Table.Briefing: Europe

EU-Reaktionen auf Liz Truss + Herbst-Agenda der EU-Agrarpolitik + Preisdeckel für russisches Gas

  • Liz Truss: EU reagiert verhalten auf Johnson-Nachfolgerin
  • Die Herbst-Agenda der EU-Agrarpolitik
  • Termine
  • Von der Leyen will Preisdeckel für russisches Gas
  • Energiekrise: Macron und Scholz geloben Solidarität
  • Habeck: Zwei AKW als Notreserve für den Winter
  • Ukraine: 500 Millionen Euro und engere Zusammenarbeit mit der EU
  • Sorgfaltspflichten: Erster Meinungsaustausch im Ausschuss
  • IWF macht Vorschläge für Reform von EU-Schuldenregeln
  • Breton sieht Ende einer wirtschaftlichen Ära
  • Daten von Kindern: Rekord-Strafe für Instagram in Irland
  • Koalitionskrise in der Slowakei: Alle liberalen Minister treten zurück
  • Im Porträt: Camilla Bausch – Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Klimapolitik
Liebe Leserin, lieber Leser,

mit dem Thatcher-Fan Liz Truss hat die EU bislang nicht die besten Erfahrungen gemacht – war es doch Truss, die als Außenministerin ein Gesetz zum Nordirland-Protokoll eingebracht hat, das Teile des Brexit-Vertrages aushebeln würde. Die Befürchtung: Künftig könnte die konservative britische Politikerin einen Handelskrieg provozieren. Entsprechend gemischt fallen die Reaktionen aus der EU auf die Ankündigung aus, dass Truss auf Boris Johnson als Premierministerin folgen wird. Während sich die EU-Kommission und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont optimistisch gaben, äußerte David McAllister, Chef des außenpolitischen Ausschusses, Kritik. Eric Bonse berichtet. 

Die geplante EU-Verordnung zum Einsatz von Pestiziden sorgt für hitzige Debatten, in Deutschland gingen die Landwirte bereits auf die Straße. Der Vorschlag sieht eine Gesamtreduktion um 50 Prozent vor – sowie ein generelles Verbot von Pflanzenschutzmitteln in “besonders sensiblen Bereichen”. Dazu zählen offenbar auch sämtliche nationalen Landschafts- und Vogelschutzgebiete, wie Europe.Table erfuhr. Deutschland wäre damit besonders stark von den Plänen betroffen. Doch das ist nicht das einzige umstrittene Vorhaben, das die agrarpolitische Agenda der EU in den kommenden Monaten bestimmen dürfte. Timo Landenberger gibt einen Ausblick auf den Herbst. 

Eine Preisobergrenze für Gas aus Russland – wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern via Twitter ankündigte, arbeitet die Kommission an einem entsprechenden Vorschlag. Beamte der Generaldirektion Energie wollen morgen mit Experten der Mitgliedstaaten diskutieren, wie ein solcher Preisdeckel umgesetzt werden könnte. Mehr über die Pläne der Kommission erfahren Sie in den News.  

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Sarah Schaefer
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Analyse

Liz Truss: EU reagiert verhalten auf Johnson-Nachfolgerin

Als Außenministerin hatte Liz Truss im Juni ein Gesetz eingebracht, das Teile des Brexit-Vertrages aushebeln würde. Konkret geht es um das Nordirland-Protokoll, das den Grenzverkehr zwischen der britischen Insel und dem EU-Mitglied Irland regelt. Seit Vorlage dieses Gesetzes sind die Beziehungen zwischen Brüssel und London angespannt.

Für Irritationen sorgt auch Truss’ Haltung zur EU. Sie sei an “einer positiven Beziehung zur EU” interessiert, beteuert die designierte Nachfolgerin von Boris Johnson. In der parteiinternen Bewerbung um das Amt des Premiers präsentierte sie sich allerdings als Brexit-Hardlinerin, die sich auf Kosten der Union profilieren könnte.

So könnte Truss endgültig vom Nordirland-Protokoll abrücken und so einen Handelskrieg provozieren. Streit gibt es auch in der Wirtschafts-, der Energie-, der Digital- und in der Flüchtlingspolitik. Johnson hatte in diesen Politikfeldern eine Abkehr vom EU-Kurs propagiert, die Truss fortsetzen und sogar noch verschärfen könnte.

Angesichts dieser Risiken, die noch durch den Ukraine-Krieg und die Wirtschaftskrise verschärft werden, gibt sich die EU-Kommission optimistisch. Man hoffe auf einen “Neubeginn”, sagte Chefsprecher Eric Mamer in Brüssel. “Alles, was unsere Beziehungen zum Vereinigten Königreich voranbringt, ist sehr willkommen”, sagte er.

McAllister: Werden unsere Interessen schützen

“Die EU und Großbritannien sind Partner”, betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wenig später auf Twitter. Man stehe vor vielen gemeinsamen Herausforderungen, vom Klimawandel bis hin zum Krieg in der Ukraine. “Ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit, in vollem Respekt unserer Vereinbarungen”, fügte die deutsche Politikerin hinzu. 

Auch Europaparlamentspräsidentin Roberta Metsola gratulierte der Britin. “Demokratien müssen geeint bleiben, im Widerstand gegen Autokratie und Aggression”, sagte die Spitzenpolitikerin aus Malta. Das EU-Parlament werde immer Partner des britischen Volkes bleiben.

Vorsichtiger äußerte sich David McAllister, der Chef des außenpolitischen Ausschusses. “Frau Truss übernimmt die politische Führung des Vereinigten Königreichs in einer kritischen Phase“, sagte der CDU-Politiker. “Die finanziellen und wirtschaftlichen Herausforderungen sind groß. Entscheidend ist, dass das Vereinigte Königreich jetzt eine stabile Regierung bekommt.”

Als Außenministerin habe Truss die Northern Ireland Protocol Bill auf den Weg gebracht, so McAllister. “Dieser einseitige Schritt ist und bleibt zutiefst bedauerlich.” Die EU werde weiter konstruktiv daran arbeiten, pragmatische und flexible Lösungen innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens zu finden. “Gleichzeitig werden wir unsere eigenen Interessen schützen und die Integrität des Binnenmarktes wahren.”

EU-Vorschläge zur Entschärfung des Nordirland-Protokolls

Die Nordirland-Frage betont auch Terry Reintke von den Grünen. “Als neue Premierministerin muss Liz Truss unter Beweis stellen, dass sie das Nordirland-Zusatzprotokoll respektieren und eine konstruktive Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens aufbauen will”, sagte sie. Ihr Amtsvorgänger Johnson habe den Beziehungen zur EU massiv geschadet. Als Außenministerin habe Truss “dieselbe populistische Haltung an den Tag gelegt wie ihr Vorgänger”, so Reintke. Das müsse sich ändern.

Bisher deutet jedoch nichts auf einen Sinneswandel hin. Der für die Post-Brexit-Gespräche zuständige EU-Kommissar Maroš Šefčovič war nach seinem letzten Besuch in London vor der Sommerpause mit leeren Händen nach Brüssel zurückgekehrt. In einer Rede vor der British-Irish Association erinnerte er jüngst an die Vorschläge, die die Kommission gemacht hat, um den Streit um das Nordirland-Protokoll zu entschärfen

Brüssel könne sich vorstellen, eine besondere Fahrspur in englischen Häfen für Lastwagen zu schaffen, die nach Nordirland liefern. Dort könnten die umstrittenen Zollkontrollen spürbar gelockert werden. Auch könne man die gesundheitlichen und pflanzengesundheitlichen Checks um 80 Prozent verringern. Diese und andere Vorschläge seien von London nie aufgegriffen worden, so Šefčovič. Er stehe jedoch weiter zu Gesprächen zur Verfügung.

Für Unbehagen sorgen in Brüssel auch die Spannungen zwischen Großbritannien und Frankreich. Auch dazu hat Truss beigetragen, indem sie erklärte, es sei nicht klar, ob Präsident Emmanuel Macron ein Freund sei – oder ein Feind. “Das letzte Urteil ist noch nicht gesprochen”, sagte Truss. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs war dies ein diplomatischer Affront. Macron reagierte jedoch gelassen: Großbritannien sei Frankreichs Freund, “ungeachtet der gerade Regierenden”.

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Ausblick: Die Herbst-Agenda der EU-Agrarpolitik

Es ist ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der agrarpolitischen Ziele des Green Deal: Im Juni stellte die Europäische Kommission ihr Umweltschutz-Gesetzespaket vor. Die Vorschläge zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme sowie zur Halbierung des Einsatzes von Pestiziden sind wesentliche Elemente der Biodiversitäts- und der Farm-to-Fork-Strategie der EU.

Bis die Regeln in Kraft treten, wird es wohl noch mindestens eineinhalb Jahre dauern. Doch schon jetzt werden die umstrittenen Vorhaben heftig diskutiert und bestimmen die agrarpolitische Agenda der EU – so auch beim bevorstehenden informellen Treffen des Agrarrats in Prag Mitte September.

Pestizide-Verordnung erzürnt Landwirte

Vor allem die geplante Verordnung zum Einsatz von Pestiziden erregt die Gemüter, speziell in Deutschland gingen die Landwirte bereits auf die Straße. Denn der Vorschlag sieht neben einer Gesamtreduktion um 50 Prozent auch ein generelles Verbot von Pflanzenschutzmitteln in “besonders sensiblen Bereichen” vor. Dazu zählen städtische Parkanlagen, Spiel- und Sportplätze und Naturschutzgebiete.

Letztere wurden im Vorschlag der Kommission zunächst nicht ausreichend definiert, was für Verwirrung sorgte. Nun scheint klar: Neben den Natura-2000-Gebieten der EU sollen auch sämtliche nationalen Landschafts- und Vogelschutzgebiete von dem Verbot umfasst werden. Das geht aus einem Schreiben der zuständigen EU-Kommissarin Stella Kyriakides an die Europaabgeordneten Norbert Lins und Marlene Mortler (beide CDU) hervor, das Europe.Table vorliegt.

Somit sei Deutschland mit Abstand am stärksten von den Plänen betroffen. “Denn hier betrifft das 26 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche“, sagt Lins, Vorsitzender des Agrarausschusses im EU-Parlament. Das sei der “vollkommen falsche Ansatz” und keinesfalls hinnehmbar. Die Umsetzung der Pläne führe de facto zu einem Berufsverbot für zahlreiche Landwirte. “Das ist ein Generalangriff auf die ländlichen Räume in Europa.”

Auch Berichterstatterin Sarah Wiener (Greens/EFA) räumt der Empörung eine “gewisse Berechtigung ein”. Da das Verbot sogar den Einsatz von Ökopestiziden umfasse, müsse zunächst genau geprüft werden, ob die Vorschläge so überhaupt umsetzbar seien. Generell sei es aber richtig, “giftige Chemikalien aus sensiblen Bereichen zu verbannen. Warum heißen sie sonst Schutzgebiete?”, so die Abgeordnete.

Tatsächlich verfügt Deutschland auf dem Papier über eine Vielzahl an solchen Gebieten, dennoch hängt die Bundesrepublik beim Artenschutz hinterher. Nicht zuletzt, da in den meisten Schutzgebieten konventionelle Landwirtschaft unter Einsatz von chemischem Dünger und Pestiziden weiterhin erlaubt ist. Auch deshalb laufen gleich mehrere Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH wegen unzureichender Umsetzung der bestehenden EU-Naturschutzrichtlinien.

EU-Ziel: 25 Prozent Ökolandbau

“Dabei gibt es eine Form der Landwirtschaft, die erfolgreich ohne chemische Pestizide auskommt, und das ist die ökologische”, sagt Wiener. “Und immerhin haben wir in der EU das Ziel von 25 Prozent Ökolandbau bis 2030.” Deutschland will den Bio-Anteil an der Landwirtschaft von derzeit etwa zehn sogar auf 30 Prozent erhöhen

Mitte September beschäftigt sich der Rat der EU-Agrarminister mit der geplanten Verordnung. Dabei wird es auch um die umstrittene Frage nach den Reduktionszielen der einzelnen Mitgliedsländer gehen. So sollen Staaten, in denen besonders viel Pflanzenschutzmittel pro Hektar eingesetzt wird, auch besonders viel reduzieren. Klingt zunächst plausibel, doch für den Anbau von beispielsweise Obst oder Gemüse, wie er in Italien oder Spanien dominiert, müssen auch mehr Pestizide eingesetzt werden als im Ackerbau.

