um 19.30 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit meldete die Nachrichtenagentur Reuters den Tod des Staatsoberhaupts vom Vereinigten Königreich. “Königin Elizabeth II”, so schreibt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, “ist eine Frau, die ein Jahrhundert geprägt hat. Sie hat Zeitgeschichte erlebt und geschrieben. Ihre Majestät genoss auf der ganzen Welt höchstes Ansehen und Respekt.” Drüben auf der anderen Seite des Kanals in der französischen Hauptstadt wurde zum Gedenken die Beleuchtung des Eiffelturms ausgeknipst.
In der EU ist crunchtime für Notfallmaßnahmen gegen hohe Preise auf Gas und Strom. Am heutigen Freitag treffen sich die Energieminister und beraten die Vorschläge für das weitere Vorgehen, die die EU-Kommission erarbeitet hat. Wie in Brüssel zu hören ist, wird die Kommission schon am Dienstag einen Gesetzgebungsvorschlag präsentieren. Das zeigt: Wenn es pressiert, kann der Beamtenapparat im Berlaymont sehr zügig arbeiten und zu sehr konkreten Ergebnissen kommen. Das Drehbuch sieht dann für den Mittwoch die Rede von Ursula von der Leyen zur Lage der Europäischen Union vor. In der Ansprache unter dem Kürzel SOTEU2022 wird sie mit Pathos ausbuchstabieren, was die EU zum Schutz der Bürger vor Preisschocks tun will. Noch im September, heißt es, könnte ein zweites Sondertreffen der Energieminister der 27 fällig werden.
Meine Kollegin Claire Stam legt in ihrem Ausblick auf den Herbst detailliert dar, wie der Stand bei den weiteren Gesetzgebungsvorhaben rund um das Energiethema ist. Bei der Erneuerbaren Energierichtlinie und der Energieeffizienzrichtlinie stehen die Abstimmungen im Plenum schon bald an.
Um die Ansiedlung einer TSMC-Fabrik in Europa, über die schon lange spekuliert wird, geht es in einem Stück von meinen Kollegen Till Hoppe und Finn Mayer-Kuckuk. Der Weltmarktführer für Chips aus Taiwan pocht aber auf Staatsbeihilfen und Abnahmegarantien der Auto-Hersteller. Auch ein deutscher Standort ist im Gespräch. Industriekommissar Thierry Breton, der Europas Anteil an der Chipproduktion nach oben treiben will, konnte bei seinem Berlin-Besuch noch nicht grünes Licht vermelden. Breton unterstrich aber, wie willkommen das Unternehmen hier wäre.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hofft darauf, den taiwanischen Chiphersteller TSMC zum Bau einer Fabrik in der EU zu bewegen. “Wir wären sehr froh, wenn sie sich in Europa niederlassen würden – sei es allein oder gemeinsam mit anderen”, sagte er am Donnerstag in Berlin. Der weltgrößte Auftragsfertiger sei ein “sehr wichtiger Player”.
Das TSMC-Management lotet seit vergangenem Jahr eine Investition in Europa aus. Die Kunden des Unternehmens insbesondere in der Autoindustrie drängen TSMC, auf dem Kontinent eine eigene Fabrik zu bauen. Sie leiden unter Lieferengpässen und fürchten, von der Versorgung abgeschnitten zu werden, sollte China den Nachbarn Taiwan militärisch attackieren. Ohne Halbleiter aus Taiwan stehen die Bänder der deutschen Autohersteller still.
Als mögliche Partner von TSMC in der Halbleiterindustrie werden in Industriekreisen Bosch, Infineon und NXP gehandelt. Die Bundesregierung ist eng eingebunden in die Verhandlungen, die nach Informationen aus Industriekreisen schon fortgeschritten sind. In der Chipbranche sind hohe Zuschüsse aus Steuermitteln üblich, um die Unternehmen zu einer kapitalintensiven Investition zu bewegen.
Auch ein Standort in Deutschland ist in der Diskussion. So soll es Gespräche um die Nutzung von Bauland in der Nähe von Dresden für eine TSMC-Ansiedlung geben. Andere Städte in der EU konkurrieren jedoch ebenfalls um die Ansiedlung des Top-Arbeitgebers.
Experten gehen aber davon aus, dass TSMC eine Fabrik in Europa nicht mit seiner modernen Technologie mit Strukturgrößen unter sieben Nanometern ausrüsten wird. “Wenn TSMC in Europa investiert, dann wahrscheinlich in eine Fabrik mit reiferer Technologie, die Strukturgrößen ab 18 Nanometer fertigt”, sagt Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung.
Das entspricht jedoch dem Bedarf der deutschen Abnehmer, denn Autohersteller und Zulieferer werden insbesondere von Lieferengpässe in diesen reiferen Technologiebereichen geplagt. Sie brauchen keine superschnellen Hochleistungschips wie die Hersteller von PCs und Smartphones, sondern kostengünstige Bauteile, die für den Einsatz im Auto bisher ausreichen.
Im Juli hatten ST Microelectronics und der US-Auftragsfertiger Globalfoundries (GF) bereits angekündigt, mehr als fünf Milliarden Euro in ein Chip-Werk in Frankreich zu investieren, das 18-Nanometer-Halbleiter herstellen soll. Der US-Hersteller Intel will insgesamt 80 Milliarden Euro in Europa in die Hand nehmen und plant unter anderem ein Werk in Magdeburg.
Knackpunkt für eine Ansiedlung von TSMC in Deutschland dürften Liefervereinbarungen, insbesondere mit den Autoherstellern und deren Zulieferern sein. “Eine Produktion in Europa wäre teurer als in Taiwan, daher würde die Fab für den lokalen Markt produzieren und bräuchte vermutlich langfristige Abnahmegarantien seiner Kunden”, sagt Kleinhans.
Die Diskussion um ein TSMC-Werk in Deutschland geht schon länger in verschiedene Richtungen. Das Unternehmen selbst äußerte sich mal so, mal so. Neben den Abnahmegarantien geht es dem Vernehmen nach um die Beihilfen.
Der TSMC-Gründer und frühere CEO Morris Chang hält eine Herstellung auch in den USA nicht für wettbewerbsfähig. Da die Kosten immer höher seien als in Taiwan, sei die Ansiedlung für TSMC kein gutes Geschäft. Der Subtext der Aussage: Ohne dauerhafte Subventionen sind solche Überseestandorte nicht wirklich überlebensfähig. TSMC baut im US-Bundesstaat Oregon Chips, die in der Produktion 50 Prozent teurer sind als die gleichen Produkte aus Taiwan. Derzeit entsteht in Arizona eine weitere, große Fabrik. Auch diese Investmententscheidung war an staatliche Förderung gebunden.
Breton will jedoch mit dem European Chips Act einen rechtlichen Rahmen schaffen, der Subventionen erleichtern und die Rahmenbedingungen in Europa verbessert. Ziel der Kommission ist es, bis 2030 den Anteil Europas an der globalen Halbleiterproduktion auf 20 Prozent mehr als zu verdoppeln. Breton hat dabei vor allem Mikrochips der neuesten Generation im Sinn, mit Strukturgrößen von weniger als fünf Nanometern. TSMC ist auf dem Gebiet weltweit führend.
Gerade die Abhängigkeit von China und Taiwan wird mit Sorge gesehen. Hintergrund sind die zunehmenden Spannungen um die Insel. China baut eine Drohkulisse gegenüber Taiwan auf, während auch die USA ihrerseits den Ton verschärft haben. Das Szenario eines bewaffneten Konflikts erscheint ungleich realer als noch vor Jahresfrist.
Ein Krieg um Taiwan hätte wirtschaftlich zwei katastrophale Effekte: Die Produktionsstätten in Taiwan würden zerstört oder wären nicht mehr an die Warenströme angebunden. Und China würde vermutlich mit Sanktionen belegt. So oder so wäre der jetzige Teilemangel trivial gegenüber den Auswirkungen eines Krieges.
Für Taiwan ist die zentrale Stellung in der Lieferkette daher einerseits eine Lebensversicherung – dass sich die USA und EU ihrer Abhängigkeit bewusst sind, motiviert zum Schutz der Insel. Andererseits will auch die dortige Industrie ihre Standorte diversifizieren, um im Fall der Katastrophe an sicherer Stelle weiterproduzieren zu können. Till Hoppe/Finn Mayer-Kuckuk
Plenartagung des EU-Parlaments: Waldstrategie, erneuerbare Energien, Enrgieeffizienz
12.09.2022 17:00-22:00 Uhr
Themen: Aussprachen zur neuen EU-Waldstrategie für 2030, zur Richtlinie über erneuerbare Energien und zur Energieeffizienz.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO)
12.09.2022 19:00-20:30 Uhr
Themen: Schaffung eines Rahmens für eine europäische digitale Identität, Ausübung der Rechte der Union bei der Durchsetzung des Brexit-Abkommens.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
12.09.2022 19:30-21:15 Uhr
Themen: Entwurf einer Stellungnahme zur Verstärkung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027, Berichtsentwurf zum Zugang zu Wasser als Menschenrecht.
Vorläufige Tagesordnung
Gemeinsame Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG) und des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
12.09.2022 19:45-21:45 Uhr
Themen: Dialog über Aufbau und Resilienz mit Kommissionsvize Valdis Dombrovskis und Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.
Vorläufige Tagesordnung
Wöchentliche Kommissionssitzung
13.09.2022
Themen: Verbot von Zwangsarbeit, Notfall-Instrument für den Binnenmarkt, europäischer Rechtsakt zur Widerstandsfähigkeit im Internet, europäischer Rechtsakt zur Medienfreiheit.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz 15:30 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Mindestlöhne, auswärtige Angelegenheiten, südliche Nachbarschaft
13.09.2022 09:00-22:00 Uhr
Themen: Aussprache zu angemessenen Mindestlöhnen in der EU, Aussprache über auswärtige Angelegenheiten in Anwesenheit des Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Aussprache zur erneuerten Partnerschaft mit der südlichen Nachbarschaft.
Vorläufige Tagesordnung
Informelle Ministertagung Landwirtschaft und Fischerei
14.09.-16.09.2022
Themen: Die Minister für Landwirtschaft und Fischerei kommen zu einem informellen Treffen zusammen.
Vorläufige Tagesordnung
Treffen der G7-Handelsminister
14.09.-15.09.2022
Themen: Stärkung des Multilateralismus mit einer globalen Handelspolitik, Beitrag des Handels zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, digitale und nachhaltige Transformation des globalen Handelssystems, Gestaltung offener, fairer, resilienter und nachhaltiger Lieferketten.
Vorläufige Tagesordnung
Plenartagung des EU-Parlaments: Lage der Union, Verletzung der EU-Werte, Grundrechte in der EU
14.09.2022 09:00-22:00 Uhr
Themen: Rede zur Lage der Union durch Ursula von der Leyen, Aussprache zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn, Aussprache zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2020 und 2021.
Vorläufige Tagesordnung
EuGH-Verhandlung zu deutschen Beihilfen für Unternehmen während der Covid-19-Pandemie
14.09.2022
Themen: Mit Beschluss vom 20. November 2020 genehmigte die Kommission die deutsche Rahmenregelung zur Übernahme eines Teils der ungedeckten Fixkosten der von der Covid-19-Pandemie betroffenen Unternehmen. Das Bekleidungsunternehmen Breuninger sowie der Bekleidungshersteller Falke haben den Kommissionsbeschluss vor dem Gericht der EU angefochten.
Klage
EuGH-Verhandlung zur deutschen Beihilferegelung zum Ausgleich von Einbußen wegen des Lockdowns
14.09.2022
Themen: Mit Beschluss vom 28. Mai 2021 genehmigte die Kommission eine mit 10 Mrd. Euro ausgestattete deutsche Regelung zur Entschädigung von Unternehmen in der COVID-19-Pandemie. Das Bekleidungsunternehmen Breuninger hat den Kommissionbeschluss vor dem Gericht der EU angefochten.
Klage
Plenartagung des EU-Parlaments: Finanzierung europäischer Parteien
15.09.2022 09:00-16:00 Uhr
Themen: Aussprache zum Statut und zur Finanzierung europäischer politischer Parteien und europäischer politischer Stiftungen.
Vorläufige Tagesordnung
Eine ganze Reihe an ehrgeizigen Gesetzen, Maßnahmen und Zielen hat sich die EU in den vergangenen Jahren und Monaten auferlegt, um Klima und Umwelt zu schützen. Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sprach gar von einem “völlig neuen Pfad” für Wirtschaft und Gesellschaft.
Doch das Verabschieden neuer Rechtsrahmen auf EU-Ebene sei letztlich wirkungslos, wenn diese in den Mitgliedsstaaten nicht umgesetzt würden. Gerade im Umweltbereich gebe es trotz einiger Fortschritte weiterhin eine große Lücke, so Sinkevičius bei der Vorstellung des aktuellen Berichts der Kommission zur Umsetzung der EU-Umweltpolitik in den Ländern. Auch in Deutschland herrscht Nachholbedarf.
Die wohl größte und wichtigste Baustelle für Deutschland ist und bleibt der Schutz der Gewässer, insbesondere des Grundwassers. Dessen Qualität habe sich auch nach der jüngsten Dokumentation über die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie nicht verbessert. Die Verschmutzung durch die Nitrate, insbesondere aus Überdüngung in der Landwirtschaft, bleibe “weiterhin sehr besorgniserregend”, heißt es in dem Bericht der Kommission. An 27 Prozent aller Messstellen werde der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter überschritten, womit Deutschland im EU-weiten Vergleich fast das Schlusslicht bildet. Nur Malta schneidet noch schlechter ab.
