gestern Abend verschickte die EU-Kommission ihre Analyse an die Mitgliedstaaten, wie sich die Gaspreise dämpfen ließen. Die Energieminister hatten bei ihrer letzten Sitzung vor drei Wochen ausdrücklich um Vorschläge gebeten. Doch die Kommission zeigt nun drastisch die Konsequenzen eines allgemeinen Gaspreisdeckels auf. Es müsste ein zentraler Akteur für die Verteilung geschaffen werden, um die Gasflüsse zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen, schreibt Manuel Berkel in seiner Analyse des Non-Papers, das Europe.Table vorliegt.
Die EU-Kommission hat gestern auch neue Sanktionen gegen Russland angekündigt. Nach einem Vorschlag von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll das achte Paket unter anderem eine Preisobergrenze für russisches Öl enthalten. Die Preisobergrenze soll die russischen Einnahmen mindern und zugleich den globalen Ölmarkt stabilisieren. Details zu dem Vorschlag lesen Sie bei uns in den News.
Eine neue Industrieallianz aus Deutschland soll die Produktion von Technologiebausteinen für die Energiewende in Europa und die EU so wettbewerbsfähig halten. Gefördert werden soll die Herstellung von Produkten wie Wärmepumpen, Windkraftanlagen oder Fotovoltaik in europäischen Werken. Mit Unterstützung kann der Vorstoß rechnen: EU-Industriekommissar Thierry Breton wird beim heutigen Wettbewerbsfähigkeitsrat seine operative Hilfe anbieten, schreiben Till Hoppe und Lukas Scheid.
Corinna Visser hat sich angesehen, wie die EU-Kommission die teils stark veralteten Haftungsregeln für Produkte überarbeiten will. Ein besonderes Augenmerk wird sie dabei auf die Künstliche Intelligenz legen müssen. Verbrauchern soll es zukünftig leichter gemacht werden, im Schadensfall Ansprüche geltend zu machen.
Die EU-Kommission hat vor einem europaweiten Preisdeckel an den Gasmärkten gewarnt. “Eine solche Maßnahme würde im Vorfeld eine politische Entscheidung über die Methode der Zuteilung von Gas an die Mitgliedstaaten und die dabei zu verwendenden Kriterien erfordern”, heißt es in einer am Mittwochabend verschickten Analyse an die Mitgliedsländer.
Eine allgemeine Preisobergrenze würde auch den Handel mit Gas innerhalb der EU betreffen, schreibt die Kommission. Derzeit könnten sich Staaten, in denen die Versorgung bereits beeinträchtigt ist, durch höhere Preise Gaslieferungen aus anderen EU-Ländern sichern. Durch eine einheitliche Preisobergrenze werde diese marktwirtschaftliche Verteilung bei einem Gasmangel ausgeschaltet.
Falls die EU einen Gaspreisdeckel einführte, müssten laut dem Papier alternative Mechanismen gefunden werden, um knappes Gas an die Mitgliedstaaten und unterschiedliche Kategorien von Verbrauchern zu verteilen. Dazu müsse eine neue Einrichtung geschaffen werden, die Aufgaben der Gasleitungsbetreiber übernehme, schreibt die Brüsseler Behörde.
“Die Entscheidung über Gasflüsse auf dem Verwaltungsweg ist in Europa ohne Beispiel, und es gibt derzeit keine Einrichtung auf EU-Ebene, die den Übertragungsnetzbetreibern auf nationaler Ebene gleichwertig ist und die über die nötige Erfahrung und die technischen Fähigkeiten verfügt, um diese Aufgabe zu übernehmen”, heißt es in der Analyse.
Ein Gaspreisdeckel würde sich nach Ansicht der EU-Kommission auch auf Abschaltungen von Gaskunden auswirken. Notwendig sei ein “deutlich strengerer rechtlicher Rahmen für Verbrauchsreduzierungen“, weil wegen der künstlich gedeckelten Preise mit einem höheren Gasverbrauch zu rechnen sei. Eine angemessene Preisobergrenze festzusetzen, birgt laut Kommission außerdem Risiken für die Versorgungssicherheit.
Außer einem allgemeinen Preisdeckel analysiert die EU-Kommission in dem Schreiben die Möglichkeiten für weitere mögliche Notfalleingriffe an den Energiemärkten. Die Kommission sei zum Beispiel bereit, vorübergehende Maßnahmen zu diskutieren, um den Einfluss hoher Gaspreise auf die Strompreise zu begrenzen. Die Kosten dafür müssten jedoch von den Elektrizitätsmärkten der Mitgliedstaaten getragen werden.
Das Schreiben der Kommission geht auf ein Treffen der EU-Energieminister in Brüssel Mitte September zurück. Die Mitgliedstaaten hatten die Kommission aufgefordert, Vorschläge für einen Gaspreisdeckel vorzulegen. Nach der am Mittwoch verschickten Analyse will die Kommission nach Informationen von Europe.Table in der kommenden Woche konkrete Vorschläge für Maßnahmen zur Senkung der Gaspreise präsentieren.
Am Mittwoch hatten außerdem 15 europäische Staaten erneut einen Gaspreisdeckel gefordert, um Übergewinne zu begrenzen und die Inflation zu dämpfen. Der Preisdeckel solle auf alle Großhandelsgeschäfte mit Gas angewendet werden, heißt es in dem am Morgen veröffentlichten Brief der Energieminister von Frankreich, Italien, Spanien, Polen und weiteren Staaten. Die Bundesregierung hatte den Aufruf nicht unterzeichnet.
Die Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima (BMWK) hatte kürzlich im Kreis der EU-Staaten vorgeschlagen, eine “Europäische Plattform Transformationstechnologien” aufzusetzen. Deren Ziel soll sein, die Produktionskapazitäten von Wärmepumpen, Windkraftanlagen, Fotovoltaik, Elektrolyseuren und Ausrüstung für Stromnetze in Europa zu erweitern. In der Plattform sollen Regierungen, Industrie und Geldgeber gemeinsam einen strategischen Aktionsplan erarbeiten, mit Blick auf Investitionsbedarf, Projektabfolgen und regulatorische Änderungen. “Der Aktionsplan könnte auch die Notwendigkeit von Förderinstrumenten diskutieren”, sagte eine BMWK-Sprecherin.
Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold wird heute beim Rat für die neue Initiative werben. Bei einer ersten Präsentation bei den EU-Botschaftern der Mitgliedstaaten war die Initiative recht freundlich aufgenommen worden. Industriekommissar Breton werde den Vorstoß willkommen heißen, heißt es in seinem Umfeld. Die genannten Technologien seien unentbehrlich, um den Kontinent bis 2050 zu elektrifizieren – eine wichtige Voraussetzung für die angestrebte Dekarbonisierung.
Vorbild für die Pläne ist die europäische Batterie-Allianz, die 2017 von der Kommission ins Leben gerufen wurde, um die Abhängigkeit von Asien in der Technologie zu brechen. Die Initiative hat erhebliche Investitionen in die Produktion von Batteriezellen und der nötigen Materialien losgetreten, unter anderem durch das Auflegen sogenannter “Important Projects of Common Interest” (IPCEI). Die Kommission sieht sich auf gutem Wege, bis 2030 90 Prozent des hiesigen Bedarfs aus europäischer Produktion bedienen zu können.
Breton hat zudem bereits eine Allianz für sauberen Wasserstoff ins Leben gerufen. In Kürze will der Franzose zudem die “European Solar Photovoltaic Industrial Alliance” vorstellen. Diese soll die Abhängigkeit der EU vor allem von Herstellern aus China reduzieren.
Um die neue Plattform für Transformationstechnologien aufzusetzen, ist die Bundesregierung auf die operative Unterstützung der Kommission angewiesen. Breton wird diese Unterstützung heute anbieten. Es gehe darum, den Investitionsbedarf zu beziffern, die bestehenden Hürden für den Ausbau der Produktion zu identifizieren und Abhilfe zu schaffen, heißt es in der Kommission. Konkret müssten der Zugang zu Finanzierung, Engpässe in der Wertschöpfungskette und der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern adressiert werden.
In Industriekreisen wird die Gründung einer Industrieallianz für Erneuerbare überwiegend positiv bewertet. Sie sei “sicher ein guter Hebel, um industriepolitische Maßnahmen auf europäischer Ebene voranzubringen und vor allem zu koordinieren”, teilte ein Sprecher des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) auf Anfrage mit. Man müsse aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und strategische Teile der Wertschöpfungskette in der EU ansiedeln, um eine strategische Resilienz in der Energieversorgung zu entwickeln. Eine stabile heimische Nachfrage sei die Grundvoraussetzung dafür, so der Sprecher.