Nicht nur in Deutschland, auch in den meisten anderen EU-Staaten wurden die Naturschutz-Ziele in den vergangenen Jahren verfehlt. Auch deshalb will die Kommission aus der bestehenden Richtlinie zum Einsatz von Pestiziden eine Verordnung machen. Verordnungen müssen von den EU-Staaten direkt umgesetzt werden und ermöglichen weniger Spielraum.

Kommissionsvorschlag: 22. Juni 2022

Akteure: Federführender Ausschuss beim Thema Pestizide ist eigentlich ENVI, allerdings hat AGRI einen Antrag auf ein sogenanntes joint committee procedure gestellt, wodurch beide Ausschüsse gleichberechtigt wären – Ausgang noch offen. Berichterstatterin ist Sarah Wiener (Greens/EFA), für die Kommission zuständig ist die Griechin Stella Kyriakides, Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, außerdem die tschechische Ratspräsidentschaft.

Zeitplan: Wichtigstes Thema beim informellen Agrarrat vom 14. bis 16. September in Prag, Vorstellung des Berichts im Ausschuss noch offen.

Gesetz zur Wiederherstellung der Natur

Zum Naturschutzpaket der EU-Kommission gehört neben der Pestizide-Verordnung auch ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Die Vorhaben kämen zur Unzeit, kritisieren etwa Bauernverband und CDU/CSU. Schließlich würden die Pläne zu einem Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Produktion führen, während Inflation, globale Ernährungs- und Energiekrise genau das Gegenteil erforderlich machten.

Das Renaturierungsgesetz ist das erste seiner Art und sieht bis 2030 Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur auf 20 Prozent der gesamten Land- und Meeresgebiete der EU vor. Anschließend sollen diese laut Kommission auf “alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme” ausgeweitet werden. Land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten werden auf diesen Flächen zwar explizit nicht ausgeschlossen. Dennoch dürften einige der Ziele, darunter die Wiedervernässung von Mooren oder ein höherer Anteil naturbelassener Wälder, de facto zu einer Stilllegung in diesen Bereichen führen.

Umweltschützern ist das zu vage. Sie pochen auf konkrete Zahlen und verweisen auf die Bedeutung von Brachflächen für die Artenvielfalt sowie für die natürliche Speicherung von CO2. Land- und Forstwirtschaft hingegen laufen Sturm. So betonen beispielsweise Waldeigentümer die Wichtigkeit einer aktiven Holzwirtschaft als nachhaltige Rohstoffquelle zur Energiegewinnung sowie als Baumaterial.

Kommissionsvorschlag: 22. Juni 2022

Akteure: Federführender Ausschuss ist der ENVI, Berichterstatter ist César Luena (S&D). Für die Kommission zuständig ist Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius.

Zeitplan: Noch nicht bekannt. Mit dem Renaturierungsgesetz will die EU auch ein Zeichen setzen vor der UN-Biodiversitätskonferenz, die vom 5. bis zum 17. Dezember in Montréal, Kanada stattfindet und – ähnlich dem Pariser Klima-Abkommen – eine globale Vereinbarung zum Schutz der Umwelt zum Ziel hat.

Zertifizierung von CO2-Senken

Ohne die systematische Abspaltung und Speicherung von Treibhausgasen aus der Atmosphäre können die Klimaziele nicht erreicht werden, und auch über 2050 hinaus wird es unvermeidliche Restemissionen geben, die ausgeglichen werden müssen. Die Speicherkapazität natürlicher Senken wie Moore und Wälder ist jedoch seit Jahren rückläufig. Ein Trend, der durch Maßnahmen wie dem geplanten EU-Naturschutzpaket nur bedingt gestoppt werden kann.

Auch deshalb will die EU-Kommission am 30. November einen Rechtsrahmen zur Zertifizierung von CO2-Senkleistungen vorstellen, um finanzielle Anreize zu schaffen. Bereits jetzt existiert eine ganze Reihe privatwirtschaftlicher Angebote, denn der Markt für freiwillige CO2-Kompensation boomt.

Technische Lösungen wie Carbon Capture and Storage (CCS) sind allerdings weit von einem flächendeckenden Einsatz entfernt, weshalb die Initiative insbesondere auf sogenanntes Carbon Farming abzielt. Mittels entsprechender Ackerbaumethoden sollen Europas Bauern die Speicherfähigkeit der bewirtschafteten Böden signifikant erhöhen und dafür über einen Zertifikatehandel entlohnt werden.

Doch auch wenn Carbon Farming in Brüssel als vielversprechende Klimalösung gehandelt wird, ist das Prinzip äußerst umstritten. Nicht zweifelsfrei geklärt ist beispielsweise die Frage nach der Messbarkeit sowie insbesondere der Dauerhaftigkeit der CO2-Senkleistung. Durch eine nachträgliche Veränderung der Ackerbaumethoden kann das gespeicherte Treibhausgas schnell wieder freigesetzt und der Klimaeffekt zunichte gemacht werden.

Ökobauern, die bereits kohlenstoffreiche Böden haben, würden für die erbrachten Leistungen nicht rückwirkend vergütet und sehen sich im Nachteil. Entsprechend heftig diskutiert werden die Pläne der Kommission schon vor ihrer offiziellen Vorstellung.

Zeitplan: Vorstellung des Kommissionsvorschlags am 30. November 2022 geplant.

Akteure: Frans Timmermans, stellvertretender Kommissionspräsident und zuständig für den Green Deal, Agrarkommissar Janusz Wojciechowski, tschechische Ratspräsidentschaft.

LULUCF: Triloge begonnen

Sowohl die Vorschläge für ein Renaturierungsgesetz als auch der geplante Rechtsrahmen für die Zertifizierung von CO2-Speicherung sollen zur Stärkung der natürlichen Treibhausgas-Senken beitragen und damit letztlich die Erfüllung des LULUCF-Ziels sicherstellen. Die Verordnung über Land- und Forstnutzung wurde im Europäischen Parlament heftig diskutiert.

Im Juni einigten sich die Abgeordneten darauf, die Senkleistung des Sektors bis 2030 auf mindestens 310 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verbindlich festzulegen. Im Zeitraum 2013 bis 2019 war diese von 322 auf 249 Millionen Tonnen gesunken und nimmt, auch in Folge von Dürreperioden, Schädlingen sowie Waldbränden, weiter ab.

Damit entspricht die Position des Parlaments dem Vorschlag der EU-Kommission, bleibt jedoch hinter den Forderungen des federführenden Umweltausschusses zurück. Am Montag haben in Brüssel die Trilog-Verhandlungen begonnen. Dem Rat dürften die Ziele zu hoch gesteckt sein. Es wird ein zähes Ringen erwartet.

Kommissionsvorschlag: 14. Juli 2021

Akteure: Federführender Ausschuss ist ENVI, Berichterstatter ist Ville Niinistö (Greens/EFA), für die Kommission zuständig ist Vizepräsident Frans Timmermans.

Zeitplan: Die Triloge haben am Montag begonnen, erstes Technical Meeting ist am Mittwoch.

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Termine

07.09.-08.09.2022, Berlin
Konferenz GXFS Connect 2022: Von der Idee zur Innovation mit Gaia-X
Die Konferenz dient dem Erfahrungsaustausch aus den Gaia-X Förderprojekten und informiert über die GXFS-Implementierungsstrategien. INFOS & ANMELDUNG

07.09.2022 – 10:00-12:00 Uhr, online
VDMA, Vortrag Künstliche Intelligenz im Maschinenbau – Unterstützung bei der Informationssuche im Unternehmen
Der Vortrag des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) handelt davon, wie KI, Machine Learning und Co. Einzug in den betrieblichen Alltag finden und wie eine erfolgreiche Umsetzung gelingen kann. INFOS & ANMELDUNG

07.09.2022 – 11:00-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
Eurelectric Power Barometer 2022
Eurelectric discusses the opportunities and challenges of decarbonisation and electrification. INFOS & REGISTRATION

07.09.2022 – 17:15-18:00 Uhr, online
FES, Seminar Wie wählt Europa? – Die Parlamentswahl in Schweden
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) setzt sich mit den Themen der bevorstehenden Parlamentswahl in Schweden auseinander. INFOS & ANMELDUNG

08.09.2022 – 09:00-15:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Aktuelle Herausforderungen im Risikomanagement
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) informiert über mögliche Risikomanagement-Strategien für Stadtwerke in den Bereichen Beschaffung und Vertrieb. INFOS & ANMELDUNG

08.09.2022 – 09:30 Uhr, London
EEX Group Sustainability Conference
The EEX group discusses how electricity trade services can make a tangible difference to decarbonisation. INFOS & REGISTRATION

08.09.2022 – 14:00-21:00 Uhr, Osnabrück
DBU, Konferenz Fachtagung Water-Energy-Food-Nexus
Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) thematisiert Mensch-Ökosystem-Interaktionen und deren Folgen für die dauerhafte Bereitstellung von Ökosystemleistungen sowie für die menschliche Gesundheit. INFOS

08.09.2022 – 19:00-21:00 Uhr, Bad Kissingen
FNF, Podiumsdiskussion Krieg in Europa: Der neue russische Imperialismus
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) setzt sich mit den sozialen, politischen und historischen Dynamiken auseinander, die im neuen russischen Imperialismus aufeinandertreffen. INFOS & ANMELDUNG

News

Von der Leyen will Preisdeckel für russisches Gas

Die Kommission wird einen Vorschlag für eine Preisobergrenze für Gaseinfuhren aus Russland vorlegen. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern auf Twitter an. Weitere Inhalte des Pakets seien Vorschläge für die Reduktion von Verbrauchsspitzen beim Strom, die vergangene Woche bekannt gewordenen Hilfen für verwundbare Haushalte und Unternehmen durch Einnahmen aus dem Energiesektor sowie Liquiditätshilfen für Stromhändler, die unter extremen Preisspitzen an den Börsen leiden.

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron unterstützte die Pläne. Eine Obergrenze beim Gas könne die Preise senken und stehe im Einklang mit der Sanktionspolitik gegenüber Russland, sagte er gestern. Macron begrüßte auch den Kommissionsvorschlag, die Gewinne der Stromerzeuger abzuschöpfen und für die Unterstützung der Bürger einzusetzen. Dieser Ansatz sei “am gerechtesten und am effektivsten”.

Beamte der Generaldirektion Energie wollen am Mittwoch mit Experten der Mitgliedstaaten diskutieren, wie ein Preisdeckel für russisches Gas umgesetzt werden könnte. “Diese Option sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn die EU bereit ist, eine vollständige Unterbrechung russischer Gasimporte zu akzeptieren”, schreibt DG ENER in einem “Non-paper on emergency wholesale price cap instruments for natural gas”, das Europe.Table vorliegt. Nach dem Stopp für Nord Stream 1 fließen allerdings ohnehin nur noch geringe Mengen in die Union.

Das Non-Paper diskutiert außerdem Preislimits für den Handel innerhalb der Staatengemeinschaft. Anlass sind zunehmende Preisdifferenzen zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten, weil einige über bessere Import- und Transportinfrastruktur verfügen als andere. Das Non-Paper spricht deshalb von einer grünen Zone, in der sich Gaslieferungen weiter am holländischen Leitmarkt TTF orientieren, und einer roten Zone, in der laut den Beamten doppelt so hohe Preise von über 400 Euro pro Megawattstunde drohen. Die rote Zone würde vor allem Staaten in Mittel- und Osteuropa umfassen, sie könne sich aber bis nach Deutschland und Italien ausdehnen.

