Table.Briefing: China

Bidens Chinapolitik + Jack Ma + Jeffrey D. Sachs + Benny Tai + E-Auto-Allianz + Huawei + Corona

  • Amerikas China-Politik: Europa rückt ins Zentrum
  • Jack Ma: China schreckt Unternehmenslenker
  • Baidu und Geely: Allianz für autonomes Fahren
  • Huawei: Mit Klagen gegen den 5G-Ausschluss
  • Corona: Metropolen Shijiazhuang und Xingtai abgeriegelt
  • Jeffrey D. Sachs: China als Partner für Zukunftsprobleme
  • Im Portrait: Benny Tai
Liebe Leserin, lieber Leser,

noch eine Woche bleibt bis zur Inauguration, dann wird Joe Biden der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Erwartungen an ihn könnten nicht größer sein – innenpolitisch, aber genauso an seine Außenpolitik. Bidens Vorgänger im Amt hat dem transatlantischen Verhältnis schweren Schaden zugefügt und provoziert China bis in die letzten Stunden hinein. Das Team des China.Table hat sich in in diesen Tagen in Washington, Peking, Brüssel und Berlin umgehört und analysiert die Erwartungen an die China-Politik des neuen US-Präsidenten. Im Standpunkt warnt Jeffrey D. Sachs vor einer Fortsetzung der Trumpschen Abkopplungspolitik. Zur Bewältigung internationaler Krisen, sagt der US-Ökonom, werde China trotz aller Konflikte gebraucht.

Wo ist Jack Ma? Seit Wochen gibt es nur Vermutungen über das Schicksal des chinesischen Vorzeige-Tech-Pioniers. Marcel Grzanna hat seine Spur aufgenommen und geht der Frage nach, welche Schlüsse andere erfolgreiche Unternehmer Chinas aus dem Schicksal Mas ziehen können. Der Befund: Pekings Härte könnte zur Innovations- und damit zur Wachstumsbremse werden.

Zur Lektüre empfehlen möchte ich Ihnen außerdem: Finn Mayer-Kuckuk beleuchtet die Folgen der Allianz von Baidu und Geely, zweier Schwergewichte der chinesischen Technikszene, für die Zukunft des autonomen Fahrens – nicht nur in China sondern auch hierzulande.

Seien Sie willkommen am China.Table,

Ihre
Antje Sirleschtov
Bild von Antje  Sirleschtov

Presseschau

Suche nach Corona-Ursprung: WHO-Experten dürfen jetzt doch nach China TAGESSCHAU
Willkommen in der Volksrepublik der verschwundenen Milliardäre WIWO
Taiwan New Passport Shrinks ‘Republic of China’ NEW YORK TIMES
China warnt USA vor offiziellen Kontakten mit Taiwan SPIEGEL
China droht Vereinigten Staaten mit “Gegenschlag” FAZ
Wie China versucht, den Balkan zu unterwandern FAZ
KfW-Kredite: Mit deutschen Millionen treibt China seine Expansionspolitik voran WELT
EU-China-Handelsvertrag: Zynischer Pakt SZ
Twitter deletes China embassy’s Xinjiang ’emancipation’ tweet BBC
China calls on India to ‘promptly’ return captured soldier DW
Hongkong lässt 52 Aktivisten frei – Joshua Wong bleibt in Untersuchungshaft RND
Muskelspiele: China nutzt geopolitische Lücke ORF
China launches measures to protect companies from US sanctions FINANCIAL TIMES
China moves to charm Asia ahead of Biden presidency SOUTH CHINA MORNING POST
Trotz Aufwärtstrend im Dezember: Chinas Automarkt sinkt das dritte Jahr in Folge MANAGER MAGAZIN
Xi stresses good start for fully building modern socialist China XINHUA

Analyse

Bidens China-Politik: Europa rückt ins Zentrum

Der chinesische Präsident Xi Jinping (R) schüttelt die Hände von US-Vizepräsident Joe Biden während ihres Treffens in der Großen Halle der in Peking, der Hauptstadt Chinas, 4. Dezember 2013.

US-China-Politik: Ein jahrelanger Handelskrieg und der Vorwurf, China trage die Schuld an der Corona-Pandemie – so schlecht wie unter Donald Trump waren die Beziehungen der USA zur Volksrepublik seit mehr als vier Jahrzehnten nicht. Und obwohl Trumps Regierung nur noch wenige Tage im Amt ist, setzt sie noch einen drauf. Am Wochenende hob Außenminister Mike Pompeo die bislang geltenden Beschränkungen bei offiziellen Kontakten mit Taiwan auf. Ein Affront. Schließlich verlangt die KP China vom Rest der Welt, Taiwan nicht offiziell als eigenständiges Land anzuerkennen. Dem widersetzen sich die USA mit diesem Vorstoß nun.

Die “komplexen internen Beschränkungen” unter anderem für Diplomaten im Umgang mit Taipeh seien ein “Versuch zur Beschwichtigung des kommunistischen Regimes in Peking” gewesen, erklärte der ebenfalls scheidende US-Außenminister. “Das ist vorbei.” Es werde keine Rücksichtnahme mehr auf Peking geben. Dieser Schritt erfolgt vor einem Besuch der amerikanischen UN-Botschafterin Kelly Craft in Taiwan, der für das kommende Wochenende vorgesehen ist.

Nun könnten alle Beteiligten diese Provokation entspannt ignorieren. Denn was ist schon von einer Regierung zu erwarten, die in wenigen Tagen eh abtreten wird? Doch so einfach ist das nicht. Auch mit der neuen Regierung unter Joe Biden wird sich an den Konflikten zwischen Washington und Peking wenig ändern

“Die Demokraten werden möglicherweise eine andere Sprache wählen und nicht von einer Entkopplung von China reden”, sagte Julianne Smith im vergangenen Sommer. Sie war stellvertretende Sicherheitsberaterin, als Biden Vizepräsident war und wird nun als neue Nato-Botschafterin gehandelt. An den Grundzügen der China-Politik der Trump-Regierung werde die USA aber auch unter einem neuen Präsidenten festhalten. “Ein wesentlicher Unterschied wird sein, dass die europäischen Verbündeten wieder stärker eingebunden werden.” 

Genau dieser Unterschied könnte für die deutsche Bundesregierung aber ganz erheblich werden. Denn tatsächlich war in den vier Trump-Jahren Kanzlerin Angela Merkel mit ihrer Politik gut gefahren, sich aus globalen Konflikten möglichst herauszuhalten. Aber Trump hatte ohnehin nicht viel übrig für transatlantische Koordination, seine Erwartungen an Deutschland und Europa waren gering. Das dürfte unter Biden wieder anders werden. Nicht zuletzt mit Blick auf China erwartet er von der Bundesregierung mehr Bündnistreue. 

Das zeigte sich nicht zuletzt Ende des Jahres, als China und die EU sich in letzter Minute der deutschen Ratspräsidentschaft doch noch auf den Abschluss des Investitionsschutzabkommens einigten. Mehr als sieben Jahre hatten beide Seiten verhandelt. Jake Sullivan, Bidens künftiger nationale Sicherheitsberater, forderte die Europäer auf, die Unterzeichnung des Abkommens zu unterbrechen – zumindest bis sie Gelegenheit hatten, mit der neuen Regierung darüber zu diskutieren. Er wurde ignoriert. Einige Kommentatoren in den USA hatten schon vorher gefordert: Die Deutschen müssten sich entscheiden, auf welcher Seite sie künftig stehen.

Gabriel: Unsere Interessen schützen

Sigmar Gabriel, Vorsitzender der Atlantikbrücke und bis 2018 Außenminister, sieht in der Frage nach dem Verhältnis zu China auch die “größte Herausforderung des transatlantischen Verhältnisses”. Der Streit um die Nato-Beiträge seien “ein Fliegenschiss dagegen”, sagt er dem China.Table. 

Gabriel hält es dennoch für richtig, dass die EU sich mit China auf das Investitionsschutzabkommen geeinigt hat. “Es ist unser Interesse, unsere Investitionen zu schützen”, so der einstige SPD-Spitzenpolitiker. Das täten die Amerikaner schließlich auch. “Das heißt ja nicht, dass wir nicht eine gemeinsame China-Strategie entwickeln können.”

Eine große Mehrheit der Bundesbürger würde sogar noch weiter gehen und politisch gar auf völlige Neutralität pochen. Wie eine von der Welt am Sonntag in Auftrag gegebene Umfrage von Infratest ergab, sind 77 Prozent der Deutschen dafür, sich in einem Konflikt zwischen den USA und der Volksrepublik China herauszuhalten. Dieser Wunsch verschließe die Augen vor der geopolitischen Realität, warnt hingegen der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, der am Wochenende für den CDU-Vorsitz kandidiert. “Wenn man Realitäten ignoriert, werden sie umso härter zuschlagen.”

Pekings Wolfskrieger warten ab

Pekings Staatsführung selbst wirbt beim designierten US-Präsidenten Joe Biden zunächst einmal für Besonnenheit: “Beide Länder sollten auf einen Pfad zurückfinden, der das gegenseitige Vertrauen wiederherstellt und von dem beide profitieren”, erklärte Chinas Außenminister Wang Yi am Montag vor einer Woche. Das sind ganz andere Töne als die “Wolfskrieger-Diplomatie” der vergangenen Monate, nach dem Motto: Wir lassen uns nun nichts mehr gefallen. Noch vor drei Wochen hatte der chinesische Thinktank South China Sea Probing Initiative (SCSPI) Öl ins Feuer gegossen und gegenüber Newsweek behauptet, dass “das Risiko eines Konfliktes größer wird”. Die gefährlichen Begegnungen der beiden Seiten im südchinesischen Meer nähmen zu. Und Anfang dieser Woche flammte der Ärger in der englischsprachigen Ausgabe des Parteiblattes Global Times noch einmal auf, als Twitter einen Kommentar der chinesischen Botschaft in Washington zu Xinjiang gelöscht hat. Mit Blick auf den angekündigten Besuch der amerikanischen UN-Botschafterin in Taiwan hieß es außerdem am Montag in Peking, Taiwan sei “untrennbarer Teil des chinesischen Territoriums” und China behalte sich bei weiteren Provokationen einen “Gegenschlag” vor.

Doch das ist inzwischen eher eine Ausnahme. Die mäßigenden Stimmen bestimmen inzwischen das Bild. Stimmen wie die von Xu Xiaonian, dem Chefvolkswirt der CICC, einer der größten Investmentbanken Chinas. In einem am vergangenen Sonntag auch in Englisch im Wirtschaftsmagazin Caixin veröffentlichten Text warnte er die Nationalisten in der Partei klar und deutlich, nun nicht über das Ziel hinauszuschießen.

Trotz des vergleichsweise großen wirtschaftlichen Erfolges Chinas im vergangenen Jahr solle Peking die Folgen der amerikanischen Politik, China von amerikanischer Technologie abzuschneiden, “nicht unterschätzen.” In dieser postindustriellen Zeit reiche es für China “nicht mehr, sich auf die sogenannte Troika von Konsum, externem Bedarf und Investment zu verlassen.” Diejenigen in der chinesischen Politik, die bereits darauf hoffen, dass China sich nun auf Binnenkonsum und den Handel mit Asien beschränken könne, spricht er ins Gewissen. So zu denken, “könnte unserer Wirtschaft einen profunden Schaden zufügen”. Ein Großteil der chinesischen Wirtschaft basiere noch auf ausländischen Technologien, “die nicht in einem Tag nur mit großen Investitionen ersetzt werden können”.

Gleichzeitig warnte Xu vor zu hohen Erwartungen einer Kurskorrektur durch den neuen Präsidenten Joe Biden. Dass Biden eine “weniger feindselige Politik” gegenüber China machen werden, hält er für “Wunschdenken”. Die amerikanische Politik müsse sich an der öffentlichen Meinung orientieren und die stehe China nicht freundlich gegenüber. “Solange sich das nicht ändert, ist es schwierig für die Bidens Regierung den Kurs zu ändern”.

Deshalb wundert es in Peking kaum jemanden, dass Biden bereits erklärt hat, er wolle die Zölle zunächst aufrechtzuerhalten. Aus gutem Grund: Das US-Handelsdefizit mit China ist trotz Trumps Zollkrieg nach wie vor riesig.

Andererseits brauchen die amerikanischen Unternehmen in der Coronakrise den chinesischen Markt mehr denn je und die amerikanischen Bürger mehr denn je die preiswerten “Made in China” Produkte, wenden die Auftrumpfenden ein. Die Global Times argumentiert bereits, Trump habe nur deshalb die Wahl verloren, weil er die Bauern und Fabrikarbeiter in “Rust-Belt”-Staaten wie Pennsylvania mit seinem Handelskrieg vom globalen Handel abgeschnitten habe.

