die heikle Präsenz in Urumqi halten Menschenrechtsexperten schon lange für die größte politische Schwachstelle von VW. Nun gerät das VW-Werk in Xinjiang immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik. Während 2012 noch Angela Merkel lächelnd bei der Unterzeichnung der Verträge für das umstrittene Werk dabei war, schauen die Regierungen heute bei Menschenrechten sehr genau hin. Dahinter steckt auch harte Interessenpolitik: Gegenüber einem unfreundlichen, inflexiblen China spielen EU und USA das Thema nach vorn, indem sie Importe ächten, die mit Zwangsarbeit zu tun haben. In Deutschland ist zugleich ein Grüner der Wirtschaftsminister. Jetzt hat sich neben der Gewerkschaft auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD eingeschaltet. VW steckt in der lange erwarteten Zwickmühle zwischen Forderungen aus Peking und Verpflichtungen gegenüber der deutschen Öffentlichkeit.
Ein zweites Thema, das Sorge bereitet: Chinas neue Datenregeln. Der Internet-Markt in der Volksrepublik ist seit jeher schwierig für ausländische Anbieter. Große Plattformen wie Facebook spielen in China außerhalb der VPN-Blase keine Rolle. Unsere Analyse zeigt, wie die neuen Datenregeln jetzt auch die letzten westlichen Apps und Online-Dienste vertreiben dürften. Neue Vorschriften zum Sammeln und dem Export von Personendaten, aber auch zur Zensur und den Inhalten, die in Apps auftauchen dürfen, machen westlichen Anbietern das Leben schwer. Und damit auch westliche Autobauer.
Viele neue Erkenntnisse beim Lesen!
In der Debatte über ein von Volkswagen in der chinesischen Uiguren-Region Xinjiang betriebenes Werk nimmt der Druck auf den Autobauer rapide zu. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der im Aufsichtsrat des Wolfsburger Konzerns sitzt, stellte die Aktivitäten von VW dort sogar komplett in Frage. “Inzwischen gibt es kaum einen Zweifel daran, dass in Xinjiang Menschenrechtsverletzungen stattfinden”, sagte der Gewerkschaftschef den “Wolfsburger Nachrichten”. Deshalb müsse sich der Konzernvorstand mit dem Thema befassen.
Die Präsenz in Urumqi ist hoch umstritten; zuletzt verweigerte die Bundesregierung dem Konzern mit Hinweis auf Nähe zu Menschenrechtsverletzungen sogar Investitionsbürgschaften (China.Table berichtete). Inzwischen haben Forscher auch erste Hinweise ermittelt, die die Lieferbeziehungen der Autokonzerne eben doch mit Zwangsarbeit in Verbindung bringen (China.Table berichtete). Das Unternehmen selbst hält jedoch konsequent an dem Standort fest.
Zwar gebe es aktuell keinen Hinweis darauf, dass es bei VW selbst zu Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. “Dennoch ist insgesamt die Frage zu stellen, was es für das Renommee des Unternehmens bedeutet, dort weiter investiert zu sein”, so Hofmann.
Hofmann sagte in dem Interview, Volkswagen könne nicht nur darauf schauen, was im eigenen “Vorgarten” los sei, sondern müsse auch darauf achten, in welcher “Straße” man wohne. “Wenn rechts und links sichtbar Menschenrechtsverletzungen passieren, verlange ich Handeln.” Der Konzern müsse sich sichtbar und unmissverständlich gegen Menschenrechtsverletzungen positionieren.
Auch VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo ließ Kritik an den Aktivitäten ihres Unternehmens in der uigurisch geprägten Region anklingen. “Mich erschüttern diese Berichte über Menschenrechtsverletzungen sehr”, sagte Cavallo der Taz am Wochenende. “Wir haben als Volkswagen eine Verantwortung.” Der Betriebsrat definiere Standards zu Arbeitsbedingungen und zur Lieferkette. Ihr liegen allerdings keine Belege dafür, dass in dem Werk in Urumqi “etwas passiert, was nicht mit unserer Charta in Einklang zu bringen ist”.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der als Vertreter des mit 20 Prozent der Stimmrechte an VW beteiligten Bundeslandes in dem Kontrollgremium sitzt, stimmte ebenfalls in die Diskussion ein. “Die Bilder und Berichte über die schweren Menschenrechtsverletzungen an der uigurischen Minderheit in der chinesischen Region Xinjiang sind bestürzend.” Es gebe bislang aber keine Hinweise darauf, dass es in dem VW-Werk zu Verletzungen von Menschenrechten oder Arbeitsrechten gekommen sei. “Das entbindet den Konzern jedoch nicht von der Pflicht, sich intensiv mit dem Thema zu befassen und die Vorwürfe zur Menschenrechtslage genau zu prüfen, was auch getan werden wird.”
Das Thema Xinjiang wird bei VW nun wohl auch Thema im Aufsichtsrat. Volkswagen erklärte in einer Stellungnahme: “Uns sind keine Fälle bekannt, dass Mitarbeiter des Unternehmens SAIC Volkswagen in Internierungslagern waren oder sind.” Auf Nachfrage ergänzte der Konzern: “In Gesprächen mit der chinesischen Regierung werden alle wichtigen Themen, die für unsere Geschäftstätigkeit von Bedeutung sind, adressiert.” Dabei würden auch kritische Themen nicht ausgespart.
VW kann sich jedoch kaum ohne Weiteres aus dem Projekt zurückziehen. Der Standort in Urumqi ist zwar klein und zudem betriebswirtschaftlich nur wenig sinnvoll. Doch für die chinesische Regierung hat er erheblichen Symbolwert. Peking hatte VW im Jahr 2012 zu dem zusätzlichen Gemeinschaftsprojekt mit seinem langjährigen Partner SAIC gedrängt. Damals ging es vor allem darum, Belege für die Steigerung der Wirtschaftskraft in Xinjiang zu schaffen.
China hat seine Legitimation für die Herrschaft über das Gebiet aus dem Anspruch gezogen, Entwicklung und Wohlstand in die abgelegene Region zu bringen. Tatsächlich wuchs dort seinerzeit die Wirtschaft und es entstanden moderne Arbeitsplätze. Das machte es für die deutsche Seite auch leicht, dieses Narrativ zu akzeptieren – man ließ sich einreden, den Uiguren damit etwas Gutes zu tun.