Das führe auch zu “akuten Problemen mit übermäßigem Pflanzen- und Algenwachstum in der Ost- und Nordsee aufgrund der hohen Nährstoffkonzentration”, so die Kommission. Lediglich acht Prozent aller Oberflächengewässer seien in einem ökologisch guten Zustand. Damit hat Deutschland die Umweltziele bis 2021 im Wasserbereich verfehlt. Selbst bis 2027 werden die Ziele kaum zu erreichen sein, heißt es in dem Bericht.
Die Brüsseler Behörde hatte zuletzt einem Vorschlag des Landwirtschaftsministeriums (BMEL) zugestimmt, wonach die sogenannten Roten Gebiete erheblich ausgeweitet werden sollen. Gemeint sind landwirtschaftliche Nutzflächen, in denen die Nitratbelastung im Grundwasser besonders hoch ist und in denen deshalb 20 Prozent weniger Dünger ausgebracht werden darf. Dem neuen Vorschlag zufolge soll der Umfang dieser Gebiete von derzeit zwei auf knapp drei Millionen Hektar anwachsen.
Die EU-Kommission hatte die unzureichende Umsetzung der Nitratrichtlinie in Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder angeprangert und bereits mehrfach vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Recht bekommen. Sollte die Richtlinie weiterhin nicht eingehalten werden und es zu einem weiteren Verfahren kommen, drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe.
Das Schwimmen in deutschen Badeseen ist dennoch unbedenklich. So hatten laut Kommission 90 Prozent der Badegewässer im Jahr 2020 wie auch in den Vorjahren eine “ausgezeichnete Qualität”.
Jahrelang wurden insbesondere in Großstädten die Grenzwerte für Stickstoffdioxid deutlich überschritten, nicht zuletzt als Folge des Abgasskandals rund um die Manipulation der Schadstoffwerte bei Dieselfahrzeugen. Nach einem Vertragsverletzungsverfahren und der Verurteilung Deutschlands vor dem EuGH stellt die Kommission in ihrem Bericht nun deutliche Verbesserungen der Luftqualität in deutschen Städten fest.
So sei die Anzahl der Gebiete, in denen eine Überschreitung der Grenzwerte festgestellt wurde, gegenüber 2017 von 35 auf fünf gesunken. Beim Feinstaub seien die Werte drei Jahre in Folge eingehalten worden. Man gehe deshalb davon aus, dass Deutschland die Reduktionsvorgaben für die meisten Luftschadstoffe einhalten werde. Prominente Ausnahme: Ammoniak, das überwiegend durch den großflächigen Einsatz von Stickstoffdünger in der Landwirtschaft in die Luft gelangt.
Die Ziele des EU-Aktionsplans für Schadstofffreiheit im Jahr 2030 bestehen darin, die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung um 55 und die von Luftverschmutzung bedrohten Ökosysteme in der EU um 25 Prozent zu verringern.
In den kommenden Jahren sollen die EU-Vorschriften für saubere Luft nochmals deutlich verschärft werden, um den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation besser gerecht zu werden, heißt es in Kommissionskreisen.
Weniger präsent, aber nicht weniger wichtig als der Schutz des Klimas ist der Erhalt der Artenvielfalt. Darin ist sich die Wissenschaft weitestgehend einig. Im Rahmen ihrer Biodiversitätsstrategie will die EU Zielvorgaben und Maßnahmen definieren, um gesunde und widerstandsfähige Ökosysteme zu schaffen.
Zu den wichtigsten Legislativ-Instrumenten zur Erhaltung der Tier- und Pflanzenwelt gehört die Habitat- und Vogelschutzrichtlinie, unter die auch die Ausweisung der Natura 2000 und weiterer Schutzgebiete zählt. Zwar verfügt Deutschland über eine Vielzahl an nationalen Naturschutzgebieten und auch das Natura-2000-Netz ist laut Kommission beinahe vollständig. Die ausgewiesenen Ziele und Maßnahmen in den Gebieten seien jedoch nicht annähernd ausreichend, um die Richtlinie umzusetzen. Entsprechenden Aufforderungen aus Brüssel kam Bundesrepublik nicht nach, weshalb auch in diesem Bereich ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH anhängig ist.
Zwar hat die Anzahl der Lebensräume, die sich in einem “guten Zustand” befinden, dem Kommissionsbericht zufolge minimal zugenommen. Erheblich stärker angestiegen ist jedoch die Anzahl der Lebensräume in “schlechtem Zustand”. Auch deshalb soll der Öko-Anteil an der Landwirtschaft deutlich ausgeweitet werden. Mit aktuell rund zehn Prozent liegt Deutschland in etwa im EU-Durchschnitt. Lediglich Österreich erfüllt das europaweite Ziel von 25 Prozent bis 2030. Deutschland will sogar 30 Prozent erreichen, was von den meisten Experten jedoch als unrealistisch eingeschätzt wird.
Der EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft gehört zu den wichtigsten Bausteinen den Green Deals. Vorgesehen sind Initiativen für den gesamten Lebenszyklus von Produkten und eine Verdopplung der Nutzungsrate wiederverwertbarer Stoffe bis 2030. Hier gibt es große Unterschiede unter den Mitgliedsstaaten.
In Deutschland stieg die Zweitnutzung von Materialien von 11,4 Prozent im Jahr 2017 auf 13,4 Prozent im Jahr 2020. Das ist zwar knapp über dem EU-Durschnitt, aber nur eine kleine Steigerung und noch weit entfernt vom Spitzenreiter Niederlande (31 Prozent).
Beim Abfallmanagement hingegen hat Deutschland zumindest in puncto Recycling nach wie vor eine Führungsrolle. So wurden im Jahr 2019 rund 67 Prozent der Siedlungsabfälle wiederverwertet. Das ist im EU-weiten Vergleich der höchste Wert. Noch besser wäre es allerdings, Abfälle zu vermeiden, und hier wendet sich das Blatt: 2020 lag das Abfallaufkommen pro Kopf bei 632 Kilogramm. Damit weist Deutschland die vierthöchste Pro-Kopf-Quote auf und liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt von 505 Kilogramm.
Immerhin: Als erster EU-Mitgliedstaat hat Deutschland im Jahr 2020 eine allgemeine “Sorgfaltspflicht” für Hersteller und Händler eingeführt, um Abfälle zu vermeiden. Dazu gehört beispielsweise der Verkauf von Waren kurz vor dem Verfallsdatum zu einem reduzierten Preis.
Bei der Finanzierung der Umweltschutzmaßnahmen muss Deutschland überwiegend auf nationale Quellen zurückgreifen. Für den Zeitraum 2021 bis 2027 schätzt die Kommission den Investitionsbedarf auf mindestens 0,82 Prozent des BIP pro Jahr. Basierend auf den bisherigen Investitionen rechnet die Brüsseler Behörde mit einer Finanzierungslücke im Umweltbereich von 0,19 Prozent des BIP und damit rund 7 Milliarden Euro jährlich.
Kein Wunder: Die Einnahmen Deutschlands aus umweltbezogenen Steuern im Vergleich zum BIP sind dem Bericht zufolge die viertniedrigsten in der EU und beliefen sich im Jahr 2020 auf 1,71 Prozent. Demgegenüber stehen nach wie vor hohe Subventionen für fossile Brennstoffe, die im Jahr 2019 gut zwölf Milliarden Euro ausmachten, was 0,36 Prozent des BIP entspricht.
Die von der österreichischen Regierung unter Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) beschlossene Strompreisbremse erntet wenig Beifall. Ökonomen warnen vor einer zu lockeren Ausgabenpolitik der schwarz-grünen Koalition in Wien, um die Energiekrise zu bewältigen. “Die Regierung macht eine Tür auf, die nicht mehr zu schließen ist. Auf den Stromrechnungsdeckel wird der Gaspreisdeckel folgen, wie von Nehammer bereits in Aussicht gestellt. Am Ende kommt dann vielleicht auch noch ein Deckel für Lebensmittel und alle Mieten. Das wird teuer”, kritisiert die liberale Denkfabrik Agenda Austria. “Wir bürden die Finanzierung unserer Wohlstandsillusion den kommenden Generationen auf.”
Die von schwarz-grünen Koalition beschlossenen Strompreisbremse wird laut Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) den Steuerzahler zwischen drei und vier Milliarden Euro kosten. Die österreichische Regierung hatte am Mittwoch die Strompreisbremse als Reaktion auf die stark gestiegenen Preise beschlossen. Ursprünglich sollte das Entlastungspaket bereits im August beschlossen werden.
“Niemand in Österreich soll sich seinen Grundbedarf an Strom nicht leisten können. Das ist das wichtigste Ziel der Strompreisbremse”, sagte Nehammer im Kanzleramt. Die Regelung soll vorerst bis Juni 2024 gelten. Mit der Strompreisbremse wird jeder Haushalt um etwa 500 Euro entlastet.
Bei einem Verbrauch von bis zu 2900 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr gilt der Tarif mit 10 Cent netto pro kWh. Für den Verbrauch über dieser Verbrauchsgrenze müssen marktübliche und damit sehr hohe Preise gezahlt werden. Bei der Strompreisbremse hat die Koalition auch eine soziale Komponente eingebaut. Alle Haushalte, die von der Rundfunkgebühr – bekannt als GIS-Gebühr – befreit sind, und Haushalte mit mehr als drei Personen können zusätzliche Finanzhilfe beantragen. Damit kam die Koalition in Wien Kritikern aus dem Arbeitnehmerlager entgegen.
Eine Strompreisbremse soll auch Teil des dritten Entlastungspakets der Regierung in Berlin werden. In Meseberg beschloss das Kabinett “eine Basisversorgung zu billigeren Preisen”. Als Modell für Deutschland taugt die österreichische Strompreisbremse allerdings kaum.
Das Wiener Modell macht keinerlei Vorgaben zum Energiesparen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs eines Haushalts subventioniert würden. So könnte ein Anreiz erhalten bleiben, 20 Prozent des teureren Stroms einzusparen. Selbst daran gibt es allerdings Zweifel. Der Energieökonom Andreas Löschel verweist auf empirische Untersuchungen, wonach für Verbraucher die durchschnittlichen Stromkosten ihres gesamten Verbrauchs entscheidend sind, nicht die Kosten einer zusätzlichen Kilowattstunde.
Das Wiener Modell kommt den Bürgern noch weiter entgegen, denn 2900 Kilowattstunden entsprechen dem Verbrauch eines Zwei- bis Drei-Personen-Haushalts. Vier Fünftel der österreichischen Haushalte verbrauchen jährlich weniger. Anreize zum Stromsparen hat also kaum jemand.
Zudem sind zehn Cent pro Kilowattstunde spottbillig und sogar weit weniger, als Haushalte vor Beginn des Krieges zahlten. In Österreich lag der durchschnittliche Strompreis 2021 bei 23 Cent, in Deutschland sogar bei 32 Cent. “Das tötet nicht nur jeden Anreiz zum Stromsparen”, sagt der Energieexperte Lion Hirth von der Hertie School. “Das könnte die Menschen sogar dazu veranlassen, elektrisch zu heizen, um die höheren Gaspreise zu umgehen. Das würde die Stromnetze hohen Belastungen aussetzen.”
Für die österreichische Regierung ist die am Mittwoch beschlossene Strompreisbremse jedenfalls ein zentraler Baustein zur Entlastung der Haushalte. Die Koalition hatte zuletzt eine ganze Reihe von finanziellen Unterstützungen wie die doppelte Familienbeihilfe oder der Anti-Teuerungs- und Klimabonus auf den Weg gebracht. “Insgesamt haben wir nun eine Fülle an Maßnahmen, die sicherstellen, dass wir die Menschen in Österreich in dieser Phase der Belastung nicht alleinlassen”, sagte Nehammer.
Gewerkschaften und Umweltorganisationen sind mit der Strompreisbremse unzufrieden. Sie verlangen, die teilstaatlichen Energieriesen in Österreich, den Stromkonzern Verbund und Öl- und Gaskonzern OMV, zur Kasse zu bitten. “Während aus Steuermitteln hohe Unterstützungsleistungen bezahlt werden, machen manche Energiekonzerne gigantische Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit”, kritisiert der Energiesprecher der Umweltorganisation Global 2000, Johannes Wahlmüller. Global 2000 fordert eine Strafzahlung für Energiekonzerne, die keinen Fahrplan für den Ausstieg aus Öl und Gas und für Investments in erneuerbare Energien vorlegen. Die grüne Energieministerin Leonore Gewessler war vor der Übernahme ihres Regierungsamtes Geschäftsführer von Global 2000.
Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die einflussreiche Arbeiterkammer haben bereits ein Modell vorgelegt, wie die “Übergewinne” der Unternehmen vom Staat kassiert werden können. “Wir lehnen es jedenfalls ab, dass die Steuerzahler sich die Strompreisbremse selber bezahlen”, sagte Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl. Der österreichische Staat besitzt am Verbund mit 51 Prozent die Aktienmehrheit. An der OMV hält er 31,5 Prozent der Anteile.
