Table.Briefing: Europe

Energiepreise + Nato + Cybersicherheit

  • Regulierte Energiepreise auch für den Mittelstand
  • BECCS: Negativ-Emissionen und der Streit um die Rolle der Biomasse
  • Regierungsparteien unterstützen Nato-Beitritt
  • Johanssons CSAM-Vorschlag: Koalition uneinig
  • Neue Cybersicherheitsregeln für Unternehmen und Behörden
  • Bund lehnt Rechtsakt zur Taxonomie ab
  • Standpunkt: Konferenz zur Zukunft Europas
  • Neue Pressesprecherin in der Kommissionvertretung
Liebe Leserin, lieber Leser,

Eine Triebfeder für die europäische Einigung sollte sie sein, die Konferenz zur Zukunft Europas. Trotzdem ist der Widerstand gegen Vertragsänderungen weiterhin groß. Doch die Bedingungen für Reformen sind so gut wie schon lange nicht mehr, schreiben Thu Nguyen und Nils Redeker vom Jacques Delors Centre. In ihrem Standpunkt zeigen sie der Bundesregierung Wege auf, wie sie die Impulse für eine stärkere sicherheitspolitische Zusammenarbeit und eine bessere finanzielle Ausstattung der EU nutzen kann.

Erleben können Sie Redeker und Nguyen übrigens am Mittwoch bei unserer Digitalkonferenz Europe.Decisions. Zum Thema “Putins Krieg – Europas Optionen für Politik, Wirtschaft & Wissenschaft” präsentieren wir mit dem Jacques Delors Centre 30 High-Level-Speaker in 150 Minuten. Nutzen Sie die Chance und melden Sie sich an!

Die aktuelle Agenda der EU wird ab heute auch wieder das zentrale Thema von Birgit Schmeitzner. Als neue Leiterin der Pressestelle der Kommissionsvertretung in Deutschland wird sie die Politik der Behörde für die Medien übersetzen. Die wichtigsten Stationen der bisherigen Korrespondentin von Moskau bis Brüssel fasst für Sie Ulrike Christl in ihrem Portrait zusammen.

In Brüssel steht morgen die Klimaneutralität im Mittelpunkt der Beratungen des Umweltausschusses. Erreichen lässt sich Net-Zero aber nur, wenn CO2 nicht nur vermieden, sondern auch wieder aus der Atmosphäre entfernt wird. Eine der meistgenannten, aber auch umstrittensten Lösungen ist Bioenergy, Carbon Capture and Storage (BECCS). Was Wissenschaft und Parlament von der Technologie halten, analysiert Timo Landenberger.

Ihr
Manuel Berkel
Bild von Manuel  Berkel

Analyse

Regulierte Energiepreise auch für den Mittelstand

Die neuen Vorschläge zum Strompreis würden noch über Pläne aus dem März hinausgehen. “Eine vorübergehende Ausweitung des Geltungsbereichs der regulierten Endkundenpreise könnte ins Auge gefasst werden, um auch kleine und mittlere Unternehmen zu erfassen”, heißt es im Entwurf einer Mitteilung zu Energiepreisen, welche die EU-Kommission am Mittwoch mit dem REPowerEU-Paket vorstellen will.

Die erste Mitteilung zu REPowerEU vom März enthielt bereits eine Auslegung der Kommission zur Strombinnenmarkt-Richtlinie. Artikel 5 erlaubt staatlich regulierte Preise in bestimmten Fällen für Haushaltskunden und unter noch engeren Bedingungen für Kleinstunternehmen. Die nun vorgeschlagene Ausweitung auf kleine und mittlere Unternehmen würde den Kreis der Begünstigten stark ausdehnen. “Diese Ausweitung müsste in Bezug auf die erfassten Mengen begrenzt werden, um nicht zu einem Anstieg des Verbrauchs zu führen”, heißt es deshalb in dem Entwurf der EU-Kommission zu Energiepreisen.

Das Papier setzt sich außerdem mit Vorschlägen zur längerfristigen Reform der Strommärkte auseinander. Haushaltskunden hatten zuletzt mit dem Bankrott einer ganzen Reihe von Lieferanten zu kämpfen, die auf anhaltend niedrige Strompreise spekuliert und ihre Risiken nicht durch Hedging-Geschäfte abgesichert hatten.

Stromversorger sollen Geschäfte absichern

Die Kommission bringt nun Vorgaben für Stromlieferanten ins Spiel, mit denen sie einen Teil ihrer Verpflichtungen absichern müssen. Versorger könnten außerdem dazu verpflichtet werden, Verträge mit Preisgarantien anzubieten. Eine ähnliche Vorgabe enthält die Strombinnenmarkt-Richtlinie bereits für sogenannte dynamische Tarife.

Abgeschlossen hat die Kommission ihre Meinungsbildung zur Reform der Strommärkte aber noch nicht und kündigt eine Folgeabschätzung sowie einen Dialog mit Stakeholdern und den nationalen Regulierungsbehörden an.

Konkreter sind die Überlegungen für den Fall eines weitgehenden russischen Gas-Lieferstopps. Die EU-Kommission schlägt staatliche Preisdeckel vor. “Eine Möglichkeit wäre, die Preisbildung während dieses Störungsszenarios durch eine Preisobergrenze an den europäischen Gasbörsen zu begrenzen.” Solch eine zeitlich begrenzte Maßnahme erfordere unter Umständen aber erhebliche Summen.

Zudem heißt es, dass eine solche Maßnahme Herausforderungen mit sich bringe. “Es müsste sichergestellt werden, dass die Einführung einer solchen Preisobergrenze den Zugang der EU zu Gas- und LNG-Lieferungen nicht verschlechtert.” Bereits im März war auf einem EU-Gipfel lange und hart um das Thema gerungen worden. Am Ende gab es lediglich Ausnahmen für Spanien und Portugal (Europe.Table berichtete). Länder wie Deutschland und die Niederlande lehnten damals einen solchen Markteingriff ab.

G7 als Gaskartell

Der Europaabgeordnete Michael Bloss kritisierte die Idee. “Den Gaspreis zu deckeln ist keine Lösung, damit werfen wir Putin und anderen Gaslieferanten Milliarden von Steuergeldern in den Rachen”, sagte der Grünen-Politiker. Statt die “übertrieben hohen” Gaspreise zu bezahlen, brauche es ein Käuferkartell. Der Gaspreis falle, wenn etwa die die Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen (G7) nur noch für einen geringen Preis Gas einkaufe.

Die Kommission möchte bisher lediglich einen gemeinsame Beschaffungsplattform für die EU-Staaten und die Mitglieder der Europäischen Energiegemeinschaft wie die Ukraine einrichten. Die Teilnahme sei aber freiwillig, betont die Kommission in dem aktuellen Papier.

Die Kommission räumt außerdem ein, dass die SoS-Verordnung bei einem Komplettausfall russischer Gaslieferungen an ihre Grenze kommen könnte. Die Solidaritätsmechanismen seien für nationale Gasmangellagen konzipiert. “Im Falle weiterer Unterbrechungen der Gasversorgung, die mehrere Mitgliedstaaten gleichzeitig betreffen, könnten zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein”, heißt es im Entwurf. Möglicherweise müssten dann auch Gesetzesänderungen geprüft werden.

Mit einem anderen Entwurf der Kommission zu REPowerEU waren bereits Pläne der Kommission bekannt geworden (Europe.Table berichtete), wichtige schützenswerte Verbraucher in der Wirtschaft zu identifizieren und Kriterien für ein abgestimmtes Vorgehen bei einer unionsweiten Gasmangellage zu erarbeiten. mit dpa

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BECCS: Negativ-Emissionen und der Streit um die Rolle der Biomasse

Das Ziel ist klar: Im Jahr 2050 will die Europäische Union klimaneutral sein. Doch auch darüber hinaus wird es Emissionen geben, die sich nicht vermeiden lassen, etwa in der Landwirtschaft, im Verkehrsbereich, aber auch in manchen Industriezweigen. Die Notwendigkeit sogenannter Negativ-Emissionen ist also keine neue Erkenntnis. Lange Zeit ist man in der Klimapolitik jedoch davon ausgegangen, dass natürliche Senken nebst Maßnahmen zur Wiederbewaldung oder zur Vernässung von Mooren ausreichen würden, um genügend Treibhausgase aus der Luft zu filtern.

Bio Energy with Carbon Capture and Storage

Inzwischen lautet das Ergebnis zahlreicher Studien: Wir brauchen technologische Lösungen zur Entnahme von CO2 und zur anschließenden geologischen Speicherung (Europe.Table berichtete). Auch der Weltklimarat (IPCC) verweist auf die Bedeutung von Carbon Capture and Storage. Andernfalls sei das 1,5-Grad-Ziel kaum zu erreichen.

Eine in den Berichten des IPCC häufig erwähnte und viel diskutierte Methode heißt BECCS – Bio Energy with Carbon Capture and Storage. Dabei wird Pflanzenbiomasse, die auf natürliche Weise CO2 aus der Atmosphäre filtert, großflächig angebaut. Die geernteten Pflanzen werden in Biogasanlagen verwertet, zur Strom- oder Wärmegewinnung verbrannt oder zur Herstellung von Biokraftstoffen für den Verkehrssektor verwendet.