Kritik am Gaskäufer Deutschland

Mit der Initiative wollen die Experten unilateralen Preislimits einzelner Mitgliedstaaten zuvorkommen. Große Volkswirtschaften in der roten Zone sollten laut den Beamten Teil des Preisdeckels sein, wobei ausdrücklich Deutschland als Beispiel genannt wird: “Andernfalls besteht die Gefahr, dass bei höheren Preisen das gesamte Gas nach Deutschland fließen würde, wodurch die Preisobergrenze unwirksam würde.” Um die Bundesrepublik zur Teilnahme zu bewegen, halten es die Beamten aber für besser, weiter einen Handel unter Industriekunden zuzulassen – was der zahlungskräftigen deutschen Industrie zugutekäme.

Ein weiteres “Non-paper on TTF and representative benchmarks for wholesale natural gas” diskutiert außerdem, ob der niederländische Handelspunkt TTF weiter der Leitindex für den europäischen Gasmarkt sein soll. Hintergrund ist die gewachsene Bedeutung von LNG-Importen. Auf dem Weltmarkt sind die Referenzpreise für Flüssiggas geringer als der TTF. Dies liegt daran, dass die Terminals in Nordwesteuropa und die Pipelinekapazitäten zum Weitertransport des Gases bereits ausgelastet sind.

Als Lösungsmöglichkeit diskutiert das Papier unter anderem einen Preisdeckel für den TTF, der marginal über dem asiatischen Leitindex JKM liegen würde, um weiter Importe anzureizen. Bisher hat sich die EU nicht auf einen gemeinsamen Gaseinkauf verständigen können, weil Deutschland und andere finanzstarke Mitgliedstaaten sich einen bevorzugten Zugriff auf LNG sichern wollten.

Zu den Gaslieferungen in die EU meldete sich gestern auch der Kreml zu Wort: Russischen Gasexporten nach Europa über die Pipeline Nord Stream 1 stehe nichts im Wege, außer technischen Problemen, die durch westliche Sanktionen verursacht worden seien. Das sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Russland bestehe darauf, “dass der kollektive Westen – in dem Fall die EU, Kanada und Großbritannien – daran Schuld hat, dass die Situation am jetzigen Punkt angekommen ist”. Die Gaslieferungen über Nord Stream 1 würden erst dann wieder in vollem Umfang aufgenommen, wenn der Westen die Sanktionen gegen Moskau aufhebe, so der Kreml. ber/tho/rtr/dpa

Energiekrise: Macron und Scholz geloben Solidarität

Deutschland und Frankreich haben sich in der Energiekrise gegenseitiger Solidarität versichert. “Deutschland braucht unser Gas, und wir brauchen den Strom, der im übrigen Europa und insbesondere in Deutschland produziert wird”, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron nach einer Videokonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Frankreich werde in den nächsten Wochen die notwendigen Verbindungen fertigstellen, um Deutschland Gas zu liefern, wenn es benötigt werde, so Macron.

In gleicher Weise habe sich Deutschland in Bezug auf Stromlieferungen verpflichtet. “Diese deutsch-französische Solidarität ist die Verpflichtung, die wir mit Bundeskanzler Scholz eingegangen sind”, sagte Macron. Genauere Angaben machte er zunächst nicht. Ein Sprecher der Bundesregierung teilte lediglich mit, es sei über die deutsch-französische Solidarität auf dem Energiesektor gesprochen worden.

Macron sprach sich aber dagegen aus, das Projekt der Midcat-Pipeline zwischen Spanien und Frankreich wiederzubeleben. Die beiden existierenden Pipelines seien selbst in der inmitten der aktuellen Gaskrise nicht ausgelastet, argumentierte Macron, zudem fließe das Gas überwiegend in Richtung Spaniens. Es sei “faktisch falsch”, dass die Midcat-Pipeline nötig sei, um das Versorgungsproblem zu lösen.

Scholz und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hatten sich zuletzt für eine Wiederaufnahme des Projekts starkgemacht, um mehr Gas von Spanien aus nach Mitteleuropa transportieren zu können. Das Land verfügt über sechs LNG-Terminals, ein weiterer könnte in Betrieb genommen werden. tho/dpa

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Habeck: Zwei AKW als Notreserve für den Winter

Von den drei verbliebenen Atomkraftwerken in Deutschland sollen zwei bis Mitte April als Notreserve dienen. Das sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Montag während der Vorstellung der Ergebnisse eines zweiten Netzstresstests. “Die beiden AKW Isar 2 und Neckarwestheim sollen bis Mitte April 2023 noch zur Verfügung stehen, um falls nötig, über den Winter einen zusätzlichen Beitrag im Stromnetz in Süddeutschland 2022/23 leisten zu können”, wird der Grünen-Politiker in einer von seinem Ministerium verbreiteten Mitteilung zitiert.

Der zweite Netzstresstest komme zu dem Ergebnis, “dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 22/23 zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können”, hieß es in der Mitteilung.

Habeck äußerte sich auch dazu, warum er keine Überführung in die Netzreserve für das Atomkraftwerk Emsland des Betreibers RWE will. Dieses Atomkraftwerk könne zwar einen gewissen Beitrag leisten. “Aber dieser Beitrag ist gemessen an den beiden süddeutschen Kraftwerken zu gering.”

Umwelt- und Reaktorsicherheits-Ministerin Steffi Lemke (Grüne) nannte Habecks Vorschlag vernünftig. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs hatte sie längere Laufzeiten noch als unverantwortbar abgelehnt. Der FDP ging Habecks Vorstoß nicht weit genug, sie verlangte längere Laufzeiten über Jahre.

Die Spitze der Unionsfraktion kritisierte die Entscheidung der Bundesregierung als fatalen Fehler und parteipolitisch motiviert. “Diese drei Kernkraftwerke könnten in dieser Krise sicher, verlässlich und bezahlbar Energie, Strom für Deutschland liefern. Und das sollten sie auch mindestens noch in den nächsten zwei Wintern tun”, sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU). dpa

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Ukraine: 500 Millionen Euro und engere Zusammenarbeit mit der EU

Die EU hat der Ukraine weitere 500 Millionen Euro zur Versorgung von Binnenflüchtlingen und für die Landwirtschaft zugesagt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterzeichnete am Montag mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal ein Abkommen zu den Zuschüssen. Es soll nach Angaben der Brüsseler Behörde auch die Zusammenarbeit der EU mit dem Beitrittskandidatenland verstärken. Im Frühjahr hatte von der Leyen bei einer Geberkonferenz in Warschau entsprechende Hilfen angekündigt.

Seit Beginn des Kriegs hat die von Russland angegriffene Ukraine von der EU bereits Kredite und Zuschüsse in Höhe von 5,4 Milliarden Euro erhalten. Zudem wurden 2,5 Milliarden Euro für militärische Unterstützung mobilisiert.

Am Montag beschloss die Kommission zudem, die Ukraine an das Programm “Digitales Europa” anzubinden. Mit dem 7,5 Milliarden Euro schweren Fördertopf soll digitale Innovation vorangetrieben werden, etwa in den Bereichen Künstliche Intelligenz oder Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Zudem soll die Ukraine nach ebenfalls am Montag unterzeichneten Abkommen künftig auch Teil des gemeinsamen Zollnetzes werden. Damit soll die Zusammenarbeit in Zoll- und Steuerfragen erleichtert werden. dpa

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Sorgfaltspflichten: Erster Meinungsaustausch im Ausschuss

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat gestern zum ersten Mal über das geplante europäische Sorgfaltspflichtengesetz diskutiert. Er kam zu einem Meinungsaustausch mit Vertreterinnen der übrigen beteiligten Ausschüsse zusammen. “Wir sprechen nun schon so lang über Sorgfaltspflichten, dass wir endlich die Ärmel hochkrempeln und mit der Arbeit beginnen müssen”, sagte die Berichterstatterin Lara Wolters (S&D). Die Kommission hatte im Februar einen Vorschlag für eine Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflicht vorgelegt.

Einig waren sich die Mitglieder des Ausschusses besonders in einer Forderung: An der Debatte um das Gesetz seien zu viele Ausschüsse beteiligt. Neben dem Rechtsausschuss sind zwölf weitere Ausschüsse meinungsgebend involviert. Mit so vielen Abgeordneten sei ein effizientes Arbeiten schwierig, kritisierte Axel Voss (EVP).

Wolters erklärte, sie begrüße den Kompromiss, den die Kommission mit ihrem Vorschlag erzielt habe. Allerdings müsse man diesen nun überdenken. So fordert sie einen risikobasierten Ansatz des Gesetzes: Unternehmen sollen sich auf die Minderung der Risiken konzentrieren, nicht auf die Länge einer Geschäftsbeziehung oder den Sektor, in dem sie tätig sind. “Der Prozess der Sorgfaltsprüfung muss ein proaktiver Prozess sein, bei dem die Unternehmen ein echtes und gründliches Interesse an ihren Wertschöpfungsketten zeigen”, sagte Wolters.

“Verhindern, dass überhaupt Schaden entsteht”

Unternehmen müssten die gesamte Lieferkette im Blick haben und nicht nur ihre direkten Zulieferer, da die größten Schäden meist vorher entstehen, kritisierte die Abgeordnete. Zudem würden Interessengruppen wie Gewerkschaften oder NGOs von der Kommission lediglich in einem Beschwerdeverfahren einbezogen. Zu dem Zeitpunkt sei es jedoch schon zu spät: “Der Sorgfaltspflichten-Prozess sollte vielmehr verhindern, dass überhaupt Schaden entsteht.”

Den Vorschlag, Verträge könnten ein Instrument für Unternehmen zur Durchführung ihrer Sorgfaltsprüfung sein, sieht Wolters kritisch. “Natürlich können sie ein Instrument sein, aber ich habe die Sorge, dass Unternehmen sich darüber ihrer Verantwortung entledigen”, sagte sie. “Es gibt jedoch das Prinzip der verantwortungsvollen Vertragsabschlüsse, bei der sowohl Käufer als auch Lieferant gemeinsam Verantwortung übernehmen.”

Axel Voss (EVP) betonte, man dürfe keine “überbordende Bürokratie” schaffen, sondern müsse eine Balance finden zwischen dem, was notwendig, und dem, was für kleine und mittelständische Betriebe machbar sei. “Dies ist ein Text, mit dem wir weltweit Pionierarbeit leisten”, sagte Adrián Vázquez Lázara (Renew). “Deshalb müssen wir eine klare, konkrete und unmissverständliche Struktur ausarbeiten, gerade weil im Gesetz auf viele weitere Gesetze wie das Nachhaltigkeitspaket verwiesen wird.” Man dürfe keine Rechtsunsicherheit schaffen.

Germanwatch: Industriestandards nicht ausreichend

Heidi Hautala (Greens/EFA) entgegnete, die Kommission schließe kleinere und mittlere Unternehmen weitgehend aus dem Anwendungsbereich aus. Diese seien jedoch oft die Lieferanten der größeren Unternehmen und müssten deshalb die Auflagen erfüllen.

Bislang nutzen Unternehmen zum Teil private Standards, um ihrer Verantwortung für die Lieferketten nachzukommen. Laut einer gestern veröffentlichten Studie der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, die sich auf den Rohstoffsektor bezieht, sind diese Standards “nicht geeignet, die Anforderungen einschlägiger Menschenrechts- und Umweltstandards wirksam umzusetzen”.

Germanwatch befürchtet, dass sie trotzdem als Nachweis erfüllter Sorgfaltspflichten in das EU-Gesetz aufgenommen werden könnten. Dies würde laut der NGO die Ernsthaftigkeit der Bemühungen untergraben. Die Ergebnisse “zeigen, dass keines der genutzten Zertifizierungssysteme der Industriestandards sicherstellen kann, dass Umwelt- und Menschenrechtsstandards tatsächlich eingehalten werden”, sagte Johanna Sydow von Germanwatch.

