wechselseitige Abhängigkeiten in der Energieversorgung – das ist für Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, keine schlechte Ausgangslage. Im Gegenteil: Von “Energie-Autarkie” halte er nicht viel, enge Kooperationen seien eine Möglichkeit, Stabilität zu schaffen. Doch anders als es bislang beim Bezug von Öl und Gas oft der Fall gewesen sei, müsse es künftig eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe geben. Vorbild könne hier die jüngst mit Südafrika geschlossene Energiepartnerschaft sein. Wie Bals auf die klimapolitischen Herausforderungen des Jahres blickt und wie seine Haltung in der aktuellen Taxonomie-Debatte ist, darüber spricht er im Interview mit Timo Landenberger und Lukas Scheid.
Wenn es nach der Regierung in Spanien geht, soll das Land zum Zentrum der Elektromobilität in Europa werden. Die EU-Kommission plädiert derweil für die lokale Gewinnung von Metallen, die entscheidend für die Umsetzung des Green Deal sind. Da passt es scheinbar bestens zusammen, dass es in der Region Extremadura große Lithiumvorkommen gibt. Die Mine Valdeflores etwa verfügt geschätzt über 1,6 Millionen Tonnen Lithiumcarbonat – das würde reichen, um zehn Millionen Batterien für Elektroautos herzustellen. Allein: Bürgerinitiativen und die lokale Politik lehnen die Mine ab. Isabel Cuesta analysiert den Konflikt.
Die EU hat das Klimagesetz verabschiedet und durch das Fit-for-55-Paket auch gleich mit Maßnahmen unterfüttert. In Glasgow gab es vielversprechende Ankündigungen zur Klimaneutralität. In Deutschland wurde eine neue Regierung vereidigt, die sich dem Klimaschutz verschrieben hat. Dennoch sind wir weit vom 1,5-Grad-Ziel entfernt. Wie lautet Ihre Bilanz?
Ich denke normalerweise nicht in diesen Kategorien. Deutschland, die EU und die Weltgesellschaft innerhalb von wenigen Jahren grundlegend zu transformieren, ist kein Spaziergang. Dass wir aber, angetrieben einerseits vom Pariser Abkommen und andererseits von der Zivilgesellschaft, die auf die Straßen gegangen ist, Treibhausgasneutralität für 2050 und auch für 2030 ernsthafte Ziele vereinbart haben und die Umsetzungspakete zunehmend auf dem Tisch liegen, das ist erst einmal ein riesiger Erfolg.
Gleichzeitig ist klar, dass das für eine 1,5-Grad-Strategie noch nicht ausreicht. Deshalb brauchen wir Sofortprogramme, um möglichst schnell Emissionen zu senken. Nur bei schnellen Erfolgen haben wir eine Chance, auf EU-Ebene ab 2022 mit der Vorbereitung der Zielverschärfungen zu beginnen. Bis zum nächsten Klimagipfel im Herbst braucht die EU eine Strategie, um die verbleibende Lücke zum 1,5-Grad-Limit, von der ich ausgehe, durch internationale Kooperationen mit Partnern des globalen Südens zu schließen.
Die Umsetzungspakete, die Sie angesprochen haben, sind bereits sehr umstritten. Bei vielen Dossiers des Fit-for-55-Pakets sind die EU-Staaten weit von einer gemeinsamen Position entfernt. Wie kann der Green Deal so überhaupt gelingen?
Nachdem die Ziele im Wesentlichen festgelegt sind, kommen wir nun auf allen Ebenen in die Phase der Implementierung. In der EU liegen jetzt immerhin die meisten Vorschläge vor. In den nächsten Monaten wird darum gerungen, Einigkeit zu erzielen. Das setzt Regierungen voraus, die wirklich etwas erreichen wollen. Ich hoffe, dass die neue deutsche Regierung die Vorschläge der Kommission auch wirklich gemeinsam unterstützt, wie es im Koalitionsvertrag steht. Und sich nicht, wie bisher, mit einem gespaltenen Votum letztlich enthält. Es wird hoffentlich eine wesentlich pro-aktivere Rolle von Deutschland geben. Außerdem wird zentral sein, wie die bevorstehende Wahl in Frankreich ausgeht und wie sich das Land dann positionieren wird. Einiges wird hoffentlich noch in den nächsten Wochen von der jetzigen Regierung in der französischen Ratspräsidentschaft vorangebracht.
Grundsätzlich gilt: Handlungsfähigkeit nach Innen und nach Außen muss mit Solidarität verknüpft werden. Was die EU mit dem Better-Recovery-Programm auf den Weg gebracht hat, hat die Bereitschaft zu einem transformativen Handeln in einem Teil der EU-Staaten deutlich erhöht. In Italien beispielsweise ist die Diskussion jetzt eine andere als vor dem Paket. Ich hoffe, dass die neue deutsche Regierung da besser aufgestellt ist, als die alte und beispielsweise auch mit Partnern wie Polen das Weimarer Dreieck klimapolitisch neu beleben und neue Dynamik entfalten kann.
Dabei sind die Positionen höchst unterschiedlich. Gerade zwischen Deutschland, Frankreich und Polen, wenn man sich beispielsweise den Emissionshandel und die mögliche Ausweitung auf Gebäude und Verkehr ansieht.
Ich glaube, auch in Frankreich gibt es die Bereitschaft, das ETS auf andere Sektoren auszuweiten, wenn im Gegenzug die Unterstützung für einen Grenzausgleich da ist. Für dieses Instrument wiederum ist in Deutschland eine Akzeptanz vorhanden, wenn das in das Konzept der Klimaclubs eingebettet wird. Die dann aber nicht exklusiv sein dürfen, sondern Optionen für Partner im globalen Süden schaffen müssen.
Polen hat die Diskussion um Finanzspekulationen, die für den CO₂-Preisanstieg verantwortlich sind, auf den Tisch gebracht. Allein dadurch wurde der spekulativen Blase bereits ein Dämpfer verpasst. Hier müsste man auf Polen zugehen, sodass man das Problem gemeinsam angeht. Spekulative Blasen können für niemanden von Interesse sein. Daneben hat Polen das spezifische Problem, dass sehr viele der Gebäude auf Fernwärme aufgebaut sind. Damit muss man umgehen, auch mit der nötigen finanziellen Unterstützung. Einige polnische Stadtwerke entwickeln da sehr interessante Konzepte.
Auch im Verkehrsbereich hat Polen ein Argument: Dort kaufen viele Leute Gebrauchtwagen aus Deutschland. Das soll dann durch einen Emissionshandel bestraft werden, ohne dass es für die Menschen wirklich eine Alternative gibt. Die einzelnen Problemstellungen muss man sich also sehr konkret anschauen und die Länder, die das ETS voranbringen wollen, sollten über solidarische Kooperationen miteinsteigen. Das ist schwierig, aber nicht unmöglich zu lösen.
Kann Deutschland dabei seiner neuen Rolle als Klimazugpferd gerecht werden?
Der Lackmustest wird sein, wie das Sofortprogramm in Deutschland in den nächsten Monaten umgesetzt und im Gesetz verankert wird. Deutschland ist bisher auf einem strukturellen Pfad eines Nicht-Erreichens seiner Ziele für die 65 Prozent Reduktion. Dafür müssen die Weichen im Jahr 2022 umgestellt werden. Das geht Hand in Hand damit, die Fit-for-55-Vorschläge zu unterstützen und in aktive Verhandlungen mit jenen Partnern zu treten, die sich damit schwertun. Ich sehe die Bereitschaft bei den Schlüsselakteuren im Wirtschaft-, Außen-, und Umweltministerium. Gemessen wird Politik aber nicht an Versprechen, sondern an der Umsetzung.
In Deutschland sind wir in der EU auch in einer speziellen Situation. Wir wollen als einziges Land gleichzeitig aus Kohle und Kernenergie aussteigen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien läuft aber schleppend. Wo soll der ganze Strom herkommen?
