Table.Briefing: China

Protest-Ikone Tank Man + Leben in Shanghai kehrt zurück

  • Gedenken an 4. Juni: Tank Man zeigt die “Macht der Namenlosen”
  • Lockdown-Lockerungen in Shanghai
  • Abkommen mit Pazifik-Anrainern stockt
  • Fünfjahresplan für erneuerbare Energien vorgestellt
  • Taiwan und USA nehmen neue Handelsgespräche auf
  • Premier Li sorgt sich um die Stromversorgung
  • Weniger Steuern beim Autokauf
  • Prestige-Immobilie gammelt in Frankfurt vor sich hin
  • Im Portrait: Inga Heiland – IfW-Expertin in Sachen Handel und Containerschiffe
Liebe Leserin, lieber Leser,

trotz allem, was wir heute über die Nacht vom 4. auf den 5. Juni 1989 in Peking wissen: Von den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens selbst gibt es keine Bilder. Doch ein Bild hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt: der Tank Man. Das Foto zeigt schräg von hinten einen Mann, der sich vor die Panzer stellt und sie so aufhält. Der Tank Man ist damit zum Inbegriff der “Macht der Namenlosen” geworden, schreibt Marcel Grzanna anlässlich des 33. Jahrestags des Massakers am Wochenende. Tank Man ist in die Popkultur eingeflossen und gilt gar als eine der 100 einflussreichsten Personen des 20. Jahrhunderts. Die chinesische Staatsmacht hält seine Identität jedoch bewusst geheim, um keinen Helden zu schaffen. Doch gerade dadurch fördert sie den Mythos des einfachen Bürgers, der sich genau jener Staatsmacht mutig entgegenstellt.

Millionen von Shanghaiern haben am Mittwoch einen Teil ihrer Alltagsfreiheit zurückgewonnen. Aus dem Stand erreichte die Auslastung der Verkehrsmittel wieder 75 Prozent des Normalbetriebs. Unser Autorenteam in China hat sich jedoch genauer umgehört: Viele Menschen fühlen sich betrogen, weil sie trotz der Lockerungen immer noch nicht vor die Tür dürfen. Solange alle gleichermaßen zu Hause saßen, war die Akzeptanz noch höher als jetzt in der Ungleichheit zwischen den Nachbarschaften. In einer Demokratie müssten sich die Verantwortlichen spätestens jetzt auf ihre Abwahl gefasst machen. 

Viele neue Erkenntnisse wünsche ich Ihnen bei der Lektüre!

Ihre
Ning Wang
Bild von Ning  Wang

Analyse

“Tank Man hat die Welt verändert”

Die Bilder des Tank Man 1989 gehen um die Welt und stehen symbolisch für Freiheitsbewegungen.

Es sind nur rund drei Minuten, die am Vormittag des 5. Juni 1989 aus einem Mann einen Helden machen. Ein Unbekannter stellt sich auf der Chang’an Jie im Herzen Pekings, in unmittelbarer Nähe zum Platz des Himmlischen Friedens, einer Panzerkolonne der chinesischen Armee in den Weg. Ob der Mann ein aktives Mitglied der Demokratiebewegung ist, die in der Nacht zuvor mit vielen Leben für ihre Forderung nach politischer Teilhabe bezahlen musste, bleibt unklar. Dennoch geht sein Mut als letzter Akt des offenen Widerstandes dieser Tage und Wochen im Frühling vor 33 Jahren in die Geschichte ein.

Diese wenigen Augenblicke auf der Chang’an Jie haben sich förmlich in das Gedächtnis der Weltöffentlichkeit gebrannt. Bis heute strahlen sie eine Faszination aus, die eine globale Erinnerungskultur geschaffen hat, die es der Kommunistischen Partei Chinas unmöglich macht, das Tiananmen-Massaker an der eigenen Bevölkerung zu einer Randnotiz der Historie zu degradieren. Wer der Mann war, ist ebenso unklar, wie die Frage, ob er bestraft wurde, nachdem ihn mehrere Männer von der Straße geschoben hatten. Und dennoch ist sein Pseudonym bis heute in aller Munde.