Auch beim Ratsgruppentreffen ging es heute um das EU-Sorgfaltspflichtengesetz. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte vergangene Woche angekündigt, die Bundesregierung werde den Kommissionsvorschlag unterstützen. leo

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IWF macht Vorschläge für Reform von EU-Schuldenregeln

Der Internationale Währungsfonds legt der Europäischen Union eine baldige Reform ihrer Schuldenregeln nahe. Dies könne nicht warten, hieß es in einem am Montag veröffentlichten IWF-Blog, wenige Tage vor dem Treffen der europäischen Finanzminister in Prag. Weil die Schuldenregeln pandemiebedingt noch bis einschließlich 2023 ausgesetzt seien, gebe es nun eine gute Möglichkeit für Veränderungen. “Diese Gelegenheit sollte nicht verschwendet werden.”

Die Finanzpolitik spiele eine entscheidende Rolle, um in Krisenfällen Haushalten und Firmen zu stabilisieren. “Das erfordert allerdings gesunde öffentliche Finanzen.” Europa brauche gleichzeitig ein Maß an Flexibilität, aber auch tragfähige Schulden. Der sogenannte Stabilitätspakt begrenzt die Neuverschuldung von EU-Staaten eigentlich auf drei Prozent und die Gesamtverschuldung auf 60 Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung. Gegen die Regeln wurde in der Vergangenheit aber immer wieder verstoßen, ohne dass dies spürbare Konsequenzen gehabt hätte.

Mehr Flexibilität für bestimmte Staaten

Der IWF schlägt in dem Papier nun vor, die numerischen Ziele zu erhalten. Das Tempo der Annäherung an diese müsse aber abhängig gemacht werden vom Risiko, die die Schulden für das jeweilige Land hätten. Dazu sollte ein unabhängiges Gremium – der Europäische FiskalratAnalysen zur Schuldentragfähigkeit beisteuern. Staaten mit einem höheren Risiko müssten sich innerhalb von drei bis fünf Jahren schneller ausgeglichenen Haushalten oder gar Überschüssen annähern. Andere Staaten würden mehr Flexibilität bekommen.

Außerdem fordert der IWF mittelfristige Finanzpläne, inklusive Obergrenzen bei den Ausgaben. Die internationale Finanzorganisation spricht sich zudem dafür aus, einen EU-Fonds aufzubauen, um auf plötzliche Konjunktureinbrüche reagieren zu können. Er könne auch bei Anpassungen an den Klimawandel und der Transformation der Wirtschaft helfen. Ein Volumen hierfür wurde nicht genannt. rtr

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Breton sieht Ende einer wirtschaftlichen Ära

EU-Industriekommissar Thierry Breton erwartet angesichts zahlreicher Krisen tiefgreifende Veränderungen im globalen Wirtschaftssystem. Er glaube, dass man gerade das Ende einer wirtschaftlichen Ära erlebe, sagte er am Montag in Eindhoven laut vorab verbreitetem Redemanuskript.

Der langjährige Glaube an auf enge Zeitfenster abgestimmte Produktionsabläufe, geografische Spezialisierung und lange Lieferketten sei überholt. “Wir haben nun reichlich Erfahrung damit, dass globale Lieferketten durch die chinesische Abschottungspolitik, den Krieg in der Ukraine und Exportbeschränkungen unserer internationalen Partner gestört werden”, sagte der französische Politiker.

Die Weltpolitik habe sich innerhalb kürzester Zeit stark zersplittert, China sei zunehmend dominant, und der Druck auf demokratische Werte wachse weltweit. Gleichzeitig befinde man sich dauerhaft in Krisen. Als Beispiele nannte er die Corona-Pandemie, den Klimawandel und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Um gegenüber anderen Akteuren auf der Weltbühne besser dazustehen, brauche es neue Werkzeuge. So habe man mit Handelspartnern wie den USA während der Corona-Pandemie erst nach Einführung eines Exportkontrollmechanismus aus einer Position der Stärke heraus verhandeln können. Zuvor hätten die USA ihrerseits Lieferketten für die Impfstoffproduktion blockiert. dpa

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Daten von Kindern: Rekord-Strafe für Instagram in Irland

Instagram soll in Irland eine Rekord-Strafe von 405 Millionen Euro zahlen. Dabei gehe es um den Umgang mit Daten von Kindern und Jugendlichen, teilte die irische Datenschutzbehörde am Montag mit. Minderjährigen Nutzern im Alter zwischen 13 und 17 Jahren sei erlaubt gewesen, Geschäftskonten auf der Foto- und Video-Plattform zu betreiben, die die Veröffentlichung ihrer Telefonnummer und/oder ihrer E-Mail-Adresse ermöglicht hätten.

Instagram ist Teil des Konzerns Meta, zu dem auch die Internet-Plattform Facebook und der Messenger-Dienst WhatsApp gehören. Meta erklärte, man wolle die irische Entscheidung anfechten. Instagram habe zudem vor über einem Jahr seine Einstellungen geändert und seitdem neue Möglichkeiten geschaffen, um die Daten von Teenagern privat zu halten. Irland ist in der Sache zuständig, weil Meta wie auch große US-Technologie-Konzerne wie Apple und Google dort ihren Hauptsitz in der Europäischen Union haben.

Gegen Meta-Töchter laufen noch mehrere andere Verfahren in Irland. Im vergangenen Jahr war WhatsApp zu einer Rekordstrafe von 225 Millionen Euro verurteilt worden, weil es die Vorschriften der EU zum Datenschutz nicht eingehalten hatte. Details zu ihrer Instagram-Entscheidung will die irische Behörde in der kommenden Woche veröffentlichten. rtr

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Koalitionskrise in der Slowakei: Alle liberalen Minister treten zurück

Nach monatelangem Streit in der slowakischen Regierungskoalition sind am Montag alle bisher noch im Amt verbliebenen Minister der liberalen Partei Freiheit und Solidarität (SaS) zurückgetreten. Parteichef Richard Sulík war schon Ende August als Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef gegangen. Nun folgten ihm Außenminister Ivan Korčok, Bildungsminister Branislav Gröhling und Justizministerin Mária Kolíková. Ohne SaS haben die übrigen drei Parteien keine Mehrheit mehr im Parlament. Der konservative Ministerpräsident Eduard Heger kündigte deshalb den Übergang zu einem Minderheitskabinett an.

Die Liberalen hatten schon im Juli ultimativ den Rücktritt des konservativ-populistischen Finanzministers Igor Matovič gefordert. Dieser ist zugleich Parteichef der größten Regierungspartei Gewöhnliche Menschen und Unabhängige Persönlichkeiten (Olano), der auch Regierungschef Heger angehört.

Wegen ihrer internen Konflikte konnte die Regierung noch immer nicht ihr seit Langem angekündigtes Maßnahmenpaket gegen steigende Energiepreise vorlegen. dpa

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Presseschau

“Solange wie nötig” – EU erneuert Hilfszusagen an Ukraine DE
Ukrainischer Regierungschef: Kiew will rasch über EU-Beitritt verhandeln FAZ
Borrell: Waffenbestände der EU gehen zur Neige L’ESSENTIEL
Russia Says It’s Stopping Critical Gas Supply To Europe Until West Lifts Sanctions FORBES
Vor dem Finanzministertreffen: IWF fordert schnelle Reform von EU-Schuldenregeln FAZ
EU und Großbritannien: Mit Liz Truss bleibt das Verhältnis angespannt SUEDDEUTSCHE
Balkanländer fordern EU-Hilfe angesichts drohender Energiekrise EURACTIV
Iran nuclear deal “in danger”, says EU chief negotiator FT
EU koordiniert Hilfsangebote für Pakistan nach Flut AUGSBURGER ALLGEMEINE
EU-Industriekommissar erwartet tiefgreifende Veränderungen im globalen Wirtschaftssystem T-ONLINE
Umstrittenes Programmm – “Goldene Pässe” in Zypern: Regierung zieht weitere Einbürgerungen zurück RND
Studie: Europas Banken kommen voran – Deutschland bleibt das Schlusslicht HANDELSBLATT
Corona: EU-Kommission mahnt zur Vorbereitung auf den Winter EURACTIV

Heads

Camilla Bausch – Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Klimapolitik

Auf dem Foto sieht man Camilla Bausch, Leiterin des Ecologic Instituts im Gespräch über Klimapolitik
Foto: Aaron Best, Ecologic Institut

“Meine erste Umwelt-NGO habe ich vermutlich mit sieben Jahren gegründet”, sagt Camilla Bausch lachend. Das Umweltinteresse durchzieht ihre Biografie: Seit 19 Jahren arbeitet sie zu Energie– und Klimapolitik am Ecologic Institut, das sie mittlerweile auch leitet. Schon in den 1990-er Jahren, als Energierecht noch ein “richtiges Nischenthema” gewesen sei, hat sie dieses für sich entdeckt und rechtswissenschaftlich zum Strommarkt der EU promoviert.

Anschließend machte sie einen Abstecher in die Privatwirtschaft zur Boston Consulting Group, mit dem Ziel, mehr über Dynamiken und Denke im Wirtschaftssektor zu lernen: “Um im Umweltbereich grundlegende Verbesserungen zu erreichen, muss die gesamte Gesellschaft mitmachen, inklusive Wirtschaft und Industrie.” Bausch plädiert daher für einen transdisziplinären Ansatz in der Klimapolitik, den sie unter anderem auch als Sprecherin des Ecological Research Network (Ecornet) vorantreibt. 

Der Wechsel zum Ecologic Institut war eine “Überzeugungstat”: “Von der Gründung an war uns am Ecologic Institut bewusst, dass die großen umweltpolitischen Herausforderungen in grenzüberschreitender Zusammenarbeit gelöst werden müssen”. Internationale Kooperation reizten Camilla Bausch schon in jungen Jahren, so verbrachte sie Auslandsaufenthalte in den USA, Belgien und Russland.

Schmerzhaftes Scheitern bei US-Klimagesetz

Mit großem Interesse verfolgt sie auch die aktuellen Entwicklungen rund um das US-amerikanische Gesetzespaket, den Inflation Reduction Act. Nicht zuletzt deshalb, weil sie durch ihre Arbeit für den demokratischen Kongressabgeordneten Edward J. Markey im Zuge der Waxman-Markey Clean Energy Bill 2008/09 selbst erlebt hat, wie schwierig es ist, Klimagesetze in den USA durchzusetzen – und wie schmerzhaft, wenn diese scheitern. 

Im Inflation Reduction Act, der ein 370 Milliarden schweres Paket für den Klimaschutz enthält, sieht sie nun einen Durchbruch: “Berechnungen zufolge könnten die USA damit bis 2030 42 Prozent ihrer Treibhausgas-Emissionen reduzieren. Das ist schon mal ein riesiger Schritt voran”. Und ein wichtiges Signal an die internationale Community, trotz finanzieller Anreize für fossile Infrastrukturen: Mit der Rückkehr in das Pariser Abkommen sowie die Umsetzung des Inflation Reduction Acts zeige sich die USA wieder als Partner, mit dem die EU Klimapolitik besprechen könne

Auf europäischer Ebene betrachtet Bausch den Green Deal als ambitioniertes Programm, das über die Zeit hinweg stabilisiert und begleitet werden müsse. Damit dies gelingt, setzt sich Bausch mit dem Netzwerk Think Sustainable Europe für bessere Wissensvermittlung, Austausch und Analyse der europäischen Klimapolitik ein.

