Analyse
Erscheinungsdatum: 05. November 2024

Kreislaufwirtschaft: Warum Zirkularität elementar für Unternehmen wird

In einer neuen Serie analysieren wir anhand von wichtigen Branchen und Umsetzungsstrategien, wie Kreislaufwirtschaft in Deutschland vorankommen könnte. Zum Start geht es um die Frage, warum sich Unternehmen mit dem Thema befassen sollten.

Die Zukunft der Menschheit hängt von intakten Ökosystemen ab. Die Wirtschaft vollumfänglich auf Kreisläufe auszurichten, ist notwendig, um die planetaren Grenzen einzuhalten. Zugleich erhöht sich so auch ihre Widerstandsfähigkeit – ein wichtiger Nebeneffekt gerade in der schwierigen geoökonomischen Situation.

Wie der Weg dahin aussieht, ist aber umstritten und verlangt technologische Entwicklungen, unternehmerische Ideen und gesellschaftliche Entscheidungen. Hier setzt unsere Serie an.

Im Mittelpunkt steht die Frage, wie der Übergang zur Kreislaufwirtschaft gelingt. Bis kommenden Sommer beleuchten wir daher unter anderem zirkuläre Geschäftsmodelle, Methoden zur längeren Nutzung von Materialien, wie zukunftsträchtiges Recycling aussieht und das Potenzial der Zirkularität für deutsche Unternehmen sowie die hiesige Volkswirtschaft. Dabei blicken wir auch auf die Rahmenbedingungen und politische Gestaltungsoptionen.

Wie anfällig Lieferketten für Störungen sind, haben die Covid-Pandemie und der Ukraine-Krieg gezeigt. Seitdem achten Politik und Wirtschaft auf eine verlässlichere Versorgung der Wirtschaft mit Rohstoffen. Vor allem für die Energiewende und die Digitalisierung braucht es eine große Menge an Rohstoffen – bei einigen, wie seltenen Erden, bestehen jedoch starke Abhängigkeiten von einzelnen Staaten.

Der Vorteil von Kreislaufwirtschaft liegt auf der Hand: Je mehr Rohstoffe eine Volkswirtschaft weiternutzt, umso weniger muss sie importieren. Und: Statt teuer im Ausland einzukaufen, bleibt die Wertschöpfung bei der Aufbereitung von Rohstoffen im Inland. Derzeit aber rechnet es sich für Unternehmen häufig mehr, Neumaterial zu kaufen, da es oft günstiger ist als recyceltes Material.

„Ein schneller Ausbau von Kreislaufwirtschaft ist zentral für die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft “, sagt daher Karsten Neuhoff, Abteilungsleiter Klimapolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Um Importkosten und Lieferrisiken zu begrenzen, müssten hochwertige Materialien im Wirtschaftskreislauf verbleiben. Alle Staaten werden laut Neuhoff versuchen, zirkuläre Geschäftsmodelle und Technologien zur Stärkung ihrer Kreislaufwirtschaft zu entwickeln – weil sie so ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken könnten.

Hiesige Anlagenbauer etwa müssten also Kreislauftechnologien verkaufen, „wenn sie weiterhin bestehen möchten “. Beispielsweise Technologien, um Abfälle einfacher zu sortieren und aufzubereiten. Bundeskanzler Olaf Scholz sieht das für die gesamte Industrie im Lande ähnlich: Deutschland wolle zum globalen Vorreiter für zirkuläre Produkte und Technologien werden, sagte er im Januar. Wie das Land sich zum Reallabor für Zirkularität entwickeln kann, analysieren wir in unserer Serie.

Die globale Wirtschaft verursacht durch den Abbau und die Verarbeitung von natürlichen Ressourcen mehr als die Hälfte der Treibhausgasemissionen und über 90 Prozent des landnutzungsbedingten Verlusts an Artenvielfalt – etwa durch Entwaldung. Ein Grund: Der Ressourcenverbrauch hat sich seit 1970 verdreifacht, wie Berechnungen des Internationalen Ressourcenrats zeigen. Bis 2060 könnte der Verbrauch demnach um weitere 60 Prozent steigen. Die Politik sollte die nachhaltige Nutzung von Ressourcen deshalb in den Mittelpunkt der Nachhaltigkeitsagenda stellen, empfahl das Gremium im „Global Resources Outlook 2024“.

