Frauen in Trachtenkleidern, Männer in Lederhosen, dazu ein stolzer Markus Söder, natürlich im Trachtenjanker: Die Staats- und Regierungschefs der G7 erwartete bei ihrer Ankunft am Münchner Flughafen eine ordentliche Ladung Lokalkolorit. Ein sehr bayerischer Auftakt zu einem Gipfel, der im Zeichen schwerer weltweiter Krisen steht.
Ein Preisdeckel für russisches Öl, ein Importverbot für russisches Gold: US-Präsident Joe Biden machte zu Beginn mit mehreren Vorstößen auf sich aufmerksam. Auch Gastgeber Olaf Scholz hat sich viel vorgenommen für den Gipfel. Auf der Agenda des ersten Tages stand das Ziel, die Klimaclubs voranzubringen – eines seiner Kernthemen zur Bekämpfung des Klimawandels. Lukas Scheid gibt einen Überblick über den ersten Tag auf Schloss Elmau.
Frankreichs Ratspräsidentschaft endet bald, am 1. Juli übernimmt Tschechien. Glück für Europa: Die neue Regierung unter Ministerpräsident Petr Fiala verfolgt einen konstruktiven Kurs und will mit einem ehrgeizigen Programm die europäische Wirtschaft widerstandsfähiger machen. Hans-Peter Siebenhaar hat sich Tschechiens Vorhaben für das kommende Halbjahr genauer angesehen. Sein Fazit: “Die Zeiten des Nationalpopulismus sind in Prag vorerst vorbei. Daran lassen die Ziele der tschechischen Ratspräsidentschaft keine Zweifel.”
Das NewClimate Institute ist unter anderem bekannt für den Climate Action Tracker. Er zeigt, wie sich die globale Erwärmung entwickeln wird – unter Berücksichtigung der Selbstverpflichtungen einzelner Staaten. Gründer des Instituts ist Niklas Höhne, der auch schon mal mit Fridays for Future auf die Straße geht. Mehr über den Klimawissenschaftler erfahren Sie im Porträt von Janna Degener-Storr.
Auf der Agenda für den ersten Gipfeltag stand “Voranbringen der Klimaclubs”. Deren Gründung gilt als eines der Kernthemen des Bundeskanzlers zur Bekämpfung des Klimawandels. Zwar weiß auch am Ende des Tages noch niemand so ganz genau, wie diese Klimaclubs eigentlich aussehen sollen, doch es soll noch heute ein ausverhandeltes Schriftstück der G7-Länder veröffentlicht werden.
Drei Säulen sollen die Klimaclubs umfassen, hieß es bereits vor dem Gipfel aus Regierungskreisen. Erstens: “carbon mitigation” und “carbon pricing“. Zweitens: die industrielle Dekarbonisierung. Und drittens: die Zusammenarbeit mit den Schwellen- und Entwicklungsländern. Aber wie ein Klimaclub künftig dazu beitragen kann, ist noch völlig offen. Einzig bei der dritten Säule wurde man bereits konkreter, doch sie wirft neue Fragen auf.
Die sogenannten Just Energy Transition Partnerships haben schon Formen angenommen und sollen ausgeweitet werden. Die Energiepartnerschaft mit Südafrika (Europe.Table berichtete), die bereits auf der COP26 in Glasgow beschlossen wurde, soll als Vorbild dienen. Schwellenländern soll die Energiewende ermöglicht werden, weg von fossilen, hin zu erneuerbaren Energiequellen. Auch dabei sollen Klimaclubs helfen.
Südafrika wird heute zu Gast auf Schloss Elmau sein – genauso wie der Senegal. Mit dem westafrikanischen Land plant Scholz ebenfalls eine Energiepartnerschaft. Die ist allerdings höchst umstritten und widerspricht dem Gedanken der Klimaclubs. Bei seinem Besuch in der senegalesischen Hauptstadt Dakar Ende Mai sicherte der Bundeskanzler Unterstützung für die Erschließung von Gasfeldern zu (Europe.Table berichtete).
Die Idee: Der Senegal könnte künftig LNG nach Deutschland und Europa liefern. “In der gegenwärtigen Situation besteht ein kurzfristiger Bedarf an umfangreichen Investitionen in die Gasinfrastruktur in Entwicklungsländern und anderswo”, bestätigte der italienische Ministerpräsident Mario Draghi am Sonntagnachmittag auf Schloss Elmau bei der Vorstellung einer “Partnerschaft für Globale Infrastruktur”.
Aus Verhandlungskreisen ist zu hören, dass vor allem die zweite Säule noch Diskussionsbedarf liefert. Zwar haben sich die Staats- und Regierungschefs grundsätzlich auf die Ziele der Klimaclubs geeinigt und “mögen die Idee”, gemeinsam an der industriellen Dekarbonisierung voranzukommen. Doch die Sherpas müssten noch die Details ausarbeiten, so ein hoher EU-Beamter. Knackpunkt ist demnach die Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Instrumente zum Klimaschutz. Es gehe noch darum, wie für alle Länder geltende Standards für eine dekarbonisierte Industrie etabliert werden können. Wie die verschiedenen Klimapolitiken und CO2-Bepreisungsmethoden der Länder zusammengeführt werden können, soll erst im nächsten Schritt diskutiert werden.
Die G7 wollen mit der “Partnerschaft für Globale Infrastruktur” eigentlich einen Gegenentwurf zu Chinas neuer Seidenstraße liefern, mit dem das Land neue Handelswege nach Europa, Afrika, Lateinamerika und in Asien erschließt. 600 Milliarden Dollar bis 2027 kündigte US-Präsident Joe Biden an. Damit solle nachhaltige Infrastruktur geschaffen werden, “die das Leben der Menschen auf der ganzen Welt verbessert”. Die USA sind die Initiatoren des Projekts.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, dass das “Team Europe” 300 Milliarden Euro als Beitrag für die G7-Investitionsinitiative bereitstellen werde. Diese Summe an staatlichem und privatem Geld sei bis 2027 vorgesehen, sagte von der Leyen. “Es liegt an uns, der Welt einen positiven und starken Investitionsimpuls zu geben, um unseren Partnern in den Entwicklungsländern zu zeigen, dass sie eine Wahl haben und dass wir uns solidarisch für ihre Entwicklungsbedürfnisse einsetzen wollen”, sagte sie am Sonntag.
Und zwei weitere Vorschläge brachte Joe Biden mit nach Elmau. Einer sieht vor, Russland dazu zu zwingen, Öl künftig für einen deutlich niedrigeren Preis an große Abnehmer wie Indien zu verkaufen. Dies könnte funktionieren, indem der Westen Dienstleistungen wie Versicherungen für Öltransporte an die Einhaltung des Preisdeckels knüpft. Mit der Obergrenze soll einerseits dafür gesorgt werden, dass Russland nicht länger von Preisanstiegen auf dem Energiemarkt profitiert. Anderseits soll sie weltweit zu einer Entspannung auf den Ölmärkten beitragen.
Die Runde sei auf einem guten Weg, hier eine Einigung zu finden, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Aus Sicht der EU sind noch nicht alle Details geklärt. Ziel einer Preisobergrenze ist, dass Russland nicht länger von Preisanstiegen auf dem Energiemarkt profitiert und so seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine finanzieren kann. Zugleich sollen weitere Preissprünge beim Öl verhindert werden.
Die Pläne eines Goldimportverbots wird die EU dagegen voraussichtlich unterstützen. Er sei zuversichtlich, dass sich der russische Goldsektor so ins Visier nehmen lasse, dass man nicht selbst zum Opfer negativer Auswirkungen werde, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. “Wir wollen auf die russische Finanzierung des Krieges abzielen.” Es sei jedoch zunächst wichtig, “dass wir umsetzen, was wir bereits beschlossen haben”, sagte Michel unter Verweis auf bisherige westliche Sanktionen gegen Russland. Was Gold angehe, so sei man bereit, sich die Pläne im Detail anzuschauen. Er wolle Abstimmungen dazu zwischen den EU-Staaten vorantreiben.
Die G7-Staaten wollen nach Angaben von US-Präsident Joe Biden ein Importverbot für russisches Gold verkünden. Damit würden Russland Dutzende Milliarden Dollar Einnahmen aus diesem wichtigen Exportgut wegbrechen, teilte Biden auf Twitter mit. Ein hochrangiger US-Regierungsmitarbeiter sagte am Sonntag in einer Telefonschalte mit Journalisten, die G7-Staaten würden den Importstopp offiziell am Dienstag verkünden, dem letzten Tag des Gipfels. Frankreich unterstützt Regierungskreisen zufolge das Exportverbot für Gold aus Russland.
