Table.Briefing: China

VDA-Chefin Hildegard Müller im Interview + Italien vor der Wahl + Fehlende Touristen

  • VDA-Chefin Müller: “Wir dürfen China nicht isolieren”
  • Italiens Rechtspopulisten als Favoriten
  • Chinas Mittelschicht kann kaum noch verreisen
  • Peking beschleunigt Investitionen in die Infrastruktur
  • Xi reist nach Kasachstan
  • Tote nach starkem Erdbeben in Sichuan
  • Verschärfte Regeln für US-Chiphersteller
  • Salomonen wollen US-Schiffe nicht anlegen lassen
  • Im Portrait: Nargiza Salidjanova von der Rhodium-Group
Liebe Leserin, lieber Leser,

die Autobranche befindet sich in einem der größten Umbrüche ihrer Geschichte. Das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 ist so gut wie sicher. Dabei hängt noch immer etwa die Hälfte der Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie am Verbrennungsmotor. Die Angst, in dieser kritischen Zeit auf den chinesischen Markt verzichten zu müssen, wächst – auch angesichts geopolitischer Spannungen zwischen dem Westen und China. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sieht Handlungsbedarf. “Wir brauchen eine integrierte China-Strategie”, sagt sie im Gespräch mit Table.Media. 

Europa müsse sich diversifizieren, resilienter werden, betont die VDA-Chefin mit Nachdruck. Isolieren dürfe man China bei aller gebotenen Vorsicht jedoch nicht. “Einfach raus aus China – das ist nicht die Lösung.” Denn eines dürfe man ebenfalls nicht vergessen: Auch China habe noch immer großes Interesse an unserem Engagement.

In der europäischen Politik tönt es derzeit jedoch ganz anders: Irgendwie scheint es, als wäre aktuell die Zeit der China-Kritiker: In Großbritannien wird Liz Truss aller Voraussicht nach neue Premierministerin. Die bisherige Außenministerin steht für einen klaren Anti-China-Kurs. Ähnlich verläuft derzeit die Entwicklung in Italien. Dort wird am 25. September ein neues Parlament gewählt – und das favorisierte Rechtsbündnis um Giorgia Meloni hat beste Chancen, die neue Ministerpräsidentin zu stellen. Meloni selbst setzt jedenfalls schon jetzt klare Zeichen – gegen Peking.

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Amelie Richter
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Interview

“Einfach raus aus China ist keine Lösung”

Hildegard Müller ist Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) - sie sieht in der Abkehr von Deutschlands Automobilindustrie von China keine Lösung.
Hildegard Müller ist Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA)

Das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 ist so gut wie sicher. BMW, Mercedes und VW sind vorbereitet, schon Ende des Jahrzehnts überwiegend batterieelektrisch zu fahren. Sind es also eher Phantomschmerzen, wenn die Branche stöhnt?

Es ist zur früh für eine abschließende Bewertung. Schließlich steht der Trilog (Verhandlungen innerhalb der EU-Institutionen, Anm. d. Red.) noch aus. Ich warne allerdings ausdrücklich davor, im EU-Gesetzgebungsverfahren das Ambitionsniveau noch weiter in die Höhe zu treiben. Vielmehr gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die ambitionierten Ziele auch erreicht werden können und die Menschen bei der Transformation mitgenommen werden.

Gleichzeitig steht fest: Die Branche wird es schaffen, auf den relevanten Märkten das E-Auto anzubieten. Die Automobilindustrie hat die Herausforderung der Transformation angenommen. Sie investiert dafür rund 220 Milliarden Euro bis 2026 in Forschung und Entwicklung, vor allem in die Elektromobilität. Dazu kommen bis 2030 noch mindestens 100 Milliarden Euro für den Umbau von Werken. Der Autoindustrie kann also niemand vorwerfen, dass es an uns scheitert. Wir wollen den Hochlauf und treiben die Transformation.

Die Hersteller sind heute in doppelter Weise abhängig von China. BMW, Mercedes und VW brauchen China existenziell als Absatzmarkt wie auch als Lieferant. Hat sich die Industrie zu sehr abhängig gemacht von China?

Die Frage des Verhältnisses zu China geht weit über die Autoindustrie hinaus. Insgesamt beobachten wir auf der Welt fundamentale Veränderungen: Bislang hat die Ökonomie politische Veränderungen begleitet, unterstützt und stabilisiert. Die Tatsache, dass man wirtschaftlich im Gespräch war, hat auch politische Tatsachen geschaffen. Jetzt erleben wir, dass Geoökonomie von einigen als politische Strategie eingesetzt wird. Das ist eine Veränderung, über deren Folgen wir uns in Europa gerade erst bewusst werden.

Was folgt daraus?

Die Antwort kann und darf keine Abkehr von der Globalisierung sein. Der Angriffskrieg von Putin heißt im Gegenteil, dass wir mit noch mehr Ländern reden und zusammenarbeiten müssen. Wir müssen dabei natürlich stärker diversifizieren und Abhängigkeiten reduzieren. Ich werde nicht müde, zu wiederholen: Wir brauchen mehr Rohstoff-, mehr Energie und mehr Handelsabkommen. Es geht nicht, 15 Jahre lang mit Kanada über CETA zu verhandeln und wenn alles fertig ist, noch einmal nachverhandeln zu wollen. Wir brauchen eine Offensive für mehr rechtssichere Abkommen. Andere Staaten sind sehr aktiv, wenn es darum geht, sich Zugänge zu Rohstoffen und zu Energie zu sichern. Wir sind zu oft nicht dabei, sind viel zu langsam und verschlechtern damit zunehmend die Wettbewerbsbedingungen für Europa und damit auch für unsere Industrie. Es geht um den Wohlstand Europas in der Zukunft.

Und was ist mit dem unternehmerischen Engagement?

Die Unternehmen tun alles dafür, sich stärker zu diversifizieren und resilienter zu werden. Sie sind dabei, für Rohstoffe und Vorprodukte alternative Lieferanten zu finden, wo immer das möglich ist und Verträge zu schließen. Handelsabkommen geben den Rahmen, in denen diese Verträge rechtssicher geschlossen werden können. Die andere Frage sind die Absatzmärkte. Natürlich ist China dabei für unsere Branche sehr wichtig. Die Erträge, die wir auch dort machen, spielen die Gewinne ein, mit denen die Transformation bezahlt wird. Auch China hat im Übrigen Interesse an unserem Engagement.

Was heißt das?

Ich wünsche mir eine bessere Begleitung durch die Politik. Wir brauchen eine integrierte China-Strategie. Hier sehe ich aber sehr viel Stillstand, sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Einfach raus aus China – das ist nicht die Lösung. Dafür ist das Land und seine wirtschaftliche Bedeutung zu groß. Wir können China nicht isolieren. Das wäre naiv – und sowohl politisch als auch wirtschaftlich fatal.

Mercedes hat gerade die verschärfte Luxusstrategie verkündet. Das ist ja noch einmal eine verstärkte Ausrichtung auf den chinesischen Markt. Wo sehen Sie Bestrebungen, unabhängiger vom Absatzmarkt China zu werden?

Ich äußere mich zu Strategien einzelner Unternehmen grundsätzlich nicht. Natürlich ist es geboten, zum Beispiel Indien oder zum Beispiel den Asien-Pazifikraum als Absatzmarkt besser zu erschließen. Das geht aber nicht über Nacht.

Die Chipkrise hat die Hersteller viel Geschäft gekostet. Ist es sinnvoller, die Chips hier teurer selbst zu produzieren, statt sie mit Risiko aus Asien zu importieren?

Bei Chips haben wir kein System, das allein von den Gesetzen des Marktes dominiert wird. Vielmehr haben einige Staaten aktive Industriepolitik betrieben und mit viel Subventionen dafür gesorgt, dass Fabriken angesiedelt wurden. Europa hat das lange abgelehnt. Langsam wacht man auf. Es wird höchste Zeit, die EU-Wettbewerbsregeln an die sich verändernden geostrategischen Bedingungen anzupassen. Hier wird schnell als unerlaubte Beihilfe gesehen, was Europa weltweit stärken könnte.

Was heißt das denn?

Die EU hat ja eine Kurskorrektur vorgenommen und zahlreiche IPCEIs (Important Projects of Common European Interest, d. Red.) auch zur Chipproduktion aufgelegt. Dieser Weg ist in diesem Fall richtig: Die Produktion in Europa halte ich für wichtig, um die Industrie resilienter zu machen. 

Rechnen Sie mit dem Einbrechen der Absatzzahlen deutscher Hersteller in China durch die Null-Covid-Strategie?

Nein. Unsere neue Prognose für den chinesischen Markt geht aktuell von einem Plus von neun Prozent aus. Es kämen dann rund 23 Millionen Pkw auf den chinesischen Markt. Offensichtlich wird die Nachfrage nach Autos in China auch dadurch stimuliert, dass das Land die Steuern auf den Kauf zum Teil gesenkt hat. Wir müssen zudem abwarten, ob sich die Lage bei den Lieferketten entspannt. Davon ist abhängig, ob die Hersteller an den europäischen Standorten die Produktionszahlen wieder hochfahren können.  