Verschiedene wissenschaftliche Institute und das Bundesumweltamt haben bereits aufgezeigt, wie durch den Ausbau von On- und Offshore-Windkraft sowie Photovoltaik und einer intelligenten Vernetzung dieser Stromquellen es durchaus gelingen kann, dass 2030 mindestens 80 Prozent des Strombedarfs über erneuerbare Energien gedeckt werden.
Andererseits geben die jetzigen politischen Rahmenbedingungen das nicht her, weshalb das Sofortprogramm in diesem Jahr im Gesetzesblatt stehen muss. Das gilt für die Beschleunigung des Planungsprozesses, für die Festlegung, wie viel Landfläche dafür genutzt werden darf und für die parallele Unterstützung der Biodiversität. Physikalisch und technisch ist es möglich. Jetzt muss es politisch umgesetzt werden. Der Großteil der Bevölkerung unterstützt das, von daher sind die Chancen nicht schlecht.
Neben der Elektrifizierung wird auch die Produktion von grünem Wasserstoff zu einer erheblichen Steigerung des Strombedarfs führen, den wir nicht alleine in der EU decken können. Aller Voraussicht nach werden wir also weiterhin auf Energieimporte angewiesen sein. Werden dadurch nicht neue Abhängigkeiten entstehen?
Ein wesentlicher Unterschied gegenüber den bestehenden Abhängigkeiten von Öl- und Gasimporten ist, dass wir die Wahl haben werden. Es kann in vielen Ländern Wasserstoff erzeugt werden. Man wird nicht mehr von Öl- oder Gasvorkommen abhängig sein, die nur in bestimmten Regionen konzentriert liegen. Dieses Erpressungspotenzial ist nicht im selben Maße gegeben.
Außerdem bin ich generell kein Vertreter der Energie-Autarkie. Das wäre friedenspolitisch viel problematischer als wechselseitige Abhängigkeiten und Kooperationen, die jetzt aufgebaut werden können. Je nachdem, wie wir solche Energiepartnerschaften ausgestalten, können das starke Stabilitätsanker werden. Aber das muss auf Augenhöhe stattfinden, sodass wir aus den neokolonialen Mustern herauskommen, die es bisher beim Bezug von Öl und Gas oft gegeben hat. Das heißt auch, darauf zu achten, welcher Teil der Wertschöpfung in den Regionen verbleibt und wie diese beispielsweise den Wasserstoff auch für ihren eigenen Bedarf nutzen können.
Die im vergangenen Jahr geschlossene Energiepartnerschaft mit Südafrika kann paradigmatisch sein, wie man gemeinsam mit Entwicklungs- und Schwellenländern die Transformation kooperativ umsetzen kann. Das bietet enormes Kooperationspotenzial auch für unsere Wirtschaft. Wenn wir noch eine Chance auf den 1,5-Grad-Pfad haben wollen, sind solche Partnerschaften sehr wichtig, wichtiger als die allzu kleinförmigen Debatten innerhalb der EU.
Apropos: Ein weiterer Graben auf EU-Ebene ist das Thema Taxonomie, das aktuell für viel Aufregung sorgt. Dabei ist bereits die Bedeutung des Nachhaltigkeitslabels umstritten.
Die Taxonomie ist einer der notwendigen Bausteine, um die Investitionsströme an den Finanzmärkten im Sinne des Pariser Klimaziels so umzulenken, dass sie mit dem Klimaschutz vereinbar sind. Das ist also ein sehr wichtiger Marker, in welche Richtung das private und das öffentliche Geld eingesetzt werden sollen. Dabei sind wir in einer Situation, in der wir in vielen Sektoren den Schalter nicht einfach umlegen können, sondern eine transformative Phase brauchen. Und der große Streit geht um die Frage, ob diese transformative Phase den Deckmantel grün bekommen sollte oder ob dafür andere sehr eng begrenzte Möglichkeiten der Investitionen geschaffen werden.
Letzteres wäre wesentlich besser für uns, denn Gas ist ein fossiler Energieträger und aus Klimasicht hochproblematisch. Das kann man nicht als nachhaltig bezeichnen, auch wenn man gleichzeitig aus Kohle und Kernkraft aussteigt und vorübergehend in einem gewissen Ausmaß auf Gasinfrastruktur angewiesen ist. Und bei der Kernenergie gibt es kaum einen Nachhaltigkeitsindex weltweit, selbst in Russland nicht, der diese als nachhaltig deklariert. Das auch nur als Übergang einsetzen zu wollen, ist für mich weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Es obliegt der souveränen Entscheidung der Mitgliedsstaaten, wie sie Treibhausgasneutralität erreichen wollen. Aber sie sollten nicht andere dazu nötigen, dem den Deckmantel Nachhaltigkeit zu geben.
Wie angesprochen setzt Deutschland für den Übergang auf den Ausbau der Gasinfrastruktur, die dann H2-ready sein soll. Andererseits ist noch nicht klar, was das eigentlich heißt und wie es funktioniert. Sind das nicht am Ende Stranded Assets?
Laut Koalitionsvertrag will Deutschland bis 2045 aus fossilem Gas ausgestiegen sein – ich hoffe, es gelingt sogar etwa zehn Jahre früher. Das wird durch das Klimaschutzgesetz Jahr für Jahr vorangetrieben. Wir müssen die Abschreibungsregeln dementsprechend verändern, und wir müssen diese Regel für alle Neubauten im Gasbereich mit verankern.
Insbesondere wenn das nicht stringent durchgeführt wird, kann es Stranded Assets geben. Aber im Laufe der nächsten 15 Jahre kann es durchaus sein, dass durch bessere Flexibilitätsoptionen wie Speichermöglichkeiten oder Demand-Zeit-Management auch Teile der nun erwarteten Gas-Infrastruktur obsolet werden. Die Gaskraftwerke sollen ja nicht dauerhaft laufen, sondern dann anspringen, wenn zu wenig erneuerbare Energie im Netz ist. Insbesondere dann, wenn wir längerfristige Schwankungen, sogenannte Dunkelflauten, haben. Und diese Lücke kann man möglicherweise auch durch andere Instrumente schließen, die eventuell sogar erheblich günstiger sind.
In der Nähe der Stadt Cáceres, in der Autonomen Region Spaniens Extremadura, gibt es ein großes Vorkommen an Lithium, das fast ebenerdig liegt und leicht unter freiem Himmel abgebaut werden könnte. Die Mine Valdeflores verfügt geschätzt über 1,6 Millionen Tonnen Lithiumcarbonat – genug, um zehn Millionen Batterien für Elektroautos herzustellen.
Valdeflores könnte somit eine wichtige Rolle spielen für die Pläne der spanischen Regierung, ebenso wie für jene der EU-Kommission. Madrid will das Land zum europäischen Zentrum der Elektromobilität machen, auch mithilfe von Volkswagen, das mit anderen Automobil- und Energieunternehmen eine Batteriefabrik in Spanien bauen will. Die EU-Kommission wiederum plädiert für die lokale Gewinnung von Metallen, die für die Förderung des Green Deal als essenziell gelten (Europe.Table berichtete). Die Lithiumförderung in Extremadura wird vor Ort aber von Umweltschützern und Bürgerinitiativen heftig bekämpft.
Die Regierung Spaniens hat in der Region insgesamt vier Lithium-Vorkommen ausgemacht: Neben der Mine Valdeflores bei Cáceres gibt es noch Las Navas (Cañaveral), El Trasquilón (Valdesalor) und Tres Arroyos (Badajoz).
An der Mine Navas in Cañaveral ist Lithium Iberia interessiert. Die angekündigte Investition in das ehemalige Zinnvorkommen beläuft sich auf 318 Millionen Euro, es sollen 405 Arbeitsplätze geschaffen werden. Nach Angaben des Unternehmens sollen die ersten sechs Jahre im Tagebau und die restlichen 13 Jahre im Untertagebau durchgeführt werden.