Der deutsche Vorschlag für einen befristeten Verzicht auf Biokraftstoffe findet dagegen offenbar keine Zustimmung. Deutschland rechnet nicht mehr damit, dass es auf dem G7-Gipfel eine Einigung dazu geben wird. Verantwortlich sei der Widerstand der USA und Kanadas, heißt es aus Regierungskreisen. “Ein vorübergehender Verzicht auf Biokraftstoffe wäre aber ein wichtiges Signal der G7, um die Getreidepreise kurzfristig zu senken und die Marktsituation zu entspannen.” Ein Beamter des Weißen Hauses sagte, das Thema werde von den Sherpas auf dem Gipfel verhandelt. Mit dpa und Reuters
Europa hat Glück: Die Fünf-Parteien-Koalition unter Ministerpräsident Petr Fiala (Bürgerdemokraten), Ende vergangenen Jahres ins Amt gekommen, hat von Anfang einen konstruktiven Kurs verfolgt. Die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft von Frankreich am ersten Juli wurde von der Regierung in Tschechien daher sorgfältig vorbereitet.
Der frühere Langzeit-Premier Andrej Babiš hatte hingegen aus seiner Aversion keinen Hehl genannt. Der Populist und Milliardär hielt den Aufwand für zu hoch, er wollte das Budget um die Hälfte kürzen. Die Billig-Ratspräsidentschaft war damals auch als starkes Zeichen gegen Brüssel gemeint.
EU-Veteranen ist noch die erste Ratspräsidentschaft im Jahr 2009 in unguter Erinnerung. Damals lähmte eine schwere Regierungskrise den Vorsitz – Ministerpräsident Mirek Topolánek wurde durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Solche Turbulenzen sind diesmal kaum zu befürchten.
Die heutige Regierung will als Motivator Europas in wirtschaftlicher, politischer und geostrategischer Zeit wirken. Regierungschef Fiala, ein Politikwissenschaftler, versteht die EU-Ratspräsidentschaft als Chance, das europapolitische Profil Tschechiens als verlässlicher Partner neu zu definieren. Der 57-Jährige ist seit Langem Chef der liberalkonservativen Občanská demokratická strana (ODS).
Fiala und seine Regierung knüpfen historisch an den legendären tschechischen Präsidenten Václav Havel an. In seiner Rede zur Verleihung des Karlspreises in Aachen forderte der Dichterpräsident 1996 die Europäer auf, “ihr Gewissen neu zu entdecken und Verantwortung für globale ökologische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen zu übernehmen”, wie es im aktuellen Programm der tschechischen Präsidentschaft heißt. Havels Slogan “Europa als Aufgabe” hat die Regierung adaptiert: “Rethink, Rebuild, Repower” lautet ihr Motto für die Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Tschechische Republik ins Mark getroffen. Der Einmarsch der Roten Armee im Jahr 1968, mit dem die Sowjetführung den Prager Frühling beendete, hat sich ins kollektive Gedächtnis des knapp elf Millionen Einwohner großen Landes eingegraben. Als das Land 2004 der EU beitrat, waren Sicherheit und Frieden zentrale Motive.
Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass Tschechien alle verfügbaren Ressourcen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und zum Wiederaufbau in der Ukraine mobilisieren will. Prag setzt insbesondere auf die Wiederherstellung kritischer Infrastruktur, aber auch auf die wirtschaftliche Erholung und Sicherung von wichtigen Dienstleistungen.
In diesem Zusammenhang steht auch das Ziel der Ratspräsidentschaft, die Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle aus Russland schleunigst zu verringern. Geplant ist etwa eine schnellere Umsetzung von REPowerEU, um die Ressourcen zu diversifizieren und Energieeinsparungen zu erzielen. Tschechien ist ähnlich wie seine Nachbarn Polen, Slowakei, Österreich und Deutschland stark auf die Energieimporte aus Russland angewiesen.
Einen strategischen Vorteil besitzen die Tschechen allerdings: Atomenergie ist seit jeher ein wichtiger Baustein der Energieversorgung. Das führt allerdings im Verhältnis mit Österreich immer wieder zu Diskussionen, wenn in Kernkraftwerken Sicherheitsprobleme auftreten. Mit der energiepolitischen Grundhaltung liegt Prag aber ganz auf der Linie Brüssels.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Babiš setzt Fiala auf einen engen Kontakt zu Kommission und Parlament. Deshalb wurde mit Mikuláš Bek die Stelle eines Ministers für europäische Angelegenheiten geschaffen. Unter Babiš gab es vorher nur eine Staatssekretärin. Der Regierung in Prag ist die Bedeutung der EU angesichts der wirtschaftlichen Turbulenzen durch den Ukraine-Krieg und die Corona-Krise sehr bewusst.
Derzeit kämpft das Land mit einer überdurchschnittlich hohen Inflation. Hinzu kommen wirtschaftliche Sorgen wie die fragilen Lieferketten, die beispielsweise der Autobranche schwer zu schaffen macht. Die Volkswagen-Tochter Škoda in der Nähe von Prag ist einer der größten Arbeitgeber in Tschechien.
Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass Tschechiens Ratspräsidentschaft die “strategische Widerstandsfähigkeit” der Wirtschaft in der EU stärken will. “Die EU muss ihre Abhängigkeit von feindseligen und instabilen Regimen drastisch verringern“, heißt es wörtlich in der Prioritätenliste in Prag. “Bei der Dekarbonisierung geht es nicht mehr nur um Klimaschutz. Sie ist jetzt vor allem eine Voraussetzung für unsere Unabhängigkeit und Energiesicherheit“, sagte Ministerpräsident Fiala. “Dieser Wandel muss auf wirtschaftlich und sozial sensible Weise erfolgen, um den Lebensstandard unserer Bürger und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie nicht zu gefährden.”
Ein besonderes Augenmerk gilt den Rohstoffen und wichtigen Lieferketten, etwa bei Halbleitern. Die Lösung sei aber nicht Autarkie. Die tschechische Ratspräsidentschaft schlägt vielmehr vor, die technologische Wettbewerbsfähigkeit gezielt zu fördern. Der Handel mit anderen demokratischen Ländern weltweit und insbesondere die transatlantische Kooperation mit den USA soll ausgebaut werden.
Die EU habe die Chance, beispielsweise im Bereich von Künstlicher Intelligenz (KI) als first mover weltweite Standards zu setzen. Zu den finanzpolitischen Zielen Prags gehört es, die Transparenz bei den zuletzt ins Schlingern geratenen Kryptowährung zu erhöhen und den Missbrauch zu reduzieren.
Mit ihrem proeuropäischen Programm schert Tschechien bewusst aus der Linie der Visegrád-Gruppe aus. Aus dem Quartett mit Polen, Ungarn und der Slowakei werden inzwischen zwei Tandems. In vielen Fragen ziehen Prag und Bratislava an einem Strang. Warschau und Budapest gehen hingegen europapolitisch ganz andere Wege. Die Zeiten des Nationalpopulismus sind in Prag vorerst vorbei. Daran lassen die Ziele der tschechischen Ratspräsidentschaft keine Zweifel. Von Hans-Peter Siebenhaar
Das Parlament in Bulgarien hat sich für eine Aufhebung des Vetos gegen den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien ausgesprochen. Die Abgeordneten stimmten am Freitag mehrheitlich für eine entsprechende Vorlage, die allerdings auch Bedingungen enthielt. Die bulgarische Regierung wurde damit beauftragt, den Vorschlag der französischen EU-Ratspräsidentschaft zur Beilegung des Streits zwischen den beiden Nachbarländern anzunehmen. Mit Ja stimmten 170 Abgeordnete, 36 Parlamentarier votierten mit Nein. Es gab 21 Enthaltungen.
Bulgarien hat seit Ende 2020 den Beginn von EU-Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien blockiert, weil sich Nordmazedonien weigert, auf Forderungen etwa zu Rechten von Bulgarinnen und Bulgaren in dem Land einzugehen. Sofia besteht darauf, dass Bulgarinnen und Bulgaren in Nordmazedonien gleichberechtigt behandelt werden. Von dem Veto war auch der EU-Kandidat Albanien betroffen.
Versuche, die Blockade vor einem am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels organisierten Westbalkan-Treffen zu lösen (Europe.Table berichtete), scheiterten.
