Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hat seinen Willen bekommen: Patriarch Kirill steht nicht mehr auf der Sanktionsliste. Damit tritt am heutigen Freitag voraussichtlich, wenn kein anderes Land mehr bis 9 Uhr Widerspruch einlegt, das sechste Sanktionspaket gegen Russland in Kraft, inklusive Teil-Embargo gegen Öl.
Obwohl ein Embargo auch gegen russisches Gas nicht weit hergeholt ist, haben bisher nur sehr wenige EU-Länder mit ihren Nachbarn Solidaritätsabkommen für Gaslieferungen geschlossen. Genau fünf dieser Absprachen gibt es, und das, obwohl die SoS-Verordnung diese seit spätestens 2018 für jedes Land vorsieht. Es ist und bleibt fraglich, ob die EU-Mitgliedstaaten auf einen vollständigen Ausfall russischer Gaslieferungen vorbereitet wären, schreibt Manuel Berkel in seiner Analyse.
Blockchains sind Datenbanken, die sich nur durch Anfügen weiterer Daten verändern lassen, rausgelöscht werden kann nichts. Das macht sie zu sehr mächtigen und an sich transparenten Werkzeugen, stellt die EU aber vor riesige Herausforderungen. Denn wenn sie die Technologie nutzbar und mit ihren Werten vereinbar machen will, muss sie früher oder später einen Weg finden, Blockchains datenschutzkonform zu gesatlten. Jürgen Geuter hat sich angeschaut, welche Strategie die EU bei Blockchains verfolgt.
In der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU gibt es einen Personalwechsel. Vize-Botschafterin Susanne Szech-Koundouros, die unter anderem die Bundesregierung vier Jahre lang im AStV1 vertrat, gibt ihren Posten auf und kommt nach Berlin zurück. Wer ihre Nachfolge antritt, lesen Sie in den News.
Ein schönes langes Pfingstwochenende wünscht
In der aktuellen Gaskrise beschwören die EU-Gremien immer wieder die Geschlossenheit der Mitgliedstaaten. Tatsächlich haben die nationalen Regierungen bisher wenig getan, um einander im Notfall beizustehen, wie eine Übersicht der Europäischen Kommission zeigt.
Bevor sich die Mitgliedstaaten bei einem Gasembargo gegenseitig unterstützen können, müssen zunächst technische, rechtliche und finanzielle Details geregelt werden. Dazu müsste jedes EU-Mitglied eigentlich mit jedem seiner Nachbarländer sogenannte Solidaritätsvereinbarungen abschließen. Eine entsprechende Frist aus der im Oktober 2017 in Kraft getretenen SoS-Verordnung der EU ist lange vor der aktuellen Gaskrise ausgelaufen, nämlich im Dezember 2018. Diesen Wink mit dem Zaunpfahl haben die 27 Regierungen weitgehend ignoriert.
Lediglich fünf Abkommen weist die Kommission derzeit auf einer Website aus – das erste von Dezember 2020, zwei Jahre nach dem Auslaufen der Umsetzungspflicht. Geschlossen hat es damals die Bundesregierung mit Dänemark, ein Jahr später folgte ein Abkommen mit Österreich. Die drei anderen Vereinbarungen stammen alle aus den vergangenen Monaten. Die jüngste schlossen Estland und Finnland am 25. April – wenige Tage, nachdem Russland den Finnen das Gas abgedreht hatte. Über eine Pipeline aus Estland kann nun Ersatz fließen.
Auch wenn Vereinbarungen bei Embargos gegen einzelne Staaten offenbar schnell abgeschlossen werden können, fragt sich doch, ob die EU27 auf einen kompletten Ausfall russischer Lieferungen ausreichend vorbereitet sind. Deutschland hat sich trotz langer Verhandlungen mit seinen restlichen Nachbarn bisher immer noch nicht auf weitere Abkommen einigen können.
Ende März hatte das Bundeswirtschaftsministerium erklärt, dass eine Unterzeichnung mit Italien kurz bevorstehe, mit Polen und Tschechien seien die Verhandlungen weit fortgeschritten. Mit Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden existiere ein “Austausch”, der vertieft werde, wie es damals hieß. Konkrete Abschlüsse gab es seitdem nicht. Man sei noch in Verhandlungen, teilte eine Sprecherin des BMWK am Donnerstag Europe.Table mit.
Angesichts des breiten Zögerns unter den Mitgliedstaaten versucht die Kommission schon seit einer Weile vorzusorgen. Nachdem die Gaspreise im vergangenen Herbst anfingen zu steigen, nahm sie in das Gasbinnenmarktpaket von Mitte Dezember (Europe.Table berichtete) in Anhang II eigens ein Standard-Formular für jene Staaten auf, die keine Solidaritätsvereinbarungen abgeschlossen haben. Eine zehnseitige Word-Vorlage soll nun als Solidaritätsersuchen dienen, falls EU-Staaten ohne ausreichend Gas dastehen.
Weitere Artikel für die Novelle der Gasmarkt-Verordnung sehen unter anderem eine gemeinsame Beschaffung strategischer Vorräte vor sowie die gemeinsame Nutzung von Speichern. Wichtig dürften sie vor allem ab 2026 werden, wenn die Regeln der Gasspeicherverordnung von Mitte Mai auslaufen (Europe.Table berichtete). Zwischen dem 17. und 24. Juni wollen die federführenden Abgeordneten Jens Geier (S&D) und Jerzy Buzek (EVP) ihre Berichte zum Gasmarkt-Paket fertigstellen.
Neben der solidarischen Nutzung der bestehenden Gasinfrastruktur sind allerdings auch neue Investitionen nötig, um ohne russisches Gas auszukommen. Mögliche Projekte hatten die europäischen Fernleitungsnetzbetreiber ermittelt. In Anhang 3 zu REPowerEU zitierte die Kommission Mitte Mai Berechnungen von ENTSOG, wonach zum Beispiel Deutschland neben zwei eigenen LNG-Terminals noch bessere Anbindungen an das westeuropäische Netz benötige. “LNG wird für Europa eine wichtige Rolle spielen, was insbesondere im Westen von Europa anlanden wird”, bestätigt auf Anfrage der Verband der deutschen Netzbetreiber, FNB Gas.
Auf der Wunschliste von ENTSOG steht unter anderem eine sogenannte Deodorierungsanlage an der deutsch-französischen Grenze, mit der die in Frankreich zugesetzten Geruchsstoffe aus dem Gas entfernt werden könnten, um es in das deutsche Netz einzuspeisen.
Das Wirtschaftsministerium bestreitet allerdings, dass eine bessere Anbindung an das westeuropäische Netz den Bau weiterer LNG-Terminals an den deutschen Küsten überflüssig machen würde. “Es ist nicht davon auszugehen, dass durch einen Ausbau der Leitungskapazitäten nach Belgien die Terminals unnötig werden, wichtig ist, dass wir hier noch Raum für ‘Reservemengen‘ haben. Dasselbe gilt mit Blick auf den Bau einer Deodorierungsanlage an der Grenze zu Frankreich”, erklärte die Sprecherin des Ministeriums.
In Belgien sind die Planungen bereits fortgeschritten. Das Infrastrukturunternehmen Fluxys plant eine bessere Anbindung an das LNG-Terminal in Zeebrugge. Eine 48 Kilometer lange Verbindungsleitung auf belgischer Seite könne die Exportkapazität Richtung Deutschland um 6,2 Milliarden Kubikmeter (bcm) pro Jahr erhöhen, erklärt ein Unternehmenssprecher. Eine Investitionsentscheidung soll bis Ende Juli fallen. Durch ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren hofft Fluxys auf eine Inbetriebnahme bis Ende 2023 oder Anfang 2024. Zudem will das LNG-Terminal in Zeebrugge seine Kapazitäten bis 2026 schrittweise erhöhen.
Komplizierter ist die Lage in Frankreich. Die Republik ist das einzige deutsche Nachbarland, das sein Gas schon in den Transportnetzen und nicht erst in den regionalen Verteilnetzen odoriert. Der französische Netzbetreiber hatte schon vor Jahren den Bau einer Deodorierungsanlage ins Spiel gebracht, um mehr Gas nach Deutschland leiten zu können. Wegen mangelnden Interesses von Marktteilnehmern sei dieses Projekt aber 2019 verworfen worden, erklärt eine Sprecherin von GRTgaz auf Anfrage. Zum aktuellen Zeitpunkt gebe es auch keinen neuen bestätigten Plan.
Auch der Netzbetreiber auf baden-württembergischer Seite verneint neue Investitionen: “Den Bau neuer Interkonnektoren zum französischen Gasnetz oder den Bau einer Deodorierungsanlage plant terranets bw nicht. Vielmehr wird eine optimale Nutzung oder gegebenenfalls technische Ergänzung der vorhandenen Grenzübergangspunkte betrachtet.”
Inzwischen beschäftigt das Problem aber auch Berlin. “So stellt die unterschiedliche Odorierungspraxis zwischen den Mitgliedstaaten ein Hemmnis für den grenzüberschreitenden Gasfluss dar, die gerade in Krisenzeiten zu einer Gefährdung der europäischen Versorgungssicherheit führt. Die Bundesregierung ist sich dieser Problematik bewusst und steht im Austausch mit der französischen Regierung, um eine Lösung zu finden”, teilte die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums mit.
