Table.Briefing: Europe

Bernd Lange warnt China + Atom-Debatte + Russisches Getreide

  • Interview mit Bernd Lange: “Dann gibt es keine Kooperation mehr”
  • IW warnt vor wachsender Abhängigkeit von China
  • Guterres: Export russischer Lebensmittel erleichtern
  • Habeck lehnt längere AKW-Laufzeiten ab
  • Brüssel genehmigt Energie-Beihilfen
  • Macron: Entbehrungen sind “Preis der Freiheit”
  • Mitsotakis: Historischer Tag für Griechenland
  • Presseschau
  • Isabelle Buscke – Die Stimme der Verbraucher
Liebe Leserin, lieber Leser,

Russland fällt in der Ukraine ein, China bedroht Taiwan – die Zeiten sind gefährlich. Der Handelspolitik aber haben die geopolitischen Spannungen neues Leben eingehaucht: Viele seiner Kollegen und Kolleginnen im Europaparlament, die zuvor im handelskritischen Mainstream mitgeschwommen seien, wüssten stabile Beziehungen inzwischen zu würdigen, berichtet Bernd Lange. Der langjährige Vorsitzende des Handelsausschusses erwartet in den kommenden Monaten eine ganze Reihe von neuen Deals, wie er Amelie Richter und mir im Interview verriet.

Der SPD-Politiker warnt Peking zudem davor, seine Drohungen gegenüber Taiwan wahrzumachen. Dann werde es weitreichende EU-Sanktionen geben, ungeachtet aller wirtschaftlichen Flurschäden in Deutschland und Europa. Die hiesige Industrie hat offenkundig noch nicht erkannt, wie groß die Risiken sind: Sie investiert laut Institut der deutschen Wirtschaft unverdrossen in Rekordhöhe in China. Die Folgen eines Konflikts um Taiwan könne bei besonders exponierten Unternehmen “sogar in die Pleite führen”, warnen die Ökonomen. Mehr dazu in den News.

Die Debatte um die hohen Gaspreise dürften noch einige Kapriolen schlagen; die Forderung von FDP-Vize Wolfgang Kubicki, die Ostseepipeline Nord Stream 2 zu öffnen, werten wir als solche. Die Diskussion um die Laufzeit der verbliebenen Atomkraftwerke geht hingegen auf die Zielgerade: Kanzler Scholz erwartet das Ergebnis des Stresstests der Netzbetreiber Ende August, Anfang September. Das notgedrungene Hochfahren von Kohlekraftwerken hat derweil einen Nebeneffekt: Die Preise der Zertifikate im europäischen Emissionshandel erreichen alte Höchststände – zum Leidwesen der ohnehin schon belasteten Industrien.

Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenstart!

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

Bernd Lange: “Dann gibt es keine Kooperation mehr”

Porträtfoto von Bernd Lange, er sitzt für die SPD im EU-Parlament und leitet den Leiter den Ausschuss für internationalen Handel.
Bernd Lange (SPD) leitet den Ausschuss für internationalen Handel im Europaparlament.

Herr Lange, die EU hat im Handelsstreit zwischen USA und China immer betont, sich nicht auf die Seite Washingtons schlagen zu wollen. Lässt sich das durchhalten, angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine und Pekings Drohungen gegenüber Taiwan?

Wir stehen nicht dazwischen, wir sind Werte-mäßig klar mit den USA verbunden. Aber wir haben unterschiedliche Interessen. Die Position, China mit allen wirtschaftlichen Mitteln niederzuhalten und damit die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten ökonomisch zu sichern, ist sicherlich nicht in unserem Interesse. Es kann nicht gelingen, China politisch oder ökonomisch zu isolieren. Dort, wo man kooperieren und Einfluss nehmen kann, sollte man das auch nutzen. Die Zeit einer bipolaren Welt ist vorbei. Von daher gibt es diese Diskussionen auch mit unseren amerikanischen Freunden.

Sie waren kürzlich in Washington, wie war Ihr Eindruck?

Die Anti-China-Politik stand dort stark im Vordergrund. Der große Konkurrent, die Gefahr, für Washington, ist China. Man sieht es auch in der nationalen Politik der USA: In dem neuen Klima- und Sozialpaket ist die Förderung von Elektroautos enthalten. Dort ist die klare Ansage, dass Produkte, die hauptsächlich in China hergestellt werden, nicht ins Förderprogramm einfließen. Sondern nur Batterien und auch Rohstoffe, die in den USA produziert sind. Das heißt aber, dass europäische Autos ebenfalls nicht gefördert werden. Die Interessenslagen der Vereinigten Staaten sind sehr stark auf das eigene Land ausgerichtet.

Sollte die EU wegen dieser Form der Diskriminierung vor die WTO ziehen?

Es gibt Interessensgegensätze, das kann man nicht vom Tisch wischen. Wir sollten aber versuchen, das Thema im Dialog zu klären.

Trotz dieser Meinungsunterschiede: Sollte die EU angesichts der Spannungen mit Russland und China ein Handelsabkommen mit Washington anstreben?

In den USA ist es zurzeit nicht möglich, ein Mandat des Kongresses für ein Handelsabkommen mit der EU zu bekommen. Die Administration will es auch nicht versuchen, das ist die klare Ansage der Handelsbeauftragten Katherine Tai. Insofern gibt es im Moment diese eher niederschwellige Zusammenarbeit im Rahmen des Handels- und Technologierates, was ich sinnvoll finde.

Ließe sich die von Ihnen beschriebene differenzierte EU-Politik gegenüber China durchhalten, wenn es tatsächlich zu Aggressionen gegen Taiwan kommt?

Nein, keinesfalls. Das wurde beim Wirtschaftsdialog mit Peking im Juli deutlich gesagt. Wenn es aggressive Handlungen gegenüber Taiwan geben wird, dann wird mit Sanktionen und harter Politik reagiert werden.

Das würde erhebliche Wohlstandsverluste in Europa bedeuten.

Sicherlich, aber da gibt es überhaupt kein Vertun. Dann gibt es keine Möglichkeiten der Kooperation mehr.

Sollte die EU die Beziehungen zu Taiwan über ein Investitionsabkommen ausbauen? Oder befürchten Sie eine aggressive Reaktion Pekings?

Die politische Einschätzung der EU-Kommission ist, dass das erstens ökonomisch nicht notwendig ist und zweitens zusätzliche Probleme hinsichtlich der Ein-China-Politik hervorrufen würde. Ich sehe das überhaupt nicht so. Wenn wir ein ähnliches Abkommen, wie wir es mit der Volksrepublik mit dem CAI ausgehandelt haben, mit Taiwan schließen würden, dann gibt es keinen rationalen Grund für eine solche Reaktion. Nur wenn ein Abkommen mit Taiwan über das CAI hinausgehen würde, dann würde das sicherlich zu einer Eskalation führen. (Lesen Sie hierzu weitere Passagen des Interviews bei China.Table).

Neuer Schub für die Handelspolitik

Gibt die geopolitische Lage der Handelspolitik insgesamt neuen Schub?

Absolut. Auch im Europaparlament beobachte ich bei Kolleginnen und Kollegen, die zuletzt im handelskritischen Mainstream mitgelaufen sind, dass die Frage stabiler, widerstandsfähiger Beziehungen zu Ländern eine größere Bedeutung bekommen hat.

Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck sind gestern nach Kanada gereist, um die Kooperation bei Energielieferungen und Rohstoffen zu vertiefen. Haben Sie die Hoffnung, dass die Situation auch Bewegung in die stockende Ratifizierung des CETA-Abkommens bringt?