Für die Rücknahme des Vetos fordert Bulgarien etwa, dass Bulgarinnen und Bulgaren gleiche Rechte wie andere in Nordmazedonien genießen, indem sie in der Verfassung als Volk festgeschrieben werden. Außerdem wolle Bulgarien eine “mazedonische Sprache” nicht als eigenständig anerkennen – aus bulgarischer Sicht handelt es sich es um eine Form der bulgarischen Sprache. Sofia besteht zudem darauf, dass die EU-Institutionen beobachten, ob Nordmazedonien einen bilateralen Vertrag für gute Nachbarschaft aus dem Jahr 2017 umsetzt. Dieser regelt unter anderem den Umgang mit der teils gemeinsamen Geschichte.
Der Vorschlag des französischen EU-Ratsvorsitzes gebe Bulgarien die Chance, ein hohes Maß an Garantien für dessen Anliegen zu erhalten, sagte der Co-Vorsitzende des Bündnisses Demokratisches Bulgarien (DB), Hristo Iwanow, vor der Abstimmung. Der Jurist hatte die Vorlage ins Parlament eingebracht. Er lobte, dass mit diesem Vorschlag die Probleme zwischen beiden Ländern zu europäischen Problemen würden.
Für die Nationalisten wäre eine Aufhebung des Vetos ein “nationaler Verrat”. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron würdigte die Abstimmung als “wichtigen Fortschritt”. Die notwendige technische Arbeit sowie die Gespräche gingen bald weiter, um in den kommenden Tagen eine Übereinkunft zu formalisieren. dpa
Wegen der Beschränkung des Transits in die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad zwischen Litauen und Polen wird in Moskau nun die Rechtmäßigkeit der litauischen Grenze bestritten. “Im Grunde genommen hat Litauen damit seine eigenen Grenzen infrage gestellt”, sagte der Chef der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, Dmitri Rogosin, am Samstag im Staatsfernsehen. Der ungehinderte Transit sei Bedingung dafür, dass Russland die Grenzen der ehemaligen Sowjetrepublik Litauen anerkenne. “Litauen hat sich damit nicht nur ins Bein, sondern in den Kopf geschossen.”
Das heutige EU-Land hatte vor einer Woche den Transit von Waren gestoppt, die auf der Sanktionsliste der EU stehen. Nach Angaben von Kaliningrads Gouverneur Anton Alichanow sind 40 bis 50 Prozent des Transits zwischen Kern-Russland und Kaliningrad betroffen. Unter anderem dürfen nun kein Zement, keine Baumaterialien oder Metalle mehr auf dem Landweg in die russische Ostseeregion gebracht werden. Russische Offizielle hatten deshalb bereits Gegenmaßnahmen angekündigt. So wurde der Ausschluss Litauens aus dem gemeinsamen Stromnetz vorgeschlagen.
Die nun angeregte Aufhebung des russisch-litauischen Vertrags über die Staatsgrenze würde eine Eskalation bedeuten. In russischen Talkshows werden seit Wochen Forderungen laut, einen “Korridor” nach Kaliningrad zu erobern. Rogosin ist der erste hochgestellte russische Beamte, dessen Forderungen in diese Richtung gehen. dpa
Jahrelange Gespräche über die Modernisierung des internationalen Energiecharta-Vertrags endeten am Freitag mit einer vorläufigen Einigung. Diese ermöglicht den Ausschluss von Interessen an fossilen Brennstoffen. Aus Sicht von Umweltschützern geht dies aber nicht schnell genug.
Der Vertrag über die Energiecharta (ECT) aus dem Jahr 1994 (Europe.Table berichtete) sollte den Energiesektor in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion unterstützen und Investoren die Möglichkeit geben, Regierungen zu verklagen, wenn ihre Investitionen durch die Politik gefährdet sind.
Die aktualisierte Fassung gibt den Ländern die Möglichkeit, den Schutz für Investitionen in fossile Brennstoffe aufzuheben. Bestehende Investitionen können zehn Jahre nach Inkrafttreten des neuen Mechanismus ausgeschlossen werden, neue Investitionen neun Monate danach. Das aktualisierte Abkommen führt Technologien ein, die zuvor nicht abgedeckt waren, darunter Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. Die Verhandlungsführer haben zudem versucht, mehr Transparenz in die Bestimmungen zur Streitbeilegung zu bringen und stärkere Schutzmaßnahmen gegen unbegründete Forderungen einzuführen.
EU-Energiekommissar Kadri Simson schrieb auf Twitter, dass die Verhandlungen “lang und schwierig” gewesen seien, aber dass die “überarbeiteten ECT besser mit den EU-Klimaambitionen übereinstimmen und dazu beitragen werden, neue Investitionen in Saubere-Energie-Technologien zu lenken”.
Die Umweltrechtsorganisation ClientEarth kritisierte jedoch, der Vorschlag stehe immer noch nicht im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015. “Die EU-Länder könnten immer noch verklagt werden, wenn sie für mindestens ein weiteres Jahrzehnt eine fortschrittliche Klimapolitik einführen – das entscheidende Zeitfenster für Maßnahmen, wenn die Menschheit eine Klimakatastrophe vermeiden will”, sagte ClientEarth-Anwältin Amandine Van Den Berghe.
Spanien, Frankreich und Luxemburg haben die Möglichkeit eines Ausstiegs der EU-Länder aus dem Vertrag ins Spiel gebracht. Die spanische Energie- und Umweltministerin Teresa Ribera forderte diese Woche laut einem Bericht von “Politico” einen “koordinierten Ausstieg” der EU.
Der deutsche Energieversorger RWE nutzte den Vertrag im vergangenen Jahr, um eine Entschädigung für einen niederländischen Plan zum Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 zu fordern, von dem das RWE-Kraftwerk Eemshaven betroffen wäre.
Die vorläufige Einigung basiert nach Angaben der Kommission auf dem Verfahren der stillschweigenden Zustimmung. Das bedeutet, dass der Text formell angenommen wird, wenn alle Parteien bis zu einer Konferenz im November schweigen. Er bedarf dann der Zustimmung des Europäischen Rates und der Zustimmung des Europäischen Parlaments. rtr/sas
Die von den Betreibern der Erdgasnetze favorisierte Beimischung von Wasserstoff in Fernleitungen trifft auf Widerstand im EU-Parlament. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, Transportnetzbetreiber ab Oktober 2025 zu verpflichten, beim Grenzübergang eine Beimischung von bis zu fünf Prozent Wasserstoff zu akzeptieren. Der Berichterstatter des ITRE zur Gasmarkt-Verordnung, Jerzy Buzek (EVP), will den entsprechenden Absatz streichen. Das geht aus dem Entwurf des Berichtes hervor, den “Contexte” am Freitag veröffentlichte.
Stattdessen will Buzek eine Quote von maximal zwei Prozent ermöglichen. Erst dann soll das Verfahren zur grenzüberschreitenden Koordinierung greifen, das die Kommission in der Verordnung festschreiben will. Das Verfahren soll Streitigkeiten zwischen Leitungsbetreibern und Regulierungsbehörden benachbarter Mitgliedstaaten schlichten, falls sie die Gasqualität des jeweils anderen Staates für inkompatibel mit ihren nationalen Bestimmungen halten. Die europäische Regulierungsbehörde ACER hätte im Streitfall das letzte Wort.
Im entsprechenden Erwägungsgrund will Buzek die Beimischung als “letztes Mittel” festschreiben und klarstellen, dass die Anwendung in den Sektoren Industrie und Transport Priorität habe. Grundsätzlich sollen die Mitgliedstaaten aber frei entscheiden können, ob sie ihren Gasnetzen Wasserstoff beimischen. ber
Der Bundestag hat Teile des von der Koalition geplanten Gesetzespakets zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien verabschiedet. Für mehrere Änderungen im Energiewirtschaftsrecht aus dem sogenannten Osterpaket votierten am Freitag die Fraktionen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Die Union als größte Oppositionspartei stimmte ebenfalls zu, Linke und AfD jeweils dagegen. Das Kabinett hatte das Vorhaben im April verabschiedet.
Mit den Änderungen wird das Ziel, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, unmittelbar ins Gesetz aufgenommen und in den Planungsverfahren zum Ausbau der Stromnetze stärker verankert. Die Verfahren werden stärker gebündelt. Laut Wirtschaftsministerium gibt es künftig beispielsweise Regelungen für einen vorzeitigen Baubeginn bei bestimmten Projekten schon während des Zulassungsverfahrens. “Damit ist eine wichtige Etappe geschafft, die vor allem den Ausbau der Stromnetze beschleunigt”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Der Bedarfsplan zum Ausbau der Netze wird zudem aktualisiert. 19 Bauvorhaben werden neu aufgenommen, 17 Projekte geändert, eines gestrichen. “Für die Realisierung der neu in den Bundesbedarfsplan aufgenommenen Vorhaben werden schätzungsweise Investitionskosten in Höhe von circa 10,8 Milliarden Euro entstehen, die über einen mehrjährigen Zeitraum verteilt werden”, heißt es im Gesetzentwurf.