Seine Bedeutung geht weit über die Erinnerung an die Verbrechen der KP des Jahres 1989 hinaus. “Dieser junge Mann hat die Welt verändert”, sagt Professor Bruce Herschensohn im Dokumentarfilm “Tank Man” aus dem Jahr 2006. Herschensohn war einst Berater der US-Regierung um Richard Nixon und befasste sich intensiv mit kommunistischen Regimen. “Tank Mans Handeln hat den Wandel der Sowjetunion unterstützt”, glaubte der inzwischen verstorbene Herschensohn, der kurz nach den Ereignissen in Peking diverse osteuropäische Länder bereiste.

“Der Mann mit den Panzern steht für die Macht der Namenlosen”

Vielerorts gingen die Menschen damals auf die Straße, um in ihren Ländern gegen pro-sowjetische Regime zu protestieren. Etliche Male und in vielen verschiedenen Ländern, so Herschensohn, hätten die Leute ihm sinngemäß gesagt: “Wenn dieser chinesische Junge vor den Panzern stehen kann, dann können wir das auch.”

Fünf Monate nach Tank Man fiel die Berliner Mauer. Es folgten der Zusammenbruch der Sowjetunion und des Ostblocks. Viele Gesellschaften entledigten sich ihrer Despoten und diktatorischen Statthalter unter Moskaus Führung und entwickelten demokratische Strukturen. Doch nur wenige Momente dieser Umwälzungen und revolutionären Tage blieben der Welt so in Erinnerung wie die Entschlossenheit des Tank Man.

Das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Time verlieh seiner Bedeutung für den Kampf gegen Unterdrückung der Massen durch korrupte Regime Ausdruck, indem es den “Tank Man” zu einer der 100 einflussreichsten Menschen des 20. Jahrhunderts erkor. “Der Mann mit den Panzern steht für die Macht der Namenlosen”, schrieb das Magazin 1998.

Bis heute werden die Aufnahmen regelmäßig aus den Archiven geholt. Lehrer:innen demokratischer Staaten nutzen sie als Anschauungsmaterial im Geschichtsunterricht. Das Bild des dramatischen Augenblicks schmückt T-Shirts und Poster. Tank Man ist im Westen zu einer Art Popkultur geworden. “Es ist das Mysterium, das seine dauerhafte Präsenz ermöglicht – das es ihm ermöglicht, ein Code für so viele westliche Werte und Wünsche zu sein”, sagte Jennifer Hubbert, vom Lewis & Clark College in Portland vor einigen Jahren der New York Times.

Keine Aufklärung und Aufarbeitung unter KP-Führung

Hubbert beschreibt in ihrem Beitrag Appropriating Iconicity: Why Tank Man Still Matters im Journal of the Society for Visual Anthropology, was passiert, wenn das ikonische Tank Man-Bild modifiziert und für neue politische Zwecke umfunktioniert wird. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Verwendung des Bildes in neuen Kontexten in den USA dafür sorgt, dass es weniger über fehlenden politischen Liberalismus in China aufklärt, sondern demokratische Defizite in den Vereinigten Staaten aufzeigt.

Im heutigen China haben vor allem junge Menschen nur wenig detaillierte Kenntnisse über den Tank Man. Referenzen zu seiner Geschichte schaffen es, wenn überhaupt, nur kurzfristig durch die Zensur der Partei. Chinesische Schulbücher handeln den sogenannten “Zwischenfall” als Heldentat des chinesischen Militärs ab. Offizielle chinesische Angaben sprechen von einigen Hundert toten Demonstranten bei den Protesten auf und um den Tian’anmen Platz. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es in Wahrheit wohl mehrere Tausende waren. Aufklärung über die genaue Opferzahl und eine öffentliche Aufarbeitung des Blutvergießens wird es unter KP-Führung jedoch niemals geben.

Hochgradig sensibel geht sie gegen alles vor, das an die Nacht des 4. Juni erinnert. Zuletzt wurden im Jahr 2016 vier Männer zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie Etikette auf Schnapsflaschen geklebt hatten, die Referenzen zu den tödlichen Ereignissen zogen. Als Comiczeichnung hatten sie Tank Man und eine Reihe von Panzern darauf abgebildet. Darunter stand: “Niemals vergessen, niemals aufgeben”.