Jacinto Sánchez, der Bürgermeister von Cañaveral, unterstützt das Vorhaben: “Wir brauchen Arbeitsplätze, und sind auf Lithium angewiesen”, sagte er zu Europe.Table. “Heute sind wir 1.000 Einwohner, aber in den 1970er Jahren waren wir 2.700. Es gab eine Schokoladenfabrik, eine Kaffeefabrik. Doch in den 1970er-Jahren wurden die Fabriken geschlossen und die Entvölkerung begann.”
Die Bürgerplattform “Nein zur Cañaveral-Mine” (No a la mina de Cañaveral) lehnt die Minenarbeiten aber entschieden ab: Die Bürgervereinigung verweist auf Umweltauswirkungen und die “Zerstörung der nachhaltigen Entwicklung der Provinz Cáceres”: Die geplante Mine liege in einer Gegend von hohem ökologischem Wert, in der zahlreiche Arten lebten, die im Katalog der bedrohten Arten aufgeführt seien. Die Bürgerplattform hat über Change.org mehr als 30.000 Unterschriften gegen das Bergwerk gesammelt.
Noch umstrittener als die Mine Navas ist der Lithiumabbau in San José de Valdeflores, nur etwa einen Kilometer vom Stadtzentrum von Cáceres entfernt. Aus dieser Mine in Spanien sollen 20.000 Tonnen Lithium pro Jahr für die nächsten 30 Jahre gewonnen werden. Das australische Unternehmen Infinity Lithium begann 2016 mit dem Verfahren für die Konzession der Mine. Zusammen mit dem spanischen Unternehmen Sacyr bildete es ein Konsortium, das unter dem Namen Tecnología Extremeña del Litio tätig ist. Die Regionalregierung erteilte zunächst eine Erforschungsgenehmigung. Diese wurde aber annulliert, nachdem Umweltgruppen 2019 Einspruch erhoben hatten.
Die Regionalregierung in Spanien habe Infinity Lithium die Genehmigung zur Erforschung von zwei Bergbauplätzen im Gebiet von Valdeflores verweigert, “da die damit verbundenen Abbautätigkeiten dem allgemeinen Gemeindeplan der Stadt Cáceres widersprechen“, sagt Olga García, Ministerin für ökologischen Wandel und Nachhaltigkeit in der Regionalregierung. Das Unternehmen legte Berufung gegen die Entscheidung beim Obersten Gerichtshof von Extremadura ein. Das Urteil steht noch aus.
Das Projekt sieht eine Investition von mehr als 530 Millionen Euro vor und hat eine Geschäftsprognose von 7,6 Milliarden Euro. Laut Infinity Lithium würden 200 Arbeitsplätze direkt geschaffen werden. Die australische Firma hatte 2019 Unterstützung von der Europäischen Investitionsbank (EIB) erhalten, als Investitionsprojekt im Rahmen der European Battery Alliance.
Die Plattform “Retten wir die Berge von Cáceres” (Salvemos La Montaña de Cáceres) wendet sich aber entschieden gegen die Nutzung der Mine am Standort Valdeflores und hat ihren Protest nach Brüssel getragen. Alejandro Palomo, Sprecher der Bürgerinitiative, verweist auf eine Äußerung eines Vertreters der EU-Kommission vom September 2020: Während der Debatte über eine eingereichte Petition habe Peter Handley von der Generaldirektion Industrie deutlich gemacht, dass das Projekt nicht nur alle Umweltstandards erfüllen, sondern auch gesellschaftliche Akzeptanz finden müsse. Palomo betont, dass die Bürger von Cáceres gegen die Mine seien.
Der Protest kommt aber nicht nur von Bürgerinitiativen. Der Bürgermeister von Cáceres, Luis Salaya, hat sich mehrfach nachdrücklich gegen das Bergbauprojekt ausgesprochen. Spanische Medien haben Salaya mit den Worten zitiert: “Wenn die Junta das Valdeflores-Projekt genehmigt, werde ich zurücktreten”. Cáceres gehört seit 1986 zum Weltkulturerbe. Die Gegner der Mine sehen darin nicht nur eine Bedrohung für die Umwelt, sondern auch für den Tourismus, ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Region.
Spanien ist der zweitgrößte Automobilhersteller in Europa und der neuntgrößte weltweit. Die Automobilindustrie erwirtschaftet fast zehn Prozent des spanischen BIP und schafft Hunderttausende von Arbeitsplätzen. Die Transformation der Autoindustrie durch die Elektromobilität sei eine der wichtigsten Säulen des wirtschaftlichen Wiederaufbaus Spaniens, so der Generalsekretär im Ministerium für Industrie und Handel, Raül Blanco.
Die Regierung hat sieben große Projekte zur wirtschaftlichen Erholung festgelegt, die Mithilfe des Aufbauprogramms Next Generation EU entwickelt werden sollen. “Proyectos Estratégicos para la Recuperación y Transformación Económica” (PERTE) nennen die Spanier den Wiederaufbauplan, für den die Kommission gestern die erste Tranche von zehn Milliarden Euro überwies. Die Batteriefabrik, die der Volkswagen-Konzern in Spanien errichten will, ist die wichtigste Investition im Rahmen des Programms zur Umstrukturierung des Automobilsektors. Die Regierung schätzt die Investitionen für die Anlage auf knapp 3,5 Milliarden Euro.
Volkswagen hat noch nicht entschieden, wo die Batteriefabrik angesiedelt werden soll. Vier autonome Regionen Spaniens buhlen um die Ansiedlung: Extremadura, Aragon, Valencia und Katalonien. In Extremadura treibt das spanische Unternehmen Phi4Tech bereits das Projekt einer 10-Megawatt-Batteriefabrik voran. In Valencia ist eine Fabrik unter Führung von Power Electronics geplant. Beide Anlagen sind aber deutlich kleiner als das von Volkswagen geplante Werk mit einer Leistung von mindestens 40 Gigawatt.
Olga García, die Landesministerin der Regionalregierung von Extremadura, verweist auf die Bedeutung, die unterschiedlichen Produktionsstufen der Elektromobilität zu verbinden: “Wenn wir die Rohstoffe in Extremadura haben, ist es sinnvoll, die Wertschöpfungskette in unserer Region zu installieren”, sagt sie. Wenn die Ansiedlung der Industrie gelinge, würde dies zur Bewältigung des demografischen Problems in der Region beitragen. Von Isabel Cuesta
Die deutsche Bundesregierung will nicht gegen die Aufnahme von Atomkraft in die EU-Taxonomie klagen. Man denke aktuell nicht daran, sich einer Klage anzuschließen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag. Österreich hatte angekündigt, gegen die Aufnahme von Gas und Atomkraft in die EU-Taxonomie zu klagen, falls die Pläne der EU-Kommission umgesetzt werden sollten (Europe.Table berichtete).
Es könne bei einer Klage nicht um die inhaltliche Ausgestaltung des delegierten Rechtsakts gehen, sagte Hebestreit. Klagegrund könne nur die Frage sein, ob die EU-Kommission rechtlich befugt ist, einen Vorschlag zur Taxonomieverordnung in Form eines delegierten Rechtsakts vorzulegen.
Die Kommission dürfte den ergänzenden Rechtsakt zu Gas und Kernenergie am 18. Januar beschließen. Anschließend haben EU-Parlament und Rat bis zu vier Monate Zeit, diesen aufzuhalten. Die beiden Institutionen haben bei einem “Delegated Act” aber keine inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten – sie können lediglich das gesamte Papier ablehnen.
Die Hürden dafür sind aber hoch: Für eine Ablehnung wäre im Parlament eine absolute Mehrheit, im Rat sogar eine qualifizierte Mehrheit von 20 der 27 Mitgliedstaaten notwendig. Ob die Bundesregierung den Rechtsakt im Rat annehmen, ablehnen oder sich enthalten wird, sei noch offen, sagte Hebestreit. Dazu werde die Bundesregierung noch im Januar ihre abgestimmte Position bekannt geben, so der Regierungssprecher.