Unternehmen, die Haushalte nicht mehr mit Energie beliefern wollen, müssen dies künftig mindestens drei Monate vorher bei der Bundesnetzagentur anzeigen. Die Behörde erhält zudem zusätzliche Befugnisse gegenüber Energielieferanten. Ad-Hoc-Kündigungen hätten im vergangenen Winter viele Verbraucher kalt erwischt und stark verunsichert, so Habeck. “Dem schieben wir jetzt einen Riegel vor. So etwas kann es künftig nicht mehr geben.”
Die beschlossenen Maßnahmen sind auch eine Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine, der die Preise für fossile Energien deutlich nach oben getrieben hat. Deutschland will unabhängiger von russischen Lieferungen werden, von denen es vor allem bei Gas stark angewiesen ist. Das Osterpaket – ein ganzes Bündel an Gesetzesänderungen – ist laut Wirtschaftsministerium die größte Novelle seit Jahrzehnten im Energiebereich. Damit soll die Geschwindigkeit beim Ausbau erneuerbarer Energien verdreifacht werden. rtr
Frankreich bereitet angesichts der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Energie-Krise den Neustart des Kohlekraftwerks in Saint-Avold bei Saarbrücken vor. Das erst Ende März vom Netz gegangene Kraftwerk solle im nächsten Winter angesichts der Spannungen auf dem Energiemarkt und der Situation in der Ukraine vorsorglich wieder in Betrieb genommen werden, teilte das Energieministerium in Paris am Sonntag mit, wie der Sender BFMTV berichtete. An der grundsätzlichen Entscheidung zum Kohleausstieg ändere das nichts. Bis auf ein Reservekraftwerk war das Werk in Lothringen bei Saint-Avold das letzte in Frankreich.
Grundlage für den Neustart des Kraftwerks ist ein Gesetz zur Abfederung der Krise, das im Juli beschlossen werden soll, berichtete der Sender RTL. Die Ende März entlassenen 71 Beschäftigten könnten demnach bereits kurzfristig und befristet bis Ende 2023 wieder eingestellt werden, um das Kraftwerk auf einen Neustart vorzubereiten.
Bereits in den Wochen vor seiner Schließung hatte das Kraftwerk auf Hochtouren Kohle verfeuert, um den Strombedarf zu decken. Für Frankreich spielt russisches Erdgas zwar keine große Rolle. Rund die Hälfte der Atomkraftwerke sind im Moment aber wegen Defekten oder Wartungen vom Netz, sodass die Meiler weniger Strom als üblich liefern. dpa
In Italien und Kasachstan ist es laut Google zu einem Hackerangriff auf Handys gekommen, der an den Einsatz der Spionagesoftware Pegasus erinnert (Europe.Table berichtete). Betroffen von der Attacke mit Hacking-Tools des italienischen Unternehmens RCS Lab seien Apple- und Android-Smartphones, teilte Google am Donnerstag mit. Programme des in Mailand ansässigen Unternehmens könnten private Nachrichten und Kontakte auf Smartphones auslesen. Von Apple sowie den Regierungen von Italien und Kasachstan lag zunächst keine Stellungnahme vor.
RCS Lab verurteilte in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur Reuters jeglichen Missbrauch seiner Produkte. Das eigene Angebot würde den europäischen Vorschriften entsprechen und den Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Verbrechen helfen. Laut der Internetseite von RCS Lab späht das Unternehmen allein in Europa täglich 10.000 Ziele aus. Zum Angebot der “rechtmäßigen Überwachung” gehörten unter anderem Sprach-, Datenerfassungs- und Ortungssysteme, heißt es weiter.
“Diese Anbieter ermöglichen die Verbreitung gefährlicher Hacker-Tools und rüsten Regierungen auf, die nicht in der Lage wären, diese Fähigkeiten selbst zu entwickeln”, erklärte Google. Die Spähsoftware-Branche war durch das Pegasus-Programm der israelischen Firma NSO in die Schlagzeilen geraten. Diese Software war von mehreren Regierungen genutzt worden, um Kritiker und Journalisten auszuspähen.
Google erklärte weiter, in einigen der nun aufgedeckten Fälle mit der Spähsoftware aus Italien hätten die Hacker die Spionagesoftware möglicherweise unter Zusammenarbeit mit Internetdienstanbietern eingesetzt. Daraus könne geschlossen werden, dass die Käufer der Programme Verbindungen zu staatlich unterstützten Akteuren hatten. rtr
Als Niklas Höhne Anfang der 2000er-Jahre beginnt, zum Klimaschutz zu forschen, fehlt es den politischen Entscheidern an Informationen: Wie hoch sind die Emissionen? Wie wirken sie sich aus? Wie müssten sie sich verändern, damit die Konsequenzen tragbar sind? Was müssen wir dafür tun? Deshalb entscheidet sich der Physiker für eine Promotion über die Zukunft der internationalen Klimaverhandlungen an der Universität Utrecht und beim Beratungsunternehmen Ecofys.
“Ich wollte die Klimaverhandlungen mit Wissen unterstützen, denn das ist die Basis für gute Entscheidungen”, sagt der Kölner. Er weiß, was in der Klimapolitik gebraucht wird, denn schon im Studium arbeitet er im UN-Klimasekretariat in Bonn, wo Entwürfe für Entscheidungstexte geschrieben und die späteren Abstimmungen vorbereitet werden.
Die ersten Erfolge zeigen sich für Niklas Höhne schon während der Promotion. Eine von ihm erstellte Tabelle zu möglichen Emissionsreduktionen wird in den Bericht des Weltklimarats übernommen: “Die EU und einige Länder wie die USA, Japan und Südkorea haben entschieden, sich an diesen Zahlen zu orientieren. Es war schön zu sehen, dass meine Arbeit wirklich genutzt wurde”, erinnert er sich.
Auf 24 der 26 internationalen Klimakonferenzen war er anwesend. Er verteidigt das langwierige Vorgehen der Vereinten Nationen, bei dem jedes einzelne beteiligte Land ein Vetorecht hat: “Was dabei herauskommt, ist natürlich nicht das Ambitionierteste. Aber es wird von allen 196 Ländern unterstützt. Deshalb hat es einen sehr, sehr großen Wert.”
Auch für ihn selbst sei dieser Prozess frustrierend: “Vor fünfzehn Jahren waren wir noch an dem Punkt, dass wir die globalen Treibhausgas-Emissionen ungefähr so schnell reduzieren mussten, wie sie vorher angestiegen sind. Heute sind die Emissionen um ein Drittel höher und müssen entsprechend sehr viel schneller wieder runter”, sagt Höhne. “Jetzt müssen wir auf die Notbremse treten.”
Dreizehn Jahre lang arbeitet er nach seiner Promotion beim niederländischen Beratungsunternehmen Ecofys, bevor er sich zur Gründung des NewClimate Institute in Deutschland entscheidet. “Das Modell des kommerziellen Beratungsunternehmens gefiel uns immer weniger. Aber ein passendes gemeinnütziges Forschungsinstitut gab es nicht”, sagt der 51-Jährige. Als Professor an der Universität Wageningen ist er weiterhin teilweise in den Niederlanden tätig.
Bekannt wurde das NewClimate Institute unter anderem für den Climate Action Tracker, der aufzeigt, wie sich die globale Erwärmung entwickeln wird und dabei die Selbstverpflichtungen einzelner Staaten berücksichtigt.
Heute ist es also nicht mehr das fehlende Wissen, an dem die Energiewende scheitert. Niklas Höhne sieht nun seine Aufgabe vor allem darin, das vorhandene Wissen an die Menschen heranzutragen, indem er beispielsweise mit Journalisten spricht und Fridays for Future unterstützt. “Wir fühlen uns als Gesellschaft vom Klimawandel noch nicht so bedroht, um zu handeln, wie es der Situation angemessen wäre”, sagt der Familienvater. Manchmal geht er auch selbst freitags auf die Straße. Die Hoffnung nämlich hat Niklas Höhne noch nicht aufgegeben.
Denn heute ist die Rede davon, komplett aus Kohle, Öl und Gast auszusteigen. Es gibt Gerichte, die sich mit Klimaschutz befassen. Und man denkt sogar in Bereichen wie Stahl (Europe.Table berichtete), Zement, Schiffe und Flugzeuge über null Emissionen nach. “Wenn wir es wollen, können wir die Energiewende herbeiführen”, sagt der Experte. “Wir brauchen als Gesellschaft noch einen Schubs, um es auch wirklich zu tun.” Janna Degener-Storr
Frauen in Trachtenkleidern, Männer in Lederhosen, dazu ein stolzer Markus Söder, natürlich im Trachtenjanker: Die Staats- und Regierungschefs der G7 erwartete bei ihrer Ankunft am Münchner Flughafen eine ordentliche Ladung Lokalkolorit. Ein sehr bayerischer Auftakt zu einem Gipfel, der im Zeichen schwerer weltweiter Krisen steht.