Statt auf den Bau teurer Infrastruktur in Deutschland zu setzen, will Berlin offenbar lieber Paris zu technischen Umstellungen im Gasnetz bewegen. “Eine einzelne Deodorierungsanlage an der Grenze ist allerdings nicht geeignet, einen ungehinderten Gasfluss europaweit zu gewährleisten. Vielmehr kann sie die Beschränkung des grenzüberschreitenden Gasflusses nur punktuell zwischen zwei Mitgliedstaaten beseitigen. Sinnvoller erscheint es daher, die Praxis durch einen Verzicht auf Odorierung auf der Fernleitungsebene insgesamt in der EU zu vereinheitlichen.”
Betreffen könnte diese Forderung neben Frankreich noch weitere EU-Staaten. Wie aus einer Übersicht von Marcogaz hervorgeht, gibt es die Odorierung im Fernleitungsnetz vor allem in Spanien und Irland, aber auch in Portugal, Italien, Griechenland und Rumänien.
Das Wirtschaftsministerium stützt seine Forderung auf einen Netzkodex zur Interoperabilität der europäischen Gasnetze: “Sofern eine Einigung in dem dort vorgesehen Verfahren nicht zustande kommt, ist in letzter Konsequenz die Umstellung auf nicht-odoriertes Gas im Fernleitungsnetz vorgesehen.”
Plenartagung des EU-Parlaments: EAD, Indopazifischer Raum
06.06.2022 17:00-22:00 Uhr
Themen: Bericht über den Fahrplan des EAD für Klimawandel und Verteidigung, Bericht über die EU und die sicherheitspolitischen Herausforderungen im indopazifischen Raum.
Vorläufige Tagesordnung
Wöchentliche Kommissionssitzung
07.06.2022
Themen: Entwurf des EU-Haushalts 2023, Jährliche Management- und Leistungsbilanz 2021.
Vorläufige Tagesordnung Live Pressekonferenz
Plenartagung des EU-Parlaments: Emissionshandelssystem, Klima-Sozialfonds, Sicherheitspolitik
07.06.2022 09:00-13:50 Uhr
Themen: Bericht über die Überarbeitung des Emissionshandelssystems der EU, Bericht über den Klima-Sozialfonds, Bericht über die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU nach der Invasion der Ukraine durch Russland.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG)
07.06.2022 15:45-17:00 Uhr
Themen: Berichtsentwurf zur Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung, Erläuterungen zum Entwurf des Haushaltsplans der Kommission für 2023 durch Johannes Hahn (Kommissar für Haushalt und Verwaltung).
Vorläufige Tagesordnung
Plenartagung des EU-Parlaments: Ukraine-Krieg, Sozialwirtschaft, Menschenrechte
08.06.2022 09:00-22:00 Uhr
Themen: Aussprache zum Ukraine-Krieg, Aussprache zum EU-Aktionsplan für die Sozialwirtschaft, Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Justiz und Inneres
09.06.-10.06.2022
Themen: Orientierungsaussprache zum Kampf gegen die Straflosigkeit in der Ukraine, Vorbereitung des Ministertreffens “Justiz und Inneres” zwischen der EU und den USA am 23.06., Vorstellung des Arbeitsprogramms des nächsten Ratsvorsitzes durch die tschechische Delegation.
Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
Rat der EU: Wettbewerbsfähigkeit
09.06.-10.06.2022
Themen: Verordnung zur Schaffung eines Rahmens von Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Ökosystems der Halbleiterindustrie, Stärkung der Widerstandsfähigkeit der strategischen industriellen Ökosysteme, Vorstellung des Arbeitsprogramms des nächsten Ratsvorsitzes.
Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
Plenartagung des EU-Parlaments: Abstimmungen
09.06.2022 09:00-16:00 Uhr
Themen: Abstimmung zu Texten, zu denen die Aussprache abgeschlossen ist.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
12.06.-15.06.2022
Themen: Schlussfolgerungen zu Beginn der 12. Sitzung der Welthandelsorganisation, Beschluss des Rates über den im Namen der EU zu vertretenden Standpunkt auf der 12. Ministertagung der Welthandelsorganisation.
Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
Unter dem Eindruck der Finanzkrise schrieb ein unbekannter Autor unter dem Pseudonym “Satoshi Nakamoto” 2008 das sogenannte “Bitcoin Whitepaper”, in dem er auf Basis etablierter Technologien und Verfahren die Idee einer dezentralen, nur durch Anfügen veränderbaren Datenbank beschrieb: Blockchains waren geboren. Gut 13 Jahre, mehrere Crashes und Krisen später, stellt die EU ihre “Blockchain Strategy” vor. Mit dieser hofft sie, Blockchains als Zukunftstechnologie und strategisches Asset zu fördern, um die EU in diesem Sektor zu einer Vormachtstellung zu verhelfen.
Blockchains stehen dabei nicht nur wegen des enormen Energieverbrauchs der beiden großen Chains Bitcoin und Ethereum immer wieder in der Kritik: Auch die hohe Anzahl unseriöser und unregulierter Spekulationsgeschäfte, die den Blockchain-Sektor heute prägen, illustrieren einen deutlichen Regulierungsbedarf. Wie positioniert sich hier die Blockchain Strategie der EU und wird sie den selbstgesteckten Zielen und den Werten der EU gerecht?
Die Blockchain-Strategie definiert fünf Kernelemente, die nötig sind, damit Blockchains den Werten und Regeln der EU entsprechen:
Die beiden letzten Punkte sind dabei – ohne trivial zu sein – am einfachsten umzusetzen: Bei Verwendung etablierter kryptographischer Verfahren und der Nutzung und Etablierung von Datenformatstandards sind diese beiden Aspekte eher im Bereich der Fleißarbeit anzusiedeln. Beide sind sehr aufwändig, aber die nötigen technischen Kompetenzen hierfür sind ohne weiteres auch innerhalb der EU zu finden.
Trotzdem bringen natürlich Blockchains mit ihrer Eigenschaft der Unveränderlichkeit gerade für den Bereich der Cybersicherheit neue Herausforderungen mit sich, die andere Datenbanktechnologien so nicht haben: Die angreifbaren Code-Segmente liegen im Zweifel für alle Angreifer sichtbar auf der Chain und das Schließen von Sicherheitslücken ist technisch oft aufwändiger als in traditionellen Systemen. Dafür finden sich im Bereich der Interoperabilität von Blockchains diverse etablierte Lösungen, auf denen konkrete Projekte aufsetzen können.
Schwieriger sind hingegen die anderen Fragen. So gibt es zwar diverse Blockchains, die mit weniger energieintensiven Konsenssystemen arbeiten als Bitcoin und Ethereum. Viele davon sind aber sogenannte “Level 2” Chains, die doch zum Beispiel in Ethereum verankert sind und ohne dieses System und seinen Energieverbrauch nicht funktionieren. Als dezentrale Datenbanken, die davon ausgehen, auf möglichst vielen teilnehmenden Rechnern betrieben zu werden, sind Blockchains per Definition immer energieintensiver zu betreiben als vergleichbare andere Datenbanksysteme. Auch die stetig wachsenden Datenmengen, die niemals bereinigt werden können, führen zu signifikantem Ressourcenverbrauch von Festplatten.
Und auch im Bereich der Einhaltung von Datenschutzgesetzen gibt es strukturelle Herausforderungen: Die DSGVO gewährt Personen das Recht auf Löschung (Artikel 17) sie betreffender Informationen. Blockchains erlauben aber diese Löschung per Definition nicht. Damit sind Blockchains grundsätzlich für die Verarbeitung personenbezogener oder personenbeziehbarer Daten ungeeignet, was ihren Nutzwert für viele Domänen signifikant einschränkt. Die Strategie spricht davon, Blockchains sollten (“should”) kompatibel mit geltendem Recht sein, aber mit der DSGVO auf Grundrechtsniveau wird diese weiche Formulierung in der Strategie der regulativen Realität nicht ganz gerecht.
Die Idee, dass Personen ihre digitalen Identitäten selbst-souverän verwalten sollen, wie es Punkt 3 anspricht, ist gerade ein beliebter Topos sowohl auf Bundes- wie auch auf EU-Ebene. Doch gerade die Realität existierender Blockchain-Systeme und der dort verbreiteten Phishing-Attacken zeigen, dass diese Idee von den Bürger:innen eine extrem hohe Technikkompetenz und Zeitinvestition erfordert, die in der EU-weiten Skalierung eine große Herausforderung sein dürfte.
Die Blockchain-Strategie soll durch massive Förderprogramme und die Etablierung einer paneuropäischem Service-Blockchain mit Referenzcharakter den europäischen Blockchain-Sektor anschieben. Dabei wird ganz explizit die Forcierung von Blockchains zur Verwirklichung von Nachhaltigkeitszielen genannt. Wie eine dezentrale Datenbank allerdings bei der Bekämpfung der Klimakrise helfen soll, bleibt vollständig im Dunkeln.
Begrüßenswert hingegen ist der Wille, rechtliche Klarheit innerhalb der Domäne zu schaffen: Hier gibt es gerade für die Bereiche der Haftung, der Urheberrechts, des Datenschutzes und des Verbraucherschutzes diverse offene Baustellen. Es ist sehr nötig, dass sich die EU hier aktiv einschaltet und ihren Rechtsrahmen in seiner Anwendung auf Blockchains verdeutlicht.