In wenigen Wochen wird CETA seit fünf Jahren vorläufig in Kraft sein. Kanada ist ein enger Verbündeter – wenn man das mit Kanada nicht hinkriegt, mit wem dann? Die Einsicht ist auch in den Parteien gewachsen, die die Ampel tragen – ich bin mir sicher, dass Deutschland bald ratifizieren wird. Dann hätten wir 17 von 27 Mitgliedstaaten. Auch für Frankreich bin ich zuversichtlich. Ein bisschen kitzlig wird es dann nochmal in Belgien mit den fünf Regionalparlamenten, aber auch da sehe ich einen zunehmenden Realitätssinn.

Wie lassen sich solche Hängepartien künftig vermeiden?

Die Lehre aus CETA und auch aus dem Urteil des EuGH zum Singapur-Abkommen ist, dass wir klar zwischen Handelsteil und Investitionsteil trennen. Dann kann das Handelsabkommen mit der Ratifizierung im Europaparlament final in Kraft treten. So haben wir es bei Japan und Vietnam gemacht und deswegen werden wir auch das modernisierte Abkommen mit Mexiko splitten. Bei Mercosur sollten wir ebenfalls so vorgehen.

Das Abkommen mit den vier Mercosur-Staaten liegt seit 2019 auf Eis. Wird es nach der Präsidentschaftswahl in Brasilien Anfang Oktober einen neuen Anlauf geben?

Wenn Lula die Wahl gewinnt, stehen wir bereit. Gesprächsbedarf gibt es noch bei den Nachhaltigkeitskriterien im Abkommen, also beim Schutz des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet, aber auch bei den Arbeitnehmerrechten. Inzwischen gibt es ein eigenes EU-Gesetzesvorhaben gegen Entwaldung, das dürfte die Diskussion ein Stück weit versachlichen.

Könnte eine Zusatzerklärung zum Handelsvertrag die verbliebenen Sorgen ausräumen?

Es wäre sinnvoll, eine Art Roadmap zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstandards in einer Zusatzerklärung festzuhalten. Diese Zusagen müssten rechtsverbindlich sein, wie wir es auch von künftigen Vertragspartnern erwarten.

Lithium und Wasserstoff aus Chile

Das Abkommen mit Chile ist weitgehend ausverhandelt, war aus Rücksicht auf die Wahlen in Frankreich aber zurückgestellt worden. Ist es jetzt bald soweit?

Ich gehe davon aus, dass man bis Ende des Jahres eine politische Übereinkunft und Unterschrift hinkriegen kann. Das Abkommen mit Chile ist ein sehr modernes: Wir haben ein eigenständiges Unterkapitel zu Genderfragen, auch die Nachhaltigkeitskapitel sind sehr gut.

Chile verfügt über wertvolle Rohstoffe. Welche Bedeutung hätte dieses Abkommen für die EU?

Chile ist der größte Lithium-Produzent weltweit, 40 Prozent des Kupfers kommt von dort. Wir wollen Zugang zu diesen Rohstoffen, aber eben in einer fairen Art und Weise – das war bei früheren Lieferverträgen der EU nicht immer der Fall. Die chilenische Regierung will, dass ein Teil der Wertschöpfung im Land stattfindet. Das unterstützen wir, auch wenn es vielleicht nicht gleich eine Batteriefabrik sein wird. Chile könnte auch ein wichtiger Lieferant von grünem Wasserstoff sein – die Bedingungen dort sind sehr günstig. Es ist also in unserem Interesse, die Bedingungen für den Export von Wasserstoff nach Europa im Abkommen zu regeln.

Die Kommission verhandelt auch mit Australien über ein Handelsabkommen – ein weiteres rohstoffreiches Land. Wie schätzen Sie den Zeithorizont ein?

Es gibt in den Verhandlungen noch einige Nickeligkeiten, etwa was die geografischen Herkunftsbezeichnungen für Wein betrifft, aber auch die australische Einfuhrsteuer für Premium-Autos. Mit der neuen Regierung in Canberra wird aber einiges leichter: Sie hat eine ganz andere Herangehensweise an den Klimaschutz und akzeptiert, dass Handelspolitik auch zur Reduzierung der CO2-Emissionen dienen muss. Ich gehe davon aus, dass eine Einigung bis Anfang nächsten Jahres möglich sein könnte.

Einen neuen Anlauf unternimmt die Kommission für ein Handelsabkommen mit Indien. Wie zuversichtlich sind Sie, dass diese Gespräche etwas ergeben?

Allzu optimistisch bin ich nicht. Der Anstoß dazu kam aus der geopolitischen Situation, dem russischen Angriff auf die Ukraine, und man sieht ja auch, dass sich Indien im pazifischen Raum neu positioniert. Aber es gibt so viele Fragen: zu Zöllen, zum Patentschutz in der Landwirtschaft, zu den Produktionsbedingungen, zu Dienstleistungen aus Indien in Europa.

Die EU-Kommission will Mitte September ihren Vorschlag für ein Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit vorlegen. Was erwarten Sie davon?

Es wird ein Vermarktungsverbot von Produkten aus Zwangsarbeit geben. So ist es auch möglich, dass Zwangsarbeit innerhalb der Europäischen Union sanktioniert wird und diese Produkte nicht auf den Markt gelassen werden. In Fragen der Evidenz solle man eng mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zusammenarbeiten.

Was steht nach der Sommerpause sonst noch auf Ihrer Agenda?

Beim Lieferketten-Gesetz beginnen jetzt die aktiven Beratungen. Die Zuständigkeit innerhalb des Europaparlaments ist allerdings noch nicht hundertprozentig geklärt. Es gibt einen Vorschlag, dass der Justizausschuss den Lead hat, aber das ist noch nicht bestätigt. Dazu kommt noch die Gesetzgebung gegen wirtschaftlichen Zwang, das “Anti-Coercion-Instrument”. Hier müssen noch der Umfang und die Definition klarer werden. Wir möchten es im Oktober im EU-Parlament verabschieden und dann hoffentlich noch unter der tschechischen Ratspräsidentschaft den Trilog führen. Vor allem Litauen macht hier intern Druck.

  • China
  • Geopolitik
  • Handel
  • Handelspolitik

News

IW: Abhängigkeit von China “mit Volldampf in falsche Richtung”

Trotz der Debatte um eine geringere wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von China hat sich die Entwicklung im ersten Halbjahr sogar verschärft. “Die deutschen Direktinvestitionsflüsse nach China waren noch nie so hoch“, heißt es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Auch die Importe aus der Volksrepublik und das deutsche Defizit im Handel mit dem Land erreichten demnach Rekordwerte. Der chinesische Markt soll den Ökonomen zufolge offenbar immer mehr durch Produktion vor Ort statt durch Ausfuhren bedient werden.

Angesichts Chinas Verhalten beim RusslandUkraine-Krieg und massiver Drohungen Pekings gegenüber Taiwan werde die Abhängigkeit zu einem politischen Problem, warnten die Kölner Forscher. Denn sollte es nach einem Einmarsch der Volksrepublik in Taiwan zu umfangreichen Sanktionen des Westens gegenüber China kommen, drohen aufgrund der hohen Importabhängigkeit nicht nur massive Engpässe bei vielen Zulieferungen aus dem Land. “Bei in China besonders exponierten deutschen Unternehmen könnte das dann absehbar kollabierende China-Geschäfts durch Einbußen auf der Absatzseite möglicherweise sogar in die Pleite führen.”

Nach Daten der Zahlungsbilanz habe die deutsche Wirtschaft allein zwischen Januar und Juni rund zehn Milliarden Euro in der Volksrepublik investiert. Seit der Jahrtausendwende betrug der Höchstwert in einem ersten Halbjahr nur 6,2 Milliarden Euro. “Der chinesische Absatzmarkt und die dort kurzfristig winkenden Gewinne erscheinen schlichtweg zu attraktiv zu sein.” Zudem werde China als Importeur für Deutschland immer wichtiger.