Ein Preisdeckel für russisches Öl, ein Importverbot für russisches Gold: US-Präsident Joe Biden machte zu Beginn mit mehreren Vorstößen auf sich aufmerksam. Auch Gastgeber Olaf Scholz hat sich viel vorgenommen für den Gipfel. Auf der Agenda des ersten Tages stand das Ziel, die Klimaclubs voranzubringen – eines seiner Kernthemen zur Bekämpfung des Klimawandels. Lukas Scheid gibt einen Überblick über den ersten Tag auf Schloss Elmau.
Frankreichs Ratspräsidentschaft endet bald, am 1. Juli übernimmt Tschechien. Glück für Europa: Die neue Regierung unter Ministerpräsident Petr Fiala verfolgt einen konstruktiven Kurs und will mit einem ehrgeizigen Programm die europäische Wirtschaft widerstandsfähiger machen. Hans-Peter Siebenhaar hat sich Tschechiens Vorhaben für das kommende Halbjahr genauer angesehen. Sein Fazit: “Die Zeiten des Nationalpopulismus sind in Prag vorerst vorbei. Daran lassen die Ziele der tschechischen Ratspräsidentschaft keine Zweifel.”
Das NewClimate Institute ist unter anderem bekannt für den Climate Action Tracker. Er zeigt, wie sich die globale Erwärmung entwickeln wird – unter Berücksichtigung der Selbstverpflichtungen einzelner Staaten. Gründer des Instituts ist Niklas Höhne, der auch schon mal mit Fridays for Future auf die Straße geht. Mehr über den Klimawissenschaftler erfahren Sie im Porträt von Janna Degener-Storr.
Auf der Agenda für den ersten Gipfeltag stand “Voranbringen der Klimaclubs”. Deren Gründung gilt als eines der Kernthemen des Bundeskanzlers zur Bekämpfung des Klimawandels. Zwar weiß auch am Ende des Tages noch niemand so ganz genau, wie diese Klimaclubs eigentlich aussehen sollen, doch es soll noch heute ein ausverhandeltes Schriftstück der G7-Länder veröffentlicht werden.
Drei Säulen sollen die Klimaclubs umfassen, hieß es bereits vor dem Gipfel aus Regierungskreisen. Erstens: “carbon mitigation” und “carbon pricing“. Zweitens: die industrielle Dekarbonisierung. Und drittens: die Zusammenarbeit mit den Schwellen- und Entwicklungsländern. Aber wie ein Klimaclub künftig dazu beitragen kann, ist noch völlig offen. Einzig bei der dritten Säule wurde man bereits konkreter, doch sie wirft neue Fragen auf.
Die sogenannten Just Energy Transition Partnerships haben schon Formen angenommen und sollen ausgeweitet werden. Die Energiepartnerschaft mit Südafrika (Europe.Table berichtete), die bereits auf der COP26 in Glasgow beschlossen wurde, soll als Vorbild dienen. Schwellenländern soll die Energiewende ermöglicht werden, weg von fossilen, hin zu erneuerbaren Energiequellen. Auch dabei sollen Klimaclubs helfen.
Südafrika wird heute zu Gast auf Schloss Elmau sein – genauso wie der Senegal. Mit dem westafrikanischen Land plant Scholz ebenfalls eine Energiepartnerschaft. Die ist allerdings höchst umstritten und widerspricht dem Gedanken der Klimaclubs. Bei seinem Besuch in der senegalesischen Hauptstadt Dakar Ende Mai sicherte der Bundeskanzler Unterstützung für die Erschließung von Gasfeldern zu (Europe.Table berichtete).
Die Idee: Der Senegal könnte künftig LNG nach Deutschland und Europa liefern. “In der gegenwärtigen Situation besteht ein kurzfristiger Bedarf an umfangreichen Investitionen in die Gasinfrastruktur in Entwicklungsländern und anderswo”, bestätigte der italienische Ministerpräsident Mario Draghi am Sonntagnachmittag auf Schloss Elmau bei der Vorstellung einer “Partnerschaft für Globale Infrastruktur”.
Aus Verhandlungskreisen ist zu hören, dass vor allem die zweite Säule noch Diskussionsbedarf liefert. Zwar haben sich die Staats- und Regierungschefs grundsätzlich auf die Ziele der Klimaclubs geeinigt und “mögen die Idee”, gemeinsam an der industriellen Dekarbonisierung voranzukommen. Doch die Sherpas müssten noch die Details ausarbeiten, so ein hoher EU-Beamter. Knackpunkt ist demnach die Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Instrumente zum Klimaschutz. Es gehe noch darum, wie für alle Länder geltende Standards für eine dekarbonisierte Industrie etabliert werden können. Wie die verschiedenen Klimapolitiken und CO2-Bepreisungsmethoden der Länder zusammengeführt werden können, soll erst im nächsten Schritt diskutiert werden.
Die G7 wollen mit der “Partnerschaft für Globale Infrastruktur” eigentlich einen Gegenentwurf zu Chinas neuer Seidenstraße liefern, mit dem das Land neue Handelswege nach Europa, Afrika, Lateinamerika und in Asien erschließt. 600 Milliarden Dollar bis 2027 kündigte US-Präsident Joe Biden an. Damit solle nachhaltige Infrastruktur geschaffen werden, “die das Leben der Menschen auf der ganzen Welt verbessert”. Die USA sind die Initiatoren des Projekts.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, dass das “Team Europe” 300 Milliarden Euro als Beitrag für die G7-Investitionsinitiative bereitstellen werde. Diese Summe an staatlichem und privatem Geld sei bis 2027 vorgesehen, sagte von der Leyen. “Es liegt an uns, der Welt einen positiven und starken Investitionsimpuls zu geben, um unseren Partnern in den Entwicklungsländern zu zeigen, dass sie eine Wahl haben und dass wir uns solidarisch für ihre Entwicklungsbedürfnisse einsetzen wollen”, sagte sie am Sonntag.
Und zwei weitere Vorschläge brachte Joe Biden mit nach Elmau. Einer sieht vor, Russland dazu zu zwingen, Öl künftig für einen deutlich niedrigeren Preis an große Abnehmer wie Indien zu verkaufen. Dies könnte funktionieren, indem der Westen Dienstleistungen wie Versicherungen für Öltransporte an die Einhaltung des Preisdeckels knüpft. Mit der Obergrenze soll einerseits dafür gesorgt werden, dass Russland nicht länger von Preisanstiegen auf dem Energiemarkt profitiert. Anderseits soll sie weltweit zu einer Entspannung auf den Ölmärkten beitragen.
Die Runde sei auf einem guten Weg, hier eine Einigung zu finden, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Aus Sicht der EU sind noch nicht alle Details geklärt. Ziel einer Preisobergrenze ist, dass Russland nicht länger von Preisanstiegen auf dem Energiemarkt profitiert und so seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine finanzieren kann. Zugleich sollen weitere Preissprünge beim Öl verhindert werden.
Die Pläne eines Goldimportverbots wird die EU dagegen voraussichtlich unterstützen. Er sei zuversichtlich, dass sich der russische Goldsektor so ins Visier nehmen lasse, dass man nicht selbst zum Opfer negativer Auswirkungen werde, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. “Wir wollen auf die russische Finanzierung des Krieges abzielen.” Es sei jedoch zunächst wichtig, “dass wir umsetzen, was wir bereits beschlossen haben”, sagte Michel unter Verweis auf bisherige westliche Sanktionen gegen Russland. Was Gold angehe, so sei man bereit, sich die Pläne im Detail anzuschauen. Er wolle Abstimmungen dazu zwischen den EU-Staaten vorantreiben.
Die G7-Staaten wollen nach Angaben von US-Präsident Joe Biden ein Importverbot für russisches Gold verkünden. Damit würden Russland Dutzende Milliarden Dollar Einnahmen aus diesem wichtigen Exportgut wegbrechen, teilte Biden auf Twitter mit. Ein hochrangiger US-Regierungsmitarbeiter sagte am Sonntag in einer Telefonschalte mit Journalisten, die G7-Staaten würden den Importstopp offiziell am Dienstag verkünden, dem letzten Tag des Gipfels. Frankreich unterstützt Regierungskreisen zufolge das Exportverbot für Gold aus Russland.