Die Blockchain-Strategie der EU versucht, eine aktuell vor allem durch spekulative Hypes in die Schlagzeilen gebrachte Technologie einzufangen und im Rahmen der EU Werte nutzbar zu machen. Schon die Beschreibung der fünf Kernforderungen zeigt allerdings, wie sehr hier die Eigenschaften der zu fördernden Technologie und die Ziele und Werte der EU in einem oft kaum auflösbaren Spannungsverhältnis stehen. Was niemanden wundert, der mit der Geschichte der Blockchains vertraut ist: Sie wurden explizit konzipiert, um staatliche Eingriffe zu unterbinden. Die Strategie der EU vermittelt bisher nicht, wie sie plant, diesen Ursprungswiderspruch aufzulösen. Von Jürgen Geuter
Die EU-Staaten verzichtet vorerst auf Sanktionen gegen Patriarch Kirill. Auf Druck Ungarns nahmen die EU-Botschafter das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche von der Liste der Sanktionen, um den Weg für das sechste Sanktionspaket gegen Moskau zu ebnen, wie Diplomaten bestätigten. Das Paket mitsamt Teil-Ölembargo soll nun heute in Kraft treten, wenn nicht noch ein Mitgliedstaat bis 9 Uhr Einspruch erhebt.
Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hatte die Verabschiedung der neuen Sanktionsrunde vier Wochen lang aufgehalten. Beim außerordentlichen EU-Gipfel am Montag einigten sich die Staats- und Regierungschefs politisch darauf, die Einfuhr von russischem Öl auf dem Seeweg nach einer Übergangsfrist zu stoppen (Europe.Table berichtete). Orbán legte am Mittwoch aber zum Ärger der anderen Regierungen nach und forderte, Patriarch Kirill von der Sanktionsliste zu streichen (Europe.Table berichtete).
Um die nötige Einstimmigkeit zu ermöglichen, akzeptierten die anderen 26 Mitgliedstaaten die Forderung. Kirill sollte nach ihrem Willen sanktioniert werden, weil der 75-Jährige engen Kontakt zu Präsident Wladimir Putin pflegt und sich in seinen Predigten immer wieder hinter dessen Krieg gegen die Ukraine stellte. Orbán begründete seine Haltung, die Glaubensfreiheit ungarischer Religionsgemeinschaften sei “heilig und unveräußerlich”. In Brüssel wird aber darauf verwiesen, dass es in Ungarn nur wenige Tausend orthodoxe Gläubige gebe, und auch nur ein Teil von ihnen jener orthodoxen Gemeinschaft angehöre, die sich zum Patriarchat von Moskau bekennt.
Das neue Sanktionspaket sieht vor, im kommenden Jahr kein Öl mehr per Schiff in die EU zu lassen. Ungarn, die Slowakei und Tschechien sollen wegen ihrer großen Abhängigkeit aber noch bis auf Weiteres russisches Öl über die Druschbba-Pipeline importieren dürfen.
Zudem wird die größte russische Bank, die Sberbank, aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk Swift ausgeschlossen und mehrere russische Nachrichtensender in der EU verboten. Europäischen Firmen wird es überdies untersagt, russischen Unternehmen Dienstleistungen wie Rechnungsprüfung oder Steuerberatung anzubieten. Die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, verkündete zudem ein Hausverbot für alle Vertreter russischer Firmen.
Weit folgenreicher für Russland wäre das von EU und Großbritannien geplante Verbot, Tanker mit russischem Öl an Bord zu versichern. Da London der mit Abstand wichtigste Standort für diese Art von Versicherung ist, würde dies die Möglichkeiten Russlands stark beschneiden, sein Öl an andere Abnehmer wie China oder Indien zu liefern. Auch auf G7-Ebene wird über ein gemeinsames Verbot diskutiert. tho/dpa
Die EU-Kommission geht bei der nun geplanten Auszahlung von Finanzhilfen aus dem Corona-Aufbaufonds an Polen neue Wege. Anders als bisher üblich werden die Milliardenhilfen – es geht um 23,9 Milliarden Euro an Zuschüssen sowie zusätzlichen 11,5 Milliarden Euro an Krediten – nicht nur an wirtschaftspolitische “Meilensteine” gebunden. Polen soll zudem auch rechtspolitische Bedingungen erfüllen.
Sie sollen dazu dienen, die “Unabhängigkeit des Rechtssystems” in Polen zu fördern, wie es in der EU-Kommission heißt. Bis zum Ende des 2. Quartals – also bis Ende Juni – muss die umstrittene Disziplinarkammer für Richter aufgelöst und durch ein neues System ersetzt werden (Meilenstein 1). Zudem sollen die Verfahren für bereits entlassene Richter neu aufgerollt werden (Meilenstein 2).
In einem dritten Schritt (Meilenstein 3) will die Brüsseler Behörde dann überprüfen, ob alle Reformen wie vereinbart umgesetzt wurden. Dies soll allerdings erst Ende 2024 erfolgen. Bis dahin dürfte schon rund die Hälfte der Milliardenhilfen ausgezahlt sein. Die zweite Hälfte könnte bis August 2026 sogar ganz ohne rechtspolitische Auflagen fließen.
“Geld gegen Reformen” heißt denn auch das neue Motto in Brüssel. “Erst müssen die Meilensteine erreicht werden, dann folgt die Auszahlung der Gelder”, sagte Behördenchefin Ursula von der Leyen am Donnerstag bei einem Besuch in Warschau. Zugleich machte sie deutlich: “Wir sind noch nicht am Ende des Weges, was die Rechtsstaatlichkeit in Polen betrifft.”
Allerdings ist die EU-Kommission bei der Auszahlung der Gelder gegen Reformen nicht konsequent. Obwohl mehrere Kommissare – darunter die “exekutiven” Vizepräsidenten Frans Timmermans und Margrete Vestager – Bedenken erhoben haben, zeigt sich von der Leyen großzügig.
Die Bedingungen für eine Auszahlung, die sie noch im Oktober 2021 formulierte, wurden spürbar gelockert. Von einer Wiedereinsetzung der entlassenen Richter ist nun keine Rede mehr. Recht locker geht die Behörde auch mit den Strafzahlungen um, die Polen im Streit um das Justizsystem leisten muss. Von der Leyen betonte in der Pressekonferenz am Donnerstag dennoch, dass auch das Disziplinarregime als Ganzes reformiert werden müsse. So müssten Richter, die bereits von Entscheidungen der Disziplinarkammer betroffen seien, diese Entscheidung überprüfen lassen können. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki entgegnete: “Es ist in unserem Interesse, dass alle Richter maximal unabhängig und überparteilich sind.”
Im Oktober 2021 hatte der Europäische Gerichtshof das Land zu einem Zwangsgeld von einer Million Euro pro Tag verdonnert. Doch die Regierung in Warschau zahlt nicht. Die EU-Kommission ist deshalb dazu übergegangen, die Buße mit anderen Zahlungen an Polen zu verrechnen. Das Land verhalte sich “widerstrebend”, sagte ein Kommissionsexperte, doch das stehe einer Einigung nicht im Wege. Großzügig sieht man auch darüber hinweg, dass Polen immer noch einen Vorrang seines nationalen Rechts vor dem EU-Recht behauptet. Das sei ein eher theoretischer Streit, heißt es, jetzt gehe es um praktische Lösungen.
Wie die genau aussehen, wollte von der Leyen am Donnerstagnachmittag in Warschau verkünden. Neben dem Rechtsstaat dürfte es auch um den Krieg in der Ukraine gehen. Denn die Hilfe für die Ukraine, so vermuten EU-Diplomaten in Brüssel, ist letztlich wichtiger als die lästigen Details der Justiz-Reform in Polen. ebo
Wechsel in der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU: Die bisherige Vize-Botschafterin Susanne Szech-Koundouros kehrt im Sommer nach Berlin zurück, Nachfolgerin wird nach Informationen von Europe.Table Helen Winter. Die Ministerialdirigentin arbeitet derzeit noch im Bundeskanzleramt, als Gruppenleiterin für nationale und internationale Wirtschaftspolitik. Sie gilt als hochseriöse Beamtin.
Szech-Koundouros hatte vier Jahre lang als Stellvertreterin von Botschafter Michael Clauß fungiert und die Bundesregierung im AStV1 vertreten, dem Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten, in dem die Wirtschaftsthemen beraten werden. Dass die Ampel-Regierung sie zurückholt, überrascht nicht: Die 60-Jährige steht der Union nah, sie arbeitete vor ihrem Wechsel nach Brüssel für die Bundestagsfraktion von CDU/CSU. Die Beamtin stammt aus dem Bundeswirtschaftsministerium und dürfte dorthin wohl zurückkehren.
Clauß werden die Koalitionspartner hingegen voraussichtlich im Amt belassen. Der Diplomat ist parteipolitisch nicht gebunden und genießt hohes Ansehen. Die Ständigen Vertreter habe im Zuge von Coronavirus-Pandemie und Ukraine-Krieg stark an politischem Gewicht im EU-Entscheidungsprozess gewonnen, sie verhandeln etwa die Sanktionspakete gegen Russland. Clauß, zuvor Botschafter in Peking, wechselte vor vier Jahren nach Brüssel und hat sich dort den Ruf als exzellenter Fachmann erarbeitet. tho
Die Verkehrsminister:innen der 27 EU-Mitgliedstaaten haben sich auf ihren Standpunkt zum Ausbau der Ladeinfrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) geeinigt (Europe.Table berichtete). Beim Verkehrsrat am Donnerstag fand der von der französischen Ratspräsidentschaft ausgehandelte Kompromiss für die Allgemeine Ausrichtung breite Zustimmung.