Was die Kommentatoren dabei offensichtlich vergessen: Die wirtschaftlichen Folgen von Corona haben eine viel größere Rolle gespielt.

Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass schon Anfang Oktober rund 23 Millionen Amerikaner Arbeitslosenhilfe beziehen mussten – im gleichen Zeitraum im Vorjahr waren es nur 1,4 Millionen. “Biden muss diesen Menschen helfen und das geht nur mit und nicht gegen China”, sagt ein hoher chinesischer Diplomat. An dieser Stelle setzen die Verhandlungen von Peking an. Man stellt sich derzeit vor allem die Frage, wie man Biden helfen kann, sein innenpolitisches Problem zu lösen und wo er bereit sein könnte deswegen gegenüber China nachzugeben.

Die Nato hofft auf Entspannung der Allianz

Wenn Joe Biden am 20. Januar seinen Amtseid vor dem Washingtoner Kapitol leistet, wird vor allem in einer Brüsseler Institution einmal tief durchgeatmet: Von Bidens Vorgänger als “obsolet” bezeichnet, hofft die Nato auf eine Entspannung der transatlantischen Allianz.  

Für die Nato ist es wichtig, dass im Weißen Haus nun laut Generalsekretär Jens Stoltenberg wieder ein “starker Unterstützer der transatlantischen Beziehungen” sitzt. Das Bündnis kämpft international um Anerkennung – und um eine gemeinsame Strategie gegenüber China, das Russland langfristig den Rang als größter militärischer Gegner ablaufen könnte.  

Um Peking mit einer Stimme zu begegnen, wird nun über die Einrichtung eines eigenen Beratungsgremiums mit China-Fokus nachgedacht. Eine zeitliche Abschätzung, bis wann dieses seine Arbeit aufnehmen könnte, sei jedoch noch nicht absehbar, hieß es in Nato-Kreisen auf Anfrage von China.Table.  

Der US-amerikanische Ex-Diplomat A. Wess Mitchell betont, dass der Aufstieg Chinas die “größte und einschneidendste Veränderung in der Nato-Strategie” nach sich ziehe und die Nato mit diesem Aufstieg unbedingt rechnen müsse. Der Experte für Außenpolitik sitzt gemeinsam mit dem ehemaligen deutschen Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière der sogenannten Nato-Reflexionsgruppe vor, die das Bündnis für das kommende Jahrzehnt fit machen soll.  

“Die Nato muss viel mehr Zeit, politische Ressourcen und Maßnahmen für die Sicherheitsherausforderungen Chinas aufwenden”, schlussfolgert das Gremium in seinem im November 2020 erschienenen Bericht, in dem China ein eigenes Kapitel erhielt. Nato-Generalsekretär Stoltenberg merkte dazu an: “Es geht nicht darum, die Nato in das Südchinesische Meer zu bringen, sondern zu berücksichtigen, dass China uns näherkommt.” 

Durch die Seidenstraße-Projekte habe China europaweit Infrastrukturen erworben, was sich auf die Kommunikation und den Austausch von Informationen zwischen den Mitgliedsstaaten auswirken könnte, warnte das Verteidigungsbündnis. Bedenken gibt es demnach auch wegen der engen Beziehungen zwischen China und Russland und deren gemeinsamen Marine-Übungen im euro-atlantischen Raum. 

Die erste große Begegnung des Nordatlantikpakts mit Vertretern der Biden-Regierung wird das Treffen der Verteidigungsminister Anfang Februar sein. Dabei soll vor allem die Nato-Mission in Afghanistan auf der Agenda stehen – ein wichtiger Einsatz in der Nachbarschaft Chinas.

EU und USA: China-Politik auf Stand-by

“Stand-by” heißt es indes für den noch relativ jungen bilateralen transatlantischen China-Dialog zwischen der EU-Kommission und dem US-Außenministerium, der erst im vergangenen Jahr eingeführt wurde. Einen Termin für ein erstes Gespräch des Formats zwischen dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und dem designierten US-Außenminister Antony Blinken gebe es noch nicht, teilte die Kommission auf Anfrage von China.Table mit.

Zuletzt hatte Borrell Ende Oktober mit Mike Pompeo gesprochen. Sie begrüßten das Dialog-Format als ein “spezielles Forum für EU- und US-Experten, um das gesamte Spektrum der Fragen im Zusammenhang mit China zu erörtern”, hieß es damals in einer gemeinsamen Mitteilung. Bei den bilateralen Gesprächen soll es demnach um Themen wie Menschenrechte, Sicherheit und Multilateralismus gehen. 

Für den nächsten Termin werde nun auf den Antritt der Biden-Regierung gewartet, teilte ein Kommissionssprecher mit. Wie oft das Forum zusammentrifft, ist demnach nicht festgelegt. Laut der Brüsseler Behörde soll das Dialog-Format einen “Schlüsselmechanismus” für die gemeinsame Positionierung gegenüber Peking werden. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Weißen Haus zur Ausrichtung der strategischen Ziele und zur Unterstützung des demokratischen Fortschritts in Asien werde von wesentlicher Bedeutung sein, betonte die EU-Kommission im Dezember.  

Fraglich ist, welchen Einstieg die EU und USA haben werden. Hatten Kritiker zuletzt doch das Investitionsschutzabkommen CAI eher als madiges Willkommensgeschenk für die Biden-Regierung und großes Zugeständnis an China bezeichnet. Diese Sicht sei zu aber viel zu vereinfacht, betont EU-Asien-Analystin und Brüssel-Insiderin Shada Islam. “Die EU ist nicht der Junior-Partner der USA”, sagt sie China.Table. Wer so denke, unterschätze die EU. Washington müsse klar sein, dass sich die Welt auch geopolitisch verändert habe, so Islam. “Wir brauchen eine starke und demokratische USA, aber es gibt noch weitere Partner, die sich genauso einbringen.” Das Abkommen sei dabei auch eine Art Realitätscheck für die neue Regierung in Washington. Felix Lee/Amelie Richter/Frank Sieren

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Termine

12.01.2021, 9-10 AM (EST)
Live Podcast, SupChina How China does startups
With Microsoft China CEO James Chou, Host: Chris Marquis, Samuel C. Johnson Professor in Sustainable Global Enterprise and Professor of Management at the Cornell University Johnson College of Business Mehr

12.01.2021, 4-5 PM (PST)
Panel, Washington State China Relations Council Cruising the South China Sea – Stormy Weather Ahead? Mehr

12.01.2021, 16:00-18:00 Uhr
Vortrag, Chinnotopia, TU Berlin Online Feature-Reihe über den Innovationsinkubator China: Driving the Fast Line – Towards Future´s Mobility
Anmeldung: info@chinnotopia.de Mehr

13.01.2021, 12:30-13:30 Uhr
Diskussionsreihe, ZEW-Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung China und die EU – Partner und Wettbewerber, Diskussion mit Ulrich Nußbaum (Staatssekretär BMWi) und ZEW-Präsident Achim Wambach. Mehr

13.01.2021, 14:00-16:30 Uhr
Webinar, Ausblick, Panel Merics Merics China Forecast 2021 Mehr

13.01.2021, 19:00-20:30 Uhr
Vortrag mit Diskussion: Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Düsseldorf (GDCF) und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher-China-Gesellschaften e.V. Klare Kante gegen China?
von Thomas Heberer (Seniorprofessor für Politik und Gesellschaft Chinas an der Universität Duisburg-Essen), Anmeldung: info@gdcf-duesseldorf.de ­ Mehr

14.01.2021, 10:15-11:30 Uhr (Pekinger Zeit 17:15-18:30 Uhr)
Report Launch European Chamber Decoupling Report Mehr

14.01.2021, 16:00-17:30 Uhr
21. Außenpolitische Jahrestagung, Heinrich-Böll-Stiftung Zwischen Hard und Soft Power: Die Europäische Union in der neuen Großmächtekonkurrenz Mehr

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Das Rätsel um Jack Ma

Jack Ma war dem chinesischen Staat jahrzehntelang immer ein paar Schritte voraus. Seine Visionen, sein Unternehmergeist und seine Entschlossenheit setzten Maßstäbe für den Internethandel in der Welt und den digitalen Zahlungsverkehr. Mit seinem Online-Imperium Alibaba stellte Jack Ma das Schaffen der chinesischen Technokraten in den Schatten. Sein Erfolg gipfelte 2014 in der größten Neuemission der Geschichte, als seine digitale Handelsplattform an der New Yorker Börse 25 Milliarden Dollar einsammelte, noch einmal drei Milliarden mehr als die Agricultural Bank of China, ein prall gepäppeltes Staatsunternehmen, vier Jahre zuvor.

Es war so etwas wie die chinesische Übersetzung des American Dream, den Jack Ma ausgerechnet in der nominell kommunistisch regierten Volksrepublik China verwirklichte: vom hageren Freak, der sich von Fertignudeln ernährte, zum Internet-Rockstar, dem eine ganze Generation zu Füßen lag und der bewies, dass man auch ohne die Partei im Rücken dem Land seinen Stempel aufdrücken konnte. Seinen Triumph münzte der Unternehmer zunehmend auch in politische Einflussnahme um. Rund um den G20-Gipfel 2016 in Hangzhou empfing Ma in seiner Firmenzentrale sogar diverse Staatschefs zum Brainstorming über ein globales Handelssystem für die Digitalwirtschaft. Kleine und mittelständische Unternehmen auf der ganzen Welt sollten davon profitieren.

Einige Chinakenner glauben, dass Jack Mas selbstbewusstes Auftreten von damals eine wichtige Rolle spielt, um die Ereignisse der vergangenen Monate besser zu verstehen. Seit Ende Oktober ist der 56-Jährige aus der Öffentlichkeit verschwunden. Tage zuvor hatte er den Finanzregulatoren vorgeworfen, mit einer Pfandhaus-Mentalität die Innovationskraft privater Unternehmen in China zu behindern. Er war nicht einmal der erste, der das sagte. Das hatten ranghohe chinesische Politiker vor ihm auch schon getan.

Präsident Xi argwöhnt seit Jahren

Doch als bekennender Kritiker eines politischen Systems, in dem die Akteure von Gefälligkeiten leben und sich durch gegenseitige Abhängigkeiten stützen, hatte Ma damit wohl den Bogen überspannt. Parteichef Xi Jinping brach offenbar persönlich den Stab über Ma, dessen eigenständiges Wirken er jahrelang als Funktionär in Zhejiang, wo Alibabas Zentrale beheimatet ist, argwöhnisch aus der Nähe verfolgt hatte. Dem geplanten Rekord-Börsengang der Ant Group (37 Milliarden US-Dollar), dem Finanzarm von Alibaba, schob Xi kurzfristig einen Riegel vor. Ants Führungsriege musste den Behörden Rede und Antwort stehen, gegen das Unternehmen laufen Untersuchungen wegen Monopol-Vorwürfen. All das, obwohl Jack Ma schon im Herbst 2019 von allen offiziellen Ämtern des Konzerns zurückgetreten war.

Doch wo ist Jack Ma? Über das Pekinger Propagandablatt Volkszeitung teilte die Regierung kürzlich mit, dass der in Ungnade Gefallene an einem nicht benannten Ort unter Aufsicht stehe und das Land nicht verlassen dürfe. In einer Diktatur wie der chinesischen sind das für die Betroffenen keine guten Nachrichten. Auch Teng Biao, chinesischer Dissident und Rechtsanwalt, der seit einigen Jahren im amerikanischen Exil lebt, wurde in der Vergangenheit von chinesischen Sicherheitsorganen gegen seinen Willen festgehalten. “Prominenten Menschen vom Rang eines Jack Ma werden sicherlich Zugeständnisse gemacht, wenn sie von jeglichem öffentlichen Erscheinen abgehalten werden. Man behandelt sie besser als normale Bürger. Dennoch wird deutlich, dass es wirklich jeden erwischen kann in China”, sagt Teng.

Chinas Strafgesetz enthält einen Artikel, der im Englischen RSDL abgekürzt wird, “Residential Surveillance at a Designated Location”. Der Artikel legalisiert die häusliche Überwachung von Kriminellen oder solchen, die der Staat so bezeichnet. Noch ist aber nicht klar, ob Jack Ma unter Anwendung des RSDL-Artikels überwacht wird.

“Vordergründig geht es im Fall Alibaba zwar um mangelnde Regulierung von Internetkonzernen, in Wahrheit aber will der Staat seine Macht demonstrieren, um die chinesischen Unternehmer daran zu erinnern, wem sie sich unterzuordnen haben”, sagt Teng.