Natürliche Filter – technische Speicher

Das gespeicherte Kohlendioxid wird wieder freigesetzt. Ein Großteil davon kann aber technisch aufgefangen und entweder unterirdisch gespeichert werden (CCS) – beispielsweise in ehemaligen Gas- oder Öllagerstätten oder unter dem Meeresboden – oder es wird als Grundstoff der chemischen Industrie wiederverwendet (CCU).

Doch auch wenn die Klimaziele ohne CCS-Technologien schwer zu erreichen sind, spielen diese im Instrumentenmix der EU bislang kaum eine Rolle. Die Maßnahmen des Fit-for-55-Pakets zielen in erster Linie auf die Reduktion des CO2-Ausstoßes ab. Negativ-Emissionen werden nur im LULUCF-Sektor (Land Use, Land Use Change and Foresty) adressiert, der sich auf natürliche Senken konzentriert. Technische Möglichkeiten werden weitgehend ausgeklammert.

Für Norbert Lins (CDU), Vorsitzender des Agrarausschusses im EU-Parlament, nur schwer verständlich. “In unserem Bericht zu LULUCF stehen wir technischen Lösungen wie BECCS offen gegenüber.” Aufgrund der Federführung des Umweltausschusses werde die Position des Parlaments hier aber zurückhaltend ausfallen. “Sich nur auf natürliche Senken zu verlassen, kann ein gefährliches Spiel sein.”

LULUCF-Senkleistung rückläufig

Schließlich ist die Senkleistung im LULUCF-Bereich seit Jahren rückläufig und lag 2019 bei nur noch 249 Millionen Tonnen CO2. Etwa 100 Millionen Tonnen weniger als noch vor 15 Jahren. Grund dafür ist die Altersstruktur der Wälder, Dürreperioden und Schädlinge. Diesen Trend gelte es zunächst einmal umzukehren, so Lins. Ziel der LULUCF-Verordnung, die am Dienstag im Umweltausschuss abgestimmt werden soll: 310 Millionen Tonnen Senkleistung bis 2030. Bis 2035 sollen der Land- und Forstwirtschaftssektor zusammen klimaneutral sein. Danach soll zusätzliche natürliche Senkleistung zur Kompensation der Residualemissionen beitragen.

Bei der Europäischen Kommission zeigt man sich derweil offener für technische Lösungen zur Abspaltung und Speicherung von CO2. So will die Behörde zur Entwicklung eines Binnenmarkts für die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 und zur Bereitstellung der notwendigen grenzüberschreitenden CO2-Transportinfrastruktur beitragen.

Das Ziel: Bis 2030 sollten jährlich fünf Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt und mithilfe technischer Lösungen dauerhaft gespeichert werden. Auf kurze Sicht wird der aus dem EU-Emissionshandel (ETS) finanzierte Innovationsfonds das wichtigste Finanzierungsinstrument für diese Technologien sein. Auch die BECCS-Methode ist Teil der Kommissionspläne. Erste umfassende Projekte in Schweden werden bereits mit EU-Fördergeldern bezuschusst.

Dabei sei noch völlig unklar, ob die heutigen BECCS-Konzepte überhaupt skalierbar seien und wie lange das abgeschiedene CO2 tatsächlich in den unterirdischen Speicherstätten verbleibt, kritisiert Jutta Paulus, Europaabgeordnete der Grünen. In einem Positionspapier der Heinrich-Böll-Stiftung heißt es: “Fantasie-Technologien wie BECCS sind die perfekte Ausrede für umweltbelastende Industrien, weiterhin fossile Brennstoffe zu verwenden und auf Technologien mit negativen Emissionen zu setzen, um Emissionen in Zukunft in ausreichendem Umfang zu beseitigen.”

Flächenkonkurrenz mit Lebensmittelproduktion

Auch der große Flächenbedarf sei ein Problem. Insbesondere, wenn für BECCS schnell wachsende Energiepflanzen wie Schilf oder Eukalyptus kultiviert werden sollen, was die Fruchtbarkeit und den Wasserhaushalt der Böden sowie die Artenvielfalt beeinträchtigen würde, befürchten Wissenschaftler.

“Hier gibt es eine erhebliche Lücke zwischen der angenommenen Biomassenutzung und den verfügbaren Mengen, die nachhaltig sind und nicht mit höherwertigen Nutzungen wie der Nahrungsmittelproduktion oder der Erhaltung von Ökosystemen in Konflikt stehen. Diese Lücke beträgt manchmal bis zu 60 Prozent”, sagt Lars Walloe vom Science Advisory Council der European Academies (EASAC). Die EASAC Empfehlung: “Solange Vorteile und die Machbarkeit von BECCS nicht bewiesen sind, sollten die EU und die nationalen Regierungen keine Subventionen dafür anbieten”.

Beim Bundesverband Bioenergie sieht man das anders. Vielmehr sollten die politischen Ziele von Treibhausgassenken so formuliert werden, dass sämtliche Negativ-Emissionen bilanziert und angerechnet werden können, heißt es in einem Positionspapier. Geschäftsführer Gerolf Bücheler: “Das Alleinstellungsmerkmal der Bioenergie unter den erneuerbaren Energien ist, dass sie in den natürlichen CO2-Kreislauf eingebunden ist und damit nicht nur flexibel erneuerbare Energie bereitstellen kann, sondern sich entlang der gesamten Kette Möglichkeiten für CO2-Senken ergeben.”

Die Bundesregierung sei “zu diesem Thema noch in Gesprächen”, teilt eine Sprecherin des Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit. Entsprechend könne man noch keine Details nennen. Das BMWK fördere aber im Rahmen der angewandten Energieforschung Technologien zur CO2-Abscheidung und -Nutzung mit rund 10 Millionen Euro jährlich.

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News

Regierungsparteien unterstützen Nato-Beitritt

Finnische Spitzenpolitiker haben gestern ihre Absicht bekräftigt, einen Antrag für einen Nato-Beitritt zu stellen. Der finnische Präsident Sauli Niinistö und Regierungschefin Sanna Marin kündigten den Schritt bei einer Pressekonferenz in Helsinki an. Marins sozialdemokratische Regierungspartei SDP hatte sich am Samstag für den Schritt ausgesprochen. Damit gilt eine Mehrheit im Parlament für einen Nato-Beitritt Finnlands als sicher.

Nur wenige Stunden nach der Pressekonferenz in Helsinki verkündeten die regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson in Stockholm, einen Beitrittsantrag Schwedens ebenfalls zu unterstützen. In beiden Ländern soll nun heute das Parlament zusammentreten, um über die Nato-Mitgliedschaft zu debattieren.

Russland bezeichnet Nato-Beitritt Finnlands als Fehler

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den geplanten Nato-Beitritt Finnlands in einem Telefonat mit Niinistö am Samstag als Fehler bezeichnet. Von Russland gehe keine Bedrohung für das Nachbarland aus, betonte Putin nach Kremlangaben bei dem Gespräch. Finnlands Abkehr von der traditionellen Neutralität werde zu einer Verschlechterung der bislang guten nachbarschaftlichen Beziehungen führen. Direkte Drohungen habe es bei dem Gespräch aber keine gegeben, betonte Niinistö. dpa

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CSAM-Vorschlag: Koalition uneinig

Der Vorschlag der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson zur Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs (Europe.Table berichtete) stößt in der Ampelkoalition in Berlin auf ein widersprüchliches Echo.

Faeser: Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen

“Die Ministerin begrüßt diesen Entwurf ausdrücklich“, so eine Sprecherin des von Nancy Faeser (SPD) geführten Bundesinnenministeriums. “Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen und die Verbreitung furchtbarer Missbrauchsdarstellungen von Kindern über das Internet zu verhindern, muss für uns alle höchste Priorität haben.” Dazu müsse gezielt gegen die Täter und ihre Netzwerke vorgegangen werden.

Die im Entwurf vorgesehenen Mitwirkungspflichten durch Internetzugangs- und Diensteanbieter sieht man im BMI offenkundig nicht als so problematisch an wie die zahlreichen Kritiker des Entwurfs (Europe.Table berichtete). “Etwaige Verpflichtungen kommen nur dann zu tragen, wenn freiwillige Maßnahmen der Dienstanbieter nicht ausreichen, um die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen wirksam zu verhindern”, so das BMI. “Eine verpflichtende allgemeine und anlasslose Suche wird durch den Verordnungsentwurf ausgeschlossen.” Er sehe zudem hohe Mindestanforderungen an die eingesetzte Technik vor, bleibe aber technologieneutral. Man wolle den Entwurf nun detailliert prüfen, um “verschiedene Szenarien der Anbieterpflichten” zu bewerten.

Wissing: Keine anlasslose Kontrolle privater Kommunikation

Ganz anders hingegen der Sound der FDP-geführten Häuser. “Das Bundesministerium der Justiz prüft den Entwurf derzeit kritisch – gerade auch im Lichte der im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele”, teilt das Bundesjustizministerium unter Marco Buschmann mit. “Diese Prüfung dauert zurzeit noch an.” Der Koalitionsvertrag enthält auf Seite 16 unter anderem einen Passus, mit dem IT-Sicherheit und digitale Bürgerrechte zur staatlichen Pflicht erhoben werden. Zudem soll es ein Recht auf Verschlüsselung und “Security-by-Design/Default”-Vorgaben geben. Außerdem ist im Koalitionsvertrag festgehalten, dass verpflichtende Uploadfilter abgelehnt werden (S. 110).