Das arbeitgebernahe Institut fordert deshalb ein Umsteuern der Politik, die bestehende Anreize für ein Engagement in der Volksrepublik rasch abbauen sollte. Es müsse auch mehr Diversifizierung geben und den Aufbau von Handels- und Investitionsbeziehungen mit anderen Schwellenländern, vor allem in Asien. Darüber hinaus sollte die Politik Unternehmen mit “starken Risikoexposures in China” zu einem angemessenen Risikomanagement bewegen. “Wir drohen sonst in ein ‘too big too fail’ reinzulaufen wie bei den Banken”, betonte Matthes. rtr/nib

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Guterres: Export russischer Lebensmittel erleichtern

U.N.-Generalsekretär António Guterres will mit den USA und der EU daran arbeiten, den Zugang für russische Lebensmittel und Düngemittel zum Weltmarkt zu erleichtern. Durch die von den Vereinten Nationen vermittelte Vereinbarung zur Ukraine seien bereits mehr als 650.000 Tonnen Getreide und andere Lebensmittel exportiert worden, sagte Guterres am Samstag bei einem Besuch in Istanbul. “Der andere Teil dieses Pakets ist der ungehinderte Zugang zu den Weltmärkten für russische Lebensmittel und Düngemittel, die nicht unter die Sanktionen fallen”, sagte er.

Die Länder, die wegen des Einmarsches in der Ukraine Sanktionen gegen Russland verhängt hätten, hätten deutlich gemacht, dass diese nicht für Lebensmittel und Düngemittel gälten. Dennoch habe es einen “abschreckenden Effekt” auf die russischen Exporte gegeben, sagte Guterres. Es gebe eine Reihe von Hindernissen in Bezug auf den Transport, die Versicherung und die Finanzierung, die überwunden werden müssten.

Dies sei auch angesichts der jüngsten Preisanstiege geboten, sagte der UN-Generalsekretär. “Mehr Lebensmittel und Düngemittel aus der Ukraine und Russland zu bekommen, ist entscheidend, um die Rohstoffmärkte weiter zu beruhigen und die Preise für die Verbraucher zu senken.

Auf Russland und die Ukraine entfiel vor der russischen Invasion am 24. Februar etwa ein Drittel der weltweiten Weizenexporte. Russland ist auch ein wichtiger Exporteur von Düngemitteln. Guterres mahnte: “Ohne Dünger 2022 wird es 2023 vielleicht nicht genug Nahrung geben.” rtr/dpa

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Habeck lehnt längere AKW-Laufzeiten ab

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lehnt längere Laufzeiten für die letzten drei deutschen Atomkraftwerke ab. Mit dem Weiterbetrieb könne man den Gasverbrauch um maximal zwei Prozent senken, sagte der Grünen-Politiker am Sonntag beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung. “Für das wenige, was wir da gewinnen, ist es die falsche Entscheidung.” Es gebe andere Möglichkeiten, Gas zu sparen. Dafür solle der Konsens zum Atomausstieg nicht wieder aufgeschnürt werden, sagte der Grünen-Politiker.

Laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist die Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung noch offen. Das Ergebnis des Stresstests für die drei noch laufenden Atomkraftwerke werde “Ende des Monats, vielleicht Anfang des nächsten Monats” vorliegen, sagte er. Dann werde man entscheiden, ob die Meiler noch über das Jahresende hinaus genutzt werden sollen.

Die Atomkraftwerke könnten aber ohnehin nur einen kleinen Beitrag zu Lösung des Energieproblems beitragen, so Scholz. Wie problematisch die Technik sei, zeige sich in Frankreich, wo derzeit viele Atomkraftwerke ausfielen. Neubauten seien so teuer, dass sie anders als erneuerbare Energie für hohe Strompreise sorgten.

Die Diskussion in Deutschland wird angesichts der drohenden Gasknappheit und hoher Strompreise auch in anderen EU-Staaten aufmerksam verfolgt. Die Abschaltung der verbliebenen Kernkraftwerke zum Jahresende wäre etwa in den Niederlanden kaum zu vermitteln, wenn Deutschland zugleich auf eine Steigerung der Förderung im Gasfeld Groningen drängt. Diese ist wegen der Probleme mit Erdbeben in der Region hochumstritten. Binnenmarktkommissar Thierry Breton warb bei seinem Besuch in Berlin für Solidarität: “Jedes Land muss so viel Energie produzieren, wie es kann”. 

Die Bundesregierung hat einen Stresstest bei den Stromnetz-Betreibern in Auftrag gegeben. Dabei wird geprüft, ob etwa eine Streckung des Betriebs der drei verbliebenen AKW erforderlich sein könnte, um das Netz stabil zu halten und die Versorgungssicherheit zu garantieren. Dabei spielt unter anderem eine Rolle, dass Frankreich zahlreiche seiner Kernkraftwerke wegen Wartungsarbeiten vom Netz genommen hat und so teilweise von Deutschland mitversorgt wird. Das Problem für Frankreich könnte sich im Winter verschärfen, da das Land auch beim Heizen stark auf Strom setzt.

Robert Habeck sagte, etwas anderes als die Frage der Laufzeitverlängerung sei die Frage der Stromnetz-Stabilität gerade in Bayern im Winter. “Das könnte unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Problem werden.” Auch wenn die Gründe von Bayern etwa wegen des fehlenden Ausbaus der Windenergie oder der Netze zu verantworten seien, müsse die Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Ein Ergebnis der Prüfung gebe es aber noch nicht. rtr/tho

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Energiepreise: Brüssel genehmigt Milliardenhilfe für Unternehmen

Deutschland darf energieintensive Unternehmen mit rund 27,5 Milliarden Euro unterstützen. Die EU-Kommission hat am Freitag grünes Licht für eine entsprechende Beihilfemaßnahme gegeben. Konkret geht es darum, dass indirekte Emissionskosten für die Jahre 2021 bis 2030 vom Staat erstattet werden sollen. Dabei handelt es sich um den Teil der höheren Strompreise, der durch den gestiegenen CO2-Preis im Rahmen des europäischen Emissionshandels (ETS) verursacht wird.

Der Preis für eine Tonne CO2 im ETS ist zuletzt wieder auf Rekordniveau gestiegen und liegt aktuell bei über 98 Euro. Durch die Beihilferegelung soll nach Angaben der EU-Kommission Carbon Leakage verhindert werden. “Im Falle einer solchen Abwanderung würde der Schadstoffausstoß weltweit gesehen zunehmen”, heißt es in der Mitteilung zur Begründung zur Annahme der Regelung. Folglich können nur Unternehmen unterstützt werden, in deren Sektoren ein Risiko für Emissionsverlagerung besteht. Die Kriterien dafür, in welchen Sektoren ein solches Risiko besteht, hat die Kommission in den Beihilfeleitlinien festgelegt.

Um Emissionskosten erstattet zu bekommen, müssen Unternehmen zudem bestimmte Bedingungen erfüllen. Diese können etwa darin bestehen, die Maßnahmen für mehr Energieeffizienz aus ihrem Energiemanagementsystem umzusetzen oder mindestens 30 Prozent ihres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen zu decken, wie aus der Mitteilung der Brüsseler Behörde hervorgeht. Darüber hinaus müssen die Unternehmen ab 2023 zusätzliche Investitionen tätigen, sodass insgesamt mindestens 50 Prozent des Beihilfebetrags in die Umsetzung von Maßnahmen für einen effizienteren Einsatz von Energie oder in die Dekarbonisierung ihres Produktionsprozesses fließen.