Seit 2018 hat die Uiguren-Politik der chinesischen Regierung allerdings eine Wendung ins Extreme genommen. Ein nennenswerter Teil der Bevölkerung sitzt in Lagern fest; die Region gleicht einem Freiluft-Gefängnis mit technischer Totalüberwachung (China.Table berichtete). Das VW-Werk trägt nun durch seine pure Existenz dazu bei, dieses Vorgehen zu legitimieren. Zugleich sitzt China gegenüber VW am längeren Hebel. Ohne das Wohlwollen der Regierung kann kein ausländisches Unternehmen dort Geschäfte machen. Nico Beckert/Finn Mayer-Kuckuk/Reuters
China ist für viele westliche App- und Software-Unternehmen seit jeher ein schwieriger Markt. Tech-Riesen wie Google, Facebook oder Twitter sind in der Volksrepublik nahezu bedeutungslos. In den letzten Wochen und Monaten haben sich weitere Unternehmen aus dem Markt zurückgezogen oder ändern ihr Geschäftsmodell. Nike zog eine Lauf-App mit mehr als acht Millionen Nutzern zurück. AirBnB bietet keine Übernachtungen im chinesischen Markt mehr an. Amazon zieht sein Angebot für E-Books zurück. Zuvor hatten schon LinkedIn und Yahoo wichtige Angebote beendet.
China verfolgt seit einigen Jahren eine neue Datenstrategie. Ende letzten Jahres sind zwei neue Gesetze in Kraft getreten, die auch westliche App- und Plattform-Unternehmen betreffen. Sie regulieren beispielsweise grenzüberschreitende Datenströme und den Schutz und die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten (China.Table berichtete). US-amerikanische Social-Media-, App- und Online-Dienst-Anbieter sind von Chinas neuem Personal Information Protection Law (Pipl) besonders betroffen, sagt der Tech-Experte Kai von Carnap vom China-Think-Tank Merics. “Das PIPL erschwert den Export und die Sammlung personenbezogener Daten“, sagt von Carnap. Die Befolgung neuer Gesetze und Regeln sei mit sehr hohen Kosten verbunden. Neben anderen Faktoren wie der Covid-Pandemie und dem US-chinesischen Handelskrieg sei die neue Digitalstrategie Chinas die Hauptursache für den Rückzug westlicher App-Anbieter.
In naher Zukunft könnte es von Carnap zufolge zu weiteren Rückzügen aus dem chinesischen Markt kommen. “Die Vermutung liegt nahe, dass weitere amerikanische Plattformen folgen werden”, so der Merics-Experte. Und auch für deutsche Unternehmen wie die Autobauer könnten die neuen Datengesetze problematisch werden. Moderne Autos sammeln beispielsweise Daten über das Fahrverhalten der Fahrerinnen und Fahrer. Diese Datensammlung und -weiterverarbeitung gesetzeskonform zu gestalten werde eine große Herausforderung, so von Carnap. Zumal die neuen Gesetze einige Grauzonen enthalten. So ist beispielsweise nicht klar definiert, unter welchen Bedingungen “persönliche Daten” aus China exportiert werden können oder was “Betreiber kritischer Infrastrukturen” genau ausmacht – beide Begriffe finden sich in den neuen Gesetzen. “Viele Details sind noch unklar”, sagt von Carnap.
Auch weitere neue Tech-Regulierungen erschweren das China-Geschäft ausländischer Software- und Techkonzerne. “Das Personal Information Protection Law ist nur eines von 10 bis 15 neuen wichtigen Gesetzen und Regulierungen, die soziale Netzwerke und ausländische Plattform-Unternehmen betreffen”, sagt Kendra Schaefer, Tech-Expertin der Beratungsfirma Trivium China. Darunter fallen Regeln zu Empfehlungs-Algorithmen, Zensur-Vorschriften und solche zu Deep Fakes, so Schaefer. Sich an diese Gesetze und Regeln anzupassen, geht laut Schaefer mit hohen Kosten für die Unternehmen einher.
Zuletzt wurden neue Regeln zu mobilen Apps erlassen. Die Anbieter müssen nun die Klarnamen der Nutzer kennen und sind für die in den Apps präsentierten Inhalte verantwortlich. Sie dürfen auch keine “illegalen Informationen” produzieren oder verbreiten und sollen stattdessen sozialistische Grundwerte fördern (China.Table berichtete). Derzeit ist noch nicht klar, was damit genau gemeint ist. Doch die Unklarheit ist im Interesse der Regierung. Indem App-Anbieter in die Pflicht genommen werden, erhöht Peking den Druck, damit die Anbieter schon in vorauseilendem Gehorsam Inhalte zensieren.
Ein weiterer Grund für den Rückzug von Nike, AirBnB, Kindle und LinkedIn ist, dass sie nicht gut an die Bedürfnisse chinesischer Nutzerinnen und Nutzer angepasst sind. Kindle war zwar führend im Markt für E-Reader. Doch der Markt ist klein. Und “nur wenige Nutzer kaufen sich ein extra Gerät zum Lesen von Büchern. Vielmehr bevorzugen sie die Nutzung ihrer Handys” zum Lesen von E-Books, sagt Kendra Schaefer. Auch LinkedIn hätte ihr zufolge sein Nutzererlebnis nicht gut an die chinesischen User und Userinnen angepasst.
Nike zieht sich mit seiner App nicht komplett zurück, sondern will zukünftig – nutzerfreundlicher – ein Miniprogramm für Wechat anbieten, so Schaefer. Das Unternehmen gab bekannt, man wolle “ein Ökosystem aus China für China” anbieten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Lokalisierung auch Datenschutz-Gründe hat und die Daten der jeweiligen Apps in Zukunft in China gespeichert werden sollen. Auch LinkedIn hat mit Incareer einen Ableger für den chinesischen Markt gegründet. Die strengeren Regeln zum Umgang mit Daten und Zensur wurden als Gründe angegeben. Das neue Angebot hat keinen Social Media Feed mehr und keine Möglichkeiten, Artikel oder Posts zu teilen.
Hinzu kommt: Anders als in vielen westlichen Märkten gibt es in China in vielen Bereichen einige starke nationale Konkurrenten für westliche Apps und Anbieter von Online-Diensten. AirBnB hat in der Volksrepublik keine großen Umsätze erwirtschaftet – auch weil es andere Anbieter gibt. China hat auch im Software-Bereich nationale Champions wie Baidu, Weibo, Alibaba, Tencent oder Bytedance aufgebaut. Konkurrenz von etablierten Tech-Riesen aus dem Westen hätte dabei nur gestört.
Honda Motor hat mit dem Bau einer neuen, 522 Millionen US-Dollar teuren Fabrik für Elektrofahrzeuge in der Provinz Guangdong begonnen. Das teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Die Produktionsstätte wird zusammen mit dem chinesischen Joint-Venture-Partner Guangzhou Automobile Group betrieben. Im Jahr 2024 soll das Werk voll einsatzfähig sein und eine jährliche Produktionskapazität von 120.000 Einheiten erreichen.