Im ebenfalls FDP-geführten Digitalministerium unter Volker Wissing ist man in seiner Kritik weniger diplomatisch: Kinder müssten vor Missbrauch im Netz geschützt werden. “Gleichzeitig darf es nicht zu einer anlasslosen Kontrolle privater Kommunikation kommen”, teilte das BMDV per Twitter mit. Das Ministerium wolle “darauf hinwirken, deutlich zielgerichteter vorzugehen.” fst

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Neue Cybersicherheitsregeln für Unternehmen und Behörden

Die EU-Institutionen haben sich auf strengere Cybersicherheitsvorschriften für zehntausende von Unternehmen geeinigt. Die neue NIS-2-Richtlinie verpflichtet Firmen aus “essenziellen Sektoren” wie Energie, Verkehr, Banken, Finanzmarktinfrastruktur, Gesundheit dazu, Mindeststandards beim Schutz ihrer IT-Systeme zu beachten und die zuständigen Behörden über erfolgte Cyberangriffe zu informieren.

NIS-2-Richtlinie auch für Unternehmen aus “wichtigen Sektoren”

Ebenfalls unter die neuen Regeln fallen werden alle mittleren und großen Unternehmen aus sogenannten “wichtige Sektoren” wie Post- und Kurierdienste, Abfallwirtschaft, Chemie oder Lebensmittelherstellung. Die Pflichten gelten auch für nationale Behörden, ausgenommen sind aber die Bereiche nationale Sicherheit und Verteidigung, Justiz ebenso wie Parlamente und Notenbanken. Die Mitgliedstaaten können zudem selbst entscheiden, ob die Behörden der regionalen und lokalen Verwaltung die Standards ebenfalls erfüllen müssen.

Die EU-Kommission hatte vor zwei Jahren vorgeschlagen, die seit 2016 geltende NIS-Richtlinie zu überarbeiten und den Anwendungsbereich zu erweitern. Die nun im Trilog erzielte Einigung werde rund 160.000 betroffenen Organisationen helfen, die Sicherheit ihrer Systeme zu erhöhen und den Informationsaustausch zwischen Behörden und Unternehmen zu verbessern, sagte der Berichterstatter des Europaparlaments, Bart Groothuis (Renew). “Wenn wir im industriellen Maßstab angegriffen werden, müssen wir uns auch im industriellen Maßstab verteidigen.”

Geldstrafen von bis zu 2 Prozent des Umsatzes

EU-Industriekommissar Thierry Breton sagte, es sei “unumgänglich, unseren Sicherheitsrahmen an die neuen Gegebenheiten anzupassen und sicherzustellen, dass unsere Bürger und Infrastrukturen geschützt sind”. Der Grünen-Unterhändler Rasmus Andresen kritisierte die Zurückhaltung der Mitgliedstaaten bei den Verpflichtungen für ihre eigenen öffentlichen Behörden: Das Parlament habe den Regierungen hier “jedes noch so kleine Zugeständnis abringen müssen”.

Die Unternehmen werden durch die Richtlinie verpflichtet, ihr Cybersicherheitsrisiko zu bewerten und technische und organisatorische Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Bei Nichteinhaltung drohen Geldstrafen von bis zu 2 Prozent des weltweiten Umsatzes.

Der im Trilog erzielte Kompromiss muss noch von Europaparlament und Rat verabschiedet werden. Nach dem Inkrafttreten haben die Mitgliedstaaten 21 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Dazu zählt auch eine bessere Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Behörden auf dem Gebiet.

Zudem sieht die Richtlinie eine neue Struktur vor, die im Falle von großangelegten Vorfällen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erleichtern soll. Dafür wird ein neues European Cyber Crises Liaison Organisation Network etabliert, die Abkürzung: EU-CyCLONe. tho

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Bund lehnt Rechtsakt zur Taxonomie ab

Deutschland wird sich wie angekündigt gegen ein von der EU-Kommission vorgeschlagenes Nachhaltigkeitslabel für Erdgas und Atomkraft aussprechen. Die Bundesregierung habe der französischen Ratspräsidentschaft erklärt, ein Veto gegen den entsprechenden ergänzenden Rechtsakt zur Taxonomie einzulegen, teilte das Finanzministerium in der Nacht zu Samstag mit. Wenn die EU-Staaten oder das Europaparlament Einwand erheben würden, könne verhindert werden, dass der Rechtsakt in Kraft tritt, so das Finanzministerium.

Im zweiten delegierten Rechtsakt zur Taxonomie hatte die Kommission Ende 2021 vorgeschlagen, Investitionen in Gas und Atomkraft übergangsweise als nachhaltige Geldanlagen einzustufen. Aus Regierungskreisen hieß es: “Die Bundesregierung erwartet nicht, dass das deutsche Votum die Taxonomie aufhält.” In der Koalition sei festgelegt worden, dass Deutschland keine Klage gegen den Rechtsakt erhebe.

Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen reagierte erfreut auf die Nachricht aus Berlin. “Das deutsche Nein ist eine Ohrfeige für die EU-Kommission. Der Druck auf Ursula von der Leyen, diesen Irrweg zu beenden, steigt”, sagte der Sprecher der Grünen-Delegation. Die Grünen forderten nun auch andere Mitgliedsstaaten dazu auf, Einspruch gegen den Kommissionsvorschlag einzulegen. Im Juli soll das EU-Parlament über seine Position zum Vorschlag abstimmen. dpa

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Presseschau

Steigende Kosten: EU will Gaspreis notfalls deckeln TAGESSCHAU
Gas für Stromerzeugung: Spanien bekommt Energiepreisdeckel TAGESSCHAU
Lawrow sieht EU-Beitritt der Ukraine wie Nato-Mitgliedschaft T-ONLINE
CSU unterstützt EU-Kandidatenstatus für die Ukraine AUGSBUGER ALLGEMEINE
Wertegemeinschaft am Limit – Wie viel Ukraine verträgt die EU? SPIEGEL
EU will kriminelle Vermögen schneller beschlagnahmen N-TV
Ukrainischer Außenminister Kuleba trifft am Montag EU-Amtskollegen SPIEGEL
Nordirland-Protokoll: Irland warnt London vor Brexit-Regelbruch RND
Johnson will 90.000 Stellen im Öffentlichen Dienst streichen FAZ
Umstrittene “Chatkontrolle”: Werden Sie jetzt zur Zensur-Ylva, Frau Kommissarin? SPIEGEL
Internetkonzerne sollen für Netzausbau und Datenverkehr zahlen HEISE
Cybersicherheit: Firmenchefs sollen für Datenpannen haften HEISE
Polen macht Zugeständnis bei Justizreform ZEIT
Schweiz beteiligt sich am Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex ZEIT
Spionage mit Pegasus in Spanien: Vorwürfe rütteln an Premier Sánchez SÜDDEUTSCHE
Wie die Schweiz von der europäischen Forschung abgehängt wird FAZ
Bis zu fünf Tage frei: Spanien will “Menstruationsurlaub” einführen WEB.DE

Standpunkt

Wann, wenn nicht jetzt?

Von Thu Nguyen und Nils Redeker
Thu Nguyen und Nils Redeker vom Jacques Delors Centre über die Reformvorschläge aus der Konferenz zur Zukunft Europas.
Thu Nguyen und Nils Redeker vom Jacques Delors Centre

In der EU wird es gerade grundsätzlich. Mit einigem Pomp und Pathos wurde die Konferenz zur Zukunft Europas Anfang der vergangenen Woche offiziell beendet. Ein Jahr lang hatten 800 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger über notwendige Reformen der EU diskutiert. Jetzt fordern sie teils tiefgreifende Veränderungen (Europe.Table berichtete), wie das Ende des Einstimmigkeitsprinzips in der gemeinsamen Außenpolitik, mehr finanzielle Mittel für die EU und eine stärkere Rolle für das Europäische Parlament.  

Der Konferenz ist es damit gelungen, eine Diskussion anzustoßen. Das Europäische Parlament möchte zur Umsetzung der Ideen der Bürgerinnen und Bürger einen verfassungsgebenden Konvent einberufen. Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat Teilen der Agenda bereits seine Unterstützung zugesagt. Emmanuel Macron, auf dessen Bestreben die Konferenz vor einem Jahr ins Leben gerufen wurde, unterstützt Vertragsänderungen ebenfalls. Und auch der deutsche Kanzler hat am Montag grundsätzliche Offenheit signalisiert. 

Widerstand nach Ende der Konferenz zur Zukunft Europas

Zugegeben, gerade spricht vieles dafür, dass dieses Feuerwerk als Strohfeuer endet. Die Konferenz zur Zukunft Europas stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Wegen Pandemie und Machtgerangel zwischen den europäischen Institutionen konnte das Projekt lange nicht starten und wurde schließlich von zwei Jahren auf 12 Monate zusammengekürzt. Schon im März 2021, also noch vor ihrem offiziellen Start, gaben 12 Mitgliedsstaaten zu Protokoll, sich auf keinen Fall an die Ergebnisse der Konferenz binden zu wollen. Danach dümpelte die Konferenz überschattet von Pandemie und Krieg weitestgehend unterhalb des öffentlichen Radars.  