Tank Man wurde nicht öffentlich hingerichtet

Auch 33 Jahre nach dem Massaker ist nicht endgültig geklärt, wer der Mann überhaupt war. Schon 1990 hatten ausländische Medien ihn zwar als Wang Weilin identifiziert. Unter anderem behauptete auch Bruce Herschensohn, er habe durch Quellen in Peking diesen Namen erfahren. Doch bestätigt wurde diese Vermutung nie. Auch über den Mensch hinter dem Namen Wang Weilin ist wenig bekannt. Zu seinem Schicksal gibt es zudem verschiedene Versionen. Eine lautet, er sei Ende Juni 1989 hingerichtet worden, eine andere besagt, seine Hinrichtung sei erst Monate später vollstreckt worden. Und später gab es sogar Gerüchte, Tank Man lebe anonym in Taiwan.

Die Theorie derjenigen, die an sein Untertauchen und damit an sein Überleben glauben, stützt sich vornehmlich auf die Tatsache, dass Tank Man nicht öffentlich hingerichtet worden ist. Etliche Protestler waren im Anschluss an die Ereignisse als Warnung an den Rest der Bevölkerung namentlich im Fernsehen vorgeführt und anschließend getötet worden. Ihre Vergehen erschienen teilweise deutlich weniger provokant als die Blockade der Panzer. Dennoch wurde Tank Man nicht wie viele andere im staatlichen Fernsehen hingerichtet.

Es bleibt bis heute die Frage, wer die Männer waren, die ihn von der Straße gedrängt haben. Staatssicherheit oder einfache Bürger? Ein Jahr nach Tiananmen konfrontierte die US-Journalistin Barbara Walters in einem Interview für ABC den designierten Staatschef Jiang Zemin mit einem Foto des Tank Man. Jiang sagte, er glaube nicht, dass der Mann getötet worden sei. Aber er könne auch keine konkreten Angaben zu dessen Verbleib machen. All die unbeantworteten Fragen trugen in den Folgejahren zum Mythos Tank Man bei.

  • Menschenrechte
  • Tiananmen-Massaker
  • Zivilgesellschaft

Shanghai öffnet, Peking lockert 

Einige Menschen in Shanghai begrüßten um Mitternacht die neu gewonnene "Freiheit" nach dem Ende des Lockdowns.
Einige Menschen in Shanghai begrüßten um Mitternacht die neu gewonnene “Freiheit”

Die Menschen in Shanghai haben sehnsüchtig auf diesen Tag gewartet. Gestern um Mitternacht endete offiziell der harte Lockdown. Millionen Menschen durften erstmals seit zwei Monaten wieder ihre Wohnungen verlassen. Viele blieben wach, um dann um Punkt Mitternacht vor die Tür gehen zu können. In sozialen Medien teilten Shanghaier Bilder, wie sie nachts durch die Straßen spazierten oder mit einem Bier in der Hand die zurückgewonnene Freiheit feierten. Andere teilten Videos von Arbeitern, die Barrikaden entfernten. “Das waren die härtesten zwei Monate meines Lebens. Jetzt werde ich mich wieder daran gewöhnen müssen, jeden morgen zur Arbeit zu gehen”, so eine Shanghaierin aus dem Stadtteil Jing’an: “Ich bin enttäuscht von der Regierung, aber freue mich einfach nur, dass ich wieder raus kann”. 

Shanghaier fühlen sich betrogen

So wie ihr geht es vielen Menschen in der 25-Millionen-Metropole, die sich von den Behörden betrogen fühlen. Während des Lockdowns liefen die sozialen Netzwerke voll mit Beschwerden über unzureichendes Essen, ein oftmals unverhältnismäßig brutales Vorgehen der Pandemie-Helfer und allgemeine Beschwerden über die katastrophal schlechte Kommunikation der Verantwortlichen.

So hatte die Regierung noch Ende März versichert, dass es keinen kompletten Lockdown geben würde. Ein paar Tage später folgte dann die Ankündigung, dass zuerst im Ost- und dann im Westteil der Stadt für jeweils vier Tage eine Ausgangssperre gelten würde. Daraus wurde dann ab dem 1. April ein permanenter Lockdown, der immer weiter verlängert wurde (China.Table berichtete).

Noch immer Hunderttausende eingesperrt

Nun scheint das Schlimmste überstanden. Nicht alle, aber der größte Teil der Menschen darf wieder vor die Tür. Die neuen Regeln sehen vor, dass alle Shanghaier, die in einer Nachbarschaft leben, wo es seit 14 Tagen keinen Corona-Fall mehr gab, wieder ihrem normalen Alltag nachgehen dürfen. Laut Schätzungen sind weiterhin mindestens 650.000 Menschen in ihren Wohnungen eingesperrt. 