Der japanische Autobauer plant zudem ein weiteres EV-Werk in China, das ebenfalls 2024 in Betrieb gehen soll und in einem Joint Venture mit der Dongfeng Motor Group betrieben wird. Mit den neuen Produktionsstätten will der japanische Autokonzern das E-Auto-Geschäft in China weiter ausbauen. Bis 2024 soll die jährliche Produktionskapazität von Honda in China um etwa 16 Prozent auf 1,73 Millionen Einheiten steigen.
In Japan hat Honda kürzlich eine Zusammenarbeit mit dem Elektronikkonzern Sony bekannt gegeben. Die beiden Unternehmen wollen in einem Joint Venture eine “neue Generation von Mobilität und Dienstleistungen” anbieten. Geplant ist unter anderem ein “High-End-Elektroauto” mit vielfältigen Unterhaltungsangeboten, das 2025 auf den Markt kommen soll. Die japanische Industrie springt also gemeinsam auf den Digitalisierungs-Zug auf. fpe
China will die Neuansiedlung von Unternehmen der Stahl-, Zement- und Glasindustrie sowie von Ölraffinerien und Kokereien in bestimmten Regionen verbieten. Regionen, die ohnehin schon stark verschmutzt sind, sollen so nicht weiter belastet werden. Das geht aus einem neuen Plan hervor, der Ende vergangener Woche veröffentlicht wurde. Ziel ist es, die Umweltverschmutzung zu verringern und die Klimaziele des Landes zu erreichen, wie Reuters berichtet.
Laut dem Plan sollen Zementhersteller schneller auf klimafreundlichere Energien umsteigen. Zudem sollen Technologien zum Auffangen von CO2 (Carbon Capture and Storage – China.Table berichtete) vermehrt zum Einsatz kommen. Die Recyclingraten in der Stahl- und im Aluminiumsektor sollen erhöht werden (China.Table berichtete). Bis 2030 sollen 50 Prozent der neu verkauften Autos Fahrzeuge mit alternativen Antrieben sein. nib
Der chinesische Bezirk Beidaihe will Elektroautos von Tesla ab dem kommenden Monat von seinen Straßen verbannen. Ab 1. Juli sei es für mindestens zwei Monate verboten, mit einem Wagen des US-Herstellers durch die Region zu fahren, sagte ein Vertreter der lokalen Verkehrspolizei der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Der Polizist nannte keinen Grund für diese Entscheidung. Er sagte lediglich, es gehe um Staatsangelegenheiten. Tesla war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Beidaihe liegt östlich der Hauptstadt Peking. Dort befindet sich ein renommierter Badeort, in dem die Führungselite der Kommunistischen Partei jedes Jahr zu einem Treffen hinter verschlossenen Türen zusammenkommt und einzelne Interessen austariert. Der Zeitpunkt des kommenden Treffens vor dem anstehenden Parteitag der KP im Herbst fällt mit dem kolportierten Fahrverbot für Tesla zusammen.
Das Vorgehen der Behörden in Beidaihe ist nicht die erste Entscheidung dieser Art: Erst vor wenigen Wochen war Tesla-Fahrzeugen das Befahren einiger Straßen in der Innenstadt von Chengdu untersagt worden. Die Maßnahme von Anfang Juni wurde auch damals nicht offiziell begründet, fiel zeitlich jedoch zusammen mit einem Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in der Stadt.
Schon im vergangenen Jahr hatte Chinas Militär Tesla-Autos den Zugang zu einigen Gebieten untersagt. Damals war inoffiziell die Rede von Sicherheitsbedenken hinsichtlich der an den Fahrzeugen installierten Kameras. Musk versicherte damals, dass Teslas Autos weder in China noch anderswo spionierten und dass das Unternehmen geschlossen würde, wenn dies der Fall wäre. rad/rtr
Die Stadt Brüssel hat nach Beschwerden von Kunden Anzeigen auf mehreren Straßenbahnen zum 25. Jahrestag der Übergabe Hongkongs zurückgezogen. Die zwei Straßenbahnen mit dem Slogan “A New Era – Stability. Prosperity. Opportunity” hätten eigentlich bis zum 29. August in der Hauptstadt Belgiens fahren sollen, wie die South China Morning Post berichtet. Nach Hinweisen von Fahrgästen seien die Anzeigen nun jedoch zurückgezogen worden, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Verkehrsbetriebe STIB. Beschwerden über die Kampagne habe es auch in den sozialen Medien gegeben, so die Sprecherin.
“STIB hat eine Satzung, die unter anderem vorschreibt, dass keine Werbung mit politischen Konnotationen verbreitet werden darf”, erklärte die Sprecherin dem Bericht zufolge. Die Vertretung Hongkongs in Brüssel zeigte sich ob der Entscheidung enttäuscht. Der Aufdruck wurde demnach vor Beginn der Kampagne von STIB abgesegnet. Straßenbahnen mit der Anzeige zur Übergabe Hongkongs fahren auch auf den Straßen von Istanbul, Lissabon und Mailand.
Auch in der italienischen Stadt regt sich dem Bericht zufolge Widerstand: Politiker in Mailand reichten laut lokaler Medienberichte beim Bürgermeister Beschwerde ein. Die Botschaft auf den Trams seien “ein Symbol der chinesischen Unterdrückung”. Die Straßenbahnen wurden jedoch noch nicht aus dem Verkehr gezogen. ari
Der Krieg in der Ukraine hat uns schmerzlich vor Augen geführt, wie gefährlich es ist, sich “in guten Zeiten” von Regimes abhängig zu machen, deren grundlegende Philosophie wir nicht teilen. Sehenden Auges haben wir uns in eine unzulässige Energieabhängigkeit von Moskau begeben, obwohl es genug Warnungen vor den Zielen von Präsident Putin gab.
Nun schaut die Welt auf China, wo das Problem potenziell noch viel größer ist. Wieder in gutem Glauben sind wir in eine kritische Abhängigkeit von China als Absatzmarkt sowie als zentrales Glied in den globalen Lieferketten geraten. Die Abhängigkeit von China als Absatzmarkt wird bei der Autoindustrie besonders deutlich. Volkswagen erwirtschaftet dort 40 Prozent seines Umsatzes. Die Abhängigkeit von China im Rahmen der globalen Lieferketten zeigt sich auch bei Produkten, welche für die angestrebte Energiewende von zentraler Bedeutung sind: Mehr als 80 Prozent aller Solarzellen werden heutzutage in China hergestellt. Bei vielen der zum Einsatz kommenden Industriemetalle, den Seltenen Erden, hat das Land eine marktbeherrschende Stellung. In der Vergangenheit hat es diese zur Durchsetzung politischer Interessen benutzt. Ebenso kommen bis zu 90 Prozent der Vorprodukte für Antibiotika aus China. Als Konsumenten brauchen wir uns nur einige Monate zurückzuerinnern, als die Bekämpfung der Corona-Pandemie am Mangel an FFP2-Masken aus dem Reich der Mitte zu scheitern drohte.