Nach Abschluss regt sich jetzt erneut Widerstand: Schon am Montag haben sich 13 Mitgliedsstaaten explizit gegen Vertragsreformen ausgesprochen. Keine gute Ausgangslage also, könnte man meinen. Zumal sich angesichts der geopolitischen Lage viele fragen mögen, ob es für die EU gerade nicht dringlichere Aufgaben gibt, als basisdemokratische Grundsatzexperimente umzusetzen.  

Dennoch wäre es ein Fehler, die Ergebnisse der Konferenz jetzt bloß zur Stoffsammlung für die europapolitischen Sonntagsreden kommender Jahre zu erklären. Denn erstens zeigt der russische Angriffskrieg, wie dringend die EU Reformen benötigt, um handlungsfähig zu sein: Umfassende Sanktionen gegenüber Russland scheitern aktuell am Veto einzelner Mitgliedsstaaten. Um schnell unabhängig von russischen Energieexporten zu werden, bräuchte die EU gemeinsame Investitionen in Infrastruktur und Energiewirtschaft. Dafür fehlt es auf europäischer Ebene aber weiterhin an Geld. Und man muss kein Militärstratege sein, um zu erkennen, dass das parallele Aufrüsten von 27 Mitgliedsstaaten finanzielle Mittel verschwendet und zu logistischen Problemen führt. Keines dieser Probleme ist neu. Die Konferenz legt den Finger aber in Wunden, die aktuell ganz besonders schmerzen.

Rahmenbedingung günstig wie lange nicht mehr

Und zweitens waren die Rahmenbedingungen für Reformschritte schon lange nicht mehr so günstig. In Frankreich wurde mit Emmanuel Macron gerade ein Präsident im Amt bestätigt, dessen politisches Selbstverständnis auch an seinen europapolitischen Erfolgen hängt. In Italien regiert der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank mit klar europafreundlichem Kurs und hat der EU-skeptischen Konkurrenz damit vorerst den Wind aus den Segeln genommen. Die letzten Wahlergebnisse in Tschechien und Slowenien, der klar integrationsfreundlichere Kurs der neuen niederländischen Regierung und die zunehmende Isolierung Victor Orbans zeigen alle, dass europapolitisch gerade wirklich etwas gehen könnte.

Trotz aller Schwächen öffnet die Konferenz zur Zukunft Europas daher eine Reihe von Türen. Die Bundesregierung sollte nun auch den Mut haben, durch sie zu gehen. Zwei Dinge sind dafür notwendig: Erstens braucht die EU Vertragsänderungen. Wirkliche Handlungsfähigkeit in der gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik oder ein Initiativrecht für das Europäische Parlament sind ohne sie nicht umzusetzen. Mit dem geforderten Konvent und der Unterstützung des französischen Präsidenten bietet sich nach Jahren des Stillstands nun endlich eine Gelegenheit, hierbei voranzukommen.

Bisher hat der deutsche Bundeskanzler in Reaktion auf die Konferenz lediglich angekündigt, bei Vertragsänderungen nicht auf der Bremse stehen zu wollen. Das wird nicht reichen. Alle regierenden Parteien fordern solche Änderungen seit Langem. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag haben sie beschlossen, aktiv auf sie hinzuarbeiten. Will die Bundesregierung ihren eigenen europapolitischen Ansprüchen gerecht werden, kann sie bei der anstehenden Debatte deshalb nicht bloß gutmütig am Rand rumstehen. Meint die Ampel es ernst mit Europa, dann muss sie ihr Gewicht jetzt dafür nutzen, Skeptiker in anderen Mitgliedsstaaten an Bord zu holen.

Reformen auch ohne Vertragsänderungen

Zweitens: So wichtig diese Vertragsänderungen sind, so klar ist auch, dass sie dauern werden. Das birgt die Gefahr, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten sich hinter Grundsatzdebatten verstecken und kurzfristig nichts Konkretes ändern. Das sollte nicht passieren. Die Bundesregierung sollte daher parallel zum Konvent damit beginnen, aus den Vorschlägen der Konferenz zur Zukunft Europas eine konstruktive Agenda für den Kontinent zu entwickeln. Und zwar eine, die sich schon jetzt unterhalb der Schwelle von Vertragsänderungen umsetzen lässt. Ansatzpunkte dafür gibt es zur Genüge.

So scheiterte eine bessere finanzielle Ausstattung des EU-Haushalts in den letzten Jahren nicht an den Verträgen, sondern vor allem am Widerstand der Mitgliedsstaaten, nicht zuletzt auch dem von Deutschland. Angesichts der aktuell dringend notwendigen Investitionen ließen sich Mittel mit dem nötigen politischen Willen schnell aufbringen. Ebenso ist eine Stärkung der europäischen Demokratie durch eine Reform des EU-Wahlrechts und der Einführung transnationaler Listen (Europe.Table berichtete), wie sie auch durch die Konferenz gefordert wird, bereits im Gange. Sie wurde Anfang Mai durch das Europaparlament verabschiedet.

Nun liegt es maßgeblich an den nationalen Regierungen, die Reformen mitzutragen und umzusetzen. Schließlich ließen sich auch die sicherheitspolitischen Kapazitäten des Kontinents durch gemeinsame militärische Projekte und Beschaffung auch vor Vertragsänderungen stärken. Drei Jahre Corona-Pandemie und Wirtschaftskrise, sowie der Angriffskrieg gegen die Ukraine haben gezeigt, wie viel von einer handlungsfähigen EU abhängt. Jetzt bietet sich eine einmalige Gelegenheit, diese Handlungsfähigkeit zu stärken. Zeit ist dabei ein entscheidender Faktor. Gerade deshalb sollte die Bundesregierung die Impulse der Konferenz konstruktiv aufnehmen und gemeinsam mit ihren europäischen Partnern umsetzen. Und zwar noch bevor sich der politische Wind wieder dreht.

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Portrait

Seitenwechsel einer überzeugten Europäerin

Birgit Schmeitzner wechselt aus dem ARD-Hauptstadtbüro in die Vertretung der Kommission in Deutschland.
Birgit Schmeitzner wechselt aus dem ARD-Hauptstadtbüro in die Vertretung der Kommission in Deutschland.

Seit heute hat die Pressestelle der EU-Kommissionsvertretung in Deutschland eine neue Leiterin. Birgit Schmeitzner, die langjährige Korrespondentin des Bayerischen Rundfunks im ARD-Hauptstadtstudio, wird damit nicht mehr wie bisher auf der Seite der Fragensteller sitzen, sondern Antworten geben müssen und EU-Politik erklären. “Das heißt, dass ich auch meine Eitelkeit an der Haustür abgeben werden muss”, sagt Schmeitzner, die mehr als 20 Jahre als Journalistin in der Öffentlichkeit stand und auf Twitter mehr als 11.000 Follower hat.

“Neuer Job, neue Rolle – damit wird sich auch der Content hier verändern”, schrieb sie am Freitag auf Twitter. Künftig noch dichter an den politischen Entscheidungen zu sein, die Informationen aus der Kommission für Journalisten zu übersetzen – diese Herausforderung sei es, die sie an ihrer neuen Aufgabe reizt. Dabei wolle sie immer transparent sein, Vertrauen aufbauen “und niemals lügen”.

Birgit Schmeitzner als Korrespondentin in Brüssel

Schmeitzner, Jahrgang 1969, trat 1998 in die Hörfunk-Nachrichtenredaktion des Bayerischen Rundfunks ein und war unter anderem Chefin vom Dienst, News-Anchor, Moderatorin und stellvertretende Nachrichtenchefin.

Von 2009 bis 2014 arbeitete und lebte sie als BR-Korrespondentin in Brüssel, eine Zeit, die sie noch sehr lebendig in Erinnerung hat: “Brüssel ist so vielfältig und schillernd, ich habe wirklich sehr gern dort gelebt.” Als Korrespondentin zu arbeiten, habe sie als “grandios” empfunden. Berührungsängste mit dem großen EU-Apparat hat sie dank ihrer Erfahrungen keine – was ihr die Einarbeitung im neuen Job wohl erleichtern wird.

Als Bereicherung und Horizonterweiterung empfand sie auch ihre Zeit als freie Journalistin in Moskau bis 2016. Ihr Wissen darüber, wie russische Politik funktioniert und darüber, “wie die Menschen in Russland ticken”, gebe ihr heute die Möglichkeit, den Krieg und die aktuelle Lage zu beurteilen. 2014 war sie in der Ukraine auf dem Maidan. Kontakt hat sie nach wie vor in beide Länder.

Berichte über Verteidigungspolitik

Es folgten fünfeinhalb Jahre im Hauptstadtstudio der ARD in Berlin, in denen sie die Bundespolitik verfolgte. Ihre Schwerpunkte hier: Verteidigung, Landwirtschaft, Bundespräsident und AfD. “Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, mit Birgit Schmeitzner eine sehr erfahrene Journalistin und exzellente Kennerin deutscher und europäischer Politik für die Leitung unserer Presseabteilung zu gewinnen”, sagt Jörg Wojahn, Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland.