Öffentliche Verkehrsmittel fahren, Autos dürfen wieder ohne Sondergenehmigung auf die Straßen. Auch die meisten Geschäfte und Restaurants sind seit Mittwoch wieder geöffnet. Operieren dürfen sie mit 75 Prozent der normalen Kapazität. Wer am öffentlichen Leben teilnehmen will, braucht einen aktuellen Corona-Test, der nicht älter als drei Tage ist. “Wir werden das Leben und die Wirtschaft wieder normalisieren”, schrieb die Kommunistische Partei Shanghais in einer Dankesbotschaft an die Bevölkerung: “Shanghai wird sein Möglichstes tun, um verlorenen Boden gutzumachen.” 

Einfach wird das nicht. Der durch den Lockdown angerichtete wirtschaftliche Schaden ist immens. Zudem dürfte die stolze Wirtschaftsmetropole deutlich an Anziehungskraft verloren haben (China.Table berichtete). “Tausende von Wanderarbeitern und auch viele normale Angestellte werden die Stadt verlassen, weil sie enttäuscht von Shanghais chaotischem Management sind”, schreibt die South China Morning Post. Die Stadt habe ihr Image als “bestentwickelte Metropole des Festlands verspielt”, so die Zeitung. 

Ruhiger Sommer steht bevor

Sicherheit vor Lockdowns gibt es jedoch auch in anderen Teilen des Landes kaum. Zu einem Coronavirus-Ausbruch kann es überall schnell kommen, wie mittlerweile alle großen Metropolen des Landes zu spüren bekommen haben. “Ein Rückgang der Infektionen hat es Shanghai ermöglicht, mit der Wiederöffnung zu beginnen. Aber da Chinas Null-Covid-Regeln noch immer in Kraft sind, hängt das Risiko neuer Beschränkungen weiterhin über der Wirtschaft”, schlussfolgert Bloomberg-Ökonom Chang Shu. 

Auch die Hauptstadt Peking ist nach wie vor nicht aus dem Schneider. Jedoch sieht es so aus, dass der befürchtete, große Lockdown ausbleiben könnte. Nachdem am Sonntag nur zwölf neue Fälle gemeldet wurden, teilten die Behörden mit, dass der Ausbruch unter Kontrolle sei. Am Mittwoch stieg die Zahl wieder leicht auf 14 Infektionen. In Shanghai waren es fünf. Hoffnung macht, dass es laut der offiziellen Statistik außerhalb Pekings und Shanghais landesweit am Mittwoch nur noch drei weitere Infektionen gab. Zumindest über die Sommer-Monate könnte China also von weiteren großen Lockdowns verschont bleiben. Jörn Petring/ Gregor Koppenburg

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News

Wang Yi scheitert vorerst mit Abkommen im Südpazifik

Chinas Außenminister Wang Yi wird seine Tour durch den Südpazifik offenbar ohne den gewünschten Erfolg beenden: Ein vorbereitetes – und geleaktes – umfassendes Abkommen über Sicherheitspolitik zwischen China und mehreren Ländern in der Region wurde Berichten zufolge bereits zu Beginn der Woche bei einem Treffen der Außenminister auf Fidschi zurückgestellt, wie die Washington Post berichtete. Generell habe es Zurückhaltung gegeben, da die sogenannte Sicherheits-Allianz mit den Salomon-Inseln zu Kritik von westlichen Staaten geführt hatte, berichtete die Zeitung. Das Abkommen bekommt demnach aber eine längere Bedenkzeit und ist noch nicht ganz vom Tisch.

Das bilaterale Sicherheitsabkommen mit den Salomonen, das im März bekanntgeworden war, sei ein “Kanarienvogel in der Kohlemine” für Regierungen anderer pazifischer Inseln gewesen, erklärte Michael Shoebridge vom Thinktank Australian Strategic Policy Institut gegenüber Washington Post. Auch wenn der multilaterale Pakt nicht zustande gekommen sei, habe China aber eine Reihe bilateraler Abkommen mit pazifischen Inselstaaten erlangt, so Shoebridge.