Der Höchstbetrag für die Beihilfe soll in der Regel bei 75 Prozent der angefallenen indirekten Emissionskosten liegen, kann aber laut Kommission heraufgesetzt werden, “um die verbleibenden indirekten Emissionskosten auf 1,5 Prozent der Bruttowertschöpfung des Unternehmens zu begrenzen”. luk/dpa

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Macron: Entbehrungen “Preis der Freiheit”

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Sanktionspolitik an die Bereitschaft der Bürger appelliert, den “Preis der Freiheit” zu bezahlen. Die französische Bevölkerung brauche “Seelenstärke”, um der “Ungewissheit zu widerstehen, manchmal der Bequemlichkeit und der Widrigkeit und um gemeinsam zu akzeptieren, den Preis für unsere Freiheit und Werte zu bezahlen”, sagte er am Freitagabend bei einem Weltkriegsgedenken im südfranzösischen Bormes-les-Mimosas.

Seit der von Russlands Präsident Wladimir Putin gestarteten brutalen Attacke sei der Krieg auf europäischen Boden zurückgekehrt, sagte Macron. Zugleich würdigte er den heldenhaften Einsatz des ukrainischen Volkes gegen die russische Armee.

Der Präsident versucht damit, den Bürger zu vermitteln, dass mögliche Entbehrungen ein notwendiges Opfer angesichts der russischen Aggression seien. Die linke und rechte Opposition macht bereits Stimmung gegen EU-Sanktionen, die der eigenen Wirtschaft angeblich stärker schadeten als Russland.

In Paris herrscht überdies die Sorge, dass die steigenden Lebenshaltungskosten erneut Proteste auslösen könnten wie 2018 und 2019, als die Gelbwestenbewegung Massen mobilisierte. Die Regierung hat bislang mit Milliardenaufwand die Strom- und Gastarife für die Verbraucher gedeckelt. Im Juli betrug die Inflation 6,8 Prozent, der zweitniedrigste Wert in der Euro-Zone nach Malta. dpa/tho

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Mitsotakis: Historischer Tag für Griechenland

Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis hat das Ende der verstärkten Überwachung der Finanzen seines Landes durch die EU-Kommission nach fast zwölf Jahren begrüßt. Der 20. August 2022 sei ein “historischer Tag für Griechenland”, sagte Mitsotakis am Samstag im staatlichen Fernsehen. Griechenland dürfe aber keineswegs die Fehler wiederholen, die zu der Schuldenkrise geführt hatten. Lohnerhöhungen und Steuersenkungen werde es zwar geben, diese aber dürften nicht die Bemühungen für ausgeglichene Haushalte untergraben.

Die EU-Kommission hatte am 10. August bekannt gegeben, die verstärkte Überwachung der griechischen Staatsfinanzen nicht mehr zu verlängern. Das Land habe den Großteil seiner Reformzusagen umgesetzt. Zuvor hatten die Finanzminister der Euroländer diesen Schritt gebilligt. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni lobte am Wochenende die Bemühungen des griechischen Volkes und seiner Regierungen: “Griechenland schließt heute ein schwieriges Kapitel seiner langen und stolzen Geschichte”, erklärte er. Die Leistungen seien umso bemerkenswerter angesichts der schweren externen Schocks, der Corona-Pandemie und Russlands Invasion in der Ukraine. dpa/tho

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Presseschau

Scholz, Biden, Macron und Johnson fordern rasche Inspektion des Akw Saporischschja STERN
Wasserstoff für deutsche Haushalte: Was Scholz und Habeck in Kanada erreichen wollen RND
Nord Stream 1: Ukraine bietet eigene Pipelines als Ersatz an ZEIT
Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ist weiter ein Thema FAZ
Keine Beleuchtung, weniger Klimatisierung: Erste Erfolge für Spaniens Energiespar-Kurs TAGESSPIEGEL
Fischsterben: Polens Regierung spricht von “Fake News” aus Deutschland DW
Frankreich will Brandstifter in Wäldern mit Umweltpolizei fassen VOLKSBLATT

Heads

Isabelle Buscke – Die Stimme der Verbraucher

Isabelle Buscke leitet das Brüsseler Büro des vzbv.
Isabelle Buscke leitet das Brüsseler Büro des vzbv.

Sie ist die Frau fürs Digitale im Brüsseler Büro des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv): Isabelle Buscke. Bereits im Politikstudium störte sich die Deutsch-Französin daran, dass es am Markt praktisch nur drei Betriebssysteme für Computer gab, Apple, Windows und Linux. Das sei mit einer der Gründe gewesen, warum sie sich schlussendlich für das “fantastische Politikfeld des Verbraucherschutzes” entschied, anstatt wie angedacht Lehrerin zu werden.

Buscke probierte sich zwar auch kurz bei einer Partei aus, beschloss aber früh, dass ihr die parteiunabhängige Politikarbeit mehr liegt – und zwar auf europäischer Ebene. “Mich treibt die europäische Politik an, mehr als die nationale.” Mit ihrem deutsch-französischen Hintergrund sei der Weg in die EU-Politik schon fast vorgezeichnet gewesen. “Es prägt, so eng mit zwei Nationalitäten und Sichtweisen aufzuwachsen”, sagt die 38-Jährige.

Inzwischen hat sie sogar eine dritte Staatsangehörigkeit, die belgische. Denn seit mittlerweile zwölf Jahren lebt sie in Brüssel, “dem Herzen der EU-Politik”, wie sie Stadt liebevoll nennt. Seit fast zehn Jahren vertritt sie als Leiterin des Brüsseler Büros die Verbraucher aus Deutschland, arbeitete an großen Vorhaben wie der Abschaffung des Roamings mit. Aktuell ganz oben auf der Verbraucherschutz-Agenda stehen, wenig überraschend, die Themen Digitalisierung und Klimaschutz.

Kampf gegen Greenwashing

Bei Letzteren geht es vor allem um die Regulierung von Bezeichnungen wie “besonders ressourcenschonend”, oder “klimaneutral hergestellt”, um effektiv gegen Greenwashing vorzugehen. “Unser Wunsch wäre eine zentrale Stelle zur Überprüfung dieser Claims gewesen, wie es die EFSA bei Behauptungen über Lebensmittel tut.” Aktuell gibt es aber immerhin eine einheitliche Methodologie, um die Claims nachprüfbar zu machen und Firmen gegebenenfalls zu sanktionieren, wenn sich so eine Behauptung als falsch herausstellte.

Busckes Herzensthema ist und bleibt aber die Digitalisierung des Alltags. Ein großes Problem, welches die EU aus Verbrauchersicht noch nicht zufriedenstellend beantwortet hat, ist die Frage nach der Regulierung der Handelsplattformen. Hier entzögen sich Unternehmen gerne ihrer Verantwortung, wenn Drittanbieter die Rechte der Verbraucher verletzten, so Buscke.

Regulierung von Künstlicher Intelligenz

Ebenso relevant, aber noch in den Anfängen der Verhandlungen, ist die Regulierung der Künstlichen Intelligenz. Hier geht es Verbraucherschützern primär um die Frage, ob wirklich nur Hochrisiko-KI-Systeme riskant für Verbraucher sind, oder ob nicht schon tiefer, bei mittlerem Risiko, angesetzt werden müsste. “Aktuell liegt uns der Fokus noch zu sehr auf den Grundrechten sowie der Unversehrtheit von Leib und Leben. Das ist natürlich wichtig, aber wir wollen, dass man auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt”, so Buscke.

