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Erscheinungsdatum: 04. Dezember 2024

Digital Networks Act: Totalschaden für Verbraucherrechte

Die sektorspezifische ex-ante-Regulierung im Telekom-Markt funktioniert, meint Michaela Schröder vom VZBV. Vizepräsidentin Henna Virkkunen sollte sich daher auf eine verbraucherfreundliche Agenda konzentrieren, die Wettbewerb stärkt und Netzneutralität sichert.

Mit dem Digital Network Act (DNA) soll der europäische Telekommunikationsmarkt an Stellen gewaltig umgekrempelt werden, wo er eigentlich funktioniert. Marktkonsolidierung und Deregulierung stehen genauso auf der Wunschliste, wie das Thema Datenmaut. Alles Vorschläge, die den Interessen der Verbraucher:innen klar entgegenstehen.

Der DNA wurde erstmals im Oktober 2023 vom damals zuständigen EU-Kommissar Thierry Breton angekündigt. Henna Virkkunen hat als neue Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission nun die Möglichkeit, sich dieser Altlasten zu entledigen. Sie sollte sich auf eine verbraucherfreundliche Agenda konzentrieren, die die Besonderheiten des europäischen Telekommunikationsmarkts gezielt in den Blick nimmt, Wettbewerb und Verbraucherrechte stärkt sowie Netzneutralität sichert.

Die Entwicklung des europäischen Telekommunikationsmarktes (TK-Markt) ist eine Erfolgsgeschichte. Die Liberalisierung des Marktes sichert die Angebotsvielfalt sowie den lebhaften und nachhaltigen Wettbewerb für Verbraucher:innen. Das System sektorspezifischer ex-ante-Regulierung funktioniert. In der Debatte um den DNA wird nun diskutiert, die bestehenden Regelungen zugunsten eines allgemeinen, ex-post-wirkenden Wettbewerbsrechts aufzugeben. Und das ohne Anlass, das funktionierende System zu ändern. Märkte, die nicht bereit sind für Deregulierung, würden so gefährdet und erforderliche Regulierung erschwert.

Die ehemalige Europäische Kommission schien zudem eine Marktkonsolidierung anzustreben: mit wenigen europaweit agierenden Unternehmen, die es mit der Konkurrenz aus China und den USA aufnehmen können. Dabei gibt es auch hier keine Evidenz, dass die europäische Wettbewerbsfähigkeit im globalen Kontext durch Marktkonsolidierung gestärkt werden kann. Vielmehr riskiert man in Europa monopolistische Strukturen, die sich negativ auf Qualität und Angebotsvielfalt auswirken und Kosten für Verbraucher:innen steigen lassen.

Die Folgen einer umfassenden Deregulierung sieht man in den USA : Die Auswahl für Verbraucher:innen ist häufig auf ein bis zwei Anbieter von Telekommunikationsdiensten beschränkt. Das führt zu sinkender Dienstleistungsqualität und steigenden Preisen.

Darüber hinaus könnte mit dem DNA durch die Hintertür eine Datenmaut eingeführt werden. Aktuelle Überlegungen sehen vor, dass Vertragsverhandlungen auf Peering- und Transitmärkten zwischen Netzbetreibern und Inhalts- und Anwendungsanbietern durch eine verpflichtende Streitbeilegung geklärt werden könnten. Wenn sich zum Beispiel die Deutsche Telekom als Netzbetreiber und die ARD als Inhalteanbieter nicht auf einen Preis einigen können, wäre die Streitbeilegung eine Möglichkeit, einen Preis festzulegen. Womit erfolgreich eine Datenmaut durch die Hintertür eingeführt wäre.

Dabei sehen zahlreiche unabhängige Regulierungsbehörden auch hier keinen Bedarf, ein neues Instrument einzuführen. Denn auf Peering- und Transitmärkten gibt es kein Marktversagen. Da, wo sonst der Ruf nach Deregulierung laut ist, steht plötzlich Regulierung ganz oben auf dem Tableau. Klar ist, die Debatte wird politisch entschieden. Der VZBV fordert die neue Europäische Kommission auf, diese Debatte zu beenden und ein offenes Internet für alle zu fördern.

Die diskutierten Vorschläge zum DNA würden den Markt für Verbraucher:innen unattraktiver machen. Der aktuellen Debatte würde es guttun, Verbraucherrechte stärker einzubinden. Denn ohne Verbraucher:innen gäbe es keinen großen Bedarf an digitaler Infrastruktur und ihren Diensten.

Dass Verbraucherbelange bei der Reform des TK-Marktes einbezogen werden müssen, zeigt sich auch beim Thema Glasfaserausbau. Hier gibt es großes Optimierungspotenzial. Die Anschlussrate von Glasfaseranschlüssen ist (in Deutschland) gering. Das liegt zum Teil am Nutzungsverhalten und den hohen Preisen. Aufdringliche Haustürgeschäfte können abschreckend wirken. In Deutschland leben über die Hälfte der Bürger:innen in Mietverhältnissen und können oft, selbst wenn sie wollten, keinen Glasfaseranschluss bekommen. Wenn diese Aspekte mitgedacht würden, käme der Ausbau schneller voran.

Sollte es zu umfangreichen Reformen des europäischen Telekommunikationsrechts kommen, müssen die sektorspezifischen Verbraucherrechte gestärkt werden. Die Wettbewerbsfähigkeit des Telekommunikationsmarkts scheitert sicherlich nicht daran, dass den Anbietern ein guter Service und ein guter Umgang mit den Kund:innen rechtlich vorgeschrieben wird.

Michaela Schröder leitet den Geschäftsbereich Verbraucherpolitik des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) und verantwortet als Geschäftsbereichsleitung die verbraucherpolitischen Themenbereiche Digitales und Medien, Finanzmarkt, Gesundheit und Pflege sowie Lebensmittel.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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