“Weder in Deutschland noch in Österreich hat der Staat die Daten, um den Bürger direkt Geld zu überweisen. In Österreich hat der Staat von 1,2 Millionen Haushalte noch nicht einmal die Kontonummern”, sagt Gabriel Felbermeyer. Der frühere Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft gilt als der einflussreichste Ökonom in der Alpenrepublik. Einer auf EU-Ebene viel diskutierten Gasbremse steht er skeptisch gegenüber: “Es ist logisch, dass wir beim Strom beginnen. Wenn wir eine Gasbremse wollen, müssen wir uns aber fragen: Was machen wir mit Öl-, Pellet- und Holz-Heizungen?”
Nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen EU-Staaten versuchen die Regierungen, mit Strompreisbremsen die Auswirkungen der europäischen Sanktionspolitik gegenüber Russland zu reduzieren und die hohe Inflation zu dämpfen. Experten gehen davon aus, dass trotzdem die politischen Auseinandersetzungen zwischen Befürworter und Gegner der EU-Sanktionen gegen Russland zunehmen werden. Einen Vorgeschmack gab es bereits am vergangenen Wochenende in der Tschechischen Republik. In Prag gingen rund 70.000 Menschen gegen die EU-Sanktionen auf die Straße.
“Wir haben hohe Strompreise und hohe Volatilität. Beides wird nicht verschwinden. Diese Entwicklung wird sehr geschickt vom Kreml aus gesteuert”, sagte Felbermayr. “Das Spiel mit dem Gaspreis und der Volatilität ist die Rache der Russen. Der Einfluss des Kremls auf den Strompreis wird aber zurückgehen, da wir zunehmend andere Energiequellen haben werden wie zum Beispiel LNG.” Es werde eine langsame Normalisierung auf dem Preisniveau des weltweiten Flüssiggases geben.
Von der EU-Kommission erwartet er ein höheres Tempo in der Energiekrise. “Die EU-Kommission ist nicht ausreichend schnell, um Lösungen für den europäischen Strommarkt zu finden. Die Kommission muss rascher agieren. Der Druck wird angesichts der Dramatik der Ereignisse wachsen. Europa muss die Preise runterkriegen”, forderte der Ökonom in Wien. Mit Manuel Berkel
Zu Errinnerung: Die RED und EED Richtlinien werden im Rahmen des Fit-for-55-Pakets überarbeitet, das die Kommission im Juli 2021 verabschiedet hat. Was wie ein Fitness-Programm für Fünfzigjährige klingt ist tatsächlich ein Mammut-Legislativpaket mit dem Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Dieses Ziel ist im europäischen Klimagesetz verankert, ebenso wie die rechtsverbindliche Verpflichtung, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Diese Vorschläge würden den Europäischen Gasverbrauch bis 2030 um Prozent senken, wobei mehr als ein Drittel dieser Einsparungen auf die Erfüllung der Energie-Effizienzziele zurückzuführen ist.
Akteure: Zuständig ist der Industrieausschuss (ITRE), Berichterstatter ist Markus Pieper (CDU)
Inhalt: Die meisten der angestrebten Änderungen im Rahmen des RePowerEU-Plans betreffen die Richtlinie über erneuerbare Energien (RED). Der Vorschlag der Kommission würde den geforderten Anteil erneuerbarer Energiequellen (EE) am Endenergieverbrauch der EU bis 2030 auf 45 Prozent erhöhen. Dieser EE-Anteil ist höher als die 40 Prozent, die die Kommission in ihrem Fit-for-55-Vorschlag vorgesehen hat. Und viel höher als der Anteil von 32,5 Prozent in der bestehenden RED (zuletzt geändert 2018). Der Kommissionsvorschlag enthält außerdem verstärkte Maßnahmen zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für neue EE-Kraftwerke oder für die Anpassung bestehender EE-Anlagen.
Aufseiten des Parlaments schlägt der ITRE in seinem Bericht ein ehrgeizigeres Ziel von 45 Prozent EE-Anteil am Endenergieverbrauch bis 2030 vor.
Der Rat der EU hat am 29. Juni 2022 eine allgemeine Ausrichtung angenommen, die das von der Kommission im Juli 2021 vorgeschlagene 40-Prozent-Ziel bei erneuerbaren Energien unterstützt. Die allgemeine Ausrichtung setzt weniger ehrgeizige sektorale Ziele als der Kommissionsvorschlag oder der ITRE-Bericht, unterstützt aber die Verschärfung der Nachhaltigkeitskriterien für Biomasse und die Beschleunigung des Verfahrens zur Erteilung von EE-Genehmigungen. Abstimmung im Parlament nächste Woche.
Akteure: Zuständig ist der Industrieausschuss (ITRE), Berichterstatter ist Niels Fuglsang (S&D, Dänemark)
Inhalt: Der Vorschlag der Kommission enthält höhere Ziele für die Senkung des Primärenergieverbrauchs (minus 39 Prozent) und des Endenergieverbrauchs (minus 36 Prozent) der EU bis 2030, wobei eine Obergrenze von 1023 Millionen Tonnen Öläquivalent (Mtoe) für den Primärenergieverbrauch und 787 Mtoe für den Endenergieverbrauch festgelegt werden (im Vergleich zu 1128 bzw. 846 Mtoe unter der EED 2018). Diese neuen Ziele sollen auf EU-Ebene verbindlich werden und durch ein Benchmarking-System verstärkt werden, mit dem die Mitgliedstaaten ihre nationalen Richtwerte für dieses verbindliche EU-Ziel festlegen können. Die Neufassung der EED zielt darauf ab, die Energieeffizienz in den EU-Mitgliedstaaten erheblich zu steigern, indem sie sich auf Sektoren mit hohem Energiesparpotenzial (Heizung und Kühlung, Industrie und Energiedienstleistungen) konzentriert und vom öffentlichen Sektor erwartet, dass er mit gutem Beispiel vorangeht.
Der ITRE-Bericht setzt ehrgeizigere Ziele als der Vorschlag der Kommission, nämlich eine Verringerung des Endenergieverbrauchs um 40 Prozent (Obergrenze von 740 Mio. t RÖE) und eine Verringerung des Primärenergieverbrauchs um 42,5 Prozent (Obergrenze von 960 Mio. t RÖE). Dies ist etwas ehrgeiziger als die überarbeiteten Ziele von der Kommission im Rahmen ihres Repower EU-Plans. Dem ITRE-Bericht zufolge müssten die Mitgliedstaaten verbindliche nationale Beiträge auf der Grundlage beider Energieverbrauchsindikatoren leisten und in den Jahren 2025 und 2027 Etappenziele erreichen, um sicherzustellen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Abstimmung im Parlament nächste Woche.
Akteure: Zuständig sind der Wirtschaftsausschuss ECON und der Haushaltsausschuss BUDG, für den Teil, in dem es um den Emissionshandel geht, ist jedoch allein der Umweltausschuss ENVI zuständig. Berichterstatter für den ETS-Bereich ist Peter Liese (CDU).
Inhalt: Mit dem REPowerEU-Plan will die Kommission die Energieunabhängigkeit Europas vorantreiben. Angesichts des russischen Angriffskrieges sollen vor allem fossile Energielieferungen aus Russland drastischen heruntergefahren, längerfristig will man komplett darauf verzichten. Dass es ein solches Programm braucht, dürfte sowohl im Parlament als auch unter den Mitgliedstaaten weitgehend unstrittig sein.
Die große Frage ist noch die Finanzierung. Von den über 300 Milliarden Euro, die für REPowerEU aus verschiedenen Quellen mobilisiert werden sollen, würden laut dem Kommissionsvorschlag 20 Milliarden Euro aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten aus der Marktstabilitätsreserve kommen. Kein unumstrittenes Modell, da es den Markt destabilisieren könnte (Europe.Table berichtete).
Die EVP ist dennoch offen für eine solche Teilfinanzierung. Dass dadurch auch der CO2-Preis sinken könnte, wird unter den Christdemokraten weniger als Problem, sondern eher als entlastendes Element gesehen. “Wir müssen dringend schnell reagieren, um Stromkunden und Unternehmen vor untragbaren Kosten zu schützen. Dazu muss auch der Europäische Emissionshandel einen Beitrag leisten”, sagt Liese.
Die Kommission hat vorgeschlagen, die Zertifikate bis 2026 zu versteigern, um zu große kurzfristige CO2-Preissteigerungen zu vermeiden. Liese hält genau dies für wünschenswert und schlägt deshalb vor, die Auktionierung innerhalb von zwölf Monaten nach dem Inkrafttreten des REPowerEU-Plans durchzuführen. So würden kurzfristig die Preise im ETS gesenkt und langfristig stünde Geld zur Dekarbonisierung und für mehr Energieunabhängigkeit zur Verfügung.
Dennoch gibt es Widerstand im Umweltausschuss: Die finanzielle und ökologische Integrität des ETS werde durch das Vorgehen gefährdet.
Zeitplan: Das Parlament will im ersten Oktober-Plenum über seine eigene Position zu REPowerEU abstimmen. Es wird nicht ausgeschlossen, dass der Termin noch verschoben wird.
Akteure: Zuständig ist der Industrieausschuss ITRE, Berichterstatter ist Ciarán Cuffe (Grüne/EFA, Irland)
Die Kommission hat am 15. Dezember 2021 ihren Vorschlag für die Gebäudeeffizienz-Richtlinie EPBD vorgelegt. Sie soll die Instrumente für das Erreichen eines Null-Emissions-Gebäudebestands bis 2050 festlegen, eine neue Definition des Null-Emissions-Gebäudes einführen und bestehende Definitionen wie “Fast-Null-Energie-Gebäude” (nZEB) und “tiefgreifende Renovierung” verfeinern.
Die EPBD soll Mitgliedstaaten verpflichten, dafür zu sorgen, dass neue Gebäude für den Einsatz von Solarenergie zum einen geeignet sind. Zum anderen sollen sie dafür sorgen, dass Solarenergieanlagen auch auf Gebäuden installiert werden. Dies würde ab 2027 für alle neuen öffentlichen und gewerblichen Gebäude mit einer Nutzfläche von mehr als 250 Quadratmetern und ab 2028 für alle bestehenden öffentlichen und gewerblichen Gebäude dieser Größe gelten. Ab 2030 würde diese Anforderung auf alle neuen Wohngebäude ausgedehnt.
Zeitplan: ITRE-Abstimmung am 26. Oktober, der Berichterstatter legte im Juni 2022 einen Berichtsentwurf vor, der für Änderungsanträge geöffnet wurde, die derzeit verhandelt werden.
Akteure: Zuständig ist der Umweltausschuss ENVI; Berichterstatterin ist Jessica Polfjärd (EVP, Schweden).
Inhalt: Die 2018 verabschiedete Verordnung zur Lastenteilung legt für jeden Mitgliedstaat (MS) verbindliche jährliche THG-Emissionsziele für die Jahre 2020 bis 2030 für Sektoren fest, die nicht in das EU-Emissionshandelssystem (ETS) einbezogen sind: Gebäude, Landwirtschaft, Abfall, Kleinindustrie und Verkehr, die rund 60 Prozent der Emissionen ausmachen. Die Kommission schlägt vor, die Emissionen aus den ESR-Sektoren um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand von 2005 zu senken – ein Anstieg um elf Prozentpunkte gegenüber dem bestehenden kollektiven EU-27-Ziel einer Emissionsreduzierung um 29 Prozent.
Zeitplan: Am 27. September 2021 trafen sich die ENVI-Mitglieder zu einem ersten Meinungsaustausch. Sie wiesen auf mehrere Punkte hin, wie etwa die Notwendigkeit, die Angleichung der ESR an das EU-EHS zu gewährleisten und das Fehlen eines Orientierungsrahmens für die Zeit nach 2030. Thema war auch die Komplexität, die sich aus der Schaffung eines Kohlenstoffmarktes für den Straßenverkehr und für Gebäude ergibt.
Akteure: Zuständig ist der Wirtschaftsausschuss ECON, Berichterstatter Johan Van Overtveldt (ECR, Belgien)
Inhalt: Die Kommission will die Energiebesteuerungsrichtlinie überarbeiten. Ziel ist, die Besteuerung von Energieerzeugnissen mit der Energie- und Klimapolitik der EU in Einklang zu bringen, saubere Technologien zu fördern und überholte Ausnahmeregelungen abzuschaffen.
Zeitplan: Im Ausschuss soll am 26. September abgestimmt werden.
Akteure: Zuständig ist der Umweltausschuss ENVI, Berichterstatterinnen sind ist Jutta Paulus (Grüne, Deutschland) und Silvia Sardone (ID, Italien)
Inhalt: Die Kommission will Methanemissionen im Energiesektor drastisch verringern. Es geht um die Sektoren Energie, Landwirtschaft, Abfall und Abwasser. Wie im Strategiedokument dargelegt, werden sich die Legislativvorschläge auf den Energiesektor konzentrieren.
Akteure: Zuständig ist der Industrieausschuss ITRE, Berichterstatter ist Jens Geier (SPD)
Inhalt: Die Kommission will die Gasrichtlinie überarbeiten. Dies ist Teil des Pakets für Wasserstoff und dekarbonisierte Gasmärkte, das auch eine Neufassung der EU-Gasverordnung von 2009 und Überarbeitungen der Verordnung von 2017 über die Sicherheit der Gasversorgung umfasst. Die EU-Gasrichtlinie von 2009 ist Teil des dritten Energiepakets, das den Rechtsrahmen für den EU-Energiebinnenmarkt festlegt. Während die Stromkomponente des dritten Energiepakets 2019 überarbeitet wurde, um sie an die ehrgeizigeren Klima- und Energieziele der EU anzupassen, wurde die Gaskomponente des dritten Energiepakets bisher nur gezielt überarbeitet. Die überarbeitete Gasrichtlinie besteht aus 10 Kapiteln mit insgesamt 90 Artikeln.