Hildegard Müller war von 2002 bis 2008 für die CDU Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2005 bis 2008 war sie Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte für die Bund-Länder-Koordination in der Regierung von Angela Merkel. Seit Februar 2020 ist die 55-Jährige Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie. 

  • Autoindustrie
  • Chips

Analyse

Wahl in Italien: Favoriten verfolgen China-kritischen Kurs

Wahlen in Italien: Mögliche nächste Ministerpräsidentin Italiens: Die Rechtspopulistin Giorgia Meloni - das Bündnis verfolgt eine klare Kante gegen China.
Mögliche nächste Ministerpräsidentin Italiens: Die Rechtspopulistin Giorgia Meloni

Die Anteile Chinas an Direktinvestitionen in der Europäischen Union sind im vergangenen Jahr zurückgegangen. 2021 entfielen auf die Volksrepublik gerade einmal noch 2,3 Prozent aller ausländischen Übernahmen, wie die EU-Kommission in einem neuen Bericht mitteilt. Im Jahr 2020 waren es noch 3,4 Prozent. Im Greenfield-Bereich sanken die Investitionen von 7,1 Prozent auf 6 Prozent. Der Begriff Greenfield Investment beschreibt den Neu- oder Zubau bzw. die Erweiterung von Betrieben mit Fokus auf Produktion. Der Wert der FDI aus China stieg jedoch: Waren 2020 noch 6,5 Milliarden Euro investiert worden, waren es in 2021 rund neun Milliarden Euro.

Strenge chinesische Kapitalkontrollen und die Konzentration auf bestimmte Kernbranchen hätten die Direktinvestitionen aus der Volksrepublik geschmälert, so die Brüsseler Behörde. Zu der Erklärung der Entwicklung gehört auch: Einige EU-Staaten haben ihre Prüfungsmechanismen verstärkt und schauen bei möglichen Investitionen genauer hin. Italien galt hier mit der Regierung von Mario Draghi als gutes Vorbild.

Draghi hat die “Golden Power Rules” – wie Italiens FDI-Screening-Mechanismus genannt wird – mehr als jeder der vorangegangenen Regierungschefs genutzt. Seit seinem Amtsantritt im Februar 2021 wurden die Investitionsprüfungen angewendet, um drei chinesische Übernahmen und die Bedingungen einer Anteilserhöhung durch einen bestehenden Anteilseigner zu verhindern. Eine weitere Übernahme wurde zudem ganz rückgängig gemacht, obwohl diese vor Draghis Amtszeit abgeschlossen worden war.

“Schizophrene” China-Politik nach der Wahl?

“Die Golden Power Rules haben sich seit ihrer Einführung im Jahr 2012 sehr gut entwickelt”, sagt Francesca Ghiretti, Analystin bei Berliner China-Forschungsinstitut Merics. Italien verfüge über einen der effektivsten Mechanismen zur Überprüfung ausländischer Investitionen innerhalb der Europäischen Union. Für die Überarbeitung der EU-weiten Richtlinien, die für 2023 geplant ist, könne der italienische Ansatz allerdings nur begrenzt dienen: Da die FDI-Screenings auf Basis der nationalen Sicherheit durchgeführt werden und diese in den Hauptstädten entschieden wird, kann Brüssel nie so weit gehen wie die einzelnen Mitgliedsstaaten selbst, erklärt Ghiretti. Die Überarbeitung des Investment-Screenings der EU kann sich also höchstens am italienischen Ansatz ein Vorbild nehmen.

Die “Golden Power Rules” seien bei weitem auch nicht perfekt, so Ghiretti. “Die Entscheidungen, welche Investitionen geblockt und welche neu verhandelt werden, sind sehr politisch und hängen davon ab, wer gerade das Land regiert. Das kann dann so oder so laufen.” Und so könnte Screening-Musterschüler Italien bald einen Wandel erfahren.

Denn wie Rom künftig mit dem FDI-Screening und ausländischen Investitionen umgehen wird, wird nach der Wahl Ende September besonders spannend – denn mit dem durchaus wahrscheinlichen Wahlsieg des rechtspopulistischen Bündnis unter Giorgia Meloni könnte in den Palazzo Chigi eine “schizophrene” China-Politik einziehen, wie Ghiretti es nennt. 

Meloni mit klarem Anti-China-Ansatz

Am 25. September wählt Italien ein neues Parlament. Dieses bestimmt dann den Regierungschef – oder wie nun der Fall: möglicherweise Italiens erste Regierungschefin. Favoritin auf das Amt ist die 45 Jahre alte Rechtspopulistin Giorgia Meloni.

Meloni, Chefin der Fratelli d’Italia, ist bisher mit einem klaren Anti-China-Ansatz angetreten. Ihr Bündnispartner Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Partei Lega und Ex-Premier Silvio Berlusconi hätten in der Vergangenheit jedoch eine eher erratische China-Politik betrieben, urteilt Merics-Analystin Ghiretti. “An einem Tag sprach er sich gegen China aus, an dem nächsten Tag wieder dafür”, sagt Ghiretti mit Blick auf Lega-Chef Salvini, der von Juni 2018 bis September 2019 bereits italienischer Innenminister und Vize-Ministerpräsident war.

Dass das rechtspopulistische Bündnis seine China-Politik auch als Druckmittel gegen Brüssel einsetzen könnte, wäre keine große Überraschung, meint Ghiretti. Die inkonsistente Politik und gegensätzliche Aussagen der drei Bündnispartner gegenüber Peking in der Vergangenheit machten einen Ausblick auf die kommende China-Politik unter einer Ministerpräsidentin Meloni schwierig.

Giorgia Meloni steht seit 2014 an der Spitze der Fratelli d’Italia, einer Partei, die sie zwei Jahre zuvor mitbegründet hatte. Fratelli bezeichnet sich selbst als “national-konservative, nationalistische, traditionalistische, postfaschistische und souveränistische Partei”. Im EU-Parlament sind ihre Mitglieder in der Fraktion der Partei “Europäische Konservative und Reformer” vertreten, unter anderem zusammen mit der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Zeichen setzen mit Taiwans Vertreter in Rom

Inhaltlich wird Meloni gern mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán verglichen: ultrakonservative Familienansichten, gegen die LGBTQ-Community gerichtet, migrationsfeindlich. Was China angehe, sei die 45-Jährige jedoch anders gestrickt als Ungarns Regierungschef, sagt die italienische Journalistin Giulia Pompili, die Chinas Aktivitäten in ihrem Heimatland seit Jahren genau verfolgt: “Sowas wie mit der Fudan-Universität in Budapest würde mit Meloni nie passieren.” In Ungarns Hauptstadt ist ein erbitterter Streit über die geplante Einrichtung eines ungarischen Ablegers der chinesischen Fudan-Universität ausgebrochen (China.Table berichtete). Während die rechtsnationale Regierung um Orbán den Bau vorantreibt, kritisierten aufgebrachte Bürger, dass damit eine von der Kommunistischen Partei Chinas kontrollierte Einrichtung aus ungarischen Steuergeldern finanziert werden solle. Die italienische Rechtspopulistin Meloni sei vielmehr “trumpisch” unterwegs, quasi “Italy First”.

Wegen dieses Fokus habe die mögliche nächste Ministerpräsidentin bisher auf außenpolitischen Bühnen auch so gut wie gar nicht stattgefunden, meint Pompili. “Sie war bisher sehr auf die italienischen Angelegenheiten fokussiert”, sagt Pompili. Seit einigen Wochen sei nun aber auch China in den Aufmerksamkeitskreis der 45-Jährigen gerückt – und dabei geht sie in die Vollen. Ende Juli veröffentlichte Meloni ein Foto mit Andrea Sing-Ying Lee, dem taiwanischen Vertreter in Italien, auf Twitter. Besonders auffallend dabei: Meloni selbst spricht von ihm als “Botschafter” – eine Formulierung, die in Peking nicht gern gesehen wird. Meloni habe damit ganz klar ein Zeichen setzen wollen, urteilt Journalistin Pompili.

Zentristen ohne Plan

Diese Stoßrichtung der nächsten möglichen Ministerpräsidentin Italiens werde auch Einfluss auf die ausländischen Investitionen haben: “Ich schätze, dass unter einer Meloni-Regierung die Direktinvestitionen aus China dramatisch fallen werden“, sagt Pompili – auch wenn natürlich nicht die gesamte Führungsriege aus der rechtspopulistischen Fratelli d’Italia stammen wird. Wer im Falle des Wahlsiegs für Meloni, Berlusconi und Salvini das Amt des Außenministers oder der Außenministerin besetzen wird, ist noch nicht klar. Meloni hat jedoch den ehemaligen italienischen Außenminister Giulio Terzi di Sant’Agata auf ihre Wahlliste gesetzt. Das bedeutet nicht, dass dieser den Posten abermals ausfüllen wird. Der 76-Jährige, der für eine klare Anti-China-Politik bekannt ist, bewegt sich aber im engeren Dunstkreis der Rechtspopulistin.

Meloni profitiert im Wahlkampf derzeit stark von der Planlosigkeit der Zentristen um Enrico Letta. “Letta äußert sich kaum zu Außenpolitik oder China”, sagt Journalistin Pompili. Innerhalb der Demokraten sei keine richtige Position erkennbar. Letta habe sich zwar für den Schutz ausländischer Investitionen und den gleichzeitigen Schutz kritischer Infrastruktur in Italien ausgesprochen – einen genauen Fahrplan dafür gebe es bei Letta aber nicht, urteilt Pompili.