Probleme sieht der BEE nach wie vor bei Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hier sei viel geholfen, wenn der Gesetzgeber “LNG-Geschwindigkeit” an den Tag lege. In besonders kritischen Bereichen der Wertschöpfung oder für ganze Technologiezweige wie der Fotovoltaik wäre die Ausweisung von IPCEIs eine geeignete Maßnahme, um auf dem globalen Markt ein Level Playing Field für europäische Erneuerbare zu schaffen.
Aus Sicht des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) wird die “überfällige Gewährung des IPCEI-Status allein nicht reichen“, um die Anwendung der Solarenergie voranzutreiben und eine Skalierung der Fertigungskapazitäten zu ermöglichen. “Es ist längst ein harter globaler Wettbewerb um die Ansiedlung der größten Solarfabriken entbrannt”, sagt BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.
Dieser Wettbewerb werde insbesondere aus Asien und inzwischen auch den USA befeuert. “Europa muss sich diesem Wettbewerb mit einer klugen und beherzten Industriestrategie sowie konkreten Maßnahmen stellen.” Körnig fordert daher eine Stärkung der bestehenden Solarindustrie sowie die Erschließung neuer Wertschöpfungsketten im Bereich Wafer-, Zell- und Modulfertigung, beispielsweise durch die Ansiedlung sogenannter solarer Giga-Fabs.
Um im künftigen Wettbewerb technologisch die Nase vorn zu haben, sei zudem eine “großzügige Unterstützung von Forschung und Entwicklung” nötig. Der BSW schlägt zudem ein “Front-Runner-Programm” vor, mit dem innovative und besonders umweltfreundliche Produkte unterstützt werden. Till Hoppe und Lukas Scheid
29.09.2022 – 08:30-09:30 Uhr, online
DGAP, Briefing After Mobilization and Staged Referendums – The Outlook on Putin’s Russia and Occupied Parts of Ukraine
The German Council on Foreign Relations (DGAP) sheds light on the current situation in Russia. INFOS & REGISTRATION
30.09.-03.10.2022, Bad Staffelstein
HSS, Seminar Das lange Russland-Ukraine Wochenende: Krieg in Europa – Putin macht ernst
Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) widmet sich den Hintergründen des russischen Überfalls auf die Ukraine. INFOS & ANMELDUNG
30.09.-02.10.2022, Bonn/online
Polis 180, Conference International Security Forum Bonn 2022
Polis 180 convenes international experts and practitioners of security and foreign policy to debate the future of transatlantic relations and key challenges in international politics. INFOS & REGISTRATION
03.10.2022 – 15:00-16:30 Uhr, Bonn
KAS, Podiumsdiskussion Die Zukunft des Westens
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) nimmt die Entwicklungen in der Gegenwart in den Blick und diskutiert Handlungsoptionen für die Zukunft. INFOS & ANMELDUNG
04.10.-07.10.2022, Skopje (Nordmazedonien)
Aspen Institute, Conference Green Agenda for the Western Balkans
Das Aspen Institute bietet eine Plattform für Teilnehmende aus den Ländern des Westbalkans, Deutschland, der EU, den USA sowie internationalen und regionalen Organisationen, um zentrale Herausforderungen und Potenziale der “Green Agenda” für den Westbalkan zu diskutieren und zu identifizieren. INFOS & REGISTRATION
04.10.2022 – 14:00-15:30 Uhr, online
TÜV Rheinland, Seminar LNG – Vom Genehmigungsverfahren zum sicheren Betrieb
Der TÜV Rheinland bringt Vertreter aus der Politik, der Energiewirtschaft und eines technischen Prüfdienstleisters zusammen, um über LNG-Terminals zu sprechen – Vom Genehmigungsverfahren zum sicheren Betrieb. INFOS & ANMELDUNG
04.10.2022 – 18:30-20:00 Uhr, Dresden
KAS, Diskussion Scheitert der Euro, dann scheitert Europa? Die Wirtschafts- und Währungsunion am Scheideweg
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) thematisiert die rechtlichen Grundlagen der europäischen Wirtschafts- und Geldpolitik, analysiert deren Schwachstellen und zeigt Lösungswege auf. INFOS & ANMELDUNG
04.10.2022 – 19:00-20:30 Uhr, Berlin/online
Polis 180, Diskussion Perspektive Ost: offenes & digitales Programmtreffen
Polis 180 beschäftigt sich mit der deutschen Außenpolitik gegenüber Mittel-, Ost- und Südosteuropa sowie Zentralasien. INFOS & ANMELDUNG
Ein selbst lenkender Kehrroboter fährt die Straße entlang und rammt einen Kinderwagen. Der Säugling darin wird bei dem Unfall verletzt. Klar ist: Ein Mensch ist zu Schaden gekommen und der Verursacher ist der autonom fahrende Roboter. Doch wer kommt für den Schaden auf? Der Hersteller der im System integrierten Künstlichen Intelligenz (KI)? Der Produzent der Sensoren oder der des Ortungssystems? Der Betreiber der Kehrroboter-Flotte? Die Stadtwerke, die den Reinigungsauftrag erteilt haben? Wen soll die Mutter zur Rechenschaft ziehen? Und wenn der Fehler bei der KI lag: Wie soll sie diesen nachweisen, wenn eine KI für Außenstehende doch weitgehend eine Blackbox ist?
Wenn bei autonom agierenden Systemen mit Künstlicher Intelligenz etwas schiefläuft, entstehen so mannigfaltige Fragen, dass die EU-Kommission der Haftungsthematik einen eigenen Rechtsakt widmet. EU-Justizkommissar Didier Reynders stellte die AI Liability Directive am Mittwoch in Brüssel vor. Gleichzeitig legte die Kommission eine Überarbeitung der allgemeinen Produkthaftungsrichtlinie (PLD) vor.
Hintergrund ist, dass Produkte zunehmend digitalisiert, komplex und damit undurchsichtig sind und, wenn sie mit KI arbeiten, autonome Entscheidungen treffen können. Die neue Richtlinie ist der Versuch, das bestehende Produkthaftungsrecht an Produkte anzupassen, an die bei der Entstehung der Richtlinie 1985 noch nicht zu denken war. So regelt die bestehende Richtlinie zum Beispiel nicht, wer für Fehler bei Softwareupdates, Algorithmen für maschinelles Lernen oder digitalen Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Produkt haftbar ist.
Das Ziel: Es kommt der Kommission nach eigener Aussage darauf an, einerseits die Rechte der Verbraucher zu stärken, andererseits aber auch für die Unternehmen Rechtssicherheit und ein Level Playing Field mit außereuropäischen Anbietern zu schaffen. Vertreter der Kommission betonen, dass sie dabei auf einen fairen Ausgleich beider Seiten bedacht waren. Denn sie will, wie auch Reynders betont, die Entwicklung innovativer KI-Systeme in der EU fördern – und keinesfalls beschränken.
Interessant ist auch: Die neuen Vorschriften berücksichtigen auch Produkte, die aktualisiert, verändert oder aufbereitet wurden. Der Vorschlag schaffe hier die Rechtsklarheit, die die Industrie benötigt, um kreislauforientierte Geschäftsmodelle einzubeziehen, meint die Kommission.
Die Frage stellt sich, ob es sinnvoll ist, dass die Kommission aus Produkthaftung und KI-Haftung nun zwei Rechtsakte macht. Axel Voss, rechtspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, hält das für richtig, weil Produkthaftung und KI-Haftung nicht vergleichbar seien. Eine diskriminierende KI sei etwas anderes als eine kaputte Waschmaschine. “Plötzlich haben wir eine Grundrechtsproblematik”, sagt Voss. “Es geht also hier um besondere Produkte. Da ergibt es Sinn, für die Haftungsfrage eigene Regelungen zu finden.”
So sieht das auch Produkthaftungsexperte Thomas Klindt, Partner der Kanzlei Noerr: “Immerhin sind die genetischen Unterschiede zwischen klassischer Haftung für Fehler haptischer Produkte einerseits und ‘Fehler’ selbstlernender Algorithmen womöglich so gigantisch, dass wir über eine Auftrennung in zwei unterschiedliche Rechtsakte noch dankbar sein werden.”
Und während im AI Act selbst lediglich Hochrisikoanwendungen reguliert werden, findet die AI Liability Directive auf jegliche KI Anwendung – mit der Ausnahme des Artikel 3. Hier geht es um den Auskunftsanspruch der Geschädigten, den sie nur bei Hochrisikoanwendungen haben. Hier will die Kommission nicht über die Hintertür andere Dokumentationspflichten als die im AI Act vorgesehenen einführen. Das bedeutet, dass die widerlegbare Vermutung in Artikel 4 auch auf andere KI Anwendung findet. Die Systematik ist: Das Opfer hat einen Auskunftsanspruch, kann die beklagte Partei den nicht erfüllen, gilt automatisch die – widerlegbare – Vermutung, dass hier ein Verstoß vorliegt.