Zeitplan: ITRE-Abstimmung am 28. November 2022
Akteure: Zuständig ist der Industrieausschuss ITRE, Berichterstatter ist Jerzy Buzek (EVP, Polen)
Inhalt: Wie die Überarbeitung der EU-Gasrichtlinie ist auch die Überarbeitung der EU-Gasverordnung Teil des Pakets für Wasserstoff und dekarbonisierte Gasmärkte, das auch eine grundlegende Überarbeitung der EU-Gasrichtlinie von 2009 umfasst. Die Neufassung der EU-Gasverordnung besteht aus fünf Kapiteln mit 69 Artikeln
Zeitplan: ITRE-Abstimmung am 28. November 2022. Mit Lukas Scheid
Bei den Verhandlungen für den Aufbau einer europäischen Ladeinfrastruktur (AFIR) haben die Parlamentsberichterstatter am Mittwoch einen Durchbruch erreicht. Wie Europe.Table aus Parlamentskreisen erfahren hat, wurden beim letzten Shadow-Meeting die meisten der noch offenen Fragen geklärt.
Zum Beispiel müssen Preise demnach pro Kilowattstunde (E-Autos) bzw. Kilogramm (Wasserstoff) und für den Kunden transparent und nachvollziehbar abgerechnet werden. Zudem sollen öffentliche Ladestellen verpflichtend unabhängig der Automarke zugänglich gemacht werden.
Offen ist nach den Informationen von Europe.Table nur noch das Thema Strafen. Berichterstatter Ismail Ertug (S&D) hatte vorgeschlagen, dass Strafen von bis zu 1.000 Euro pro Tag und pro Ladesäule ausgesprochen werden können, wenn die Ziele der AFIR nicht eingehalten werden. Einigen Fraktionen geht das offenbar zu weit, da die Höhe der Festsetzung von Strafen nicht Kompetenz des Parlaments, sondern von Gerichten sei.
Da es unter den Berichterstattern und Schattenberichterstattern diesbezüglich keine Einigung gab, geht der Vorschlag zu den Strafen nun in die offene Abstimmung unter den Mitgliedern im Verkehrsausschuss (TRAN). Diese soll am 3. Oktober stattfinden. Im Oktober soll schließlich auch das Plenum über die Position des Parlaments zur AFIR entscheiden. luk
Die EZB stemmt sich mit einer so starken Zinserhöhung wie noch nie seit Einführung des Euro-Bargelds 2002 gegen die ausufernde Inflation im Euro-Raum. Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag, den Leitzins um außerordentlich kräftige 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent anzuheben. “Wir haben unglaublich hohe Inflationszahlen, wir sind bei unserer Vorhersage nicht am Ziel und wir müssen handeln”, sagte Lagarde und stellte weitere Zinsanhebungen in Aussicht. Dies ist bereits der zweite Straffungsschritt in Folge. Im Juli hatte die EZB die Zinswende eingeleitet und die Schlüsselsätze erstmals seit 2011 nach oben gesetzt. Angesichts der Energiekrise und der hohen Inflation rechnet Lagarde mit einer Eintrübung der Konjunktur. “Wir erwarten, dass sich die Wirtschaft substanziell im restlichen Jahresverlauf abschwächt,” sagte sie.
An den Börsen kam insbesondere der Konjunkturausblick nicht gut an. Der Dax baute seine Verluste aus und verlor mehr als ein Prozent. Der Euro geriet ebenfalls unter Druck und verbilligte sich zweitweise auf 0,9958 Dollar.
Hinter dem für die EZB bisher beispiellosen Jumbo-Schritt steht die ausufernde Inflation im Euro-Raum. Der Einlagensatz wurde ebenfalls um 0,75 Prozentpunkte erhöht. Die vor allem durch den Energiepreisschub infolge des Ukraine-Kriegs angefachte Teuerung erfasst immer weitere Bereiche der Wirtschaft. Im August war die Inflation in der Euro-Zone auf ein neues Rekordniveau von 9,1 Prozent geklettert, ein Nachlassen ist nicht in Sicht. Das Inflationsniveau ist damit mittlerweile mehr als viermal so hoch wie das Ziel der Währungshüter. Die EZB erachtet zwei Prozent Teuerung als optimal für die Wirtschaft. Sie ist daher zuletzt immer stärker unter Zugzwang geraten, energisch gegen den Preisschub einzuschreiten.
“Es ist gut, dass sich die EZB zu einem großen Zinsschritt um 75 Basispunkte durchgerungen hat,” kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Beschlüsse. Jetzt komme es darauf an, dass die EZB ihre Leitzinsen in den kommenden Monaten trotz steigender Rezessionsrisiken auch tatsächlich weiter kräftig anhebe. Mit der Anhebung der Leitzinsen um 75 Basispunkte sende die EZB ein Signal der Entschlossenheit im Kampf gegen die Inflation, sagte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust. “Es ist für die Wirtschaft besser, wenn die EZB die Zinsen schnell anhebt, anstatt das Bremsmanöver und die Unsicherheit über lange Zeit zu strecken.” rtr
Die tschechische Ratspräsidentschaft ist offenbar bereit, das Klimaziel der EU anzupassen. In einem internen Entwurf von Schlussfolgerungen des Rates zur Vorbereitung der UN-Klimakonferenz in Sharm el Sheikh (COP27) heißt es, man stehe bereit, den national festgelegten Beitrag (NDC) zur globalen Emissionsreduktion anzupassen.
Die Teilnehmerländer der COP27 sind angehalten, ihre NDCs bis zur Weltklimakonferenz Anfang November, wenn möglich anzuheben. Aus dem Entwurf aus dem Generalsekretariat des Rates geht nun hervor, dass die EU ihr Ziel von 55 Prozent Emissionsreduktion bis 2030 (im Vergleich zu 1990) entsprechend dem Endergebnis des Fit-for-55-Pakets aktualisieren könne.
Hintergrund für die mögliche Anhebung ist laut Informationen von Europe.Table die Verhandlung zu natürlichen CO2-Speichern (LULUCF). Die aktualisierten Ziele zur Senkleistung der LULUCF-Sektoren würden Möglichkeiten eröffnen, die Reduktionsziele generell zu erhöhen. Wie groß dieses Potenzial ist und wie ein erhöhter NDC aussehen könnte, ist noch völlig unklar. Ein Vorschlag dazu müsste von der EU-Kommission kommen, den sowohl Parlament als auch Mitgliedstaaten mittragen. luk
Mit Milliardenhilfen für neue Waffen und der Ausbildung von Soldaten in Deutschland will der Westen die Ukraine im Krieg gegen Russland auf lange Sicht unterstützen. “Wir arbeiten auch zusammen, um der Ukraine dabei zu helfen, sich langfristig zu verteidigen oder fähige, nachhaltige Kräfte zu entwickeln, um sich selbst zu verteidigen und Aggressionen abzuschrecken”, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Donnerstag auf dem amerikanischen Militärstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein.
Während eines Überraschungsbesuchs in Kiew kündigte US-Außenminister Antony Blinken 2,2 Milliarden Dollar (2,2 Milliarden Euro) für die Ukraine und ihre Nachbarn an. Die US-Regierung wolle das von Russland angegriffene Land sowie 18 Staaten der Region damit langfristig militärisch stärken, teilte das Außenministerium in Washington mit. Austin versprach derweil in Ramstein ein neues Waffenpaket für die Ukraine in Höhe von rund 675 Millionen Dollar (etwa 676 Mio. Euro).
Der US-Verteidigungsminister hatte die Mitglieder der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe nach Ramstein eingeladen. An der Konferenz nahmen Verteidigungsminister und ranghohe Militärs aus mehr als 50 Ländern teil.
Deutschland und die Niederlande kündigten bei dem Treffen an, ukrainische Soldaten bei der Räumung von Landminen und dem Beseitigen von Sprengfallen auszubilden.
Um Frankreichs Chansonier Charles Aznavour zu paraphrasieren, werde ich Ihnen von einer Zeit erzählen, die die unter Dreißigjährigen nicht kennen. Damals waren Energie- und insbesondere Stromfragen nur für Experten, Ingenieure und andere “Wonks”, wie auf Englisch Freaks genannt werden, von Bedeutung.
Die Zeiten sind vorbei. Und die Rede zur Lage der Union, im EU-Jargon SOTEU genannt, wird widerspiegeln, wie sehr Energie– und Stromfragen mittlerweile das gesamte politische Spektrum durchdringen: Außen-, Sozial-, Wirtschafts-, Klimapolitik – es hört gar nicht mehr auf. Die meisten Bürger werden in den 27 Mitgliedstaaten ihren Geschäften nachgehen, ohne viel von der Aufregung zu spüren, die die Rede in der EU-Bubble verursacht – und dennoch: Die Rede wird für jeden von ihnen Folgen haben.
Die politische Agenda ist in diesen Monaten nun einmal sehr stark von Energiefragen geprägt. Das beginnt mit dem heutigen Freitag, an dem sich die EU-Energieminister treffen. Dann die Wahlen in Schweden am kommenden Sonntag. Warum sprechen wir hier darüber? Die Regierung in Stockholm wird am 1. Januar turnusgemäß den Vorsitz im EU-Rat übernehmen und damit Tschechien ablösen.
Sicherlich werden nicht alle Triloge zum Fit-for-55-Paket bis Ende des Jahres abgeschlossen. Das heißt, wenn Stockholm die “Geschäfte” im Rat übernimmt, wird die dortige Regierung die Verhandlungen bis zum Ende führen müssen. Die Wahlergebnisse am kommenden Sonntag dürften einen ersten Hinweis geben, wie viel Ehrgeiz die kommende schwedische Ratspräsidentschaft insbesondere in Sachen Klima an den Tag legt – oder eben nicht. Momentan zeigen die Meinungsumfragen vor der Abstimmung am 11. September, dass die Sozialdemokratin Magdalena Andersson und ihre Verbündeten Kopf an Kopf mit einem rechten Block liegen, in dem Ulf Kristersson, der Leader der gemäßigten Konservativen, der Hauptkandidat ist, um sie aus dem Amt der Regierungschefin zu verdrängen.
Ausnahmsweise sind sich einmal der für Energie und Klima zuständige EU-Parlamentarier Michael Bloss (Grüne/EFA) und die Europäische Kommission, vertreten durch ihren Sprecher Eric Mamer, einig: Beide betonten diese Woche, wie dringend notwendig es sei, dass die Mitgliedstaaten gemeinsam auf Shoppingtour beim Gas gehen. Bisher war es eher so, dass jedes einzelne Land in eigener Mission bei den Exportländern vorstellig wurde. So trieben sie gegenseitig unbeabsichtigt die Preise in die Höhe. Die Rekordpreise an den Märkten sind auch der Anlass, warum heute die Energieminister zusammenkommen, um über geeignete Maßnahmen für deren Senkung zu diskutieren.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es sechs sogenannte bilaterale Solidaritätsabkommen zwischen Mitgliedsstaaten über Gaslieferungen gibt: Das erste wurde am 14. Dezember 2020 zwischen Deutschland und Dänemark unterzeichnet, weitere fünf Abkommen wurden am 2. Dezember 2021 zwischen Deutschland und Österreich, am 4. Januar 2022 zwischen Estland und Lettland, am 10. März 2022 zwischen Litauen und Lettland, am 22. April 2022 zwischen Italien und Slowenien und am 25. April 2022 zwischen Finnland und Estland unterzeichnet.
Wir wollen hier nicht diskutieren, ob ein gemeinsamer Einkauf rechtlich bindend sein oder auf freiwilliger Basis erfolgen sollte. Vielmehr geht es darum, die Notwendigkeit zu betonen, Strom als gemeinsames Gut für alle zu definieren. Und den neuen Strommarkt mit den Klimazielen der EU in Richtung Dekarbonisierung unserer Energie in Einklang zu bringen.
Denn der Preisanstieg, der durch Putins Einmarsch in die Ukraine und einen Sommer, der die wahren Folgen des Klimanotstands gezeigt hat, angeheizt wurde, zeigt zum einen, dass die beiden Probleme miteinander verknüpft sind. Es wird auch deutlich, dass die Logik des “Ich zuerst” am Ende ist. Es ist höchste Zeit, statt dessen mehr den Gedanken “Zusammen ist man weniger allein” zu leben, um diesmal den Titel eines erfolgreichen französischen Romans zu verwenden. Oder muss man tatsächlich noch einmal daran erinnern, dass das Prinzip “chaqu’un pour soi”, was auf Deutsch so viel heißt wie “Jeder ist sich selbst der Nächste”, um jeden Preis in der jetzigen Lage zu verhindern ist. Es sei denn, man wollte Putin in die Hände spielen.
um 19.30 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit meldete die Nachrichtenagentur Reuters den Tod des Staatsoberhaupts vom Vereinigten Königreich. “Königin Elizabeth II”, so schreibt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, “ist eine Frau, die ein Jahrhundert geprägt hat. Sie hat Zeitgeschichte erlebt und geschrieben. Ihre Majestät genoss auf der ganzen Welt höchstes Ansehen und Respekt.” Drüben auf der anderen Seite des Kanals in der französischen Hauptstadt wurde zum Gedenken die Beleuchtung des Eiffelturms ausgeknipst.