Dabei hat sich China in den vergangenen Jahren konsequent als unerbittlicher Systemrivale etabliert. In der jüngsten Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik wird sogar von einem Angriff Chinas auf die liberal-demokratische internationale Ordnung gesprochen. Vor diesem Hintergrund wurde auf dem jüngsten Weltwirtschaftsforum in Davos den Ausführungen eines Teilnehmers der Beratungsfirma McKinsey zufolge von “China-freien Lieferketten” gesprochen.
Dieser Gedanke ist natürlich weder praktikabel noch wünschenswert. Es ist aber genauso zweifelsfrei richtig, dass wir die hohen Abhängigkeiten von China konsequent und signifikant reduzieren müssen. Die Berücksichtigung politischer Gesichtspunkte bei der strategischen Positionierung der Wirtschaft ist das Gebot der Stunde.
Dabei wäre es wünschenswert, dass wir uns ein kollektives Gedächtnis zulegen, das mehr als nur ein paar kurze Jahre zurückreicht. Wir erinnern uns, bereits ab 1992, also nur drei Jahre nach der Niederschlagung des Tian’anmen-Aufstandes von 1989, mit fliegenden Fahnen und voller bedenkenlosem Optimismus wieder nach China gereist zu sein. Die moralische Entrüstung gegen das aus unserer Sicht unmögliche Vorgehen des Regimes war angesichts des unvergleichlichen Marktpotentials schnell verflogen und vergessen.
Die Reduzierung der Abhängigkeiten von China bedeutet indes nicht, an der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt vorbeizuleben. In China werden heute Produkte hergestellt, die teilweise einen höheren technologischen Standard haben als unsere eigenen, und dieser Trend wird sich nur noch weiter fortsetzen. Die Abkoppelung von dieser Entwicklung reduziert nicht nur unseren Lebensstandard, es schneidet uns auch von technologischem Fortschritt ab und beeinträchtigt die umfassende Kenntnis unseres stärksten Systemrivalen.
Es geht also nicht darum, China-freie Lieferketten auszudenken, sondern die Beziehungen zu China im Rahmen der globalen Lieferketten zu überdenken und neu zu ordnen. In den kommenden Jahren wird die Aufgabe darin bestehen, mehr der heute in China hergestellten Produktion in unsere eigenen Länder zurückzuholen und die Lieferketten derart neu zu gestalten, dass chinesische Firmen zunehmend mehr in Europa produzieren. Diese Art der Arbeitsteilung ist im Falle Chinas neu, aber an anderer Stelle bereits gut etabliert. So haben japanische Unternehmen im Zuge der steten Steigerung des Yen gegenüber dem US-Dollar schon vor Jahren konsequent die Fertigung ins Ausland verlagert und auch deutsche Industrieunternehmen produzieren ja bekanntlich seit Jahren erfolgreich in vielen Teilen der Welt.
Auf diese Weise wird nicht nur unsere Abhängigkeit von China reduziert, es wird auch die Versorgung mit kritischen Rohstoffen wie den Seltenen Erden erleichtert, die chinesische Unternehmen zur Herstellung ihrer Produkte mit nach Europa führen werden. Selbstverständlich wird auch Wertschöpfung und Beschäftigung in unseren Ländern geschaffen.
Die ersten strategischen Partnerschaften dieser Art werden bereits angebahnt. Spektakuläre Unternehmenskäufe wie der von Kuka 2016 sind im Rahmen dieser Strategie dabei nicht erwünscht. Sie zielt vielmehr darauf ab, geeignete lokale Partner zu finden, mit denen der Markt gemeinsam erschlossen werden soll. Möglichen chinesischen Alleingängen sollte mit Vorsicht begegnet werden.
Wie bei anderen Initiativen mit China stellt sich auch hier die Frage nach der Tiefe der Kenntnisse über die potenziellen chinesischen Partner. In diesen Zusammenhang gehört der Vorschlag des Aufbaus einer Open-Source-Datenbank zur effektiven Erfassung notwendiger Informationen zu China und deren Distribution an Regierungen, die Privatwirtschaft und andere Interessenten.
Die außergewöhnlichen Abhängigkeiten von China sind über Jahrzehnte entstanden. Ihre Rückführung ist ein facettenreicher und umfassender Prozess, der uns noch lange herausfordern wird. Der mit dem Wort “Friendshoring” bezeichnete Aufbau von Produktion in Ländern mit einem ähnlichen Wertegerüst gehört sicherlich zu den geeigneten Maßnahmen.
Die Verlagerung von Produktion durch China nach Europa wiederum ermöglicht eine Verringerung der Abhängigkeiten auf Basis unserer eigenen Governance. Sie kommt der berechtigten Forderung nach einem Ausgleich zwischen politischen und ökonomischen Prioritäten entgegen. Heute ist dieser Trend vom Volumen her noch vernachlässigbar. Doch es ist abzusehen, dass der Aufbau von europäischen Fertigungskapazitäten durch chinesische Unternehmen eine wichtige Alternative darstellen wird.
Dr. Gerhard Hinterhäuser ist Partner bei der Unternehmensberatungsgesellschaft Strategic Minds Company. Er lebt in Asien und Deutschland und war von 2006 bis 2014 Mitglied der Geschäftsführung des Investmenthauses PICC Asset Management in Shanghai. Zu seinen beruflichen Stationen in Asien gehörten die Deutsche Bank, die Hypovereinsbank und die Münchener Rück.
Stefan Mecha wird neuer CEO der Marke Volkswagen Pkw in China sowie Leiter des Konzernvertriebs der Volkswagen Group China.
Marcus Hafkemeyer, der bisherige Strategieberater von Huawei Automotive ist, wird zum 1. August Technologie-Chef der Volkswagen Group China.
Ji Xu ist seit Juni Manager R&D von BMW China. Der Ingenieur war zuvor als Module Leader für BMW-Modelle wie den Mini in München tätig. Sein neuer Arbeitsort ist Shenyang in der Provinz Liaoning.