Wang Yi hatte seine Tour vergangene Woche auf den Salomonen begonnen (China.Table berichtete). Bei einer sorgfältig choreografierten Pressekonferenz in Honiara gab der chinesische Außenminister ein wichtiges Versprechen: Peking, sagte er, habe “nicht die Absicht”, eine Militärbasis in der pazifischen Nation zu errichten. Auf der Reise-Liste standen zudem Kiribati, Samoa und Fidschi, außerdem Tonga, Vanuatu, Papua-Neuguinea und Osttimor (Timor-Leste). Samoa unterzeichnete ein Abkommen über wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit.

Im Rahmen des umfassenden Abkommens mit den südpazifischen Staaten, das vergangene Woche an die Öffentlichkeit kam, will Peking etwa Polizeikräfte ausbilden, Fischgründe erschließen, Internetnetzwerke einrichten und Konfuzius-Institute zur Förderung der chinesischen Sprache und Kultur in den Staaten gründen. ari

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Verdopplung der Stromerzeugung aus Wind- und Solar angestrebt

China hat am Mittwoch einen in Fachkreisen lang erwarteten Fünfjahresplan für die Erneuerbaren Energien veröffentlicht. Der Plan sieht folgende Ausbauziele vor:

  • Bis zum Jahr 2025 sollen nicht-fossile Energieträger 20 Prozent des Energieverbrauchs ausmachen,
  • Erneuerbare Energien sollen bis dahin mindestens 50 Prozent des zusätzlichen Energiebedarfs decken,
  • Die Stromerzeugung aus Wind- und Solarkraftwerken soll sich bis 2025 verdoppeln und dann 3.300 Terawattstunden erreichen.

Im Vergleich zu Ausbauzielen in westlichen Staaten sind die Vorhaben sehr ambitioniert. Doch Analysten erwarten, dass China diese Ziele erreichen wird. Sie stimmen mit Plänen der Zentralregierung und der Provinzen zum Ausbau der Erneuerbaren weitestgehend überein.

Neuer Fünjahresplan zu Erneuerbaren Energien: Chinas Ausbau-Ziele übertreffen die Kapazität anderer Staaten bei weitem - Emissions-Peak wird wohl schon 2025 erreicht sein.
Die Pläne der Zentral- und Provinzregierung für konkrete Projekte im Bereich Wind- und Solarkraftwerke.

China wird in diesem Jahr laut Prognosen 108 Gigawatt an neuer Solarkrafts-Kapazität installieren. Das ist fast doppelt so viel wie die gesamte in Deutschland installierte Kapazität (59 GW – Ende 2021). Analysten waren kürzlich noch davon ausgegangen, dass China den zukünftigen zusätzlichen Energiebedarf komplett aus Erneuerbaren decken könnte (China.Table berichtete). Die Planer scheinen jedoch von einem stärkeren Anstieg des Strombedarfs bis 2025 auszugehen. Sollte es so kommen, wird die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern wie der klimaschädliche Kohle weiter ansteigen – und ebenso die Emissionen.

Neben dem Ausbau von Wind- und Solar-Kraftwerken sieht der Plan auch den weiteren Ausbau von Biomasse-Kraftwerken vor. Sie sollen mit Technologien zum Abscheiden von CO2 (Carbon Capture, Utilization and Storage – CCUS) ausgestattet werden. Auch die Entwicklung von Geothermie- und Gezeitenkraftwerken wird in dem Dokument erwähnt. China plant zudem, die Energiespeicher des Landes auszubauen. Sie sind mittelfristig besonders wichtig, um das Problem der Dunkelflauten zu bewältigen und ein stabiles Stromnetz sicherzustellen (China.Table berichtete). nib

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  • Erneuerbare Energien
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Taiwan und USA nehmen neue Handelsgespräche auf

Die USA und Taiwan werden neue bilaterale Handelsgespräche aufnehmen. Das kündigte die US-Regierung am Mittwoch an. Washington und Taipeh wollen demnach in den kommenden Wochen “schnell einen Fahrplan” für die Handelsinitiative mit dem Namen “U.S.-Taiwan Initiative on 21st-Century Trade” entwickeln. Auch erste persönliche Treffen sollen bereits Ende Juni in der US-Hauptstadt stattfinden. Bei den Handelsgesprächen soll es um Zollerleichterungen, Korruptionsbekämpfung und gemeinsame Standards für den digitalen Handel gehen. Auch Arbeitsrechte und Umweltstandards werden auf der Agenda stehen. Mit der Initiative wolle man sich außerdem darum bemühen, staatliche Unternehmen und nicht marktüblichen Praktiken “einzudämmen”, so ein US-Beamter.

