch stattfindet, fehlt den chinesischen Chips das nötige Ökosystem „um das Beste aus ihnen herauszuholen“.
Aber es bleibt ihnen aufgrund von US-Sanktionen fast keine andere Wahl. Der große Telekommunikationsausrüster und Handyhersteller Huawei hat aus der Gesamtlage Konsequenzen gezogen und weitet derweil seine Investitionen in chinesische Chiphersteller aus. Huawei hat sich in den vergangenen zwei Jahren an 20 verschiedene Halbleiterunternehmen beteiligt, wie die japanische Wirtschaftszeitung „Nikkei“ aus Daten des chinesischen Wirtschaftsdienstes Qichacha ermittelt hat.
Es handelt sich dabei um Firmen auf dem chinesischen Festland, die wohl eines Tages Produkte anbieten sollen, wie sie Huawei bisher aus den USA, Japan, Südkorea und Taiwan bezogen hat. Huawei hat eigens einen Investmentarm gegründet, um hier schlagkräftig agieren zu können. Die Beteiligungsgesellschaft heißt Hubble Technology Investment.
Huawei befindet sich beispielsweise in Gesprächen mit der Firma SiEn (Qingdao) aus der Provinz Shandong. Die örtliche Regierung preist den eigenen Spieler bereits als künftigen Chips-Champion und bemüht sich sichtlich, Kräfte bei SiEn zu bündeln. Das geht aus Berichten der Lokalpresse hervor. Auch die ebenfalls in Qingdao angesiedelten Hausgerätehersteller Haier und Aucma investieren derzeit in SiEn.
Die fiebrige Tätigkeit von privater und staatlicher Seite hat jedoch auch unerwünschte Nebenwirkungen. Sie lädt zu Missbrauch der Mittel und Missmanagement ein. So konnte Tsinghua Unigroup, einer der größten chinesischer Halbleiterhersteller, im vergangenen Jahr seine Kredite nicht mehr bedienen – und der Staat sah so wenig verbliebenes Potenzial, dass er das Unternehmen in die Insolvenz entlassen hat. Auch wenn Chinas Subventionswirtschaft zum Teil funktioniert, erweist sie sich doch immer wieder als ineffizient. Finn Mayer-Kuckuk/Ning Wang
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Termine
Termine_25.01.2021
25.01.2021, 18:00 Uhr
Vortrag, SOAS University of London Comparisons of a New Sino-US Cold War with the old Soviet (Sino-)US Cold War Mehr
26.01.2021, 19:00-21:00 Uhr
Vortrag/ Diskussion, Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW China – Die neue Nummer Eins? Anmeldung
26.01.2021, 19:30-21:00 Uhr
Vortrag, Konfuzius-Institut Erlangen/Nürnberg Was wird aus den alten Dörfern? Denkmalschutz in Zhejiang Mehr
28.01.2021, 18:00-19:30 Uhr
Vortrag, Chinakompetenz Zentrum der Hochschule Bremen Was darf (nicht) gesagt werden – oder wie die Zensur in China löchriger wird von Shi Ming. Anmeldung
- Chinakompetenz Zentrum der Hochschule Bremen
- Konfuzius-Institut Erlangen-Nürnberg
- Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW
- Shi Ming
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- Zensur in China
CAI ersetzt bilaterale Abkommen nicht
Amelie Richter

70 Seiten, die noch für viel Gesprächsstoff sorgen werden: Erstmals seit der politischen Grundsatzeinigung zwischen der EU und China Ende Dezember hat die EU-Kommission den vorläufigen Text des Investitionsabkommens mit Peking (CAI) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die inhaltlich wichtigen Anhänge des umstrittenen Deals blieben zunächst weiter unter Verschluss, sie sollen im Februar veröffentlicht werden.
Der bisher publizierte Abkommenstext zeigt: Erfolge hat die Europäische Union vor allem im Bereich des Marktzugangs zu verbuchen. Auch eine verbesserte Rechtssicherheit für europäische Investoren und ein Verbot für erzwungenen Technologietransfer stehen auf der Win-Seite. Massive Kritik gibt es weiterhin am Kapitel, das mit „Nachhaltige Entwicklung“ überschrieben ist – darin sind neben Einigungen zu Klima-Fragen auch Übereinkommen beim Thema Arbeitnehmerrechte festgehalten, die Kritikern aus menschenrechtlicher Sicht Peking zu wenig binden.