In der EU ist crunchtime für Notfallmaßnahmen gegen hohe Preise auf Gas und Strom. Am heutigen Freitag treffen sich die Energieminister und beraten die Vorschläge für das weitere Vorgehen, die die EU-Kommission erarbeitet hat. Wie in Brüssel zu hören ist, wird die Kommission schon am Dienstag einen Gesetzgebungsvorschlag präsentieren. Das zeigt: Wenn es pressiert, kann der Beamtenapparat im Berlaymont sehr zügig arbeiten und zu sehr konkreten Ergebnissen kommen. Das Drehbuch sieht dann für den Mittwoch die Rede von Ursula von der Leyen zur Lage der Europäischen Union vor. In der Ansprache unter dem Kürzel SOTEU2022 wird sie mit Pathos ausbuchstabieren, was die EU zum Schutz der Bürger vor Preisschocks tun will. Noch im September, heißt es, könnte ein zweites Sondertreffen der Energieminister der 27 fällig werden.
Meine Kollegin Claire Stam legt in ihrem Ausblick auf den Herbst detailliert dar, wie der Stand bei den weiteren Gesetzgebungsvorhaben rund um das Energiethema ist. Bei der Erneuerbaren Energierichtlinie und der Energieeffizienzrichtlinie stehen die Abstimmungen im Plenum schon bald an.
Um die Ansiedlung einer TSMC-Fabrik in Europa, über die schon lange spekuliert wird, geht es in einem Stück von meinen Kollegen Till Hoppe und Finn Mayer-Kuckuk. Der Weltmarktführer für Chips aus Taiwan pocht aber auf Staatsbeihilfen und Abnahmegarantien der Auto-Hersteller. Auch ein deutscher Standort ist im Gespräch. Industriekommissar Thierry Breton, der Europas Anteil an der Chipproduktion nach oben treiben will, konnte bei seinem Berlin-Besuch noch nicht grünes Licht vermelden. Breton unterstrich aber, wie willkommen das Unternehmen hier wäre.
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hofft darauf, den taiwanischen Chiphersteller TSMC zum Bau einer Fabrik in der EU zu bewegen. “Wir wären sehr froh, wenn sie sich in Europa niederlassen würden – sei es allein oder gemeinsam mit anderen”, sagte er am Donnerstag in Berlin. Der weltgrößte Auftragsfertiger sei ein “sehr wichtiger Player”.
Das TSMC-Management lotet seit vergangenem Jahr eine Investition in Europa aus. Die Kunden des Unternehmens insbesondere in der Autoindustrie drängen TSMC, auf dem Kontinent eine eigene Fabrik zu bauen. Sie leiden unter Lieferengpässen und fürchten, von der Versorgung abgeschnitten zu werden, sollte China den Nachbarn Taiwan militärisch attackieren. Ohne Halbleiter aus Taiwan stehen die Bänder der deutschen Autohersteller still.
Als mögliche Partner von TSMC in der Halbleiterindustrie werden in Industriekreisen Bosch, Infineon und NXP gehandelt. Die Bundesregierung ist eng eingebunden in die Verhandlungen, die nach Informationen aus Industriekreisen schon fortgeschritten sind. In der Chipbranche sind hohe Zuschüsse aus Steuermitteln üblich, um die Unternehmen zu einer kapitalintensiven Investition zu bewegen.
Auch ein Standort in Deutschland ist in der Diskussion. So soll es Gespräche um die Nutzung von Bauland in der Nähe von Dresden für eine TSMC-Ansiedlung geben. Andere Städte in der EU konkurrieren jedoch ebenfalls um die Ansiedlung des Top-Arbeitgebers.
Experten gehen aber davon aus, dass TSMC eine Fabrik in Europa nicht mit seiner modernen Technologie mit Strukturgrößen unter sieben Nanometern ausrüsten wird. “Wenn TSMC in Europa investiert, dann wahrscheinlich in eine Fabrik mit reiferer Technologie, die Strukturgrößen ab 18 Nanometer fertigt”, sagt Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung.
Das entspricht jedoch dem Bedarf der deutschen Abnehmer, denn Autohersteller und Zulieferer werden insbesondere von Lieferengpässe in diesen reiferen Technologiebereichen geplagt. Sie brauchen keine superschnellen Hochleistungschips wie die Hersteller von PCs und Smartphones, sondern kostengünstige Bauteile, die für den Einsatz im Auto bisher ausreichen.
Im Juli hatten ST Microelectronics und der US-Auftragsfertiger Globalfoundries (GF) bereits angekündigt, mehr als fünf Milliarden Euro in ein Chip-Werk in Frankreich zu investieren, das 18-Nanometer-Halbleiter herstellen soll. Der US-Hersteller Intel will insgesamt 80 Milliarden Euro in Europa in die Hand nehmen und plant unter anderem ein Werk in Magdeburg.
Knackpunkt für eine Ansiedlung von TSMC in Deutschland dürften Liefervereinbarungen, insbesondere mit den Autoherstellern und deren Zulieferern sein. “Eine Produktion in Europa wäre teurer als in Taiwan, daher würde die Fab für den lokalen Markt produzieren und bräuchte vermutlich langfristige Abnahmegarantien seiner Kunden”, sagt Kleinhans.
Die Diskussion um ein TSMC-Werk in Deutschland geht schon länger in verschiedene Richtungen. Das Unternehmen selbst äußerte sich mal so, mal so. Neben den Abnahmegarantien geht es dem Vernehmen nach um die Beihilfen.
Der TSMC-Gründer und frühere CEO Morris Chang hält eine Herstellung auch in den USA nicht für wettbewerbsfähig. Da die Kosten immer höher seien als in Taiwan, sei die Ansiedlung für TSMC kein gutes Geschäft. Der Subtext der Aussage: Ohne dauerhafte Subventionen sind solche Überseestandorte nicht wirklich überlebensfähig. TSMC baut im US-Bundesstaat Oregon Chips, die in der Produktion 50 Prozent teurer sind als die gleichen Produkte aus Taiwan. Derzeit entsteht in Arizona eine weitere, große Fabrik. Auch diese Investmententscheidung war an staatliche Förderung gebunden.
Breton will jedoch mit dem European Chips Act einen rechtlichen Rahmen schaffen, der Subventionen erleichtern und die Rahmenbedingungen in Europa verbessert. Ziel der Kommission ist es, bis 2030 den Anteil Europas an der globalen Halbleiterproduktion auf 20 Prozent mehr als zu verdoppeln. Breton hat dabei vor allem Mikrochips der neuesten Generation im Sinn, mit Strukturgrößen von weniger als fünf Nanometern. TSMC ist auf dem Gebiet weltweit führend.
Gerade die Abhängigkeit von China und Taiwan wird mit Sorge gesehen. Hintergrund sind die zunehmenden Spannungen um die Insel. China baut eine Drohkulisse gegenüber Taiwan auf, während auch die USA ihrerseits den Ton verschärft haben. Das Szenario eines bewaffneten Konflikts erscheint ungleich realer als noch vor Jahresfrist.
Ein Krieg um Taiwan hätte wirtschaftlich zwei katastrophale Effekte: Die Produktionsstätten in Taiwan würden zerstört oder wären nicht mehr an die Warenströme angebunden. Und China würde vermutlich mit Sanktionen belegt. So oder so wäre der jetzige Teilemangel trivial gegenüber den Auswirkungen eines Krieges.
Für Taiwan ist die zentrale Stellung in der Lieferkette daher einerseits eine Lebensversicherung – dass sich die USA und EU ihrer Abhängigkeit bewusst sind, motiviert zum Schutz der Insel. Andererseits will auch die dortige Industrie ihre Standorte diversifizieren, um im Fall der Katastrophe an sicherer Stelle weiterproduzieren zu können. Till Hoppe/Finn Mayer-Kuckuk
Plenartagung des EU-Parlaments: Waldstrategie, erneuerbare Energien, Enrgieeffizienz
12.09.2022 17:00-22:00 Uhr
Themen: Aussprachen zur neuen EU-Waldstrategie für 2030, zur Richtlinie über erneuerbare Energien und zur Energieeffizienz.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO)
12.09.2022 19:00-20:30 Uhr
Themen: Schaffung eines Rahmens für eine europäische digitale Identität, Ausübung der Rechte der Union bei der Durchsetzung des Brexit-Abkommens.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten (AFET)
12.09.2022 19:30-21:15 Uhr
Themen: Entwurf einer Stellungnahme zur Verstärkung des Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027, Berichtsentwurf zum Zugang zu Wasser als Menschenrecht.
Vorläufige Tagesordnung
Gemeinsame Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG) und des Ausschusses für Wirtschaft und Währung (ECON)
12.09.2022 19:45-21:45 Uhr
Themen: Dialog über Aufbau und Resilienz mit Kommissionsvize Valdis Dombrovskis und Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.
Vorläufige Tagesordnung
Wöchentliche Kommissionssitzung
13.09.2022
Themen: Verbot von Zwangsarbeit, Notfall-Instrument für den Binnenmarkt, europäischer Rechtsakt zur Widerstandsfähigkeit im Internet, europäischer Rechtsakt zur Medienfreiheit.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz 15:30 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Mindestlöhne, auswärtige Angelegenheiten, südliche Nachbarschaft
13.09.2022 09:00-22:00 Uhr
Themen: Aussprache zu angemessenen Mindestlöhnen in der EU, Aussprache über auswärtige Angelegenheiten in Anwesenheit des Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Aussprache zur erneuerten Partnerschaft mit der südlichen Nachbarschaft.
Vorläufige Tagesordnung
Informelle Ministertagung Landwirtschaft und Fischerei
14.09.-16.09.2022
Themen: Die Minister für Landwirtschaft und Fischerei kommen zu einem informellen Treffen zusammen.
Vorläufige Tagesordnung
Treffen der G7-Handelsminister
14.09.-15.09.2022
Themen: Stärkung des Multilateralismus mit einer globalen Handelspolitik, Beitrag des Handels zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, digitale und nachhaltige Transformation des globalen Handelssystems, Gestaltung offener, fairer, resilienter und nachhaltiger Lieferketten.
Vorläufige Tagesordnung
Plenartagung des EU-Parlaments: Lage der Union, Verletzung der EU-Werte, Grundrechte in der EU
14.09.2022 09:00-22:00 Uhr
Themen: Rede zur Lage der Union durch Ursula von der Leyen, Aussprache zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Werte, auf die sich die Union gründet, durch Ungarn, Aussprache zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2020 und 2021.
Vorläufige Tagesordnung
EuGH-Verhandlung zu deutschen Beihilfen für Unternehmen während der Covid-19-Pandemie
14.09.2022
Themen: Mit Beschluss vom 20. November 2020 genehmigte die Kommission die deutsche Rahmenregelung zur Übernahme eines Teils der ungedeckten Fixkosten der von der Covid-19-Pandemie betroffenen Unternehmen. Das Bekleidungsunternehmen Breuninger sowie der Bekleidungshersteller Falke haben den Kommissionsbeschluss vor dem Gericht der EU angefochten.
Klage
EuGH-Verhandlung zur deutschen Beihilferegelung zum Ausgleich von Einbußen wegen des Lockdowns
14.09.2022
Themen: Mit Beschluss vom 28. Mai 2021 genehmigte die Kommission eine mit 10 Mrd. Euro ausgestattete deutsche Regelung zur Entschädigung von Unternehmen in der COVID-19-Pandemie. Das Bekleidungsunternehmen Breuninger hat den Kommissionbeschluss vor dem Gericht der EU angefochten.
Klage
Plenartagung des EU-Parlaments: Finanzierung europäischer Parteien
15.09.2022 09:00-16:00 Uhr
Themen: Aussprache zum Statut und zur Finanzierung europäischer politischer Parteien und europäischer politischer Stiftungen.
Vorläufige Tagesordnung
Eine ganze Reihe an ehrgeizigen Gesetzen, Maßnahmen und Zielen hat sich die EU in den vergangenen Jahren und Monaten auferlegt, um Klima und Umwelt zu schützen. Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sprach gar von einem “völlig neuen Pfad” für Wirtschaft und Gesellschaft.
Doch das Verabschieden neuer Rechtsrahmen auf EU-Ebene sei letztlich wirkungslos, wenn diese in den Mitgliedsstaaten nicht umgesetzt würden. Gerade im Umweltbereich gebe es trotz einiger Fortschritte weiterhin eine große Lücke, so Sinkevičius bei der Vorstellung des aktuellen Berichts der Kommission zur Umsetzung der EU-Umweltpolitik in den Ländern. Auch in Deutschland herrscht Nachholbedarf.
Die wohl größte und wichtigste Baustelle für Deutschland ist und bleibt der Schutz der Gewässer, insbesondere des Grundwassers. Dessen Qualität habe sich auch nach der jüngsten Dokumentation über die Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie nicht verbessert. Die Verschmutzung durch die Nitrate, insbesondere aus Überdüngung in der Landwirtschaft, bleibe “weiterhin sehr besorgniserregend”, heißt es in dem Bericht der Kommission. An 27 Prozent aller Messstellen werde der Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter überschritten, womit Deutschland im EU-weiten Vergleich fast das Schlusslicht bildet. Nur Malta schneidet noch schlechter ab.