Nach der Produkthaftungsrichtlinie haften Hersteller unabhängig von einem Verschulden für Schäden, die fehlerhafte Produkte verursacht haben. Dies gilt auch für KI-Systeme. Die Produkthaftungsrichtlinie ist jedoch nicht die einzige Rechtsvorschrift in diesem Bereich, sodass die geschädigten Personen in vielen Fällen wählen können, auf welcher Rechtsgrundlage sie Schadensersatz fordern wollen.
Die KI-Haftung erleichtert die Beweislast für die Opfer und erleichtert ihnen den Zugang zu einschlägigen Beweismitteln. Strittig ist, ob das für die Opfer ausreicht. Klar ist, dass es für die Unternehmen mehr Aufwand bedeutet. “Gesetzliche Beweislastverteilungen haben immerhin den einen Vorteil, dass sich die Wirtschaft auf sie sehenden Auges einstellen kann”, meint Klindt. Das bedeute chirurgisch klare Dokumentationen, um Entscheidungen in Organisationen dokumentieren zu können und gut archivierte Dokumente, die später als Beweis dienen können. “Dieses Dokumentationsmanagement muss als generelle Managementaufgabe verstanden werden”, sagt Klindt.
Die Kommission hat sowohl bei der Produkt- als auch bei der KI-Haftung die Hürden für die Opfer nach eigener Auffassung gesenkt, wenn diese einen Schaden geltend machen wollen. Auf eine vollständige Beweislastumkehr hat sie bei der KI-Haftung verzichtet.
Verbraucherschützer sehen in den neuen Vorschriften zwar in einigen Bereichen Fortschritte, halten sie aber für KI-gesteuerte Dienstleistungen für zu schwach. Denn im Gegensatz zu den herkömmlichen Produkthaftungsvorschriften müsse ein Verbraucher, der durch eine KI geschädigt wird, beweisen, dass die KI ursächlich für den Schaden ist und jemand Verschulden oder Fahrlässigkeit nachweisen.
“Dies von den Verbrauchern zu verlangen, ist eine echte Enttäuschung”, sagt Ursula Pachl, stellvertretende Generaldirektorin des Europäischen Verbraucherverbandes (BEUC). Angesichts hochkomplexer und undurchschaubarer “Black Box”-KI-Systeme sei das praktisch unmöglich. “Im Ergebnis werden die Verbraucher besser geschützt sein, wenn ein Rasenmäher ihre Schuhe im Garten zerfetzt, als wenn sie durch ein Kreditscoring-System ungerechtfertigt diskriminiert werden.”
Doch der BEUC sieht auch Positives, etwa dass die PLD
Die Computer & Communications Industry Association hält es dagegen für falsch, Software als ein materielles Produkt zu betrachten. Software werde im Laufe der Zeit immer weiter entwickelt und “hat an sich noch nie einen physischen Schaden verursacht”, schreibt der Industrieverband. Datenverluste, psychische Schäden und andere immaterielle Schäden sollten nicht Teil der verschuldensunabhängigen Haftungsregelung des PLD sein – “sie ist nicht das richtige Instrument für solch komplexe Themen”.
René Repasi, Jurist und Binnenmarktexperte der S&D, hält die neuen Regelungen in der KI-Haftung zwar für besser als das geltende Recht. Die Voraussetzungen für die Beweisvermutung seien jedoch so hochgestellt, dass sie in der Praxis wohl nicht führbar seien. “Somit wird die geschädigte Person rechtlos gestellt. Das kann es nicht sein.”
Nun ist das Parlament am Zug. Noch ist offen, ob der Binnenmarkt- oder der Rechtsausschuss die Federführung für das KI-Dossier bekommen. Bis jetzt baut die KI-Haftung auf der Produkthaftung auf. “Wenn beide Dossiers in unterschiedliche Ausschüsse gehen, besteht die Gefahr, dass wir unterschiedliche Haftungsregime bekommen”, sagt Repasi. “Ich bin der Ansicht, KI ist ein Produkt. Und im Schadensfall sollte es wie ein schädliches Produkt behandelt werden.” Die parlamentarische Diskussion ist eröffnet.
Die Europäische Kommission schlägt eine Preisobergrenze für russisches Öl als Teil ihres jüngsten Sanktionspakets gegen Moskau wegen des Krieges in der Ukraine vor. Das gaben Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Außenminister Josep Borrell am gestrigen Mittwoch bekannt.
Das neue Paket kommt nach der Ankündigung des Kremls zur teilweisen Mobilisierung, den Scheinreferenden in von Russland besetzten ukrainischen Gebieten und der jüngsten Entdeckung eines Massengrabs in Izyum. “Wir akzeptieren weder die Scheinreferenden noch irgendeine Art von Annexion in der Ukraine. Und wir sind entschlossen, den Kreml für diese weitere Eskalation bezahlen zu lassen”, sagte von der Leyen.
Die Ölpreisobergrenze wurde bereits Anfang September von den G7-Ländern vereinbart. Sie soll mit dem sechsten Sanktionspaket der Europäischen Union in Einklang gebracht werden und einem Preisanstieg vorbeugen, wenn das EU-Embargo in Kraft tritt. Die G7-Initiative ist nicht zu verwechseln mit separaten Vorschlägen für eine EU-weite Obergrenze für Gaspreise.
Statt Käufer oder Transporteure russischer Energie zu sanktionieren und damit die Weltmarktpreise nach oben zu drücken, sollen die Öleinnahmen Moskaus unter Druck gesetzt werden, indem für Energietransporte höhere Versicherungsprämien verlangt werden, sofern sie nicht mit einer noch nicht spezifizierten Preisobergrenze übereinstimmen. So soll Russland dazu gezwungen werden, Öl künftig für einen deutlich niedrigeren Preis an große Abnehmer wie Indien zu verkaufen.
Die EU selbst hat bereits beschlossen, dass ab dem 5. Dezember kein russisches Rohöl mehr über den Seeweg in die Europäische Union eingeführt werden darf. Von der Leyen sagte, sie werde die Rechtsgrundlage für diese Ölpreisobergrenze veröffentlichen, um die russischen Einnahmen zu verringern und den globalen Ölmarkt zu stabilisieren.
“Diese Ölpreisobergrenze wird einerseits dazu beitragen, Russlands Einnahmen zu verringern, und andererseits die globalen Energiemärkte stabil halten”, sagte von der Leyen. Länder wie Ungarn, Zypern und Griechenland hatten sich zuletzt gegen einen solchen Preisdeckel gestemmt. Zypern und Griechenland haben große Tankerflotten, die Öl transportieren.
Zu den weiteren Sanktionsvorschlägen gehört von der Leyen zufolge auch ein Verbot für EU-Bürger, Sitze in Führungsgremien russischer Staatsunternehmen einzunehmen. Dafür hatte sich vor allem Berlin eingesetzt, nachdem Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) lange Aufsichtsratschef des russischen Ölkonzerns Rosneft gewesen war.
Zudem soll es nach dem Willen der EU-Kommission verboten werden, bestimmte Schlüsseltechnologien nach Russland zu exportieren. Dazu gehörten “Produkte für die Luftfahrt, elektronische Komponenten und spezielle chemische Grundstoffe”, sagte von der Leyen. Auch sollen weitere Personen mit Einreiseverboten und Vermögenssperren belegt werden. Um das Umgehen von Sanktionen zu erschweren, soll zudem eine Liste mit Personen eingeführt werden, die dies bereits versucht haben. Dies werde eine abschreckende Wirkung haben, sagte von der Leyen. cst
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wird am Freitag auf Antrag Russlands über die Schäden an den beiden russischen Gaspipelines nach Europa beraten. Die französische UN-Mission, die für September den Vorsitz des 15-köpfigen Gremiums innehat, teilte mit, dass sich die Sitzung mit den Nord Stream-Pipelines befassen wird, für deren Bau Russland und seine europäischen Partner Milliarden von Dollar ausgegeben haben.
Mutmaßliche Explosionen haben am Dienstag die Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 stark beschädigt. Die Nord Stream 1-Pipeline, die einst die Hauptroute für russisches Gas nach Deutschland darstellte, war bereits stillgelegt, kann nun aber nicht ohne weiteres wieder geöffnet werden. Die neue Nord-Stream-2-Pipeline war noch nicht in Betrieb genommen worden.
Die Gaslecks verunsicherten die Energiemärkte und erhöhten die Sicherheitsbedenken. Die NATO und die Europäische Union warnten vor der Notwendigkeit, kritische Infrastrukturen vor “Sabotage” zu schützen. Es bleibt unklar, wer hinter dem Angriff auf die Pipelines stecken könnte, sofern ein solcher nachgewiesen werden kann.