Larissa Reichel ist seit Juni im Vertriebsmanagement China Service bei der Festool Group tätig. Das Unternehmen mit Firmensitz in Wendlingen am Neckar ist Hersteller von Elektro- und Druckluftwerkzeugen. Reichel arbeitete zuvor als Assistant to Head of Product Planning bei VW in Wolfsburg.
die heikle Präsenz in Urumqi halten Menschenrechtsexperten schon lange für die größte politische Schwachstelle von VW. Nun gerät das VW-Werk in Xinjiang immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik. Während 2012 noch Angela Merkel lächelnd bei der Unterzeichnung der Verträge für das umstrittene Werk dabei war, schauen die Regierungen heute bei Menschenrechten sehr genau hin. Dahinter steckt auch harte Interessenpolitik: Gegenüber einem unfreundlichen, inflexiblen China spielen EU und USA das Thema nach vorn, indem sie Importe ächten, die mit Zwangsarbeit zu tun haben. In Deutschland ist zugleich ein Grüner der Wirtschaftsminister. Jetzt hat sich neben der Gewerkschaft auch der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD eingeschaltet. VW steckt in der lange erwarteten Zwickmühle zwischen Forderungen aus Peking und Verpflichtungen gegenüber der deutschen Öffentlichkeit.
Ein zweites Thema, das Sorge bereitet: Chinas neue Datenregeln. Der Internet-Markt in der Volksrepublik ist seit jeher schwierig für ausländische Anbieter. Große Plattformen wie Facebook spielen in China außerhalb der VPN-Blase keine Rolle. Unsere Analyse zeigt, wie die neuen Datenregeln jetzt auch die letzten westlichen Apps und Online-Dienste vertreiben dürften. Neue Vorschriften zum Sammeln und dem Export von Personendaten, aber auch zur Zensur und den Inhalten, die in Apps auftauchen dürfen, machen westlichen Anbietern das Leben schwer. Und damit auch westliche Autobauer.
Viele neue Erkenntnisse beim Lesen!
In der Debatte über ein von Volkswagen in der chinesischen Uiguren-Region Xinjiang betriebenes Werk nimmt der Druck auf den Autobauer rapide zu. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der im Aufsichtsrat des Wolfsburger Konzerns sitzt, stellte die Aktivitäten von VW dort sogar komplett in Frage. “Inzwischen gibt es kaum einen Zweifel daran, dass in Xinjiang Menschenrechtsverletzungen stattfinden”, sagte der Gewerkschaftschef den “Wolfsburger Nachrichten”. Deshalb müsse sich der Konzernvorstand mit dem Thema befassen.
Die Präsenz in Urumqi ist hoch umstritten; zuletzt verweigerte die Bundesregierung dem Konzern mit Hinweis auf Nähe zu Menschenrechtsverletzungen sogar Investitionsbürgschaften (China.Table berichtete). Inzwischen haben Forscher auch erste Hinweise ermittelt, die die Lieferbeziehungen der Autokonzerne eben doch mit Zwangsarbeit in Verbindung bringen (China.Table berichtete). Das Unternehmen selbst hält jedoch konsequent an dem Standort fest.
Zwar gebe es aktuell keinen Hinweis darauf, dass es bei VW selbst zu Menschenrechtsverletzungen gekommen sei. “Dennoch ist insgesamt die Frage zu stellen, was es für das Renommee des Unternehmens bedeutet, dort weiter investiert zu sein”, so Hofmann.
Hofmann sagte in dem Interview, Volkswagen könne nicht nur darauf schauen, was im eigenen “Vorgarten” los sei, sondern müsse auch darauf achten, in welcher “Straße” man wohne. “Wenn rechts und links sichtbar Menschenrechtsverletzungen passieren, verlange ich Handeln.” Der Konzern müsse sich sichtbar und unmissverständlich gegen Menschenrechtsverletzungen positionieren.
Auch VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo ließ Kritik an den Aktivitäten ihres Unternehmens in der uigurisch geprägten Region anklingen. “Mich erschüttern diese Berichte über Menschenrechtsverletzungen sehr”, sagte Cavallo der Taz am Wochenende. “Wir haben als Volkswagen eine Verantwortung.” Der Betriebsrat definiere Standards zu Arbeitsbedingungen und zur Lieferkette. Ihr liegen allerdings keine Belege dafür, dass in dem Werk in Urumqi “etwas passiert, was nicht mit unserer Charta in Einklang zu bringen ist”.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der als Vertreter des mit 20 Prozent der Stimmrechte an VW beteiligten Bundeslandes in dem Kontrollgremium sitzt, stimmte ebenfalls in die Diskussion ein. “Die Bilder und Berichte über die schweren Menschenrechtsverletzungen an der uigurischen Minderheit in der chinesischen Region Xinjiang sind bestürzend.” Es gebe bislang aber keine Hinweise darauf, dass es in dem VW-Werk zu Verletzungen von Menschenrechten oder Arbeitsrechten gekommen sei. “Das entbindet den Konzern jedoch nicht von der Pflicht, sich intensiv mit dem Thema zu befassen und die Vorwürfe zur Menschenrechtslage genau zu prüfen, was auch getan werden wird.”
Das Thema Xinjiang wird bei VW nun wohl auch Thema im Aufsichtsrat. Volkswagen erklärte in einer Stellungnahme: “Uns sind keine Fälle bekannt, dass Mitarbeiter des Unternehmens SAIC Volkswagen in Internierungslagern waren oder sind.” Auf Nachfrage ergänzte der Konzern: “In Gesprächen mit der chinesischen Regierung werden alle wichtigen Themen, die für unsere Geschäftstätigkeit von Bedeutung sind, adressiert.” Dabei würden auch kritische Themen nicht ausgespart.
VW kann sich jedoch kaum ohne Weiteres aus dem Projekt zurückziehen. Der Standort in Urumqi ist zwar klein und zudem betriebswirtschaftlich nur wenig sinnvoll. Doch für die chinesische Regierung hat er erheblichen Symbolwert. Peking hatte VW im Jahr 2012 zu dem zusätzlichen Gemeinschaftsprojekt mit seinem langjährigen Partner SAIC gedrängt. Damals ging es vor allem darum, Belege für die Steigerung der Wirtschaftskraft in Xinjiang zu schaffen.
China hat seine Legitimation für die Herrschaft über das Gebiet aus dem Anspruch gezogen, Entwicklung und Wohlstand in die abgelegene Region zu bringen. Tatsächlich wuchs dort seinerzeit die Wirtschaft und es entstanden moderne Arbeitsplätze. Das machte es für die deutsche Seite auch leicht, dieses Narrativ zu akzeptieren – man ließ sich einreden, den Uiguren damit etwas Gutes zu tun.