Der deutsche Vorschlag für einen befristeten Verzicht auf Biokraftstoffe findet dagegen offenbar keine Zustimmung. Deutschland rechnet nicht mehr damit, dass es auf dem G7-Gipfel eine Einigung dazu geben wird. Verantwortlich sei der Widerstand der USA und Kanadas, heißt es aus Regierungskreisen. “Ein vorübergehender Verzicht auf Biokraftstoffe wäre aber ein wichtiges Signal der G7, um die Getreidepreise kurzfristig zu senken und die Marktsituation zu entspannen.” Ein Beamter des Weißen Hauses sagte, das Thema werde von den Sherpas auf dem Gipfel verhandelt. Mit dpa und Reuters
Europa hat Glück: Die Fünf-Parteien-Koalition unter Ministerpräsident Petr Fiala (Bürgerdemokraten), Ende vergangenen Jahres ins Amt gekommen, hat von Anfang einen konstruktiven Kurs verfolgt. Die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft von Frankreich am ersten Juli wurde von der Regierung in Tschechien daher sorgfältig vorbereitet.
Der frühere Langzeit-Premier Andrej Babiš hatte hingegen aus seiner Aversion keinen Hehl genannt. Der Populist und Milliardär hielt den Aufwand für zu hoch, er wollte das Budget um die Hälfte kürzen. Die Billig-Ratspräsidentschaft war damals auch als starkes Zeichen gegen Brüssel gemeint.
EU-Veteranen ist noch die erste Ratspräsidentschaft im Jahr 2009 in unguter Erinnerung. Damals lähmte eine schwere Regierungskrise den Vorsitz – Ministerpräsident Mirek Topolánek wurde durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Solche Turbulenzen sind diesmal kaum zu befürchten.
Die heutige Regierung will als Motivator Europas in wirtschaftlicher, politischer und geostrategischer Zeit wirken. Regierungschef Fiala, ein Politikwissenschaftler, versteht die EU-Ratspräsidentschaft als Chance, das europapolitische Profil Tschechiens als verlässlicher Partner neu zu definieren. Der 57-Jährige ist seit Langem Chef der liberalkonservativen Občanská demokratická strana (ODS).
Fiala und seine Regierung knüpfen historisch an den legendären tschechischen Präsidenten Václav Havel an. In seiner Rede zur Verleihung des Karlspreises in Aachen forderte der Dichterpräsident 1996 die Europäer auf, “ihr Gewissen neu zu entdecken und Verantwortung für globale ökologische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen zu übernehmen”, wie es im aktuellen Programm der tschechischen Präsidentschaft heißt. Havels Slogan “Europa als Aufgabe” hat die Regierung adaptiert: “Rethink, Rebuild, Repower” lautet ihr Motto für die Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Tschechische Republik ins Mark getroffen. Der Einmarsch der Roten Armee im Jahr 1968, mit dem die Sowjetführung den Prager Frühling beendete, hat sich ins kollektive Gedächtnis des knapp elf Millionen Einwohner großen Landes eingegraben. Als das Land 2004 der EU beitrat, waren Sicherheit und Frieden zentrale Motive.
Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, dass Tschechien alle verfügbaren Ressourcen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und zum Wiederaufbau in der Ukraine mobilisieren will. Prag setzt insbesondere auf die Wiederherstellung kritischer Infrastruktur, aber auch auf die wirtschaftliche Erholung und Sicherung von wichtigen Dienstleistungen.
In diesem Zusammenhang steht auch das Ziel der Ratspräsidentschaft, die Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle aus Russland schleunigst zu verringern. Geplant ist etwa eine schnellere Umsetzung von REPowerEU, um die Ressourcen zu diversifizieren und Energieeinsparungen zu erzielen. Tschechien ist ähnlich wie seine Nachbarn Polen, Slowakei, Österreich und Deutschland stark auf die Energieimporte aus Russland angewiesen.
Einen strategischen Vorteil besitzen die Tschechen allerdings: Atomenergie ist seit jeher ein wichtiger Baustein der Energieversorgung. Das führt allerdings im Verhältnis mit Österreich immer wieder zu Diskussionen, wenn in Kernkraftwerken Sicherheitsprobleme auftreten. Mit der energiepolitischen Grundhaltung liegt Prag aber ganz auf der Linie Brüssels.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Babiš setzt Fiala auf einen engen Kontakt zu Kommission und Parlament. Deshalb wurde mit Mikuláš Bek die Stelle eines Ministers für europäische Angelegenheiten geschaffen. Unter Babiš gab es vorher nur eine Staatssekretärin. Der Regierung in Prag ist die Bedeutung der EU angesichts der wirtschaftlichen Turbulenzen durch den Ukraine-Krieg und die Corona-Krise sehr bewusst.
Derzeit kämpft das Land mit einer überdurchschnittlich hohen Inflation. Hinzu kommen wirtschaftliche Sorgen wie die fragilen Lieferketten, die beispielsweise der Autobranche schwer zu schaffen macht. Die Volkswagen-Tochter Škoda in der Nähe von Prag ist einer der größten Arbeitgeber in Tschechien.
Vor diesem Hintergrund überrascht nicht, dass Tschechiens Ratspräsidentschaft die “strategische Widerstandsfähigkeit” der Wirtschaft in der EU stärken will. “Die EU muss ihre Abhängigkeit von feindseligen und instabilen Regimen drastisch verringern“, heißt es wörtlich in der Prioritätenliste in Prag. “Bei der Dekarbonisierung geht es nicht mehr nur um Klimaschutz. Sie ist jetzt vor allem eine Voraussetzung für unsere Unabhängigkeit und Energiesicherheit“, sagte Ministerpräsident Fiala. “Dieser Wandel muss auf wirtschaftlich und sozial sensible Weise erfolgen, um den Lebensstandard unserer Bürger und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie nicht zu gefährden.”
Ein besonderes Augenmerk gilt den Rohstoffen und wichtigen Lieferketten, etwa bei Halbleitern. Die Lösung sei aber nicht Autarkie. Die tschechische Ratspräsidentschaft schlägt vielmehr vor, die technologische Wettbewerbsfähigkeit gezielt zu fördern. Der Handel mit anderen demokratischen Ländern weltweit und insbesondere die transatlantische Kooperation mit den USA soll ausgebaut werden.
Die EU habe die Chance, beispielsweise im Bereich von Künstlicher Intelligenz (KI) als first mover weltweite Standards zu setzen. Zu den finanzpolitischen Zielen Prags gehört es, die Transparenz bei den zuletzt ins Schlingern geratenen Kryptowährung zu erhöhen und den Missbrauch zu reduzieren.
Mit ihrem proeuropäischen Programm schert Tschechien bewusst aus der Linie der Visegrád-Gruppe aus. Aus dem Quartett mit Polen, Ungarn und der Slowakei werden inzwischen zwei Tandems. In vielen Fragen ziehen Prag und Bratislava an einem Strang. Warschau und Budapest gehen hingegen europapolitisch ganz andere Wege. Die Zeiten des Nationalpopulismus sind in Prag vorerst vorbei. Daran lassen die Ziele der tschechischen Ratspräsidentschaft keine Zweifel. Von Hans-Peter Siebenhaar
Das Parlament in Bulgarien hat sich für eine Aufhebung des Vetos gegen den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien ausgesprochen. Die Abgeordneten stimmten am Freitag mehrheitlich für eine entsprechende Vorlage, die allerdings auch Bedingungen enthielt. Die bulgarische Regierung wurde damit beauftragt, den Vorschlag der französischen EU-Ratspräsidentschaft zur Beilegung des Streits zwischen den beiden Nachbarländern anzunehmen. Mit Ja stimmten 170 Abgeordnete, 36 Parlamentarier votierten mit Nein. Es gab 21 Enthaltungen.
Bulgarien hat seit Ende 2020 den Beginn von EU-Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien blockiert, weil sich Nordmazedonien weigert, auf Forderungen etwa zu Rechten von Bulgarinnen und Bulgaren in dem Land einzugehen. Sofia besteht darauf, dass Bulgarinnen und Bulgaren in Nordmazedonien gleichberechtigt behandelt werden. Von dem Veto war auch der EU-Kandidat Albanien betroffen.
Versuche, die Blockade vor einem am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels organisierten Westbalkan-Treffen zu lösen (Europe.Table berichtete), scheiterten.
Für die Rücknahme des Vetos fordert Bulgarien etwa, dass Bulgarinnen und Bulgaren gleiche Rechte wie andere in Nordmazedonien genießen, indem sie in der Verfassung als Volk festgeschrieben werden. Außerdem wolle Bulgarien eine “mazedonische Sprache” nicht als eigenständig anerkennen – aus bulgarischer Sicht handelt es sich es um eine Form der bulgarischen Sprache. Sofia besteht zudem darauf, dass die EU-Institutionen beobachten, ob Nordmazedonien einen bilateralen Vertrag für gute Nachbarschaft aus dem Jahr 2017 umsetzt. Dieser regelt unter anderem den Umgang mit der teils gemeinsamen Geschichte.