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Null-Covid-Politik belastet Europas Tourismus-Industrie 

Chinas Null-Covid-Politik belastet den Tourismus in Europa - auch bei Luxusmarken wie Givenchi brechen Einnahmen weiter weg.

Die durch die Corona-Pandemie gebeutelte Tourismus-Industrie in Europa hat in diesem Sommer ein Comeback gefeiert. Italien etwa meldete rund 15 Millionen Gäste zur Hochsaison – ein neuer Rekord. Ähnlich sah es in Spanien, Griechenland aus. Wie auch an der deutschen Nordseeküste. Doch die Branche blickt mit zwiespältigen Gefühlen auf den derzeitigen Boom. Denn den Unternehmen ist klar, dass es sich bei den Rekorden auch um einen Corona-Nachholeffekt handelt. Schon in der anstehenden Herbst-Reisewelle und im kommenden Frühjahr könnten die Ströme europäischer Reisender wieder auf ein Normalmaß zurückgehen. 

Und dann dürften vor allem Gäste aus China fehlen. Sie reisten vor der Pandemie in immer größerer Zahl nach Europa und waren bekannt dafür, nebenbei auch noch kräftig zu shoppen. Für Chinesen waren vor allem die zwei “goldenen Wochen” die Hauptreisezeit. Sie kamen rund um den Nationalfeiertag am 1. Oktober und zum chinesischen Frühlingsfest im Januar oder Februar gern nach Europa.

Doch damit ist Schluss, seit die chinesische Führung der Nation eine strikte Null-Covid-Politik verordnet hat. Chinas Mittelschicht leidet nicht nur unter Lockdowns daheim, ihr wird von der eigenen Regierung auch noch weitestgehend untersagt, das Land zu verlassen. Neue Pässe werden in der Regel nur noch für wichtige Geschäftsreisen oder Studienaufenthalte ausgestellt. Wer trotz Warnungen versucht, Urlaub im Ausland zu machen, muss damit rechnen, dass bei der Rückkehr nach China schon mal der Pass zerschnitten wird. 

Deutschland erschwert Einreise für Chinesen

Auch die Bundesregierung macht es Chinesen derzeit nicht gerade leicht, nach Deutschland zu reisen. Obwohl es kaum die Schuld chinesischer Touristen ist, dass ihre Regierung sie mit strikten Corona-Maßnahmen terrorisiert, hält Deutschland an verschärften Einreisebedingungen explizit für Chinesen fest. Das Auswärtige Amt argumentiert mit dem sogenannten Gegenseitigkeitsvorbehalt. 

Weil Deutsche derzeit wegen der strikten Coronavirus-Regeln nur unter großen Schwierigkeiten nach China gelangen, sollen Chinesen ebenfalls nicht so einfach wie früher nach Deutschland reisen dürfen. Die deutsche Politik interpretiert Chinas strikte Pandemie-Maßnahmen also als nationale Politik gegen ausländische Besucher. So mancher vom Dauer-Lockdown genervte und urlaubsreife Shanghaier würde hier wohl nur allzu gern widersprechen. 

Für die ohnehin geplagte europäische Wirtschaft sind die wohl noch für längere Zeit wegbleibenden chinesischen Touristen ein weiterer Schlag. Das wird schon beim Blick auf Chinas Tourismus-Zahlen der Vergangenheit deutlich: Im Jahr 2019 – also vor der Pandemie – unternahmen Chinesen 154 Millionen Auslandsreisen. US-Bürger reisten im selben Jahr rund 100 Millionen Mal ins Ausland und gaben dabei mit 1363 US-Dollar pro Person deutlich weniger als Chinesen aus. Diese ließen sich ihren Urlaub im Schnitt nämlich 1852 Dollar kosten. 

Vor allem Luxusmarken leiden

Die insgesamt rund 255 Milliarden Dollar, die Chinesen noch 2019 für Reisen ins Ausland ausgegeben haben, sind im vergangenen Jahr ausgeblieben. Nur noch 8,5 Millionen Chinesen reisten ins Ausland – und selbst das war, bevor Chinas Regierung die Ausreise-Regeln Anfang dieses Jahres weiter verschärft hat. 

Auch europäische Luxusmarken bekommen die fehlenden Touristen aus China zu spüren. Laut der Zeitung Financial Times machten Chinesen vor der Pandemie rund ein Drittel des weltweiten Umsatzes mit Luxusgütern von insgesamt rund 93 Milliarden Dollar aus.

Luxustaschen und andere Güter kauften sie jedoch wegen der hohen Steuern selten in China, sondern während des Urlaubs im Ausland. Auch in Hamburg oder Düsseldorf heuerten Boutiquen extra Personal mit Chinesisch-Kenntnissen an. So konnten Kunden aus Fernost ganz nach ihren Bedürfnissen bedient werden. Doch auch damit ist nun Schluss. Chinesen machten im vergangenen Jahr nur noch rund ein Fünftel des weltweiten Luxus-Umsatzes aus. Und mangels Möglichkeiten kauften sie zudem im eigenen Land ein. Jörn Petring/Gregor Koppenburg 

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News

Mit Investitionen gegen Konjunkturschwäche

China will die von Corona-Wellen und Immobilienkrise gebeutelte heimische Wirtschaft stützen. Dazu würden Investitionen in die Infrastruktur beschleunigt, wie der stellvertretende Generalsekretär der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, Yang Yinkai, am Montag auf einer Pressekonferenz in Peking ankündigte.

Die Zentralbank kündigte an, dies mit eigenen Maßnahmen zu flankieren. Sie habe noch relativ viel Spielraum in der Geldpolitik, sagte der stellvertretende Notenbankchef Liu Guoqiang. So wolle man Banken dabei helfen, die Investitionen in Infrastrukturprojekte zu unterstützen. Sorge bereitet der Führung in Peking der schwächelnde Yuan-Kurs. Die Regierung werde den Außenhandelsunternehmen deshalb bei der Absicherung von Wechselkursrisiken helfen, kündigte der stellvertretende Handelsminister Li Fei an.

Ursprünglich hat Peking für dieses Jahr ein Wachstumsziel von etwa 5,5 Prozent ausgegeben. Die Wirtschaft wächst allerdings langsamer als erwartet (China.Table berichtete). Ökonomen halten das aber für kaum noch erreichbar. So haben die chinesischen Behörden zuletzt ihren Kampf gegen lokale Corona-Ausbrüche verschärft. Dadurch wurde die Liste der von Corona-Beschränkungen betroffenen chinesischen Großstädte immer länger (China.Table berichtete). Das Analysehaus Capital Economics zählte mehr als 40 Städte, die für ein Drittel der chinesischen Wirtschaftsleistung stehen. Ökonomen des Finanzhauses Nomura gehen in einer Analyse davon aus, dass Einschränkungen in der Volksrepublik noch mindestens bis März bestehen bleiben werden, wenn die jährliche Parlamentssitzung stattfindet.

Corona ist allerdings nicht das einzige Problem der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Sie hat auch mit Schwierigkeiten am Immobilienmarkt zu kämpfen. In fast 70 Städten sanken im August die Preise für Wohnungen. Die Pleite von Bauträgern hat in den vergangenen Monaten zum Aus oder zur Verzögerung von Wohnungsbauprojekten geführt. Viele Chinesen boykottierten die Zahlung ihrer Hypotheken (China.Table berichtete). Die Baubranche steht dabei nicht nur wegen der Corona-Pandemie unter Druck. Die Regierung hat ihre Kampagne gegen Spekulanten verschärft – auch aus Furcht vor einer Preisblase. Zudem hat die Krise um den angeschlagenen Immobilienriesen Evergrande viele potenzielle Hauskäufer verschreckt. Um gegenzusteuern, haben seit Jahresbeginn mehr als 80 Städte Maßnahmen ergriffen, um die Nachfrage anzukurbeln. Dazu gehören Subventionen, niedrigere Hypothekenzinsen und geringere Anzahlungen. rtr

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Xis erste Reise führt nach Kasachstan

Xi Jinpings erstes Reiseziel seit Beginn der Pandemie im Januar 2020 steht fest. Der chinesische Präsident reist ins Nachbarland Kasachstan, wie mehrere Medien unter Berufung auf das kasachische Außenministerium berichten. Der Besuch soll am 14. September stattfinden. Xi will mit Präsident Qassym-Schomart Toqajew über Handel sprechen. Möglicherweise folgt sogar noch ein Abstecher nach Usbekistan.

Die erste Auslandsreise des Staats- und Parteichefs ist ein viel beachtetes Ereignis. Xi Jinping als Architekt der chinesischen Null-Covid-Politik hatte sich selbst von jeder Ansteckungsquelle ferngehalten und es daher auch vermieden, die Landesgrenzen zu überschreiten. Gegenüber seinen Landsleuten galt eine intensive Reisetätigkeit der Führung auch als schwer vermittelbar.