Seit 2018 hat die Uiguren-Politik der chinesischen Regierung allerdings eine Wendung ins Extreme genommen. Ein nennenswerter Teil der Bevölkerung sitzt in Lagern fest; die Region gleicht einem Freiluft-Gefängnis mit technischer Totalüberwachung (China.Table berichtete). Das VW-Werk trägt nun durch seine pure Existenz dazu bei, dieses Vorgehen zu legitimieren. Zugleich sitzt China gegenüber VW am längeren Hebel. Ohne das Wohlwollen der Regierung kann kein ausländisches Unternehmen dort Geschäfte machen. Nico Beckert/Finn Mayer-Kuckuk/Reuters
China ist für viele westliche App- und Software-Unternehmen seit jeher ein schwieriger Markt. Tech-Riesen wie Google, Facebook oder Twitter sind in der Volksrepublik nahezu bedeutungslos. In den letzten Wochen und Monaten haben sich weitere Unternehmen aus dem Markt zurückgezogen oder ändern ihr Geschäftsmodell. Nike zog eine Lauf-App mit mehr als acht Millionen Nutzern zurück. AirBnB bietet keine Übernachtungen im chinesischen Markt mehr an. Amazon zieht sein Angebot für E-Books zurück. Zuvor hatten schon LinkedIn und Yahoo wichtige Angebote beendet.
China verfolgt seit einigen Jahren eine neue Datenstrategie. Ende letzten Jahres sind zwei neue Gesetze in Kraft getreten, die auch westliche App- und Plattform-Unternehmen betreffen. Sie regulieren beispielsweise grenzüberschreitende Datenströme und den Schutz und die Weiterverarbeitung personenbezogener Daten (China.Table berichtete). US-amerikanische Social-Media-, App- und Online-Dienst-Anbieter sind von Chinas neuem Personal Information Protection Law (Pipl) besonders betroffen, sagt der Tech-Experte Kai von Carnap vom China-Think-Tank Merics. “Das PIPL erschwert den Export und die Sammlung personenbezogener Daten“, sagt von Carnap. Die Befolgung neuer Gesetze und Regeln sei mit sehr hohen Kosten verbunden. Neben anderen Faktoren wie der Covid-Pandemie und dem US-chinesischen Handelskrieg sei die neue Digitalstrategie Chinas die Hauptursache für den Rückzug westlicher App-Anbieter.
In naher Zukunft könnte es von Carnap zufolge zu weiteren Rückzügen aus dem chinesischen Markt kommen. “Die Vermutung liegt nahe, dass weitere amerikanische Plattformen folgen werden”, so der Merics-Experte. Und auch für deutsche Unternehmen wie die Autobauer könnten die neuen Datengesetze problematisch werden. Moderne Autos sammeln beispielsweise Daten über das Fahrverhalten der Fahrerinnen und Fahrer. Diese Datensammlung und -weiterverarbeitung gesetzeskonform zu gestalten werde eine große Herausforderung, so von Carnap. Zumal die neuen Gesetze einige Grauzonen enthalten. So ist beispielsweise nicht klar definiert, unter welchen Bedingungen “persönliche Daten” aus China exportiert werden können oder was “Betreiber kritischer Infrastrukturen” genau ausmacht – beide Begriffe finden sich in den neuen Gesetzen. “Viele Details sind noch unklar”, sagt von Carnap.
Auch weitere neue Tech-Regulierungen erschweren das China-Geschäft ausländischer Software- und Techkonzerne. “Das Personal Information Protection Law ist nur eines von 10 bis 15 neuen wichtigen Gesetzen und Regulierungen, die soziale Netzwerke und ausländische Plattform-Unternehmen betreffen”, sagt Kendra Schaefer, Tech-Expertin der Beratungsfirma Trivium China. Darunter fallen Regeln zu Empfehlungs-Algorithmen, Zensur-Vorschriften und solche zu Deep Fakes, so Schaefer. Sich an diese Gesetze und Regeln anzupassen, geht laut Schaefer mit hohen Kosten für die Unternehmen einher.
Zuletzt wurden neue Regeln zu mobilen Apps erlassen. Die Anbieter müssen nun die Klarnamen der Nutzer kennen und sind für die in den Apps präsentierten Inhalte verantwortlich. Sie dürfen auch keine “illegalen Informationen” produzieren oder verbreiten und sollen stattdessen sozialistische Grundwerte fördern (China.Table berichtete). Derzeit ist noch nicht klar, was damit genau gemeint ist. Doch die Unklarheit ist im Interesse der Regierung. Indem App-Anbieter in die Pflicht genommen werden, erhöht Peking den Druck, damit die Anbieter schon in vorauseilendem Gehorsam Inhalte zensieren.
Ein weiterer Grund für den Rückzug von Nike, AirBnB, Kindle und LinkedIn ist, dass sie nicht gut an die Bedürfnisse chinesischer Nutzerinnen und Nutzer angepasst sind. Kindle war zwar führend im Markt für E-Reader. Doch der Markt ist klein. Und “nur wenige Nutzer kaufen sich ein extra Gerät zum Lesen von Büchern. Vielmehr bevorzugen sie die Nutzung ihrer Handys” zum Lesen von E-Books, sagt Kendra Schaefer. Auch LinkedIn hätte ihr zufolge sein Nutzererlebnis nicht gut an die chinesischen User und Userinnen angepasst.
Nike zieht sich mit seiner App nicht komplett zurück, sondern will zukünftig – nutzerfreundlicher – ein Miniprogramm für Wechat anbieten, so Schaefer. Das Unternehmen gab bekannt, man wolle “ein Ökosystem aus China für China” anbieten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Lokalisierung auch Datenschutz-Gründe hat und die Daten der jeweiligen Apps in Zukunft in China gespeichert werden sollen. Auch LinkedIn hat mit Incareer einen Ableger für den chinesischen Markt gegründet. Die strengeren Regeln zum Umgang mit Daten und Zensur wurden als Gründe angegeben. Das neue Angebot hat keinen Social Media Feed mehr und keine Möglichkeiten, Artikel oder Posts zu teilen.
Hinzu kommt: Anders als in vielen westlichen Märkten gibt es in China in vielen Bereichen einige starke nationale Konkurrenten für westliche Apps und Anbieter von Online-Diensten. AirBnB hat in der Volksrepublik keine großen Umsätze erwirtschaftet – auch weil es andere Anbieter gibt. China hat auch im Software-Bereich nationale Champions wie Baidu, Weibo, Alibaba, Tencent oder Bytedance aufgebaut. Konkurrenz von etablierten Tech-Riesen aus dem Westen hätte dabei nur gestört.
Honda Motor hat mit dem Bau einer neuen, 522 Millionen US-Dollar teuren Fabrik für Elektrofahrzeuge in der Provinz Guangdong begonnen. Das teilte das Unternehmen am Dienstag mit. Die Produktionsstätte wird zusammen mit dem chinesischen Joint-Venture-Partner Guangzhou Automobile Group betrieben. Im Jahr 2024 soll das Werk voll einsatzfähig sein und eine jährliche Produktionskapazität von 120.000 Einheiten erreichen.