Künstliche Intelligenz könne zum Beispiel dafür sorgen, dass ein Verbraucher nicht die Versicherung bekommt, die er gerne haben möchte, da der Algorithmus seinen eigenen Regeln unterliegt. “Es kann also direkter Schaden beim Verbraucher entstehen. Das Thema wird uns die kommenden Jahre wohl beschäftigen.” Aber zunächst ohne sie – von Ende August an wird Buscke einige Monate in Elternzeit gehen. Lisa-Martina Klein

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • Brüssel genehmigt Energie-Beihilfen
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    • Mitsotakis: Historischer Tag für Griechenland
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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Russland fällt in der Ukraine ein, China bedroht Taiwan – die Zeiten sind gefährlich. Der Handelspolitik aber haben die geopolitischen Spannungen neues Leben eingehaucht: Viele seiner Kollegen und Kolleginnen im Europaparlament, die zuvor im handelskritischen Mainstream mitgeschwommen seien, wüssten stabile Beziehungen inzwischen zu würdigen, berichtet Bernd Lange. Der langjährige Vorsitzende des Handelsausschusses erwartet in den kommenden Monaten eine ganze Reihe von neuen Deals, wie er Amelie Richter und mir im Interview verriet.

    Der SPD-Politiker warnt Peking zudem davor, seine Drohungen gegenüber Taiwan wahrzumachen. Dann werde es weitreichende EU-Sanktionen geben, ungeachtet aller wirtschaftlichen Flurschäden in Deutschland und Europa. Die hiesige Industrie hat offenkundig noch nicht erkannt, wie groß die Risiken sind: Sie investiert laut Institut der deutschen Wirtschaft unverdrossen in Rekordhöhe in China. Die Folgen eines Konflikts um Taiwan könne bei besonders exponierten Unternehmen “sogar in die Pleite führen”, warnen die Ökonomen. Mehr dazu in den News.

    Die Debatte um die hohen Gaspreise dürften noch einige Kapriolen schlagen; die Forderung von FDP-Vize Wolfgang Kubicki, die Ostseepipeline Nord Stream 2 zu öffnen, werten wir als solche. Die Diskussion um die Laufzeit der verbliebenen Atomkraftwerke geht hingegen auf die Zielgerade: Kanzler Scholz erwartet das Ergebnis des Stresstests der Netzbetreiber Ende August, Anfang September. Das notgedrungene Hochfahren von Kohlekraftwerken hat derweil einen Nebeneffekt: Die Preise der Zertifikate im europäischen Emissionshandel erreichen alte Höchststände – zum Leidwesen der ohnehin schon belasteten Industrien.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenstart!

    Ihr
    Till Hoppe
    Bild von Till  Hoppe

    Analyse

    Bernd Lange: “Dann gibt es keine Kooperation mehr”

    Porträtfoto von Bernd Lange, er sitzt für die SPD im EU-Parlament und leitet den Leiter den Ausschuss für internationalen Handel.
    Bernd Lange (SPD) leitet den Ausschuss für internationalen Handel im Europaparlament.

    Herr Lange, die EU hat im Handelsstreit zwischen USA und China immer betont, sich nicht auf die Seite Washingtons schlagen zu wollen. Lässt sich das durchhalten, angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine und Pekings Drohungen gegenüber Taiwan?

    Wir stehen nicht dazwischen, wir sind Werte-mäßig klar mit den USA verbunden. Aber wir haben unterschiedliche Interessen. Die Position, China mit allen wirtschaftlichen Mitteln niederzuhalten und damit die Vormachtstellung der Vereinigten Staaten ökonomisch zu sichern, ist sicherlich nicht in unserem Interesse. Es kann nicht gelingen, China politisch oder ökonomisch zu isolieren. Dort, wo man kooperieren und Einfluss nehmen kann, sollte man das auch nutzen. Die Zeit einer bipolaren Welt ist vorbei. Von daher gibt es diese Diskussionen auch mit unseren amerikanischen Freunden.

    Sie waren kürzlich in Washington, wie war Ihr Eindruck?

    Die Anti-China-Politik stand dort stark im Vordergrund. Der große Konkurrent, die Gefahr, für Washington, ist China. Man sieht es auch in der nationalen Politik der USA: In dem neuen Klima- und Sozialpaket ist die Förderung von Elektroautos enthalten. Dort ist die klare Ansage, dass Produkte, die hauptsächlich in China hergestellt werden, nicht ins Förderprogramm einfließen. Sondern nur Batterien und auch Rohstoffe, die in den USA produziert sind. Das heißt aber, dass europäische Autos ebenfalls nicht gefördert werden. Die Interessenslagen der Vereinigten Staaten sind sehr stark auf das eigene Land ausgerichtet.

    Sollte die EU wegen dieser Form der Diskriminierung vor die WTO ziehen?

    Es gibt Interessensgegensätze, das kann man nicht vom Tisch wischen. Wir sollten aber versuchen, das Thema im Dialog zu klären.

    Trotz dieser Meinungsunterschiede: Sollte die EU angesichts der Spannungen mit Russland und China ein Handelsabkommen mit Washington anstreben?

    In den USA ist es zurzeit nicht möglich, ein Mandat des Kongresses für ein Handelsabkommen mit der EU zu bekommen. Die Administration will es auch nicht versuchen, das ist die klare Ansage der Handelsbeauftragten Katherine Tai. Insofern gibt es im Moment diese eher niederschwellige Zusammenarbeit im Rahmen des Handels- und Technologierates, was ich sinnvoll finde.

    Ließe sich die von Ihnen beschriebene differenzierte EU-Politik gegenüber China durchhalten, wenn es tatsächlich zu Aggressionen gegen Taiwan kommt?

    Nein, keinesfalls. Das wurde beim Wirtschaftsdialog mit Peking im Juli deutlich gesagt. Wenn es aggressive Handlungen gegenüber Taiwan geben wird, dann wird mit Sanktionen und harter Politik reagiert werden.

    Das würde erhebliche Wohlstandsverluste in Europa bedeuten.

    Sicherlich, aber da gibt es überhaupt kein Vertun. Dann gibt es keine Möglichkeiten der Kooperation mehr.

    Sollte die EU die Beziehungen zu Taiwan über ein Investitionsabkommen ausbauen? Oder befürchten Sie eine aggressive Reaktion Pekings?

    Die politische Einschätzung der EU-Kommission ist, dass das erstens ökonomisch nicht notwendig ist und zweitens zusätzliche Probleme hinsichtlich der Ein-China-Politik hervorrufen würde. Ich sehe das überhaupt nicht so. Wenn wir ein ähnliches Abkommen, wie wir es mit der Volksrepublik mit dem CAI ausgehandelt haben, mit Taiwan schließen würden, dann gibt es keinen rationalen Grund für eine solche Reaktion. Nur wenn ein Abkommen mit Taiwan über das CAI hinausgehen würde, dann würde das sicherlich zu einer Eskalation führen. (Lesen Sie hierzu weitere Passagen des Interviews bei China.Table).

    Neuer Schub für die Handelspolitik

    Gibt die geopolitische Lage der Handelspolitik insgesamt neuen Schub?

    Absolut. Auch im Europaparlament beobachte ich bei Kolleginnen und Kollegen, die zuletzt im handelskritischen Mainstream mitgelaufen sind, dass die Frage stabiler, widerstandsfähiger Beziehungen zu Ländern eine größere Bedeutung bekommen hat.

    Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck sind gestern nach Kanada gereist, um die Kooperation bei Energielieferungen und Rohstoffen zu vertiefen. Haben Sie die Hoffnung, dass die Situation auch Bewegung in die stockende Ratifizierung des CETA-Abkommens bringt?

    In wenigen Wochen wird CETA seit fünf Jahren vorläufig in Kraft sein. Kanada ist ein enger Verbündeter – wenn man das mit Kanada nicht hinkriegt, mit wem dann? Die Einsicht ist auch in den Parteien gewachsen, die die Ampel tragen – ich bin mir sicher, dass Deutschland bald ratifizieren wird. Dann hätten wir 17 von 27 Mitgliedstaaten. Auch für Frankreich bin ich zuversichtlich. Ein bisschen kitzlig wird es dann nochmal in Belgien mit den fünf Regionalparlamenten, aber auch da sehe ich einen zunehmenden Realitätssinn.