Russland, das seine Gaslieferungen nach Europa gekürzt hat, nachdem der Westen wegen Moskaus Invasion in der Ukraine Sanktionen verhängt hatte, hat ebenfalls Sabotage als Möglichkeit genannt und die Anschuldigungen einiger, es habe den Schaden verursacht, als “dumm” bezeichnet. rtr
Die Mitgliedstaaten sollen ihre Regelungen für ein Mindesteinkommen modernisieren. Dies sieht eine Empfehlung der Kommission vor, die vom Ministerrat beschlossen werden soll. In allen 27 EU-Mitgliedstaaten gibt es Mindesteinkommensregelungen. Sie sehen staatliche Zuschüsse und gegebenenfalls Sachleistungen für bedürftige Haushalte vor, damit deren Einkommen ein bestimmtes Niveau erreichen.
Die Kommission hat Leitlinien für Mindesteinkommensregelungen vorgelegt. Demnach soll die Höhe der Zahlung durch eine transparente und solide Methode ermittelt werden. Bis 2030 sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Mindesteinkommen ein angemessenes Niveau erreichen. Jährlich soll die Höhe überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Die Kommission empfiehlt, den Bezug von Einkommensbeihilfen pro Person und nicht pro Haushalt zu ermöglichen. So soll sichergestellt werden, dass die finanzielle Selbständigkeit von Frauen und jungen Erwachsenen gefördert wird. Die Entscheidung über einen Antrag auf Unterstützung soll innerhalb von 30 Tagen getroffen werden. mgr
Das Bundesumweltministerium arbeitet an Eckpunkten für eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie und will diese 2024 vom Kabinett beschließen lassen. Nach der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung soll im Frühjahr 2023 ein Dialogprozess mit Wissenschaft und den gesellschaftlichen Akteuren beginnen, wie Bundesumweltministerin Steffi Lemke bereits vergangene Woche angekündigt hatte (Europe.Table berichtete). Gestern sprach Susanne Lottermoser, Leiterin der im April neu geschaffenen Abteilung T (Transformation – Digitalisierung, Circular Economy, Klimaanpassung), über eine grobe Ausrichtung.
Das BMUV wolle die Kreislaufwirtschaftsstrategie als Dachstrategie gestalten und dabei eng mit dem Bundeswirtschaftsministerium kooperieren. Auch die rohstoffpolitische Strategie solle ihr untergeordnet werden. “Die Strategie soll übergeordnete Ziele einer zirkulären Wirtschaft für die wichtigsten Stoffströme und die zur Erreichung erforderlichen strategischen Maßnahmen formulieren”, sagte Lottermoser auf einer Veranstaltung des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE).
Das BMUV erstelle zurzeit Eckpunkte, um diese vor Anfang kommenden Jahres im Kabinett abzustimmen. “Wir können nicht direkt alle Pfade einer Kreislaufwirtschaft angehen”, erklärte die Ministerialdirektorin. Deshalb wolle man sich zunächst auf die größten Stoffströme fokussieren, etwa auf Baustoffe, mineralische Abfälle und Kunststoffabfälle.
Parallel zu dem Prozess werde die Bundesregierung die Rechtsetzung, die schon vorbereitet sei, vorantreiben. Man werde nicht auf die Strategie warten. Dies beziehe sich insbesondere auf das Verpackungsgesetz. “Wir setzen uns dafür ein, dass europaweit hohe Standards im Verpackungsbereich gelten sollen; einheitliche Produktregelungen sind für eine Kreislaufwirtschaft im europäischen Binnenmarkt entscheidend”, so die Abteilungsleiterin. “Wir unterstützen die Ziele der Kommission, dass in Zukunft europaweit nur noch Produkte auf den Markt kommen, die langlebig, recycelbar sind, die Ressourcen schonen und CO2-Emissionen sparen.”
Hohe Erwartungen habe die Bundesregierung an die Novelle der EU-Verpackungsrichtlinie, zu welcher die Kommission Ende des Jahres einen Vorschlag vorlegen will. Das BMUV plant, dieser mit einer vorgezogenen Novelle des deutschen Verpackungsgesetzes zuvorzukommen. Vor allem sollen Maßnahmen umgesetzt werden, um Mehrwegangebote zu fördern. So sollen die Mehrwegangebotspflichten erweitert und weitere Materialien wie etwa Pizzakartons in die Pflicht einbezogen werden.
Ein weiteres Ziel für die Verhandlungen in Brüssel ist laut Lottermoser, den nationalen Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Entsorgung von Abfällen zu erhalten. Darüber hinaus will die Bundesregierung sich für ein schnellstmögliches europaweites Ende der Deponierung, also der Ablage unvorbehandelter Abfälle, einsetzen. Diese ist in Deutschland seit 2005 verboten, jedoch nicht in allen EU-Mitgliedstaaten. Auch Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des BVSE, fordert ein schnelles Handeln: “Die Deponierung in anderen europäischen Ländern hält die Kreislaufwirtschaft auf”, sagte er. “Brüssel muss hier durchgreifen.” leo
Jens Gieseke ist “leidenschaftlicher Fahrradfahrer”. Aus dem Emsland stammend, wo alles flach und überschaubar ist, ist dies sein bevorzugtes Fortbewegungsmittel. “Übrigens ohne E-Motor, nur mit eigener Muskelkraft”, betont der fahrradpolitische Sprecher der CDU/CSU im Europaparlament.
Als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (TRAN) ist Mobilität sein Hauptthema. Und das beschäftigt ihn schon seit seinem Jurastudium, bei dem es ihn auch nicht an einem Ort hielt. Er studierte in Osnabrück, Lausanne, Genf und Freiburg. “Mobilität und Studium gehörten für mich immer schon zusammen”, sagt Gieseke.
Nach dem 1. Staatsexamen arbeitet er ein Jahr lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Europäische Parlament in Straßburg. Nach dem 2. Staatsexamen zieht es ihn nach Brüssel, wo er verschiedene EU-Jobs innehat. Seit 2014 ist er Abgeordneter im Europäischen Parlament.
Im Verkehrsausschuss begleitet er die Debatte für die Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) und die CO2-Flottenregulierung als Schattenberichterstatter der EVP. Den Vorschlag der Kommission, für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge eine 100-Prozent-Reduktion der CO2-Emissionen bis 2035 einzuführen, hat das Parlament zu Giesekes Bedauern übernommen. Er hätte das “faktische Verbrenner-Verbot” gerne verhindert, konnte sich aber nicht durchsetzen.
Gieseke findet: Wenn nachweislich alternative Antriebsformen produziert werden könnten, die ebenfalls CO2-neutral wären, müsse man diesen eine Chance geben. “Dazu gehören für mich auch E-Fuels.“
Vor der Abstimmung im Parlament warb Gieseke für eine freiwillige Anrechnung für synthetische Kraftstoffe, die im Plenum eine Mehrheit jedoch knapp verfehlte. Bei diesem System können sich Hersteller für die eigenständige Produktion von erneuerbaren Kraftstoffen entsprechende Gutschriften auf ihre CO2-Flottengrenzwerte anrechnen lassen.
Das Parlament beschließe zwar mehr erneuerbare Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis, aber spreche sich gleichzeitig gegen Verbrennermotoren aus. “Das ist natürlich keine kohärente Politik”, kritisiert Gieseke. Man müsse beide Konzepte schon zusammenführen, idealerweise mit einem stärkeren technologieneutralen Ansatz. “Ich bin nicht in die Politik mit der Vorstellung gegangen, Dinge zu verbieten, sondern idealerweise einen Rahmen zu setzen, der Wettbewerb um die beste Technologie ermöglicht”, erklärt er.
E-Fuels seien in der Bilanz CO2-neutral und können aufgrund von erneuerbaren Energien produziert werden. “In gewisser Weise werden Elektroautos künstlich bevorzugt”, meint Gieseke. Bei ihnen würden vorgelagerte CO2-Emissionen ignoriert. Wenn es nach Gieseke geht, sollten solche Entscheidungen aber nicht vom Gesetzgeber, sondern vom Markt kommen.
“Ich bin nicht gegen Elektromobilität, aber es muss nicht zwingend alles elektrisch fahren, wenn es unterschiedliche Bedürfnisse gibt”, sagt Gieseke. Konkret arbeitet er daran, sein Anrechnungsverfahren für synthetische Kraftstoffe weiterhin einzubringen. “Damit wir am Ende nicht über Wünsche reden, sondern über gesetzliche Realität und Umsetzung, um diese Anrechnung tatsächlich legislativ zu verankern.” Die Möglichkeit dafür hat er im derzeit laufenden Trilog zwischen Parlament, Rat und Kommission, wo die Überarbeitung der CO2-Flottengrenzwerte final verhandelt wird. Allerdings müsste die Kommission dafür zeitnah einen entsprechenden regulatorischen Vorschlag machen. Livia Hofmann
gestern Abend verschickte die EU-Kommission ihre Analyse an die Mitgliedstaaten, wie sich die Gaspreise dämpfen ließen. Die Energieminister hatten bei ihrer letzten Sitzung vor drei Wochen ausdrücklich um Vorschläge gebeten. Doch die Kommission zeigt nun drastisch die Konsequenzen eines allgemeinen Gaspreisdeckels auf. Es müsste ein zentraler Akteur für die Verteilung geschaffen werden, um die Gasflüsse zwischen den Mitgliedstaaten sicherzustellen, schreibt Manuel Berkel in seiner Analyse des Non-Papers, das Europe.Table vorliegt.