Das führe auch zu “akuten Problemen mit übermäßigem Pflanzen- und Algenwachstum in der Ost- und Nordsee aufgrund der hohen Nährstoffkonzentration”, so die Kommission. Lediglich acht Prozent aller Oberflächengewässer seien in einem ökologisch guten Zustand. Damit hat Deutschland die Umweltziele bis 2021 im Wasserbereich verfehlt. Selbst bis 2027 werden die Ziele kaum zu erreichen sein, heißt es in dem Bericht.
Die Brüsseler Behörde hatte zuletzt einem Vorschlag des Landwirtschaftsministeriums (BMEL) zugestimmt, wonach die sogenannten Roten Gebiete erheblich ausgeweitet werden sollen. Gemeint sind landwirtschaftliche Nutzflächen, in denen die Nitratbelastung im Grundwasser besonders hoch ist und in denen deshalb 20 Prozent weniger Dünger ausgebracht werden darf. Dem neuen Vorschlag zufolge soll der Umfang dieser Gebiete von derzeit zwei auf knapp drei Millionen Hektar anwachsen.
Die EU-Kommission hatte die unzureichende Umsetzung der Nitratrichtlinie in Deutschland in den vergangenen Jahren immer wieder angeprangert und bereits mehrfach vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Recht bekommen. Sollte die Richtlinie weiterhin nicht eingehalten werden und es zu einem weiteren Verfahren kommen, drohen Strafzahlungen in Milliardenhöhe.
Das Schwimmen in deutschen Badeseen ist dennoch unbedenklich. So hatten laut Kommission 90 Prozent der Badegewässer im Jahr 2020 wie auch in den Vorjahren eine “ausgezeichnete Qualität”.
Jahrelang wurden insbesondere in Großstädten die Grenzwerte für Stickstoffdioxid deutlich überschritten, nicht zuletzt als Folge des Abgasskandals rund um die Manipulation der Schadstoffwerte bei Dieselfahrzeugen. Nach einem Vertragsverletzungsverfahren und der Verurteilung Deutschlands vor dem EuGH stellt die Kommission in ihrem Bericht nun deutliche Verbesserungen der Luftqualität in deutschen Städten fest.
So sei die Anzahl der Gebiete, in denen eine Überschreitung der Grenzwerte festgestellt wurde, gegenüber 2017 von 35 auf fünf gesunken. Beim Feinstaub seien die Werte drei Jahre in Folge eingehalten worden. Man gehe deshalb davon aus, dass Deutschland die Reduktionsvorgaben für die meisten Luftschadstoffe einhalten werde. Prominente Ausnahme: Ammoniak, das überwiegend durch den großflächigen Einsatz von Stickstoffdünger in der Landwirtschaft in die Luft gelangt.
Die Ziele des EU-Aktionsplans für Schadstofffreiheit im Jahr 2030 bestehen darin, die gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung um 55 und die von Luftverschmutzung bedrohten Ökosysteme in der EU um 25 Prozent zu verringern.
In den kommenden Jahren sollen die EU-Vorschriften für saubere Luft nochmals deutlich verschärft werden, um den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation besser gerecht zu werden, heißt es in Kommissionskreisen.
Weniger präsent, aber nicht weniger wichtig als der Schutz des Klimas ist der Erhalt der Artenvielfalt. Darin ist sich die Wissenschaft weitestgehend einig. Im Rahmen ihrer Biodiversitätsstrategie will die EU Zielvorgaben und Maßnahmen definieren, um gesunde und widerstandsfähige Ökosysteme zu schaffen.
Zu den wichtigsten Legislativ-Instrumenten zur Erhaltung der Tier- und Pflanzenwelt gehört die Habitat- und Vogelschutzrichtlinie, unter die auch die Ausweisung der Natura 2000 und weiterer Schutzgebiete zählt. Zwar verfügt Deutschland über eine Vielzahl an nationalen Naturschutzgebieten und auch das Natura-2000-Netz ist laut Kommission beinahe vollständig. Die ausgewiesenen Ziele und Maßnahmen in den Gebieten seien jedoch nicht annähernd ausreichend, um die Richtlinie umzusetzen. Entsprechenden Aufforderungen aus Brüssel kam Bundesrepublik nicht nach, weshalb auch in diesem Bereich ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem EuGH anhängig ist.
Zwar hat die Anzahl der Lebensräume, die sich in einem “guten Zustand” befinden, dem Kommissionsbericht zufolge minimal zugenommen. Erheblich stärker angestiegen ist jedoch die Anzahl der Lebensräume in “schlechtem Zustand”. Auch deshalb soll der Öko-Anteil an der Landwirtschaft deutlich ausgeweitet werden. Mit aktuell rund zehn Prozent liegt Deutschland in etwa im EU-Durchschnitt. Lediglich Österreich erfüllt das europaweite Ziel von 25 Prozent bis 2030. Deutschland will sogar 30 Prozent erreichen, was von den meisten Experten jedoch als unrealistisch eingeschätzt wird.
Der EU-Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft gehört zu den wichtigsten Bausteinen den Green Deals. Vorgesehen sind Initiativen für den gesamten Lebenszyklus von Produkten und eine Verdopplung der Nutzungsrate wiederverwertbarer Stoffe bis 2030. Hier gibt es große Unterschiede unter den Mitgliedsstaaten.
In Deutschland stieg die Zweitnutzung von Materialien von 11,4 Prozent im Jahr 2017 auf 13,4 Prozent im Jahr 2020. Das ist zwar knapp über dem EU-Durschnitt, aber nur eine kleine Steigerung und noch weit entfernt vom Spitzenreiter Niederlande (31 Prozent).
Beim Abfallmanagement hingegen hat Deutschland zumindest in puncto Recycling nach wie vor eine Führungsrolle. So wurden im Jahr 2019 rund 67 Prozent der Siedlungsabfälle wiederverwertet. Das ist im EU-weiten Vergleich der höchste Wert. Noch besser wäre es allerdings, Abfälle zu vermeiden, und hier wendet sich das Blatt: 2020 lag das Abfallaufkommen pro Kopf bei 632 Kilogramm. Damit weist Deutschland die vierthöchste Pro-Kopf-Quote auf und liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt von 505 Kilogramm.
Immerhin: Als erster EU-Mitgliedstaat hat Deutschland im Jahr 2020 eine allgemeine “Sorgfaltspflicht” für Hersteller und Händler eingeführt, um Abfälle zu vermeiden. Dazu gehört beispielsweise der Verkauf von Waren kurz vor dem Verfallsdatum zu einem reduzierten Preis.
Bei der Finanzierung der Umweltschutzmaßnahmen muss Deutschland überwiegend auf nationale Quellen zurückgreifen. Für den Zeitraum 2021 bis 2027 schätzt die Kommission den Investitionsbedarf auf mindestens 0,82 Prozent des BIP pro Jahr. Basierend auf den bisherigen Investitionen rechnet die Brüsseler Behörde mit einer Finanzierungslücke im Umweltbereich von 0,19 Prozent des BIP und damit rund 7 Milliarden Euro jährlich.
Kein Wunder: Die Einnahmen Deutschlands aus umweltbezogenen Steuern im Vergleich zum BIP sind dem Bericht zufolge die viertniedrigsten in der EU und beliefen sich im Jahr 2020 auf 1,71 Prozent. Demgegenüber stehen nach wie vor hohe Subventionen für fossile Brennstoffe, die im Jahr 2019 gut zwölf Milliarden Euro ausmachten, was 0,36 Prozent des BIP entspricht.
Die von der österreichischen Regierung unter Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) beschlossene Strompreisbremse erntet wenig Beifall. Ökonomen warnen vor einer zu lockeren Ausgabenpolitik der schwarz-grünen Koalition in Wien, um die Energiekrise zu bewältigen. “Die Regierung macht eine Tür auf, die nicht mehr zu schließen ist. Auf den Stromrechnungsdeckel wird der Gaspreisdeckel folgen, wie von Nehammer bereits in Aussicht gestellt. Am Ende kommt dann vielleicht auch noch ein Deckel für Lebensmittel und alle Mieten. Das wird teuer”, kritisiert die liberale Denkfabrik Agenda Austria. “Wir bürden die Finanzierung unserer Wohlstandsillusion den kommenden Generationen auf.”
Die von schwarz-grünen Koalition beschlossenen Strompreisbremse wird laut Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) den Steuerzahler zwischen drei und vier Milliarden Euro kosten. Die österreichische Regierung hatte am Mittwoch die Strompreisbremse als Reaktion auf die stark gestiegenen Preise beschlossen. Ursprünglich sollte das Entlastungspaket bereits im August beschlossen werden.
“Niemand in Österreich soll sich seinen Grundbedarf an Strom nicht leisten können. Das ist das wichtigste Ziel der Strompreisbremse”, sagte Nehammer im Kanzleramt. Die Regelung soll vorerst bis Juni 2024 gelten. Mit der Strompreisbremse wird jeder Haushalt um etwa 500 Euro entlastet.
Bei einem Verbrauch von bis zu 2900 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr gilt der Tarif mit 10 Cent netto pro kWh. Für den Verbrauch über dieser Verbrauchsgrenze müssen marktübliche und damit sehr hohe Preise gezahlt werden. Bei der Strompreisbremse hat die Koalition auch eine soziale Komponente eingebaut. Alle Haushalte, die von der Rundfunkgebühr – bekannt als GIS-Gebühr – befreit sind, und Haushalte mit mehr als drei Personen können zusätzliche Finanzhilfe beantragen. Damit kam die Koalition in Wien Kritikern aus dem Arbeitnehmerlager entgegen.
Eine Strompreisbremse soll auch Teil des dritten Entlastungspakets der Regierung in Berlin werden. In Meseberg beschloss das Kabinett “eine Basisversorgung zu billigeren Preisen”. Als Modell für Deutschland taugt die österreichische Strompreisbremse allerdings kaum.
Das Wiener Modell macht keinerlei Vorgaben zum Energiesparen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn 80 Prozent des Durchschnittsverbrauchs eines Haushalts subventioniert würden. So könnte ein Anreiz erhalten bleiben, 20 Prozent des teureren Stroms einzusparen. Selbst daran gibt es allerdings Zweifel. Der Energieökonom Andreas Löschel verweist auf empirische Untersuchungen, wonach für Verbraucher die durchschnittlichen Stromkosten ihres gesamten Verbrauchs entscheidend sind, nicht die Kosten einer zusätzlichen Kilowattstunde.
Das Wiener Modell kommt den Bürgern noch weiter entgegen, denn 2900 Kilowattstunden entsprechen dem Verbrauch eines Zwei- bis Drei-Personen-Haushalts. Vier Fünftel der österreichischen Haushalte verbrauchen jährlich weniger. Anreize zum Stromsparen hat also kaum jemand.
Zudem sind zehn Cent pro Kilowattstunde spottbillig und sogar weit weniger, als Haushalte vor Beginn des Krieges zahlten. In Österreich lag der durchschnittliche Strompreis 2021 bei 23 Cent, in Deutschland sogar bei 32 Cent. “Das tötet nicht nur jeden Anreiz zum Stromsparen”, sagt der Energieexperte Lion Hirth von der Hertie School. “Das könnte die Menschen sogar dazu veranlassen, elektrisch zu heizen, um die höheren Gaspreise zu umgehen. Das würde die Stromnetze hohen Belastungen aussetzen.”
Für die österreichische Regierung ist die am Mittwoch beschlossene Strompreisbremse jedenfalls ein zentraler Baustein zur Entlastung der Haushalte. Die Koalition hatte zuletzt eine ganze Reihe von finanziellen Unterstützungen wie die doppelte Familienbeihilfe oder der Anti-Teuerungs- und Klimabonus auf den Weg gebracht. “Insgesamt haben wir nun eine Fülle an Maßnahmen, die sicherstellen, dass wir die Menschen in Österreich in dieser Phase der Belastung nicht alleinlassen”, sagte Nehammer.
Gewerkschaften und Umweltorganisationen sind mit der Strompreisbremse unzufrieden. Sie verlangen, die teilstaatlichen Energieriesen in Österreich, den Stromkonzern Verbund und Öl- und Gaskonzern OMV, zur Kasse zu bitten. “Während aus Steuermitteln hohe Unterstützungsleistungen bezahlt werden, machen manche Energiekonzerne gigantische Gewinne auf Kosten der Allgemeinheit”, kritisiert der Energiesprecher der Umweltorganisation Global 2000, Johannes Wahlmüller. Global 2000 fordert eine Strafzahlung für Energiekonzerne, die keinen Fahrplan für den Ausstieg aus Öl und Gas und für Investments in erneuerbare Energien vorlegen. Die grüne Energieministerin Leonore Gewessler war vor der Übernahme ihres Regierungsamtes Geschäftsführer von Global 2000.
Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die einflussreiche Arbeiterkammer haben bereits ein Modell vorgelegt, wie die “Übergewinne” der Unternehmen vom Staat kassiert werden können. “Wir lehnen es jedenfalls ab, dass die Steuerzahler sich die Strompreisbremse selber bezahlen”, sagte Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl. Der österreichische Staat besitzt am Verbund mit 51 Prozent die Aktienmehrheit. An der OMV hält er 31,5 Prozent der Anteile.