Die Ampelparteien lehnen Atomenergie geschlossen ab. Die Nutzung von Erdgas als Brückentechnologie werde jedoch begrüßt, sagte Hebestreit (siehe hierzu auch das Apéropa). Den delegierten Rechtsakt hätte es nach Auffassung der Bundesregierung jedoch nicht gebraucht. luk
Die beiden US-Mobilfunker AT&T und Verizon wollen trotz der Bedenken hinsichtlich der Flugsicherheit am Zeitplan für die Einführung neuer 5G-Dienste festhalten. Sie lehnten größere Einschränkungen bei der vorgesehenen Nutzung des C-Band genannten Frequenzbereiches ab, hieß es in einem am Sonntag veröffentlichten Schreiben der beiden Konzerne.
Es würde sich um “einen unverantwortlichen Verzicht” handeln, begründeten die Telekommunikationsfirmen ihre Haltung mit Blick auf den scharfen internationalen Wettbewerb. Sie seien allerdings bereit, auf 5G rund um Flughäfen weitere sechs Monate zu verzichten.
Am Freitag hatten US-Verkehrsminister Pete Buttigieg und der Leiter der US-Luftsicherheitsbehörde FAA, Steve Dickson, AT&T und Verizon um eine zweiwöchige Verschiebung der Einführung der 5G-Dienste gebeten (Europe.Table berichtete). Bisher ist geplant, das C-Band ab 5. Januar einzusetzen. Sorgen gibt es wegen möglicher Interferenzen von 5G mit empfindlicher Flugzeugelektronik wie Funkhöhenmessern.
Die FAA kündigte an, die jüngsten Vorschläge der Mobilfunker zur Minimierung möglicher Interferenzen zu prüfen. Diese wollen sich an Frankreich orientieren, wo 5G-Spektrum genutzt wird, das weiter von den für Funkhöhenmesser genutzten Frequenzbändern entfernt ist. rtr
Die Kommunen fordern gesetzliche Regelungen für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) sei es noch ungewiss, wie die Energiewende gelingen könne, erklärte der Spitzenverband am Montag. Kohle, Atomkraft und Gas seien trotz aller Bemühungen um eine Energiewende nach wie vor Deutschlands wichtigste Energieträger für die Stromproduktion.
Der DStGB schlug ein Klimaschutz-Beschleunigungsgesetz vor. Dieses müsse unter anderem digitale Genehmigungsverfahren ermöglichen und einen Verzicht auf naturschutzrechtliche Ausgleichsregelungen vorsehen, wenn die geplante Maßnahme dem Klimaschutz oder der Klimaanpassung diene. Die Gerichtswege müssten verkürzt werden.
Gleichzeitig forderte der Verband weitere Milliardenhilfen von Bund und Ländern zum Ausgleich von Mindereinnahmen durch die Corona-Pandemie. Der allergrößte Teil öffentlicher Investitionen werde durch die Kommunen umgesetzt, sagte DStGB-Präsident Ralph Spiegler in Berlin. rtr
Fabian Zuleeg hat die gesamte EU im Blick. Und eigentlich auch die ganze Welt. Denn als Generaldirektor des Think-Tanks European Policy Centre (EPC) mit Sitz in Brüssel ist es die Aufgabe von ihm und seinen rund fünfzig Mitarbeitern, bei wichtigen Themen beratend zur Seite zu stehen. Dabei geht es um Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Inflation, COVID-19, Gesundheitspolitik, den Green Deal, Klimaschutz, Umweltschutz, Digitales und das Verhältnis mit den USA und China. Die Liste ist lang.
Ebenso wie die Liste der Institutionen, Organisationen und Gruppen, für die das European Policy Centre Beratungen anbietet: Darunter sind europäische Institutionen, gemeinnützige Stiftungen, Firmen, Interessensverbände, NGOs und Regierungen.
Lange war Fabian Zuleeg dabei mit dem Brexit beschäftigt. “Wir haben sehr viel mit beiden Seiten gearbeitet. Auch wenn das den Brexit nicht verhindert hat. Die Aufgabe eines Think-Tanks ist nicht, die große Richtung zu verändern, sondern zu schauen, wie alle in Zukunft konstruktiv zusammenarbeiten können.” Dies gelte aktuell für den Klimaschutz, bei dem Großbritannien und die EU weiterhin an einem Strang ziehen müssen, findet er. Dass weitere Länder die EU verlassen werden, glaubt er nicht. “Großbritannien war für alle ein abschreckendes Beispiel.”
Fabian Zuleeg ist überzeugt, dass die EU im politischen Bereich stärker gegen Populisten vorgehen muss. Das European Policy Centre und Zuleeg selbst sind stark pro-europäisch. “Wir müssen den Zusammenhalt in der EU stärken und die Ungleichgewichte zwischen den Ländern und innerhalb der Länder verringern und hoffentlich irgendwann eliminieren.”
Schon früh war für Zuleeg die Ausrichtung auf Wirtschaft, Politik und Europa klar. Mit 15 Jahren verlässt der heute knapp 50-Jährige Deutschland und geht nach Australien. Er besucht eine europäische Schule in Luxemburg und studiert an verschiedenen Universitäten in Schottland, bis zum Doktortitel in politischer Ökonomie. Er arbeitet im akademischen Bereich, in der schottischen Regierung und im privaten Sektor. Dann ergibt sich die Möglichkeit, in Brüssel beim European Policy Centre einzusteigen.
Es folgt der nächste Abschnitt seines Lebens: ein Drittel in Deutschland, ein Drittel in Schottland, ein Drittel in Belgien. So international sein Lebenslauf, so international fühlt der gebürtige Kölner sich. “Manchmal frage ich mich, wie deutsch bin ich noch? Meine Frau ist Schottin und mein Sohn ist sowohl schottisch als auch belgisch als auch deutsch. Mir geht es ähnlich. Für mich ist das kein Widerspruch. Ich fühle mich als Europäer.”
Eine übergeordnete Identität, die für ihn wichtig ist und die er beim Reisen in seiner Freizeit auslebt. Im eigenen Land in Belgien, um das lokale Bier zu erkunden. Um die Familie in Schottland zu besuchen. Oder um ein Wochenende in Paris oder London zu verbringen. Der Geist Europas lässt ihn nicht los. Sarah Tekath
“Opposition ist Mist”, hat der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering einmal gesagt. Regierung bisweilen aber auch. Jedenfalls dürfte sich das mancher Grünen-Politiker dieser Tage denken.
Lautstark haben sich führende Vertreter der Ökopartei darüber ausgelassen, dass die EU-Kommission Investitionen in Kernenergie und Erdgas als “grün” klassifizieren will. Dass die Grünen die Atomkraft ablehnen – geschenkt. Die Kritik bezog aber die Einstufung von Erdgas mit ein.
“Fraglich ist auch, fossiles Gas mit in die Taxonomie aufzunehmen”, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Einmal abgesehen davon, dass “fragwürdig” das passende Adjektiv gewesen wäre, wich der Vizekanzler damit von der gemeinsamen Linie der Ampel-Koalitionspartner ab. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sah sich gestern bemüßigt festzustellen: Man sei sich einig, Erdgas vorerst als Brückentechnologie zu nutzen.
So steht es bekanntlich auch im Koalitionsvertrag. Hinter den Kulissen hat die neue Bundesregierung in Brüssel denn auch ähnlich energisch darauf gedrungen, Gas in die Taxonomie aufzunehmen, wie die GroKo-Vorgänger. Nicht in erster Linie in Person von Habeck – SPD-Kanzler Olaf Scholz leitete die Verhandlungen höchstselbst. Man darf aber davon ausgehen, dass der Vizekanzler eingebunden war.