Weiter Verhandlungen beim Investitionsschutz
Doch das letzte Wort ist noch lange nicht gefallen. Die Gespräche über Details und auch das sogenannte „legal scrubbing“ sind noch nicht beendet, wie eine ranghohe EU-Vertreterin in Brüssel erklärte. Im Bereich Investitionsschutz werde weiterhin verhandelt. Innerhalb von zwei Jahren nach Unterzeichnung des Investitionsabkommens soll hier eine Einigung gefunden werden. Zudem müsse das Abkommen als Teil einer umfassenden China-Strategie gesehen werden, betonte sie. Um beispielsweise Menschenrechtsfragen anzugehen gebe es andere EU-Instrumente. Mit einer Ratifizierung des gesamten Deals werde von Seiten der Brüsseler Behörde nicht vor Ende des Jahres gerechnet.
Deutsche Wirtschaftsverbände halten sich mit einem Urteil über den veröffentlichten Teil des Abkommens derzeit noch zurück. Man wolle sich etwas Zeit lassen, um das Papier zu prüfen, hieß es über das Wochenende aus Kreisen der deutschen Wirtschaftsvertreter in Brüssel. „Natürlich ist die Informationspolitik nicht hinreichend und die Veröffentlichung des gesamten Verhandlungsergebnis muss zügig geschehen“, sagte der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europäischen Parlaments, Bernd Lange, China.Table. Schade sei es zudem, dass kein Kapitel zum EU-Investitionsschutz gebe und damit die 26 bilateralen Investitionsschutzabkommen – alle EU-Staaten außer Irland haben ein solches mit China – bestehen blieben. Der Europa-SPD-Politiker begrüßte die Perspektive eines multilateralen Investitionsgerichts.
Mehr Transparenz bei Staatsunternehmen
Das CAI umfasst drei große Säulen: Marktzugang, gleiche Wettbewerbsbedingungen – das sogenannte level playing field – und nachhaltige Entwicklung. Europäischen Investoren gewährt China mit dem Übereinkommen mehr Zugang als jemals zuvor, betont die EU-Kommission. Wirtschaftsexperten kritisieren jedoch, dass es sich dabei fast ausschließlich um Umsetzungen früherer Öffnungsvereinbarungen handelt, die beispielsweise unter WTO-Schirmherrschaft oder durch die Herausgabe mehrerer Negativlisten für Auslandinvestitionen zustande gekommen waren. Nur wenig überraschend ist, dass China keine bedeutenden Neueröffnungen auf dem europäischen Markt bekommt – war der EU-Markt ohnehin bereits offener als der chinesische. Neu ist unter anderem, dass die EU bei staatlichen Unternehmen oder privaten Firmen mit staatlichem Einfluss, China auffordern kann, die Organisationsstruktur offenzulegen.
CAI enthält unter der Überschrift level playing field auch erstmals ein Verbot des erzwungenen Technologietransfers – bisher heißt es im Text: Ein solcher Transfer oder Lizenzierung von Technologie müsse „freiwillig“ mit beidseitiger Einigung geschehen. Wie das überprüft werden soll, wird nicht näher erläutert.
Vage Zusagen gegen Zwangsarbeit
Besonders viel Kritik gibt es an der dritten Säule mit dem Titel „Nachhaltige Entwicklung“. Sie enthält Bestimmungen zu Klima, sozialen Verantwortung von Unternehmen – und Arbeitnehmerrechte. Das Gute: China habe zum ersten Mal überhaupt Regeln zu Arbeitnehmerrechten akzeptiert, so Europa-Politiker Lange.