Vor dem Start im neuen Job hatte sich Birgit Schmeitzner einige Monate Auszeit genommen. “Ich wollte etwas Abstand haben und für mich die Frage klären, ob ich noch authentisch bin, wenn ich das mache.” Diese Frage habe sie eindeutig mit Ja beantwortet. “Ich fühle mich durch und durch als Europäerin.” Gewissenskonflikte angesichts des Seitenwechsels von der Fragestellerin zur Erklärerin dürfte es daher bei ihr wohl nicht geben. Ulrike Christl

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Eine Triebfeder für die europäische Einigung sollte sie sein, die Konferenz zur Zukunft Europas. Trotzdem ist der Widerstand gegen Vertragsänderungen weiterhin groß. Doch die Bedingungen für Reformen sind so gut wie schon lange nicht mehr, schreiben Thu Nguyen und Nils Redeker vom Jacques Delors Centre. In ihrem Standpunkt zeigen sie der Bundesregierung Wege auf, wie sie die Impulse für eine stärkere sicherheitspolitische Zusammenarbeit und eine bessere finanzielle Ausstattung der EU nutzen kann.

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    Die aktuelle Agenda der EU wird ab heute auch wieder das zentrale Thema von Birgit Schmeitzner. Als neue Leiterin der Pressestelle der Kommissionsvertretung in Deutschland wird sie die Politik der Behörde für die Medien übersetzen. Die wichtigsten Stationen der bisherigen Korrespondentin von Moskau bis Brüssel fasst für Sie Ulrike Christl in ihrem Portrait zusammen.

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    Regulierte Energiepreise auch für den Mittelstand

    Die neuen Vorschläge zum Strompreis würden noch über Pläne aus dem März hinausgehen. “Eine vorübergehende Ausweitung des Geltungsbereichs der regulierten Endkundenpreise könnte ins Auge gefasst werden, um auch kleine und mittlere Unternehmen zu erfassen”, heißt es im Entwurf einer Mitteilung zu Energiepreisen, welche die EU-Kommission am Mittwoch mit dem REPowerEU-Paket vorstellen will.

    Die erste Mitteilung zu REPowerEU vom März enthielt bereits eine Auslegung der Kommission zur Strombinnenmarkt-Richtlinie. Artikel 5 erlaubt staatlich regulierte Preise in bestimmten Fällen für Haushaltskunden und unter noch engeren Bedingungen für Kleinstunternehmen. Die nun vorgeschlagene Ausweitung auf kleine und mittlere Unternehmen würde den Kreis der Begünstigten stark ausdehnen. “Diese Ausweitung müsste in Bezug auf die erfassten Mengen begrenzt werden, um nicht zu einem Anstieg des Verbrauchs zu führen”, heißt es deshalb in dem Entwurf der EU-Kommission zu Energiepreisen.

    Das Papier setzt sich außerdem mit Vorschlägen zur längerfristigen Reform der Strommärkte auseinander. Haushaltskunden hatten zuletzt mit dem Bankrott einer ganzen Reihe von Lieferanten zu kämpfen, die auf anhaltend niedrige Strompreise spekuliert und ihre Risiken nicht durch Hedging-Geschäfte abgesichert hatten.

    Stromversorger sollen Geschäfte absichern

    Die Kommission bringt nun Vorgaben für Stromlieferanten ins Spiel, mit denen sie einen Teil ihrer Verpflichtungen absichern müssen. Versorger könnten außerdem dazu verpflichtet werden, Verträge mit Preisgarantien anzubieten. Eine ähnliche Vorgabe enthält die Strombinnenmarkt-Richtlinie bereits für sogenannte dynamische Tarife.

    Abgeschlossen hat die Kommission ihre Meinungsbildung zur Reform der Strommärkte aber noch nicht und kündigt eine Folgeabschätzung sowie einen Dialog mit Stakeholdern und den nationalen Regulierungsbehörden an.

    Konkreter sind die Überlegungen für den Fall eines weitgehenden russischen Gas-Lieferstopps. Die EU-Kommission schlägt staatliche Preisdeckel vor. “Eine Möglichkeit wäre, die Preisbildung während dieses Störungsszenarios durch eine Preisobergrenze an den europäischen Gasbörsen zu begrenzen.” Solch eine zeitlich begrenzte Maßnahme erfordere unter Umständen aber erhebliche Summen.

    Zudem heißt es, dass eine solche Maßnahme Herausforderungen mit sich bringe. “Es müsste sichergestellt werden, dass die Einführung einer solchen Preisobergrenze den Zugang der EU zu Gas- und LNG-Lieferungen nicht verschlechtert.” Bereits im März war auf einem EU-Gipfel lange und hart um das Thema gerungen worden. Am Ende gab es lediglich Ausnahmen für Spanien und Portugal (Europe.Table berichtete). Länder wie Deutschland und die Niederlande lehnten damals einen solchen Markteingriff ab.

    G7 als Gaskartell

    Der Europaabgeordnete Michael Bloss kritisierte die Idee. “Den Gaspreis zu deckeln ist keine Lösung, damit werfen wir Putin und anderen Gaslieferanten Milliarden von Steuergeldern in den Rachen”, sagte der Grünen-Politiker. Statt die “übertrieben hohen” Gaspreise zu bezahlen, brauche es ein Käuferkartell. Der Gaspreis falle, wenn etwa die die Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen (G7) nur noch für einen geringen Preis Gas einkaufe.

    Die Kommission möchte bisher lediglich einen gemeinsame Beschaffungsplattform für die EU-Staaten und die Mitglieder der Europäischen Energiegemeinschaft wie die Ukraine einrichten. Die Teilnahme sei aber freiwillig, betont die Kommission in dem aktuellen Papier.

    Die Kommission räumt außerdem ein, dass die SoS-Verordnung bei einem Komplettausfall russischer Gaslieferungen an ihre Grenze kommen könnte. Die Solidaritätsmechanismen seien für nationale Gasmangellagen konzipiert. “Im Falle weiterer Unterbrechungen der Gasversorgung, die mehrere Mitgliedstaaten gleichzeitig betreffen, könnten zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein”, heißt es im Entwurf. Möglicherweise müssten dann auch Gesetzesänderungen geprüft werden.

    Mit einem anderen Entwurf der Kommission zu REPowerEU waren bereits Pläne der Kommission bekannt geworden (Europe.Table berichtete), wichtige schützenswerte Verbraucher in der Wirtschaft zu identifizieren und Kriterien für ein abgestimmtes Vorgehen bei einer unionsweiten Gasmangellage zu erarbeiten. mit dpa

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    BECCS: Negativ-Emissionen und der Streit um die Rolle der Biomasse

    Das Ziel ist klar: Im Jahr 2050 will die Europäische Union klimaneutral sein. Doch auch darüber hinaus wird es Emissionen geben, die sich nicht vermeiden lassen, etwa in der Landwirtschaft, im Verkehrsbereich, aber auch in manchen Industriezweigen. Die Notwendigkeit sogenannter Negativ-Emissionen ist also keine neue Erkenntnis. Lange Zeit ist man in der Klimapolitik jedoch davon ausgegangen, dass natürliche Senken nebst Maßnahmen zur Wiederbewaldung oder zur Vernässung von Mooren ausreichen würden, um genügend Treibhausgase aus der Luft zu filtern.

    Bio Energy with Carbon Capture and Storage

    Inzwischen lautet das Ergebnis zahlreicher Studien: Wir brauchen technologische Lösungen zur Entnahme von CO2 und zur anschließenden geologischen Speicherung (Europe.Table berichtete). Auch der Weltklimarat (IPCC) verweist auf die Bedeutung von Carbon Capture and Storage. Andernfalls sei das 1,5-Grad-Ziel kaum zu erreichen.

    Eine in den Berichten des IPCC häufig erwähnte und viel diskutierte Methode heißt BECCS – Bio Energy with Carbon Capture and Storage. Dabei wird Pflanzenbiomasse, die auf natürliche Weise CO2 aus der Atmosphäre filtert, großflächig angebaut. Die geernteten Pflanzen werden in Biogasanlagen verwertet, zur Strom- oder Wärmegewinnung verbrannt oder zur Herstellung von Biokraftstoffen für den Verkehrssektor verwendet.

    Natürliche Filter – technische Speicher

    Das gespeicherte Kohlendioxid wird wieder freigesetzt. Ein Großteil davon kann aber technisch aufgefangen und entweder unterirdisch gespeichert werden (CCS) – beispielsweise in ehemaligen Gas- oder Öllagerstätten oder unter dem Meeresboden – oder es wird als Grundstoff der chemischen Industrie wiederverwendet (CCU).

    Doch auch wenn die Klimaziele ohne CCS-Technologien schwer zu erreichen sind, spielen diese im Instrumentenmix der EU bislang kaum eine Rolle. Die Maßnahmen des Fit-for-55-Pakets zielen in erster Linie auf die Reduktion des CO2-Ausstoßes ab. Negativ-Emissionen werden nur im LULUCF-Sektor (Land Use, Land Use Change and Foresty) adressiert, der sich auf natürliche Senken konzentriert. Technische Möglichkeiten werden weitgehend ausgeklammert.