Die bilaterale Initiative zwischen Taipeh und Washington entspricht weitgehend der Wirtschaftspartnerschaft “Indo-Pacific Economic Framework” zwischen den USA und 13 asiatischen Ländern. Diese hatte US-Präsident Joe Biden erst letzte Woche während eines Besuchs in Seoul und Tokio ins Leben gerufen. Taiwan ist nicht Teil davon, da es Befürchtungen gab, dass sich weitere Staaten keinen Wirtschaftsgesprächen anschließen wollen, die die von China als abtrünnige Provinz betrachtete Insel als Teilnehmer hat. Die Handelsgespräche zwischen den USA und Taiwan sollen bereits bestehende Dialoge zu anderen Themen ergänzen. Sie bedürfen keiner Zustimmung des US-Kongresses, da sie keine Marktzugangsanforderungen oder reduzierte Zölle beinhalten werde, wie der US-Regierungsvertreter erklärte. rtr/ari

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Premier Li warnt vor neuer Stromkrise

Chinas Premierminister Li Keqiang hat jüngst vor einer neuen Stromkrise im Sommer gewarnt. Selbst ohne neues Wirtschaftswachstum könnte es zu Knappheiten kommen, so Li auf einer großen Telefonkonferenz Ende letzter Woche. Berichten zufolge hatten sich gut 100.000 Kader zusammengeschaltet, um über die wirtschaftlichen Herausforderungen infolge der Corona-Lockdowns informiert zu werden. Die Regierung hat keine offiziellen Informationen zu der Konferenz veröffentlicht. Laut Analysten-Angaben stand das Thema der Energiesicherheit jedoch weit oben auf der Agenda, denn ohne sichere Energie-Versorgung könne das Wachstum nicht wieder angekurbelt werden, wird Li wiedergegeben.

Um eine Stromkrise zu verhindern, setzt die Regierung auf die Ausweitung der Kohleförderung und -verstromung. Im letzten Jahr hatten zahlreiche Kraftwerke ihre Kohlelager aufgrund der hohen Preise des Brennstoffs nicht ausreichend aufgefüllt (China.Table berichtete). Ab dem Sommer kam es deswegen zu Rationierungen. Damit sich dieser Prozess nicht wiederholt, kündigte die Regierung jetzt finanzielle Unterstützungen für die Kraftwerksbetreiber an. Li habe zudem angekündigt, dass Kraftwerke dieses Jahr schlicht den Betrieb nicht einstellen dürfen, so Analysten. Der Druck auf die Kraftwerksbetreiber wurde damit massiv erhöht. Die Klimaziele könnten in den Hintergrund rücken, so Analysten. “Die Beamten sind nun nicht mehr mit ehrgeizigen Klima-Bemühungen beschäftigt, sondern damit, die Wirtschaft am Laufen zu halten”, so das Fazit der Analysten der Beratungsfirma Trivium China. nib

  • Energie
  • Klima
  • Li Keqiang

Peking schafft Steueranreize für Autos mit größeren Motoren

China wird die Umsatzsteuer für einige emissionsarme Pkw um die Hälfte auf fünf Prozent senken. Die Zentralregierung will damit nach dem langen Lockdown in Shanghai den Konsum steigern. Aufgrund des zweimonatigen Lockdowns in Shanghai sind im ersten Quartal, laut der Shanghai Automobile Sales Trade Association (SASTA), die Autoverkäufe in der Metropole um über 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen.

Cui Dongshu, Generalsekretär der China Passenger Car Association (CPCA) erwartet, dass die nun angekündigten Steuersenkungen den Verkauf in diesem Jahr um etwa zwei Millionen Fahrzeuge erhöhen werde, berichtete das Wirtschaftsmagazin Caixin.

China hat bereits zweimal eine bevorzugte Steuerpolitik für Autos mit Motoren von 1,6 Litern Hubraum oder weniger eingeführt. Die neue Kürzung erstreckt sich laut einer Mitteilung auf der Website des Finanzministeriums auf Modelle mit Hubraum bis zu 2,0 Litern. Laut Zulassungsdaten machten Pkw mit Motoren unter 1,6 Litern im vergangenen Jahr 68 Prozent des Marktes aus, während Autos mit 1,6 bis 2 Litern Hubraum etwa 30 Prozent der zugelassenen Fahrzeuge ausmachten.  