Doch vor allem für die bisher noch eher vage formulierten Vereinbarungen zu Zwangsarbeit sehen Menschenrechtsexperten als großes Manko. Denn im CAI-Text heißt es bisher, China solle „von sich aus anhaltende und nachhaltige Anstrengungen unternehmen, um die Ratifizierung der grundlegenden ILO-Konventionen Nr. 29 und 105 zu verfolgen“. Experten bezweifeln, dass Peking die Bereitschaft habe, ohne eine feste Verpflichtung oder festgelegte Frist irgendetwas umzusetzen. Ein Vertreter des Europäischen Gewerkschaftsbundes formulierte es nach der Veröffentlichung des vorläufigen CAI-Textes noch drastischer: Für die Arbeitnehmervertreter seien mit dem Kapitel „alle Ängste“ wahr geworden. Auf wichtige ILO-Verordnungen werde nicht eingegangen. Gerade in diesem Bereich will vor allem das Europaparlament noch Änderungen erwirken.
Bis der finale Text des Abkommens auf dem Tisch liegt, wird noch viel passieren – denn während des legal scrubbings, also der formaljuristischen Prüfung des Papiers, können noch einige Änderungen durchgeführt werden, wie Handelspolitik-Expertin Bettina Müller von der Nichtregierungsorganisation Powershift China.Table erklärt. Nachdem das Abkommen ausgehandelt sei, gehe es an den juristischen Dienst der EU-Kommission. Dort werde geprüft, ob juristisch gesehen alles einwandfrei und damit das Abkommen nicht angreifbar sei und keine Schlupflöcher enthalte, erklärt Müller.
Während dieses Prozesses werden im Text noch stehende Klammern gefüllt, es gibt aber auch sprachliche Änderungen, die zu inhaltlichen Verschärfungen oder Verwässerungen führen können, wie Müller sagt. Die finale Version des Textes, die nach dem „formalen Schrubben“ der Juristen noch in alle EU-Sprachen übersetzt werden muss, wird also noch etwas auf sich warten lassen. mit Nico Beckert
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Xiaomi: Lackmustest für Biden
Frank Sieren

Sehr lange war Xiaomi einer der großen Gewinner des US-Embargos gegen chinesische Unternehmen. Im dritten Quartal 2020 machte Xiaomi erstmals in seiner zehnjährigen Geschichte mehr als die Hälfte seines Umsatzes (55 Prozent) außerhalb Chinas. Dass lag auch daran, dass viele Huawei-Nutzer in den vergangenen Monaten zu einem Xiaomi-Handy wechselten. Der wichtigste Grund: Huawei, das gerade auf dem besten Weg war, sich beim Smartphone-Absatz an die Weltspitze zu setzen, wurde von den US-Sanktionen schwer getroffen. In Europa – dem größten Überseemarkt von Huawei – gingen die Lieferungen im dritten Quartal 2020 um 25 Prozent zurück. Währenddessen stiegen sie bei Xiaomi um 88 Prozent. Bei Xiaomi hat man sich Anfang November schon gefreut, als sich abzeichnete, dass Trump die Wahl verlieren würden. Doch die Manager hatten nicht damit gerechnet, dass Trump im freien Fall noch um sich schlagen würde. Am 14. Januar dieses Jahres ließ er sie mit einer Reihe anderer Firmen auf die schwarze Liste setzen. Das US-Verteidigungsministerium bezeichnet darin neun chinesische Firmen als „Kommunistische chinesische Militärunternehmen“.
Laut dieser Sperrliste wäre es US-Konzernen demnach ab dem 11. November 2021 untersagt, in diese Firmen zu investieren. Die Xiaomi-Aktie fiel nach der Ankündigung an der Hongkonger Börse um mehr als 15 Prozent. Xiaomi weist die Vorwürfe zurück: Man stelle lediglich Produkte für die zivile Nutzung her, so das Unternehmen.
Deshalb hofft man bei Xiaomi auf eine schelle Lösung. Das wichtigste Argument: Xiaomi sei ja nicht auf der militärische Sperrliste, der sogenannten Entity List, auf der Huawei im Mai 2019 gelandet war. Xiaomi darf weiterhin mit US-Unternehmen Geschäfte machen.