Der Kompromiss orientiert sich in großen Teilen am Vorschlag der Kommission, jedoch räumt er den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität beim Ausbau der Ladeinfrastruktur ein und nimmt mehr Rücksicht auf die individuellen technischen Ausgangssituationen der einzelnen Länder. Das gilt insbesondere für den Ausbau der elektrischen Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge.
Bis Ende 2025 sollen mindestens auf 15 Prozent der Länge des TEN-V-Netzes öffentlich zugängliche Ladesäulen für schwere Nutzfahrzeuge in jeder Fahrtrichtung eingerichtet werden. Bis Ende 2037 sollen auf mindestens 40 Prozent des TEN-V-Netzes Ladesäulen eingerichtet werden. Dies soll den Ländern mehr individuelle Freiheiten beim Ausbau geben.
Die Kommission hatte in ihrem Vorschlag Distanzvorgaben gemacht, die auch der Rat übernommen hat. So sollten im Kern des TEN-V-Netzes maximal 60 Kilometer zwischen den Ladesäulen liegen, im erweiterten TEN-V-Netz maximal 100 Kilometer.
Trotz der Zustimmung kam auch Kritik. Tschechien bemängelte, dass die technischen Entwicklungen beim Schwerlasttransport für alternative Kraftstoffe nur schwer vorhersehbar seien. Bulgarien kündigte zudem an, keine Erhöhungen der Infrastrukturausbauziele für schwere Nutzfahrzeuge im Trilog akzeptieren zu wollen.
Deutschland, Dänemark und Österreich erklärten zwar im Sinne eines Kompromisses ihre Zustimmung, gaben jedoch zu Protokoll, sich für ambitioniertere Ausbauziele sowohl für leichte als auch schwere Nutzfahrzeuge ausgesprochen zu haben. Insbesondere für schwere Nutzfahrzeuge hätte sich der Bundesverkehrsminister Volker Wissing ab 2025 einen schnelleren Hochlauf der Lademöglichkeiten gewünscht, erklärte er am Donnerstag beim Verkehrsrat in Luxemburg. luk
Ungarn droht wegen der Benachteiligung von Ausländern an Tankstellen Ärger mit der EU-Kommission. Eine Sprecherin der Brüsseler Behörde bestätigte am Donnerstag, dass eine seit Freitag geltende Neuregelung derzeit geprüft wird. Diese sieht vor, dass Halter von Fahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen nicht mehr von staatlichen Zuschüssen profitieren dürfen.
Nach Angaben der Sprecherin könnte Ungarn mit der Regelung gegen EU-Regeln verstoßen, die eine Diskriminierung von Verbraucher wegen der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes untersagen. Einschränkungen des Binnenmarkts seien nur durch zwingende Gründe zu rechtfertigen, sagte die Sprecherin. Diese könnten etwa die öffentliche Ordnung, Gesundheit oder Sicherheit betreffen. “Sie können nicht mit wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt werden”, sagte die Sprecherin.
Sollte die Brüsseler Behörde bei ihrer Untersuchung zu dem Schluss kommen, dass Budapest gegen EU-Recht verstößt, könnte sie ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einleiten. Am Ende könnte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof sowie eine Geldstrafe stehen. Man habe von der Maßnahme aus den Medien erfahren, sagte die Sprecherin.
Dass ausländische Autofahrer nicht mehr von dem staatlichen Tankrabatt profitieren dürfen, bedeutet, dass sie an den Zapfsäulen derzeit deutlich mehr Geld für einen Liter Sprit bezahlen müssen. Der Preis liegt Medienberichten zufolge im Schnitt 40 Prozent über dem für ungarische Bürger. dpa
Lobbyismus gehört genauso zur Brüsseler Küche wie die Soßenfonds zur feinen Cuisine. Aber zu viele Köche verderben den Brei, das gilt auch bei der Interessenvertretung. Der Soßenfond kann bitter werden.
So wie beim Fit-for-55-Paket. Pascal Canfin, der Vorsitzende des ENVI-Ausschusses im Europäischen Parlament, spricht aktuell von einem “Tsunami von Lobbyisten”. Acht Gesetzesvorschläge aus dem Fit-for-55-Paket der Kommission sollen kommende Woche im Plenum abgestimmt werden. “Dies wird der größte Rechtsakt, der jemals am selben Tag im EP verabschiedet wurde”, sagt Canfin, ein enger Vertrauter von Emmanuel Macron.
Es steht also viel auf dem Spiel. Die “disruptive” Kraft der Gesetzesvorhaben, um einen heute gängigen Ausdruck zu verwenden, wird von der Unternehmenswelt ernst genug genommen, um ihre Lobbyisten an die Brüsseler Front zu schicken. Laut Transparency International arbeiten in Brüssel mindestens 48.000 Menschen, die die Einflussnahme auf die Institutionen und Entscheidungen der EU zu ihrem Beruf gemacht haben. 7.500 von ihnen besitzen einen beim Europäischen Parlament akkreditierten Lobbyistenausweis. Das bedeutet, dass sie direkt Zugang zu MEPs haben. Das freiwillige EU-Lobbyregister führt rund 12.000 Organisationen auf, mit einem Jahresbudget von insgesamt 1,8 Milliarden Euro.
Bas Eickhout, der stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses, bestätigt die Erfahrungen Canfins. Bei der Festlegung von Klimazielen seien sich noch alle einig, sagt der Grünen-Abgeordnete. “Das Problem beginnt, wenn es um die Gesetzgebung für einzelne Sektoren geht, wie den Automobilsektor, den Energiesektor, den Finanzsektor und so weiter.” Dann kämen die Lobbyisten mit ihren Vorschlägen, um den laufenden Prozess zu verlangsamen oder um mit der finanziellen Belastung für ihren jeweiligen Sektor zu argumentieren, so der Niederländer. “Es ist die Welt der alten Männer.”
Sein Kollege aus der S&D Fraktion, Mohammed Chahim, ist da sehr direkt: “Wir sehen, wie die CEOs auf jeder COP ihre Verpflichtungen gegen die globale Erwärmung ankündigen, aber gleichzeitig beschweren sie sich, sobald tatsächlich etwas geändert werden muss”. Chahim weist darauf hin, dass Initiativen zur Gründung eines Klimaclubs – ein vom Privatsektor geschätztes Forum – nicht darüber hinwegtäuschen könne, dass es bereits einen Klimaclub gibt, und zwar den des UNFCCC. Und tatsächlich beginnt gleichzeitig mit der Plenarsitzung in Straßburg die nächste Arbeitssitzung des UNFCCC in Bonn, dem Sitz der UN-Institution, die “Intersession” genannt wird.
Diese Sitzung dient den Klimabotschaftern aus aller Welt dazu, sich zu treffen und den Weg für die nächste Weltklimakonferenz in Ägypten im Herbst zu ebnen (Europe.Table berichtete). Es besteht kein Zweifel daran, dass die Verhandlungen dort genauso hart geführt werden wie in Straßburg, da die Dringlichkeit nicht mehr ignoriert werden kann. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Neu-Delhi, Nordindien und Pakistan von einer Hitzewelle erdrückt werden, die aufgrund ihrer Dauer und ihres frühen Zeitpunkts außergewöhnlich ist: Sie begann am 11. März, normalerweise ein gemäßigter Monat, der das Ende des Winters und den Beginn des Sommers markiert.
Die Monate März und April 2022 waren die heißesten Monate, die in Nordwestindien seit Beginn der Aufzeichnungen vor 122 Jahren gemessen wurden. Der Mai setzte sich mit historischen Höchstwerten fort und der Juni wird nicht besser werden. Prognostiker gehen davon aus, dass die extremen Temperaturen bis zum Einsetzen des Monsuns Ende Juni oder Anfang Juli anhalten werden.
Auch Europa bleibt nicht verschont. Spanien, Portugal und Frankreich haben mit einer Dürre zu kämpfen, die die landwirtschaftliche Produktion beeinträchtigt – und einen baldigen Kampf ums Wasser ankündigt. In Frankreich veröffentlichte das Ministerium für den ökologischen Übergang kürzlich eine Karte, die zeigt, dass vom Norden des Landes bis nach Korsika in diesem Sommer kein Gebiet sicher ist vor Wassermangel.
Ein weiteres schlechtes Omen ist, dass die Präfekten bereits 51 Erlasse erlassen haben, die die Nutzung der Wasserressourcen in 16 Departements einschränken. Insgesamt wurden sechsundsiebzig Gebiete in die erste Alarmstufe und sechsundzwanzig in die verstärkte Alarmstufe eingestuft, gegenüber sechs bzw. zwei Gebieten zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2021.
Und damit nicht genug. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) warnt in ihrem jüngsten Bericht, vier Schlüsselmarker des Klimawandels hätten im Jahr 2021 neue Rekorde gebrochen: Treibhausgaskonzentrationen, Anstieg des Meeresspiegels, Temperatur und Versauerung der Ozeane. “Unser Klima verändert sich vor unseren Augen”, sagte der Leiter der WMO, Petteri Taalas.
Der Link zum Lobbyismus? “Jeder Sektor schaut durch seine Brille und verteidigt seine eigenen, vor allem finanziellen Interessen”, sagt Pascal Canfin. “Wenn man alle Forderungen der Lobbyisten zusammenzählen würde, wären wir nicht auf dem Weg zu 1,5 Grad, sondern hätten plus 30 Grad.”
Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hat seinen Willen bekommen: Patriarch Kirill steht nicht mehr auf der Sanktionsliste. Damit tritt am heutigen Freitag voraussichtlich, wenn kein anderes Land mehr bis 9 Uhr Widerspruch einlegt, das sechste Sanktionspaket gegen Russland in Kraft, inklusive Teil-Embargo gegen Öl.
Obwohl ein Embargo auch gegen russisches Gas nicht weit hergeholt ist, haben bisher nur sehr wenige EU-Länder mit ihren Nachbarn Solidaritätsabkommen für Gaslieferungen geschlossen. Genau fünf dieser Absprachen gibt es, und das, obwohl die SoS-Verordnung diese seit spätestens 2018 für jedes Land vorsieht. Es ist und bleibt fraglich, ob die EU-Mitgliedstaaten auf einen vollständigen Ausfall russischer Gaslieferungen vorbereitet wären, schreibt Manuel Berkel in seiner Analyse.
Blockchains sind Datenbanken, die sich nur durch Anfügen weiterer Daten verändern lassen, rausgelöscht werden kann nichts. Das macht sie zu sehr mächtigen und an sich transparenten Werkzeugen, stellt die EU aber vor riesige Herausforderungen. Denn wenn sie die Technologie nutzbar und mit ihren Werten vereinbar machen will, muss sie früher oder später einen Weg finden, Blockchains datenschutzkonform zu gesatlten. Jürgen Geuter hat sich angeschaut, welche Strategie die EU bei Blockchains verfolgt.
In der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU gibt es einen Personalwechsel. Vize-Botschafterin Susanne Szech-Koundouros, die unter anderem die Bundesregierung vier Jahre lang im AStV1 vertrat, gibt ihren Posten auf und kommt nach Berlin zurück. Wer ihre Nachfolge antritt, lesen Sie in den News.
Ein schönes langes Pfingstwochenende wünscht
In der aktuellen Gaskrise beschwören die EU-Gremien immer wieder die Geschlossenheit der Mitgliedstaaten. Tatsächlich haben die nationalen Regierungen bisher wenig getan, um einander im Notfall beizustehen, wie eine Übersicht der Europäischen Kommission zeigt.
Bevor sich die Mitgliedstaaten bei einem Gasembargo gegenseitig unterstützen können, müssen zunächst technische, rechtliche und finanzielle Details geregelt werden. Dazu müsste jedes EU-Mitglied eigentlich mit jedem seiner Nachbarländer sogenannte Solidaritätsvereinbarungen abschließen. Eine entsprechende Frist aus der im Oktober 2017 in Kraft getretenen SoS-Verordnung der EU ist lange vor der aktuellen Gaskrise ausgelaufen, nämlich im Dezember 2018. Diesen Wink mit dem Zaunpfahl haben die 27 Regierungen weitgehend ignoriert.
Lediglich fünf Abkommen weist die Kommission derzeit auf einer Website aus – das erste von Dezember 2020, zwei Jahre nach dem Auslaufen der Umsetzungspflicht. Geschlossen hat es damals die Bundesregierung mit Dänemark, ein Jahr später folgte ein Abkommen mit Österreich. Die drei anderen Vereinbarungen stammen alle aus den vergangenen Monaten. Die jüngste schlossen Estland und Finnland am 25. April – wenige Tage, nachdem Russland den Finnen das Gas abgedreht hatte. Über eine Pipeline aus Estland kann nun Ersatz fließen.
Auch wenn Vereinbarungen bei Embargos gegen einzelne Staaten offenbar schnell abgeschlossen werden können, fragt sich doch, ob die EU27 auf einen kompletten Ausfall russischer Lieferungen ausreichend vorbereitet sind. Deutschland hat sich trotz langer Verhandlungen mit seinen restlichen Nachbarn bisher immer noch nicht auf weitere Abkommen einigen können.
Ende März hatte das Bundeswirtschaftsministerium erklärt, dass eine Unterzeichnung mit Italien kurz bevorstehe, mit Polen und Tschechien seien die Verhandlungen weit fortgeschritten. Mit Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden existiere ein “Austausch”, der vertieft werde, wie es damals hieß. Konkrete Abschlüsse gab es seitdem nicht. Man sei noch in Verhandlungen, teilte eine Sprecherin des BMWK am Donnerstag Europe.Table mit.
Angesichts des breiten Zögerns unter den Mitgliedstaaten versucht die Kommission schon seit einer Weile vorzusorgen. Nachdem die Gaspreise im vergangenen Herbst anfingen zu steigen, nahm sie in das Gasbinnenmarktpaket von Mitte Dezember (Europe.Table berichtete) in Anhang II eigens ein Standard-Formular für jene Staaten auf, die keine Solidaritätsvereinbarungen abgeschlossen haben. Eine zehnseitige Word-Vorlage soll nun als Solidaritätsersuchen dienen, falls EU-Staaten ohne ausreichend Gas dastehen.
Weitere Artikel für die Novelle der Gasmarkt-Verordnung sehen unter anderem eine gemeinsame Beschaffung strategischer Vorräte vor sowie die gemeinsame Nutzung von Speichern. Wichtig dürften sie vor allem ab 2026 werden, wenn die Regeln der Gasspeicherverordnung von Mitte Mai auslaufen (Europe.Table berichtete). Zwischen dem 17. und 24. Juni wollen die federführenden Abgeordneten Jens Geier (S&D) und Jerzy Buzek (EVP) ihre Berichte zum Gasmarkt-Paket fertigstellen.
Neben der solidarischen Nutzung der bestehenden Gasinfrastruktur sind allerdings auch neue Investitionen nötig, um ohne russisches Gas auszukommen. Mögliche Projekte hatten die europäischen Fernleitungsnetzbetreiber ermittelt. In Anhang 3 zu REPowerEU zitierte die Kommission Mitte Mai Berechnungen von ENTSOG, wonach zum Beispiel Deutschland neben zwei eigenen LNG-Terminals noch bessere Anbindungen an das westeuropäische Netz benötige. “LNG wird für Europa eine wichtige Rolle spielen, was insbesondere im Westen von Europa anlanden wird”, bestätigt auf Anfrage der Verband der deutschen Netzbetreiber, FNB Gas.
Auf der Wunschliste von ENTSOG steht unter anderem eine sogenannte Deodorierungsanlage an der deutsch-französischen Grenze, mit der die in Frankreich zugesetzten Geruchsstoffe aus dem Gas entfernt werden könnten, um es in das deutsche Netz einzuspeisen.
Das Wirtschaftsministerium bestreitet allerdings, dass eine bessere Anbindung an das westeuropäische Netz den Bau weiterer LNG-Terminals an den deutschen Küsten überflüssig machen würde. “Es ist nicht davon auszugehen, dass durch einen Ausbau der Leitungskapazitäten nach Belgien die Terminals unnötig werden, wichtig ist, dass wir hier noch Raum für ‘Reservemengen‘ haben. Dasselbe gilt mit Blick auf den Bau einer Deodorierungsanlage an der Grenze zu Frankreich”, erklärte die Sprecherin des Ministeriums.
In Belgien sind die Planungen bereits fortgeschritten. Das Infrastrukturunternehmen Fluxys plant eine bessere Anbindung an das LNG-Terminal in Zeebrugge. Eine 48 Kilometer lange Verbindungsleitung auf belgischer Seite könne die Exportkapazität Richtung Deutschland um 6,2 Milliarden Kubikmeter (bcm) pro Jahr erhöhen, erklärt ein Unternehmenssprecher. Eine Investitionsentscheidung soll bis Ende Juli fallen. Durch ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren hofft Fluxys auf eine Inbetriebnahme bis Ende 2023 oder Anfang 2024. Zudem will das LNG-Terminal in Zeebrugge seine Kapazitäten bis 2026 schrittweise erhöhen.
Komplizierter ist die Lage in Frankreich. Die Republik ist das einzige deutsche Nachbarland, das sein Gas schon in den Transportnetzen und nicht erst in den regionalen Verteilnetzen odoriert. Der französische Netzbetreiber hatte schon vor Jahren den Bau einer Deodorierungsanlage ins Spiel gebracht, um mehr Gas nach Deutschland leiten zu können. Wegen mangelnden Interesses von Marktteilnehmern sei dieses Projekt aber 2019 verworfen worden, erklärt eine Sprecherin von GRTgaz auf Anfrage. Zum aktuellen Zeitpunkt gebe es auch keinen neuen bestätigten Plan.
Auch der Netzbetreiber auf baden-württembergischer Seite verneint neue Investitionen: “Den Bau neuer Interkonnektoren zum französischen Gasnetz oder den Bau einer Deodorierungsanlage plant terranets bw nicht. Vielmehr wird eine optimale Nutzung oder gegebenenfalls technische Ergänzung der vorhandenen Grenzübergangspunkte betrachtet.”
Inzwischen beschäftigt das Problem aber auch Berlin. “So stellt die unterschiedliche Odorierungspraxis zwischen den Mitgliedstaaten ein Hemmnis für den grenzüberschreitenden Gasfluss dar, die gerade in Krisenzeiten zu einer Gefährdung der europäischen Versorgungssicherheit führt. Die Bundesregierung ist sich dieser Problematik bewusst und steht im Austausch mit der französischen Regierung, um eine Lösung zu finden”, teilte die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums mit.