Die EU-Kommission hat gestern auch neue Sanktionen gegen Russland angekündigt. Nach einem Vorschlag von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll das achte Paket unter anderem eine Preisobergrenze für russisches Öl enthalten. Die Preisobergrenze soll die russischen Einnahmen mindern und zugleich den globalen Ölmarkt stabilisieren. Details zu dem Vorschlag lesen Sie bei uns in den News.
Eine neue Industrieallianz aus Deutschland soll die Produktion von Technologiebausteinen für die Energiewende in Europa und die EU so wettbewerbsfähig halten. Gefördert werden soll die Herstellung von Produkten wie Wärmepumpen, Windkraftanlagen oder Fotovoltaik in europäischen Werken. Mit Unterstützung kann der Vorstoß rechnen: EU-Industriekommissar Thierry Breton wird beim heutigen Wettbewerbsfähigkeitsrat seine operative Hilfe anbieten, schreiben Till Hoppe und Lukas Scheid.
Corinna Visser hat sich angesehen, wie die EU-Kommission die teils stark veralteten Haftungsregeln für Produkte überarbeiten will. Ein besonderes Augenmerk wird sie dabei auf die Künstliche Intelligenz legen müssen. Verbrauchern soll es zukünftig leichter gemacht werden, im Schadensfall Ansprüche geltend zu machen.
Die EU-Kommission hat vor einem europaweiten Preisdeckel an den Gasmärkten gewarnt. “Eine solche Maßnahme würde im Vorfeld eine politische Entscheidung über die Methode der Zuteilung von Gas an die Mitgliedstaaten und die dabei zu verwendenden Kriterien erfordern”, heißt es in einer am Mittwochabend verschickten Analyse an die Mitgliedsländer.
Eine allgemeine Preisobergrenze würde auch den Handel mit Gas innerhalb der EU betreffen, schreibt die Kommission. Derzeit könnten sich Staaten, in denen die Versorgung bereits beeinträchtigt ist, durch höhere Preise Gaslieferungen aus anderen EU-Ländern sichern. Durch eine einheitliche Preisobergrenze werde diese marktwirtschaftliche Verteilung bei einem Gasmangel ausgeschaltet.
Falls die EU einen Gaspreisdeckel einführte, müssten laut dem Papier alternative Mechanismen gefunden werden, um knappes Gas an die Mitgliedstaaten und unterschiedliche Kategorien von Verbrauchern zu verteilen. Dazu müsse eine neue Einrichtung geschaffen werden, die Aufgaben der Gasleitungsbetreiber übernehme, schreibt die Brüsseler Behörde.
“Die Entscheidung über Gasflüsse auf dem Verwaltungsweg ist in Europa ohne Beispiel, und es gibt derzeit keine Einrichtung auf EU-Ebene, die den Übertragungsnetzbetreibern auf nationaler Ebene gleichwertig ist und die über die nötige Erfahrung und die technischen Fähigkeiten verfügt, um diese Aufgabe zu übernehmen”, heißt es in der Analyse.
Ein Gaspreisdeckel würde sich nach Ansicht der EU-Kommission auch auf Abschaltungen von Gaskunden auswirken. Notwendig sei ein “deutlich strengerer rechtlicher Rahmen für Verbrauchsreduzierungen“, weil wegen der künstlich gedeckelten Preise mit einem höheren Gasverbrauch zu rechnen sei. Eine angemessene Preisobergrenze festzusetzen, birgt laut Kommission außerdem Risiken für die Versorgungssicherheit.
Außer einem allgemeinen Preisdeckel analysiert die EU-Kommission in dem Schreiben die Möglichkeiten für weitere mögliche Notfalleingriffe an den Energiemärkten. Die Kommission sei zum Beispiel bereit, vorübergehende Maßnahmen zu diskutieren, um den Einfluss hoher Gaspreise auf die Strompreise zu begrenzen. Die Kosten dafür müssten jedoch von den Elektrizitätsmärkten der Mitgliedstaaten getragen werden.
Das Schreiben der Kommission geht auf ein Treffen der EU-Energieminister in Brüssel Mitte September zurück. Die Mitgliedstaaten hatten die Kommission aufgefordert, Vorschläge für einen Gaspreisdeckel vorzulegen. Nach der am Mittwoch verschickten Analyse will die Kommission nach Informationen von Europe.Table in der kommenden Woche konkrete Vorschläge für Maßnahmen zur Senkung der Gaspreise präsentieren.
Am Mittwoch hatten außerdem 15 europäische Staaten erneut einen Gaspreisdeckel gefordert, um Übergewinne zu begrenzen und die Inflation zu dämpfen. Der Preisdeckel solle auf alle Großhandelsgeschäfte mit Gas angewendet werden, heißt es in dem am Morgen veröffentlichten Brief der Energieminister von Frankreich, Italien, Spanien, Polen und weiteren Staaten. Die Bundesregierung hatte den Aufruf nicht unterzeichnet.
Die Bundesregierung unter Federführung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima (BMWK) hatte kürzlich im Kreis der EU-Staaten vorgeschlagen, eine “Europäische Plattform Transformationstechnologien” aufzusetzen. Deren Ziel soll sein, die Produktionskapazitäten von Wärmepumpen, Windkraftanlagen, Fotovoltaik, Elektrolyseuren und Ausrüstung für Stromnetze in Europa zu erweitern. In der Plattform sollen Regierungen, Industrie und Geldgeber gemeinsam einen strategischen Aktionsplan erarbeiten, mit Blick auf Investitionsbedarf, Projektabfolgen und regulatorische Änderungen. “Der Aktionsplan könnte auch die Notwendigkeit von Förderinstrumenten diskutieren”, sagte eine BMWK-Sprecherin.
Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold wird heute beim Rat für die neue Initiative werben. Bei einer ersten Präsentation bei den EU-Botschaftern der Mitgliedstaaten war die Initiative recht freundlich aufgenommen worden. Industriekommissar Breton werde den Vorstoß willkommen heißen, heißt es in seinem Umfeld. Die genannten Technologien seien unentbehrlich, um den Kontinent bis 2050 zu elektrifizieren – eine wichtige Voraussetzung für die angestrebte Dekarbonisierung.
Vorbild für die Pläne ist die europäische Batterie-Allianz, die 2017 von der Kommission ins Leben gerufen wurde, um die Abhängigkeit von Asien in der Technologie zu brechen. Die Initiative hat erhebliche Investitionen in die Produktion von Batteriezellen und der nötigen Materialien losgetreten, unter anderem durch das Auflegen sogenannter “Important Projects of Common Interest” (IPCEI). Die Kommission sieht sich auf gutem Wege, bis 2030 90 Prozent des hiesigen Bedarfs aus europäischer Produktion bedienen zu können.
Breton hat zudem bereits eine Allianz für sauberen Wasserstoff ins Leben gerufen. In Kürze will der Franzose zudem die “European Solar Photovoltaic Industrial Alliance” vorstellen. Diese soll die Abhängigkeit der EU vor allem von Herstellern aus China reduzieren.
Um die neue Plattform für Transformationstechnologien aufzusetzen, ist die Bundesregierung auf die operative Unterstützung der Kommission angewiesen. Breton wird diese Unterstützung heute anbieten. Es gehe darum, den Investitionsbedarf zu beziffern, die bestehenden Hürden für den Ausbau der Produktion zu identifizieren und Abhilfe zu schaffen, heißt es in der Kommission. Konkret müssten der Zugang zu Finanzierung, Engpässe in der Wertschöpfungskette und der Mangel an qualifizierten Mitarbeitern adressiert werden.
In Industriekreisen wird die Gründung einer Industrieallianz für Erneuerbare überwiegend positiv bewertet. Sie sei “sicher ein guter Hebel, um industriepolitische Maßnahmen auf europäischer Ebene voranzubringen und vor allem zu koordinieren”, teilte ein Sprecher des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) auf Anfrage mit. Man müsse aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und strategische Teile der Wertschöpfungskette in der EU ansiedeln, um eine strategische Resilienz in der Energieversorgung zu entwickeln. Eine stabile heimische Nachfrage sei die Grundvoraussetzung dafür, so der Sprecher.