“Weder in Deutschland noch in Österreich hat der Staat die Daten, um den Bürger direkt Geld zu überweisen. In Österreich hat der Staat von 1,2 Millionen Haushalte noch nicht einmal die Kontonummern”, sagt Gabriel Felbermeyer. Der frühere Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft gilt als der einflussreichste Ökonom in der Alpenrepublik. Einer auf EU-Ebene viel diskutierten Gasbremse steht er skeptisch gegenüber: “Es ist logisch, dass wir beim Strom beginnen. Wenn wir eine Gasbremse wollen, müssen wir uns aber fragen: Was machen wir mit Öl-, Pellet- und Holz-Heizungen?”
Nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen EU-Staaten versuchen die Regierungen, mit Strompreisbremsen die Auswirkungen der europäischen Sanktionspolitik gegenüber Russland zu reduzieren und die hohe Inflation zu dämpfen. Experten gehen davon aus, dass trotzdem die politischen Auseinandersetzungen zwischen Befürworter und Gegner der EU-Sanktionen gegen Russland zunehmen werden. Einen Vorgeschmack gab es bereits am vergangenen Wochenende in der Tschechischen Republik. In Prag gingen rund 70.000 Menschen gegen die EU-Sanktionen auf die Straße.
“Wir haben hohe Strompreise und hohe Volatilität. Beides wird nicht verschwinden. Diese Entwicklung wird sehr geschickt vom Kreml aus gesteuert”, sagte Felbermayr. “Das Spiel mit dem Gaspreis und der Volatilität ist die Rache der Russen. Der Einfluss des Kremls auf den Strompreis wird aber zurückgehen, da wir zunehmend andere Energiequellen haben werden wie zum Beispiel LNG.” Es werde eine langsame Normalisierung auf dem Preisniveau des weltweiten Flüssiggases geben.
Von der EU-Kommission erwartet er ein höheres Tempo in der Energiekrise. “Die EU-Kommission ist nicht ausreichend schnell, um Lösungen für den europäischen Strommarkt zu finden. Die Kommission muss rascher agieren. Der Druck wird angesichts der Dramatik der Ereignisse wachsen. Europa muss die Preise runterkriegen”, forderte der Ökonom in Wien. Mit Manuel Berkel
Zu Errinnerung: Die RED und EED Richtlinien werden im Rahmen des Fit-for-55-Pakets überarbeitet, das die Kommission im Juli 2021 verabschiedet hat. Was wie ein Fitness-Programm für Fünfzigjährige klingt ist tatsächlich ein Mammut-Legislativpaket mit dem Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Dieses Ziel ist im europäischen Klimagesetz verankert, ebenso wie die rechtsverbindliche Verpflichtung, die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Diese Vorschläge würden den Europäischen Gasverbrauch bis 2030 um Prozent senken, wobei mehr als ein Drittel dieser Einsparungen auf die Erfüllung der Energie-Effizienzziele zurückzuführen ist.
Akteure: Zuständig ist der Industrieausschuss (ITRE), Berichterstatter ist Markus Pieper (CDU)
Inhalt: Die meisten der angestrebten Änderungen im Rahmen des RePowerEU-Plans betreffen die Richtlinie über erneuerbare Energien (RED). Der Vorschlag der Kommission würde den geforderten Anteil erneuerbarer Energiequellen (EE) am Endenergieverbrauch der EU bis 2030 auf 45 Prozent erhöhen. Dieser EE-Anteil ist höher als die 40 Prozent, die die Kommission in ihrem Fit-for-55-Vorschlag vorgesehen hat. Und viel höher als der Anteil von 32,5 Prozent in der bestehenden RED (zuletzt geändert 2018). Der Kommissionsvorschlag enthält außerdem verstärkte Maßnahmen zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für neue EE-Kraftwerke oder für die Anpassung bestehender EE-Anlagen.
Aufseiten des Parlaments schlägt der ITRE in seinem Bericht ein ehrgeizigeres Ziel von 45 Prozent EE-Anteil am Endenergieverbrauch bis 2030 vor.
Der Rat der EU hat am 29. Juni 2022 eine allgemeine Ausrichtung angenommen, die das von der Kommission im Juli 2021 vorgeschlagene 40-Prozent-Ziel bei erneuerbaren Energien unterstützt. Die allgemeine Ausrichtung setzt weniger ehrgeizige sektorale Ziele als der Kommissionsvorschlag oder der ITRE-Bericht, unterstützt aber die Verschärfung der Nachhaltigkeitskriterien für Biomasse und die Beschleunigung des Verfahrens zur Erteilung von EE-Genehmigungen. Abstimmung im Parlament nächste Woche.
Akteure: Zuständig ist der Industrieausschuss (ITRE), Berichterstatter ist Niels Fuglsang (S&D, Dänemark)
Inhalt: Der Vorschlag der Kommission enthält höhere Ziele für die Senkung des Primärenergieverbrauchs (minus 39 Prozent) und des Endenergieverbrauchs (minus 36 Prozent) der EU bis 2030, wobei eine Obergrenze von 1023 Millionen Tonnen Öläquivalent (Mtoe) für den Primärenergieverbrauch und 787 Mtoe für den Endenergieverbrauch festgelegt werden (im Vergleich zu 1128 bzw. 846 Mtoe unter der EED 2018). Diese neuen Ziele sollen auf EU-Ebene verbindlich werden und durch ein Benchmarking-System verstärkt werden, mit dem die Mitgliedstaaten ihre nationalen Richtwerte für dieses verbindliche EU-Ziel festlegen können. Die Neufassung der EED zielt darauf ab, die Energieeffizienz in den EU-Mitgliedstaaten erheblich zu steigern, indem sie sich auf Sektoren mit hohem Energiesparpotenzial (Heizung und Kühlung, Industrie und Energiedienstleistungen) konzentriert und vom öffentlichen Sektor erwartet, dass er mit gutem Beispiel vorangeht.
Der ITRE-Bericht setzt ehrgeizigere Ziele als der Vorschlag der Kommission, nämlich eine Verringerung des Endenergieverbrauchs um 40 Prozent (Obergrenze von 740 Mio. t RÖE) und eine Verringerung des Primärenergieverbrauchs um 42,5 Prozent (Obergrenze von 960 Mio. t RÖE). Dies ist etwas ehrgeiziger als die überarbeiteten Ziele von der Kommission im Rahmen ihres Repower EU-Plans. Dem ITRE-Bericht zufolge müssten die Mitgliedstaaten verbindliche nationale Beiträge auf der Grundlage beider Energieverbrauchsindikatoren leisten und in den Jahren 2025 und 2027 Etappenziele erreichen, um sicherzustellen, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Abstimmung im Parlament nächste Woche.
Akteure: Zuständig sind der Wirtschaftsausschuss ECON und der Haushaltsausschuss BUDG, für den Teil, in dem es um den Emissionshandel geht, ist jedoch allein der Umweltausschuss ENVI zuständig. Berichterstatter für den ETS-Bereich ist Peter Liese (CDU).
Inhalt: Mit dem REPowerEU-Plan will die Kommission die Energieunabhängigkeit Europas vorantreiben. Angesichts des russischen Angriffskrieges sollen vor allem fossile Energielieferungen aus Russland drastischen heruntergefahren, längerfristig will man komplett darauf verzichten. Dass es ein solches Programm braucht, dürfte sowohl im Parlament als auch unter den Mitgliedstaaten weitgehend unstrittig sein.
Die große Frage ist noch die Finanzierung. Von den über 300 Milliarden Euro, die für REPowerEU aus verschiedenen Quellen mobilisiert werden sollen, würden laut dem Kommissionsvorschlag 20 Milliarden Euro aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten aus der Marktstabilitätsreserve kommen. Kein unumstrittenes Modell, da es den Markt destabilisieren könnte (Europe.Table berichtete).
Die EVP ist dennoch offen für eine solche Teilfinanzierung. Dass dadurch auch der CO2-Preis sinken könnte, wird unter den Christdemokraten weniger als Problem, sondern eher als entlastendes Element gesehen. “Wir müssen dringend schnell reagieren, um Stromkunden und Unternehmen vor untragbaren Kosten zu schützen. Dazu muss auch der Europäische Emissionshandel einen Beitrag leisten”, sagt Liese.
Die Kommission hat vorgeschlagen, die Zertifikate bis 2026 zu versteigern, um zu große kurzfristige CO2-Preissteigerungen zu vermeiden. Liese hält genau dies für wünschenswert und schlägt deshalb vor, die Auktionierung innerhalb von zwölf Monaten nach dem Inkrafttreten des REPowerEU-Plans durchzuführen. So würden kurzfristig die Preise im ETS gesenkt und langfristig stünde Geld zur Dekarbonisierung und für mehr Energieunabhängigkeit zur Verfügung.
Dennoch gibt es Widerstand im Umweltausschuss: Die finanzielle und ökologische Integrität des ETS werde durch das Vorgehen gefährdet.
Zeitplan: Das Parlament will im ersten Oktober-Plenum über seine eigene Position zu REPowerEU abstimmen. Es wird nicht ausgeschlossen, dass der Termin noch verschoben wird.
Akteure: Zuständig ist der Industrieausschuss ITRE, Berichterstatter ist Ciarán Cuffe (Grüne/EFA, Irland)
Die Kommission hat am 15. Dezember 2021 ihren Vorschlag für die Gebäudeeffizienz-Richtlinie EPBD vorgelegt. Sie soll die Instrumente für das Erreichen eines Null-Emissions-Gebäudebestands bis 2050 festlegen, eine neue Definition des Null-Emissions-Gebäudes einführen und bestehende Definitionen wie “Fast-Null-Energie-Gebäude” (nZEB) und “tiefgreifende Renovierung” verfeinern.
Die EPBD soll Mitgliedstaaten verpflichten, dafür zu sorgen, dass neue Gebäude für den Einsatz von Solarenergie zum einen geeignet sind. Zum anderen sollen sie dafür sorgen, dass Solarenergieanlagen auch auf Gebäuden installiert werden. Dies würde ab 2027 für alle neuen öffentlichen und gewerblichen Gebäude mit einer Nutzfläche von mehr als 250 Quadratmetern und ab 2028 für alle bestehenden öffentlichen und gewerblichen Gebäude dieser Größe gelten. Ab 2030 würde diese Anforderung auf alle neuen Wohngebäude ausgedehnt.
Zeitplan: ITRE-Abstimmung am 26. Oktober, der Berichterstatter legte im Juni 2022 einen Berichtsentwurf vor, der für Änderungsanträge geöffnet wurde, die derzeit verhandelt werden.
Akteure: Zuständig ist der Umweltausschuss ENVI; Berichterstatterin ist Jessica Polfjärd (EVP, Schweden).
Inhalt: Die 2018 verabschiedete Verordnung zur Lastenteilung legt für jeden Mitgliedstaat (MS) verbindliche jährliche THG-Emissionsziele für die Jahre 2020 bis 2030 für Sektoren fest, die nicht in das EU-Emissionshandelssystem (ETS) einbezogen sind: Gebäude, Landwirtschaft, Abfall, Kleinindustrie und Verkehr, die rund 60 Prozent der Emissionen ausmachen. Die Kommission schlägt vor, die Emissionen aus den ESR-Sektoren um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand von 2005 zu senken – ein Anstieg um elf Prozentpunkte gegenüber dem bestehenden kollektiven EU-27-Ziel einer Emissionsreduzierung um 29 Prozent.
Zeitplan: Am 27. September 2021 trafen sich die ENVI-Mitglieder zu einem ersten Meinungsaustausch. Sie wiesen auf mehrere Punkte hin, wie etwa die Notwendigkeit, die Angleichung der ESR an das EU-EHS zu gewährleisten und das Fehlen eines Orientierungsrahmens für die Zeit nach 2030. Thema war auch die Komplexität, die sich aus der Schaffung eines Kohlenstoffmarktes für den Straßenverkehr und für Gebäude ergibt.
Akteure: Zuständig ist der Wirtschaftsausschuss ECON, Berichterstatter Johan Van Overtveldt (ECR, Belgien)
Inhalt: Die Kommission will die Energiebesteuerungsrichtlinie überarbeiten. Ziel ist, die Besteuerung von Energieerzeugnissen mit der Energie- und Klimapolitik der EU in Einklang zu bringen, saubere Technologien zu fördern und überholte Ausnahmeregelungen abzuschaffen.
Zeitplan: Im Ausschuss soll am 26. September abgestimmt werden.
Akteure: Zuständig ist der Umweltausschuss ENVI, Berichterstatterinnen sind ist Jutta Paulus (Grüne, Deutschland) und Silvia Sardone (ID, Italien)
Inhalt: Die Kommission will Methanemissionen im Energiesektor drastisch verringern. Es geht um die Sektoren Energie, Landwirtschaft, Abfall und Abwasser. Wie im Strategiedokument dargelegt, werden sich die Legislativvorschläge auf den Energiesektor konzentrieren.