Ein entscheidendes Vehikel, um die Dreifachkrise aus Klimawandel, Verlust an Biodiversität und Umweltverschmutzung zu bewältigen, sei die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft, schrieb die Europäische Umweltagentur im Frühjahr. Denn eine am Kreislauf orientierte Wirtschaft brauche weniger Primärressourcen, was wiederum den Druck auf die globalen Ökosysteme mindere.

Der Wandel wird jedoch Wertschöpfungsketten massiv verändern. So braucht es für hohe Recyclingraten Produkte, die sich leicht recyceln lassen, effektive Sammelsysteme, ausreichende Kapazitäten bei Recyclingbetrieben und Unternehmen, die recyceltes Material einsetzen. Neben dem Recycling gibt es weitere „Strategien“ für Zirkularität, wie Unternehmen neue Geschäftsmodelle entwickeln können – etwa Produkte von vornherein so zu gestalten, dass sie lange halten und repariert werden können. Die Wiederaufbereitung ist ein anderes Beispiel. Wie Vorreiterunternehmen diese Themen schon angehen, beleuchten wir in den nächsten Wochen.

Ein Großteil der Unternehmen in Deutschland findet, dass Kreislaufwirtschaft wichtig ist, um die Klimaziele zu erreichen, sagt Thilo Schaefer, Leiter des Clusters Digitalisierung und Klimawandel am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Viele Unternehmen stünden aber noch am Anfang : Sie setzten zwar einzelne Strategien für Kreislaufwirtschaft ein. „Doch erst etwa ein Fünftel der Industrieunternehmen plant neue zirkuläre Geschäftsmodelle.“

Wie weit der Weg zur Kreislaufwirtschaft ist, zeigt sich an der Zirkularitätsrate. In Deutschland lag sie im Jahr 2022 bei 13 Prozent, leicht über dem EU-Schnitt von 11,5 Prozent. Der von der EU genutzte Indikator misst das Verhältnis von Abfällen, die in Recyclinganlagen landen, und dem inländischen Materialverbrauch. Er sagt aber nichts darüber aus, wie viel recyceltes Material wiederverwendet wird oder wie viel Neumaterial gespart wurde. An der Entwicklung solcher Indikatoren arbeiten Forschungseinrichtungen aktuell.

Global gab es in den vergangenen Jahren sogar Rückschritte bei der Zirkularität. Zwischen 2018 und 2023 sank die weltweite Zirkularitätsrate von 9,1 auf 7,2 Prozent, wie der Circularity Gap Report 2023 zeigte. Um den Trend umzukehren, empfahlen die Autoren des Berichts Maßnahmen in vier sehr ressourcenintensiven Sektoren : Lebensmittel, Gebäude und Infrastruktur, Verbrauchsgüter sowie Mobilität. Wie diese Sektoren zirkulär werden, ist ebenso Teil der Serie, wie die Frage, inwieweit eine Wirtschaft funktionieren könnte, die auf Suffizienz ausgerichtet ist.

In der abgelaufenen Legislaturperiode hat die EU viele Vorhaben verabschiedet, mit denen sie Kreislaufwirtschaft voranbringen will. Dazu zählt etwa die Ökodesign-Verordnung, die Regeln für kreislauffähige Produktgestaltung definiert. In der neuen Legislaturperiode stehen Vorgaben für einzelne Produktgruppen auf der Agenda. Zudem will die EU-Kommission einen „ Circular Economy Act “ vorschlagen, der helfen soll, einen Markt für Sekundärrohstoffe zu schaffen. Mithilfe von Kreislaufwirtschaft will die EU ihre Klimaziele erreichen und unabhängiger von Importen werden.

Die Bundesregierung verfolgt mit der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie ähnliche Ziele. Zentrale Punkte im Entwurf, den das Bundesumweltministerium im Juni vorgestellt hat, sind die Halbierung des Primärrohstoffverbrauchs pro Kopf bis 2045 und eine Verdopplung des Anteils an genutzten Sekundärrohstoffen. Die Verabschiedung durch das Kabinett hat sich jedoch auf Dezember verschoben. Über die Umsetzung werden wir im Rahmen der Serie berichten.

Wie Unternehmen, Politik, NGOs und Wissenschaft die Zukunft der Wirtschaft im Sinne der Kreislauflogik gestalten wollen, erfahren Sie bis zum Sommer 2025 regelmäßig im ESG.Table. Alle Artikel finden Sie hier.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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