Probleme sieht der BEE nach wie vor bei Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hier sei viel geholfen, wenn der Gesetzgeber “LNG-Geschwindigkeit” an den Tag lege. In besonders kritischen Bereichen der Wertschöpfung oder für ganze Technologiezweige wie der Fotovoltaik wäre die Ausweisung von IPCEIs eine geeignete Maßnahme, um auf dem globalen Markt ein Level Playing Field für europäische Erneuerbare zu schaffen.
Aus Sicht des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) wird die “überfällige Gewährung des IPCEI-Status allein nicht reichen“, um die Anwendung der Solarenergie voranzutreiben und eine Skalierung der Fertigungskapazitäten zu ermöglichen. “Es ist längst ein harter globaler Wettbewerb um die Ansiedlung der größten Solarfabriken entbrannt”, sagt BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.
Dieser Wettbewerb werde insbesondere aus Asien und inzwischen auch den USA befeuert. “Europa muss sich diesem Wettbewerb mit einer klugen und beherzten Industriestrategie sowie konkreten Maßnahmen stellen.” Körnig fordert daher eine Stärkung der bestehenden Solarindustrie sowie die Erschließung neuer Wertschöpfungsketten im Bereich Wafer-, Zell- und Modulfertigung, beispielsweise durch die Ansiedlung sogenannter solarer Giga-Fabs.
Um im künftigen Wettbewerb technologisch die Nase vorn zu haben, sei zudem eine “großzügige Unterstützung von Forschung und Entwicklung” nötig. Der BSW schlägt zudem ein “Front-Runner-Programm” vor, mit dem innovative und besonders umweltfreundliche Produkte unterstützt werden. Till Hoppe und Lukas Scheid
29.09.2022 – 08:30-09:30 Uhr, online
DGAP, Briefing After Mobilization and Staged Referendums – The Outlook on Putin’s Russia and Occupied Parts of Ukraine
The German Council on Foreign Relations (DGAP) sheds light on the current situation in Russia. INFOS & REGISTRATION
30.09.-03.10.2022, Bad Staffelstein
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Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) widmet sich den Hintergründen des russischen Überfalls auf die Ukraine. INFOS & ANMELDUNG
30.09.-02.10.2022, Bonn/online
Polis 180, Conference International Security Forum Bonn 2022
Polis 180 convenes international experts and practitioners of security and foreign policy to debate the future of transatlantic relations and key challenges in international politics. INFOS & REGISTRATION
03.10.2022 – 15:00-16:30 Uhr, Bonn
KAS, Podiumsdiskussion Die Zukunft des Westens
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) nimmt die Entwicklungen in der Gegenwart in den Blick und diskutiert Handlungsoptionen für die Zukunft. INFOS & ANMELDUNG
04.10.-07.10.2022, Skopje (Nordmazedonien)
Aspen Institute, Conference Green Agenda for the Western Balkans
Das Aspen Institute bietet eine Plattform für Teilnehmende aus den Ländern des Westbalkans, Deutschland, der EU, den USA sowie internationalen und regionalen Organisationen, um zentrale Herausforderungen und Potenziale der “Green Agenda” für den Westbalkan zu diskutieren und zu identifizieren. INFOS & REGISTRATION
04.10.2022 – 14:00-15:30 Uhr, online
TÜV Rheinland, Seminar LNG – Vom Genehmigungsverfahren zum sicheren Betrieb
Der TÜV Rheinland bringt Vertreter aus der Politik, der Energiewirtschaft und eines technischen Prüfdienstleisters zusammen, um über LNG-Terminals zu sprechen – Vom Genehmigungsverfahren zum sicheren Betrieb. INFOS & ANMELDUNG
04.10.2022 – 18:30-20:00 Uhr, Dresden
KAS, Diskussion Scheitert der Euro, dann scheitert Europa? Die Wirtschafts- und Währungsunion am Scheideweg
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) thematisiert die rechtlichen Grundlagen der europäischen Wirtschafts- und Geldpolitik, analysiert deren Schwachstellen und zeigt Lösungswege auf. INFOS & ANMELDUNG
04.10.2022 – 19:00-20:30 Uhr, Berlin/online
Polis 180, Diskussion Perspektive Ost: offenes & digitales Programmtreffen
Polis 180 beschäftigt sich mit der deutschen Außenpolitik gegenüber Mittel-, Ost- und Südosteuropa sowie Zentralasien. INFOS & ANMELDUNG
Ein selbst lenkender Kehrroboter fährt die Straße entlang und rammt einen Kinderwagen. Der Säugling darin wird bei dem Unfall verletzt. Klar ist: Ein Mensch ist zu Schaden gekommen und der Verursacher ist der autonom fahrende Roboter. Doch wer kommt für den Schaden auf? Der Hersteller der im System integrierten Künstlichen Intelligenz (KI)? Der Produzent der Sensoren oder der des Ortungssystems? Der Betreiber der Kehrroboter-Flotte? Die Stadtwerke, die den Reinigungsauftrag erteilt haben? Wen soll die Mutter zur Rechenschaft ziehen? Und wenn der Fehler bei der KI lag: Wie soll sie diesen nachweisen, wenn eine KI für Außenstehende doch weitgehend eine Blackbox ist?
Wenn bei autonom agierenden Systemen mit Künstlicher Intelligenz etwas schiefläuft, entstehen so mannigfaltige Fragen, dass die EU-Kommission der Haftungsthematik einen eigenen Rechtsakt widmet. EU-Justizkommissar Didier Reynders stellte die AI Liability Directive am Mittwoch in Brüssel vor. Gleichzeitig legte die Kommission eine Überarbeitung der allgemeinen Produkthaftungsrichtlinie (PLD) vor.
Hintergrund ist, dass Produkte zunehmend digitalisiert, komplex und damit undurchsichtig sind und, wenn sie mit KI arbeiten, autonome Entscheidungen treffen können. Die neue Richtlinie ist der Versuch, das bestehende Produkthaftungsrecht an Produkte anzupassen, an die bei der Entstehung der Richtlinie 1985 noch nicht zu denken war. So regelt die bestehende Richtlinie zum Beispiel nicht, wer für Fehler bei Softwareupdates, Algorithmen für maschinelles Lernen oder digitalen Dienstleistungen im Zusammenhang mit einem Produkt haftbar ist.
Das Ziel: Es kommt der Kommission nach eigener Aussage darauf an, einerseits die Rechte der Verbraucher zu stärken, andererseits aber auch für die Unternehmen Rechtssicherheit und ein Level Playing Field mit außereuropäischen Anbietern zu schaffen. Vertreter der Kommission betonen, dass sie dabei auf einen fairen Ausgleich beider Seiten bedacht waren. Denn sie will, wie auch Reynders betont, die Entwicklung innovativer KI-Systeme in der EU fördern – und keinesfalls beschränken.
Interessant ist auch: Die neuen Vorschriften berücksichtigen auch Produkte, die aktualisiert, verändert oder aufbereitet wurden. Der Vorschlag schaffe hier die Rechtsklarheit, die die Industrie benötigt, um kreislauforientierte Geschäftsmodelle einzubeziehen, meint die Kommission.
Die Frage stellt sich, ob es sinnvoll ist, dass die Kommission aus Produkthaftung und KI-Haftung nun zwei Rechtsakte macht. Axel Voss, rechtspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, hält das für richtig, weil Produkthaftung und KI-Haftung nicht vergleichbar seien. Eine diskriminierende KI sei etwas anderes als eine kaputte Waschmaschine. “Plötzlich haben wir eine Grundrechtsproblematik”, sagt Voss. “Es geht also hier um besondere Produkte. Da ergibt es Sinn, für die Haftungsfrage eigene Regelungen zu finden.”
So sieht das auch Produkthaftungsexperte Thomas Klindt, Partner der Kanzlei Noerr: “Immerhin sind die genetischen Unterschiede zwischen klassischer Haftung für Fehler haptischer Produkte einerseits und ‘Fehler’ selbstlernender Algorithmen womöglich so gigantisch, dass wir über eine Auftrennung in zwei unterschiedliche Rechtsakte noch dankbar sein werden.”
Und während im AI Act selbst lediglich Hochrisikoanwendungen reguliert werden, findet die AI Liability Directive auf jegliche KI Anwendung – mit der Ausnahme des Artikel 3. Hier geht es um den Auskunftsanspruch der Geschädigten, den sie nur bei Hochrisikoanwendungen haben. Hier will die Kommission nicht über die Hintertür andere Dokumentationspflichten als die im AI Act vorgesehenen einführen. Das bedeutet, dass die widerlegbare Vermutung in Artikel 4 auch auf andere KI Anwendung findet. Die Systematik ist: Das Opfer hat einen Auskunftsanspruch, kann die beklagte Partei den nicht erfüllen, gilt automatisch die – widerlegbare – Vermutung, dass hier ein Verstoß vorliegt.