Der japanische Autobauer plant zudem ein weiteres EV-Werk in China, das ebenfalls 2024 in Betrieb gehen soll und in einem Joint Venture mit der Dongfeng Motor Group betrieben wird. Mit den neuen Produktionsstätten will der japanische Autokonzern das E-Auto-Geschäft in China weiter ausbauen. Bis 2024 soll die jährliche Produktionskapazität von Honda in China um etwa 16 Prozent auf 1,73 Millionen Einheiten steigen.
In Japan hat Honda kürzlich eine Zusammenarbeit mit dem Elektronikkonzern Sony bekannt gegeben. Die beiden Unternehmen wollen in einem Joint Venture eine “neue Generation von Mobilität und Dienstleistungen” anbieten. Geplant ist unter anderem ein “High-End-Elektroauto” mit vielfältigen Unterhaltungsangeboten, das 2025 auf den Markt kommen soll. Die japanische Industrie springt also gemeinsam auf den Digitalisierungs-Zug auf. fpe
China will die Neuansiedlung von Unternehmen der Stahl-, Zement- und Glasindustrie sowie von Ölraffinerien und Kokereien in bestimmten Regionen verbieten. Regionen, die ohnehin schon stark verschmutzt sind, sollen so nicht weiter belastet werden. Das geht aus einem neuen Plan hervor, der Ende vergangener Woche veröffentlicht wurde. Ziel ist es, die Umweltverschmutzung zu verringern und die Klimaziele des Landes zu erreichen, wie Reuters berichtet.
Laut dem Plan sollen Zementhersteller schneller auf klimafreundlichere Energien umsteigen. Zudem sollen Technologien zum Auffangen von CO2 (Carbon Capture and Storage – China.Table berichtete) vermehrt zum Einsatz kommen. Die Recyclingraten in der Stahl- und im Aluminiumsektor sollen erhöht werden (China.Table berichtete). Bis 2030 sollen 50 Prozent der neu verkauften Autos Fahrzeuge mit alternativen Antrieben sein. nib
Der chinesische Bezirk Beidaihe will Elektroautos von Tesla ab dem kommenden Monat von seinen Straßen verbannen. Ab 1. Juli sei es für mindestens zwei Monate verboten, mit einem Wagen des US-Herstellers durch die Region zu fahren, sagte ein Vertreter der lokalen Verkehrspolizei der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Der Polizist nannte keinen Grund für diese Entscheidung. Er sagte lediglich, es gehe um Staatsangelegenheiten. Tesla war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.
Beidaihe liegt östlich der Hauptstadt Peking. Dort befindet sich ein renommierter Badeort, in dem die Führungselite der Kommunistischen Partei jedes Jahr zu einem Treffen hinter verschlossenen Türen zusammenkommt und einzelne Interessen austariert. Der Zeitpunkt des kommenden Treffens vor dem anstehenden Parteitag der KP im Herbst fällt mit dem kolportierten Fahrverbot für Tesla zusammen.
Das Vorgehen der Behörden in Beidaihe ist nicht die erste Entscheidung dieser Art: Erst vor wenigen Wochen war Tesla-Fahrzeugen das Befahren einiger Straßen in der Innenstadt von Chengdu untersagt worden. Die Maßnahme von Anfang Juni wurde auch damals nicht offiziell begründet, fiel zeitlich jedoch zusammen mit einem Besuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in der Stadt.
Schon im vergangenen Jahr hatte Chinas Militär Tesla-Autos den Zugang zu einigen Gebieten untersagt. Damals war inoffiziell die Rede von Sicherheitsbedenken hinsichtlich der an den Fahrzeugen installierten Kameras. Musk versicherte damals, dass Teslas Autos weder in China noch anderswo spionierten und dass das Unternehmen geschlossen würde, wenn dies der Fall wäre. rad/rtr
Die Stadt Brüssel hat nach Beschwerden von Kunden Anzeigen auf mehreren Straßenbahnen zum 25. Jahrestag der Übergabe Hongkongs zurückgezogen. Die zwei Straßenbahnen mit dem Slogan “A New Era – Stability. Prosperity. Opportunity” hätten eigentlich bis zum 29. August in der Hauptstadt Belgiens fahren sollen, wie die South China Morning Post berichtet. Nach Hinweisen von Fahrgästen seien die Anzeigen nun jedoch zurückgezogen worden, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Verkehrsbetriebe STIB. Beschwerden über die Kampagne habe es auch in den sozialen Medien gegeben, so die Sprecherin.
“STIB hat eine Satzung, die unter anderem vorschreibt, dass keine Werbung mit politischen Konnotationen verbreitet werden darf”, erklärte die Sprecherin dem Bericht zufolge. Die Vertretung Hongkongs in Brüssel zeigte sich ob der Entscheidung enttäuscht. Der Aufdruck wurde demnach vor Beginn der Kampagne von STIB abgesegnet. Straßenbahnen mit der Anzeige zur Übergabe Hongkongs fahren auch auf den Straßen von Istanbul, Lissabon und Mailand.
Auch in der italienischen Stadt regt sich dem Bericht zufolge Widerstand: Politiker in Mailand reichten laut lokaler Medienberichte beim Bürgermeister Beschwerde ein. Die Botschaft auf den Trams seien “ein Symbol der chinesischen Unterdrückung”. Die Straßenbahnen wurden jedoch noch nicht aus dem Verkehr gezogen. ari
Der Krieg in der Ukraine hat uns schmerzlich vor Augen geführt, wie gefährlich es ist, sich “in guten Zeiten” von Regimes abhängig zu machen, deren grundlegende Philosophie wir nicht teilen. Sehenden Auges haben wir uns in eine unzulässige Energieabhängigkeit von Moskau begeben, obwohl es genug Warnungen vor den Zielen von Präsident Putin gab.
Nun schaut die Welt auf China, wo das Problem potenziell noch viel größer ist. Wieder in gutem Glauben sind wir in eine kritische Abhängigkeit von China als Absatzmarkt sowie als zentrales Glied in den globalen Lieferketten geraten. Die Abhängigkeit von China als Absatzmarkt wird bei der Autoindustrie besonders deutlich. Volkswagen erwirtschaftet dort 40 Prozent seines Umsatzes. Die Abhängigkeit von China im Rahmen der globalen Lieferketten zeigt sich auch bei Produkten, welche für die angestrebte Energiewende von zentraler Bedeutung sind: Mehr als 80 Prozent aller Solarzellen werden heutzutage in China hergestellt. Bei vielen der zum Einsatz kommenden Industriemetalle, den Seltenen Erden, hat das Land eine marktbeherrschende Stellung. In der Vergangenheit hat es diese zur Durchsetzung politischer Interessen benutzt. Ebenso kommen bis zu 90 Prozent der Vorprodukte für Antibiotika aus China. Als Konsumenten brauchen wir uns nur einige Monate zurückzuerinnern, als die Bekämpfung der Corona-Pandemie am Mangel an FFP2-Masken aus dem Reich der Mitte zu scheitern drohte.