Nutznießer des US-Embargos gegen Huawei
Auch der Kurseinbruch von Xiaomi hört sich schlimmer an als er ist. Seit Ende Juni 2020 hat der Konzern seinen Börsenwert verdoppeln können und kam zuletzt auf eine Bewertung von rund 100 Milliarden US-Dollar. Von den 100 Prozent Zugewinn sind nun eben wieder 15 Prozent in der Spitze verloren gegangen. Einen Teil der Verluste konnte die Aktie bereits wieder wett machen. Der Kurs lag am vergangenen Freitag schon wieder auf dem Niveau vom 22. Dezember vergangenen Jahres. Denn die Substanz des Unternehmens ist gut.
Ebenfalls am vergangenen Freitag konnte Xiaomi sogar einen neuen Verkaufsrekord verkünden. Von dem neuen M11-Smartphone, das bisher nur in China erhältlich ist, wurden binnen 21 Tagen eine Millionen Stück verkauft. Beim M10 hat das noch über zwei Monate gedauert. Schätzungsweise ein Drittel davon gingen bereits in den ersten 15 Minuten über die Ladentheke. Auch international läuft es gut. In Spanien steht Xiaomi mit einem Marktanteil von 34 Prozent bereits auf Platz Eins. In Indien, dem wichtigsten Schwellenmarkt für Smartphones, liefern sich Xiaomi und Samsung seit Monaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz der erfolgreichsten Mobiltelefone.
In China hat die 2010 gegründete Marke, deren Name „kleines Reiskorn“ bedeutet, längst einen ähnlichen Status wie Apple. Ein kluger Schachzug war dabei, ähnlich wie Apple von Anfang an auf ein eigenes digitales Ökosystem mit zahlreichen „Mi“-Services zu setzen, darunter auch Fintech-Dienstleistungen wie einen eigenen Zahlungsdienst (MI Pay) oder Mikrokredite (MI Credit).
15 Prozent von Xiaomi in US-Hand
Psychologisch am wichtigsten ist jedoch, dass sich Xiaomi Ende 2020 zum ersten Mal an Apple vorbeigeschoben hat, auf Platz drei der Weltrangliste hinter Samsung und Huawei.
Die Frage ist nun, wie die Regierung Biden diesen Erfolg bewertet. Trumps Ziel war es, die größten Herausforderer der technologischen Weltmacht USA zu schwächen und notfalls mit Gewalt vom Markt zu drängen. Die Furcht, im technologischen Wettbewerb von China abgehängt zu werden, haben Demokraten und Republikaner gleichermaßen verinnerlicht. Es ist also keine einfache Entscheidung für Biden. Innenpolitisch könnte ihm die Entscheidung über den Verbleib Xiaomis auf der schwarzen Liste Punkte bringen, außenpolitisch jedoch Schwierigkeiten bei seinem Versuch, die Welt unter der Führung der USA wieder enger Zusammenzuführen. „Die chinesische Seite wird notwendige Maßnahmen ergreifen, um die Interessen chinesischer Unternehmen zu schützen“, erklärte unterdessen ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. „Der Fall Xiaomi ist wichtig, weil er die Richtung anzeigen wird, in die sich die amerikanische Regierung bewegen wird“, sagt denn auch ein chinesischer Diplomat.
Was für einen entspannteren Umgang mit Xiaomi spricht: Auf den nordamerikanischen Markt entfallen zwar bisher nur 0,1 Prozent von Xiaomis-Gesamtlieferungen. Mehr als zwei Drittel der Xiaomi-Handys verwenden Halbleiter des kalifornischen Chip-Giganten. Aufträge, die die US-Wirtschaft dringend braucht. Hinzu kommt, dass immerhin 15 Prozent der Aktien von Xiaomi im Besitz amerikanischer Investoren sind.
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News
Bergleute in Qixia gerettet
Elf Bergleute sind am Sonntagnachmittag (Ortszeit) in Qixia nahe Yantai in der Provinz Shandong zwei Wochen nach einem Grubenunglück gerettet worden. Zuerst wurde ein Kumpel in einem an der Oberfläche näher gelegenen Abschnitt gefunden und konnte so geborgen worden, berichtete der chinesische Staatssender CCTV. Aus mehr als 500 Metern Tiefe wurden zehn weitere Bergarbeiter geborgen. Ein weiterer starb unter Tage an seinen Verletzungen und konnte nur noch tot geborgen werden.