Getreu ihrem Leitsatz “Europa wächst über Kooperation zusammen” umfasst das Netzwerk führende umweltpolitische Think-Tanks aus zwölf europäischen Ländern: “Es ist wichtig, auch die Dynamiken in den einzelnen Ländern zu verstehen und welche Chancen, Risiken, Bedenken und Hoffnungen es dort gibt”. Da ist es wieder, das Plädoyer für grenzüberschreitende Lösungsansätze, das Bauschs Wirken durchzieht. Marlene Resch

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Liz Truss: EU reagiert verhalten auf Johnson-Nachfolgerin
    • Die Herbst-Agenda der EU-Agrarpolitik
    • Termine
    • Von der Leyen will Preisdeckel für russisches Gas
    • Energiekrise: Macron und Scholz geloben Solidarität
    • Habeck: Zwei AKW als Notreserve für den Winter
    • Ukraine: 500 Millionen Euro und engere Zusammenarbeit mit der EU
    • Sorgfaltspflichten: Erster Meinungsaustausch im Ausschuss
    • IWF macht Vorschläge für Reform von EU-Schuldenregeln
    • Breton sieht Ende einer wirtschaftlichen Ära
    • Daten von Kindern: Rekord-Strafe für Instagram in Irland
    • Koalitionskrise in der Slowakei: Alle liberalen Minister treten zurück
    • Im Porträt: Camilla Bausch – Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Klimapolitik
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    mit dem Thatcher-Fan Liz Truss hat die EU bislang nicht die besten Erfahrungen gemacht – war es doch Truss, die als Außenministerin ein Gesetz zum Nordirland-Protokoll eingebracht hat, das Teile des Brexit-Vertrages aushebeln würde. Die Befürchtung: Künftig könnte die konservative britische Politikerin einen Handelskrieg provozieren. Entsprechend gemischt fallen die Reaktionen aus der EU auf die Ankündigung aus, dass Truss auf Boris Johnson als Premierministerin folgen wird. Während sich die EU-Kommission und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont optimistisch gaben, äußerte David McAllister, Chef des außenpolitischen Ausschusses, Kritik. Eric Bonse berichtet. 

    Die geplante EU-Verordnung zum Einsatz von Pestiziden sorgt für hitzige Debatten, in Deutschland gingen die Landwirte bereits auf die Straße. Der Vorschlag sieht eine Gesamtreduktion um 50 Prozent vor – sowie ein generelles Verbot von Pflanzenschutzmitteln in “besonders sensiblen Bereichen”. Dazu zählen offenbar auch sämtliche nationalen Landschafts- und Vogelschutzgebiete, wie Europe.Table erfuhr. Deutschland wäre damit besonders stark von den Plänen betroffen. Doch das ist nicht das einzige umstrittene Vorhaben, das die agrarpolitische Agenda der EU in den kommenden Monaten bestimmen dürfte. Timo Landenberger gibt einen Ausblick auf den Herbst. 

    Eine Preisobergrenze für Gas aus Russland – wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern via Twitter ankündigte, arbeitet die Kommission an einem entsprechenden Vorschlag. Beamte der Generaldirektion Energie wollen morgen mit Experten der Mitgliedstaaten diskutieren, wie ein solcher Preisdeckel umgesetzt werden könnte. Mehr über die Pläne der Kommission erfahren Sie in den News.  

    Ihre
    Sarah Schaefer
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    Analyse

    Liz Truss: EU reagiert verhalten auf Johnson-Nachfolgerin

    Als Außenministerin hatte Liz Truss im Juni ein Gesetz eingebracht, das Teile des Brexit-Vertrages aushebeln würde. Konkret geht es um das Nordirland-Protokoll, das den Grenzverkehr zwischen der britischen Insel und dem EU-Mitglied Irland regelt. Seit Vorlage dieses Gesetzes sind die Beziehungen zwischen Brüssel und London angespannt.

    Für Irritationen sorgt auch Truss’ Haltung zur EU. Sie sei an “einer positiven Beziehung zur EU” interessiert, beteuert die designierte Nachfolgerin von Boris Johnson. In der parteiinternen Bewerbung um das Amt des Premiers präsentierte sie sich allerdings als Brexit-Hardlinerin, die sich auf Kosten der Union profilieren könnte.

    So könnte Truss endgültig vom Nordirland-Protokoll abrücken und so einen Handelskrieg provozieren. Streit gibt es auch in der Wirtschafts-, der Energie-, der Digital- und in der Flüchtlingspolitik. Johnson hatte in diesen Politikfeldern eine Abkehr vom EU-Kurs propagiert, die Truss fortsetzen und sogar noch verschärfen könnte.

    Angesichts dieser Risiken, die noch durch den Ukraine-Krieg und die Wirtschaftskrise verschärft werden, gibt sich die EU-Kommission optimistisch. Man hoffe auf einen “Neubeginn”, sagte Chefsprecher Eric Mamer in Brüssel. “Alles, was unsere Beziehungen zum Vereinigten Königreich voranbringt, ist sehr willkommen”, sagte er.

    McAllister: Werden unsere Interessen schützen

    “Die EU und Großbritannien sind Partner”, betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wenig später auf Twitter. Man stehe vor vielen gemeinsamen Herausforderungen, vom Klimawandel bis hin zum Krieg in der Ukraine. “Ich freue mich auf eine konstruktive Zusammenarbeit, in vollem Respekt unserer Vereinbarungen”, fügte die deutsche Politikerin hinzu. 

    Auch Europaparlamentspräsidentin Roberta Metsola gratulierte der Britin. “Demokratien müssen geeint bleiben, im Widerstand gegen Autokratie und Aggression”, sagte die Spitzenpolitikerin aus Malta. Das EU-Parlament werde immer Partner des britischen Volkes bleiben.

    Vorsichtiger äußerte sich David McAllister, der Chef des außenpolitischen Ausschusses. “Frau Truss übernimmt die politische Führung des Vereinigten Königreichs in einer kritischen Phase“, sagte der CDU-Politiker. “Die finanziellen und wirtschaftlichen Herausforderungen sind groß. Entscheidend ist, dass das Vereinigte Königreich jetzt eine stabile Regierung bekommt.”

    Als Außenministerin habe Truss die Northern Ireland Protocol Bill auf den Weg gebracht, so McAllister. “Dieser einseitige Schritt ist und bleibt zutiefst bedauerlich.” Die EU werde weiter konstruktiv daran arbeiten, pragmatische und flexible Lösungen innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens zu finden. “Gleichzeitig werden wir unsere eigenen Interessen schützen und die Integrität des Binnenmarktes wahren.”

    EU-Vorschläge zur Entschärfung des Nordirland-Protokolls

    Die Nordirland-Frage betont auch Terry Reintke von den Grünen. “Als neue Premierministerin muss Liz Truss unter Beweis stellen, dass sie das Nordirland-Zusatzprotokoll respektieren und eine konstruktive Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens aufbauen will”, sagte sie. Ihr Amtsvorgänger Johnson habe den Beziehungen zur EU massiv geschadet. Als Außenministerin habe Truss “dieselbe populistische Haltung an den Tag gelegt wie ihr Vorgänger”, so Reintke. Das müsse sich ändern.

    Bisher deutet jedoch nichts auf einen Sinneswandel hin. Der für die Post-Brexit-Gespräche zuständige EU-Kommissar Maroš Šefčovič war nach seinem letzten Besuch in London vor der Sommerpause mit leeren Händen nach Brüssel zurückgekehrt. In einer Rede vor der British-Irish Association erinnerte er jüngst an die Vorschläge, die die Kommission gemacht hat, um den Streit um das Nordirland-Protokoll zu entschärfen

    Brüssel könne sich vorstellen, eine besondere Fahrspur in englischen Häfen für Lastwagen zu schaffen, die nach Nordirland liefern. Dort könnten die umstrittenen Zollkontrollen spürbar gelockert werden. Auch könne man die gesundheitlichen und pflanzengesundheitlichen Checks um 80 Prozent verringern. Diese und andere Vorschläge seien von London nie aufgegriffen worden, so Šefčovič. Er stehe jedoch weiter zu Gesprächen zur Verfügung.

    Für Unbehagen sorgen in Brüssel auch die Spannungen zwischen Großbritannien und Frankreich. Auch dazu hat Truss beigetragen, indem sie erklärte, es sei nicht klar, ob Präsident Emmanuel Macron ein Freund sei – oder ein Feind. “Das letzte Urteil ist noch nicht gesprochen”, sagte Truss. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs war dies ein diplomatischer Affront. Macron reagierte jedoch gelassen: Großbritannien sei Frankreichs Freund, “ungeachtet der gerade Regierenden”.

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    Ausblick: Die Herbst-Agenda der EU-Agrarpolitik

    Es ist ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der agrarpolitischen Ziele des Green Deal: Im Juni stellte die Europäische Kommission ihr Umweltschutz-Gesetzespaket vor. Die Vorschläge zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme sowie zur Halbierung des Einsatzes von Pestiziden sind wesentliche Elemente der Biodiversitäts- und der Farm-to-Fork-Strategie der EU.

    Bis die Regeln in Kraft treten, wird es wohl noch mindestens eineinhalb Jahre dauern. Doch schon jetzt werden die umstrittenen Vorhaben heftig diskutiert und bestimmen die agrarpolitische Agenda der EU – so auch beim bevorstehenden informellen Treffen des Agrarrats in Prag Mitte September.

    Pestizide-Verordnung erzürnt Landwirte

    Vor allem die geplante Verordnung zum Einsatz von Pestiziden erregt die Gemüter, speziell in Deutschland gingen die Landwirte bereits auf die Straße. Denn der Vorschlag sieht neben einer Gesamtreduktion um 50 Prozent auch ein generelles Verbot von Pflanzenschutzmitteln in “besonders sensiblen Bereichen” vor. Dazu zählen städtische Parkanlagen, Spiel- und Sportplätze und Naturschutzgebiete.

    Letztere wurden im Vorschlag der Kommission zunächst nicht ausreichend definiert, was für Verwirrung sorgte. Nun scheint klar: Neben den Natura-2000-Gebieten der EU sollen auch sämtliche nationalen Landschafts- und Vogelschutzgebiete von dem Verbot umfasst werden. Das geht aus einem Schreiben der zuständigen EU-Kommissarin Stella Kyriakides an die Europaabgeordneten Norbert Lins und Marlene Mortler (beide CDU) hervor, das Europe.Table vorliegt.

    Somit sei Deutschland mit Abstand am stärksten von den Plänen betroffen. “Denn hier betrifft das 26 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche“, sagt Lins, Vorsitzender des Agrarausschusses im EU-Parlament. Das sei der “vollkommen falsche Ansatz” und keinesfalls hinnehmbar. Die Umsetzung der Pläne führe de facto zu einem Berufsverbot für zahlreiche Landwirte. “Das ist ein Generalangriff auf die ländlichen Räume in Europa.”

    Auch Berichterstatterin Sarah Wiener (Greens/EFA) räumt der Empörung eine “gewisse Berechtigung ein”. Da das Verbot sogar den Einsatz von Ökopestiziden umfasse, müsse zunächst genau geprüft werden, ob die Vorschläge so überhaupt umsetzbar seien. Generell sei es aber richtig, “giftige Chemikalien aus sensiblen Bereichen zu verbannen. Warum heißen sie sonst Schutzgebiete?”, so die Abgeordnete.

    Tatsächlich verfügt Deutschland auf dem Papier über eine Vielzahl an solchen Gebieten, dennoch hängt die Bundesrepublik beim Artenschutz hinterher. Nicht zuletzt, da in den meisten Schutzgebieten konventionelle Landwirtschaft unter Einsatz von chemischem Dünger und Pestiziden weiterhin erlaubt ist. Auch deshalb laufen gleich mehrere Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH wegen unzureichender Umsetzung der bestehenden EU-Naturschutzrichtlinien.

    EU-Ziel: 25 Prozent Ökolandbau

    “Dabei gibt es eine Form der Landwirtschaft, die erfolgreich ohne chemische Pestizide auskommt, und das ist die ökologische”, sagt Wiener. “Und immerhin haben wir in der EU das Ziel von 25 Prozent Ökolandbau bis 2030.” Deutschland will den Bio-Anteil an der Landwirtschaft von derzeit etwa zehn sogar auf 30 Prozent erhöhen

    Mitte September beschäftigt sich der Rat der EU-Agrarminister mit der geplanten Verordnung. Dabei wird es auch um die umstrittene Frage nach den Reduktionszielen der einzelnen Mitgliedsländer gehen. So sollen Staaten, in denen besonders viel Pflanzenschutzmittel pro Hektar eingesetzt wird, auch besonders viel reduzieren. Klingt zunächst plausibel, doch für den Anbau von beispielsweise Obst oder Gemüse, wie er in Italien oder Spanien dominiert, müssen auch mehr Pestizide eingesetzt werden als im Ackerbau.