Da gehört es zu den Ministerpflichten, die gemeinsame Position auch öffentlich mitzutragen. Auch wenn diese den eigenen Anhängern nicht gefällt. Auf der Regierungsbank sitzt es sich manchmal eben unbequem. Till Hoppe
wechselseitige Abhängigkeiten in der Energieversorgung – das ist für Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch, keine schlechte Ausgangslage. Im Gegenteil: Von “Energie-Autarkie” halte er nicht viel, enge Kooperationen seien eine Möglichkeit, Stabilität zu schaffen. Doch anders als es bislang beim Bezug von Öl und Gas oft der Fall gewesen sei, müsse es künftig eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe geben. Vorbild könne hier die jüngst mit Südafrika geschlossene Energiepartnerschaft sein. Wie Bals auf die klimapolitischen Herausforderungen des Jahres blickt und wie seine Haltung in der aktuellen Taxonomie-Debatte ist, darüber spricht er im Interview mit Timo Landenberger und Lukas Scheid.
Wenn es nach der Regierung in Spanien geht, soll das Land zum Zentrum der Elektromobilität in Europa werden. Die EU-Kommission plädiert derweil für die lokale Gewinnung von Metallen, die entscheidend für die Umsetzung des Green Deal sind. Da passt es scheinbar bestens zusammen, dass es in der Region Extremadura große Lithiumvorkommen gibt. Die Mine Valdeflores etwa verfügt geschätzt über 1,6 Millionen Tonnen Lithiumcarbonat – das würde reichen, um zehn Millionen Batterien für Elektroautos herzustellen. Allein: Bürgerinitiativen und die lokale Politik lehnen die Mine ab. Isabel Cuesta analysiert den Konflikt.
Die EU hat das Klimagesetz verabschiedet und durch das Fit-for-55-Paket auch gleich mit Maßnahmen unterfüttert. In Glasgow gab es vielversprechende Ankündigungen zur Klimaneutralität. In Deutschland wurde eine neue Regierung vereidigt, die sich dem Klimaschutz verschrieben hat. Dennoch sind wir weit vom 1,5-Grad-Ziel entfernt. Wie lautet Ihre Bilanz?
Ich denke normalerweise nicht in diesen Kategorien. Deutschland, die EU und die Weltgesellschaft innerhalb von wenigen Jahren grundlegend zu transformieren, ist kein Spaziergang. Dass wir aber, angetrieben einerseits vom Pariser Abkommen und andererseits von der Zivilgesellschaft, die auf die Straßen gegangen ist, Treibhausgasneutralität für 2050 und auch für 2030 ernsthafte Ziele vereinbart haben und die Umsetzungspakete zunehmend auf dem Tisch liegen, das ist erst einmal ein riesiger Erfolg.
Gleichzeitig ist klar, dass das für eine 1,5-Grad-Strategie noch nicht ausreicht. Deshalb brauchen wir Sofortprogramme, um möglichst schnell Emissionen zu senken. Nur bei schnellen Erfolgen haben wir eine Chance, auf EU-Ebene ab 2022 mit der Vorbereitung der Zielverschärfungen zu beginnen. Bis zum nächsten Klimagipfel im Herbst braucht die EU eine Strategie, um die verbleibende Lücke zum 1,5-Grad-Limit, von der ich ausgehe, durch internationale Kooperationen mit Partnern des globalen Südens zu schließen.
Die Umsetzungspakete, die Sie angesprochen haben, sind bereits sehr umstritten. Bei vielen Dossiers des Fit-for-55-Pakets sind die EU-Staaten weit von einer gemeinsamen Position entfernt. Wie kann der Green Deal so überhaupt gelingen?
Nachdem die Ziele im Wesentlichen festgelegt sind, kommen wir nun auf allen Ebenen in die Phase der Implementierung. In der EU liegen jetzt immerhin die meisten Vorschläge vor. In den nächsten Monaten wird darum gerungen, Einigkeit zu erzielen. Das setzt Regierungen voraus, die wirklich etwas erreichen wollen. Ich hoffe, dass die neue deutsche Regierung die Vorschläge der Kommission auch wirklich gemeinsam unterstützt, wie es im Koalitionsvertrag steht. Und sich nicht, wie bisher, mit einem gespaltenen Votum letztlich enthält. Es wird hoffentlich eine wesentlich pro-aktivere Rolle von Deutschland geben. Außerdem wird zentral sein, wie die bevorstehende Wahl in Frankreich ausgeht und wie sich das Land dann positionieren wird. Einiges wird hoffentlich noch in den nächsten Wochen von der jetzigen Regierung in der französischen Ratspräsidentschaft vorangebracht.
Grundsätzlich gilt: Handlungsfähigkeit nach Innen und nach Außen muss mit Solidarität verknüpft werden. Was die EU mit dem Better-Recovery-Programm auf den Weg gebracht hat, hat die Bereitschaft zu einem transformativen Handeln in einem Teil der EU-Staaten deutlich erhöht. In Italien beispielsweise ist die Diskussion jetzt eine andere als vor dem Paket. Ich hoffe, dass die neue deutsche Regierung da besser aufgestellt ist, als die alte und beispielsweise auch mit Partnern wie Polen das Weimarer Dreieck klimapolitisch neu beleben und neue Dynamik entfalten kann.
Dabei sind die Positionen höchst unterschiedlich. Gerade zwischen Deutschland, Frankreich und Polen, wenn man sich beispielsweise den Emissionshandel und die mögliche Ausweitung auf Gebäude und Verkehr ansieht.
Ich glaube, auch in Frankreich gibt es die Bereitschaft, das ETS auf andere Sektoren auszuweiten, wenn im Gegenzug die Unterstützung für einen Grenzausgleich da ist. Für dieses Instrument wiederum ist in Deutschland eine Akzeptanz vorhanden, wenn das in das Konzept der Klimaclubs eingebettet wird. Die dann aber nicht exklusiv sein dürfen, sondern Optionen für Partner im globalen Süden schaffen müssen.
Polen hat die Diskussion um Finanzspekulationen, die für den CO₂-Preisanstieg verantwortlich sind, auf den Tisch gebracht. Allein dadurch wurde der spekulativen Blase bereits ein Dämpfer verpasst. Hier müsste man auf Polen zugehen, sodass man das Problem gemeinsam angeht. Spekulative Blasen können für niemanden von Interesse sein. Daneben hat Polen das spezifische Problem, dass sehr viele der Gebäude auf Fernwärme aufgebaut sind. Damit muss man umgehen, auch mit der nötigen finanziellen Unterstützung. Einige polnische Stadtwerke entwickeln da sehr interessante Konzepte.
Auch im Verkehrsbereich hat Polen ein Argument: Dort kaufen viele Leute Gebrauchtwagen aus Deutschland. Das soll dann durch einen Emissionshandel bestraft werden, ohne dass es für die Menschen wirklich eine Alternative gibt. Die einzelnen Problemstellungen muss man sich also sehr konkret anschauen und die Länder, die das ETS voranbringen wollen, sollten über solidarische Kooperationen miteinsteigen. Das ist schwierig, aber nicht unmöglich zu lösen.
Kann Deutschland dabei seiner neuen Rolle als Klimazugpferd gerecht werden?
Der Lackmustest wird sein, wie das Sofortprogramm in Deutschland in den nächsten Monaten umgesetzt und im Gesetz verankert wird. Deutschland ist bisher auf einem strukturellen Pfad eines Nicht-Erreichens seiner Ziele für die 65 Prozent Reduktion. Dafür müssen die Weichen im Jahr 2022 umgestellt werden. Das geht Hand in Hand damit, die Fit-for-55-Vorschläge zu unterstützen und in aktive Verhandlungen mit jenen Partnern zu treten, die sich damit schwertun. Ich sehe die Bereitschaft bei den Schlüsselakteuren im Wirtschaft-, Außen-, und Umweltministerium. Gemessen wird Politik aber nicht an Versprechen, sondern an der Umsetzung.
In Deutschland sind wir in der EU auch in einer speziellen Situation. Wir wollen als einziges Land gleichzeitig aus Kohle und Kernenergie aussteigen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien läuft aber schleppend. Wo soll der ganze Strom herkommen?