    Wie lassen sich solche Hängepartien künftig vermeiden?

    Die Lehre aus CETA und auch aus dem Urteil des EuGH zum Singapur-Abkommen ist, dass wir klar zwischen Handelsteil und Investitionsteil trennen. Dann kann das Handelsabkommen mit der Ratifizierung im Europaparlament final in Kraft treten. So haben wir es bei Japan und Vietnam gemacht und deswegen werden wir auch das modernisierte Abkommen mit Mexiko splitten. Bei Mercosur sollten wir ebenfalls so vorgehen.

    Das Abkommen mit den vier Mercosur-Staaten liegt seit 2019 auf Eis. Wird es nach der Präsidentschaftswahl in Brasilien Anfang Oktober einen neuen Anlauf geben?

    Wenn Lula die Wahl gewinnt, stehen wir bereit. Gesprächsbedarf gibt es noch bei den Nachhaltigkeitskriterien im Abkommen, also beim Schutz des Regenwaldes im Amazonas-Gebiet, aber auch bei den Arbeitnehmerrechten. Inzwischen gibt es ein eigenes EU-Gesetzesvorhaben gegen Entwaldung, das dürfte die Diskussion ein Stück weit versachlichen.

    Könnte eine Zusatzerklärung zum Handelsvertrag die verbliebenen Sorgen ausräumen?

    Es wäre sinnvoll, eine Art Roadmap zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstandards in einer Zusatzerklärung festzuhalten. Diese Zusagen müssten rechtsverbindlich sein, wie wir es auch von künftigen Vertragspartnern erwarten.

    Lithium und Wasserstoff aus Chile

    Das Abkommen mit Chile ist weitgehend ausverhandelt, war aus Rücksicht auf die Wahlen in Frankreich aber zurückgestellt worden. Ist es jetzt bald soweit?

    Ich gehe davon aus, dass man bis Ende des Jahres eine politische Übereinkunft und Unterschrift hinkriegen kann. Das Abkommen mit Chile ist ein sehr modernes: Wir haben ein eigenständiges Unterkapitel zu Genderfragen, auch die Nachhaltigkeitskapitel sind sehr gut.

    Chile verfügt über wertvolle Rohstoffe. Welche Bedeutung hätte dieses Abkommen für die EU?

    Chile ist der größte Lithium-Produzent weltweit, 40 Prozent des Kupfers kommt von dort. Wir wollen Zugang zu diesen Rohstoffen, aber eben in einer fairen Art und Weise – das war bei früheren Lieferverträgen der EU nicht immer der Fall. Die chilenische Regierung will, dass ein Teil der Wertschöpfung im Land stattfindet. Das unterstützen wir, auch wenn es vielleicht nicht gleich eine Batteriefabrik sein wird. Chile könnte auch ein wichtiger Lieferant von grünem Wasserstoff sein – die Bedingungen dort sind sehr günstig. Es ist also in unserem Interesse, die Bedingungen für den Export von Wasserstoff nach Europa im Abkommen zu regeln.

    Die Kommission verhandelt auch mit Australien über ein Handelsabkommen – ein weiteres rohstoffreiches Land. Wie schätzen Sie den Zeithorizont ein?

    Es gibt in den Verhandlungen noch einige Nickeligkeiten, etwa was die geografischen Herkunftsbezeichnungen für Wein betrifft, aber auch die australische Einfuhrsteuer für Premium-Autos. Mit der neuen Regierung in Canberra wird aber einiges leichter: Sie hat eine ganz andere Herangehensweise an den Klimaschutz und akzeptiert, dass Handelspolitik auch zur Reduzierung der CO2-Emissionen dienen muss. Ich gehe davon aus, dass eine Einigung bis Anfang nächsten Jahres möglich sein könnte.

    Einen neuen Anlauf unternimmt die Kommission für ein Handelsabkommen mit Indien. Wie zuversichtlich sind Sie, dass diese Gespräche etwas ergeben?

    Allzu optimistisch bin ich nicht. Der Anstoß dazu kam aus der geopolitischen Situation, dem russischen Angriff auf die Ukraine, und man sieht ja auch, dass sich Indien im pazifischen Raum neu positioniert. Aber es gibt so viele Fragen: zu Zöllen, zum Patentschutz in der Landwirtschaft, zu den Produktionsbedingungen, zu Dienstleistungen aus Indien in Europa.

    Die EU-Kommission will Mitte September ihren Vorschlag für ein Importverbot für Produkte aus Zwangsarbeit vorlegen. Was erwarten Sie davon?

    Es wird ein Vermarktungsverbot von Produkten aus Zwangsarbeit geben. So ist es auch möglich, dass Zwangsarbeit innerhalb der Europäischen Union sanktioniert wird und diese Produkte nicht auf den Markt gelassen werden. In Fragen der Evidenz solle man eng mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zusammenarbeiten.

    Was steht nach der Sommerpause sonst noch auf Ihrer Agenda?

    Beim Lieferketten-Gesetz beginnen jetzt die aktiven Beratungen. Die Zuständigkeit innerhalb des Europaparlaments ist allerdings noch nicht hundertprozentig geklärt. Es gibt einen Vorschlag, dass der Justizausschuss den Lead hat, aber das ist noch nicht bestätigt. Dazu kommt noch die Gesetzgebung gegen wirtschaftlichen Zwang, das “Anti-Coercion-Instrument”. Hier müssen noch der Umfang und die Definition klarer werden. Wir möchten es im Oktober im EU-Parlament verabschieden und dann hoffentlich noch unter der tschechischen Ratspräsidentschaft den Trilog führen. Vor allem Litauen macht hier intern Druck.

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    IW: Abhängigkeit von China “mit Volldampf in falsche Richtung”

    Trotz der Debatte um eine geringere wirtschaftliche Abhängigkeit Deutschlands von China hat sich die Entwicklung im ersten Halbjahr sogar verschärft. “Die deutschen Direktinvestitionsflüsse nach China waren noch nie so hoch“, heißt es in einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Auch die Importe aus der Volksrepublik und das deutsche Defizit im Handel mit dem Land erreichten demnach Rekordwerte. Der chinesische Markt soll den Ökonomen zufolge offenbar immer mehr durch Produktion vor Ort statt durch Ausfuhren bedient werden.

    Angesichts Chinas Verhalten beim RusslandUkraine-Krieg und massiver Drohungen Pekings gegenüber Taiwan werde die Abhängigkeit zu einem politischen Problem, warnten die Kölner Forscher. Denn sollte es nach einem Einmarsch der Volksrepublik in Taiwan zu umfangreichen Sanktionen des Westens gegenüber China kommen, drohen aufgrund der hohen Importabhängigkeit nicht nur massive Engpässe bei vielen Zulieferungen aus dem Land. “Bei in China besonders exponierten deutschen Unternehmen könnte das dann absehbar kollabierende China-Geschäfts durch Einbußen auf der Absatzseite möglicherweise sogar in die Pleite führen.”

    Nach Daten der Zahlungsbilanz habe die deutsche Wirtschaft allein zwischen Januar und Juni rund zehn Milliarden Euro in der Volksrepublik investiert. Seit der Jahrtausendwende betrug der Höchstwert in einem ersten Halbjahr nur 6,2 Milliarden Euro. “Der chinesische Absatzmarkt und die dort kurzfristig winkenden Gewinne erscheinen schlichtweg zu attraktiv zu sein.” Zudem werde China als Importeur für Deutschland immer wichtiger.