    Nicht nur in Deutschland, auch in den meisten anderen EU-Staaten wurden die Naturschutz-Ziele in den vergangenen Jahren verfehlt. Auch deshalb will die Kommission aus der bestehenden Richtlinie zum Einsatz von Pestiziden eine Verordnung machen. Verordnungen müssen von den EU-Staaten direkt umgesetzt werden und ermöglichen weniger Spielraum.

    Kommissionsvorschlag: 22. Juni 2022

    Akteure: Federführender Ausschuss beim Thema Pestizide ist eigentlich ENVI, allerdings hat AGRI einen Antrag auf ein sogenanntes joint committee procedure gestellt, wodurch beide Ausschüsse gleichberechtigt wären – Ausgang noch offen. Berichterstatterin ist Sarah Wiener (Greens/EFA), für die Kommission zuständig ist die Griechin Stella Kyriakides, Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, außerdem die tschechische Ratspräsidentschaft.

    Zeitplan: Wichtigstes Thema beim informellen Agrarrat vom 14. bis 16. September in Prag, Vorstellung des Berichts im Ausschuss noch offen.

    Gesetz zur Wiederherstellung der Natur

    Zum Naturschutzpaket der EU-Kommission gehört neben der Pestizide-Verordnung auch ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Die Vorhaben kämen zur Unzeit, kritisieren etwa Bauernverband und CDU/CSU. Schließlich würden die Pläne zu einem Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Produktion führen, während Inflation, globale Ernährungs- und Energiekrise genau das Gegenteil erforderlich machten.

    Das Renaturierungsgesetz ist das erste seiner Art und sieht bis 2030 Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur auf 20 Prozent der gesamten Land- und Meeresgebiete der EU vor. Anschließend sollen diese laut Kommission auf “alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme” ausgeweitet werden. Land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten werden auf diesen Flächen zwar explizit nicht ausgeschlossen. Dennoch dürften einige der Ziele, darunter die Wiedervernässung von Mooren oder ein höherer Anteil naturbelassener Wälder, de facto zu einer Stilllegung in diesen Bereichen führen.

    Umweltschützern ist das zu vage. Sie pochen auf konkrete Zahlen und verweisen auf die Bedeutung von Brachflächen für die Artenvielfalt sowie für die natürliche Speicherung von CO2. Land- und Forstwirtschaft hingegen laufen Sturm. So betonen beispielsweise Waldeigentümer die Wichtigkeit einer aktiven Holzwirtschaft als nachhaltige Rohstoffquelle zur Energiegewinnung sowie als Baumaterial.

    Kommissionsvorschlag: 22. Juni 2022

    Akteure: Federführender Ausschuss ist der ENVI, Berichterstatter ist César Luena (S&D). Für die Kommission zuständig ist Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius.

    Zeitplan: Noch nicht bekannt. Mit dem Renaturierungsgesetz will die EU auch ein Zeichen setzen vor der UN-Biodiversitätskonferenz, die vom 5. bis zum 17. Dezember in Montréal, Kanada stattfindet und – ähnlich dem Pariser Klima-Abkommen – eine globale Vereinbarung zum Schutz der Umwelt zum Ziel hat.

    Zertifizierung von CO2-Senken

    Ohne die systematische Abspaltung und Speicherung von Treibhausgasen aus der Atmosphäre können die Klimaziele nicht erreicht werden, und auch über 2050 hinaus wird es unvermeidliche Restemissionen geben, die ausgeglichen werden müssen. Die Speicherkapazität natürlicher Senken wie Moore und Wälder ist jedoch seit Jahren rückläufig. Ein Trend, der durch Maßnahmen wie dem geplanten EU-Naturschutzpaket nur bedingt gestoppt werden kann.

    Auch deshalb will die EU-Kommission am 30. November einen Rechtsrahmen zur Zertifizierung von CO2-Senkleistungen vorstellen, um finanzielle Anreize zu schaffen. Bereits jetzt existiert eine ganze Reihe privatwirtschaftlicher Angebote, denn der Markt für freiwillige CO2-Kompensation boomt.

    Technische Lösungen wie Carbon Capture and Storage (CCS) sind allerdings weit von einem flächendeckenden Einsatz entfernt, weshalb die Initiative insbesondere auf sogenanntes Carbon Farming abzielt. Mittels entsprechender Ackerbaumethoden sollen Europas Bauern die Speicherfähigkeit der bewirtschafteten Böden signifikant erhöhen und dafür über einen Zertifikatehandel entlohnt werden.

    Doch auch wenn Carbon Farming in Brüssel als vielversprechende Klimalösung gehandelt wird, ist das Prinzip äußerst umstritten. Nicht zweifelsfrei geklärt ist beispielsweise die Frage nach der Messbarkeit sowie insbesondere der Dauerhaftigkeit der CO2-Senkleistung. Durch eine nachträgliche Veränderung der Ackerbaumethoden kann das gespeicherte Treibhausgas schnell wieder freigesetzt und der Klimaeffekt zunichte gemacht werden.

    Ökobauern, die bereits kohlenstoffreiche Böden haben, würden für die erbrachten Leistungen nicht rückwirkend vergütet und sehen sich im Nachteil. Entsprechend heftig diskutiert werden die Pläne der Kommission schon vor ihrer offiziellen Vorstellung.

    Zeitplan: Vorstellung des Kommissionsvorschlags am 30. November 2022 geplant.

    Akteure: Frans Timmermans, stellvertretender Kommissionspräsident und zuständig für den Green Deal, Agrarkommissar Janusz Wojciechowski, tschechische Ratspräsidentschaft.

    LULUCF: Triloge begonnen

    Sowohl die Vorschläge für ein Renaturierungsgesetz als auch der geplante Rechtsrahmen für die Zertifizierung von CO2-Speicherung sollen zur Stärkung der natürlichen Treibhausgas-Senken beitragen und damit letztlich die Erfüllung des LULUCF-Ziels sicherstellen. Die Verordnung über Land- und Forstnutzung wurde im Europäischen Parlament heftig diskutiert.

    Im Juni einigten sich die Abgeordneten darauf, die Senkleistung des Sektors bis 2030 auf mindestens 310 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verbindlich festzulegen. Im Zeitraum 2013 bis 2019 war diese von 322 auf 249 Millionen Tonnen gesunken und nimmt, auch in Folge von Dürreperioden, Schädlingen sowie Waldbränden, weiter ab.

    Damit entspricht die Position des Parlaments dem Vorschlag der EU-Kommission, bleibt jedoch hinter den Forderungen des federführenden Umweltausschusses zurück. Am Montag haben in Brüssel die Trilog-Verhandlungen begonnen. Dem Rat dürften die Ziele zu hoch gesteckt sein. Es wird ein zähes Ringen erwartet.

    Kommissionsvorschlag: 14. Juli 2021

    Akteure: Federführender Ausschuss ist ENVI, Berichterstatter ist Ville Niinistö (Greens/EFA), für die Kommission zuständig ist Vizepräsident Frans Timmermans.

    Zeitplan: Die Triloge haben am Montag begonnen, erstes Technical Meeting ist am Mittwoch.

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    Termine

    07.09.-08.09.2022, Berlin
    Konferenz GXFS Connect 2022: Von der Idee zur Innovation mit Gaia-X
    Die Konferenz dient dem Erfahrungsaustausch aus den Gaia-X Förderprojekten und informiert über die GXFS-Implementierungsstrategien. INFOS & ANMELDUNG

    07.09.2022 – 10:00-12:00 Uhr, online
    VDMA, Vortrag Künstliche Intelligenz im Maschinenbau – Unterstützung bei der Informationssuche im Unternehmen
    Der Vortrag des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) handelt davon, wie KI, Machine Learning und Co. Einzug in den betrieblichen Alltag finden und wie eine erfolgreiche Umsetzung gelingen kann. INFOS & ANMELDUNG

    07.09.2022 – 11:00-12:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
    Eurelectric Power Barometer 2022
    Eurelectric discusses the opportunities and challenges of decarbonisation and electrification. INFOS & REGISTRATION

    07.09.2022 – 17:15-18:00 Uhr, online
    FES, Seminar Wie wählt Europa? – Die Parlamentswahl in Schweden
    Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) setzt sich mit den Themen der bevorstehenden Parlamentswahl in Schweden auseinander. INFOS & ANMELDUNG

    08.09.2022 – 09:00-15:30 Uhr, online
    ASEW, Seminar Aktuelle Herausforderungen im Risikomanagement
    Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) informiert über mögliche Risikomanagement-Strategien für Stadtwerke in den Bereichen Beschaffung und Vertrieb. INFOS & ANMELDUNG

    08.09.2022 – 09:30 Uhr, London
    EEX Group Sustainability Conference
    The EEX group discusses how electricity trade services can make a tangible difference to decarbonisation. INFOS & REGISTRATION

    08.09.2022 – 14:00-21:00 Uhr, Osnabrück
    DBU, Konferenz Fachtagung Water-Energy-Food-Nexus
    Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) thematisiert Mensch-Ökosystem-Interaktionen und deren Folgen für die dauerhafte Bereitstellung von Ökosystemleistungen sowie für die menschliche Gesundheit. INFOS

    08.09.2022 – 19:00-21:00 Uhr, Bad Kissingen
    FNF, Podiumsdiskussion Krieg in Europa: Der neue russische Imperialismus
    Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) setzt sich mit den sozialen, politischen und historischen Dynamiken auseinander, die im neuen russischen Imperialismus aufeinandertreffen. INFOS & ANMELDUNG

    News

    Von der Leyen will Preisdeckel für russisches Gas

    Die Kommission wird einen Vorschlag für eine Preisobergrenze für Gaseinfuhren aus Russland vorlegen. Das kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern auf Twitter an. Weitere Inhalte des Pakets seien Vorschläge für die Reduktion von Verbrauchsspitzen beim Strom, die vergangene Woche bekannt gewordenen Hilfen für verwundbare Haushalte und Unternehmen durch Einnahmen aus dem Energiesektor sowie Liquiditätshilfen für Stromhändler, die unter extremen Preisspitzen an den Börsen leiden.

    Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron unterstützte die Pläne. Eine Obergrenze beim Gas könne die Preise senken und stehe im Einklang mit der Sanktionspolitik gegenüber Russland, sagte er gestern. Macron begrüßte auch den Kommissionsvorschlag, die Gewinne der Stromerzeuger abzuschöpfen und für die Unterstützung der Bürger einzusetzen. Dieser Ansatz sei “am gerechtesten und am effektivsten”.

    Beamte der Generaldirektion Energie wollen am Mittwoch mit Experten der Mitgliedstaaten diskutieren, wie ein Preisdeckel für russisches Gas umgesetzt werden könnte. “Diese Option sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn die EU bereit ist, eine vollständige Unterbrechung russischer Gasimporte zu akzeptieren”, schreibt DG ENER in einem “Non-paper on emergency wholesale price cap instruments for natural gas”, das Europe.Table vorliegt. Nach dem Stopp für Nord Stream 1 fließen allerdings ohnehin nur noch geringe Mengen in die Union.

    Das Non-Paper diskutiert außerdem Preislimits für den Handel innerhalb der Staatengemeinschaft. Anlass sind zunehmende Preisdifferenzen zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten, weil einige über bessere Import- und Transportinfrastruktur verfügen als andere. Das Non-Paper spricht deshalb von einer grünen Zone, in der sich Gaslieferungen weiter am holländischen Leitmarkt TTF orientieren, und einer roten Zone, in der laut den Beamten doppelt so hohe Preise von über 400 Euro pro Megawattstunde drohen. Die rote Zone würde vor allem Staaten in Mittel- und Osteuropa umfassen, sie könne sich aber bis nach Deutschland und Italien ausdehnen.