Inzwischen haben sich jedoch gute Gründe für Auslandstrips angehäuft. Die Seidenstraßen-Initiative benötigt politische Flankierung auf höchster Ebene. Außenpolitisch hatte Xi bis zum Beginn der Coronavirus-Pandemie große Erfolge erzielt, indem er persönlich in die Hauptstädte der Welt gejettet ist. fin

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Mindestens 46 Tote nach Beben in Sichuan

Heruntergefallene Felsbrocken auf der Straße nahe Luding in der Provinz Sichuan - ein starkes Erbeben hat Sichuan am Montag, 5.09.2022, erschüttert.
Heruntergefallene Felsbrocken auf der Straße nahe Luding in der Provinz Sichuan

Ein starkes Erdbeben im Südwesten Chinas hat am Montag mindestens 46 Tote gefordert. Das Epizentrum der Erschütterungen mit einer Stärke von 6,8 lag nach Angaben der chinesischen Erdbebenwarte nahe der Stadt Luding, rund 230 Kilometer südwestlich der Provinzhauptstadt Chengdu.

Das Beben hatte in einer Tiefe von rund 16 Kilometern seinen Ursprung. Es ist das schwerste Beben in der Region seit 2017. Wie Chinas Staatsmedien berichteten, wurden neben Sichuan auch die benachbarte Stadt Chongqing sowie Teil der Provinzen Yunnan, Shaanxi und Guizhou von dem Beben erschüttert.

In China kommt es häufig zu Erdbeben, insbesondere in den bergigen Regionen im Westen und Südwesten des Landes. Im September 2008 starben in Sichuan bei einem Beben der Stärke 8,0 insgesamt 87.000 Menschen. 2010 kamen nach einem Erdstoß der Stärke 6,9 in der Provinz Qinghai rund 3.000 Menschen ums Leben.

Das Beben am Montag ist ein weiterer Schlag für eine Region, die derzeit mit mehreren Problemen zu kämpfen hat: erst Trockenheit, dann Starkregen und Überschwemmungen (China.Table berichtete). Hinzukommen Stromknappheit und nicht zuletzt auch die anhaltende Coronavirus-Pandemie.

So haben die Behörden in Chengdu zu Wochenbeginn den aktuell geltenden Lockdown bis Mitte der Woche verlängert. Die rund 21 Millionen Bewohner der Stadt sollten weiterhin zu Hause bleiben, nur eine Person pro Haushalt darf die Wohnung verlassen, um das Nötigste einzukaufen. Zudem wurden tägliche Tests angeordnet. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, wurden bis Montag am städtischen Shuangliu Flughafen 88 Prozent der Flüge gestrichen. rad

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USA verschärfen Regeln für Chip-Exporte

US-Chiphersteller dürfen wegen neuer Anweisungen der US-Behörden keine Hochleistungschips mehr nach China liefern. Die Einschränkungen betreffen Halbleiter, die vor allem bei Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) benutzt werden, wie die US-Chipkonzerne Nvidia und Advanced Micro Devices (AMD) mitteilten. Das US-Handelsministerium erklärte, man wolle “verhindern, dass fortschrittliche Technologien in die falschen Hände geraten” und “die nationale Sicherheit und die außenpolitischen Interessen der USA schützen” Zu den spezifischen Kriterien für das Verbot äußerte es sich nicht.

Der Schritt signalisiert eine neue Eskalation im US-chinesischen Streit über das Schicksal von Taiwan, wo Nvidia und viele andere Hersteller Chips fertigen lassen. Ohne amerikanische Chips verlieren chinesische Unternehmen etwa die Möglichkeit, Daten in der Bild- und Spracherkennung kostengünstig und schnell zu verarbeiten. Dabei sind die Technologien nicht nur in Verbraucheranwendungen weit verbreitet. Sie werden auch im militärischen Bereich eingesetzt – zum Beispiel bei der Durchsuchung von Satellitenbildern nach Waffen oder Stützpunkten und beim Filtern digitaler Kommunikation zur Nachrichtenbeschaffung. nib/rtr

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Salomonen untersagen US-Schiffen das Anlegen

Rund drei Monate nach dem Abschluss des umstrittenen Sicherheitsabkommens mit China zeigen sich die Salomonen zunehmend abweisend gegenüber US-Marineschiffen. Nachdem einem Schiff der US-Küstenwache das Einlaufen in der vergangenen Woche verweigert wurde, verhängten die Behörden des pazifischen Inselstaates nun einen völligen Stopp von Marinebesuchen. “Wir haben unsere Partner gebeten, uns Zeit zu geben, um neue Prozesse zu überprüfen und einzuführen, bevor wir weiteren Anträgen für die Einreise von Militärschiffen stattgeben”, ließ Premierminister Manasseh Sogavare mitteilen.

Die Regeln gelten demnach für Marineschiffe aller Länder, so der Premier. Auf Vorwürfe aus den USA, dass der Anlaufstopp auf chinesischen Einfluss zurückzuführen sei, ging er nicht ein. Im April hatten die Salomonen ein umstrittenes Sicherheitsabkommen mit China unterzeichnet (China.Table berichtete). Demnach kann China die Salomonen bei “Fragen der sozialen Ordnung und Sicherheit” unterstützen. Australien, die USA und andere westlichen Staaten hatten daraufhin Sorge geäußert, dass China dort eine dauerhafte Militärpräsenz aufbauen könnte (China.Table berichtete). Eine Militärbasis auf den strategisch günstig gelegenen Inseln wäre für Peking ein wichtiger Schritt, um die eigene Machtposition im Pazifik zu stärken. Sogavare hatte zuletzt Australiens Premier zugesichert, dass es keine dauerhafte chinesische Präsenz geben wird. niw

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Nargiza Salidjanova – China-Blick aus Washington

Portrait von Nargiza Salidjanova, Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group.
Nargiza Salidjanova, Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group.

Manchmal ist der richtige Zeitpunkt einfach alles. Das durfte auch Nargiza Salidjanova erfahren. “Meine Karriere in den China-Studien hat sich bislang durch richtig gutes Timing ausgezeichnet”, sagt die heutige Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group, einem unabhängigen Forschungsinstitut mit Hauptsitz in New York. Als Salidjanova während des Bachelorstudiums damit begann, sich intensiver mit China zu beschäftigen, wurde die Volksrepublik gerade in die Welthandelsorganisation aufgenommen. “Was für eine ausgezeichnete Möglichkeit für eine Wirtschaftsstudentin, in Echtzeit die Integration eines kommunistischen Landes ins globale Wirtschaftssystem zu verfolgen.” Im Jahr 2007 reiste sie zum ersten Mal nach China. Das Land bereitete sich gerade auf die Olympischen Sommerspiele vor, am Horizont zog die weltweite Finanzkrise auf – ebenfalls ein wegweisendes Jahr.

Ihr Studium schloss sie mit einem Master an der American University in internationaler Wirtschaftspolitik ab. Vor ihrem Eintritt bei der Rhodium Group war sie verantwortliche Direktorin für Wirtschaft und Handel in der “US-China Economic and Security Review Commission”, einem Beratungsorgan des US-Kongresses. In Diensten der Rhodium Group beschäftigt sich Salidjanova vor allem mit ökonomischer Datenanalyse und der ganzheitlichen Bewertung aktueller Entwicklungen in der Volksrepublik.

Es wird immer schwerer, an Informationen zu kommen

Sie selbst habe über die Jahre bemerkt, dass die Arbeit von China-Analysten sehr kompliziert werden kann aufgrund des Mangels an Informationen, unzuverlässigen Quellen und nur unzureichendem Zugang. “Die Pandemie und der Schock durch Russlands Krieg in der Ukraine haben die Situation noch schwieriger gemacht”, sagt Salidjanova. “Analysten müssen kreativ sein, aber auch vorsichtig bleiben, da Chinas Regierung sich darauf konzentriert, immer engere Kontrollen hinsichtlich des Informationsflusses einzurichten.”

Salidjanovas Analysen werden natürlich auch beeinflusst durch ihre eigenen politischen Sichtweisen, wie die in Washington beheimatete Analystin offenlegt. Aus ihrer Sicht ist die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft selbstverschuldet, weil Peking auf staatlichen Regularien beharrt, statt Reformen voranzutreiben. “Akteure auf beiden Seiten des Atlantiks und andernorts intensivieren momentan die Diskussion über die Abhängigkeit von chinesischen Produkten und Importen.” Es gebe in der Weltanschauung der KP China einen starken Hang zur Selbstversorgung. Zugleich sei China noch lange nicht bereit, sich vom Ausland unabhängig zu machen und es alleine zu versuchen.

Nuancierte Analyse wichtiger denn je

Einmal mehr sieht sie China an einem Wendepunkt. “Chinas makroökonomische Verlangsamung und die wachsenden geopolitischen Spannungen erhöhen die Notwendigkeit von komplexer und zugleich nuancierter Analyse”, erklärt sie und verweist etwa auf das Projekt “China Pathfinder”, das Rhodium zusammen mit dem Atlantic Council im vergangenen Jahr ins Leben gerufen hat. Dieses Projekt soll bewerten, ob sich China wieder stärker öffnet oder noch weiter gegenüber der freien Marktwirtschaft verschließt.