    Das arbeitgebernahe Institut fordert deshalb ein Umsteuern der Politik, die bestehende Anreize für ein Engagement in der Volksrepublik rasch abbauen sollte. Es müsse auch mehr Diversifizierung geben und den Aufbau von Handels- und Investitionsbeziehungen mit anderen Schwellenländern, vor allem in Asien. Darüber hinaus sollte die Politik Unternehmen mit “starken Risikoexposures in China” zu einem angemessenen Risikomanagement bewegen. “Wir drohen sonst in ein ‘too big too fail’ reinzulaufen wie bei den Banken”, betonte Matthes. rtr/nib

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    Guterres: Export russischer Lebensmittel erleichtern

    U.N.-Generalsekretär António Guterres will mit den USA und der EU daran arbeiten, den Zugang für russische Lebensmittel und Düngemittel zum Weltmarkt zu erleichtern. Durch die von den Vereinten Nationen vermittelte Vereinbarung zur Ukraine seien bereits mehr als 650.000 Tonnen Getreide und andere Lebensmittel exportiert worden, sagte Guterres am Samstag bei einem Besuch in Istanbul. “Der andere Teil dieses Pakets ist der ungehinderte Zugang zu den Weltmärkten für russische Lebensmittel und Düngemittel, die nicht unter die Sanktionen fallen”, sagte er.

    Die Länder, die wegen des Einmarsches in der Ukraine Sanktionen gegen Russland verhängt hätten, hätten deutlich gemacht, dass diese nicht für Lebensmittel und Düngemittel gälten. Dennoch habe es einen “abschreckenden Effekt” auf die russischen Exporte gegeben, sagte Guterres. Es gebe eine Reihe von Hindernissen in Bezug auf den Transport, die Versicherung und die Finanzierung, die überwunden werden müssten.

    Dies sei auch angesichts der jüngsten Preisanstiege geboten, sagte der UN-Generalsekretär. “Mehr Lebensmittel und Düngemittel aus der Ukraine und Russland zu bekommen, ist entscheidend, um die Rohstoffmärkte weiter zu beruhigen und die Preise für die Verbraucher zu senken.

    Auf Russland und die Ukraine entfiel vor der russischen Invasion am 24. Februar etwa ein Drittel der weltweiten Weizenexporte. Russland ist auch ein wichtiger Exporteur von Düngemitteln. Guterres mahnte: “Ohne Dünger 2022 wird es 2023 vielleicht nicht genug Nahrung geben.” rtr/dpa

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    Habeck lehnt längere AKW-Laufzeiten ab

    Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lehnt längere Laufzeiten für die letzten drei deutschen Atomkraftwerke ab. Mit dem Weiterbetrieb könne man den Gasverbrauch um maximal zwei Prozent senken, sagte der Grünen-Politiker am Sonntag beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung. “Für das wenige, was wir da gewinnen, ist es die falsche Entscheidung.” Es gebe andere Möglichkeiten, Gas zu sparen. Dafür solle der Konsens zum Atomausstieg nicht wieder aufgeschnürt werden, sagte der Grünen-Politiker.

    Laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist die Entscheidung über eine Laufzeitverlängerung noch offen. Das Ergebnis des Stresstests für die drei noch laufenden Atomkraftwerke werde “Ende des Monats, vielleicht Anfang des nächsten Monats” vorliegen, sagte er. Dann werde man entscheiden, ob die Meiler noch über das Jahresende hinaus genutzt werden sollen.

    Die Atomkraftwerke könnten aber ohnehin nur einen kleinen Beitrag zu Lösung des Energieproblems beitragen, so Scholz. Wie problematisch die Technik sei, zeige sich in Frankreich, wo derzeit viele Atomkraftwerke ausfielen. Neubauten seien so teuer, dass sie anders als erneuerbare Energie für hohe Strompreise sorgten.

    Die Diskussion in Deutschland wird angesichts der drohenden Gasknappheit und hoher Strompreise auch in anderen EU-Staaten aufmerksam verfolgt. Die Abschaltung der verbliebenen Kernkraftwerke zum Jahresende wäre etwa in den Niederlanden kaum zu vermitteln, wenn Deutschland zugleich auf eine Steigerung der Förderung im Gasfeld Groningen drängt. Diese ist wegen der Probleme mit Erdbeben in der Region hochumstritten. Binnenmarktkommissar Thierry Breton warb bei seinem Besuch in Berlin für Solidarität: “Jedes Land muss so viel Energie produzieren, wie es kann”. 

    Die Bundesregierung hat einen Stresstest bei den Stromnetz-Betreibern in Auftrag gegeben. Dabei wird geprüft, ob etwa eine Streckung des Betriebs der drei verbliebenen AKW erforderlich sein könnte, um das Netz stabil zu halten und die Versorgungssicherheit zu garantieren. Dabei spielt unter anderem eine Rolle, dass Frankreich zahlreiche seiner Kernkraftwerke wegen Wartungsarbeiten vom Netz genommen hat und so teilweise von Deutschland mitversorgt wird. Das Problem für Frankreich könnte sich im Winter verschärfen, da das Land auch beim Heizen stark auf Strom setzt.

    Robert Habeck sagte, etwas anderes als die Frage der Laufzeitverlängerung sei die Frage der Stromnetz-Stabilität gerade in Bayern im Winter. “Das könnte unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Problem werden.” Auch wenn die Gründe von Bayern etwa wegen des fehlenden Ausbaus der Windenergie oder der Netze zu verantworten seien, müsse die Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Ein Ergebnis der Prüfung gebe es aber noch nicht. rtr/tho

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    Energiepreise: Brüssel genehmigt Milliardenhilfe für Unternehmen

    Deutschland darf energieintensive Unternehmen mit rund 27,5 Milliarden Euro unterstützen. Die EU-Kommission hat am Freitag grünes Licht für eine entsprechende Beihilfemaßnahme gegeben. Konkret geht es darum, dass indirekte Emissionskosten für die Jahre 2021 bis 2030 vom Staat erstattet werden sollen. Dabei handelt es sich um den Teil der höheren Strompreise, der durch den gestiegenen CO2-Preis im Rahmen des europäischen Emissionshandels (ETS) verursacht wird.

    Der Preis für eine Tonne CO2 im ETS ist zuletzt wieder auf Rekordniveau gestiegen und liegt aktuell bei über 98 Euro. Durch die Beihilferegelung soll nach Angaben der EU-Kommission Carbon Leakage verhindert werden. “Im Falle einer solchen Abwanderung würde der Schadstoffausstoß weltweit gesehen zunehmen”, heißt es in der Mitteilung zur Begründung zur Annahme der Regelung. Folglich können nur Unternehmen unterstützt werden, in deren Sektoren ein Risiko für Emissionsverlagerung besteht. Die Kriterien dafür, in welchen Sektoren ein solches Risiko besteht, hat die Kommission in den Beihilfeleitlinien festgelegt.

    Um Emissionskosten erstattet zu bekommen, müssen Unternehmen zudem bestimmte Bedingungen erfüllen. Diese können etwa darin bestehen, die Maßnahmen für mehr Energieeffizienz aus ihrem Energiemanagementsystem umzusetzen oder mindestens 30 Prozent ihres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen zu decken, wie aus der Mitteilung der Brüsseler Behörde hervorgeht. Darüber hinaus müssen die Unternehmen ab 2023 zusätzliche Investitionen tätigen, sodass insgesamt mindestens 50 Prozent des Beihilfebetrags in die Umsetzung von Maßnahmen für einen effizienteren Einsatz von Energie oder in die Dekarbonisierung ihres Produktionsprozesses fließen.