Eine Mitarbeiterin des Alibaba-Konzerns aus Hangzhou sagte China.Table derweil, Mas Verschwinden sei kein großes Thema in China, sondern sorge eher im Ausland für Aufsehen: “Jack Ma arbeitet nicht einmal mehr für Alibaba”, sagte sie. Eine offizielle Anfrage beantwortete Alibaba nicht.

Wüste Beschimpfungen

Dennoch wird die Nachricht von der “Aufsicht” für den Unternehmensgründer ihre Wirkung wohl nicht verfehlen und allen ambitionierten Firmeninhabern nachhaltig ins Gedächtnis rücken, sollten sie in Erwägung ziehen, den Staat und seine Institutionen zu kritisieren. Nicht zufällig betonten Staatsmedien nach Mas letztem öffentlichen Auftritt, dass es keine Jack-Ma-Ära in China gebe. Kein Unternehmer des Landes sei in der Lage, ein Milliardengeschäft aufzubauen, ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen durch staatliche Politik. Der sonst gefeierte Ma erlebte zudem wüste Beschimpfungen im Internet. Unklar ist, ob das Teil einer staatlichen Kampagne gegen den 56-Jährigen war, um ihn zu verunglimpfen.

Mit ihrer Machtdemonstration festigt die Kommunistische Partei kurzfristig ihre Monopolstellung. Langfristig geht sie mit solch drastischen Aktionen gegen Wirtschaftslenker und wichtige Unternehmen ein Risiko ein, weil sie Unternehmer, deren Erfahrungen und Innovationskraft abschrecken könnte. Mit drohenden Konsequenzen in Sicht wird die Bereitschaft der privaten Firmen zur kritischen Auseinandersetzung mit staatlicher Politik kleiner. Wer auf Nummer sicher gehen will, bleibt lieber stumm, statt auf Fehlentwicklungen hinzuweisen.

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News

Baidu und Geely: Allianz für autonome Autos

Mit Baidu und Geely haben sich zwei Schwergewichte der chinesischen Technikszene zusammengetan, um das Auto der Zukunft zu entwickeln: “Indem wir die Expertise von Baidu bei der smarten Personenbeförderung mit der Expertise von Geely als führendem Autohersteller verbinden, ebnen wir den Weg in die Zukunft des Pkw”, teilte Suchmaschinen-Gründer Robin Li von Baidu am Montag auf den sozialen Medien mit. Baidu hat sich zuletzt auf Forschung an Künstlicher Intelligenz konzentriert und sucht nun Praxisanwendungen für seine Technologie.

Der Zusammenschluss mit Geely ist zwar die erste feste Partnerschaft mit einem Autohersteller für Baidu, doch in Sachen Mobilitätsanwendungen hat Baidu bereits reichlich Erfahrungen. Das Unternehmen betreibt in Peking und anderen Städten seit Oktober eine Flotte von 40 selbstfahrenden Taxis. Es handelt sich um gemächliche Fahrgondeln mit großer Tür an der Seite, die an feste Ein- und Aussteigepunkte gebunden sind; sie ähneln den Fahrzeugen des französischen Anbieters Easy Mile, der beispielsweise Tests in Berlin und Drolshagen absolviert hat. Die Baidu-Fahrzeuge lassen sich über den im Land ohnehin allgegenwärtigen Kartendienst Baidu Maps buchen.

KI-Schwergewicht Baidus Bindung mit Autohersteller Geely

Indem ein KI-Schwergewicht wie Baidu nun eine feste Bindung mit einem einzelnen Autohersteller eingeht, schafft es einen der weltweit fortschrittlichsten Spieler. Das hat auch mit der immer stärkeren gedanklichen Verbindung zwischen elektrischem und smartem Fahren zu tun. Das Auto der Zukunft soll eben beides sein: besonders umweltfreundlich und besonders intelligent. In beiden Bereichen punkten die chinesischen Anbieter.

Bisher hat Baidu seine Technik rund ums autonome Fahren allen Autoherstellern angeboten. Ähnlich wie die Software der Alphabet-Tochter Waymo von Google, die für alle Hersteller offen ist, die selbstfahrende Autos bauen wollen. Auch die entsprechende Baidu-Sparte “Apollo” hat bereits mit Volkswagen, Ford, Toyota und Honda zusammengearbeitet.

Geely setzt seit 2015 voll auf Elektromobilität. Firmengründer Li Shufu will das Unternehmen aus der südwestlich gelegenen Provinz Zhejiang zu einer weltweiten Auto-Großmacht machen. Er hat dafür 2010 den schwedischen Hersteller Volvo komplett gekauft und 2018 in den Daimler-Konzern investiert. Der 57-jährige Li wird wegen seiner ungehemmten Ambitionen zwar oft belächelt, kann aber immer wieder erstaunliche Erfolge vorweisen. So hat sich der Absatz der Geely-Markenfamilie seit 2015 verdreifacht und die Firmengruppe verzeichnet unter den chinesischen Herstellern den höchsten globalen Absatz.

Zu Geely gehört auch die Marke Polestar, die auch auf dem europäischen Markt wachsen will. Der Eintritt des Gespanns Baidu-Geely in den Markt für die künftigen Elektroautos verschärft damit den Wettbewerb der Tesla-Konkurrenten untereinander. Zahlreiche Start-ups aus China mischen hier mit, darunter Xpeng Motors, Byton, Li Auto und Nio. Vor allem Nio gilt als “Tesla-Jäger”. Am Wochenende hat das Unternehmen mit dem ET7 ein Modell vorgestellt, das dem US-Original schon äußerlich verdächtig ähnlich sieht – und vergleichbare Leistungen erbringen soll. Zwischenzeitlich wegen Geldmangel totgesagt, meldet sich NIO damit lautstark in die Gruppe der aussichtsreichen Elektro-Neugründungen zurück.

Der erfolgreiche Aufbau einer Plattform für Elektromobilität käme nicht nur den Autos für den chinesischen Markt zugute, sondern wäre schnell auch in der EU verfügbar – die deutsche Konkurrenz müsste sich daher gegen Digitaltechnik aus China bewähren. China gilt derzeit zusammen mit den USA als führend bei Mustererkennung und anderen Anwendungen der KI. Diese sind wichtig, um eine Verkehrssituation zu bewerten und eine Reaktion darauf zu errechnen.

In China findet sich für Tests neuer Technik ein besonders freundliches Umfeld mit entgegenkommenden Regulierungen. Es handelt sich auch um den weltweit größten Markt für Elektroautos. Der Connected Car Innovation Index sieht allerdings in diesem Jahr weiterhin VW, Daimler, BMW und Ford auf den ersten Plätzen; Geely folgt auf Rang 10 hinter Renault. fin

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Huawei droht Schweden mit Klage

Der chinesische Netzwerkausrüster Huawei wirft Schweden vor, mit dem Ausschluss des Unternehmens aus dem 5G-Netz des nordischen Landes das Investitionsabkommen zwischen Schweden und China zu brechen. Das geht aus einem Bericht lokaler Medien und des Fachportals “Investment Arbitration Reporter” (IAR) hervor. Schweden hatte im Oktober 2020 entschieden, die chinesischen Anbieter Huawei und ZTE vom Ausbau des 5G-Netzes auszuschließen.

In einem Brief an den schwedischen Premierminister Stefan Löfven beschwert sich Huawei, der Ausschluss habe die Geschäftsaussichten seiner schwedischen Tochterfirma stark beeinträchtigt. Der Grundsatz nach “fairer und gerechter Behandlung” internationaler Investoren des schwedisch-chinesischen Investitionsabkommens sei verletzt worden. Huawei fordert den schwedischen Staat zu Verhandlungen auf. Laut “Investment Arbitration Reporter” hält sich Huawei weitere Schritte im Rahmen des Investitionsabkommens offen, sollten die Verhandlungen nicht erfolgreich verlaufen. Nach einer dreimonatigen Frist könnte Huawei den Streitfall entweder vor das Schiedsgericht der Weltbank (International Centre for Settlement of Investment Disputes – ICSID) oder ein “Ad-hoc-Tribunal” unter der Schiedsgerichtsordnung der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) tragen.

Huaweis Brief als Hilfeschrei

Ein Huawei-Sprecher sagte laut IAR, der Brief sei eher als “Hilfeschrei” denn als Androhung eines Schiedsgerichtsverfahrens zu verstehen. Nach Klagen internationaler Investoren vor Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren müssen Staaten oftmals hunderte Millionen Euro an “Schadensersatz” an den betroffenen Investor leisten. Schon Anfang 2019 hatte Huawei Tschechien einen ähnlichen Brief geschrieben und mit einer Klage vor einem Investitionsgericht gedroht. Huawei beklagte sich damals, ein Bericht der tschechischen Behörde für Cyber- und Informationssicherheit (NUKIB) stelle das Unternehmen als Sicherheitsrisiko dar und schädige seine Investitionen in Tschechien und anderen Ländern. Laut IAR ist nicht bekannt, ob Huawei eine Klage eingereicht hat, da es bei Streitfällen vor Investitionsgerichten keine Pflicht zur Transparenz gibt. Ein Sprecher von Huawei-Deutschland teilte jedoch mit, es wurden keine formellen rechtlichen Schritte zu einer Investitionsklage gegen Tschechien unternommen. nib

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Covid: Zwei Metropolen abgeriegelt

Die aktuellen Corona-Ausbrüche in den beiden nordchinesischen Städten Shijiazhuang (11 Millionen Einwohner) und Xingtai (7 Millionen Einwohner) gehören zu den größten der vergangenen Monate. Die Ausbrüche führten zum landesweit höchsten Anstieg der Corona-Infektionen in China seit dem Sommer.

Die neuen Fälle kommen zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Die große Reisewelle zu Chinesisch Neujahr am 12. Februar steht kurz bevor. Im Vergleich zur internationalen Lage ist die Zahl der Fälle allerdings gering. Wie die nationale Gesundheitskommission am Montag mitteilte, wurden 82 Menschen in der betroffenen Provinz Hebei positiv auf das Coronavirus getestet, die auch bereits Symptome zeigten. Weitere 36 sind positiv, zeigen hingegen keine Symptome. Hebei liegt direkt vor den Toren der chinesischen Hauptstadt Peking. Darüber hinaus sind landesweit noch drei weitere Fälle am Montag bekannt geworden. Darunter einer in Peking.

Coronavirus-Ausbrüche kommen zum Chinesisch Neujahr

Nachdem bereits Millionen Menschen getestet wurden kommt die Provinz Hebei nun insgesamt auf 265 Fälle mit Krankheitssymptomen und 181 asymptotische Fälle. Zum Vergleich: Das Bundesland Baden-Württemberg mit etwa so vielen Einwohnern wie Shijiazhuang meldete am Montag 1488 neue Fälle und 45 Tote, während es in der Hauptstadt der Provinz Hebei 126 Fälle waren.

Dennoch hat die chinesische Regierung die Menschen landesweit aufgefordert, Chinesisch Neujahr möglichst nicht zu verreisen. Nach wie vor ist es jedoch möglich, Flüge und Zugfahrten normal zu buchen. Die Schulferien beginnen allerdings bereits eine Woche früher, am 16. Januar.

Bereits am Freitag waren Shijiazhuang und Xingtai abgeriegelt worden. Die Bewohner dürfen die beiden Städte ohne besondere Erlaubnis nicht mehr verlassen, Wohngebiete wurden abgesperrt. Darüber hinaus wurde der Straßenfernverkehr zu den beiden Städten eingestellt. frs

  • Chinesisch Neujahr
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Standpunkt

China als Partner beteiligen

Von Jeffrey D. Sachs
Nach Jeffrey D. Sachs soll China sich als Partner beteiligen
Jeffrey D. Sachs

Der Europäischen Kommission gebührt ein großes Lob dafür, dass sie ein neues Investitionsabkommen (CAI) mit China abgeschlossen hat. Europas aktive Diplomatie spielte bereits bei der jüngsten chinesischen Verpflichtung eine Rolle, bis 2060 Kohlenstoffneutralität zu erreichen – eine Entscheidung, der schnell das japanische Versprechen einer Dekarbonisierung bis 2050 folgte. Und nun konnte sie noch einen weiteren großen Erfolg erzielen.

Das neue europäisch-chinesische Investitionsabkommen wird Europa, China, der Welt und sogar den Vereinigten Staaten nützen – obwohl letztere davor gewarnt hatten. Insgesamt wird durch das Abkommen die Absicht der EU und Chinas verdeutlicht, weiterhin die wirtschaftlichen Beziehungen zu vertiefen. Jede Vertragspartei kann so einfacher in die Wirtschaft der jeweils anderen investieren. Die europäische Industrie bekommt einen besseren Zugang zum großen chinesischen Binnenmarkt zu einem Zeitpunkt an dem China ein Jahrzehnt der grünen und digitalen Umstrukturierung der Wirtschaft einleitet – für Europa ideal, versucht es doch, in diesen Bereichen technologisch an der Spitze zu bleiben.