    Für Norbert Lins (CDU), Vorsitzender des Agrarausschusses im EU-Parlament, nur schwer verständlich. “In unserem Bericht zu LULUCF stehen wir technischen Lösungen wie BECCS offen gegenüber.” Aufgrund der Federführung des Umweltausschusses werde die Position des Parlaments hier aber zurückhaltend ausfallen. “Sich nur auf natürliche Senken zu verlassen, kann ein gefährliches Spiel sein.”

    LULUCF-Senkleistung rückläufig

    Schließlich ist die Senkleistung im LULUCF-Bereich seit Jahren rückläufig und lag 2019 bei nur noch 249 Millionen Tonnen CO2. Etwa 100 Millionen Tonnen weniger als noch vor 15 Jahren. Grund dafür ist die Altersstruktur der Wälder, Dürreperioden und Schädlinge. Diesen Trend gelte es zunächst einmal umzukehren, so Lins. Ziel der LULUCF-Verordnung, die am Dienstag im Umweltausschuss abgestimmt werden soll: 310 Millionen Tonnen Senkleistung bis 2030. Bis 2035 sollen der Land- und Forstwirtschaftssektor zusammen klimaneutral sein. Danach soll zusätzliche natürliche Senkleistung zur Kompensation der Residualemissionen beitragen.

    Bei der Europäischen Kommission zeigt man sich derweil offener für technische Lösungen zur Abspaltung und Speicherung von CO2. So will die Behörde zur Entwicklung eines Binnenmarkts für die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 und zur Bereitstellung der notwendigen grenzüberschreitenden CO2-Transportinfrastruktur beitragen.

    Das Ziel: Bis 2030 sollten jährlich fünf Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt und mithilfe technischer Lösungen dauerhaft gespeichert werden. Auf kurze Sicht wird der aus dem EU-Emissionshandel (ETS) finanzierte Innovationsfonds das wichtigste Finanzierungsinstrument für diese Technologien sein. Auch die BECCS-Methode ist Teil der Kommissionspläne. Erste umfassende Projekte in Schweden werden bereits mit EU-Fördergeldern bezuschusst.

    Dabei sei noch völlig unklar, ob die heutigen BECCS-Konzepte überhaupt skalierbar seien und wie lange das abgeschiedene CO2 tatsächlich in den unterirdischen Speicherstätten verbleibt, kritisiert Jutta Paulus, Europaabgeordnete der Grünen. In einem Positionspapier der Heinrich-Böll-Stiftung heißt es: “Fantasie-Technologien wie BECCS sind die perfekte Ausrede für umweltbelastende Industrien, weiterhin fossile Brennstoffe zu verwenden und auf Technologien mit negativen Emissionen zu setzen, um Emissionen in Zukunft in ausreichendem Umfang zu beseitigen.”

    Flächenkonkurrenz mit Lebensmittelproduktion

    Auch der große Flächenbedarf sei ein Problem. Insbesondere, wenn für BECCS schnell wachsende Energiepflanzen wie Schilf oder Eukalyptus kultiviert werden sollen, was die Fruchtbarkeit und den Wasserhaushalt der Böden sowie die Artenvielfalt beeinträchtigen würde, befürchten Wissenschaftler.

    “Hier gibt es eine erhebliche Lücke zwischen der angenommenen Biomassenutzung und den verfügbaren Mengen, die nachhaltig sind und nicht mit höherwertigen Nutzungen wie der Nahrungsmittelproduktion oder der Erhaltung von Ökosystemen in Konflikt stehen. Diese Lücke beträgt manchmal bis zu 60 Prozent”, sagt Lars Walloe vom Science Advisory Council der European Academies (EASAC). Die EASAC Empfehlung: “Solange Vorteile und die Machbarkeit von BECCS nicht bewiesen sind, sollten die EU und die nationalen Regierungen keine Subventionen dafür anbieten”.

    Beim Bundesverband Bioenergie sieht man das anders. Vielmehr sollten die politischen Ziele von Treibhausgassenken so formuliert werden, dass sämtliche Negativ-Emissionen bilanziert und angerechnet werden können, heißt es in einem Positionspapier. Geschäftsführer Gerolf Bücheler: “Das Alleinstellungsmerkmal der Bioenergie unter den erneuerbaren Energien ist, dass sie in den natürlichen CO2-Kreislauf eingebunden ist und damit nicht nur flexibel erneuerbare Energie bereitstellen kann, sondern sich entlang der gesamten Kette Möglichkeiten für CO2-Senken ergeben.”

    Die Bundesregierung sei “zu diesem Thema noch in Gesprächen”, teilt eine Sprecherin des Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) mit. Entsprechend könne man noch keine Details nennen. Das BMWK fördere aber im Rahmen der angewandten Energieforschung Technologien zur CO2-Abscheidung und -Nutzung mit rund 10 Millionen Euro jährlich.

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    Regierungsparteien unterstützen Nato-Beitritt

    Finnische Spitzenpolitiker haben gestern ihre Absicht bekräftigt, einen Antrag für einen Nato-Beitritt zu stellen. Der finnische Präsident Sauli Niinistö und Regierungschefin Sanna Marin kündigten den Schritt bei einer Pressekonferenz in Helsinki an. Marins sozialdemokratische Regierungspartei SDP hatte sich am Samstag für den Schritt ausgesprochen. Damit gilt eine Mehrheit im Parlament für einen Nato-Beitritt Finnlands als sicher.

    Nur wenige Stunden nach der Pressekonferenz in Helsinki verkündeten die regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson in Stockholm, einen Beitrittsantrag Schwedens ebenfalls zu unterstützen. In beiden Ländern soll nun heute das Parlament zusammentreten, um über die Nato-Mitgliedschaft zu debattieren.

    Russland bezeichnet Nato-Beitritt Finnlands als Fehler

    Russlands Präsident Wladimir Putin hatte den geplanten Nato-Beitritt Finnlands in einem Telefonat mit Niinistö am Samstag als Fehler bezeichnet. Von Russland gehe keine Bedrohung für das Nachbarland aus, betonte Putin nach Kremlangaben bei dem Gespräch. Finnlands Abkehr von der traditionellen Neutralität werde zu einer Verschlechterung der bislang guten nachbarschaftlichen Beziehungen führen. Direkte Drohungen habe es bei dem Gespräch aber keine gegeben, betonte Niinistö. dpa

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    CSAM-Vorschlag: Koalition uneinig

    Der Vorschlag der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson zur Bekämpfung von Darstellungen sexuellen Missbrauchs (Europe.Table berichtete) stößt in der Ampelkoalition in Berlin auf ein widersprüchliches Echo.

    Faeser: Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen

    “Die Ministerin begrüßt diesen Entwurf ausdrücklich“, so eine Sprecherin des von Nancy Faeser (SPD) geführten Bundesinnenministeriums. “Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen und die Verbreitung furchtbarer Missbrauchsdarstellungen von Kindern über das Internet zu verhindern, muss für uns alle höchste Priorität haben.” Dazu müsse gezielt gegen die Täter und ihre Netzwerke vorgegangen werden.

    Die im Entwurf vorgesehenen Mitwirkungspflichten durch Internetzugangs- und Diensteanbieter sieht man im BMI offenkundig nicht als so problematisch an wie die zahlreichen Kritiker des Entwurfs (Europe.Table berichtete). “Etwaige Verpflichtungen kommen nur dann zu tragen, wenn freiwillige Maßnahmen der Dienstanbieter nicht ausreichen, um die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen wirksam zu verhindern”, so das BMI. “Eine verpflichtende allgemeine und anlasslose Suche wird durch den Verordnungsentwurf ausgeschlossen.” Er sehe zudem hohe Mindestanforderungen an die eingesetzte Technik vor, bleibe aber technologieneutral. Man wolle den Entwurf nun detailliert prüfen, um “verschiedene Szenarien der Anbieterpflichten” zu bewerten.

    Wissing: Keine anlasslose Kontrolle privater Kommunikation

    Ganz anders hingegen der Sound der FDP-geführten Häuser. “Das Bundesministerium der Justiz prüft den Entwurf derzeit kritisch – gerade auch im Lichte der im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele”, teilt das Bundesjustizministerium unter Marco Buschmann mit. “Diese Prüfung dauert zurzeit noch an.” Der Koalitionsvertrag enthält auf Seite 16 unter anderem einen Passus, mit dem IT-Sicherheit und digitale Bürgerrechte zur staatlichen Pflicht erhoben werden. Zudem soll es ein Recht auf Verschlüsselung und “Security-by-Design/Default”-Vorgaben geben. Außerdem ist im Koalitionsvertrag festgehalten, dass verpflichtende Uploadfilter abgelehnt werden (S. 110).

    Im ebenfalls FDP-geführten Digitalministerium unter Volker Wissing ist man in seiner Kritik weniger diplomatisch: Kinder müssten vor Missbrauch im Netz geschützt werden. “Gleichzeitig darf es nicht zu einer anlasslosen Kontrolle privater Kommunikation kommen”, teilte das BMDV per Twitter mit. Das Ministerium wolle “darauf hinwirken, deutlich zielgerichteter vorzugehen.” fst

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    Neue Cybersicherheitsregeln für Unternehmen und Behörden

    Die EU-Institutionen haben sich auf strengere Cybersicherheitsvorschriften für zehntausende von Unternehmen geeinigt. Die neue NIS-2-Richtlinie verpflichtet Firmen aus “essenziellen Sektoren” wie Energie, Verkehr, Banken, Finanzmarktinfrastruktur, Gesundheit dazu, Mindeststandards beim Schutz ihrer IT-Systeme zu beachten und die zuständigen Behörden über erfolgte Cyberangriffe zu informieren.