Dabei hat sich China in den vergangenen Jahren konsequent als unerbittlicher Systemrivale etabliert. In der jüngsten Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik wird sogar von einem Angriff Chinas auf die liberal-demokratische internationale Ordnung gesprochen. Vor diesem Hintergrund wurde auf dem jüngsten Weltwirtschaftsforum in Davos den Ausführungen eines Teilnehmers der Beratungsfirma McKinsey zufolge von “China-freien Lieferketten” gesprochen.
Dieser Gedanke ist natürlich weder praktikabel noch wünschenswert. Es ist aber genauso zweifelsfrei richtig, dass wir die hohen Abhängigkeiten von China konsequent und signifikant reduzieren müssen. Die Berücksichtigung politischer Gesichtspunkte bei der strategischen Positionierung der Wirtschaft ist das Gebot der Stunde.
Dabei wäre es wünschenswert, dass wir uns ein kollektives Gedächtnis zulegen, das mehr als nur ein paar kurze Jahre zurückreicht. Wir erinnern uns, bereits ab 1992, also nur drei Jahre nach der Niederschlagung des Tian’anmen-Aufstandes von 1989, mit fliegenden Fahnen und voller bedenkenlosem Optimismus wieder nach China gereist zu sein. Die moralische Entrüstung gegen das aus unserer Sicht unmögliche Vorgehen des Regimes war angesichts des unvergleichlichen Marktpotentials schnell verflogen und vergessen.
Die Reduzierung der Abhängigkeiten von China bedeutet indes nicht, an der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt vorbeizuleben. In China werden heute Produkte hergestellt, die teilweise einen höheren technologischen Standard haben als unsere eigenen, und dieser Trend wird sich nur noch weiter fortsetzen. Die Abkoppelung von dieser Entwicklung reduziert nicht nur unseren Lebensstandard, es schneidet uns auch von technologischem Fortschritt ab und beeinträchtigt die umfassende Kenntnis unseres stärksten Systemrivalen.
Es geht also nicht darum, China-freie Lieferketten auszudenken, sondern die Beziehungen zu China im Rahmen der globalen Lieferketten zu überdenken und neu zu ordnen. In den kommenden Jahren wird die Aufgabe darin bestehen, mehr der heute in China hergestellten Produktion in unsere eigenen Länder zurückzuholen und die Lieferketten derart neu zu gestalten, dass chinesische Firmen zunehmend mehr in Europa produzieren. Diese Art der Arbeitsteilung ist im Falle Chinas neu, aber an anderer Stelle bereits gut etabliert. So haben japanische Unternehmen im Zuge der steten Steigerung des Yen gegenüber dem US-Dollar schon vor Jahren konsequent die Fertigung ins Ausland verlagert und auch deutsche Industrieunternehmen produzieren ja bekanntlich seit Jahren erfolgreich in vielen Teilen der Welt.
Auf diese Weise wird nicht nur unsere Abhängigkeit von China reduziert, es wird auch die Versorgung mit kritischen Rohstoffen wie den Seltenen Erden erleichtert, die chinesische Unternehmen zur Herstellung ihrer Produkte mit nach Europa führen werden. Selbstverständlich wird auch Wertschöpfung und Beschäftigung in unseren Ländern geschaffen.
Die ersten strategischen Partnerschaften dieser Art werden bereits angebahnt. Spektakuläre Unternehmenskäufe wie der von Kuka 2016 sind im Rahmen dieser Strategie dabei nicht erwünscht. Sie zielt vielmehr darauf ab, geeignete lokale Partner zu finden, mit denen der Markt gemeinsam erschlossen werden soll. Möglichen chinesischen Alleingängen sollte mit Vorsicht begegnet werden.
Wie bei anderen Initiativen mit China stellt sich auch hier die Frage nach der Tiefe der Kenntnisse über die potenziellen chinesischen Partner. In diesen Zusammenhang gehört der Vorschlag des Aufbaus einer Open-Source-Datenbank zur effektiven Erfassung notwendiger Informationen zu China und deren Distribution an Regierungen, die Privatwirtschaft und andere Interessenten.
Die außergewöhnlichen Abhängigkeiten von China sind über Jahrzehnte entstanden. Ihre Rückführung ist ein facettenreicher und umfassender Prozess, der uns noch lange herausfordern wird. Der mit dem Wort “Friendshoring” bezeichnete Aufbau von Produktion in Ländern mit einem ähnlichen Wertegerüst gehört sicherlich zu den geeigneten Maßnahmen.
Die Verlagerung von Produktion durch China nach Europa wiederum ermöglicht eine Verringerung der Abhängigkeiten auf Basis unserer eigenen Governance. Sie kommt der berechtigten Forderung nach einem Ausgleich zwischen politischen und ökonomischen Prioritäten entgegen. Heute ist dieser Trend vom Volumen her noch vernachlässigbar. Doch es ist abzusehen, dass der Aufbau von europäischen Fertigungskapazitäten durch chinesische Unternehmen eine wichtige Alternative darstellen wird.
Dr. Gerhard Hinterhäuser ist Partner bei der Unternehmensberatungsgesellschaft Strategic Minds Company. Er lebt in Asien und Deutschland und war von 2006 bis 2014 Mitglied der Geschäftsführung des Investmenthauses PICC Asset Management in Shanghai. Zu seinen beruflichen Stationen in Asien gehörten die Deutsche Bank, die Hypovereinsbank und die Münchener Rück.
Stefan Mecha wird neuer CEO der Marke Volkswagen Pkw in China sowie Leiter des Konzernvertriebs der Volkswagen Group China.
Marcus Hafkemeyer, der bisherige Strategieberater von Huawei Automotive ist, wird zum 1. August Technologie-Chef der Volkswagen Group China.
Ji Xu ist seit Juni Manager R&D von BMW China. Der Ingenieur war zuvor als Module Leader für BMW-Modelle wie den Mini in München tätig. Sein neuer Arbeitsort ist Shenyang in der Provinz Liaoning.
Larissa Reichel ist seit Juni im Vertriebsmanagement China Service bei der Festool Group tätig. Das Unternehmen mit Firmensitz in Wendlingen am Neckar ist Hersteller von Elektro- und Druckluftwerkzeugen. Reichel arbeitete zuvor als Assistant to Head of Product Planning bei VW in Wolfsburg.