Menschenrechte ernsthaft und konstruktiv thematisieren

Das Abkommen folgt auf die zutiefst falschen und sogar gefährlichen Versuche der Regierung von US-Präsident Trump, nicht nur die wirtschaftlichen Verbindungen zur chinesischen High-Tech-Industrie zu kappen, sondern auch Chinas Wachstum einzudämmen – durch die Bildung einer US-geführten Allianz, die, wenn es nach Trump geht, von der EU und den asiatisch-pazifischen Ländern wie Australien, Indien, Japan und Südkorea unterstützt werden sollte. Es könnte sein, dass die neue Biden-Regierung in dieselbe Richtung steuert, aber sicherlich mit mehr Geschick und weniger Bombast als Trump.

Vordergründig zielt die US-Politik – jedenfalls nach eigenen Angaben – darauf ab, Chinas Kriegslust und Menschenrechtsverletzungen einzudämmen. Aber dazu muss gesagt werden, dass dieses Ziel von einer parteiübergreifenden US-Außenpolitik verfolgt wird, die etwa 800 Übersee-Militärbasen unterhält und wiederholt illegale Kriege geführt, illegale unilaterale Sanktionen verhängt und sich auf andere Weise geweigert hat, die Charta der Vereinten Nationen sowie die Abkommen oder Entscheidungen des Sicherheitsrats zu respektieren. Da kann man sicherlich schwer argumentieren, der Kriegstreiber hier sei China.

Zweifellos muss China die Menschenrechte stärker beachten – insbesondere um die Einwände der Hohen UN-Kommissarin für Menschenrechte hinsichtlich der Lage in der Autonomen Uigurischen Region von Xinjiang zu entkräften. Aber eins ist klar: Auch die USA, Europa, Indien und viele westliche Nationen müssen ähnliche Verbesserungen anstreben. Insbesondere in den letzten zwanzig Jahren litt insbesondere die muslimische Bevölkerung im Nahen Osten und in Zentralasien immer wieder unter brutalen Kriegen der westlichen Mächte, innenpolitischer Unterdrückung, unilateralen US-Sanktionen und anderen Misshandlungen.

Tatsache ist, dass sich nur wenige Länder wirklich an die Allgemeine Erklärung der Menschenrecht halten, und die USA haben – im Gegensatz zu China und den 27 Mitgliedstaaten der EU – schändlicherweise immer noch nicht den UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ratifiziert. Die richtige Antwort auf echte Menschenrechtsprobleme besteht darin, sie auf ernsthafte und konstruktive Weise zu thematisieren – ohne scheinheilige Schuldzuweisungen und Übertreibungen oder den Abbruch von Dialog, Diplomatie oder wirtschaftlichen Beziehungen. Wer hier selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

Die Welt braucht keinen Kalten Krieg

Aber Amerikas wahre Absichten gegenüber China haben nichts mit Menschenrechten zu tun. Insbesondere unter Trumps gesetzloser Regierung war die US-Politik schlicht und einfach durch das Streben nach Dominanz bestimmt. Die USA versuchen, Chinas technologischen und wirtschaftlichen Aufstieg zu stoppen, um ihre eigene Vorherrschaft zu bewahren. Das weltweite Wirtschaftssystem kann und darf sich allerdings nicht in den Dienst einer US-Hegemonie stellen – insbesondere angesichts dessen, dass in den USA nur vier Prozent der Weltbevölkerung lebt.

Nach den Tragödien des Jahres 2020 braucht die Welt keinen neuen amerikanischen Kalten Krieg, sondern eine neue globale Zusammenarbeit. Es ist Zeit, die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen und einen Kurs in Richtung Erholung und nachhaltiger Entwicklung einzuschlagen. Und an der Bewältigung dieser Herausforderungen kann und muss China als vollwertiger Partner beteiligt werden.

Immerhin konnte das Reich der Mitte (ebenso wie seine Nachbarn in der asiatisch-pazifischen Region) im Gegensatz zu den USA und Europa seine COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 erfolgreich eindämmen. Und jetzt müssen China und seine Nachbarn dem Rest der Welt helfen, die nicht-pharmazeutischen Interventionen (Tests, Kontaktverfolgung und Quarantäne) umzusetzen, die dort erfolgreich umgesetzt wurden und an denen die USA und Europa gescheitert sind. Und vorausgesetzt, dass sich die neuen Sinovac– und Sinopharm-Impfstoffe anhand geprüfter Daten als sicher und effektiv erweisen, sollte China diese massenhaft produzieren und in aller Welt verteilen.

Gemeinsame Klimapolitik

Die EU, China und die Regierung des zukünftigen US-Präsidenten Joe Biden müssen sich außerdem zusammentun, um global eine grüne und digitale Erholung anzustreben. Angesichts dessen, dass nicht nur die weltweit führenden Emittenten jetzt Kohlenstoffneutralität anstreben, sondern dass Biden auch die USA wieder in das Pariser Klimaabkommen eingliedern und sein Land bis 2050 dekarbonisieren will, bestehen die Voraussetzungen für eine umfassende und wahrhaft grüne Wiederbelebung.

Darüber hinaus werden die Entwicklung und Verbreitung neuer grüner Technologien – erneuerbarer Energie, elektrischer Fahrzeuge und Batteriespeicherung – enorm von einer globalen Zusammenarbeit profitieren. Beispielsweise hat gerade in dieser Woche die chinesische Yahua-Gruppe, eine große Produzentin von Lithiumhydroxid, einen Fünfjahresvertrag über Vorprodukte zur Batterieherstellung beim Elektrofahrzeughersteller Tesla abgeschlossen.

Ähnliche Möglichkeiten ergeben sich bei den Digitaltechnologien. In einer Welt, in der digitale Zugänge für die wirtschaftliche Teilhabe entscheidend sind, bieten Technologien auf 5G-Basis wegweisende Lösungen für eine Vielzahl von Problemen – von der Verbesserung der Energieeffizienz bis hin zur Förderung von E-Kommerz und E-Gesundheit. Glücklicherweise wird das Investitionsabkommen zwischen der EU und China zu einer digitalen Zusammenarbeit beitragen, die der nachhaltigen Entwicklung einen enormen Schub geben könnte.

Trotzdem wird es für Europa weiterhin wichtig sein, dem Druck der USA gegen China zu widerstehen. Trumps größte Waffe gegen China war, den Export fortgeschrittener Technologien zu stoppen – in der Hoffnung, Huawei und andere große chinesische Hersteller so in die Knie zwingen zu können. Diese Politik stammt direkt aus dem Drehbuch der US-Hegemonie und wurde bereits während des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion eingesetzt.

EU: Konstruktives Engagement mit China

Trumps Regierung rechtfertigt ihr Vorgehen gegen Huawei damit, dass China die 5G-Komponenten des Unternehmens zur Spionage nutzen könnte. Eine plausiblere Erklärung ist, dass es die Huawei-Technik der US-Regierung erschweren könnte, selbst andere auszuspionieren, darunter auch ihre eigenen Bürger. Und ein noch wahrscheinlicherer Grund ist, dass die USA naiverweise denken, sie könnten ihre technologische Überlegenheit durch die Blockade hochwertiger Vorprodukte aus China ewig aufrecht erhalten. Aber China kann die verbleibende technologische Lücke bei der Herstellung hochwertiger Halbleiter wahrscheinlich schnell schließen.

Europa tut gut daran, sich aktiv, umfassend und konstruktiv mit China zu beschäftigen und gleichzeitig sein bewundernswertes Engagement für die weltweiten Menschenrechte beizubehalten. Bidens Regierung sollte dem hegemonischen amerikanischen Impuls widerstehen und stattdessen wieder konstruktive Beziehungen zu China knüpfen.

Bis dahin ist das neue europäisch-chinesische Investitionsabkommen eine gute Art, ein schlimmes Jahr zu beenden. Die EU setzt ihre rechtmäßigen außenpolitischen Ziele unabhängig von den USA durch. Aber 2021, wenn die Welt dringend ihren Kurs wechseln muss, um die Pandemie zu beenden und einen Weg hin zu nachhaltiger Entwicklung zu beschreiten, stehen wir vor neuen Herausforderungen.

Jeffrey D. Sachs, Professor für Nachhaltige Entwicklung sowie für Gesundheitspolitik und -management an der Columbia University, ist Direktor des Columbia-Zentrums für Nachhaltige Entwicklung und des UN Sustainable Development Solutions Network. Übersetzung: Harald Eckhoff

Copyright: Project Syndicate, 2020.

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Portrait

Benny Tai

Demokratie-Aktivist Benny Tai Yiu-ting
Demokratie-Aktivist Benny Tai Yiu-ting

Über 50 Oppositionelle sind in Hongkong verhaftet worden. Auch Benny Tai hat es getroffen. Der 56 Jahre alte, ehemalige Jura-Professor ist einer der bekanntesten Hongkonger Demokratiekämpfer. Hunderte Polizisten strömten am vergangenen Montag in einer koordinierten Aktion aus, um in der größten Verhaftungswelle seit Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes 52 Mitglieder der Demokratiebewegung festzunehmen. Besonders auf Tai hatten es die Sicherheitsbehörden abgesehen, der nach ihrer Auslegung der Kopf einer Operation war, die die nationale Sicherheit gefährdet haben soll.

Benny Tai und die inoffiziellen Vorwahlen

Tai und seine Mitstreiter hatten im Sommer inoffizielle Vorwahlen für die damals anstehenden, aber später wegen der Corona-Pandemie verschobenen Parlamentswahlen organisiert. Ihr Ziel war es, Kandidaten zu finden, die einen möglichst großen Rückhalt in der Bevölkerung genießen.

Rund 600 000 Hongkonger hatten sich an den Vorwahlen beteiligt. Die Demokraten wollten mit einer starken Fraktion im Hongkonger Parlament auftreten. Da sie hierdurch wichtige Entscheidungen der Regierung systematisch hätten blockieren können, waren sowohl diese Idee als auch Vorwahlen selbst zunächst auf scharfe Kritik der Regierung gestoßen und schließlich als “bösartiger Umsturzplan” eingestuft worden.

Zwar wurden alle 52 Aktivisten nach einer Nacht in Gewahrsam gegen Kaution wieder frei gelassen. Doch für viele von ihnen wird dies erst der Auftakt für mehr Ärger mit den Hongkonger Strafverfolgern gewesen sein. Die Option, Hongkong zu verlassen, ist seit der Festnahme für den bekennenden Christen Tai, der den Bürgerrechtler Martin Luther King als Vorbild anführt, auch vom Tisch, denn die Behörden zogen seinen Reisepass ein.

“Hongkong ist in einen kalten Winter eingetreten”

Schätzungen lokaler Medien haben seit 2018 über 350 Aktivisten aus Angst vor Verfolgung im Ausland Asyl beantragt, andere, wie der ebenfalls prominente Aktivist Joshua Wong, sind geblieben und wurden wegen verhältnismäßig geringer Vergehen zu Gefängnisstrafen verurteilt (China.Table berichtete). Ob auch Tai dieses Schicksal ereilen wird, ist noch unklar. Dass er akut gefährdet ist, steht nach den Ereignissen der vergangenen Tage außer Frage.

Den Großteil seiner Karriere hat der Verfassungsrechtler als Akademiker an der Hongkong Universität verbracht, wo er seit 1990 unterrichtete. Wahrscheinlich auf Druck Pekings verlor er seine Anstellung als Juraprofessor im vergangenen Jahr jedoch.

Wie sehr Tai, der sein Leben der Juristerei verschrieben hat und schon vor sechs Jahren zu den Gründern der Hongkonger Regenschirm-Bewegung für mehr Demokratie zählte, die Entwicklungen in seiner Heimatstadt belasten, wurde klar, als er nach der Nacht im Gefängnis wieder auf freien Fuß kam. Im Blitzlichtgewitter der Fotografen gab er nur ein knappes Statement: “Hongkong”, so sagte Tai mit trüber Mine, “ist in einen kalten Winter eingetreten. Es weht ein eisiger Wind”. Gregor Koppenburg/Jörn Petring

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Dessert

Chinas Impfstoff in Afrika: Der Präsident der Republik Seychellen, S.H. Wavel Ramkalawan, ist das erste afrikanische Staatsoberhaupt, das den COVID-19-Impfstoff von SinoPharm erhält.