    Der Höchstbetrag für die Beihilfe soll in der Regel bei 75 Prozent der angefallenen indirekten Emissionskosten liegen, kann aber laut Kommission heraufgesetzt werden, “um die verbleibenden indirekten Emissionskosten auf 1,5 Prozent der Bruttowertschöpfung des Unternehmens zu begrenzen”. luk/dpa

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    Macron: Entbehrungen “Preis der Freiheit”

    Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Sanktionspolitik an die Bereitschaft der Bürger appelliert, den “Preis der Freiheit” zu bezahlen. Die französische Bevölkerung brauche “Seelenstärke”, um der “Ungewissheit zu widerstehen, manchmal der Bequemlichkeit und der Widrigkeit und um gemeinsam zu akzeptieren, den Preis für unsere Freiheit und Werte zu bezahlen”, sagte er am Freitagabend bei einem Weltkriegsgedenken im südfranzösischen Bormes-les-Mimosas.

    Seit der von Russlands Präsident Wladimir Putin gestarteten brutalen Attacke sei der Krieg auf europäischen Boden zurückgekehrt, sagte Macron. Zugleich würdigte er den heldenhaften Einsatz des ukrainischen Volkes gegen die russische Armee.

    Der Präsident versucht damit, den Bürger zu vermitteln, dass mögliche Entbehrungen ein notwendiges Opfer angesichts der russischen Aggression seien. Die linke und rechte Opposition macht bereits Stimmung gegen EU-Sanktionen, die der eigenen Wirtschaft angeblich stärker schadeten als Russland.

    In Paris herrscht überdies die Sorge, dass die steigenden Lebenshaltungskosten erneut Proteste auslösen könnten wie 2018 und 2019, als die Gelbwestenbewegung Massen mobilisierte. Die Regierung hat bislang mit Milliardenaufwand die Strom- und Gastarife für die Verbraucher gedeckelt. Im Juli betrug die Inflation 6,8 Prozent, der zweitniedrigste Wert in der Euro-Zone nach Malta. dpa/tho

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    Mitsotakis: Historischer Tag für Griechenland

    Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis hat das Ende der verstärkten Überwachung der Finanzen seines Landes durch die EU-Kommission nach fast zwölf Jahren begrüßt. Der 20. August 2022 sei ein “historischer Tag für Griechenland”, sagte Mitsotakis am Samstag im staatlichen Fernsehen. Griechenland dürfe aber keineswegs die Fehler wiederholen, die zu der Schuldenkrise geführt hatten. Lohnerhöhungen und Steuersenkungen werde es zwar geben, diese aber dürften nicht die Bemühungen für ausgeglichene Haushalte untergraben.

    Die EU-Kommission hatte am 10. August bekannt gegeben, die verstärkte Überwachung der griechischen Staatsfinanzen nicht mehr zu verlängern. Das Land habe den Großteil seiner Reformzusagen umgesetzt. Zuvor hatten die Finanzminister der Euroländer diesen Schritt gebilligt. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni lobte am Wochenende die Bemühungen des griechischen Volkes und seiner Regierungen: “Griechenland schließt heute ein schwieriges Kapitel seiner langen und stolzen Geschichte”, erklärte er. Die Leistungen seien umso bemerkenswerter angesichts der schweren externen Schocks, der Corona-Pandemie und Russlands Invasion in der Ukraine. dpa/tho

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    Presseschau

    Scholz, Biden, Macron und Johnson fordern rasche Inspektion des Akw Saporischschja STERN
    Wasserstoff für deutsche Haushalte: Was Scholz und Habeck in Kanada erreichen wollen RND
    Nord Stream 1: Ukraine bietet eigene Pipelines als Ersatz an ZEIT
    Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ist weiter ein Thema FAZ
    Keine Beleuchtung, weniger Klimatisierung: Erste Erfolge für Spaniens Energiespar-Kurs TAGESSPIEGEL
    Fischsterben: Polens Regierung spricht von “Fake News” aus Deutschland DW
    Frankreich will Brandstifter in Wäldern mit Umweltpolizei fassen VOLKSBLATT

    Heads

    Isabelle Buscke – Die Stimme der Verbraucher

    Isabelle Buscke leitet das Brüsseler Büro des vzbv.
    Isabelle Buscke leitet das Brüsseler Büro des vzbv.

    Sie ist die Frau fürs Digitale im Brüsseler Büro des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv): Isabelle Buscke. Bereits im Politikstudium störte sich die Deutsch-Französin daran, dass es am Markt praktisch nur drei Betriebssysteme für Computer gab, Apple, Windows und Linux. Das sei mit einer der Gründe gewesen, warum sie sich schlussendlich für das “fantastische Politikfeld des Verbraucherschutzes” entschied, anstatt wie angedacht Lehrerin zu werden.

    Buscke probierte sich zwar auch kurz bei einer Partei aus, beschloss aber früh, dass ihr die parteiunabhängige Politikarbeit mehr liegt – und zwar auf europäischer Ebene. “Mich treibt die europäische Politik an, mehr als die nationale.” Mit ihrem deutsch-französischen Hintergrund sei der Weg in die EU-Politik schon fast vorgezeichnet gewesen. “Es prägt, so eng mit zwei Nationalitäten und Sichtweisen aufzuwachsen”, sagt die 38-Jährige.

    Inzwischen hat sie sogar eine dritte Staatsangehörigkeit, die belgische. Denn seit mittlerweile zwölf Jahren lebt sie in Brüssel, “dem Herzen der EU-Politik”, wie sie Stadt liebevoll nennt. Seit fast zehn Jahren vertritt sie als Leiterin des Brüsseler Büros die Verbraucher aus Deutschland, arbeitete an großen Vorhaben wie der Abschaffung des Roamings mit. Aktuell ganz oben auf der Verbraucherschutz-Agenda stehen, wenig überraschend, die Themen Digitalisierung und Klimaschutz.

    Kampf gegen Greenwashing

    Bei Letzteren geht es vor allem um die Regulierung von Bezeichnungen wie “besonders ressourcenschonend”, oder “klimaneutral hergestellt”, um effektiv gegen Greenwashing vorzugehen. “Unser Wunsch wäre eine zentrale Stelle zur Überprüfung dieser Claims gewesen, wie es die EFSA bei Behauptungen über Lebensmittel tut.” Aktuell gibt es aber immerhin eine einheitliche Methodologie, um die Claims nachprüfbar zu machen und Firmen gegebenenfalls zu sanktionieren, wenn sich so eine Behauptung als falsch herausstellte.

    Busckes Herzensthema ist und bleibt aber die Digitalisierung des Alltags. Ein großes Problem, welches die EU aus Verbrauchersicht noch nicht zufriedenstellend beantwortet hat, ist die Frage nach der Regulierung der Handelsplattformen. Hier entzögen sich Unternehmen gerne ihrer Verantwortung, wenn Drittanbieter die Rechte der Verbraucher verletzten, so Buscke.

    Regulierung von Künstlicher Intelligenz

    Ebenso relevant, aber noch in den Anfängen der Verhandlungen, ist die Regulierung der Künstlichen Intelligenz. Hier geht es Verbraucherschützern primär um die Frage, ob wirklich nur Hochrisiko-KI-Systeme riskant für Verbraucher sind, oder ob nicht schon tiefer, bei mittlerem Risiko, angesetzt werden müsste. “Aktuell liegt uns der Fokus noch zu sehr auf den Grundrechten sowie der Unversehrtheit von Leib und Leben. Das ist natürlich wichtig, aber wir wollen, dass man auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt”, so Buscke.

    Künstliche Intelligenz könne zum Beispiel dafür sorgen, dass ein Verbraucher nicht die Versicherung bekommt, die er gerne haben möchte, da der Algorithmus seinen eigenen Regeln unterliegt. “Es kann also direkter Schaden beim Verbraucher entstehen. Das Thema wird uns die kommenden Jahre wohl beschäftigen.” Aber zunächst ohne sie – von Ende August an wird Buscke einige Monate in Elternzeit gehen. Lisa-Martina Klein

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