    NIS-2-Richtlinie auch für Unternehmen aus “wichtigen Sektoren”

    Ebenfalls unter die neuen Regeln fallen werden alle mittleren und großen Unternehmen aus sogenannten “wichtige Sektoren” wie Post- und Kurierdienste, Abfallwirtschaft, Chemie oder Lebensmittelherstellung. Die Pflichten gelten auch für nationale Behörden, ausgenommen sind aber die Bereiche nationale Sicherheit und Verteidigung, Justiz ebenso wie Parlamente und Notenbanken. Die Mitgliedstaaten können zudem selbst entscheiden, ob die Behörden der regionalen und lokalen Verwaltung die Standards ebenfalls erfüllen müssen.

    Die EU-Kommission hatte vor zwei Jahren vorgeschlagen, die seit 2016 geltende NIS-Richtlinie zu überarbeiten und den Anwendungsbereich zu erweitern. Die nun im Trilog erzielte Einigung werde rund 160.000 betroffenen Organisationen helfen, die Sicherheit ihrer Systeme zu erhöhen und den Informationsaustausch zwischen Behörden und Unternehmen zu verbessern, sagte der Berichterstatter des Europaparlaments, Bart Groothuis (Renew). “Wenn wir im industriellen Maßstab angegriffen werden, müssen wir uns auch im industriellen Maßstab verteidigen.”

    Geldstrafen von bis zu 2 Prozent des Umsatzes

    EU-Industriekommissar Thierry Breton sagte, es sei “unumgänglich, unseren Sicherheitsrahmen an die neuen Gegebenheiten anzupassen und sicherzustellen, dass unsere Bürger und Infrastrukturen geschützt sind”. Der Grünen-Unterhändler Rasmus Andresen kritisierte die Zurückhaltung der Mitgliedstaaten bei den Verpflichtungen für ihre eigenen öffentlichen Behörden: Das Parlament habe den Regierungen hier “jedes noch so kleine Zugeständnis abringen müssen”.

    Die Unternehmen werden durch die Richtlinie verpflichtet, ihr Cybersicherheitsrisiko zu bewerten und technische und organisatorische Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. Bei Nichteinhaltung drohen Geldstrafen von bis zu 2 Prozent des weltweiten Umsatzes.

    Der im Trilog erzielte Kompromiss muss noch von Europaparlament und Rat verabschiedet werden. Nach dem Inkrafttreten haben die Mitgliedstaaten 21 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Dazu zählt auch eine bessere Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Behörden auf dem Gebiet.

    Zudem sieht die Richtlinie eine neue Struktur vor, die im Falle von großangelegten Vorfällen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erleichtern soll. Dafür wird ein neues European Cyber Crises Liaison Organisation Network etabliert, die Abkürzung: EU-CyCLONe. tho

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    Bund lehnt Rechtsakt zur Taxonomie ab

    Deutschland wird sich wie angekündigt gegen ein von der EU-Kommission vorgeschlagenes Nachhaltigkeitslabel für Erdgas und Atomkraft aussprechen. Die Bundesregierung habe der französischen Ratspräsidentschaft erklärt, ein Veto gegen den entsprechenden ergänzenden Rechtsakt zur Taxonomie einzulegen, teilte das Finanzministerium in der Nacht zu Samstag mit. Wenn die EU-Staaten oder das Europaparlament Einwand erheben würden, könne verhindert werden, dass der Rechtsakt in Kraft tritt, so das Finanzministerium.

    Im zweiten delegierten Rechtsakt zur Taxonomie hatte die Kommission Ende 2021 vorgeschlagen, Investitionen in Gas und Atomkraft übergangsweise als nachhaltige Geldanlagen einzustufen. Aus Regierungskreisen hieß es: “Die Bundesregierung erwartet nicht, dass das deutsche Votum die Taxonomie aufhält.” In der Koalition sei festgelegt worden, dass Deutschland keine Klage gegen den Rechtsakt erhebe.

    Der Europaabgeordnete Rasmus Andresen reagierte erfreut auf die Nachricht aus Berlin. “Das deutsche Nein ist eine Ohrfeige für die EU-Kommission. Der Druck auf Ursula von der Leyen, diesen Irrweg zu beenden, steigt”, sagte der Sprecher der Grünen-Delegation. Die Grünen forderten nun auch andere Mitgliedsstaaten dazu auf, Einspruch gegen den Kommissionsvorschlag einzulegen. Im Juli soll das EU-Parlament über seine Position zum Vorschlag abstimmen. dpa

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    Presseschau

    Steigende Kosten: EU will Gaspreis notfalls deckeln TAGESSCHAU
    Gas für Stromerzeugung: Spanien bekommt Energiepreisdeckel TAGESSCHAU
    Lawrow sieht EU-Beitritt der Ukraine wie Nato-Mitgliedschaft T-ONLINE
    CSU unterstützt EU-Kandidatenstatus für die Ukraine AUGSBUGER ALLGEMEINE
    Wertegemeinschaft am Limit – Wie viel Ukraine verträgt die EU? SPIEGEL
    EU will kriminelle Vermögen schneller beschlagnahmen N-TV
    Ukrainischer Außenminister Kuleba trifft am Montag EU-Amtskollegen SPIEGEL
    Nordirland-Protokoll: Irland warnt London vor Brexit-Regelbruch RND
    Johnson will 90.000 Stellen im Öffentlichen Dienst streichen FAZ
    Umstrittene “Chatkontrolle”: Werden Sie jetzt zur Zensur-Ylva, Frau Kommissarin? SPIEGEL
    Internetkonzerne sollen für Netzausbau und Datenverkehr zahlen HEISE
    Cybersicherheit: Firmenchefs sollen für Datenpannen haften HEISE
    Polen macht Zugeständnis bei Justizreform ZEIT
    Schweiz beteiligt sich am Ausbau der Grenzschutzagentur Frontex ZEIT
    Spionage mit Pegasus in Spanien: Vorwürfe rütteln an Premier Sánchez SÜDDEUTSCHE
    Wie die Schweiz von der europäischen Forschung abgehängt wird FAZ
    Bis zu fünf Tage frei: Spanien will “Menstruationsurlaub” einführen WEB.DE

    Standpunkt

    Wann, wenn nicht jetzt?

    Von Thu Nguyen und Nils Redeker
    Thu Nguyen und Nils Redeker vom Jacques Delors Centre über die Reformvorschläge aus der Konferenz zur Zukunft Europas.
    Thu Nguyen und Nils Redeker vom Jacques Delors Centre

    In der EU wird es gerade grundsätzlich. Mit einigem Pomp und Pathos wurde die Konferenz zur Zukunft Europas Anfang der vergangenen Woche offiziell beendet. Ein Jahr lang hatten 800 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger über notwendige Reformen der EU diskutiert. Jetzt fordern sie teils tiefgreifende Veränderungen (Europe.Table berichtete), wie das Ende des Einstimmigkeitsprinzips in der gemeinsamen Außenpolitik, mehr finanzielle Mittel für die EU und eine stärkere Rolle für das Europäische Parlament.  

    Der Konferenz ist es damit gelungen, eine Diskussion anzustoßen. Das Europäische Parlament möchte zur Umsetzung der Ideen der Bürgerinnen und Bürger einen verfassungsgebenden Konvent einberufen. Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat Teilen der Agenda bereits seine Unterstützung zugesagt. Emmanuel Macron, auf dessen Bestreben die Konferenz vor einem Jahr ins Leben gerufen wurde, unterstützt Vertragsänderungen ebenfalls. Und auch der deutsche Kanzler hat am Montag grundsätzliche Offenheit signalisiert. 

    Widerstand nach Ende der Konferenz zur Zukunft Europas

    Zugegeben, gerade spricht vieles dafür, dass dieses Feuerwerk als Strohfeuer endet. Die Konferenz zur Zukunft Europas stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Wegen Pandemie und Machtgerangel zwischen den europäischen Institutionen konnte das Projekt lange nicht starten und wurde schließlich von zwei Jahren auf 12 Monate zusammengekürzt. Schon im März 2021, also noch vor ihrem offiziellen Start, gaben 12 Mitgliedsstaaten zu Protokoll, sich auf keinen Fall an die Ergebnisse der Konferenz binden zu wollen. Danach dümpelte die Konferenz überschattet von Pandemie und Krieg weitestgehend unterhalb des öffentlichen Radars.  

    Nach Abschluss regt sich jetzt erneut Widerstand: Schon am Montag haben sich 13 Mitgliedsstaaten explizit gegen Vertragsreformen ausgesprochen. Keine gute Ausgangslage also, könnte man meinen. Zumal sich angesichts der geopolitischen Lage viele fragen mögen, ob es für die EU gerade nicht dringlichere Aufgaben gibt, als basisdemokratische Grundsatzexperimente umzusetzen.  