CHINA.TABLE Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Amerikas China-Politik: Europa rückt ins Zentrum
    • Jack Ma: China schreckt Unternehmenslenker
    • Baidu und Geely: Allianz für autonomes Fahren
    • Huawei: Mit Klagen gegen den 5G-Ausschluss
    • Corona: Metropolen Shijiazhuang und Xingtai abgeriegelt
    • Jeffrey D. Sachs: China als Partner für Zukunftsprobleme
    • Im Portrait: Benny Tai
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    noch eine Woche bleibt bis zur Inauguration, dann wird Joe Biden der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Erwartungen an ihn könnten nicht größer sein – innenpolitisch, aber genauso an seine Außenpolitik. Bidens Vorgänger im Amt hat dem transatlantischen Verhältnis schweren Schaden zugefügt und provoziert China bis in die letzten Stunden hinein. Das Team des China.Table hat sich in in diesen Tagen in Washington, Peking, Brüssel und Berlin umgehört und analysiert die Erwartungen an die China-Politik des neuen US-Präsidenten. Im Standpunkt warnt Jeffrey D. Sachs vor einer Fortsetzung der Trumpschen Abkopplungspolitik. Zur Bewältigung internationaler Krisen, sagt der US-Ökonom, werde China trotz aller Konflikte gebraucht.

    Wo ist Jack Ma? Seit Wochen gibt es nur Vermutungen über das Schicksal des chinesischen Vorzeige-Tech-Pioniers. Marcel Grzanna hat seine Spur aufgenommen und geht der Frage nach, welche Schlüsse andere erfolgreiche Unternehmer Chinas aus dem Schicksal Mas ziehen können. Der Befund: Pekings Härte könnte zur Innovations- und damit zur Wachstumsbremse werden.

    Zur Lektüre empfehlen möchte ich Ihnen außerdem: Finn Mayer-Kuckuk beleuchtet die Folgen der Allianz von Baidu und Geely, zweier Schwergewichte der chinesischen Technikszene, für die Zukunft des autonomen Fahrens – nicht nur in China sondern auch hierzulande.

    Seien Sie willkommen am China.Table,

    Ihre
    Antje Sirleschtov
    Bild von Antje  Sirleschtov

    Presseschau

    Suche nach Corona-Ursprung: WHO-Experten dürfen jetzt doch nach China TAGESSCHAU
    Willkommen in der Volksrepublik der verschwundenen Milliardäre WIWO
    Taiwan New Passport Shrinks ‘Republic of China’ NEW YORK TIMES
    China warnt USA vor offiziellen Kontakten mit Taiwan SPIEGEL
    China droht Vereinigten Staaten mit “Gegenschlag” FAZ
    Wie China versucht, den Balkan zu unterwandern FAZ
    KfW-Kredite: Mit deutschen Millionen treibt China seine Expansionspolitik voran WELT
    EU-China-Handelsvertrag: Zynischer Pakt SZ
    Twitter deletes China embassy’s Xinjiang ’emancipation’ tweet BBC
    China calls on India to ‘promptly’ return captured soldier DW
    Hongkong lässt 52 Aktivisten frei – Joshua Wong bleibt in Untersuchungshaft RND
    Muskelspiele: China nutzt geopolitische Lücke ORF
    China launches measures to protect companies from US sanctions FINANCIAL TIMES
    China moves to charm Asia ahead of Biden presidency SOUTH CHINA MORNING POST
    Trotz Aufwärtstrend im Dezember: Chinas Automarkt sinkt das dritte Jahr in Folge MANAGER MAGAZIN
    Xi stresses good start for fully building modern socialist China XINHUA

    Analyse

    Bidens China-Politik: Europa rückt ins Zentrum

    Der chinesische Präsident Xi Jinping (R) schüttelt die Hände von US-Vizepräsident Joe Biden während ihres Treffens in der Großen Halle der in Peking, der Hauptstadt Chinas, 4. Dezember 2013.

    US-China-Politik: Ein jahrelanger Handelskrieg und der Vorwurf, China trage die Schuld an der Corona-Pandemie – so schlecht wie unter Donald Trump waren die Beziehungen der USA zur Volksrepublik seit mehr als vier Jahrzehnten nicht. Und obwohl Trumps Regierung nur noch wenige Tage im Amt ist, setzt sie noch einen drauf. Am Wochenende hob Außenminister Mike Pompeo die bislang geltenden Beschränkungen bei offiziellen Kontakten mit Taiwan auf. Ein Affront. Schließlich verlangt die KP China vom Rest der Welt, Taiwan nicht offiziell als eigenständiges Land anzuerkennen. Dem widersetzen sich die USA mit diesem Vorstoß nun.

    Die “komplexen internen Beschränkungen” unter anderem für Diplomaten im Umgang mit Taipeh seien ein “Versuch zur Beschwichtigung des kommunistischen Regimes in Peking” gewesen, erklärte der ebenfalls scheidende US-Außenminister. “Das ist vorbei.” Es werde keine Rücksichtnahme mehr auf Peking geben. Dieser Schritt erfolgt vor einem Besuch der amerikanischen UN-Botschafterin Kelly Craft in Taiwan, der für das kommende Wochenende vorgesehen ist.

    Nun könnten alle Beteiligten diese Provokation entspannt ignorieren. Denn was ist schon von einer Regierung zu erwarten, die in wenigen Tagen eh abtreten wird? Doch so einfach ist das nicht. Auch mit der neuen Regierung unter Joe Biden wird sich an den Konflikten zwischen Washington und Peking wenig ändern

    “Die Demokraten werden möglicherweise eine andere Sprache wählen und nicht von einer Entkopplung von China reden”, sagte Julianne Smith im vergangenen Sommer. Sie war stellvertretende Sicherheitsberaterin, als Biden Vizepräsident war und wird nun als neue Nato-Botschafterin gehandelt. An den Grundzügen der China-Politik der Trump-Regierung werde die USA aber auch unter einem neuen Präsidenten festhalten. “Ein wesentlicher Unterschied wird sein, dass die europäischen Verbündeten wieder stärker eingebunden werden.” 

    Genau dieser Unterschied könnte für die deutsche Bundesregierung aber ganz erheblich werden. Denn tatsächlich war in den vier Trump-Jahren Kanzlerin Angela Merkel mit ihrer Politik gut gefahren, sich aus globalen Konflikten möglichst herauszuhalten. Aber Trump hatte ohnehin nicht viel übrig für transatlantische Koordination, seine Erwartungen an Deutschland und Europa waren gering. Das dürfte unter Biden wieder anders werden. Nicht zuletzt mit Blick auf China erwartet er von der Bundesregierung mehr Bündnistreue. 

    Das zeigte sich nicht zuletzt Ende des Jahres, als China und die EU sich in letzter Minute der deutschen Ratspräsidentschaft doch noch auf den Abschluss des Investitionsschutzabkommens einigten. Mehr als sieben Jahre hatten beide Seiten verhandelt. Jake Sullivan, Bidens künftiger nationale Sicherheitsberater, forderte die Europäer auf, die Unterzeichnung des Abkommens zu unterbrechen – zumindest bis sie Gelegenheit hatten, mit der neuen Regierung darüber zu diskutieren. Er wurde ignoriert. Einige Kommentatoren in den USA hatten schon vorher gefordert: Die Deutschen müssten sich entscheiden, auf welcher Seite sie künftig stehen.

    Gabriel: Unsere Interessen schützen

    Sigmar Gabriel, Vorsitzender der Atlantikbrücke und bis 2018 Außenminister, sieht in der Frage nach dem Verhältnis zu China auch die “größte Herausforderung des transatlantischen Verhältnisses”. Der Streit um die Nato-Beiträge seien “ein Fliegenschiss dagegen”, sagt er dem China.Table. 

    Gabriel hält es dennoch für richtig, dass die EU sich mit China auf das Investitionsschutzabkommen geeinigt hat. “Es ist unser Interesse, unsere Investitionen zu schützen”, so der einstige SPD-Spitzenpolitiker. Das täten die Amerikaner schließlich auch. “Das heißt ja nicht, dass wir nicht eine gemeinsame China-Strategie entwickeln können.”

    Eine große Mehrheit der Bundesbürger würde sogar noch weiter gehen und politisch gar auf völlige Neutralität pochen. Wie eine von der Welt am Sonntag in Auftrag gegebene Umfrage von Infratest ergab, sind 77 Prozent der Deutschen dafür, sich in einem Konflikt zwischen den USA und der Volksrepublik China herauszuhalten. Dieser Wunsch verschließe die Augen vor der geopolitischen Realität, warnt hingegen der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, der am Wochenende für den CDU-Vorsitz kandidiert. “Wenn man Realitäten ignoriert, werden sie umso härter zuschlagen.”

    Pekings Wolfskrieger warten ab

    Pekings Staatsführung selbst wirbt beim designierten US-Präsidenten Joe Biden zunächst einmal für Besonnenheit: “Beide Länder sollten auf einen Pfad zurückfinden, der das gegenseitige Vertrauen wiederherstellt und von dem beide profitieren”, erklärte Chinas Außenminister Wang Yi am Montag vor einer Woche. Das sind ganz andere Töne als die “Wolfskrieger-Diplomatie” der vergangenen Monate, nach dem Motto: Wir lassen uns nun nichts mehr gefallen. Noch vor drei Wochen hatte der chinesische Thinktank South China Sea Probing Initiative (SCSPI) Öl ins Feuer gegossen und gegenüber Newsweek behauptet, dass “das Risiko eines Konfliktes größer wird”. Die gefährlichen Begegnungen der beiden Seiten im südchinesischen Meer nähmen zu. Und Anfang dieser Woche flammte der Ärger in der englischsprachigen Ausgabe des Parteiblattes Global Times noch einmal auf, als Twitter einen Kommentar der chinesischen Botschaft in Washington zu Xinjiang gelöscht hat. Mit Blick auf den angekündigten Besuch der amerikanischen UN-Botschafterin in Taiwan hieß es außerdem am Montag in Peking, Taiwan sei “untrennbarer Teil des chinesischen Territoriums” und China behalte sich bei weiteren Provokationen einen “Gegenschlag” vor.

    Doch das ist inzwischen eher eine Ausnahme. Die mäßigenden Stimmen bestimmen inzwischen das Bild. Stimmen wie die von Xu Xiaonian, dem Chefvolkswirt der CICC, einer der größten Investmentbanken Chinas. In einem am vergangenen Sonntag auch in Englisch im Wirtschaftsmagazin Caixin veröffentlichten Text warnte er die Nationalisten in der Partei klar und deutlich, nun nicht über das Ziel hinauszuschießen.

    Trotz des vergleichsweise großen wirtschaftlichen Erfolges Chinas im vergangenen Jahr solle Peking die Folgen der amerikanischen Politik, China von amerikanischer Technologie abzuschneiden, “nicht unterschätzen.” In dieser postindustriellen Zeit reiche es für China “nicht mehr, sich auf die sogenannte Troika von Konsum, externem Bedarf und Investment zu verlassen.” Diejenigen in der chinesischen Politik, die bereits darauf hoffen, dass China sich nun auf Binnenkonsum und den Handel mit Asien beschränken könne, spricht er ins Gewissen. So zu denken, “könnte unserer Wirtschaft einen profunden Schaden zufügen”. Ein Großteil der chinesischen Wirtschaft basiere noch auf ausländischen Technologien, “die nicht in einem Tag nur mit großen Investitionen ersetzt werden können”.

    Gleichzeitig warnte Xu vor zu hohen Erwartungen einer Kurskorrektur durch den neuen Präsidenten Joe Biden. Dass Biden eine “weniger feindselige Politik” gegenüber China machen werden, hält er für “Wunschdenken”. Die amerikanische Politik müsse sich an der öffentlichen Meinung orientieren und die stehe China nicht freundlich gegenüber. “Solange sich das nicht ändert, ist es schwierig für die Bidens Regierung den Kurs zu ändern”.

    Deshalb wundert es in Peking kaum jemanden, dass Biden bereits erklärt hat, er wolle die Zölle zunächst aufrechtzuerhalten. Aus gutem Grund: Das US-Handelsdefizit mit China ist trotz Trumps Zollkrieg nach wie vor riesig.

    Andererseits brauchen die amerikanischen Unternehmen in der Coronakrise den chinesischen Markt mehr denn je und die amerikanischen Bürger mehr denn je die preiswerten “Made in China” Produkte, wenden die Auftrumpfenden ein. Die Global Times argumentiert bereits, Trump habe nur deshalb die Wahl verloren, weil er die Bauern und Fabrikarbeiter in “Rust-Belt”-Staaten wie Pennsylvania mit seinem Handelskrieg vom globalen Handel abgeschnitten habe.

    Was die Kommentatoren dabei offensichtlich vergessen: Die wirtschaftlichen Folgen von Corona haben eine viel größere Rolle gespielt.

    Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass schon Anfang Oktober rund 23 Millionen Amerikaner Arbeitslosenhilfe beziehen mussten – im gleichen Zeitraum im Vorjahr waren es nur 1,4 Millionen. “Biden muss diesen Menschen helfen und das geht nur mit und nicht gegen China”, sagt ein hoher chinesischer Diplomat. An dieser Stelle setzen die Verhandlungen von Peking an. Man stellt sich derzeit vor allem die Frage, wie man Biden helfen kann, sein innenpolitisches Problem zu lösen und wo er bereit sein könnte deswegen gegenüber China nachzugeben.

    Die Nato hofft auf Entspannung der Allianz

    Wenn Joe Biden am 20. Januar seinen Amtseid vor dem Washingtoner Kapitol leistet, wird vor allem in einer Brüsseler Institution einmal tief durchgeatmet: Von Bidens Vorgänger als “obsolet” bezeichnet, hofft die Nato auf eine Entspannung der transatlantischen Allianz.  

    Für die Nato ist es wichtig, dass im Weißen Haus nun laut Generalsekretär Jens Stoltenberg wieder ein “starker Unterstützer der transatlantischen Beziehungen” sitzt. Das Bündnis kämpft international um Anerkennung – und um eine gemeinsame Strategie gegenüber China, das Russland langfristig den Rang als größter militärischer Gegner ablaufen könnte.  

    Um Peking mit einer Stimme zu begegnen, wird nun über die Einrichtung eines eigenen Beratungsgremiums mit China-Fokus nachgedacht. Eine zeitliche Abschätzung, bis wann dieses seine Arbeit aufnehmen könnte, sei jedoch noch nicht absehbar, hieß es in Nato-Kreisen auf Anfrage von China.Table.  

    Der US-amerikanische Ex-Diplomat A. Wess Mitchell betont, dass der Aufstieg Chinas die “größte und einschneidendste Veränderung in der Nato-Strategie” nach sich ziehe und die Nato mit diesem Aufstieg unbedingt rechnen müsse. Der Experte für Außenpolitik sitzt gemeinsam mit dem ehemaligen deutschen Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière der sogenannten Nato-Reflexionsgruppe vor, die das Bündnis für das kommende Jahrzehnt fit machen soll.  

    “Die Nato muss viel mehr Zeit, politische Ressourcen und Maßnahmen für die Sicherheitsherausforderungen Chinas aufwenden”, schlussfolgert das Gremium in seinem im November 2020 erschienenen Bericht, in dem China ein eigenes Kapitel erhielt. Nato-Generalsekretär Stoltenberg merkte dazu an: “Es geht nicht darum, die Nato in das Südchinesische Meer zu bringen, sondern zu berücksichtigen, dass China uns näherkommt.” 

    Durch die Seidenstraße-Projekte habe China europaweit Infrastrukturen erworben, was sich auf die Kommunikation und den Austausch von Informationen zwischen den Mitgliedsstaaten auswirken könnte, warnte das Verteidigungsbündnis. Bedenken gibt es demnach auch wegen der engen Beziehungen zwischen China und Russland und deren gemeinsamen Marine-Übungen im euro-atlantischen Raum. 

    Die erste große Begegnung des Nordatlantikpakts mit Vertretern der Biden-Regierung wird das Treffen der Verteidigungsminister Anfang Februar sein. Dabei soll vor allem die Nato-Mission in Afghanistan auf der Agenda stehen – ein wichtiger Einsatz in der Nachbarschaft Chinas.

    EU und USA: China-Politik auf Stand-by

    “Stand-by” heißt es indes für den noch relativ jungen bilateralen transatlantischen China-Dialog zwischen der EU-Kommission und dem US-Außenministerium, der erst im vergangenen Jahr eingeführt wurde. Einen Termin für ein erstes Gespräch des Formats zwischen dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und dem designierten US-Außenminister Antony Blinken gebe es noch nicht, teilte die Kommission auf Anfrage von China.Table mit.

    Zuletzt hatte Borrell Ende Oktober mit Mike Pompeo gesprochen. Sie begrüßten das Dialog-Format als ein “spezielles Forum für EU- und US-Experten, um das gesamte Spektrum der Fragen im Zusammenhang mit China zu erörtern”, hieß es damals in einer gemeinsamen Mitteilung. Bei den bilateralen Gesprächen soll es demnach um Themen wie Menschenrechte, Sicherheit und Multilateralismus gehen. 

    Für den nächsten Termin werde nun auf den Antritt der Biden-Regierung gewartet, teilte ein Kommissionssprecher mit. Wie oft das Forum zusammentrifft, ist demnach nicht festgelegt. Laut der Brüsseler Behörde soll das Dialog-Format einen “Schlüsselmechanismus” für die gemeinsame Positionierung gegenüber Peking werden. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Weißen Haus zur Ausrichtung der strategischen Ziele und zur Unterstützung des demokratischen Fortschritts in Asien werde von wesentlicher Bedeutung sein, betonte die EU-Kommission im Dezember.  

    Fraglich ist, welchen Einstieg die EU und USA haben werden. Hatten Kritiker zuletzt doch das Investitionsschutzabkommen CAI eher als madiges Willkommensgeschenk für die Biden-Regierung und großes Zugeständnis an China bezeichnet. Diese Sicht sei zu aber viel zu vereinfacht, betont EU-Asien-Analystin und Brüssel-Insiderin Shada Islam. “Die EU ist nicht der Junior-Partner der USA”, sagt sie China.Table. Wer so denke, unterschätze die EU. Washington müsse klar sein, dass sich die Welt auch geopolitisch verändert habe, so Islam. “Wir brauchen eine starke und demokratische USA, aber es gibt noch weitere Partner, die sich genauso einbringen.” Das Abkommen sei dabei auch eine Art Realitätscheck für die neue Regierung in Washington. Felix Lee/Amelie Richter/Frank Sieren

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    Termine

    12.01.2021, 9-10 AM (EST)
    Live Podcast, SupChina How China does startups
    With Microsoft China CEO James Chou, Host: Chris Marquis, Samuel C. Johnson Professor in Sustainable Global Enterprise and Professor of Management at the Cornell University Johnson College of Business Mehr

    12.01.2021, 4-5 PM (PST)
    Panel, Washington State China Relations Council Cruising the South China Sea – Stormy Weather Ahead? Mehr

    12.01.2021, 16:00-18:00 Uhr
    Vortrag, Chinnotopia, TU Berlin Online Feature-Reihe über den Innovationsinkubator China: Driving the Fast Line – Towards Future´s Mobility
    Anmeldung: info@chinnotopia.de Mehr

    13.01.2021, 12:30-13:30 Uhr
    Diskussionsreihe, ZEW-Leibniz Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung China und die EU – Partner und Wettbewerber, Diskussion mit Ulrich Nußbaum (Staatssekretär BMWi) und ZEW-Präsident Achim Wambach. Mehr

    13.01.2021, 14:00-16:30 Uhr
    Webinar, Ausblick, Panel Merics Merics China Forecast 2021 Mehr

    13.01.2021, 19:00-20:30 Uhr
    Vortrag mit Diskussion: Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Düsseldorf (GDCF) und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher-China-Gesellschaften e.V. Klare Kante gegen China?
    von Thomas Heberer (Seniorprofessor für Politik und Gesellschaft Chinas an der Universität Duisburg-Essen), Anmeldung: info@gdcf-duesseldorf.de ­ Mehr

    14.01.2021, 10:15-11:30 Uhr (Pekinger Zeit 17:15-18:30 Uhr)
    Report Launch European Chamber Decoupling Report Mehr

    14.01.2021, 16:00-17:30 Uhr
    21. Außenpolitische Jahrestagung, Heinrich-Böll-Stiftung Zwischen Hard und Soft Power: Die Europäische Union in der neuen Großmächtekonkurrenz Mehr

    • Merics

    Das Rätsel um Jack Ma

    Jack Ma war dem chinesischen Staat jahrzehntelang immer ein paar Schritte voraus. Seine Visionen, sein Unternehmergeist und seine Entschlossenheit setzten Maßstäbe für den Internethandel in der Welt und den digitalen Zahlungsverkehr. Mit seinem Online-Imperium Alibaba stellte Jack Ma das Schaffen der chinesischen Technokraten in den Schatten. Sein Erfolg gipfelte 2014 in der größten Neuemission der Geschichte, als seine digitale Handelsplattform an der New Yorker Börse 25 Milliarden Dollar einsammelte, noch einmal drei Milliarden mehr als die Agricultural Bank of China, ein prall gepäppeltes Staatsunternehmen, vier Jahre zuvor.

    Es war so etwas wie die chinesische Übersetzung des American Dream, den Jack Ma ausgerechnet in der nominell kommunistisch regierten Volksrepublik China verwirklichte: vom hageren Freak, der sich von Fertignudeln ernährte, zum Internet-Rockstar, dem eine ganze Generation zu Füßen lag und der bewies, dass man auch ohne die Partei im Rücken dem Land seinen Stempel aufdrücken konnte. Seinen Triumph münzte der Unternehmer zunehmend auch in politische Einflussnahme um. Rund um den G20-Gipfel 2016 in Hangzhou empfing Ma in seiner Firmenzentrale sogar diverse Staatschefs zum Brainstorming über ein globales Handelssystem für die Digitalwirtschaft. Kleine und mittelständische Unternehmen auf der ganzen Welt sollten davon profitieren.

    Einige Chinakenner glauben, dass Jack Mas selbstbewusstes Auftreten von damals eine wichtige Rolle spielt, um die Ereignisse der vergangenen Monate besser zu verstehen. Seit Ende Oktober ist der 56-Jährige aus der Öffentlichkeit verschwunden. Tage zuvor hatte er den Finanzregulatoren vorgeworfen, mit einer Pfandhaus-Mentalität die Innovationskraft privater Unternehmen in China zu behindern. Er war nicht einmal der erste, der das sagte. Das hatten ranghohe chinesische Politiker vor ihm auch schon getan.

    Präsident Xi argwöhnt seit Jahren

    Doch als bekennender Kritiker eines politischen Systems, in dem die Akteure von Gefälligkeiten leben und sich durch gegenseitige Abhängigkeiten stützen, hatte Ma damit wohl den Bogen überspannt. Parteichef Xi Jinping brach offenbar persönlich den Stab über Ma, dessen eigenständiges Wirken er jahrelang als Funktionär in Zhejiang, wo Alibabas Zentrale beheimatet ist, argwöhnisch aus der Nähe verfolgt hatte. Dem geplanten Rekord-Börsengang der Ant Group (37 Milliarden US-Dollar), dem Finanzarm von Alibaba, schob Xi kurzfristig einen Riegel vor. Ants Führungsriege musste den Behörden Rede und Antwort stehen, gegen das Unternehmen laufen Untersuchungen wegen Monopol-Vorwürfen. All das, obwohl Jack Ma schon im Herbst 2019 von allen offiziellen Ämtern des Konzerns zurückgetreten war.

    Doch wo ist Jack Ma? Über das Pekinger Propagandablatt Volkszeitung teilte die Regierung kürzlich mit, dass der in Ungnade Gefallene an einem nicht benannten Ort unter Aufsicht stehe und das Land nicht verlassen dürfe. In einer Diktatur wie der chinesischen sind das für die Betroffenen keine guten Nachrichten. Auch Teng Biao, chinesischer Dissident und Rechtsanwalt, der seit einigen Jahren im amerikanischen Exil lebt, wurde in der Vergangenheit von chinesischen Sicherheitsorganen gegen seinen Willen festgehalten. “Prominenten Menschen vom Rang eines Jack Ma werden sicherlich Zugeständnisse gemacht, wenn sie von jeglichem öffentlichen Erscheinen abgehalten werden. Man behandelt sie besser als normale Bürger. Dennoch wird deutlich, dass es wirklich jeden erwischen kann in China”, sagt Teng.

    Chinas Strafgesetz enthält einen Artikel, der im Englischen RSDL abgekürzt wird, “Residential Surveillance at a Designated Location”. Der Artikel legalisiert die häusliche Überwachung von Kriminellen oder solchen, die der Staat so bezeichnet. Noch ist aber nicht klar, ob Jack Ma unter Anwendung des RSDL-Artikels überwacht wird.

    “Vordergründig geht es im Fall Alibaba zwar um mangelnde Regulierung von Internetkonzernen, in Wahrheit aber will der Staat seine Macht demonstrieren, um die chinesischen Unternehmer daran zu erinnern, wem sie sich unterzuordnen haben”, sagt Teng.

    Eine Mitarbeiterin des Alibaba-Konzerns aus Hangzhou sagte China.Table derweil, Mas Verschwinden sei kein großes Thema in China, sondern sorge eher im Ausland für Aufsehen: “Jack Ma arbeitet nicht einmal mehr für Alibaba”, sagte sie. Eine offizielle Anfrage beantwortete Alibaba nicht.