Der Vorschlag des französischen EU-Ratsvorsitzes gebe Bulgarien die Chance, ein hohes Maß an Garantien für dessen Anliegen zu erhalten, sagte der Co-Vorsitzende des Bündnisses Demokratisches Bulgarien (DB), Hristo Iwanow, vor der Abstimmung. Der Jurist hatte die Vorlage ins Parlament eingebracht. Er lobte, dass mit diesem Vorschlag die Probleme zwischen beiden Ländern zu europäischen Problemen würden.
Für die Nationalisten wäre eine Aufhebung des Vetos ein “nationaler Verrat”. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron würdigte die Abstimmung als “wichtigen Fortschritt”. Die notwendige technische Arbeit sowie die Gespräche gingen bald weiter, um in den kommenden Tagen eine Übereinkunft zu formalisieren. dpa
Wegen der Beschränkung des Transits in die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad zwischen Litauen und Polen wird in Moskau nun die Rechtmäßigkeit der litauischen Grenze bestritten. “Im Grunde genommen hat Litauen damit seine eigenen Grenzen infrage gestellt”, sagte der Chef der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, Dmitri Rogosin, am Samstag im Staatsfernsehen. Der ungehinderte Transit sei Bedingung dafür, dass Russland die Grenzen der ehemaligen Sowjetrepublik Litauen anerkenne. “Litauen hat sich damit nicht nur ins Bein, sondern in den Kopf geschossen.”
Das heutige EU-Land hatte vor einer Woche den Transit von Waren gestoppt, die auf der Sanktionsliste der EU stehen. Nach Angaben von Kaliningrads Gouverneur Anton Alichanow sind 40 bis 50 Prozent des Transits zwischen Kern-Russland und Kaliningrad betroffen. Unter anderem dürfen nun kein Zement, keine Baumaterialien oder Metalle mehr auf dem Landweg in die russische Ostseeregion gebracht werden. Russische Offizielle hatten deshalb bereits Gegenmaßnahmen angekündigt. So wurde der Ausschluss Litauens aus dem gemeinsamen Stromnetz vorgeschlagen.
Die nun angeregte Aufhebung des russisch-litauischen Vertrags über die Staatsgrenze würde eine Eskalation bedeuten. In russischen Talkshows werden seit Wochen Forderungen laut, einen “Korridor” nach Kaliningrad zu erobern. Rogosin ist der erste hochgestellte russische Beamte, dessen Forderungen in diese Richtung gehen. dpa
Jahrelange Gespräche über die Modernisierung des internationalen Energiecharta-Vertrags endeten am Freitag mit einer vorläufigen Einigung. Diese ermöglicht den Ausschluss von Interessen an fossilen Brennstoffen. Aus Sicht von Umweltschützern geht dies aber nicht schnell genug.
Der Vertrag über die Energiecharta (ECT) aus dem Jahr 1994 (Europe.Table berichtete) sollte den Energiesektor in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion unterstützen und Investoren die Möglichkeit geben, Regierungen zu verklagen, wenn ihre Investitionen durch die Politik gefährdet sind.
Die aktualisierte Fassung gibt den Ländern die Möglichkeit, den Schutz für Investitionen in fossile Brennstoffe aufzuheben. Bestehende Investitionen können zehn Jahre nach Inkrafttreten des neuen Mechanismus ausgeschlossen werden, neue Investitionen neun Monate danach. Das aktualisierte Abkommen führt Technologien ein, die zuvor nicht abgedeckt waren, darunter Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. Die Verhandlungsführer haben zudem versucht, mehr Transparenz in die Bestimmungen zur Streitbeilegung zu bringen und stärkere Schutzmaßnahmen gegen unbegründete Forderungen einzuführen.
EU-Energiekommissar Kadri Simson schrieb auf Twitter, dass die Verhandlungen “lang und schwierig” gewesen seien, aber dass die “überarbeiteten ECT besser mit den EU-Klimaambitionen übereinstimmen und dazu beitragen werden, neue Investitionen in Saubere-Energie-Technologien zu lenken”.
Die Umweltrechtsorganisation ClientEarth kritisierte jedoch, der Vorschlag stehe immer noch nicht im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015. “Die EU-Länder könnten immer noch verklagt werden, wenn sie für mindestens ein weiteres Jahrzehnt eine fortschrittliche Klimapolitik einführen – das entscheidende Zeitfenster für Maßnahmen, wenn die Menschheit eine Klimakatastrophe vermeiden will”, sagte ClientEarth-Anwältin Amandine Van Den Berghe.
Spanien, Frankreich und Luxemburg haben die Möglichkeit eines Ausstiegs der EU-Länder aus dem Vertrag ins Spiel gebracht. Die spanische Energie- und Umweltministerin Teresa Ribera forderte diese Woche laut einem Bericht von “Politico” einen “koordinierten Ausstieg” der EU.
Der deutsche Energieversorger RWE nutzte den Vertrag im vergangenen Jahr, um eine Entschädigung für einen niederländischen Plan zum Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 zu fordern, von dem das RWE-Kraftwerk Eemshaven betroffen wäre.
Die vorläufige Einigung basiert nach Angaben der Kommission auf dem Verfahren der stillschweigenden Zustimmung. Das bedeutet, dass der Text formell angenommen wird, wenn alle Parteien bis zu einer Konferenz im November schweigen. Er bedarf dann der Zustimmung des Europäischen Rates und der Zustimmung des Europäischen Parlaments. rtr/sas
Die von den Betreibern der Erdgasnetze favorisierte Beimischung von Wasserstoff in Fernleitungen trifft auf Widerstand im EU-Parlament. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, Transportnetzbetreiber ab Oktober 2025 zu verpflichten, beim Grenzübergang eine Beimischung von bis zu fünf Prozent Wasserstoff zu akzeptieren. Der Berichterstatter des ITRE zur Gasmarkt-Verordnung, Jerzy Buzek (EVP), will den entsprechenden Absatz streichen. Das geht aus dem Entwurf des Berichtes hervor, den “Contexte” am Freitag veröffentlichte.
Stattdessen will Buzek eine Quote von maximal zwei Prozent ermöglichen. Erst dann soll das Verfahren zur grenzüberschreitenden Koordinierung greifen, das die Kommission in der Verordnung festschreiben will. Das Verfahren soll Streitigkeiten zwischen Leitungsbetreibern und Regulierungsbehörden benachbarter Mitgliedstaaten schlichten, falls sie die Gasqualität des jeweils anderen Staates für inkompatibel mit ihren nationalen Bestimmungen halten. Die europäische Regulierungsbehörde ACER hätte im Streitfall das letzte Wort.
Im entsprechenden Erwägungsgrund will Buzek die Beimischung als “letztes Mittel” festschreiben und klarstellen, dass die Anwendung in den Sektoren Industrie und Transport Priorität habe. Grundsätzlich sollen die Mitgliedstaaten aber frei entscheiden können, ob sie ihren Gasnetzen Wasserstoff beimischen. ber
Der Bundestag hat Teile des von der Koalition geplanten Gesetzespakets zum beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien verabschiedet. Für mehrere Änderungen im Energiewirtschaftsrecht aus dem sogenannten Osterpaket votierten am Freitag die Fraktionen der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Die Union als größte Oppositionspartei stimmte ebenfalls zu, Linke und AfD jeweils dagegen. Das Kabinett hatte das Vorhaben im April verabschiedet.
Mit den Änderungen wird das Ziel, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, unmittelbar ins Gesetz aufgenommen und in den Planungsverfahren zum Ausbau der Stromnetze stärker verankert. Die Verfahren werden stärker gebündelt. Laut Wirtschaftsministerium gibt es künftig beispielsweise Regelungen für einen vorzeitigen Baubeginn bei bestimmten Projekten schon während des Zulassungsverfahrens. “Damit ist eine wichtige Etappe geschafft, die vor allem den Ausbau der Stromnetze beschleunigt”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Der Bedarfsplan zum Ausbau der Netze wird zudem aktualisiert. 19 Bauvorhaben werden neu aufgenommen, 17 Projekte geändert, eines gestrichen. “Für die Realisierung der neu in den Bundesbedarfsplan aufgenommenen Vorhaben werden schätzungsweise Investitionskosten in Höhe von circa 10,8 Milliarden Euro entstehen, die über einen mehrjährigen Zeitraum verteilt werden”, heißt es im Gesetzentwurf.