Statt auf den Bau teurer Infrastruktur in Deutschland zu setzen, will Berlin offenbar lieber Paris zu technischen Umstellungen im Gasnetz bewegen. “Eine einzelne Deodorierungsanlage an der Grenze ist allerdings nicht geeignet, einen ungehinderten Gasfluss europaweit zu gewährleisten. Vielmehr kann sie die Beschränkung des grenzüberschreitenden Gasflusses nur punktuell zwischen zwei Mitgliedstaaten beseitigen. Sinnvoller erscheint es daher, die Praxis durch einen Verzicht auf Odorierung auf der Fernleitungsebene insgesamt in der EU zu vereinheitlichen.”
Betreffen könnte diese Forderung neben Frankreich noch weitere EU-Staaten. Wie aus einer Übersicht von Marcogaz hervorgeht, gibt es die Odorierung im Fernleitungsnetz vor allem in Spanien und Irland, aber auch in Portugal, Italien, Griechenland und Rumänien.
Das Wirtschaftsministerium stützt seine Forderung auf einen Netzkodex zur Interoperabilität der europäischen Gasnetze: “Sofern eine Einigung in dem dort vorgesehen Verfahren nicht zustande kommt, ist in letzter Konsequenz die Umstellung auf nicht-odoriertes Gas im Fernleitungsnetz vorgesehen.”
Plenartagung des EU-Parlaments: EAD, Indopazifischer Raum
06.06.2022 17:00-22:00 Uhr
Themen: Bericht über den Fahrplan des EAD für Klimawandel und Verteidigung, Bericht über die EU und die sicherheitspolitischen Herausforderungen im indopazifischen Raum.
Vorläufige Tagesordnung
Wöchentliche Kommissionssitzung
07.06.2022
Themen: Entwurf des EU-Haushalts 2023, Jährliche Management- und Leistungsbilanz 2021.
Vorläufige Tagesordnung Live Pressekonferenz
Plenartagung des EU-Parlaments: Emissionshandelssystem, Klima-Sozialfonds, Sicherheitspolitik
07.06.2022 09:00-13:50 Uhr
Themen: Bericht über die Überarbeitung des Emissionshandelssystems der EU, Bericht über den Klima-Sozialfonds, Bericht über die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU nach der Invasion der Ukraine durch Russland.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Haushaltsausschusses (BUDG)
07.06.2022 15:45-17:00 Uhr
Themen: Berichtsentwurf zur Inanspruchnahme des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung, Erläuterungen zum Entwurf des Haushaltsplans der Kommission für 2023 durch Johannes Hahn (Kommissar für Haushalt und Verwaltung).
Vorläufige Tagesordnung
Plenartagung des EU-Parlaments: Ukraine-Krieg, Sozialwirtschaft, Menschenrechte
08.06.2022 09:00-22:00 Uhr
Themen: Aussprache zum Ukraine-Krieg, Aussprache zum EU-Aktionsplan für die Sozialwirtschaft, Aussprache über Fälle von Verletzungen der Menschenrechte, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Justiz und Inneres
09.06.-10.06.2022
Themen: Orientierungsaussprache zum Kampf gegen die Straflosigkeit in der Ukraine, Vorbereitung des Ministertreffens “Justiz und Inneres” zwischen der EU und den USA am 23.06., Vorstellung des Arbeitsprogramms des nächsten Ratsvorsitzes durch die tschechische Delegation.
Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
Rat der EU: Wettbewerbsfähigkeit
09.06.-10.06.2022
Themen: Verordnung zur Schaffung eines Rahmens von Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Ökosystems der Halbleiterindustrie, Stärkung der Widerstandsfähigkeit der strategischen industriellen Ökosysteme, Vorstellung des Arbeitsprogramms des nächsten Ratsvorsitzes.
Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
Plenartagung des EU-Parlaments: Abstimmungen
09.06.2022 09:00-16:00 Uhr
Themen: Abstimmung zu Texten, zu denen die Aussprache abgeschlossen ist.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
12.06.-15.06.2022
Themen: Schlussfolgerungen zu Beginn der 12. Sitzung der Welthandelsorganisation, Beschluss des Rates über den im Namen der EU zu vertretenden Standpunkt auf der 12. Ministertagung der Welthandelsorganisation.
Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
Unter dem Eindruck der Finanzkrise schrieb ein unbekannter Autor unter dem Pseudonym “Satoshi Nakamoto” 2008 das sogenannte “Bitcoin Whitepaper”, in dem er auf Basis etablierter Technologien und Verfahren die Idee einer dezentralen, nur durch Anfügen veränderbaren Datenbank beschrieb: Blockchains waren geboren. Gut 13 Jahre, mehrere Crashes und Krisen später, stellt die EU ihre “Blockchain Strategy” vor. Mit dieser hofft sie, Blockchains als Zukunftstechnologie und strategisches Asset zu fördern, um die EU in diesem Sektor zu einer Vormachtstellung zu verhelfen.
Blockchains stehen dabei nicht nur wegen des enormen Energieverbrauchs der beiden großen Chains Bitcoin und Ethereum immer wieder in der Kritik: Auch die hohe Anzahl unseriöser und unregulierter Spekulationsgeschäfte, die den Blockchain-Sektor heute prägen, illustrieren einen deutlichen Regulierungsbedarf. Wie positioniert sich hier die Blockchain Strategie der EU und wird sie den selbstgesteckten Zielen und den Werten der EU gerecht?
Die Blockchain-Strategie definiert fünf Kernelemente, die nötig sind, damit Blockchains den Werten und Regeln der EU entsprechen:
Die beiden letzten Punkte sind dabei – ohne trivial zu sein – am einfachsten umzusetzen: Bei Verwendung etablierter kryptographischer Verfahren und der Nutzung und Etablierung von Datenformatstandards sind diese beiden Aspekte eher im Bereich der Fleißarbeit anzusiedeln. Beide sind sehr aufwändig, aber die nötigen technischen Kompetenzen hierfür sind ohne weiteres auch innerhalb der EU zu finden.
Trotzdem bringen natürlich Blockchains mit ihrer Eigenschaft der Unveränderlichkeit gerade für den Bereich der Cybersicherheit neue Herausforderungen mit sich, die andere Datenbanktechnologien so nicht haben: Die angreifbaren Code-Segmente liegen im Zweifel für alle Angreifer sichtbar auf der Chain und das Schließen von Sicherheitslücken ist technisch oft aufwändiger als in traditionellen Systemen. Dafür finden sich im Bereich der Interoperabilität von Blockchains diverse etablierte Lösungen, auf denen konkrete Projekte aufsetzen können.
Schwieriger sind hingegen die anderen Fragen. So gibt es zwar diverse Blockchains, die mit weniger energieintensiven Konsenssystemen arbeiten als Bitcoin und Ethereum. Viele davon sind aber sogenannte “Level 2” Chains, die doch zum Beispiel in Ethereum verankert sind und ohne dieses System und seinen Energieverbrauch nicht funktionieren. Als dezentrale Datenbanken, die davon ausgehen, auf möglichst vielen teilnehmenden Rechnern betrieben zu werden, sind Blockchains per Definition immer energieintensiver zu betreiben als vergleichbare andere Datenbanksysteme. Auch die stetig wachsenden Datenmengen, die niemals bereinigt werden können, führen zu signifikantem Ressourcenverbrauch von Festplatten.
Und auch im Bereich der Einhaltung von Datenschutzgesetzen gibt es strukturelle Herausforderungen: Die DSGVO gewährt Personen das Recht auf Löschung (Artikel 17) sie betreffender Informationen. Blockchains erlauben aber diese Löschung per Definition nicht. Damit sind Blockchains grundsätzlich für die Verarbeitung personenbezogener oder personenbeziehbarer Daten ungeeignet, was ihren Nutzwert für viele Domänen signifikant einschränkt. Die Strategie spricht davon, Blockchains sollten (“should”) kompatibel mit geltendem Recht sein, aber mit der DSGVO auf Grundrechtsniveau wird diese weiche Formulierung in der Strategie der regulativen Realität nicht ganz gerecht.
Die Idee, dass Personen ihre digitalen Identitäten selbst-souverän verwalten sollen, wie es Punkt 3 anspricht, ist gerade ein beliebter Topos sowohl auf Bundes- wie auch auf EU-Ebene. Doch gerade die Realität existierender Blockchain-Systeme und der dort verbreiteten Phishing-Attacken zeigen, dass diese Idee von den Bürger:innen eine extrem hohe Technikkompetenz und Zeitinvestition erfordert, die in der EU-weiten Skalierung eine große Herausforderung sein dürfte.
Die Blockchain-Strategie soll durch massive Förderprogramme und die Etablierung einer paneuropäischem Service-Blockchain mit Referenzcharakter den europäischen Blockchain-Sektor anschieben. Dabei wird ganz explizit die Forcierung von Blockchains zur Verwirklichung von Nachhaltigkeitszielen genannt. Wie eine dezentrale Datenbank allerdings bei der Bekämpfung der Klimakrise helfen soll, bleibt vollständig im Dunkeln.
Begrüßenswert hingegen ist der Wille, rechtliche Klarheit innerhalb der Domäne zu schaffen: Hier gibt es gerade für die Bereiche der Haftung, der Urheberrechts, des Datenschutzes und des Verbraucherschutzes diverse offene Baustellen. Es ist sehr nötig, dass sich die EU hier aktiv einschaltet und ihren Rechtsrahmen in seiner Anwendung auf Blockchains verdeutlicht.