“Angesichts von Chinas Bedeutung im globalen System ist das Land zu wichtig, um nicht mit ihm zu interagieren, aber der Tenor der Zusammenarbeit hängt vor allem von den Entscheidungen in Peking ab”, argumentiert Salidjanova mit ihrem Blick aus der US-amerikanischen Hauptstadt heraus. In jedem Fall könnte auch aktuell das Timing nicht besser sein, um sich als Analystin mit der facettenreichen Volksrepublik zu beschäftigen. Constantin Eckner

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China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Verschärfte Regeln für US-Chiphersteller
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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Autobranche befindet sich in einem der größten Umbrüche ihrer Geschichte. Das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 ist so gut wie sicher. Dabei hängt noch immer etwa die Hälfte der Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie am Verbrennungsmotor. Die Angst, in dieser kritischen Zeit auf den chinesischen Markt verzichten zu müssen, wächst – auch angesichts geopolitischer Spannungen zwischen dem Westen und China. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sieht Handlungsbedarf. “Wir brauchen eine integrierte China-Strategie”, sagt sie im Gespräch mit Table.Media. 

    Europa müsse sich diversifizieren, resilienter werden, betont die VDA-Chefin mit Nachdruck. Isolieren dürfe man China bei aller gebotenen Vorsicht jedoch nicht. “Einfach raus aus China – das ist nicht die Lösung.” Denn eines dürfe man ebenfalls nicht vergessen: Auch China habe noch immer großes Interesse an unserem Engagement.

    In der europäischen Politik tönt es derzeit jedoch ganz anders: Irgendwie scheint es, als wäre aktuell die Zeit der China-Kritiker: In Großbritannien wird Liz Truss aller Voraussicht nach neue Premierministerin. Die bisherige Außenministerin steht für einen klaren Anti-China-Kurs. Ähnlich verläuft derzeit die Entwicklung in Italien. Dort wird am 25. September ein neues Parlament gewählt – und das favorisierte Rechtsbündnis um Giorgia Meloni hat beste Chancen, die neue Ministerpräsidentin zu stellen. Meloni selbst setzt jedenfalls schon jetzt klare Zeichen – gegen Peking.

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    Interview

    “Einfach raus aus China ist keine Lösung”

    Hildegard Müller ist Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) - sie sieht in der Abkehr von Deutschlands Automobilindustrie von China keine Lösung.
    Hildegard Müller ist Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA)

    Das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 ist so gut wie sicher. BMW, Mercedes und VW sind vorbereitet, schon Ende des Jahrzehnts überwiegend batterieelektrisch zu fahren. Sind es also eher Phantomschmerzen, wenn die Branche stöhnt?

    Es ist zur früh für eine abschließende Bewertung. Schließlich steht der Trilog (Verhandlungen innerhalb der EU-Institutionen, Anm. d. Red.) noch aus. Ich warne allerdings ausdrücklich davor, im EU-Gesetzgebungsverfahren das Ambitionsniveau noch weiter in die Höhe zu treiben. Vielmehr gilt es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die ambitionierten Ziele auch erreicht werden können und die Menschen bei der Transformation mitgenommen werden.

    Gleichzeitig steht fest: Die Branche wird es schaffen, auf den relevanten Märkten das E-Auto anzubieten. Die Automobilindustrie hat die Herausforderung der Transformation angenommen. Sie investiert dafür rund 220 Milliarden Euro bis 2026 in Forschung und Entwicklung, vor allem in die Elektromobilität. Dazu kommen bis 2030 noch mindestens 100 Milliarden Euro für den Umbau von Werken. Der Autoindustrie kann also niemand vorwerfen, dass es an uns scheitert. Wir wollen den Hochlauf und treiben die Transformation.

    Die Hersteller sind heute in doppelter Weise abhängig von China. BMW, Mercedes und VW brauchen China existenziell als Absatzmarkt wie auch als Lieferant. Hat sich die Industrie zu sehr abhängig gemacht von China?

    Die Frage des Verhältnisses zu China geht weit über die Autoindustrie hinaus. Insgesamt beobachten wir auf der Welt fundamentale Veränderungen: Bislang hat die Ökonomie politische Veränderungen begleitet, unterstützt und stabilisiert. Die Tatsache, dass man wirtschaftlich im Gespräch war, hat auch politische Tatsachen geschaffen. Jetzt erleben wir, dass Geoökonomie von einigen als politische Strategie eingesetzt wird. Das ist eine Veränderung, über deren Folgen wir uns in Europa gerade erst bewusst werden.

    Was folgt daraus?

    Die Antwort kann und darf keine Abkehr von der Globalisierung sein. Der Angriffskrieg von Putin heißt im Gegenteil, dass wir mit noch mehr Ländern reden und zusammenarbeiten müssen. Wir müssen dabei natürlich stärker diversifizieren und Abhängigkeiten reduzieren. Ich werde nicht müde, zu wiederholen: Wir brauchen mehr Rohstoff-, mehr Energie und mehr Handelsabkommen. Es geht nicht, 15 Jahre lang mit Kanada über CETA zu verhandeln und wenn alles fertig ist, noch einmal nachverhandeln zu wollen. Wir brauchen eine Offensive für mehr rechtssichere Abkommen. Andere Staaten sind sehr aktiv, wenn es darum geht, sich Zugänge zu Rohstoffen und zu Energie zu sichern. Wir sind zu oft nicht dabei, sind viel zu langsam und verschlechtern damit zunehmend die Wettbewerbsbedingungen für Europa und damit auch für unsere Industrie. Es geht um den Wohlstand Europas in der Zukunft.

    Und was ist mit dem unternehmerischen Engagement?

    Die Unternehmen tun alles dafür, sich stärker zu diversifizieren und resilienter zu werden. Sie sind dabei, für Rohstoffe und Vorprodukte alternative Lieferanten zu finden, wo immer das möglich ist und Verträge zu schließen. Handelsabkommen geben den Rahmen, in denen diese Verträge rechtssicher geschlossen werden können. Die andere Frage sind die Absatzmärkte. Natürlich ist China dabei für unsere Branche sehr wichtig. Die Erträge, die wir auch dort machen, spielen die Gewinne ein, mit denen die Transformation bezahlt wird. Auch China hat im Übrigen Interesse an unserem Engagement.

    Was heißt das?

    Ich wünsche mir eine bessere Begleitung durch die Politik. Wir brauchen eine integrierte China-Strategie. Hier sehe ich aber sehr viel Stillstand, sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Einfach raus aus China – das ist nicht die Lösung. Dafür ist das Land und seine wirtschaftliche Bedeutung zu groß. Wir können China nicht isolieren. Das wäre naiv – und sowohl politisch als auch wirtschaftlich fatal.

    Mercedes hat gerade die verschärfte Luxusstrategie verkündet. Das ist ja noch einmal eine verstärkte Ausrichtung auf den chinesischen Markt. Wo sehen Sie Bestrebungen, unabhängiger vom Absatzmarkt China zu werden?

    Ich äußere mich zu Strategien einzelner Unternehmen grundsätzlich nicht. Natürlich ist es geboten, zum Beispiel Indien oder zum Beispiel den Asien-Pazifikraum als Absatzmarkt besser zu erschließen. Das geht aber nicht über Nacht.

    Die Chipkrise hat die Hersteller viel Geschäft gekostet. Ist es sinnvoller, die Chips hier teurer selbst zu produzieren, statt sie mit Risiko aus Asien zu importieren?

    Bei Chips haben wir kein System, das allein von den Gesetzen des Marktes dominiert wird. Vielmehr haben einige Staaten aktive Industriepolitik betrieben und mit viel Subventionen dafür gesorgt, dass Fabriken angesiedelt wurden. Europa hat das lange abgelehnt. Langsam wacht man auf. Es wird höchste Zeit, die EU-Wettbewerbsregeln an die sich verändernden geostrategischen Bedingungen anzupassen. Hier wird schnell als unerlaubte Beihilfe gesehen, was Europa weltweit stärken könnte.

    Was heißt das denn?

    Die EU hat ja eine Kurskorrektur vorgenommen und zahlreiche IPCEIs (Important Projects of Common European Interest, d. Red.) auch zur Chipproduktion aufgelegt. Dieser Weg ist in diesem Fall richtig: Die Produktion in Europa halte ich für wichtig, um die Industrie resilienter zu machen. 

    Rechnen Sie mit dem Einbrechen der Absatzzahlen deutscher Hersteller in China durch die Null-Covid-Strategie?

    Nein. Unsere neue Prognose für den chinesischen Markt geht aktuell von einem Plus von neun Prozent aus. Es kämen dann rund 23 Millionen Pkw auf den chinesischen Markt. Offensichtlich wird die Nachfrage nach Autos in China auch dadurch stimuliert, dass das Land die Steuern auf den Kauf zum Teil gesenkt hat. Wir müssen zudem abwarten, ob sich die Lage bei den Lieferketten entspannt. Davon ist abhängig, ob die Hersteller an den europäischen Standorten die Produktionszahlen wieder hochfahren können.  

    Hildegard Müller war von 2002 bis 2008 für die CDU Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 2005 bis 2008 war sie Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte für die Bund-Länder-Koordination in der Regierung von Angela Merkel. Seit Februar 2020 ist die 55-Jährige Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie. 