    Wüste Beschimpfungen

    Dennoch wird die Nachricht von der “Aufsicht” für den Unternehmensgründer ihre Wirkung wohl nicht verfehlen und allen ambitionierten Firmeninhabern nachhaltig ins Gedächtnis rücken, sollten sie in Erwägung ziehen, den Staat und seine Institutionen zu kritisieren. Nicht zufällig betonten Staatsmedien nach Mas letztem öffentlichen Auftritt, dass es keine Jack-Ma-Ära in China gebe. Kein Unternehmer des Landes sei in der Lage, ein Milliardengeschäft aufzubauen, ohne die entsprechenden Rahmenbedingungen durch staatliche Politik. Der sonst gefeierte Ma erlebte zudem wüste Beschimpfungen im Internet. Unklar ist, ob das Teil einer staatlichen Kampagne gegen den 56-Jährigen war, um ihn zu verunglimpfen.

    Mit ihrer Machtdemonstration festigt die Kommunistische Partei kurzfristig ihre Monopolstellung. Langfristig geht sie mit solch drastischen Aktionen gegen Wirtschaftslenker und wichtige Unternehmen ein Risiko ein, weil sie Unternehmer, deren Erfahrungen und Innovationskraft abschrecken könnte. Mit drohenden Konsequenzen in Sicht wird die Bereitschaft der privaten Firmen zur kritischen Auseinandersetzung mit staatlicher Politik kleiner. Wer auf Nummer sicher gehen will, bleibt lieber stumm, statt auf Fehlentwicklungen hinzuweisen.

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    Baidu und Geely: Allianz für autonome Autos

    Mit Baidu und Geely haben sich zwei Schwergewichte der chinesischen Technikszene zusammengetan, um das Auto der Zukunft zu entwickeln: “Indem wir die Expertise von Baidu bei der smarten Personenbeförderung mit der Expertise von Geely als führendem Autohersteller verbinden, ebnen wir den Weg in die Zukunft des Pkw”, teilte Suchmaschinen-Gründer Robin Li von Baidu am Montag auf den sozialen Medien mit. Baidu hat sich zuletzt auf Forschung an Künstlicher Intelligenz konzentriert und sucht nun Praxisanwendungen für seine Technologie.

    Der Zusammenschluss mit Geely ist zwar die erste feste Partnerschaft mit einem Autohersteller für Baidu, doch in Sachen Mobilitätsanwendungen hat Baidu bereits reichlich Erfahrungen. Das Unternehmen betreibt in Peking und anderen Städten seit Oktober eine Flotte von 40 selbstfahrenden Taxis. Es handelt sich um gemächliche Fahrgondeln mit großer Tür an der Seite, die an feste Ein- und Aussteigepunkte gebunden sind; sie ähneln den Fahrzeugen des französischen Anbieters Easy Mile, der beispielsweise Tests in Berlin und Drolshagen absolviert hat. Die Baidu-Fahrzeuge lassen sich über den im Land ohnehin allgegenwärtigen Kartendienst Baidu Maps buchen.

    KI-Schwergewicht Baidus Bindung mit Autohersteller Geely

    Indem ein KI-Schwergewicht wie Baidu nun eine feste Bindung mit einem einzelnen Autohersteller eingeht, schafft es einen der weltweit fortschrittlichsten Spieler. Das hat auch mit der immer stärkeren gedanklichen Verbindung zwischen elektrischem und smartem Fahren zu tun. Das Auto der Zukunft soll eben beides sein: besonders umweltfreundlich und besonders intelligent. In beiden Bereichen punkten die chinesischen Anbieter.

    Bisher hat Baidu seine Technik rund ums autonome Fahren allen Autoherstellern angeboten. Ähnlich wie die Software der Alphabet-Tochter Waymo von Google, die für alle Hersteller offen ist, die selbstfahrende Autos bauen wollen. Auch die entsprechende Baidu-Sparte “Apollo” hat bereits mit Volkswagen, Ford, Toyota und Honda zusammengearbeitet.

    Geely setzt seit 2015 voll auf Elektromobilität. Firmengründer Li Shufu will das Unternehmen aus der südwestlich gelegenen Provinz Zhejiang zu einer weltweiten Auto-Großmacht machen. Er hat dafür 2010 den schwedischen Hersteller Volvo komplett gekauft und 2018 in den Daimler-Konzern investiert. Der 57-jährige Li wird wegen seiner ungehemmten Ambitionen zwar oft belächelt, kann aber immer wieder erstaunliche Erfolge vorweisen. So hat sich der Absatz der Geely-Markenfamilie seit 2015 verdreifacht und die Firmengruppe verzeichnet unter den chinesischen Herstellern den höchsten globalen Absatz.

    Zu Geely gehört auch die Marke Polestar, die auch auf dem europäischen Markt wachsen will. Der Eintritt des Gespanns Baidu-Geely in den Markt für die künftigen Elektroautos verschärft damit den Wettbewerb der Tesla-Konkurrenten untereinander. Zahlreiche Start-ups aus China mischen hier mit, darunter Xpeng Motors, Byton, Li Auto und Nio. Vor allem Nio gilt als “Tesla-Jäger”. Am Wochenende hat das Unternehmen mit dem ET7 ein Modell vorgestellt, das dem US-Original schon äußerlich verdächtig ähnlich sieht – und vergleichbare Leistungen erbringen soll. Zwischenzeitlich wegen Geldmangel totgesagt, meldet sich NIO damit lautstark in die Gruppe der aussichtsreichen Elektro-Neugründungen zurück.

    Der erfolgreiche Aufbau einer Plattform für Elektromobilität käme nicht nur den Autos für den chinesischen Markt zugute, sondern wäre schnell auch in der EU verfügbar – die deutsche Konkurrenz müsste sich daher gegen Digitaltechnik aus China bewähren. China gilt derzeit zusammen mit den USA als führend bei Mustererkennung und anderen Anwendungen der KI. Diese sind wichtig, um eine Verkehrssituation zu bewerten und eine Reaktion darauf zu errechnen.

    In China findet sich für Tests neuer Technik ein besonders freundliches Umfeld mit entgegenkommenden Regulierungen. Es handelt sich auch um den weltweit größten Markt für Elektroautos. Der Connected Car Innovation Index sieht allerdings in diesem Jahr weiterhin VW, Daimler, BMW und Ford auf den ersten Plätzen; Geely folgt auf Rang 10 hinter Renault. fin

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    Huawei droht Schweden mit Klage

    Der chinesische Netzwerkausrüster Huawei wirft Schweden vor, mit dem Ausschluss des Unternehmens aus dem 5G-Netz des nordischen Landes das Investitionsabkommen zwischen Schweden und China zu brechen. Das geht aus einem Bericht lokaler Medien und des Fachportals “Investment Arbitration Reporter” (IAR) hervor. Schweden hatte im Oktober 2020 entschieden, die chinesischen Anbieter Huawei und ZTE vom Ausbau des 5G-Netzes auszuschließen.

    In einem Brief an den schwedischen Premierminister Stefan Löfven beschwert sich Huawei, der Ausschluss habe die Geschäftsaussichten seiner schwedischen Tochterfirma stark beeinträchtigt. Der Grundsatz nach “fairer und gerechter Behandlung” internationaler Investoren des schwedisch-chinesischen Investitionsabkommens sei verletzt worden. Huawei fordert den schwedischen Staat zu Verhandlungen auf. Laut “Investment Arbitration Reporter” hält sich Huawei weitere Schritte im Rahmen des Investitionsabkommens offen, sollten die Verhandlungen nicht erfolgreich verlaufen. Nach einer dreimonatigen Frist könnte Huawei den Streitfall entweder vor das Schiedsgericht der Weltbank (International Centre for Settlement of Investment Disputes – ICSID) oder ein “Ad-hoc-Tribunal” unter der Schiedsgerichtsordnung der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) tragen.

    Huaweis Brief als Hilfeschrei

    Ein Huawei-Sprecher sagte laut IAR, der Brief sei eher als “Hilfeschrei” denn als Androhung eines Schiedsgerichtsverfahrens zu verstehen. Nach Klagen internationaler Investoren vor Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren müssen Staaten oftmals hunderte Millionen Euro an “Schadensersatz” an den betroffenen Investor leisten. Schon Anfang 2019 hatte Huawei Tschechien einen ähnlichen Brief geschrieben und mit einer Klage vor einem Investitionsgericht gedroht. Huawei beklagte sich damals, ein Bericht der tschechischen Behörde für Cyber- und Informationssicherheit (NUKIB) stelle das Unternehmen als Sicherheitsrisiko dar und schädige seine Investitionen in Tschechien und anderen Ländern. Laut IAR ist nicht bekannt, ob Huawei eine Klage eingereicht hat, da es bei Streitfällen vor Investitionsgerichten keine Pflicht zur Transparenz gibt. Ein Sprecher von Huawei-Deutschland teilte jedoch mit, es wurden keine formellen rechtlichen Schritte zu einer Investitionsklage gegen Tschechien unternommen. nib

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    Covid: Zwei Metropolen abgeriegelt

    Die aktuellen Corona-Ausbrüche in den beiden nordchinesischen Städten Shijiazhuang (11 Millionen Einwohner) und Xingtai (7 Millionen Einwohner) gehören zu den größten der vergangenen Monate. Die Ausbrüche führten zum landesweit höchsten Anstieg der Corona-Infektionen in China seit dem Sommer.

    Die neuen Fälle kommen zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Die große Reisewelle zu Chinesisch Neujahr am 12. Februar steht kurz bevor. Im Vergleich zur internationalen Lage ist die Zahl der Fälle allerdings gering. Wie die nationale Gesundheitskommission am Montag mitteilte, wurden 82 Menschen in der betroffenen Provinz Hebei positiv auf das Coronavirus getestet, die auch bereits Symptome zeigten. Weitere 36 sind positiv, zeigen hingegen keine Symptome. Hebei liegt direkt vor den Toren der chinesischen Hauptstadt Peking. Darüber hinaus sind landesweit noch drei weitere Fälle am Montag bekannt geworden. Darunter einer in Peking.

    Coronavirus-Ausbrüche kommen zum Chinesisch Neujahr

    Nachdem bereits Millionen Menschen getestet wurden kommt die Provinz Hebei nun insgesamt auf 265 Fälle mit Krankheitssymptomen und 181 asymptotische Fälle. Zum Vergleich: Das Bundesland Baden-Württemberg mit etwa so vielen Einwohnern wie Shijiazhuang meldete am Montag 1488 neue Fälle und 45 Tote, während es in der Hauptstadt der Provinz Hebei 126 Fälle waren.

    Dennoch hat die chinesische Regierung die Menschen landesweit aufgefordert, Chinesisch Neujahr möglichst nicht zu verreisen. Nach wie vor ist es jedoch möglich, Flüge und Zugfahrten normal zu buchen. Die Schulferien beginnen allerdings bereits eine Woche früher, am 16. Januar.

    Bereits am Freitag waren Shijiazhuang und Xingtai abgeriegelt worden. Die Bewohner dürfen die beiden Städte ohne besondere Erlaubnis nicht mehr verlassen, Wohngebiete wurden abgesperrt. Darüber hinaus wurde der Straßenfernverkehr zu den beiden Städten eingestellt. frs

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    Standpunkt

    China als Partner beteiligen

    Von Jeffrey D. Sachs
    Nach Jeffrey D. Sachs soll China sich als Partner beteiligen
    Jeffrey D. Sachs

    Der Europäischen Kommission gebührt ein großes Lob dafür, dass sie ein neues Investitionsabkommen (CAI) mit China abgeschlossen hat. Europas aktive Diplomatie spielte bereits bei der jüngsten chinesischen Verpflichtung eine Rolle, bis 2060 Kohlenstoffneutralität zu erreichen – eine Entscheidung, der schnell das japanische Versprechen einer Dekarbonisierung bis 2050 folgte. Und nun konnte sie noch einen weiteren großen Erfolg erzielen.

    Das neue europäisch-chinesische Investitionsabkommen wird Europa, China, der Welt und sogar den Vereinigten Staaten nützen – obwohl letztere davor gewarnt hatten. Insgesamt wird durch das Abkommen die Absicht der EU und Chinas verdeutlicht, weiterhin die wirtschaftlichen Beziehungen zu vertiefen. Jede Vertragspartei kann so einfacher in die Wirtschaft der jeweils anderen investieren. Die europäische Industrie bekommt einen besseren Zugang zum großen chinesischen Binnenmarkt zu einem Zeitpunkt an dem China ein Jahrzehnt der grünen und digitalen Umstrukturierung der Wirtschaft einleitet – für Europa ideal, versucht es doch, in diesen Bereichen technologisch an der Spitze zu bleiben.