Die Blockchain-Strategie der EU versucht, eine aktuell vor allem durch spekulative Hypes in die Schlagzeilen gebrachte Technologie einzufangen und im Rahmen der EU Werte nutzbar zu machen. Schon die Beschreibung der fünf Kernforderungen zeigt allerdings, wie sehr hier die Eigenschaften der zu fördernden Technologie und die Ziele und Werte der EU in einem oft kaum auflösbaren Spannungsverhältnis stehen. Was niemanden wundert, der mit der Geschichte der Blockchains vertraut ist: Sie wurden explizit konzipiert, um staatliche Eingriffe zu unterbinden. Die Strategie der EU vermittelt bisher nicht, wie sie plant, diesen Ursprungswiderspruch aufzulösen. Von Jürgen Geuter
Die EU-Staaten verzichtet vorerst auf Sanktionen gegen Patriarch Kirill. Auf Druck Ungarns nahmen die EU-Botschafter das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche von der Liste der Sanktionen, um den Weg für das sechste Sanktionspaket gegen Moskau zu ebnen, wie Diplomaten bestätigten. Das Paket mitsamt Teil-Ölembargo soll nun heute in Kraft treten, wenn nicht noch ein Mitgliedstaat bis 9 Uhr Einspruch erhebt.
Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hatte die Verabschiedung der neuen Sanktionsrunde vier Wochen lang aufgehalten. Beim außerordentlichen EU-Gipfel am Montag einigten sich die Staats- und Regierungschefs politisch darauf, die Einfuhr von russischem Öl auf dem Seeweg nach einer Übergangsfrist zu stoppen (Europe.Table berichtete). Orbán legte am Mittwoch aber zum Ärger der anderen Regierungen nach und forderte, Patriarch Kirill von der Sanktionsliste zu streichen (Europe.Table berichtete).
Um die nötige Einstimmigkeit zu ermöglichen, akzeptierten die anderen 26 Mitgliedstaaten die Forderung. Kirill sollte nach ihrem Willen sanktioniert werden, weil der 75-Jährige engen Kontakt zu Präsident Wladimir Putin pflegt und sich in seinen Predigten immer wieder hinter dessen Krieg gegen die Ukraine stellte. Orbán begründete seine Haltung, die Glaubensfreiheit ungarischer Religionsgemeinschaften sei “heilig und unveräußerlich”. In Brüssel wird aber darauf verwiesen, dass es in Ungarn nur wenige Tausend orthodoxe Gläubige gebe, und auch nur ein Teil von ihnen jener orthodoxen Gemeinschaft angehöre, die sich zum Patriarchat von Moskau bekennt.
Das neue Sanktionspaket sieht vor, im kommenden Jahr kein Öl mehr per Schiff in die EU zu lassen. Ungarn, die Slowakei und Tschechien sollen wegen ihrer großen Abhängigkeit aber noch bis auf Weiteres russisches Öl über die Druschbba-Pipeline importieren dürfen.
Zudem wird die größte russische Bank, die Sberbank, aus dem Finanzkommunikationsnetzwerk Swift ausgeschlossen und mehrere russische Nachrichtensender in der EU verboten. Europäischen Firmen wird es überdies untersagt, russischen Unternehmen Dienstleistungen wie Rechnungsprüfung oder Steuerberatung anzubieten. Die Präsidentin des Europaparlaments, Roberta Metsola, verkündete zudem ein Hausverbot für alle Vertreter russischer Firmen.
Weit folgenreicher für Russland wäre das von EU und Großbritannien geplante Verbot, Tanker mit russischem Öl an Bord zu versichern. Da London der mit Abstand wichtigste Standort für diese Art von Versicherung ist, würde dies die Möglichkeiten Russlands stark beschneiden, sein Öl an andere Abnehmer wie China oder Indien zu liefern. Auch auf G7-Ebene wird über ein gemeinsames Verbot diskutiert. tho/dpa
Die EU-Kommission geht bei der nun geplanten Auszahlung von Finanzhilfen aus dem Corona-Aufbaufonds an Polen neue Wege. Anders als bisher üblich werden die Milliardenhilfen – es geht um 23,9 Milliarden Euro an Zuschüssen sowie zusätzlichen 11,5 Milliarden Euro an Krediten – nicht nur an wirtschaftspolitische “Meilensteine” gebunden. Polen soll zudem auch rechtspolitische Bedingungen erfüllen.
Sie sollen dazu dienen, die “Unabhängigkeit des Rechtssystems” in Polen zu fördern, wie es in der EU-Kommission heißt. Bis zum Ende des 2. Quartals – also bis Ende Juni – muss die umstrittene Disziplinarkammer für Richter aufgelöst und durch ein neues System ersetzt werden (Meilenstein 1). Zudem sollen die Verfahren für bereits entlassene Richter neu aufgerollt werden (Meilenstein 2).
In einem dritten Schritt (Meilenstein 3) will die Brüsseler Behörde dann überprüfen, ob alle Reformen wie vereinbart umgesetzt wurden. Dies soll allerdings erst Ende 2024 erfolgen. Bis dahin dürfte schon rund die Hälfte der Milliardenhilfen ausgezahlt sein. Die zweite Hälfte könnte bis August 2026 sogar ganz ohne rechtspolitische Auflagen fließen.
“Geld gegen Reformen” heißt denn auch das neue Motto in Brüssel. “Erst müssen die Meilensteine erreicht werden, dann folgt die Auszahlung der Gelder”, sagte Behördenchefin Ursula von der Leyen am Donnerstag bei einem Besuch in Warschau. Zugleich machte sie deutlich: “Wir sind noch nicht am Ende des Weges, was die Rechtsstaatlichkeit in Polen betrifft.”
Allerdings ist die EU-Kommission bei der Auszahlung der Gelder gegen Reformen nicht konsequent. Obwohl mehrere Kommissare – darunter die “exekutiven” Vizepräsidenten Frans Timmermans und Margrete Vestager – Bedenken erhoben haben, zeigt sich von der Leyen großzügig.
Die Bedingungen für eine Auszahlung, die sie noch im Oktober 2021 formulierte, wurden spürbar gelockert. Von einer Wiedereinsetzung der entlassenen Richter ist nun keine Rede mehr. Recht locker geht die Behörde auch mit den Strafzahlungen um, die Polen im Streit um das Justizsystem leisten muss. Von der Leyen betonte in der Pressekonferenz am Donnerstag dennoch, dass auch das Disziplinarregime als Ganzes reformiert werden müsse. So müssten Richter, die bereits von Entscheidungen der Disziplinarkammer betroffen seien, diese Entscheidung überprüfen lassen können. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki entgegnete: “Es ist in unserem Interesse, dass alle Richter maximal unabhängig und überparteilich sind.”
Im Oktober 2021 hatte der Europäische Gerichtshof das Land zu einem Zwangsgeld von einer Million Euro pro Tag verdonnert. Doch die Regierung in Warschau zahlt nicht. Die EU-Kommission ist deshalb dazu übergegangen, die Buße mit anderen Zahlungen an Polen zu verrechnen. Das Land verhalte sich “widerstrebend”, sagte ein Kommissionsexperte, doch das stehe einer Einigung nicht im Wege. Großzügig sieht man auch darüber hinweg, dass Polen immer noch einen Vorrang seines nationalen Rechts vor dem EU-Recht behauptet. Das sei ein eher theoretischer Streit, heißt es, jetzt gehe es um praktische Lösungen.
Wie die genau aussehen, wollte von der Leyen am Donnerstagnachmittag in Warschau verkünden. Neben dem Rechtsstaat dürfte es auch um den Krieg in der Ukraine gehen. Denn die Hilfe für die Ukraine, so vermuten EU-Diplomaten in Brüssel, ist letztlich wichtiger als die lästigen Details der Justiz-Reform in Polen. ebo
Wechsel in der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der EU: Die bisherige Vize-Botschafterin Susanne Szech-Koundouros kehrt im Sommer nach Berlin zurück, Nachfolgerin wird nach Informationen von Europe.Table Helen Winter. Die Ministerialdirigentin arbeitet derzeit noch im Bundeskanzleramt, als Gruppenleiterin für nationale und internationale Wirtschaftspolitik. Sie gilt als hochseriöse Beamtin.
Szech-Koundouros hatte vier Jahre lang als Stellvertreterin von Botschafter Michael Clauß fungiert und die Bundesregierung im AStV1 vertreten, dem Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten, in dem die Wirtschaftsthemen beraten werden. Dass die Ampel-Regierung sie zurückholt, überrascht nicht: Die 60-Jährige steht der Union nah, sie arbeitete vor ihrem Wechsel nach Brüssel für die Bundestagsfraktion von CDU/CSU. Die Beamtin stammt aus dem Bundeswirtschaftsministerium und dürfte dorthin wohl zurückkehren.
Clauß werden die Koalitionspartner hingegen voraussichtlich im Amt belassen. Der Diplomat ist parteipolitisch nicht gebunden und genießt hohes Ansehen. Die Ständigen Vertreter habe im Zuge von Coronavirus-Pandemie und Ukraine-Krieg stark an politischem Gewicht im EU-Entscheidungsprozess gewonnen, sie verhandeln etwa die Sanktionspakete gegen Russland. Clauß, zuvor Botschafter in Peking, wechselte vor vier Jahren nach Brüssel und hat sich dort den Ruf als exzellenter Fachmann erarbeitet. tho
Die Verkehrsminister:innen der 27 EU-Mitgliedstaaten haben sich auf ihren Standpunkt zum Ausbau der Ladeinfrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) geeinigt (Europe.Table berichtete). Beim Verkehrsrat am Donnerstag fand der von der französischen Ratspräsidentschaft ausgehandelte Kompromiss für die Allgemeine Ausrichtung breite Zustimmung.