Verschiedene wissenschaftliche Institute und das Bundesumweltamt haben bereits aufgezeigt, wie durch den Ausbau von On- und Offshore-Windkraft sowie Photovoltaik und einer intelligenten Vernetzung dieser Stromquellen es durchaus gelingen kann, dass 2030 mindestens 80 Prozent des Strombedarfs über erneuerbare Energien gedeckt werden.
Andererseits geben die jetzigen politischen Rahmenbedingungen das nicht her, weshalb das Sofortprogramm in diesem Jahr im Gesetzesblatt stehen muss. Das gilt für die Beschleunigung des Planungsprozesses, für die Festlegung, wie viel Landfläche dafür genutzt werden darf und für die parallele Unterstützung der Biodiversität. Physikalisch und technisch ist es möglich. Jetzt muss es politisch umgesetzt werden. Der Großteil der Bevölkerung unterstützt das, von daher sind die Chancen nicht schlecht.
Neben der Elektrifizierung wird auch die Produktion von grünem Wasserstoff zu einer erheblichen Steigerung des Strombedarfs führen, den wir nicht alleine in der EU decken können. Aller Voraussicht nach werden wir also weiterhin auf Energieimporte angewiesen sein. Werden dadurch nicht neue Abhängigkeiten entstehen?
Ein wesentlicher Unterschied gegenüber den bestehenden Abhängigkeiten von Öl- und Gasimporten ist, dass wir die Wahl haben werden. Es kann in vielen Ländern Wasserstoff erzeugt werden. Man wird nicht mehr von Öl- oder Gasvorkommen abhängig sein, die nur in bestimmten Regionen konzentriert liegen. Dieses Erpressungspotenzial ist nicht im selben Maße gegeben.
Außerdem bin ich generell kein Vertreter der Energie-Autarkie. Das wäre friedenspolitisch viel problematischer als wechselseitige Abhängigkeiten und Kooperationen, die jetzt aufgebaut werden können. Je nachdem, wie wir solche Energiepartnerschaften ausgestalten, können das starke Stabilitätsanker werden. Aber das muss auf Augenhöhe stattfinden, sodass wir aus den neokolonialen Mustern herauskommen, die es bisher beim Bezug von Öl und Gas oft gegeben hat. Das heißt auch, darauf zu achten, welcher Teil der Wertschöpfung in den Regionen verbleibt und wie diese beispielsweise den Wasserstoff auch für ihren eigenen Bedarf nutzen können.
Die im vergangenen Jahr geschlossene Energiepartnerschaft mit Südafrika kann paradigmatisch sein, wie man gemeinsam mit Entwicklungs- und Schwellenländern die Transformation kooperativ umsetzen kann. Das bietet enormes Kooperationspotenzial auch für unsere Wirtschaft. Wenn wir noch eine Chance auf den 1,5-Grad-Pfad haben wollen, sind solche Partnerschaften sehr wichtig, wichtiger als die allzu kleinförmigen Debatten innerhalb der EU.
Apropos: Ein weiterer Graben auf EU-Ebene ist das Thema Taxonomie, das aktuell für viel Aufregung sorgt. Dabei ist bereits die Bedeutung des Nachhaltigkeitslabels umstritten.
Die Taxonomie ist einer der notwendigen Bausteine, um die Investitionsströme an den Finanzmärkten im Sinne des Pariser Klimaziels so umzulenken, dass sie mit dem Klimaschutz vereinbar sind. Das ist also ein sehr wichtiger Marker, in welche Richtung das private und das öffentliche Geld eingesetzt werden sollen. Dabei sind wir in einer Situation, in der wir in vielen Sektoren den Schalter nicht einfach umlegen können, sondern eine transformative Phase brauchen. Und der große Streit geht um die Frage, ob diese transformative Phase den Deckmantel grün bekommen sollte oder ob dafür andere sehr eng begrenzte Möglichkeiten der Investitionen geschaffen werden.
Letzteres wäre wesentlich besser für uns, denn Gas ist ein fossiler Energieträger und aus Klimasicht hochproblematisch. Das kann man nicht als nachhaltig bezeichnen, auch wenn man gleichzeitig aus Kohle und Kernkraft aussteigt und vorübergehend in einem gewissen Ausmaß auf Gasinfrastruktur angewiesen ist. Und bei der Kernenergie gibt es kaum einen Nachhaltigkeitsindex weltweit, selbst in Russland nicht, der diese als nachhaltig deklariert. Das auch nur als Übergang einsetzen zu wollen, ist für mich weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll. Es obliegt der souveränen Entscheidung der Mitgliedsstaaten, wie sie Treibhausgasneutralität erreichen wollen. Aber sie sollten nicht andere dazu nötigen, dem den Deckmantel Nachhaltigkeit zu geben.
Wie angesprochen setzt Deutschland für den Übergang auf den Ausbau der Gasinfrastruktur, die dann H2-ready sein soll. Andererseits ist noch nicht klar, was das eigentlich heißt und wie es funktioniert. Sind das nicht am Ende Stranded Assets?
Laut Koalitionsvertrag will Deutschland bis 2045 aus fossilem Gas ausgestiegen sein – ich hoffe, es gelingt sogar etwa zehn Jahre früher. Das wird durch das Klimaschutzgesetz Jahr für Jahr vorangetrieben. Wir müssen die Abschreibungsregeln dementsprechend verändern, und wir müssen diese Regel für alle Neubauten im Gasbereich mit verankern.
Insbesondere wenn das nicht stringent durchgeführt wird, kann es Stranded Assets geben. Aber im Laufe der nächsten 15 Jahre kann es durchaus sein, dass durch bessere Flexibilitätsoptionen wie Speichermöglichkeiten oder Demand-Zeit-Management auch Teile der nun erwarteten Gas-Infrastruktur obsolet werden. Die Gaskraftwerke sollen ja nicht dauerhaft laufen, sondern dann anspringen, wenn zu wenig erneuerbare Energie im Netz ist. Insbesondere dann, wenn wir längerfristige Schwankungen, sogenannte Dunkelflauten, haben. Und diese Lücke kann man möglicherweise auch durch andere Instrumente schließen, die eventuell sogar erheblich günstiger sind.
In der Nähe der Stadt Cáceres, in der Autonomen Region Spaniens Extremadura, gibt es ein großes Vorkommen an Lithium, das fast ebenerdig liegt und leicht unter freiem Himmel abgebaut werden könnte. Die Mine Valdeflores verfügt geschätzt über 1,6 Millionen Tonnen Lithiumcarbonat – genug, um zehn Millionen Batterien für Elektroautos herzustellen.
Valdeflores könnte somit eine wichtige Rolle spielen für die Pläne der spanischen Regierung, ebenso wie für jene der EU-Kommission. Madrid will das Land zum europäischen Zentrum der Elektromobilität machen, auch mithilfe von Volkswagen, das mit anderen Automobil- und Energieunternehmen eine Batteriefabrik in Spanien bauen will. Die EU-Kommission wiederum plädiert für die lokale Gewinnung von Metallen, die für die Förderung des Green Deal als essenziell gelten (Europe.Table berichtete). Die Lithiumförderung in Extremadura wird vor Ort aber von Umweltschützern und Bürgerinitiativen heftig bekämpft.
Die Regierung Spaniens hat in der Region insgesamt vier Lithium-Vorkommen ausgemacht: Neben der Mine Valdeflores bei Cáceres gibt es noch Las Navas (Cañaveral), El Trasquilón (Valdesalor) und Tres Arroyos (Badajoz).
An der Mine Navas in Cañaveral ist Lithium Iberia interessiert. Die angekündigte Investition in das ehemalige Zinnvorkommen beläuft sich auf 318 Millionen Euro, es sollen 405 Arbeitsplätze geschaffen werden. Nach Angaben des Unternehmens sollen die ersten sechs Jahre im Tagebau und die restlichen 13 Jahre im Untertagebau durchgeführt werden.