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    Analyse

    Wahl in Italien: Favoriten verfolgen China-kritischen Kurs

    Wahlen in Italien: Mögliche nächste Ministerpräsidentin Italiens: Die Rechtspopulistin Giorgia Meloni - das Bündnis verfolgt eine klare Kante gegen China.
    Mögliche nächste Ministerpräsidentin Italiens: Die Rechtspopulistin Giorgia Meloni

    Die Anteile Chinas an Direktinvestitionen in der Europäischen Union sind im vergangenen Jahr zurückgegangen. 2021 entfielen auf die Volksrepublik gerade einmal noch 2,3 Prozent aller ausländischen Übernahmen, wie die EU-Kommission in einem neuen Bericht mitteilt. Im Jahr 2020 waren es noch 3,4 Prozent. Im Greenfield-Bereich sanken die Investitionen von 7,1 Prozent auf 6 Prozent. Der Begriff Greenfield Investment beschreibt den Neu- oder Zubau bzw. die Erweiterung von Betrieben mit Fokus auf Produktion. Der Wert der FDI aus China stieg jedoch: Waren 2020 noch 6,5 Milliarden Euro investiert worden, waren es in 2021 rund neun Milliarden Euro.

    Strenge chinesische Kapitalkontrollen und die Konzentration auf bestimmte Kernbranchen hätten die Direktinvestitionen aus der Volksrepublik geschmälert, so die Brüsseler Behörde. Zu der Erklärung der Entwicklung gehört auch: Einige EU-Staaten haben ihre Prüfungsmechanismen verstärkt und schauen bei möglichen Investitionen genauer hin. Italien galt hier mit der Regierung von Mario Draghi als gutes Vorbild.

    Draghi hat die “Golden Power Rules” – wie Italiens FDI-Screening-Mechanismus genannt wird – mehr als jeder der vorangegangenen Regierungschefs genutzt. Seit seinem Amtsantritt im Februar 2021 wurden die Investitionsprüfungen angewendet, um drei chinesische Übernahmen und die Bedingungen einer Anteilserhöhung durch einen bestehenden Anteilseigner zu verhindern. Eine weitere Übernahme wurde zudem ganz rückgängig gemacht, obwohl diese vor Draghis Amtszeit abgeschlossen worden war.

    “Schizophrene” China-Politik nach der Wahl?

    “Die Golden Power Rules haben sich seit ihrer Einführung im Jahr 2012 sehr gut entwickelt”, sagt Francesca Ghiretti, Analystin bei Berliner China-Forschungsinstitut Merics. Italien verfüge über einen der effektivsten Mechanismen zur Überprüfung ausländischer Investitionen innerhalb der Europäischen Union. Für die Überarbeitung der EU-weiten Richtlinien, die für 2023 geplant ist, könne der italienische Ansatz allerdings nur begrenzt dienen: Da die FDI-Screenings auf Basis der nationalen Sicherheit durchgeführt werden und diese in den Hauptstädten entschieden wird, kann Brüssel nie so weit gehen wie die einzelnen Mitgliedsstaaten selbst, erklärt Ghiretti. Die Überarbeitung des Investment-Screenings der EU kann sich also höchstens am italienischen Ansatz ein Vorbild nehmen.

    Die “Golden Power Rules” seien bei weitem auch nicht perfekt, so Ghiretti. “Die Entscheidungen, welche Investitionen geblockt und welche neu verhandelt werden, sind sehr politisch und hängen davon ab, wer gerade das Land regiert. Das kann dann so oder so laufen.” Und so könnte Screening-Musterschüler Italien bald einen Wandel erfahren.

    Denn wie Rom künftig mit dem FDI-Screening und ausländischen Investitionen umgehen wird, wird nach der Wahl Ende September besonders spannend – denn mit dem durchaus wahrscheinlichen Wahlsieg des rechtspopulistischen Bündnis unter Giorgia Meloni könnte in den Palazzo Chigi eine “schizophrene” China-Politik einziehen, wie Ghiretti es nennt. 

    Meloni mit klarem Anti-China-Ansatz

    Am 25. September wählt Italien ein neues Parlament. Dieses bestimmt dann den Regierungschef – oder wie nun der Fall: möglicherweise Italiens erste Regierungschefin. Favoritin auf das Amt ist die 45 Jahre alte Rechtspopulistin Giorgia Meloni.

    Meloni, Chefin der Fratelli d’Italia, ist bisher mit einem klaren Anti-China-Ansatz angetreten. Ihr Bündnispartner Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Partei Lega und Ex-Premier Silvio Berlusconi hätten in der Vergangenheit jedoch eine eher erratische China-Politik betrieben, urteilt Merics-Analystin Ghiretti. “An einem Tag sprach er sich gegen China aus, an dem nächsten Tag wieder dafür”, sagt Ghiretti mit Blick auf Lega-Chef Salvini, der von Juni 2018 bis September 2019 bereits italienischer Innenminister und Vize-Ministerpräsident war.

    Dass das rechtspopulistische Bündnis seine China-Politik auch als Druckmittel gegen Brüssel einsetzen könnte, wäre keine große Überraschung, meint Ghiretti. Die inkonsistente Politik und gegensätzliche Aussagen der drei Bündnispartner gegenüber Peking in der Vergangenheit machten einen Ausblick auf die kommende China-Politik unter einer Ministerpräsidentin Meloni schwierig.

    Giorgia Meloni steht seit 2014 an der Spitze der Fratelli d’Italia, einer Partei, die sie zwei Jahre zuvor mitbegründet hatte. Fratelli bezeichnet sich selbst als “national-konservative, nationalistische, traditionalistische, postfaschistische und souveränistische Partei”. Im EU-Parlament sind ihre Mitglieder in der Fraktion der Partei “Europäische Konservative und Reformer” vertreten, unter anderem zusammen mit der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

    Zeichen setzen mit Taiwans Vertreter in Rom

    Inhaltlich wird Meloni gern mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán verglichen: ultrakonservative Familienansichten, gegen die LGBTQ-Community gerichtet, migrationsfeindlich. Was China angehe, sei die 45-Jährige jedoch anders gestrickt als Ungarns Regierungschef, sagt die italienische Journalistin Giulia Pompili, die Chinas Aktivitäten in ihrem Heimatland seit Jahren genau verfolgt: “Sowas wie mit der Fudan-Universität in Budapest würde mit Meloni nie passieren.” In Ungarns Hauptstadt ist ein erbitterter Streit über die geplante Einrichtung eines ungarischen Ablegers der chinesischen Fudan-Universität ausgebrochen (China.Table berichtete). Während die rechtsnationale Regierung um Orbán den Bau vorantreibt, kritisierten aufgebrachte Bürger, dass damit eine von der Kommunistischen Partei Chinas kontrollierte Einrichtung aus ungarischen Steuergeldern finanziert werden solle. Die italienische Rechtspopulistin Meloni sei vielmehr “trumpisch” unterwegs, quasi “Italy First”.

    Wegen dieses Fokus habe die mögliche nächste Ministerpräsidentin bisher auf außenpolitischen Bühnen auch so gut wie gar nicht stattgefunden, meint Pompili. “Sie war bisher sehr auf die italienischen Angelegenheiten fokussiert”, sagt Pompili. Seit einigen Wochen sei nun aber auch China in den Aufmerksamkeitskreis der 45-Jährigen gerückt – und dabei geht sie in die Vollen. Ende Juli veröffentlichte Meloni ein Foto mit Andrea Sing-Ying Lee, dem taiwanischen Vertreter in Italien, auf Twitter. Besonders auffallend dabei: Meloni selbst spricht von ihm als “Botschafter” – eine Formulierung, die in Peking nicht gern gesehen wird. Meloni habe damit ganz klar ein Zeichen setzen wollen, urteilt Journalistin Pompili.

    Zentristen ohne Plan

    Diese Stoßrichtung der nächsten möglichen Ministerpräsidentin Italiens werde auch Einfluss auf die ausländischen Investitionen haben: “Ich schätze, dass unter einer Meloni-Regierung die Direktinvestitionen aus China dramatisch fallen werden“, sagt Pompili – auch wenn natürlich nicht die gesamte Führungsriege aus der rechtspopulistischen Fratelli d’Italia stammen wird. Wer im Falle des Wahlsiegs für Meloni, Berlusconi und Salvini das Amt des Außenministers oder der Außenministerin besetzen wird, ist noch nicht klar. Meloni hat jedoch den ehemaligen italienischen Außenminister Giulio Terzi di Sant’Agata auf ihre Wahlliste gesetzt. Das bedeutet nicht, dass dieser den Posten abermals ausfüllen wird. Der 76-Jährige, der für eine klare Anti-China-Politik bekannt ist, bewegt sich aber im engeren Dunstkreis der Rechtspopulistin.

    Meloni profitiert im Wahlkampf derzeit stark von der Planlosigkeit der Zentristen um Enrico Letta. “Letta äußert sich kaum zu Außenpolitik oder China”, sagt Journalistin Pompili. Innerhalb der Demokraten sei keine richtige Position erkennbar. Letta habe sich zwar für den Schutz ausländischer Investitionen und den gleichzeitigen Schutz kritischer Infrastruktur in Italien ausgesprochen – einen genauen Fahrplan dafür gebe es bei Letta aber nicht, urteilt Pompili.

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    Null-Covid-Politik belastet Europas Tourismus-Industrie 

    Chinas Null-Covid-Politik belastet den Tourismus in Europa - auch bei Luxusmarken wie Givenchi brechen Einnahmen weiter weg.