    Kritik am Gaskäufer Deutschland

    Mit der Initiative wollen die Experten unilateralen Preislimits einzelner Mitgliedstaaten zuvorkommen. Große Volkswirtschaften in der roten Zone sollten laut den Beamten Teil des Preisdeckels sein, wobei ausdrücklich Deutschland als Beispiel genannt wird: “Andernfalls besteht die Gefahr, dass bei höheren Preisen das gesamte Gas nach Deutschland fließen würde, wodurch die Preisobergrenze unwirksam würde.” Um die Bundesrepublik zur Teilnahme zu bewegen, halten es die Beamten aber für besser, weiter einen Handel unter Industriekunden zuzulassen – was der zahlungskräftigen deutschen Industrie zugutekäme.

    Ein weiteres “Non-paper on TTF and representative benchmarks for wholesale natural gas” diskutiert außerdem, ob der niederländische Handelspunkt TTF weiter der Leitindex für den europäischen Gasmarkt sein soll. Hintergrund ist die gewachsene Bedeutung von LNG-Importen. Auf dem Weltmarkt sind die Referenzpreise für Flüssiggas geringer als der TTF. Dies liegt daran, dass die Terminals in Nordwesteuropa und die Pipelinekapazitäten zum Weitertransport des Gases bereits ausgelastet sind.

    Als Lösungsmöglichkeit diskutiert das Papier unter anderem einen Preisdeckel für den TTF, der marginal über dem asiatischen Leitindex JKM liegen würde, um weiter Importe anzureizen. Bisher hat sich die EU nicht auf einen gemeinsamen Gaseinkauf verständigen können, weil Deutschland und andere finanzstarke Mitgliedstaaten sich einen bevorzugten Zugriff auf LNG sichern wollten.

    Zu den Gaslieferungen in die EU meldete sich gestern auch der Kreml zu Wort: Russischen Gasexporten nach Europa über die Pipeline Nord Stream 1 stehe nichts im Wege, außer technischen Problemen, die durch westliche Sanktionen verursacht worden seien. Das sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Russland bestehe darauf, “dass der kollektive Westen – in dem Fall die EU, Kanada und Großbritannien – daran Schuld hat, dass die Situation am jetzigen Punkt angekommen ist”. Die Gaslieferungen über Nord Stream 1 würden erst dann wieder in vollem Umfang aufgenommen, wenn der Westen die Sanktionen gegen Moskau aufhebe, so der Kreml. ber/tho/rtr/dpa

    Energiekrise: Macron und Scholz geloben Solidarität

    Deutschland und Frankreich haben sich in der Energiekrise gegenseitiger Solidarität versichert. “Deutschland braucht unser Gas, und wir brauchen den Strom, der im übrigen Europa und insbesondere in Deutschland produziert wird”, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron nach einer Videokonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Frankreich werde in den nächsten Wochen die notwendigen Verbindungen fertigstellen, um Deutschland Gas zu liefern, wenn es benötigt werde, so Macron.

    In gleicher Weise habe sich Deutschland in Bezug auf Stromlieferungen verpflichtet. “Diese deutsch-französische Solidarität ist die Verpflichtung, die wir mit Bundeskanzler Scholz eingegangen sind”, sagte Macron. Genauere Angaben machte er zunächst nicht. Ein Sprecher der Bundesregierung teilte lediglich mit, es sei über die deutsch-französische Solidarität auf dem Energiesektor gesprochen worden.

    Macron sprach sich aber dagegen aus, das Projekt der Midcat-Pipeline zwischen Spanien und Frankreich wiederzubeleben. Die beiden existierenden Pipelines seien selbst in der inmitten der aktuellen Gaskrise nicht ausgelastet, argumentierte Macron, zudem fließe das Gas überwiegend in Richtung Spaniens. Es sei “faktisch falsch”, dass die Midcat-Pipeline nötig sei, um das Versorgungsproblem zu lösen.

    Scholz und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez hatten sich zuletzt für eine Wiederaufnahme des Projekts starkgemacht, um mehr Gas von Spanien aus nach Mitteleuropa transportieren zu können. Das Land verfügt über sechs LNG-Terminals, ein weiterer könnte in Betrieb genommen werden. tho/dpa

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    Habeck: Zwei AKW als Notreserve für den Winter

    Von den drei verbliebenen Atomkraftwerken in Deutschland sollen zwei bis Mitte April als Notreserve dienen. Das sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Montag während der Vorstellung der Ergebnisse eines zweiten Netzstresstests. “Die beiden AKW Isar 2 und Neckarwestheim sollen bis Mitte April 2023 noch zur Verfügung stehen, um falls nötig, über den Winter einen zusätzlichen Beitrag im Stromnetz in Süddeutschland 2022/23 leisten zu können”, wird der Grünen-Politiker in einer von seinem Ministerium verbreiteten Mitteilung zitiert.

    Der zweite Netzstresstest komme zu dem Ergebnis, “dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 22/23 zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können”, hieß es in der Mitteilung.

    Habeck äußerte sich auch dazu, warum er keine Überführung in die Netzreserve für das Atomkraftwerk Emsland des Betreibers RWE will. Dieses Atomkraftwerk könne zwar einen gewissen Beitrag leisten. “Aber dieser Beitrag ist gemessen an den beiden süddeutschen Kraftwerken zu gering.”

    Umwelt- und Reaktorsicherheits-Ministerin Steffi Lemke (Grüne) nannte Habecks Vorschlag vernünftig. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs hatte sie längere Laufzeiten noch als unverantwortbar abgelehnt. Der FDP ging Habecks Vorstoß nicht weit genug, sie verlangte längere Laufzeiten über Jahre.

    Die Spitze der Unionsfraktion kritisierte die Entscheidung der Bundesregierung als fatalen Fehler und parteipolitisch motiviert. “Diese drei Kernkraftwerke könnten in dieser Krise sicher, verlässlich und bezahlbar Energie, Strom für Deutschland liefern. Und das sollten sie auch mindestens noch in den nächsten zwei Wintern tun”, sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU). dpa

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    Ukraine: 500 Millionen Euro und engere Zusammenarbeit mit der EU

    Die EU hat der Ukraine weitere 500 Millionen Euro zur Versorgung von Binnenflüchtlingen und für die Landwirtschaft zugesagt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unterzeichnete am Montag mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal ein Abkommen zu den Zuschüssen. Es soll nach Angaben der Brüsseler Behörde auch die Zusammenarbeit der EU mit dem Beitrittskandidatenland verstärken. Im Frühjahr hatte von der Leyen bei einer Geberkonferenz in Warschau entsprechende Hilfen angekündigt.

    Seit Beginn des Kriegs hat die von Russland angegriffene Ukraine von der EU bereits Kredite und Zuschüsse in Höhe von 5,4 Milliarden Euro erhalten. Zudem wurden 2,5 Milliarden Euro für militärische Unterstützung mobilisiert.

    Am Montag beschloss die Kommission zudem, die Ukraine an das Programm “Digitales Europa” anzubinden. Mit dem 7,5 Milliarden Euro schweren Fördertopf soll digitale Innovation vorangetrieben werden, etwa in den Bereichen Künstliche Intelligenz oder Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Zudem soll die Ukraine nach ebenfalls am Montag unterzeichneten Abkommen künftig auch Teil des gemeinsamen Zollnetzes werden. Damit soll die Zusammenarbeit in Zoll- und Steuerfragen erleichtert werden. dpa

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    Sorgfaltspflichten: Erster Meinungsaustausch im Ausschuss

    Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat gestern zum ersten Mal über das geplante europäische Sorgfaltspflichtengesetz diskutiert. Er kam zu einem Meinungsaustausch mit Vertreterinnen der übrigen beteiligten Ausschüsse zusammen. “Wir sprechen nun schon so lang über Sorgfaltspflichten, dass wir endlich die Ärmel hochkrempeln und mit der Arbeit beginnen müssen”, sagte die Berichterstatterin Lara Wolters (S&D). Die Kommission hatte im Februar einen Vorschlag für eine Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflicht vorgelegt.

    Einig waren sich die Mitglieder des Ausschusses besonders in einer Forderung: An der Debatte um das Gesetz seien zu viele Ausschüsse beteiligt. Neben dem Rechtsausschuss sind zwölf weitere Ausschüsse meinungsgebend involviert. Mit so vielen Abgeordneten sei ein effizientes Arbeiten schwierig, kritisierte Axel Voss (EVP).

    Wolters erklärte, sie begrüße den Kompromiss, den die Kommission mit ihrem Vorschlag erzielt habe. Allerdings müsse man diesen nun überdenken. So fordert sie einen risikobasierten Ansatz des Gesetzes: Unternehmen sollen sich auf die Minderung der Risiken konzentrieren, nicht auf die Länge einer Geschäftsbeziehung oder den Sektor, in dem sie tätig sind. “Der Prozess der Sorgfaltsprüfung muss ein proaktiver Prozess sein, bei dem die Unternehmen ein echtes und gründliches Interesse an ihren Wertschöpfungsketten zeigen”, sagte Wolters.

    “Verhindern, dass überhaupt Schaden entsteht”

    Unternehmen müssten die gesamte Lieferkette im Blick haben und nicht nur ihre direkten Zulieferer, da die größten Schäden meist vorher entstehen, kritisierte die Abgeordnete. Zudem würden Interessengruppen wie Gewerkschaften oder NGOs von der Kommission lediglich in einem Beschwerdeverfahren einbezogen. Zu dem Zeitpunkt sei es jedoch schon zu spät: “Der Sorgfaltspflichten-Prozess sollte vielmehr verhindern, dass überhaupt Schaden entsteht.”

    Den Vorschlag, Verträge könnten ein Instrument für Unternehmen zur Durchführung ihrer Sorgfaltsprüfung sein, sieht Wolters kritisch. “Natürlich können sie ein Instrument sein, aber ich habe die Sorge, dass Unternehmen sich darüber ihrer Verantwortung entledigen”, sagte sie. “Es gibt jedoch das Prinzip der verantwortungsvollen Vertragsabschlüsse, bei der sowohl Käufer als auch Lieferant gemeinsam Verantwortung übernehmen.”

    Axel Voss (EVP) betonte, man dürfe keine “überbordende Bürokratie” schaffen, sondern müsse eine Balance finden zwischen dem, was notwendig, und dem, was für kleine und mittelständische Betriebe machbar sei. “Dies ist ein Text, mit dem wir weltweit Pionierarbeit leisten”, sagte Adrián Vázquez Lázara (Renew). “Deshalb müssen wir eine klare, konkrete und unmissverständliche Struktur ausarbeiten, gerade weil im Gesetz auf viele weitere Gesetze wie das Nachhaltigkeitspaket verwiesen wird.” Man dürfe keine Rechtsunsicherheit schaffen.

    Germanwatch: Industriestandards nicht ausreichend

    Heidi Hautala (Greens/EFA) entgegnete, die Kommission schließe kleinere und mittlere Unternehmen weitgehend aus dem Anwendungsbereich aus. Diese seien jedoch oft die Lieferanten der größeren Unternehmen und müssten deshalb die Auflagen erfüllen.

    Bislang nutzen Unternehmen zum Teil private Standards, um ihrer Verantwortung für die Lieferketten nachzukommen. Laut einer gestern veröffentlichten Studie der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, die sich auf den Rohstoffsektor bezieht, sind diese Standards “nicht geeignet, die Anforderungen einschlägiger Menschenrechts- und Umweltstandards wirksam umzusetzen”.

    Germanwatch befürchtet, dass sie trotzdem als Nachweis erfüllter Sorgfaltspflichten in das EU-Gesetz aufgenommen werden könnten. Dies würde laut der NGO die Ernsthaftigkeit der Bemühungen untergraben. Die Ergebnisse “zeigen, dass keines der genutzten Zertifizierungssysteme der Industriestandards sicherstellen kann, dass Umwelt- und Menschenrechtsstandards tatsächlich eingehalten werden”, sagte Johanna Sydow von Germanwatch.