Nach der Produkthaftungsrichtlinie haften Hersteller unabhängig von einem Verschulden für Schäden, die fehlerhafte Produkte verursacht haben. Dies gilt auch für KI-Systeme. Die Produkthaftungsrichtlinie ist jedoch nicht die einzige Rechtsvorschrift in diesem Bereich, sodass die geschädigten Personen in vielen Fällen wählen können, auf welcher Rechtsgrundlage sie Schadensersatz fordern wollen.
Die KI-Haftung erleichtert die Beweislast für die Opfer und erleichtert ihnen den Zugang zu einschlägigen Beweismitteln. Strittig ist, ob das für die Opfer ausreicht. Klar ist, dass es für die Unternehmen mehr Aufwand bedeutet. “Gesetzliche Beweislastverteilungen haben immerhin den einen Vorteil, dass sich die Wirtschaft auf sie sehenden Auges einstellen kann”, meint Klindt. Das bedeute chirurgisch klare Dokumentationen, um Entscheidungen in Organisationen dokumentieren zu können und gut archivierte Dokumente, die später als Beweis dienen können. “Dieses Dokumentationsmanagement muss als generelle Managementaufgabe verstanden werden”, sagt Klindt.
Die Kommission hat sowohl bei der Produkt- als auch bei der KI-Haftung die Hürden für die Opfer nach eigener Auffassung gesenkt, wenn diese einen Schaden geltend machen wollen. Auf eine vollständige Beweislastumkehr hat sie bei der KI-Haftung verzichtet.
Verbraucherschützer sehen in den neuen Vorschriften zwar in einigen Bereichen Fortschritte, halten sie aber für KI-gesteuerte Dienstleistungen für zu schwach. Denn im Gegensatz zu den herkömmlichen Produkthaftungsvorschriften müsse ein Verbraucher, der durch eine KI geschädigt wird, beweisen, dass die KI ursächlich für den Schaden ist und jemand Verschulden oder Fahrlässigkeit nachweisen.
“Dies von den Verbrauchern zu verlangen, ist eine echte Enttäuschung”, sagt Ursula Pachl, stellvertretende Generaldirektorin des Europäischen Verbraucherverbandes (BEUC). Angesichts hochkomplexer und undurchschaubarer “Black Box”-KI-Systeme sei das praktisch unmöglich. “Im Ergebnis werden die Verbraucher besser geschützt sein, wenn ein Rasenmäher ihre Schuhe im Garten zerfetzt, als wenn sie durch ein Kreditscoring-System ungerechtfertigt diskriminiert werden.”
Doch der BEUC sieht auch Positives, etwa dass die PLD
Die Computer & Communications Industry Association hält es dagegen für falsch, Software als ein materielles Produkt zu betrachten. Software werde im Laufe der Zeit immer weiter entwickelt und “hat an sich noch nie einen physischen Schaden verursacht”, schreibt der Industrieverband. Datenverluste, psychische Schäden und andere immaterielle Schäden sollten nicht Teil der verschuldensunabhängigen Haftungsregelung des PLD sein – “sie ist nicht das richtige Instrument für solch komplexe Themen”.
René Repasi, Jurist und Binnenmarktexperte der S&D, hält die neuen Regelungen in der KI-Haftung zwar für besser als das geltende Recht. Die Voraussetzungen für die Beweisvermutung seien jedoch so hochgestellt, dass sie in der Praxis wohl nicht führbar seien. “Somit wird die geschädigte Person rechtlos gestellt. Das kann es nicht sein.”
Nun ist das Parlament am Zug. Noch ist offen, ob der Binnenmarkt- oder der Rechtsausschuss die Federführung für das KI-Dossier bekommen. Bis jetzt baut die KI-Haftung auf der Produkthaftung auf. “Wenn beide Dossiers in unterschiedliche Ausschüsse gehen, besteht die Gefahr, dass wir unterschiedliche Haftungsregime bekommen”, sagt Repasi. “Ich bin der Ansicht, KI ist ein Produkt. Und im Schadensfall sollte es wie ein schädliches Produkt behandelt werden.” Die parlamentarische Diskussion ist eröffnet.
Die Europäische Kommission schlägt eine Preisobergrenze für russisches Öl als Teil ihres jüngsten Sanktionspakets gegen Moskau wegen des Krieges in der Ukraine vor. Das gaben Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Außenminister Josep Borrell am gestrigen Mittwoch bekannt.
Das neue Paket kommt nach der Ankündigung des Kremls zur teilweisen Mobilisierung, den Scheinreferenden in von Russland besetzten ukrainischen Gebieten und der jüngsten Entdeckung eines Massengrabs in Izyum. “Wir akzeptieren weder die Scheinreferenden noch irgendeine Art von Annexion in der Ukraine. Und wir sind entschlossen, den Kreml für diese weitere Eskalation bezahlen zu lassen”, sagte von der Leyen.
Die Ölpreisobergrenze wurde bereits Anfang September von den G7-Ländern vereinbart. Sie soll mit dem sechsten Sanktionspaket der Europäischen Union in Einklang gebracht werden und einem Preisanstieg vorbeugen, wenn das EU-Embargo in Kraft tritt. Die G7-Initiative ist nicht zu verwechseln mit separaten Vorschlägen für eine EU-weite Obergrenze für Gaspreise.
Statt Käufer oder Transporteure russischer Energie zu sanktionieren und damit die Weltmarktpreise nach oben zu drücken, sollen die Öleinnahmen Moskaus unter Druck gesetzt werden, indem für Energietransporte höhere Versicherungsprämien verlangt werden, sofern sie nicht mit einer noch nicht spezifizierten Preisobergrenze übereinstimmen. So soll Russland dazu gezwungen werden, Öl künftig für einen deutlich niedrigeren Preis an große Abnehmer wie Indien zu verkaufen.
Die EU selbst hat bereits beschlossen, dass ab dem 5. Dezember kein russisches Rohöl mehr über den Seeweg in die Europäische Union eingeführt werden darf. Von der Leyen sagte, sie werde die Rechtsgrundlage für diese Ölpreisobergrenze veröffentlichen, um die russischen Einnahmen zu verringern und den globalen Ölmarkt zu stabilisieren.
“Diese Ölpreisobergrenze wird einerseits dazu beitragen, Russlands Einnahmen zu verringern, und andererseits die globalen Energiemärkte stabil halten”, sagte von der Leyen. Länder wie Ungarn, Zypern und Griechenland hatten sich zuletzt gegen einen solchen Preisdeckel gestemmt. Zypern und Griechenland haben große Tankerflotten, die Öl transportieren.
Zu den weiteren Sanktionsvorschlägen gehört von der Leyen zufolge auch ein Verbot für EU-Bürger, Sitze in Führungsgremien russischer Staatsunternehmen einzunehmen. Dafür hatte sich vor allem Berlin eingesetzt, nachdem Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) lange Aufsichtsratschef des russischen Ölkonzerns Rosneft gewesen war.
Zudem soll es nach dem Willen der EU-Kommission verboten werden, bestimmte Schlüsseltechnologien nach Russland zu exportieren. Dazu gehörten “Produkte für die Luftfahrt, elektronische Komponenten und spezielle chemische Grundstoffe”, sagte von der Leyen. Auch sollen weitere Personen mit Einreiseverboten und Vermögenssperren belegt werden. Um das Umgehen von Sanktionen zu erschweren, soll zudem eine Liste mit Personen eingeführt werden, die dies bereits versucht haben. Dies werde eine abschreckende Wirkung haben, sagte von der Leyen. cst
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wird am Freitag auf Antrag Russlands über die Schäden an den beiden russischen Gaspipelines nach Europa beraten. Die französische UN-Mission, die für September den Vorsitz des 15-köpfigen Gremiums innehat, teilte mit, dass sich die Sitzung mit den Nord Stream-Pipelines befassen wird, für deren Bau Russland und seine europäischen Partner Milliarden von Dollar ausgegeben haben.
Mutmaßliche Explosionen haben am Dienstag die Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 stark beschädigt. Die Nord Stream 1-Pipeline, die einst die Hauptroute für russisches Gas nach Deutschland darstellte, war bereits stillgelegt, kann nun aber nicht ohne weiteres wieder geöffnet werden. Die neue Nord-Stream-2-Pipeline war noch nicht in Betrieb genommen worden.
Die Gaslecks verunsicherten die Energiemärkte und erhöhten die Sicherheitsbedenken. Die NATO und die Europäische Union warnten vor der Notwendigkeit, kritische Infrastrukturen vor “Sabotage” zu schützen. Es bleibt unklar, wer hinter dem Angriff auf die Pipelines stecken könnte, sofern ein solcher nachgewiesen werden kann.