Akteure: Zuständig ist der Industrieausschuss ITRE, Berichterstatter ist Jens Geier (SPD)
Inhalt: Die Kommission will die Gasrichtlinie überarbeiten. Dies ist Teil des Pakets für Wasserstoff und dekarbonisierte Gasmärkte, das auch eine Neufassung der EU-Gasverordnung von 2009 und Überarbeitungen der Verordnung von 2017 über die Sicherheit der Gasversorgung umfasst. Die EU-Gasrichtlinie von 2009 ist Teil des dritten Energiepakets, das den Rechtsrahmen für den EU-Energiebinnenmarkt festlegt. Während die Stromkomponente des dritten Energiepakets 2019 überarbeitet wurde, um sie an die ehrgeizigeren Klima- und Energieziele der EU anzupassen, wurde die Gaskomponente des dritten Energiepakets bisher nur gezielt überarbeitet. Die überarbeitete Gasrichtlinie besteht aus 10 Kapiteln mit insgesamt 90 Artikeln.
Zeitplan: ITRE-Abstimmung am 28. November 2022
Akteure: Zuständig ist der Industrieausschuss ITRE, Berichterstatter ist Jerzy Buzek (EVP, Polen)
Inhalt: Wie die Überarbeitung der EU-Gasrichtlinie ist auch die Überarbeitung der EU-Gasverordnung Teil des Pakets für Wasserstoff und dekarbonisierte Gasmärkte, das auch eine grundlegende Überarbeitung der EU-Gasrichtlinie von 2009 umfasst. Die Neufassung der EU-Gasverordnung besteht aus fünf Kapiteln mit 69 Artikeln
Zeitplan: ITRE-Abstimmung am 28. November 2022. Mit Lukas Scheid
Bei den Verhandlungen für den Aufbau einer europäischen Ladeinfrastruktur (AFIR) haben die Parlamentsberichterstatter am Mittwoch einen Durchbruch erreicht. Wie Europe.Table aus Parlamentskreisen erfahren hat, wurden beim letzten Shadow-Meeting die meisten der noch offenen Fragen geklärt.
Zum Beispiel müssen Preise demnach pro Kilowattstunde (E-Autos) bzw. Kilogramm (Wasserstoff) und für den Kunden transparent und nachvollziehbar abgerechnet werden. Zudem sollen öffentliche Ladestellen verpflichtend unabhängig der Automarke zugänglich gemacht werden.
Offen ist nach den Informationen von Europe.Table nur noch das Thema Strafen. Berichterstatter Ismail Ertug (S&D) hatte vorgeschlagen, dass Strafen von bis zu 1.000 Euro pro Tag und pro Ladesäule ausgesprochen werden können, wenn die Ziele der AFIR nicht eingehalten werden. Einigen Fraktionen geht das offenbar zu weit, da die Höhe der Festsetzung von Strafen nicht Kompetenz des Parlaments, sondern von Gerichten sei.
Da es unter den Berichterstattern und Schattenberichterstattern diesbezüglich keine Einigung gab, geht der Vorschlag zu den Strafen nun in die offene Abstimmung unter den Mitgliedern im Verkehrsausschuss (TRAN). Diese soll am 3. Oktober stattfinden. Im Oktober soll schließlich auch das Plenum über die Position des Parlaments zur AFIR entscheiden. luk
Die EZB stemmt sich mit einer so starken Zinserhöhung wie noch nie seit Einführung des Euro-Bargelds 2002 gegen die ausufernde Inflation im Euro-Raum. Die Währungshüter um EZB-Chefin Christine Lagarde beschlossen am Donnerstag, den Leitzins um außerordentlich kräftige 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent anzuheben. “Wir haben unglaublich hohe Inflationszahlen, wir sind bei unserer Vorhersage nicht am Ziel und wir müssen handeln”, sagte Lagarde und stellte weitere Zinsanhebungen in Aussicht. Dies ist bereits der zweite Straffungsschritt in Folge. Im Juli hatte die EZB die Zinswende eingeleitet und die Schlüsselsätze erstmals seit 2011 nach oben gesetzt. Angesichts der Energiekrise und der hohen Inflation rechnet Lagarde mit einer Eintrübung der Konjunktur. “Wir erwarten, dass sich die Wirtschaft substanziell im restlichen Jahresverlauf abschwächt,” sagte sie.
An den Börsen kam insbesondere der Konjunkturausblick nicht gut an. Der Dax baute seine Verluste aus und verlor mehr als ein Prozent. Der Euro geriet ebenfalls unter Druck und verbilligte sich zweitweise auf 0,9958 Dollar.
Hinter dem für die EZB bisher beispiellosen Jumbo-Schritt steht die ausufernde Inflation im Euro-Raum. Der Einlagensatz wurde ebenfalls um 0,75 Prozentpunkte erhöht. Die vor allem durch den Energiepreisschub infolge des Ukraine-Kriegs angefachte Teuerung erfasst immer weitere Bereiche der Wirtschaft. Im August war die Inflation in der Euro-Zone auf ein neues Rekordniveau von 9,1 Prozent geklettert, ein Nachlassen ist nicht in Sicht. Das Inflationsniveau ist damit mittlerweile mehr als viermal so hoch wie das Ziel der Währungshüter. Die EZB erachtet zwei Prozent Teuerung als optimal für die Wirtschaft. Sie ist daher zuletzt immer stärker unter Zugzwang geraten, energisch gegen den Preisschub einzuschreiten.
“Es ist gut, dass sich die EZB zu einem großen Zinsschritt um 75 Basispunkte durchgerungen hat,” kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Beschlüsse. Jetzt komme es darauf an, dass die EZB ihre Leitzinsen in den kommenden Monaten trotz steigender Rezessionsrisiken auch tatsächlich weiter kräftig anhebe. Mit der Anhebung der Leitzinsen um 75 Basispunkte sende die EZB ein Signal der Entschlossenheit im Kampf gegen die Inflation, sagte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust. “Es ist für die Wirtschaft besser, wenn die EZB die Zinsen schnell anhebt, anstatt das Bremsmanöver und die Unsicherheit über lange Zeit zu strecken.” rtr
Die tschechische Ratspräsidentschaft ist offenbar bereit, das Klimaziel der EU anzupassen. In einem internen Entwurf von Schlussfolgerungen des Rates zur Vorbereitung der UN-Klimakonferenz in Sharm el Sheikh (COP27) heißt es, man stehe bereit, den national festgelegten Beitrag (NDC) zur globalen Emissionsreduktion anzupassen.
Die Teilnehmerländer der COP27 sind angehalten, ihre NDCs bis zur Weltklimakonferenz Anfang November, wenn möglich anzuheben. Aus dem Entwurf aus dem Generalsekretariat des Rates geht nun hervor, dass die EU ihr Ziel von 55 Prozent Emissionsreduktion bis 2030 (im Vergleich zu 1990) entsprechend dem Endergebnis des Fit-for-55-Pakets aktualisieren könne.
Hintergrund für die mögliche Anhebung ist laut Informationen von Europe.Table die Verhandlung zu natürlichen CO2-Speichern (LULUCF). Die aktualisierten Ziele zur Senkleistung der LULUCF-Sektoren würden Möglichkeiten eröffnen, die Reduktionsziele generell zu erhöhen. Wie groß dieses Potenzial ist und wie ein erhöhter NDC aussehen könnte, ist noch völlig unklar. Ein Vorschlag dazu müsste von der EU-Kommission kommen, den sowohl Parlament als auch Mitgliedstaaten mittragen. luk
Mit Milliardenhilfen für neue Waffen und der Ausbildung von Soldaten in Deutschland will der Westen die Ukraine im Krieg gegen Russland auf lange Sicht unterstützen. “Wir arbeiten auch zusammen, um der Ukraine dabei zu helfen, sich langfristig zu verteidigen oder fähige, nachhaltige Kräfte zu entwickeln, um sich selbst zu verteidigen und Aggressionen abzuschrecken”, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Donnerstag auf dem amerikanischen Militärstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein.
Während eines Überraschungsbesuchs in Kiew kündigte US-Außenminister Antony Blinken 2,2 Milliarden Dollar (2,2 Milliarden Euro) für die Ukraine und ihre Nachbarn an. Die US-Regierung wolle das von Russland angegriffene Land sowie 18 Staaten der Region damit langfristig militärisch stärken, teilte das Außenministerium in Washington mit. Austin versprach derweil in Ramstein ein neues Waffenpaket für die Ukraine in Höhe von rund 675 Millionen Dollar (etwa 676 Mio. Euro).
Der US-Verteidigungsminister hatte die Mitglieder der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe nach Ramstein eingeladen. An der Konferenz nahmen Verteidigungsminister und ranghohe Militärs aus mehr als 50 Ländern teil.
Deutschland und die Niederlande kündigten bei dem Treffen an, ukrainische Soldaten bei der Räumung von Landminen und dem Beseitigen von Sprengfallen auszubilden.
Um Frankreichs Chansonier Charles Aznavour zu paraphrasieren, werde ich Ihnen von einer Zeit erzählen, die die unter Dreißigjährigen nicht kennen. Damals waren Energie- und insbesondere Stromfragen nur für Experten, Ingenieure und andere “Wonks”, wie auf Englisch Freaks genannt werden, von Bedeutung.
Die Zeiten sind vorbei. Und die Rede zur Lage der Union, im EU-Jargon SOTEU genannt, wird widerspiegeln, wie sehr Energie– und Stromfragen mittlerweile das gesamte politische Spektrum durchdringen: Außen-, Sozial-, Wirtschafts-, Klimapolitik – es hört gar nicht mehr auf. Die meisten Bürger werden in den 27 Mitgliedstaaten ihren Geschäften nachgehen, ohne viel von der Aufregung zu spüren, die die Rede in der EU-Bubble verursacht – und dennoch: Die Rede wird für jeden von ihnen Folgen haben.
Die politische Agenda ist in diesen Monaten nun einmal sehr stark von Energiefragen geprägt. Das beginnt mit dem heutigen Freitag, an dem sich die EU-Energieminister treffen. Dann die Wahlen in Schweden am kommenden Sonntag. Warum sprechen wir hier darüber? Die Regierung in Stockholm wird am 1. Januar turnusgemäß den Vorsitz im EU-Rat übernehmen und damit Tschechien ablösen.
Sicherlich werden nicht alle Triloge zum Fit-for-55-Paket bis Ende des Jahres abgeschlossen. Das heißt, wenn Stockholm die “Geschäfte” im Rat übernimmt, wird die dortige Regierung die Verhandlungen bis zum Ende führen müssen. Die Wahlergebnisse am kommenden Sonntag dürften einen ersten Hinweis geben, wie viel Ehrgeiz die kommende schwedische Ratspräsidentschaft insbesondere in Sachen Klima an den Tag legt – oder eben nicht. Momentan zeigen die Meinungsumfragen vor der Abstimmung am 11. September, dass die Sozialdemokratin Magdalena Andersson und ihre Verbündeten Kopf an Kopf mit einem rechten Block liegen, in dem Ulf Kristersson, der Leader der gemäßigten Konservativen, der Hauptkandidat ist, um sie aus dem Amt der Regierungschefin zu verdrängen.
Ausnahmsweise sind sich einmal der für Energie und Klima zuständige EU-Parlamentarier Michael Bloss (Grüne/EFA) und die Europäische Kommission, vertreten durch ihren Sprecher Eric Mamer, einig: Beide betonten diese Woche, wie dringend notwendig es sei, dass die Mitgliedstaaten gemeinsam auf Shoppingtour beim Gas gehen. Bisher war es eher so, dass jedes einzelne Land in eigener Mission bei den Exportländern vorstellig wurde. So trieben sie gegenseitig unbeabsichtigt die Preise in die Höhe. Die Rekordpreise an den Märkten sind auch der Anlass, warum heute die Energieminister zusammenkommen, um über geeignete Maßnahmen für deren Senkung zu diskutieren.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es sechs sogenannte bilaterale Solidaritätsabkommen zwischen Mitgliedsstaaten über Gaslieferungen gibt: Das erste wurde am 14. Dezember 2020 zwischen Deutschland und Dänemark unterzeichnet, weitere fünf Abkommen wurden am 2. Dezember 2021 zwischen Deutschland und Österreich, am 4. Januar 2022 zwischen Estland und Lettland, am 10. März 2022 zwischen Litauen und Lettland, am 22. April 2022 zwischen Italien und Slowenien und am 25. April 2022 zwischen Finnland und Estland unterzeichnet.
Wir wollen hier nicht diskutieren, ob ein gemeinsamer Einkauf rechtlich bindend sein oder auf freiwilliger Basis erfolgen sollte. Vielmehr geht es darum, die Notwendigkeit zu betonen, Strom als gemeinsames Gut für alle zu definieren. Und den neuen Strommarkt mit den Klimazielen der EU in Richtung Dekarbonisierung unserer Energie in Einklang zu bringen.
Denn der Preisanstieg, der durch Putins Einmarsch in die Ukraine und einen Sommer, der die wahren Folgen des Klimanotstands gezeigt hat, angeheizt wurde, zeigt zum einen, dass die beiden Probleme miteinander verknüpft sind. Es wird auch deutlich, dass die Logik des “Ich zuerst” am Ende ist. Es ist höchste Zeit, statt dessen mehr den Gedanken “Zusammen ist man weniger allein” zu leben, um diesmal den Titel eines erfolgreichen französischen Romans zu verwenden. Oder muss man tatsächlich noch einmal daran erinnern, dass das Prinzip “chaqu’un pour soi”, was auf Deutsch so viel heißt wie “Jeder ist sich selbst der Nächste”, um jeden Preis in der jetzigen Lage zu verhindern ist. Es sei denn, man wollte Putin in die Hände spielen.