    Auch beim Ratsgruppentreffen ging es heute um das EU-Sorgfaltspflichtengesetz. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte vergangene Woche angekündigt, die Bundesregierung werde den Kommissionsvorschlag unterstützen. leo

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    IWF macht Vorschläge für Reform von EU-Schuldenregeln

    Der Internationale Währungsfonds legt der Europäischen Union eine baldige Reform ihrer Schuldenregeln nahe. Dies könne nicht warten, hieß es in einem am Montag veröffentlichten IWF-Blog, wenige Tage vor dem Treffen der europäischen Finanzminister in Prag. Weil die Schuldenregeln pandemiebedingt noch bis einschließlich 2023 ausgesetzt seien, gebe es nun eine gute Möglichkeit für Veränderungen. “Diese Gelegenheit sollte nicht verschwendet werden.”

    Die Finanzpolitik spiele eine entscheidende Rolle, um in Krisenfällen Haushalten und Firmen zu stabilisieren. “Das erfordert allerdings gesunde öffentliche Finanzen.” Europa brauche gleichzeitig ein Maß an Flexibilität, aber auch tragfähige Schulden. Der sogenannte Stabilitätspakt begrenzt die Neuverschuldung von EU-Staaten eigentlich auf drei Prozent und die Gesamtverschuldung auf 60 Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung. Gegen die Regeln wurde in der Vergangenheit aber immer wieder verstoßen, ohne dass dies spürbare Konsequenzen gehabt hätte.

    Mehr Flexibilität für bestimmte Staaten

    Der IWF schlägt in dem Papier nun vor, die numerischen Ziele zu erhalten. Das Tempo der Annäherung an diese müsse aber abhängig gemacht werden vom Risiko, die die Schulden für das jeweilige Land hätten. Dazu sollte ein unabhängiges Gremium – der Europäische FiskalratAnalysen zur Schuldentragfähigkeit beisteuern. Staaten mit einem höheren Risiko müssten sich innerhalb von drei bis fünf Jahren schneller ausgeglichenen Haushalten oder gar Überschüssen annähern. Andere Staaten würden mehr Flexibilität bekommen.

    Außerdem fordert der IWF mittelfristige Finanzpläne, inklusive Obergrenzen bei den Ausgaben. Die internationale Finanzorganisation spricht sich zudem dafür aus, einen EU-Fonds aufzubauen, um auf plötzliche Konjunktureinbrüche reagieren zu können. Er könne auch bei Anpassungen an den Klimawandel und der Transformation der Wirtschaft helfen. Ein Volumen hierfür wurde nicht genannt. rtr

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    Breton sieht Ende einer wirtschaftlichen Ära

    EU-Industriekommissar Thierry Breton erwartet angesichts zahlreicher Krisen tiefgreifende Veränderungen im globalen Wirtschaftssystem. Er glaube, dass man gerade das Ende einer wirtschaftlichen Ära erlebe, sagte er am Montag in Eindhoven laut vorab verbreitetem Redemanuskript.

    Der langjährige Glaube an auf enge Zeitfenster abgestimmte Produktionsabläufe, geografische Spezialisierung und lange Lieferketten sei überholt. “Wir haben nun reichlich Erfahrung damit, dass globale Lieferketten durch die chinesische Abschottungspolitik, den Krieg in der Ukraine und Exportbeschränkungen unserer internationalen Partner gestört werden”, sagte der französische Politiker.

    Die Weltpolitik habe sich innerhalb kürzester Zeit stark zersplittert, China sei zunehmend dominant, und der Druck auf demokratische Werte wachse weltweit. Gleichzeitig befinde man sich dauerhaft in Krisen. Als Beispiele nannte er die Corona-Pandemie, den Klimawandel und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.

    Um gegenüber anderen Akteuren auf der Weltbühne besser dazustehen, brauche es neue Werkzeuge. So habe man mit Handelspartnern wie den USA während der Corona-Pandemie erst nach Einführung eines Exportkontrollmechanismus aus einer Position der Stärke heraus verhandeln können. Zuvor hätten die USA ihrerseits Lieferketten für die Impfstoffproduktion blockiert. dpa

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    Daten von Kindern: Rekord-Strafe für Instagram in Irland

    Instagram soll in Irland eine Rekord-Strafe von 405 Millionen Euro zahlen. Dabei gehe es um den Umgang mit Daten von Kindern und Jugendlichen, teilte die irische Datenschutzbehörde am Montag mit. Minderjährigen Nutzern im Alter zwischen 13 und 17 Jahren sei erlaubt gewesen, Geschäftskonten auf der Foto- und Video-Plattform zu betreiben, die die Veröffentlichung ihrer Telefonnummer und/oder ihrer E-Mail-Adresse ermöglicht hätten.

    Instagram ist Teil des Konzerns Meta, zu dem auch die Internet-Plattform Facebook und der Messenger-Dienst WhatsApp gehören. Meta erklärte, man wolle die irische Entscheidung anfechten. Instagram habe zudem vor über einem Jahr seine Einstellungen geändert und seitdem neue Möglichkeiten geschaffen, um die Daten von Teenagern privat zu halten. Irland ist in der Sache zuständig, weil Meta wie auch große US-Technologie-Konzerne wie Apple und Google dort ihren Hauptsitz in der Europäischen Union haben.

    Gegen Meta-Töchter laufen noch mehrere andere Verfahren in Irland. Im vergangenen Jahr war WhatsApp zu einer Rekordstrafe von 225 Millionen Euro verurteilt worden, weil es die Vorschriften der EU zum Datenschutz nicht eingehalten hatte. Details zu ihrer Instagram-Entscheidung will die irische Behörde in der kommenden Woche veröffentlichten. rtr

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    Koalitionskrise in der Slowakei: Alle liberalen Minister treten zurück

    Nach monatelangem Streit in der slowakischen Regierungskoalition sind am Montag alle bisher noch im Amt verbliebenen Minister der liberalen Partei Freiheit und Solidarität (SaS) zurückgetreten. Parteichef Richard Sulík war schon Ende August als Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef gegangen. Nun folgten ihm Außenminister Ivan Korčok, Bildungsminister Branislav Gröhling und Justizministerin Mária Kolíková. Ohne SaS haben die übrigen drei Parteien keine Mehrheit mehr im Parlament. Der konservative Ministerpräsident Eduard Heger kündigte deshalb den Übergang zu einem Minderheitskabinett an.

    Die Liberalen hatten schon im Juli ultimativ den Rücktritt des konservativ-populistischen Finanzministers Igor Matovič gefordert. Dieser ist zugleich Parteichef der größten Regierungspartei Gewöhnliche Menschen und Unabhängige Persönlichkeiten (Olano), der auch Regierungschef Heger angehört.

    Wegen ihrer internen Konflikte konnte die Regierung noch immer nicht ihr seit Langem angekündigtes Maßnahmenpaket gegen steigende Energiepreise vorlegen. dpa

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    “Solange wie nötig” – EU erneuert Hilfszusagen an Ukraine DE
    Ukrainischer Regierungschef: Kiew will rasch über EU-Beitritt verhandeln FAZ
    Borrell: Waffenbestände der EU gehen zur Neige L’ESSENTIEL
    Russia Says It’s Stopping Critical Gas Supply To Europe Until West Lifts Sanctions FORBES
    Vor dem Finanzministertreffen: IWF fordert schnelle Reform von EU-Schuldenregeln FAZ
    EU und Großbritannien: Mit Liz Truss bleibt das Verhältnis angespannt SUEDDEUTSCHE
    Balkanländer fordern EU-Hilfe angesichts drohender Energiekrise EURACTIV
    Iran nuclear deal “in danger”, says EU chief negotiator FT
    EU koordiniert Hilfsangebote für Pakistan nach Flut AUGSBURGER ALLGEMEINE
    EU-Industriekommissar erwartet tiefgreifende Veränderungen im globalen Wirtschaftssystem T-ONLINE
    Umstrittenes Programmm – “Goldene Pässe” in Zypern: Regierung zieht weitere Einbürgerungen zurück RND
    Studie: Europas Banken kommen voran – Deutschland bleibt das Schlusslicht HANDELSBLATT
    Corona: EU-Kommission mahnt zur Vorbereitung auf den Winter EURACTIV

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    Camilla Bausch – Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Klimapolitik

    Auf dem Foto sieht man Camilla Bausch, Leiterin des Ecologic Instituts im Gespräch über Klimapolitik
    Foto: Aaron Best, Ecologic Institut

    “Meine erste Umwelt-NGO habe ich vermutlich mit sieben Jahren gegründet”, sagt Camilla Bausch lachend. Das Umweltinteresse durchzieht ihre Biografie: Seit 19 Jahren arbeitet sie zu Energie– und Klimapolitik am Ecologic Institut, das sie mittlerweile auch leitet. Schon in den 1990-er Jahren, als Energierecht noch ein “richtiges Nischenthema” gewesen sei, hat sie dieses für sich entdeckt und rechtswissenschaftlich zum Strommarkt der EU promoviert.

    Anschließend machte sie einen Abstecher in die Privatwirtschaft zur Boston Consulting Group, mit dem Ziel, mehr über Dynamiken und Denke im Wirtschaftssektor zu lernen: “Um im Umweltbereich grundlegende Verbesserungen zu erreichen, muss die gesamte Gesellschaft mitmachen, inklusive Wirtschaft und Industrie.” Bausch plädiert daher für einen transdisziplinären Ansatz in der Klimapolitik, den sie unter anderem auch als Sprecherin des Ecological Research Network (Ecornet) vorantreibt. 

    Der Wechsel zum Ecologic Institut war eine “Überzeugungstat”: “Von der Gründung an war uns am Ecologic Institut bewusst, dass die großen umweltpolitischen Herausforderungen in grenzüberschreitender Zusammenarbeit gelöst werden müssen”. Internationale Kooperation reizten Camilla Bausch schon in jungen Jahren, so verbrachte sie Auslandsaufenthalte in den USA, Belgien und Russland.

    Schmerzhaftes Scheitern bei US-Klimagesetz

    Mit großem Interesse verfolgt sie auch die aktuellen Entwicklungen rund um das US-amerikanische Gesetzespaket, den Inflation Reduction Act. Nicht zuletzt deshalb, weil sie durch ihre Arbeit für den demokratischen Kongressabgeordneten Edward J. Markey im Zuge der Waxman-Markey Clean Energy Bill 2008/09 selbst erlebt hat, wie schwierig es ist, Klimagesetze in den USA durchzusetzen – und wie schmerzhaft, wenn diese scheitern. 

    Im Inflation Reduction Act, der ein 370 Milliarden schweres Paket für den Klimaschutz enthält, sieht sie nun einen Durchbruch: “Berechnungen zufolge könnten die USA damit bis 2030 42 Prozent ihrer Treibhausgas-Emissionen reduzieren. Das ist schon mal ein riesiger Schritt voran”. Und ein wichtiges Signal an die internationale Community, trotz finanzieller Anreize für fossile Infrastrukturen: Mit der Rückkehr in das Pariser Abkommen sowie die Umsetzung des Inflation Reduction Acts zeige sich die USA wieder als Partner, mit dem die EU Klimapolitik besprechen könne

    Auf europäischer Ebene betrachtet Bausch den Green Deal als ambitioniertes Programm, das über die Zeit hinweg stabilisiert und begleitet werden müsse. Damit dies gelingt, setzt sich Bausch mit dem Netzwerk Think Sustainable Europe für bessere Wissensvermittlung, Austausch und Analyse der europäischen Klimapolitik ein.

    Getreu ihrem Leitsatz “Europa wächst über Kooperation zusammen” umfasst das Netzwerk führende umweltpolitische Think-Tanks aus zwölf europäischen Ländern: “Es ist wichtig, auch die Dynamiken in den einzelnen Ländern zu verstehen und welche Chancen, Risiken, Bedenken und Hoffnungen es dort gibt”. Da ist es wieder, das Plädoyer für grenzüberschreitende Lösungsansätze, das Bauschs Wirken durchzieht. Marlene Resch

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