    Die durch die Corona-Pandemie gebeutelte Tourismus-Industrie in Europa hat in diesem Sommer ein Comeback gefeiert. Italien etwa meldete rund 15 Millionen Gäste zur Hochsaison – ein neuer Rekord. Ähnlich sah es in Spanien, Griechenland aus. Wie auch an der deutschen Nordseeküste. Doch die Branche blickt mit zwiespältigen Gefühlen auf den derzeitigen Boom. Denn den Unternehmen ist klar, dass es sich bei den Rekorden auch um einen Corona-Nachholeffekt handelt. Schon in der anstehenden Herbst-Reisewelle und im kommenden Frühjahr könnten die Ströme europäischer Reisender wieder auf ein Normalmaß zurückgehen. 

    Und dann dürften vor allem Gäste aus China fehlen. Sie reisten vor der Pandemie in immer größerer Zahl nach Europa und waren bekannt dafür, nebenbei auch noch kräftig zu shoppen. Für Chinesen waren vor allem die zwei “goldenen Wochen” die Hauptreisezeit. Sie kamen rund um den Nationalfeiertag am 1. Oktober und zum chinesischen Frühlingsfest im Januar oder Februar gern nach Europa.

    Doch damit ist Schluss, seit die chinesische Führung der Nation eine strikte Null-Covid-Politik verordnet hat. Chinas Mittelschicht leidet nicht nur unter Lockdowns daheim, ihr wird von der eigenen Regierung auch noch weitestgehend untersagt, das Land zu verlassen. Neue Pässe werden in der Regel nur noch für wichtige Geschäftsreisen oder Studienaufenthalte ausgestellt. Wer trotz Warnungen versucht, Urlaub im Ausland zu machen, muss damit rechnen, dass bei der Rückkehr nach China schon mal der Pass zerschnitten wird. 

    Deutschland erschwert Einreise für Chinesen

    Auch die Bundesregierung macht es Chinesen derzeit nicht gerade leicht, nach Deutschland zu reisen. Obwohl es kaum die Schuld chinesischer Touristen ist, dass ihre Regierung sie mit strikten Corona-Maßnahmen terrorisiert, hält Deutschland an verschärften Einreisebedingungen explizit für Chinesen fest. Das Auswärtige Amt argumentiert mit dem sogenannten Gegenseitigkeitsvorbehalt. 

    Weil Deutsche derzeit wegen der strikten Coronavirus-Regeln nur unter großen Schwierigkeiten nach China gelangen, sollen Chinesen ebenfalls nicht so einfach wie früher nach Deutschland reisen dürfen. Die deutsche Politik interpretiert Chinas strikte Pandemie-Maßnahmen also als nationale Politik gegen ausländische Besucher. So mancher vom Dauer-Lockdown genervte und urlaubsreife Shanghaier würde hier wohl nur allzu gern widersprechen. 

    Für die ohnehin geplagte europäische Wirtschaft sind die wohl noch für längere Zeit wegbleibenden chinesischen Touristen ein weiterer Schlag. Das wird schon beim Blick auf Chinas Tourismus-Zahlen der Vergangenheit deutlich: Im Jahr 2019 – also vor der Pandemie – unternahmen Chinesen 154 Millionen Auslandsreisen. US-Bürger reisten im selben Jahr rund 100 Millionen Mal ins Ausland und gaben dabei mit 1363 US-Dollar pro Person deutlich weniger als Chinesen aus. Diese ließen sich ihren Urlaub im Schnitt nämlich 1852 Dollar kosten. 

    Vor allem Luxusmarken leiden

    Die insgesamt rund 255 Milliarden Dollar, die Chinesen noch 2019 für Reisen ins Ausland ausgegeben haben, sind im vergangenen Jahr ausgeblieben. Nur noch 8,5 Millionen Chinesen reisten ins Ausland – und selbst das war, bevor Chinas Regierung die Ausreise-Regeln Anfang dieses Jahres weiter verschärft hat. 

    Auch europäische Luxusmarken bekommen die fehlenden Touristen aus China zu spüren. Laut der Zeitung Financial Times machten Chinesen vor der Pandemie rund ein Drittel des weltweiten Umsatzes mit Luxusgütern von insgesamt rund 93 Milliarden Dollar aus.

    Luxustaschen und andere Güter kauften sie jedoch wegen der hohen Steuern selten in China, sondern während des Urlaubs im Ausland. Auch in Hamburg oder Düsseldorf heuerten Boutiquen extra Personal mit Chinesisch-Kenntnissen an. So konnten Kunden aus Fernost ganz nach ihren Bedürfnissen bedient werden. Doch auch damit ist nun Schluss. Chinesen machten im vergangenen Jahr nur noch rund ein Fünftel des weltweiten Luxus-Umsatzes aus. Und mangels Möglichkeiten kauften sie zudem im eigenen Land ein. Jörn Petring/Gregor Koppenburg 

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    Mit Investitionen gegen Konjunkturschwäche

    China will die von Corona-Wellen und Immobilienkrise gebeutelte heimische Wirtschaft stützen. Dazu würden Investitionen in die Infrastruktur beschleunigt, wie der stellvertretende Generalsekretär der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, Yang Yinkai, am Montag auf einer Pressekonferenz in Peking ankündigte.

    Die Zentralbank kündigte an, dies mit eigenen Maßnahmen zu flankieren. Sie habe noch relativ viel Spielraum in der Geldpolitik, sagte der stellvertretende Notenbankchef Liu Guoqiang. So wolle man Banken dabei helfen, die Investitionen in Infrastrukturprojekte zu unterstützen. Sorge bereitet der Führung in Peking der schwächelnde Yuan-Kurs. Die Regierung werde den Außenhandelsunternehmen deshalb bei der Absicherung von Wechselkursrisiken helfen, kündigte der stellvertretende Handelsminister Li Fei an.

    Ursprünglich hat Peking für dieses Jahr ein Wachstumsziel von etwa 5,5 Prozent ausgegeben. Die Wirtschaft wächst allerdings langsamer als erwartet (China.Table berichtete). Ökonomen halten das aber für kaum noch erreichbar. So haben die chinesischen Behörden zuletzt ihren Kampf gegen lokale Corona-Ausbrüche verschärft. Dadurch wurde die Liste der von Corona-Beschränkungen betroffenen chinesischen Großstädte immer länger (China.Table berichtete). Das Analysehaus Capital Economics zählte mehr als 40 Städte, die für ein Drittel der chinesischen Wirtschaftsleistung stehen. Ökonomen des Finanzhauses Nomura gehen in einer Analyse davon aus, dass Einschränkungen in der Volksrepublik noch mindestens bis März bestehen bleiben werden, wenn die jährliche Parlamentssitzung stattfindet.

    Corona ist allerdings nicht das einzige Problem der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Sie hat auch mit Schwierigkeiten am Immobilienmarkt zu kämpfen. In fast 70 Städten sanken im August die Preise für Wohnungen. Die Pleite von Bauträgern hat in den vergangenen Monaten zum Aus oder zur Verzögerung von Wohnungsbauprojekten geführt. Viele Chinesen boykottierten die Zahlung ihrer Hypotheken (China.Table berichtete). Die Baubranche steht dabei nicht nur wegen der Corona-Pandemie unter Druck. Die Regierung hat ihre Kampagne gegen Spekulanten verschärft – auch aus Furcht vor einer Preisblase. Zudem hat die Krise um den angeschlagenen Immobilienriesen Evergrande viele potenzielle Hauskäufer verschreckt. Um gegenzusteuern, haben seit Jahresbeginn mehr als 80 Städte Maßnahmen ergriffen, um die Nachfrage anzukurbeln. Dazu gehören Subventionen, niedrigere Hypothekenzinsen und geringere Anzahlungen. rtr

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    Xis erste Reise führt nach Kasachstan

    Xi Jinpings erstes Reiseziel seit Beginn der Pandemie im Januar 2020 steht fest. Der chinesische Präsident reist ins Nachbarland Kasachstan, wie mehrere Medien unter Berufung auf das kasachische Außenministerium berichten. Der Besuch soll am 14. September stattfinden. Xi will mit Präsident Qassym-Schomart Toqajew über Handel sprechen. Möglicherweise folgt sogar noch ein Abstecher nach Usbekistan.

    Die erste Auslandsreise des Staats- und Parteichefs ist ein viel beachtetes Ereignis. Xi Jinping als Architekt der chinesischen Null-Covid-Politik hatte sich selbst von jeder Ansteckungsquelle ferngehalten und es daher auch vermieden, die Landesgrenzen zu überschreiten. Gegenüber seinen Landsleuten galt eine intensive Reisetätigkeit der Führung auch als schwer vermittelbar.

    Inzwischen haben sich jedoch gute Gründe für Auslandstrips angehäuft. Die Seidenstraßen-Initiative benötigt politische Flankierung auf höchster Ebene. Außenpolitisch hatte Xi bis zum Beginn der Coronavirus-Pandemie große Erfolge erzielt, indem er persönlich in die Hauptstädte der Welt gejettet ist. fin

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    Mindestens 46 Tote nach Beben in Sichuan

    Heruntergefallene Felsbrocken auf der Straße nahe Luding in der Provinz Sichuan - ein starkes Erbeben hat Sichuan am Montag, 5.09.2022, erschüttert.
    Heruntergefallene Felsbrocken auf der Straße nahe Luding in der Provinz Sichuan

    Ein starkes Erdbeben im Südwesten Chinas hat am Montag mindestens 46 Tote gefordert. Das Epizentrum der Erschütterungen mit einer Stärke von 6,8 lag nach Angaben der chinesischen Erdbebenwarte nahe der Stadt Luding, rund 230 Kilometer südwestlich der Provinzhauptstadt Chengdu.