Die Rettungsleute hatten unter schwierigen Bedingungen einen Rettungsschacht gebohrt. Während der Bohrungen stieg der Wasserspiegel unter Tage. Dass nach so vielen Tagen Überlebende nach einem Grubenunglück gerettet werden können, gilt als eher unwahrscheinlich. Das Rennen um die Zeit wurde zudem erschwert, weil das Bergwerksunternehmen die Behörden erst zwei Tage nach dem Vorfall informierte. Vergangene Woche sind der Bürgermeister des Ortes Qixia, wie auch der Parteichef, dafür zur Verantwortung gezogen worden und ihrer Ämter enthoben worden. Am 10. Januar hatten mindestens zwei Explosionen den Ausstieg aus dem Bergwerkschacht verschüttet. Von weiteren zehn verschütteten Männern fehlt bis zuletzt jedes Lebenszeichen.
Noch ist ungeklärt, wie es zu den Explosionen in der Mine gekommen ist. Für Peking kommt das Unglück zu einem schlechten Zeitpunkt. Erst wenige Tage vor dem Unglück hatte das Ministerium für Notfallmanagement noch gemeldet, dass Arbeitsunfälle und Todesfälle 2020 gegenüber dem Vorjahr um 15,5 bzw. 8,3 Prozent zurückgingen.
In China kommen Bergbauunfälle aufgrund von schlechten Sicherheitsvorkehrungen und Arbeitsbedingungen immer wieder vor. Laut den offiziellen Daten sind im vergangenen Jahr 573 Menschen bei Bergbauunfällen ums Leben gekommen. Vor zwanzig Jahren waren es nach der National Mine Safety Administration rund 5.000 Todesfälle. niw
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- Ministerium für Notfallmanagement China
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Deutsche Autohersteller: Absatzrekord in China
Welche Bedeutung hat der chinesische Markt für Deutschlands Autohersteller? Eine aktuelle Studie des Center Automotive Research kommt zu dem Ergebnis: Von den durch Volkswagen, Daimler und die BMW-Group weltweit verkauften 14,16 Millionen Autos sind im vergangenen Jahr 38,2 Prozent in China verkauft worden. In der Augsburger Allgemeinen Zeitung resümiert Autopapst und Studienautor Ferdinand Dudenhöffer: „So hoch war der China-Anteil der deutschen Autobauer noch nie – und er wird weiter steigen.“
Der China-Anteil ist nach der Studie bei allen drei Autokonzernen im Jahre 2020 deutlich gestiegen. BMW verkaufte 33,4 Prozent der Neuwagen nach China, 2019 waren es erst 28,5 Prozent. Bei Daimler waren es 30,6 Prozent gegenüber 25,3 Prozent im Vorjahr und im VW-Konzern 41,4 Prozent gegenüber 38,6 Prozent im Vorjahr.
Selbst wenn ihr Marktanteil in China konstant bleibt, könnten die Verkäufe der deutschen Hersteller in dem Land bis 2030 um 3,27 Millionen Fahrzeuge auf 8,68 Millionen pro Jahr ansteigen – „das entspricht etwa der Größe des deutschen Automarkts“, heißt es in der Studie.
Dudenhöffer mahnt angesichts der hohen und wachsenden Abhängigkeit eine „realistische“ Handelspolitik der deutschen Regierung und der Europäer gegenüber China an und warnt davor, dass das neue asiatische Freihandelsabkommen RCEP den koreanischen und japanischen Herstellern Vorteile verschafft, die es im Auge zu behalten gelte. Europäische Autobauer könnten durch die Marktzugangsverbesserungen des RCEP schnell ins Hintertreffen geraten. Toyota, Honda und Nissan hätten im Jahr 2020 in China bereits „bedeutende Verkaufszuwächse“ erzielen können. asi
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Portrait
Björn Etgen

Entzugserscheinungen habe er, sagt Björn Etgen. Wegen der Corona-Krise war der Rechtsanwalt seit über einem Jahr nicht mehr in China. „Da fehlt einem einfach Vieles.“ Dabei hat er in seiner Arbeit fast täglich mit China zu tun: Etgen gilt als Pionier der Rechtsberatung deutscher Unternehmen in China und ist Experte in internationalem Handels- und Investitionsrecht.