Der Kompromiss orientiert sich in großen Teilen am Vorschlag der Kommission, jedoch räumt er den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität beim Ausbau der Ladeinfrastruktur ein und nimmt mehr Rücksicht auf die individuellen technischen Ausgangssituationen der einzelnen Länder. Das gilt insbesondere für den Ausbau der elektrischen Ladeinfrastruktur für schwere Nutzfahrzeuge.
Bis Ende 2025 sollen mindestens auf 15 Prozent der Länge des TEN-V-Netzes öffentlich zugängliche Ladesäulen für schwere Nutzfahrzeuge in jeder Fahrtrichtung eingerichtet werden. Bis Ende 2037 sollen auf mindestens 40 Prozent des TEN-V-Netzes Ladesäulen eingerichtet werden. Dies soll den Ländern mehr individuelle Freiheiten beim Ausbau geben.
Die Kommission hatte in ihrem Vorschlag Distanzvorgaben gemacht, die auch der Rat übernommen hat. So sollten im Kern des TEN-V-Netzes maximal 60 Kilometer zwischen den Ladesäulen liegen, im erweiterten TEN-V-Netz maximal 100 Kilometer.
Trotz der Zustimmung kam auch Kritik. Tschechien bemängelte, dass die technischen Entwicklungen beim Schwerlasttransport für alternative Kraftstoffe nur schwer vorhersehbar seien. Bulgarien kündigte zudem an, keine Erhöhungen der Infrastrukturausbauziele für schwere Nutzfahrzeuge im Trilog akzeptieren zu wollen.
Deutschland, Dänemark und Österreich erklärten zwar im Sinne eines Kompromisses ihre Zustimmung, gaben jedoch zu Protokoll, sich für ambitioniertere Ausbauziele sowohl für leichte als auch schwere Nutzfahrzeuge ausgesprochen zu haben. Insbesondere für schwere Nutzfahrzeuge hätte sich der Bundesverkehrsminister Volker Wissing ab 2025 einen schnelleren Hochlauf der Lademöglichkeiten gewünscht, erklärte er am Donnerstag beim Verkehrsrat in Luxemburg. luk
Ungarn droht wegen der Benachteiligung von Ausländern an Tankstellen Ärger mit der EU-Kommission. Eine Sprecherin der Brüsseler Behörde bestätigte am Donnerstag, dass eine seit Freitag geltende Neuregelung derzeit geprüft wird. Diese sieht vor, dass Halter von Fahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen nicht mehr von staatlichen Zuschüssen profitieren dürfen.
Nach Angaben der Sprecherin könnte Ungarn mit der Regelung gegen EU-Regeln verstoßen, die eine Diskriminierung von Verbraucher wegen der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes untersagen. Einschränkungen des Binnenmarkts seien nur durch zwingende Gründe zu rechtfertigen, sagte die Sprecherin. Diese könnten etwa die öffentliche Ordnung, Gesundheit oder Sicherheit betreffen. “Sie können nicht mit wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt werden”, sagte die Sprecherin.
Sollte die Brüsseler Behörde bei ihrer Untersuchung zu dem Schluss kommen, dass Budapest gegen EU-Recht verstößt, könnte sie ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einleiten. Am Ende könnte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof sowie eine Geldstrafe stehen. Man habe von der Maßnahme aus den Medien erfahren, sagte die Sprecherin.
Dass ausländische Autofahrer nicht mehr von dem staatlichen Tankrabatt profitieren dürfen, bedeutet, dass sie an den Zapfsäulen derzeit deutlich mehr Geld für einen Liter Sprit bezahlen müssen. Der Preis liegt Medienberichten zufolge im Schnitt 40 Prozent über dem für ungarische Bürger. dpa
Lobbyismus gehört genauso zur Brüsseler Küche wie die Soßenfonds zur feinen Cuisine. Aber zu viele Köche verderben den Brei, das gilt auch bei der Interessenvertretung. Der Soßenfond kann bitter werden.
So wie beim Fit-for-55-Paket. Pascal Canfin, der Vorsitzende des ENVI-Ausschusses im Europäischen Parlament, spricht aktuell von einem “Tsunami von Lobbyisten”. Acht Gesetzesvorschläge aus dem Fit-for-55-Paket der Kommission sollen kommende Woche im Plenum abgestimmt werden. “Dies wird der größte Rechtsakt, der jemals am selben Tag im EP verabschiedet wurde”, sagt Canfin, ein enger Vertrauter von Emmanuel Macron.
Es steht also viel auf dem Spiel. Die “disruptive” Kraft der Gesetzesvorhaben, um einen heute gängigen Ausdruck zu verwenden, wird von der Unternehmenswelt ernst genug genommen, um ihre Lobbyisten an die Brüsseler Front zu schicken. Laut Transparency International arbeiten in Brüssel mindestens 48.000 Menschen, die die Einflussnahme auf die Institutionen und Entscheidungen der EU zu ihrem Beruf gemacht haben. 7.500 von ihnen besitzen einen beim Europäischen Parlament akkreditierten Lobbyistenausweis. Das bedeutet, dass sie direkt Zugang zu MEPs haben. Das freiwillige EU-Lobbyregister führt rund 12.000 Organisationen auf, mit einem Jahresbudget von insgesamt 1,8 Milliarden Euro.
Bas Eickhout, der stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses, bestätigt die Erfahrungen Canfins. Bei der Festlegung von Klimazielen seien sich noch alle einig, sagt der Grünen-Abgeordnete. “Das Problem beginnt, wenn es um die Gesetzgebung für einzelne Sektoren geht, wie den Automobilsektor, den Energiesektor, den Finanzsektor und so weiter.” Dann kämen die Lobbyisten mit ihren Vorschlägen, um den laufenden Prozess zu verlangsamen oder um mit der finanziellen Belastung für ihren jeweiligen Sektor zu argumentieren, so der Niederländer. “Es ist die Welt der alten Männer.”
Sein Kollege aus der S&D Fraktion, Mohammed Chahim, ist da sehr direkt: “Wir sehen, wie die CEOs auf jeder COP ihre Verpflichtungen gegen die globale Erwärmung ankündigen, aber gleichzeitig beschweren sie sich, sobald tatsächlich etwas geändert werden muss”. Chahim weist darauf hin, dass Initiativen zur Gründung eines Klimaclubs – ein vom Privatsektor geschätztes Forum – nicht darüber hinwegtäuschen könne, dass es bereits einen Klimaclub gibt, und zwar den des UNFCCC. Und tatsächlich beginnt gleichzeitig mit der Plenarsitzung in Straßburg die nächste Arbeitssitzung des UNFCCC in Bonn, dem Sitz der UN-Institution, die “Intersession” genannt wird.
Diese Sitzung dient den Klimabotschaftern aus aller Welt dazu, sich zu treffen und den Weg für die nächste Weltklimakonferenz in Ägypten im Herbst zu ebnen (Europe.Table berichtete). Es besteht kein Zweifel daran, dass die Verhandlungen dort genauso hart geführt werden wie in Straßburg, da die Dringlichkeit nicht mehr ignoriert werden kann. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass Neu-Delhi, Nordindien und Pakistan von einer Hitzewelle erdrückt werden, die aufgrund ihrer Dauer und ihres frühen Zeitpunkts außergewöhnlich ist: Sie begann am 11. März, normalerweise ein gemäßigter Monat, der das Ende des Winters und den Beginn des Sommers markiert.
Die Monate März und April 2022 waren die heißesten Monate, die in Nordwestindien seit Beginn der Aufzeichnungen vor 122 Jahren gemessen wurden. Der Mai setzte sich mit historischen Höchstwerten fort und der Juni wird nicht besser werden. Prognostiker gehen davon aus, dass die extremen Temperaturen bis zum Einsetzen des Monsuns Ende Juni oder Anfang Juli anhalten werden.
Auch Europa bleibt nicht verschont. Spanien, Portugal und Frankreich haben mit einer Dürre zu kämpfen, die die landwirtschaftliche Produktion beeinträchtigt – und einen baldigen Kampf ums Wasser ankündigt. In Frankreich veröffentlichte das Ministerium für den ökologischen Übergang kürzlich eine Karte, die zeigt, dass vom Norden des Landes bis nach Korsika in diesem Sommer kein Gebiet sicher ist vor Wassermangel.
Ein weiteres schlechtes Omen ist, dass die Präfekten bereits 51 Erlasse erlassen haben, die die Nutzung der Wasserressourcen in 16 Departements einschränken. Insgesamt wurden sechsundsiebzig Gebiete in die erste Alarmstufe und sechsundzwanzig in die verstärkte Alarmstufe eingestuft, gegenüber sechs bzw. zwei Gebieten zum gleichen Zeitpunkt im Jahr 2021.
Und damit nicht genug. Die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) warnt in ihrem jüngsten Bericht, vier Schlüsselmarker des Klimawandels hätten im Jahr 2021 neue Rekorde gebrochen: Treibhausgaskonzentrationen, Anstieg des Meeresspiegels, Temperatur und Versauerung der Ozeane. “Unser Klima verändert sich vor unseren Augen”, sagte der Leiter der WMO, Petteri Taalas.
Der Link zum Lobbyismus? “Jeder Sektor schaut durch seine Brille und verteidigt seine eigenen, vor allem finanziellen Interessen”, sagt Pascal Canfin. “Wenn man alle Forderungen der Lobbyisten zusammenzählen würde, wären wir nicht auf dem Weg zu 1,5 Grad, sondern hätten plus 30 Grad.”