Jacinto Sánchez, der Bürgermeister von Cañaveral, unterstützt das Vorhaben: “Wir brauchen Arbeitsplätze, und sind auf Lithium angewiesen”, sagte er zu Europe.Table. “Heute sind wir 1.000 Einwohner, aber in den 1970er Jahren waren wir 2.700. Es gab eine Schokoladenfabrik, eine Kaffeefabrik. Doch in den 1970er-Jahren wurden die Fabriken geschlossen und die Entvölkerung begann.”
Die Bürgerplattform “Nein zur Cañaveral-Mine” (No a la mina de Cañaveral) lehnt die Minenarbeiten aber entschieden ab: Die Bürgervereinigung verweist auf Umweltauswirkungen und die “Zerstörung der nachhaltigen Entwicklung der Provinz Cáceres”: Die geplante Mine liege in einer Gegend von hohem ökologischem Wert, in der zahlreiche Arten lebten, die im Katalog der bedrohten Arten aufgeführt seien. Die Bürgerplattform hat über Change.org mehr als 30.000 Unterschriften gegen das Bergwerk gesammelt.
Noch umstrittener als die Mine Navas ist der Lithiumabbau in San José de Valdeflores, nur etwa einen Kilometer vom Stadtzentrum von Cáceres entfernt. Aus dieser Mine in Spanien sollen 20.000 Tonnen Lithium pro Jahr für die nächsten 30 Jahre gewonnen werden. Das australische Unternehmen Infinity Lithium begann 2016 mit dem Verfahren für die Konzession der Mine. Zusammen mit dem spanischen Unternehmen Sacyr bildete es ein Konsortium, das unter dem Namen Tecnología Extremeña del Litio tätig ist. Die Regionalregierung erteilte zunächst eine Erforschungsgenehmigung. Diese wurde aber annulliert, nachdem Umweltgruppen 2019 Einspruch erhoben hatten.
Die Regionalregierung in Spanien habe Infinity Lithium die Genehmigung zur Erforschung von zwei Bergbauplätzen im Gebiet von Valdeflores verweigert, “da die damit verbundenen Abbautätigkeiten dem allgemeinen Gemeindeplan der Stadt Cáceres widersprechen“, sagt Olga García, Ministerin für ökologischen Wandel und Nachhaltigkeit in der Regionalregierung. Das Unternehmen legte Berufung gegen die Entscheidung beim Obersten Gerichtshof von Extremadura ein. Das Urteil steht noch aus.
Das Projekt sieht eine Investition von mehr als 530 Millionen Euro vor und hat eine Geschäftsprognose von 7,6 Milliarden Euro. Laut Infinity Lithium würden 200 Arbeitsplätze direkt geschaffen werden. Die australische Firma hatte 2019 Unterstützung von der Europäischen Investitionsbank (EIB) erhalten, als Investitionsprojekt im Rahmen der European Battery Alliance.
Die Plattform “Retten wir die Berge von Cáceres” (Salvemos La Montaña de Cáceres) wendet sich aber entschieden gegen die Nutzung der Mine am Standort Valdeflores und hat ihren Protest nach Brüssel getragen. Alejandro Palomo, Sprecher der Bürgerinitiative, verweist auf eine Äußerung eines Vertreters der EU-Kommission vom September 2020: Während der Debatte über eine eingereichte Petition habe Peter Handley von der Generaldirektion Industrie deutlich gemacht, dass das Projekt nicht nur alle Umweltstandards erfüllen, sondern auch gesellschaftliche Akzeptanz finden müsse. Palomo betont, dass die Bürger von Cáceres gegen die Mine seien.
Der Protest kommt aber nicht nur von Bürgerinitiativen. Der Bürgermeister von Cáceres, Luis Salaya, hat sich mehrfach nachdrücklich gegen das Bergbauprojekt ausgesprochen. Spanische Medien haben Salaya mit den Worten zitiert: “Wenn die Junta das Valdeflores-Projekt genehmigt, werde ich zurücktreten”. Cáceres gehört seit 1986 zum Weltkulturerbe. Die Gegner der Mine sehen darin nicht nur eine Bedrohung für die Umwelt, sondern auch für den Tourismus, ein wichtiger Wirtschaftszweig in der Region.
Spanien ist der zweitgrößte Automobilhersteller in Europa und der neuntgrößte weltweit. Die Automobilindustrie erwirtschaftet fast zehn Prozent des spanischen BIP und schafft Hunderttausende von Arbeitsplätzen. Die Transformation der Autoindustrie durch die Elektromobilität sei eine der wichtigsten Säulen des wirtschaftlichen Wiederaufbaus Spaniens, so der Generalsekretär im Ministerium für Industrie und Handel, Raül Blanco.
Die Regierung hat sieben große Projekte zur wirtschaftlichen Erholung festgelegt, die Mithilfe des Aufbauprogramms Next Generation EU entwickelt werden sollen. “Proyectos Estratégicos para la Recuperación y Transformación Económica” (PERTE) nennen die Spanier den Wiederaufbauplan, für den die Kommission gestern die erste Tranche von zehn Milliarden Euro überwies. Die Batteriefabrik, die der Volkswagen-Konzern in Spanien errichten will, ist die wichtigste Investition im Rahmen des Programms zur Umstrukturierung des Automobilsektors. Die Regierung schätzt die Investitionen für die Anlage auf knapp 3,5 Milliarden Euro.
Volkswagen hat noch nicht entschieden, wo die Batteriefabrik angesiedelt werden soll. Vier autonome Regionen Spaniens buhlen um die Ansiedlung: Extremadura, Aragon, Valencia und Katalonien. In Extremadura treibt das spanische Unternehmen Phi4Tech bereits das Projekt einer 10-Megawatt-Batteriefabrik voran. In Valencia ist eine Fabrik unter Führung von Power Electronics geplant. Beide Anlagen sind aber deutlich kleiner als das von Volkswagen geplante Werk mit einer Leistung von mindestens 40 Gigawatt.
Olga García, die Landesministerin der Regionalregierung von Extremadura, verweist auf die Bedeutung, die unterschiedlichen Produktionsstufen der Elektromobilität zu verbinden: “Wenn wir die Rohstoffe in Extremadura haben, ist es sinnvoll, die Wertschöpfungskette in unserer Region zu installieren”, sagt sie. Wenn die Ansiedlung der Industrie gelinge, würde dies zur Bewältigung des demografischen Problems in der Region beitragen. Von Isabel Cuesta
Die deutsche Bundesregierung will nicht gegen die Aufnahme von Atomkraft in die EU-Taxonomie klagen. Man denke aktuell nicht daran, sich einer Klage anzuschließen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag. Österreich hatte angekündigt, gegen die Aufnahme von Gas und Atomkraft in die EU-Taxonomie zu klagen, falls die Pläne der EU-Kommission umgesetzt werden sollten (Europe.Table berichtete).
Es könne bei einer Klage nicht um die inhaltliche Ausgestaltung des delegierten Rechtsakts gehen, sagte Hebestreit. Klagegrund könne nur die Frage sein, ob die EU-Kommission rechtlich befugt ist, einen Vorschlag zur Taxonomieverordnung in Form eines delegierten Rechtsakts vorzulegen.
Die Kommission dürfte den ergänzenden Rechtsakt zu Gas und Kernenergie am 18. Januar beschließen. Anschließend haben EU-Parlament und Rat bis zu vier Monate Zeit, diesen aufzuhalten. Die beiden Institutionen haben bei einem “Delegated Act” aber keine inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten – sie können lediglich das gesamte Papier ablehnen.
Die Hürden dafür sind aber hoch: Für eine Ablehnung wäre im Parlament eine absolute Mehrheit, im Rat sogar eine qualifizierte Mehrheit von 20 der 27 Mitgliedstaaten notwendig. Ob die Bundesregierung den Rechtsakt im Rat annehmen, ablehnen oder sich enthalten wird, sei noch offen, sagte Hebestreit. Dazu werde die Bundesregierung noch im Januar ihre abgestimmte Position bekannt geben, so der Regierungssprecher.