Russland, das seine Gaslieferungen nach Europa gekürzt hat, nachdem der Westen wegen Moskaus Invasion in der Ukraine Sanktionen verhängt hatte, hat ebenfalls Sabotage als Möglichkeit genannt und die Anschuldigungen einiger, es habe den Schaden verursacht, als “dumm” bezeichnet. rtr
Die Mitgliedstaaten sollen ihre Regelungen für ein Mindesteinkommen modernisieren. Dies sieht eine Empfehlung der Kommission vor, die vom Ministerrat beschlossen werden soll. In allen 27 EU-Mitgliedstaaten gibt es Mindesteinkommensregelungen. Sie sehen staatliche Zuschüsse und gegebenenfalls Sachleistungen für bedürftige Haushalte vor, damit deren Einkommen ein bestimmtes Niveau erreichen.
Die Kommission hat Leitlinien für Mindesteinkommensregelungen vorgelegt. Demnach soll die Höhe der Zahlung durch eine transparente und solide Methode ermittelt werden. Bis 2030 sollen die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die Mindesteinkommen ein angemessenes Niveau erreichen. Jährlich soll die Höhe überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Die Kommission empfiehlt, den Bezug von Einkommensbeihilfen pro Person und nicht pro Haushalt zu ermöglichen. So soll sichergestellt werden, dass die finanzielle Selbständigkeit von Frauen und jungen Erwachsenen gefördert wird. Die Entscheidung über einen Antrag auf Unterstützung soll innerhalb von 30 Tagen getroffen werden. mgr
Das Bundesumweltministerium arbeitet an Eckpunkten für eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie und will diese 2024 vom Kabinett beschließen lassen. Nach der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung soll im Frühjahr 2023 ein Dialogprozess mit Wissenschaft und den gesellschaftlichen Akteuren beginnen, wie Bundesumweltministerin Steffi Lemke bereits vergangene Woche angekündigt hatte (Europe.Table berichtete). Gestern sprach Susanne Lottermoser, Leiterin der im April neu geschaffenen Abteilung T (Transformation – Digitalisierung, Circular Economy, Klimaanpassung), über eine grobe Ausrichtung.
Das BMUV wolle die Kreislaufwirtschaftsstrategie als Dachstrategie gestalten und dabei eng mit dem Bundeswirtschaftsministerium kooperieren. Auch die rohstoffpolitische Strategie solle ihr untergeordnet werden. “Die Strategie soll übergeordnete Ziele einer zirkulären Wirtschaft für die wichtigsten Stoffströme und die zur Erreichung erforderlichen strategischen Maßnahmen formulieren”, sagte Lottermoser auf einer Veranstaltung des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE).
Das BMUV erstelle zurzeit Eckpunkte, um diese vor Anfang kommenden Jahres im Kabinett abzustimmen. “Wir können nicht direkt alle Pfade einer Kreislaufwirtschaft angehen”, erklärte die Ministerialdirektorin. Deshalb wolle man sich zunächst auf die größten Stoffströme fokussieren, etwa auf Baustoffe, mineralische Abfälle und Kunststoffabfälle.
Parallel zu dem Prozess werde die Bundesregierung die Rechtsetzung, die schon vorbereitet sei, vorantreiben. Man werde nicht auf die Strategie warten. Dies beziehe sich insbesondere auf das Verpackungsgesetz. “Wir setzen uns dafür ein, dass europaweit hohe Standards im Verpackungsbereich gelten sollen; einheitliche Produktregelungen sind für eine Kreislaufwirtschaft im europäischen Binnenmarkt entscheidend”, so die Abteilungsleiterin. “Wir unterstützen die Ziele der Kommission, dass in Zukunft europaweit nur noch Produkte auf den Markt kommen, die langlebig, recycelbar sind, die Ressourcen schonen und CO2-Emissionen sparen.”
Hohe Erwartungen habe die Bundesregierung an die Novelle der EU-Verpackungsrichtlinie, zu welcher die Kommission Ende des Jahres einen Vorschlag vorlegen will. Das BMUV plant, dieser mit einer vorgezogenen Novelle des deutschen Verpackungsgesetzes zuvorzukommen. Vor allem sollen Maßnahmen umgesetzt werden, um Mehrwegangebote zu fördern. So sollen die Mehrwegangebotspflichten erweitert und weitere Materialien wie etwa Pizzakartons in die Pflicht einbezogen werden.
Ein weiteres Ziel für die Verhandlungen in Brüssel ist laut Lottermoser, den nationalen Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Entsorgung von Abfällen zu erhalten. Darüber hinaus will die Bundesregierung sich für ein schnellstmögliches europaweites Ende der Deponierung, also der Ablage unvorbehandelter Abfälle, einsetzen. Diese ist in Deutschland seit 2005 verboten, jedoch nicht in allen EU-Mitgliedstaaten. Auch Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des BVSE, fordert ein schnelles Handeln: “Die Deponierung in anderen europäischen Ländern hält die Kreislaufwirtschaft auf”, sagte er. “Brüssel muss hier durchgreifen.” leo
Jens Gieseke ist “leidenschaftlicher Fahrradfahrer”. Aus dem Emsland stammend, wo alles flach und überschaubar ist, ist dies sein bevorzugtes Fortbewegungsmittel. “Übrigens ohne E-Motor, nur mit eigener Muskelkraft”, betont der fahrradpolitische Sprecher der CDU/CSU im Europaparlament.
Als stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (TRAN) ist Mobilität sein Hauptthema. Und das beschäftigt ihn schon seit seinem Jurastudium, bei dem es ihn auch nicht an einem Ort hielt. Er studierte in Osnabrück, Lausanne, Genf und Freiburg. “Mobilität und Studium gehörten für mich immer schon zusammen”, sagt Gieseke.
Nach dem 1. Staatsexamen arbeitet er ein Jahr lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Europäische Parlament in Straßburg. Nach dem 2. Staatsexamen zieht es ihn nach Brüssel, wo er verschiedene EU-Jobs innehat. Seit 2014 ist er Abgeordneter im Europäischen Parlament.
Im Verkehrsausschuss begleitet er die Debatte für die Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) und die CO2-Flottenregulierung als Schattenberichterstatter der EVP. Den Vorschlag der Kommission, für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge eine 100-Prozent-Reduktion der CO2-Emissionen bis 2035 einzuführen, hat das Parlament zu Giesekes Bedauern übernommen. Er hätte das “faktische Verbrenner-Verbot” gerne verhindert, konnte sich aber nicht durchsetzen.
Gieseke findet: Wenn nachweislich alternative Antriebsformen produziert werden könnten, die ebenfalls CO2-neutral wären, müsse man diesen eine Chance geben. “Dazu gehören für mich auch E-Fuels.“
Vor der Abstimmung im Parlament warb Gieseke für eine freiwillige Anrechnung für synthetische Kraftstoffe, die im Plenum eine Mehrheit jedoch knapp verfehlte. Bei diesem System können sich Hersteller für die eigenständige Produktion von erneuerbaren Kraftstoffen entsprechende Gutschriften auf ihre CO2-Flottengrenzwerte anrechnen lassen.
Das Parlament beschließe zwar mehr erneuerbare Kraftstoffe auf Wasserstoffbasis, aber spreche sich gleichzeitig gegen Verbrennermotoren aus. “Das ist natürlich keine kohärente Politik”, kritisiert Gieseke. Man müsse beide Konzepte schon zusammenführen, idealerweise mit einem stärkeren technologieneutralen Ansatz. “Ich bin nicht in die Politik mit der Vorstellung gegangen, Dinge zu verbieten, sondern idealerweise einen Rahmen zu setzen, der Wettbewerb um die beste Technologie ermöglicht”, erklärt er.
E-Fuels seien in der Bilanz CO2-neutral und können aufgrund von erneuerbaren Energien produziert werden. “In gewisser Weise werden Elektroautos künstlich bevorzugt”, meint Gieseke. Bei ihnen würden vorgelagerte CO2-Emissionen ignoriert. Wenn es nach Gieseke geht, sollten solche Entscheidungen aber nicht vom Gesetzgeber, sondern vom Markt kommen.
“Ich bin nicht gegen Elektromobilität, aber es muss nicht zwingend alles elektrisch fahren, wenn es unterschiedliche Bedürfnisse gibt”, sagt Gieseke. Konkret arbeitet er daran, sein Anrechnungsverfahren für synthetische Kraftstoffe weiterhin einzubringen. “Damit wir am Ende nicht über Wünsche reden, sondern über gesetzliche Realität und Umsetzung, um diese Anrechnung tatsächlich legislativ zu verankern.” Die Möglichkeit dafür hat er im derzeit laufenden Trilog zwischen Parlament, Rat und Kommission, wo die Überarbeitung der CO2-Flottengrenzwerte final verhandelt wird. Allerdings müsste die Kommission dafür zeitnah einen entsprechenden regulatorischen Vorschlag machen. Livia Hofmann