    Das Beben hatte in einer Tiefe von rund 16 Kilometern seinen Ursprung. Es ist das schwerste Beben in der Region seit 2017. Wie Chinas Staatsmedien berichteten, wurden neben Sichuan auch die benachbarte Stadt Chongqing sowie Teil der Provinzen Yunnan, Shaanxi und Guizhou von dem Beben erschüttert.

    In China kommt es häufig zu Erdbeben, insbesondere in den bergigen Regionen im Westen und Südwesten des Landes. Im September 2008 starben in Sichuan bei einem Beben der Stärke 8,0 insgesamt 87.000 Menschen. 2010 kamen nach einem Erdstoß der Stärke 6,9 in der Provinz Qinghai rund 3.000 Menschen ums Leben.

    Das Beben am Montag ist ein weiterer Schlag für eine Region, die derzeit mit mehreren Problemen zu kämpfen hat: erst Trockenheit, dann Starkregen und Überschwemmungen (China.Table berichtete). Hinzukommen Stromknappheit und nicht zuletzt auch die anhaltende Coronavirus-Pandemie.

    So haben die Behörden in Chengdu zu Wochenbeginn den aktuell geltenden Lockdown bis Mitte der Woche verlängert. Die rund 21 Millionen Bewohner der Stadt sollten weiterhin zu Hause bleiben, nur eine Person pro Haushalt darf die Wohnung verlassen, um das Nötigste einzukaufen. Zudem wurden tägliche Tests angeordnet. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, wurden bis Montag am städtischen Shuangliu Flughafen 88 Prozent der Flüge gestrichen. rad

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    USA verschärfen Regeln für Chip-Exporte

    US-Chiphersteller dürfen wegen neuer Anweisungen der US-Behörden keine Hochleistungschips mehr nach China liefern. Die Einschränkungen betreffen Halbleiter, die vor allem bei Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) benutzt werden, wie die US-Chipkonzerne Nvidia und Advanced Micro Devices (AMD) mitteilten. Das US-Handelsministerium erklärte, man wolle “verhindern, dass fortschrittliche Technologien in die falschen Hände geraten” und “die nationale Sicherheit und die außenpolitischen Interessen der USA schützen” Zu den spezifischen Kriterien für das Verbot äußerte es sich nicht.

    Der Schritt signalisiert eine neue Eskalation im US-chinesischen Streit über das Schicksal von Taiwan, wo Nvidia und viele andere Hersteller Chips fertigen lassen. Ohne amerikanische Chips verlieren chinesische Unternehmen etwa die Möglichkeit, Daten in der Bild- und Spracherkennung kostengünstig und schnell zu verarbeiten. Dabei sind die Technologien nicht nur in Verbraucheranwendungen weit verbreitet. Sie werden auch im militärischen Bereich eingesetzt – zum Beispiel bei der Durchsuchung von Satellitenbildern nach Waffen oder Stützpunkten und beim Filtern digitaler Kommunikation zur Nachrichtenbeschaffung. nib/rtr

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    Salomonen untersagen US-Schiffen das Anlegen

    Rund drei Monate nach dem Abschluss des umstrittenen Sicherheitsabkommens mit China zeigen sich die Salomonen zunehmend abweisend gegenüber US-Marineschiffen. Nachdem einem Schiff der US-Küstenwache das Einlaufen in der vergangenen Woche verweigert wurde, verhängten die Behörden des pazifischen Inselstaates nun einen völligen Stopp von Marinebesuchen. “Wir haben unsere Partner gebeten, uns Zeit zu geben, um neue Prozesse zu überprüfen und einzuführen, bevor wir weiteren Anträgen für die Einreise von Militärschiffen stattgeben”, ließ Premierminister Manasseh Sogavare mitteilen.

    Die Regeln gelten demnach für Marineschiffe aller Länder, so der Premier. Auf Vorwürfe aus den USA, dass der Anlaufstopp auf chinesischen Einfluss zurückzuführen sei, ging er nicht ein. Im April hatten die Salomonen ein umstrittenes Sicherheitsabkommen mit China unterzeichnet (China.Table berichtete). Demnach kann China die Salomonen bei “Fragen der sozialen Ordnung und Sicherheit” unterstützen. Australien, die USA und andere westlichen Staaten hatten daraufhin Sorge geäußert, dass China dort eine dauerhafte Militärpräsenz aufbauen könnte (China.Table berichtete). Eine Militärbasis auf den strategisch günstig gelegenen Inseln wäre für Peking ein wichtiger Schritt, um die eigene Machtposition im Pazifik zu stärken. Sogavare hatte zuletzt Australiens Premier zugesichert, dass es keine dauerhafte chinesische Präsenz geben wird. niw

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    Nargiza Salidjanova – China-Blick aus Washington

    Portrait von Nargiza Salidjanova, Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group.
    Nargiza Salidjanova, Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group.

    Manchmal ist der richtige Zeitpunkt einfach alles. Das durfte auch Nargiza Salidjanova erfahren. “Meine Karriere in den China-Studien hat sich bislang durch richtig gutes Timing ausgezeichnet”, sagt die heutige Direktorin der China-Abteilung der Rhodium Group, einem unabhängigen Forschungsinstitut mit Hauptsitz in New York. Als Salidjanova während des Bachelorstudiums damit begann, sich intensiver mit China zu beschäftigen, wurde die Volksrepublik gerade in die Welthandelsorganisation aufgenommen. “Was für eine ausgezeichnete Möglichkeit für eine Wirtschaftsstudentin, in Echtzeit die Integration eines kommunistischen Landes ins globale Wirtschaftssystem zu verfolgen.” Im Jahr 2007 reiste sie zum ersten Mal nach China. Das Land bereitete sich gerade auf die Olympischen Sommerspiele vor, am Horizont zog die weltweite Finanzkrise auf – ebenfalls ein wegweisendes Jahr.

    Ihr Studium schloss sie mit einem Master an der American University in internationaler Wirtschaftspolitik ab. Vor ihrem Eintritt bei der Rhodium Group war sie verantwortliche Direktorin für Wirtschaft und Handel in der “US-China Economic and Security Review Commission”, einem Beratungsorgan des US-Kongresses. In Diensten der Rhodium Group beschäftigt sich Salidjanova vor allem mit ökonomischer Datenanalyse und der ganzheitlichen Bewertung aktueller Entwicklungen in der Volksrepublik.

    Es wird immer schwerer, an Informationen zu kommen

    Sie selbst habe über die Jahre bemerkt, dass die Arbeit von China-Analysten sehr kompliziert werden kann aufgrund des Mangels an Informationen, unzuverlässigen Quellen und nur unzureichendem Zugang. “Die Pandemie und der Schock durch Russlands Krieg in der Ukraine haben die Situation noch schwieriger gemacht”, sagt Salidjanova. “Analysten müssen kreativ sein, aber auch vorsichtig bleiben, da Chinas Regierung sich darauf konzentriert, immer engere Kontrollen hinsichtlich des Informationsflusses einzurichten.”

    Salidjanovas Analysen werden natürlich auch beeinflusst durch ihre eigenen politischen Sichtweisen, wie die in Washington beheimatete Analystin offenlegt. Aus ihrer Sicht ist die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft selbstverschuldet, weil Peking auf staatlichen Regularien beharrt, statt Reformen voranzutreiben. “Akteure auf beiden Seiten des Atlantiks und andernorts intensivieren momentan die Diskussion über die Abhängigkeit von chinesischen Produkten und Importen.” Es gebe in der Weltanschauung der KP China einen starken Hang zur Selbstversorgung. Zugleich sei China noch lange nicht bereit, sich vom Ausland unabhängig zu machen und es alleine zu versuchen.

    Nuancierte Analyse wichtiger denn je

    Einmal mehr sieht sie China an einem Wendepunkt. “Chinas makroökonomische Verlangsamung und die wachsenden geopolitischen Spannungen erhöhen die Notwendigkeit von komplexer und zugleich nuancierter Analyse”, erklärt sie und verweist etwa auf das Projekt “China Pathfinder”, das Rhodium zusammen mit dem Atlantic Council im vergangenen Jahr ins Leben gerufen hat. Dieses Projekt soll bewerten, ob sich China wieder stärker öffnet oder noch weiter gegenüber der freien Marktwirtschaft verschließt.

    “Angesichts von Chinas Bedeutung im globalen System ist das Land zu wichtig, um nicht mit ihm zu interagieren, aber der Tenor der Zusammenarbeit hängt vor allem von den Entscheidungen in Peking ab”, argumentiert Salidjanova mit ihrem Blick aus der US-amerikanischen Hauptstadt heraus. In jedem Fall könnte auch aktuell das Timing nicht besser sein, um sich als Analystin mit der facettenreichen Volksrepublik zu beschäftigen. Constantin Eckner

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    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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