    Menschenrechte ernsthaft und konstruktiv thematisieren

    Das Abkommen folgt auf die zutiefst falschen und sogar gefährlichen Versuche der Regierung von US-Präsident Trump, nicht nur die wirtschaftlichen Verbindungen zur chinesischen High-Tech-Industrie zu kappen, sondern auch Chinas Wachstum einzudämmen – durch die Bildung einer US-geführten Allianz, die, wenn es nach Trump geht, von der EU und den asiatisch-pazifischen Ländern wie Australien, Indien, Japan und Südkorea unterstützt werden sollte. Es könnte sein, dass die neue Biden-Regierung in dieselbe Richtung steuert, aber sicherlich mit mehr Geschick und weniger Bombast als Trump.

    Vordergründig zielt die US-Politik – jedenfalls nach eigenen Angaben – darauf ab, Chinas Kriegslust und Menschenrechtsverletzungen einzudämmen. Aber dazu muss gesagt werden, dass dieses Ziel von einer parteiübergreifenden US-Außenpolitik verfolgt wird, die etwa 800 Übersee-Militärbasen unterhält und wiederholt illegale Kriege geführt, illegale unilaterale Sanktionen verhängt und sich auf andere Weise geweigert hat, die Charta der Vereinten Nationen sowie die Abkommen oder Entscheidungen des Sicherheitsrats zu respektieren. Da kann man sicherlich schwer argumentieren, der Kriegstreiber hier sei China.

    Zweifellos muss China die Menschenrechte stärker beachten – insbesondere um die Einwände der Hohen UN-Kommissarin für Menschenrechte hinsichtlich der Lage in der Autonomen Uigurischen Region von Xinjiang zu entkräften. Aber eins ist klar: Auch die USA, Europa, Indien und viele westliche Nationen müssen ähnliche Verbesserungen anstreben. Insbesondere in den letzten zwanzig Jahren litt insbesondere die muslimische Bevölkerung im Nahen Osten und in Zentralasien immer wieder unter brutalen Kriegen der westlichen Mächte, innenpolitischer Unterdrückung, unilateralen US-Sanktionen und anderen Misshandlungen.

    Tatsache ist, dass sich nur wenige Länder wirklich an die Allgemeine Erklärung der Menschenrecht halten, und die USA haben – im Gegensatz zu China und den 27 Mitgliedstaaten der EU – schändlicherweise immer noch nicht den UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ratifiziert. Die richtige Antwort auf echte Menschenrechtsprobleme besteht darin, sie auf ernsthafte und konstruktive Weise zu thematisieren – ohne scheinheilige Schuldzuweisungen und Übertreibungen oder den Abbruch von Dialog, Diplomatie oder wirtschaftlichen Beziehungen. Wer hier selbst im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

    Die Welt braucht keinen Kalten Krieg

    Aber Amerikas wahre Absichten gegenüber China haben nichts mit Menschenrechten zu tun. Insbesondere unter Trumps gesetzloser Regierung war die US-Politik schlicht und einfach durch das Streben nach Dominanz bestimmt. Die USA versuchen, Chinas technologischen und wirtschaftlichen Aufstieg zu stoppen, um ihre eigene Vorherrschaft zu bewahren. Das weltweite Wirtschaftssystem kann und darf sich allerdings nicht in den Dienst einer US-Hegemonie stellen – insbesondere angesichts dessen, dass in den USA nur vier Prozent der Weltbevölkerung lebt.

    Nach den Tragödien des Jahres 2020 braucht die Welt keinen neuen amerikanischen Kalten Krieg, sondern eine neue globale Zusammenarbeit. Es ist Zeit, die Pandemie unter Kontrolle zu bekommen und einen Kurs in Richtung Erholung und nachhaltiger Entwicklung einzuschlagen. Und an der Bewältigung dieser Herausforderungen kann und muss China als vollwertiger Partner beteiligt werden.

    Immerhin konnte das Reich der Mitte (ebenso wie seine Nachbarn in der asiatisch-pazifischen Region) im Gegensatz zu den USA und Europa seine COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 erfolgreich eindämmen. Und jetzt müssen China und seine Nachbarn dem Rest der Welt helfen, die nicht-pharmazeutischen Interventionen (Tests, Kontaktverfolgung und Quarantäne) umzusetzen, die dort erfolgreich umgesetzt wurden und an denen die USA und Europa gescheitert sind. Und vorausgesetzt, dass sich die neuen Sinovac– und Sinopharm-Impfstoffe anhand geprüfter Daten als sicher und effektiv erweisen, sollte China diese massenhaft produzieren und in aller Welt verteilen.

    Gemeinsame Klimapolitik

    Die EU, China und die Regierung des zukünftigen US-Präsidenten Joe Biden müssen sich außerdem zusammentun, um global eine grüne und digitale Erholung anzustreben. Angesichts dessen, dass nicht nur die weltweit führenden Emittenten jetzt Kohlenstoffneutralität anstreben, sondern dass Biden auch die USA wieder in das Pariser Klimaabkommen eingliedern und sein Land bis 2050 dekarbonisieren will, bestehen die Voraussetzungen für eine umfassende und wahrhaft grüne Wiederbelebung.

    Darüber hinaus werden die Entwicklung und Verbreitung neuer grüner Technologien – erneuerbarer Energie, elektrischer Fahrzeuge und Batteriespeicherung – enorm von einer globalen Zusammenarbeit profitieren. Beispielsweise hat gerade in dieser Woche die chinesische Yahua-Gruppe, eine große Produzentin von Lithiumhydroxid, einen Fünfjahresvertrag über Vorprodukte zur Batterieherstellung beim Elektrofahrzeughersteller Tesla abgeschlossen.

    Ähnliche Möglichkeiten ergeben sich bei den Digitaltechnologien. In einer Welt, in der digitale Zugänge für die wirtschaftliche Teilhabe entscheidend sind, bieten Technologien auf 5G-Basis wegweisende Lösungen für eine Vielzahl von Problemen – von der Verbesserung der Energieeffizienz bis hin zur Förderung von E-Kommerz und E-Gesundheit. Glücklicherweise wird das Investitionsabkommen zwischen der EU und China zu einer digitalen Zusammenarbeit beitragen, die der nachhaltigen Entwicklung einen enormen Schub geben könnte.

    Trotzdem wird es für Europa weiterhin wichtig sein, dem Druck der USA gegen China zu widerstehen. Trumps größte Waffe gegen China war, den Export fortgeschrittener Technologien zu stoppen – in der Hoffnung, Huawei und andere große chinesische Hersteller so in die Knie zwingen zu können. Diese Politik stammt direkt aus dem Drehbuch der US-Hegemonie und wurde bereits während des Kalten Krieges gegen die Sowjetunion eingesetzt.

    EU: Konstruktives Engagement mit China

    Trumps Regierung rechtfertigt ihr Vorgehen gegen Huawei damit, dass China die 5G-Komponenten des Unternehmens zur Spionage nutzen könnte. Eine plausiblere Erklärung ist, dass es die Huawei-Technik der US-Regierung erschweren könnte, selbst andere auszuspionieren, darunter auch ihre eigenen Bürger. Und ein noch wahrscheinlicherer Grund ist, dass die USA naiverweise denken, sie könnten ihre technologische Überlegenheit durch die Blockade hochwertiger Vorprodukte aus China ewig aufrecht erhalten. Aber China kann die verbleibende technologische Lücke bei der Herstellung hochwertiger Halbleiter wahrscheinlich schnell schließen.

    Europa tut gut daran, sich aktiv, umfassend und konstruktiv mit China zu beschäftigen und gleichzeitig sein bewundernswertes Engagement für die weltweiten Menschenrechte beizubehalten. Bidens Regierung sollte dem hegemonischen amerikanischen Impuls widerstehen und stattdessen wieder konstruktive Beziehungen zu China knüpfen.

    Bis dahin ist das neue europäisch-chinesische Investitionsabkommen eine gute Art, ein schlimmes Jahr zu beenden. Die EU setzt ihre rechtmäßigen außenpolitischen Ziele unabhängig von den USA durch. Aber 2021, wenn die Welt dringend ihren Kurs wechseln muss, um die Pandemie zu beenden und einen Weg hin zu nachhaltiger Entwicklung zu beschreiten, stehen wir vor neuen Herausforderungen.

    Jeffrey D. Sachs, Professor für Nachhaltige Entwicklung sowie für Gesundheitspolitik und -management an der Columbia University, ist Direktor des Columbia-Zentrums für Nachhaltige Entwicklung und des UN Sustainable Development Solutions Network. Übersetzung: Harald Eckhoff

    Copyright: Project Syndicate, 2020.

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    Portrait

    Benny Tai

    Demokratie-Aktivist Benny Tai Yiu-ting
    Demokratie-Aktivist Benny Tai Yiu-ting

    Über 50 Oppositionelle sind in Hongkong verhaftet worden. Auch Benny Tai hat es getroffen. Der 56 Jahre alte, ehemalige Jura-Professor ist einer der bekanntesten Hongkonger Demokratiekämpfer. Hunderte Polizisten strömten am vergangenen Montag in einer koordinierten Aktion aus, um in der größten Verhaftungswelle seit Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes 52 Mitglieder der Demokratiebewegung festzunehmen. Besonders auf Tai hatten es die Sicherheitsbehörden abgesehen, der nach ihrer Auslegung der Kopf einer Operation war, die die nationale Sicherheit gefährdet haben soll.

    Benny Tai und die inoffiziellen Vorwahlen

    Tai und seine Mitstreiter hatten im Sommer inoffizielle Vorwahlen für die damals anstehenden, aber später wegen der Corona-Pandemie verschobenen Parlamentswahlen organisiert. Ihr Ziel war es, Kandidaten zu finden, die einen möglichst großen Rückhalt in der Bevölkerung genießen.

    Rund 600 000 Hongkonger hatten sich an den Vorwahlen beteiligt. Die Demokraten wollten mit einer starken Fraktion im Hongkonger Parlament auftreten. Da sie hierdurch wichtige Entscheidungen der Regierung systematisch hätten blockieren können, waren sowohl diese Idee als auch Vorwahlen selbst zunächst auf scharfe Kritik der Regierung gestoßen und schließlich als “bösartiger Umsturzplan” eingestuft worden.

    Zwar wurden alle 52 Aktivisten nach einer Nacht in Gewahrsam gegen Kaution wieder frei gelassen. Doch für viele von ihnen wird dies erst der Auftakt für mehr Ärger mit den Hongkonger Strafverfolgern gewesen sein. Die Option, Hongkong zu verlassen, ist seit der Festnahme für den bekennenden Christen Tai, der den Bürgerrechtler Martin Luther King als Vorbild anführt, auch vom Tisch, denn die Behörden zogen seinen Reisepass ein.

    “Hongkong ist in einen kalten Winter eingetreten”

    Schätzungen lokaler Medien haben seit 2018 über 350 Aktivisten aus Angst vor Verfolgung im Ausland Asyl beantragt, andere, wie der ebenfalls prominente Aktivist Joshua Wong, sind geblieben und wurden wegen verhältnismäßig geringer Vergehen zu Gefängnisstrafen verurteilt (China.Table berichtete). Ob auch Tai dieses Schicksal ereilen wird, ist noch unklar. Dass er akut gefährdet ist, steht nach den Ereignissen der vergangenen Tage außer Frage.

    Den Großteil seiner Karriere hat der Verfassungsrechtler als Akademiker an der Hongkong Universität verbracht, wo er seit 1990 unterrichtete. Wahrscheinlich auf Druck Pekings verlor er seine Anstellung als Juraprofessor im vergangenen Jahr jedoch.

    Wie sehr Tai, der sein Leben der Juristerei verschrieben hat und schon vor sechs Jahren zu den Gründern der Hongkonger Regenschirm-Bewegung für mehr Demokratie zählte, die Entwicklungen in seiner Heimatstadt belasten, wurde klar, als er nach der Nacht im Gefängnis wieder auf freien Fuß kam. Im Blitzlichtgewitter der Fotografen gab er nur ein knappes Statement: “Hongkong”, so sagte Tai mit trüber Mine, “ist in einen kalten Winter eingetreten. Es weht ein eisiger Wind”. Gregor Koppenburg/Jörn Petring

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    Dessert

    Chinas Impfstoff in Afrika: Der Präsident der Republik Seychellen, S.H. Wavel Ramkalawan, ist das erste afrikanische Staatsoberhaupt, das den COVID-19-Impfstoff von SinoPharm erhält.

    CHINA.TABLE Redaktion

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