    Dennoch wäre es ein Fehler, die Ergebnisse der Konferenz jetzt bloß zur Stoffsammlung für die europapolitischen Sonntagsreden kommender Jahre zu erklären. Denn erstens zeigt der russische Angriffskrieg, wie dringend die EU Reformen benötigt, um handlungsfähig zu sein: Umfassende Sanktionen gegenüber Russland scheitern aktuell am Veto einzelner Mitgliedsstaaten. Um schnell unabhängig von russischen Energieexporten zu werden, bräuchte die EU gemeinsame Investitionen in Infrastruktur und Energiewirtschaft. Dafür fehlt es auf europäischer Ebene aber weiterhin an Geld. Und man muss kein Militärstratege sein, um zu erkennen, dass das parallele Aufrüsten von 27 Mitgliedsstaaten finanzielle Mittel verschwendet und zu logistischen Problemen führt. Keines dieser Probleme ist neu. Die Konferenz legt den Finger aber in Wunden, die aktuell ganz besonders schmerzen.

    Rahmenbedingung günstig wie lange nicht mehr

    Und zweitens waren die Rahmenbedingungen für Reformschritte schon lange nicht mehr so günstig. In Frankreich wurde mit Emmanuel Macron gerade ein Präsident im Amt bestätigt, dessen politisches Selbstverständnis auch an seinen europapolitischen Erfolgen hängt. In Italien regiert der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank mit klar europafreundlichem Kurs und hat der EU-skeptischen Konkurrenz damit vorerst den Wind aus den Segeln genommen. Die letzten Wahlergebnisse in Tschechien und Slowenien, der klar integrationsfreundlichere Kurs der neuen niederländischen Regierung und die zunehmende Isolierung Victor Orbans zeigen alle, dass europapolitisch gerade wirklich etwas gehen könnte.

    Trotz aller Schwächen öffnet die Konferenz zur Zukunft Europas daher eine Reihe von Türen. Die Bundesregierung sollte nun auch den Mut haben, durch sie zu gehen. Zwei Dinge sind dafür notwendig: Erstens braucht die EU Vertragsänderungen. Wirkliche Handlungsfähigkeit in der gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik oder ein Initiativrecht für das Europäische Parlament sind ohne sie nicht umzusetzen. Mit dem geforderten Konvent und der Unterstützung des französischen Präsidenten bietet sich nach Jahren des Stillstands nun endlich eine Gelegenheit, hierbei voranzukommen.

    Bisher hat der deutsche Bundeskanzler in Reaktion auf die Konferenz lediglich angekündigt, bei Vertragsänderungen nicht auf der Bremse stehen zu wollen. Das wird nicht reichen. Alle regierenden Parteien fordern solche Änderungen seit Langem. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag haben sie beschlossen, aktiv auf sie hinzuarbeiten. Will die Bundesregierung ihren eigenen europapolitischen Ansprüchen gerecht werden, kann sie bei der anstehenden Debatte deshalb nicht bloß gutmütig am Rand rumstehen. Meint die Ampel es ernst mit Europa, dann muss sie ihr Gewicht jetzt dafür nutzen, Skeptiker in anderen Mitgliedsstaaten an Bord zu holen.

    Reformen auch ohne Vertragsänderungen

    Zweitens: So wichtig diese Vertragsänderungen sind, so klar ist auch, dass sie dauern werden. Das birgt die Gefahr, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten sich hinter Grundsatzdebatten verstecken und kurzfristig nichts Konkretes ändern. Das sollte nicht passieren. Die Bundesregierung sollte daher parallel zum Konvent damit beginnen, aus den Vorschlägen der Konferenz zur Zukunft Europas eine konstruktive Agenda für den Kontinent zu entwickeln. Und zwar eine, die sich schon jetzt unterhalb der Schwelle von Vertragsänderungen umsetzen lässt. Ansatzpunkte dafür gibt es zur Genüge.

    So scheiterte eine bessere finanzielle Ausstattung des EU-Haushalts in den letzten Jahren nicht an den Verträgen, sondern vor allem am Widerstand der Mitgliedsstaaten, nicht zuletzt auch dem von Deutschland. Angesichts der aktuell dringend notwendigen Investitionen ließen sich Mittel mit dem nötigen politischen Willen schnell aufbringen. Ebenso ist eine Stärkung der europäischen Demokratie durch eine Reform des EU-Wahlrechts und der Einführung transnationaler Listen (Europe.Table berichtete), wie sie auch durch die Konferenz gefordert wird, bereits im Gange. Sie wurde Anfang Mai durch das Europaparlament verabschiedet.

    Nun liegt es maßgeblich an den nationalen Regierungen, die Reformen mitzutragen und umzusetzen. Schließlich ließen sich auch die sicherheitspolitischen Kapazitäten des Kontinents durch gemeinsame militärische Projekte und Beschaffung auch vor Vertragsänderungen stärken. Drei Jahre Corona-Pandemie und Wirtschaftskrise, sowie der Angriffskrieg gegen die Ukraine haben gezeigt, wie viel von einer handlungsfähigen EU abhängt. Jetzt bietet sich eine einmalige Gelegenheit, diese Handlungsfähigkeit zu stärken. Zeit ist dabei ein entscheidender Faktor. Gerade deshalb sollte die Bundesregierung die Impulse der Konferenz konstruktiv aufnehmen und gemeinsam mit ihren europäischen Partnern umsetzen. Und zwar noch bevor sich der politische Wind wieder dreht.

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    Portrait

    Seitenwechsel einer überzeugten Europäerin

    Birgit Schmeitzner wechselt aus dem ARD-Hauptstadtbüro in die Vertretung der Kommission in Deutschland.
    Birgit Schmeitzner wechselt aus dem ARD-Hauptstadtbüro in die Vertretung der Kommission in Deutschland.

    Seit heute hat die Pressestelle der EU-Kommissionsvertretung in Deutschland eine neue Leiterin. Birgit Schmeitzner, die langjährige Korrespondentin des Bayerischen Rundfunks im ARD-Hauptstadtstudio, wird damit nicht mehr wie bisher auf der Seite der Fragensteller sitzen, sondern Antworten geben müssen und EU-Politik erklären. “Das heißt, dass ich auch meine Eitelkeit an der Haustür abgeben werden muss”, sagt Schmeitzner, die mehr als 20 Jahre als Journalistin in der Öffentlichkeit stand und auf Twitter mehr als 11.000 Follower hat.

    “Neuer Job, neue Rolle – damit wird sich auch der Content hier verändern”, schrieb sie am Freitag auf Twitter. Künftig noch dichter an den politischen Entscheidungen zu sein, die Informationen aus der Kommission für Journalisten zu übersetzen – diese Herausforderung sei es, die sie an ihrer neuen Aufgabe reizt. Dabei wolle sie immer transparent sein, Vertrauen aufbauen “und niemals lügen”.

    Birgit Schmeitzner als Korrespondentin in Brüssel

    Schmeitzner, Jahrgang 1969, trat 1998 in die Hörfunk-Nachrichtenredaktion des Bayerischen Rundfunks ein und war unter anderem Chefin vom Dienst, News-Anchor, Moderatorin und stellvertretende Nachrichtenchefin.

    Von 2009 bis 2014 arbeitete und lebte sie als BR-Korrespondentin in Brüssel, eine Zeit, die sie noch sehr lebendig in Erinnerung hat: “Brüssel ist so vielfältig und schillernd, ich habe wirklich sehr gern dort gelebt.” Als Korrespondentin zu arbeiten, habe sie als “grandios” empfunden. Berührungsängste mit dem großen EU-Apparat hat sie dank ihrer Erfahrungen keine – was ihr die Einarbeitung im neuen Job wohl erleichtern wird.

    Als Bereicherung und Horizonterweiterung empfand sie auch ihre Zeit als freie Journalistin in Moskau bis 2016. Ihr Wissen darüber, wie russische Politik funktioniert und darüber, “wie die Menschen in Russland ticken”, gebe ihr heute die Möglichkeit, den Krieg und die aktuelle Lage zu beurteilen. 2014 war sie in der Ukraine auf dem Maidan. Kontakt hat sie nach wie vor in beide Länder.

    Berichte über Verteidigungspolitik

    Es folgten fünfeinhalb Jahre im Hauptstadtstudio der ARD in Berlin, in denen sie die Bundespolitik verfolgte. Ihre Schwerpunkte hier: Verteidigung, Landwirtschaft, Bundespräsident und AfD. “Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, mit Birgit Schmeitzner eine sehr erfahrene Journalistin und exzellente Kennerin deutscher und europäischer Politik für die Leitung unserer Presseabteilung zu gewinnen”, sagt Jörg Wojahn, Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland.

    Vor dem Start im neuen Job hatte sich Birgit Schmeitzner einige Monate Auszeit genommen. “Ich wollte etwas Abstand haben und für mich die Frage klären, ob ich noch authentisch bin, wenn ich das mache.” Diese Frage habe sie eindeutig mit Ja beantwortet. “Ich fühle mich durch und durch als Europäerin.” Gewissenskonflikte angesichts des Seitenwechsels von der Fragestellerin zur Erklärerin dürfte es daher bei ihr wohl nicht geben. Ulrike Christl

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    Europe.Table Redaktion

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