Die Ampelparteien lehnen Atomenergie geschlossen ab. Die Nutzung von Erdgas als Brückentechnologie werde jedoch begrüßt, sagte Hebestreit (siehe hierzu auch das Apéropa). Den delegierten Rechtsakt hätte es nach Auffassung der Bundesregierung jedoch nicht gebraucht. luk
Die beiden US-Mobilfunker AT&T und Verizon wollen trotz der Bedenken hinsichtlich der Flugsicherheit am Zeitplan für die Einführung neuer 5G-Dienste festhalten. Sie lehnten größere Einschränkungen bei der vorgesehenen Nutzung des C-Band genannten Frequenzbereiches ab, hieß es in einem am Sonntag veröffentlichten Schreiben der beiden Konzerne.
Es würde sich um “einen unverantwortlichen Verzicht” handeln, begründeten die Telekommunikationsfirmen ihre Haltung mit Blick auf den scharfen internationalen Wettbewerb. Sie seien allerdings bereit, auf 5G rund um Flughäfen weitere sechs Monate zu verzichten.
Am Freitag hatten US-Verkehrsminister Pete Buttigieg und der Leiter der US-Luftsicherheitsbehörde FAA, Steve Dickson, AT&T und Verizon um eine zweiwöchige Verschiebung der Einführung der 5G-Dienste gebeten (Europe.Table berichtete). Bisher ist geplant, das C-Band ab 5. Januar einzusetzen. Sorgen gibt es wegen möglicher Interferenzen von 5G mit empfindlicher Flugzeugelektronik wie Funkhöhenmessern.
Die FAA kündigte an, die jüngsten Vorschläge der Mobilfunker zur Minimierung möglicher Interferenzen zu prüfen. Diese wollen sich an Frankreich orientieren, wo 5G-Spektrum genutzt wird, das weiter von den für Funkhöhenmesser genutzten Frequenzbändern entfernt ist. rtr
Die Kommunen fordern gesetzliche Regelungen für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Aus Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) sei es noch ungewiss, wie die Energiewende gelingen könne, erklärte der Spitzenverband am Montag. Kohle, Atomkraft und Gas seien trotz aller Bemühungen um eine Energiewende nach wie vor Deutschlands wichtigste Energieträger für die Stromproduktion.
Der DStGB schlug ein Klimaschutz-Beschleunigungsgesetz vor. Dieses müsse unter anderem digitale Genehmigungsverfahren ermöglichen und einen Verzicht auf naturschutzrechtliche Ausgleichsregelungen vorsehen, wenn die geplante Maßnahme dem Klimaschutz oder der Klimaanpassung diene. Die Gerichtswege müssten verkürzt werden.
Gleichzeitig forderte der Verband weitere Milliardenhilfen von Bund und Ländern zum Ausgleich von Mindereinnahmen durch die Corona-Pandemie. Der allergrößte Teil öffentlicher Investitionen werde durch die Kommunen umgesetzt, sagte DStGB-Präsident Ralph Spiegler in Berlin. rtr
Fabian Zuleeg hat die gesamte EU im Blick. Und eigentlich auch die ganze Welt. Denn als Generaldirektor des Think-Tanks European Policy Centre (EPC) mit Sitz in Brüssel ist es die Aufgabe von ihm und seinen rund fünfzig Mitarbeitern, bei wichtigen Themen beratend zur Seite zu stehen. Dabei geht es um Außenpolitik, Wirtschaftspolitik, Inflation, COVID-19, Gesundheitspolitik, den Green Deal, Klimaschutz, Umweltschutz, Digitales und das Verhältnis mit den USA und China. Die Liste ist lang.
Ebenso wie die Liste der Institutionen, Organisationen und Gruppen, für die das European Policy Centre Beratungen anbietet: Darunter sind europäische Institutionen, gemeinnützige Stiftungen, Firmen, Interessensverbände, NGOs und Regierungen.
Lange war Fabian Zuleeg dabei mit dem Brexit beschäftigt. “Wir haben sehr viel mit beiden Seiten gearbeitet. Auch wenn das den Brexit nicht verhindert hat. Die Aufgabe eines Think-Tanks ist nicht, die große Richtung zu verändern, sondern zu schauen, wie alle in Zukunft konstruktiv zusammenarbeiten können.” Dies gelte aktuell für den Klimaschutz, bei dem Großbritannien und die EU weiterhin an einem Strang ziehen müssen, findet er. Dass weitere Länder die EU verlassen werden, glaubt er nicht. “Großbritannien war für alle ein abschreckendes Beispiel.”
Fabian Zuleeg ist überzeugt, dass die EU im politischen Bereich stärker gegen Populisten vorgehen muss. Das European Policy Centre und Zuleeg selbst sind stark pro-europäisch. “Wir müssen den Zusammenhalt in der EU stärken und die Ungleichgewichte zwischen den Ländern und innerhalb der Länder verringern und hoffentlich irgendwann eliminieren.”
Schon früh war für Zuleeg die Ausrichtung auf Wirtschaft, Politik und Europa klar. Mit 15 Jahren verlässt der heute knapp 50-Jährige Deutschland und geht nach Australien. Er besucht eine europäische Schule in Luxemburg und studiert an verschiedenen Universitäten in Schottland, bis zum Doktortitel in politischer Ökonomie. Er arbeitet im akademischen Bereich, in der schottischen Regierung und im privaten Sektor. Dann ergibt sich die Möglichkeit, in Brüssel beim European Policy Centre einzusteigen.
Es folgt der nächste Abschnitt seines Lebens: ein Drittel in Deutschland, ein Drittel in Schottland, ein Drittel in Belgien. So international sein Lebenslauf, so international fühlt der gebürtige Kölner sich. “Manchmal frage ich mich, wie deutsch bin ich noch? Meine Frau ist Schottin und mein Sohn ist sowohl schottisch als auch belgisch als auch deutsch. Mir geht es ähnlich. Für mich ist das kein Widerspruch. Ich fühle mich als Europäer.”
Eine übergeordnete Identität, die für ihn wichtig ist und die er beim Reisen in seiner Freizeit auslebt. Im eigenen Land in Belgien, um das lokale Bier zu erkunden. Um die Familie in Schottland zu besuchen. Oder um ein Wochenende in Paris oder London zu verbringen. Der Geist Europas lässt ihn nicht los. Sarah Tekath
“Opposition ist Mist”, hat der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering einmal gesagt. Regierung bisweilen aber auch. Jedenfalls dürfte sich das mancher Grünen-Politiker dieser Tage denken.
Lautstark haben sich führende Vertreter der Ökopartei darüber ausgelassen, dass die EU-Kommission Investitionen in Kernenergie und Erdgas als “grün” klassifizieren will. Dass die Grünen die Atomkraft ablehnen – geschenkt. Die Kritik bezog aber die Einstufung von Erdgas mit ein.
“Fraglich ist auch, fossiles Gas mit in die Taxonomie aufzunehmen”, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Einmal abgesehen davon, dass “fragwürdig” das passende Adjektiv gewesen wäre, wich der Vizekanzler damit von der gemeinsamen Linie der Ampel-Koalitionspartner ab. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sah sich gestern bemüßigt festzustellen: Man sei sich einig, Erdgas vorerst als Brückentechnologie zu nutzen.
So steht es bekanntlich auch im Koalitionsvertrag. Hinter den Kulissen hat die neue Bundesregierung in Brüssel denn auch ähnlich energisch darauf gedrungen, Gas in die Taxonomie aufzunehmen, wie die GroKo-Vorgänger. Nicht in erster Linie in Person von Habeck – SPD-Kanzler Olaf Scholz leitete die Verhandlungen höchstselbst. Man darf aber davon ausgehen, dass der Vizekanzler eingebunden war.
Da gehört es zu den Ministerpflichten, die gemeinsame Position auch öffentlich mitzutragen. Auch wenn diese den eigenen Anhängern nicht gefällt. Auf der Regierungsbank sitzt es sich manchmal eben unbequem. Till Hoppe