China fasziniert Etgen seit seiner Jugend: „Ende der 70er, Anfang der 80er passierten diese großen Umbrüche in China, es zeichnete sich ab, dass sich im Land viel bewegen wird – auch auf dem juristischen Gebiet.“
Etgens Spezialität sind Schiedsverfahren zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen. Sie machen mittlerweile einen Großteil seiner Arbeit aus. Als Schiedsrichter ist er bei verschiedenen Schiedsinstitutionen in China gelistet, unter anderem bei der China International Economic and Trade Arbitration Commission. „Schiedsverfahren sind für Unternehmen eine effektive Möglichkeit, an Geld und Recht zu kommen, wenn entsprechende internationale Abkommen fehlen“, sagt er. Ihn treibe dabei die Fairness an: Bei einem Streit sollen beide Parteien eine gerechte Lösung finden. „Der Gedanke, dass jemand über den Tisch gezogen wird, widerstrebt mir.“
Als Schiedsrichter löst Etgen oft Konflikte auf fremden Terrain. Land und Leute zu verstehen, ist dafür eine zwingende Voraussetzung. Etgen hat den Aufstieg Chinas zur Weltmacht selbst miterlebt, er kennt die Mechanismen chinesischer Firmen, seien es Start-Ups oder Staatsunternehmen. „Man muss immer wissen, dass im Hintergrund die Partei über alles wacht“, sagt er.
Dass seit dem Machtantritt Xi Jinpings politisch ein anderer Wind weht, spüren seine Mandanten: „Deutsche Unternehmen in China werden heute in vielen Bereichen behindert, es ist alles weniger berechenbar geworden.“ Daran werde wohl auch das Investitionsabkommen zwischen China und der EU wenig ändern. Man müsse anerkennen, dass China mit seinem autoritären Führungssystem unzweifelhaft wirtschaftlichen Erfolg hat, sagt er. „Dass Europa dem nicht viel entgegenzusetzen hat, bereitet mir Sorgen.“
Chinas wirtschaftspolitische und wirtschaftsrechtliche Blütezeit in den 90er-Jahren hat Etgen hautnah miterlebt. Nach seinem Studium der Sinologie und Rechtswissenschaften an der Universität Münster arbeitete Etgen ab 1995 in einer der ersten deutschen Kanzleien in China. Zwischen 1997 und 2016 leitete er für die Kanzlei Beiten Burkhardt fast 20 Jahre lang die Büros in Peking, Schanghai und Hongkong. Anschließend wechselte er als Senior China Counsel zur Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen in München. Zwar sei die Luft dort viel besser als in Peking, sagt er, „aber die besondere Atmosphäre in China, die Begegnungen mit den Menschen dort, das vermisse ich auch heute immer wieder.“ Adrian Meyer
- China International Economic and Trade Arbitration Commission
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- Investitionsrecht
- Investitionsschutzabkommen
- Schiedsverfahren
Dessert
Dessert 25.01.2021

Eine Liste mit den Namen von 1,9 Millionen Mitgliedern der KP Chinas aus der Region Schanghai wurde geleakt. Nun stellt die Schweiz fest, dass darunter ein Mitarbeiter des Konsulats in Schanghai ist und Offizielle fragen: Infiltriert Peking auf diese Weise die diplomatischen und konsularischen Vertretungen und schöpft sensible Informationen ab?
- ABB
- Finanzen
- Interparlamentarischen Allianz zu China IPAC
- Pharmazeutik
- Roche
- Schweiz
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China.Table Redaktion
CHINA.TABLE REDAKTION
- Graf von Westphalen • imago images/ Xinhua Ding Haitao