Unternehmen, die Haushalte nicht mehr mit Energie beliefern wollen, müssen dies künftig mindestens drei Monate vorher bei der Bundesnetzagentur anzeigen. Die Behörde erhält zudem zusätzliche Befugnisse gegenüber Energielieferanten. Ad-Hoc-Kündigungen hätten im vergangenen Winter viele Verbraucher kalt erwischt und stark verunsichert, so Habeck. “Dem schieben wir jetzt einen Riegel vor. So etwas kann es künftig nicht mehr geben.”
Die beschlossenen Maßnahmen sind auch eine Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine, der die Preise für fossile Energien deutlich nach oben getrieben hat. Deutschland will unabhängiger von russischen Lieferungen werden, von denen es vor allem bei Gas stark angewiesen ist. Das Osterpaket – ein ganzes Bündel an Gesetzesänderungen – ist laut Wirtschaftsministerium die größte Novelle seit Jahrzehnten im Energiebereich. Damit soll die Geschwindigkeit beim Ausbau erneuerbarer Energien verdreifacht werden. rtr
Frankreich bereitet angesichts der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Energie-Krise den Neustart des Kohlekraftwerks in Saint-Avold bei Saarbrücken vor. Das erst Ende März vom Netz gegangene Kraftwerk solle im nächsten Winter angesichts der Spannungen auf dem Energiemarkt und der Situation in der Ukraine vorsorglich wieder in Betrieb genommen werden, teilte das Energieministerium in Paris am Sonntag mit, wie der Sender BFMTV berichtete. An der grundsätzlichen Entscheidung zum Kohleausstieg ändere das nichts. Bis auf ein Reservekraftwerk war das Werk in Lothringen bei Saint-Avold das letzte in Frankreich.
Grundlage für den Neustart des Kraftwerks ist ein Gesetz zur Abfederung der Krise, das im Juli beschlossen werden soll, berichtete der Sender RTL. Die Ende März entlassenen 71 Beschäftigten könnten demnach bereits kurzfristig und befristet bis Ende 2023 wieder eingestellt werden, um das Kraftwerk auf einen Neustart vorzubereiten.
Bereits in den Wochen vor seiner Schließung hatte das Kraftwerk auf Hochtouren Kohle verfeuert, um den Strombedarf zu decken. Für Frankreich spielt russisches Erdgas zwar keine große Rolle. Rund die Hälfte der Atomkraftwerke sind im Moment aber wegen Defekten oder Wartungen vom Netz, sodass die Meiler weniger Strom als üblich liefern. dpa
In Italien und Kasachstan ist es laut Google zu einem Hackerangriff auf Handys gekommen, der an den Einsatz der Spionagesoftware Pegasus erinnert (Europe.Table berichtete). Betroffen von der Attacke mit Hacking-Tools des italienischen Unternehmens RCS Lab seien Apple- und Android-Smartphones, teilte Google am Donnerstag mit. Programme des in Mailand ansässigen Unternehmens könnten private Nachrichten und Kontakte auf Smartphones auslesen. Von Apple sowie den Regierungen von Italien und Kasachstan lag zunächst keine Stellungnahme vor.
RCS Lab verurteilte in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur Reuters jeglichen Missbrauch seiner Produkte. Das eigene Angebot würde den europäischen Vorschriften entsprechen und den Strafverfolgungsbehörden bei der Aufklärung von Verbrechen helfen. Laut der Internetseite von RCS Lab späht das Unternehmen allein in Europa täglich 10.000 Ziele aus. Zum Angebot der “rechtmäßigen Überwachung” gehörten unter anderem Sprach-, Datenerfassungs- und Ortungssysteme, heißt es weiter.
“Diese Anbieter ermöglichen die Verbreitung gefährlicher Hacker-Tools und rüsten Regierungen auf, die nicht in der Lage wären, diese Fähigkeiten selbst zu entwickeln”, erklärte Google. Die Spähsoftware-Branche war durch das Pegasus-Programm der israelischen Firma NSO in die Schlagzeilen geraten. Diese Software war von mehreren Regierungen genutzt worden, um Kritiker und Journalisten auszuspähen.
Google erklärte weiter, in einigen der nun aufgedeckten Fälle mit der Spähsoftware aus Italien hätten die Hacker die Spionagesoftware möglicherweise unter Zusammenarbeit mit Internetdienstanbietern eingesetzt. Daraus könne geschlossen werden, dass die Käufer der Programme Verbindungen zu staatlich unterstützten Akteuren hatten. rtr
Als Niklas Höhne Anfang der 2000er-Jahre beginnt, zum Klimaschutz zu forschen, fehlt es den politischen Entscheidern an Informationen: Wie hoch sind die Emissionen? Wie wirken sie sich aus? Wie müssten sie sich verändern, damit die Konsequenzen tragbar sind? Was müssen wir dafür tun? Deshalb entscheidet sich der Physiker für eine Promotion über die Zukunft der internationalen Klimaverhandlungen an der Universität Utrecht und beim Beratungsunternehmen Ecofys.
“Ich wollte die Klimaverhandlungen mit Wissen unterstützen, denn das ist die Basis für gute Entscheidungen”, sagt der Kölner. Er weiß, was in der Klimapolitik gebraucht wird, denn schon im Studium arbeitet er im UN-Klimasekretariat in Bonn, wo Entwürfe für Entscheidungstexte geschrieben und die späteren Abstimmungen vorbereitet werden.
Die ersten Erfolge zeigen sich für Niklas Höhne schon während der Promotion. Eine von ihm erstellte Tabelle zu möglichen Emissionsreduktionen wird in den Bericht des Weltklimarats übernommen: “Die EU und einige Länder wie die USA, Japan und Südkorea haben entschieden, sich an diesen Zahlen zu orientieren. Es war schön zu sehen, dass meine Arbeit wirklich genutzt wurde”, erinnert er sich.
Auf 24 der 26 internationalen Klimakonferenzen war er anwesend. Er verteidigt das langwierige Vorgehen der Vereinten Nationen, bei dem jedes einzelne beteiligte Land ein Vetorecht hat: “Was dabei herauskommt, ist natürlich nicht das Ambitionierteste. Aber es wird von allen 196 Ländern unterstützt. Deshalb hat es einen sehr, sehr großen Wert.”
Auch für ihn selbst sei dieser Prozess frustrierend: “Vor fünfzehn Jahren waren wir noch an dem Punkt, dass wir die globalen Treibhausgas-Emissionen ungefähr so schnell reduzieren mussten, wie sie vorher angestiegen sind. Heute sind die Emissionen um ein Drittel höher und müssen entsprechend sehr viel schneller wieder runter”, sagt Höhne. “Jetzt müssen wir auf die Notbremse treten.”
Dreizehn Jahre lang arbeitet er nach seiner Promotion beim niederländischen Beratungsunternehmen Ecofys, bevor er sich zur Gründung des NewClimate Institute in Deutschland entscheidet. “Das Modell des kommerziellen Beratungsunternehmens gefiel uns immer weniger. Aber ein passendes gemeinnütziges Forschungsinstitut gab es nicht”, sagt der 51-Jährige. Als Professor an der Universität Wageningen ist er weiterhin teilweise in den Niederlanden tätig.
Bekannt wurde das NewClimate Institute unter anderem für den Climate Action Tracker, der aufzeigt, wie sich die globale Erwärmung entwickeln wird und dabei die Selbstverpflichtungen einzelner Staaten berücksichtigt.
Heute ist es also nicht mehr das fehlende Wissen, an dem die Energiewende scheitert. Niklas Höhne sieht nun seine Aufgabe vor allem darin, das vorhandene Wissen an die Menschen heranzutragen, indem er beispielsweise mit Journalisten spricht und Fridays for Future unterstützt. “Wir fühlen uns als Gesellschaft vom Klimawandel noch nicht so bedroht, um zu handeln, wie es der Situation angemessen wäre”, sagt der Familienvater. Manchmal geht er auch selbst freitags auf die Straße. Die Hoffnung nämlich hat Niklas Höhne noch nicht aufgegeben.
Denn heute ist die Rede davon, komplett aus Kohle, Öl und Gast auszusteigen. Es gibt Gerichte, die sich mit Klimaschutz befassen. Und man denkt sogar in Bereichen wie Stahl (Europe.Table berichtete), Zement, Schiffe und Flugzeuge über null Emissionen nach. “Wenn wir es wollen, können wir die Energiewende herbeiführen”, sagt der Experte. “Wir brauchen als Gesellschaft noch einen Schubs, um es auch wirklich zu tun.” Janna Degener-Storr