Chinas Automarkt leidet unter den strengen Coronavirus-Maßnahmen im Land. Im April brachen die Auto-Verkäufe gegenüber dem Vorjahr um fast 48 Prozent auf 1,18 Millionen Einheiten ein, während die Produktion um 46 Prozent auf 1,2 Millionen zurückging. niw

  • Autoindustrie

Nach Huarong-Pleite: Diaoyutai-Kopie in Frankfurt gammelt

Der Rückbau des Finanz-Konglomerats Huarong strahlt auch auf Deutschland aus. Nach der Hinrichtung des Firmengründers Lai Xiaomin stehen zahlreiche hochkarätige Liegenschaften der Huarong-Immobilientochter leer – darunter auch eine Nachbildung des Diaoyutai-Gästehauses, die in Niederrad bei Frankfurt entstehen sollte. Das berichten Anwohner dem China.Table. Die noble Anlage ist nun eine Bauruine ohne große Hoffnung auf Fertigstellung, wie die Wirtschaftszeitung Nikkei in einem längeren Artikel zum Thema schreibt.

Huarong war 2020 im Zuge der Schuldenkrise chinesischer Immobilien-Entwickler zahlungsunfähig geworden. Der Staat hat den Konzern im vergangenen Jahr mit Finanzspritzen in Höhe von sechseinhalb Milliarden Euro gerettet (China.Table berichtete). Das Missmanagement blieb jedoch nicht ungesühnt: Ein Gericht hat den Firmenpatriarchen Lai der Korruption schuldig befunden und hinrichten lassen. Das neue Management hat die aggressive Expansion des Konzerns in andere Länder vorerst gestoppt. Das Diaoyutai ist das offizielle Gästehaus des chinesischen Staates. Im Original erhebt es sich inmitten eines parkartigen Geländes in Peking. Die Architektur des Gebäudekomplexes knüpft an Stilelemente der Kaiserzeit an. fin

  • Deutschland
  • Finanzen
  • Immobilien

Presseschau

Shanghai beendet strikten Corona-Lockdown ZEIT
Nach dem Shanghai-Lockdown: Warum der Dauerstress für die Lieferketten nicht vorbei ist MANAGER MAGAZIN
Marktanteile bei E-Autos: Deutsche Autobauer müssen in China mehr investieren CIO
Ex-Kuka-Chef Till Reuter: “Die Zeit des Wachsens, Wachsens, Wachsens ist definitiv vorbei” HANDELSBLATT
China will bis 2025 ein Drittel des Stroms mit Erneuerbaren erzeugen KURIER
Kooperation zwischen BND und China: Die geheimnisvolle Operation “Pamir” TAGESSCHAU
China’s spies are not always as good as advertised ECONOMIST
Konjunkturpaket beschlossen: Mehr Konsum soll Chinas Wirtschaft stützen TAGESSCHAU
China says it conducted ‘readiness patrol’ around Taiwan REUTERS
Apple will reportedly move some iPad capacity to Vietnam after China lockdowns CNBC
Stagnierender Umsatz, Frust bei den Chefs: Die Nebenwirkungen von Chinas Tech-Regulierung HANDELSBLATT
Hong Kong Sees Rush of Chinese Visitors, Most Since Pandemic BLOOMBERG
U.S. Launches Initiatives to Boost Economic Ties With Taiwan WSJ
Tote und Verletzte bei Erdbeben in China DW

Portrait

Inga Heiland – Expertin für Container-Schifffahrt

Inga Heiland ist Professorin für Volkswirtschaftslehre und leitet das Forschungszentrum für Handelspolitik am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel).
Inga Heiland

Die Berufung auf einen Lehrstuhl ist für eine Wissenschaftlerin normalerweise schon genug Anlass zum Feiern. Inga Heiland hingegen hat kürzlich nicht nur die Professur für Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel übernommen, sondern auch die Leitung des Forschungszentrums für Handelspolitik am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel). Das klingt nach einem 20-Stunden-Tag: “Ja, so kommt es mir fast vor”, sagt die 35-Jährige. Jedoch hat die Uni sie berufen und für ihre Tätigkeit im IfW abgeordnet. “Das heißt, ich beschäftige mich mit Aufgaben, die sich mit meiner Forschungsagenda überschneiden. Gleichzeitig habe ich aber trotzdem natürlich auch Aufgaben an der Universität.”

Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehört unter anderem die Bewertung von internationalen Lieferketten. Dabei hat sie eine besondere Leidenschaft entwickelt: Die Containerschifffahrt. In ihrer Arbeit zum Panamakanal 2019 untersuchte sie mit ihrem Team das weltweite Netzwerk von Containerschiff-Routen. “Dabei wollten wir systematischer verstehen, wie die Handelsrouten aufgebaut sind, welche Länder wie miteinander vernetzt sind und wo auch die Schwachpunkte in diesem System sind.” Das Thema rückte mit der Ever Given im vergangenen Jahr auch in den Fokus der Öffentlichkeit. Als der Container-Riese im Suezkanal feststeckte, “hat man dann plötzlich bemerkt, wie viele Länder davon tatsächlich betroffen waren”, sagt die Professorin.

Neue Herausforderung politische Kommunikation

Die promovierte Volkswirtin arbeitet in erster Linie an Berechnungsmodellen, die vielleicht für den Außenstehenden auf den ersten Blick abstrakt wirken, aber aus denen doch konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik abgeleitet werden können. “Wo kann man Verbesserungen machen? Also in Form von Infrastrukturprojekten, die der ganzen Welt zugutekommen. Am Beispiel Panamakanal haben wir berechnet, welche Länder von der Erweiterung des Kanals profitieren würden.”

Die politische Beratung und die Kommentierung öffentlicher Diskurse ist auch ein Schwerpunkt des IfW Kiel. Bislang war Heiland in ihrer Karriere vor allem als Forscherin tätig. Die politische Kommunikation hält sie “neben der Forschung für die wichtigste Aufgabe” in ihrem neuen Job, erklärt sie.

Nach ihrem Studium der Internationalen Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft in Tübingen promovierte Heiland an der Ludwig-Maximilians-Universität München und am ifo Institut. Die Promotionsstelle selbst bezeichnet sie als “wichtigen Meilenstein” in ihrer Karriere, weil sie besonders am ifo Institut frühzeitig in Fragestellungen eingebunden wurde, die von politischer Relevanz waren. So gesehen auch eine Vorbereitung auf ihre Tätigkeiten am IfW heute.

Berechnungen zum Freihandelsabkommen mit China

Heilands letzte Arbeit zur Volksrepublik China liegt derweil schon ein wenig zurück. Damals beschäftigte sie sich mit dem WTO-Beitritt Chinas und den möglichen Auswirkungen auf globale Lieferketten. “Und das wird jetzt natürlich wieder spannend, wenn man darüber nachdenkt, ob es vielleicht zu einer Entkoppelung der Lieferketten kommen kann.” Genau solche Berechnungen von Szenarien bilden den Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten am IfW.

Die IfW-Wissenschaftler:innen analysieren momentan etwa, was passieren würde, wenn sich der Handel zwischen China und der Europäischen Union verdoppelt. “Das wäre ein Beispiel, bei dem die Initiative für die Forschung von uns kommt.” Eine andere Möglichkeit sei, dass Vorschläge von politischer Seite gemacht werden. Zum Beispiel die Ausgestaltung eines Freihandelsabkommen zwischen der EU und China. “Was wären etwa die Effekte auf den Handel diverser Länder oder auf die Konsummöglichkeiten und Preise, würden die Zölle zu einem bestimmten Grad gesenkt oder tarifäre Handelshemmnisse erst gar nicht eingeführt? Das können wir in unser Modell einspeisen und berechnen. Da wird es sehr konkret.” Und da wird es neben der Forschung auch schnell sehr politisch. Constantin Eckner

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  • Wissenschaft

Personalien

Didi Kirsten Tatlow hat eine neue Stelle als Senior Reporter, International Affairs, mit Schwerpunkt auf China beim Newsweek Magazin angetreten. Tatlow war zuletzt Senior Fellow des Asienprogramms bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

Zhang Jinghua wurde aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Dem ehemaligen stellvertretenden Parteichef von Jiangsu wird die Fälschung von Wirtschaftsdaten vorgeworfen, um seine Karriere voranzutreiben. Die Behörden machten keine näheren Angaben zu den Vorwürfen.

Dessert

Schlangestehen für den ersten Haarschnitt seit zwei Monaten. Bei vielen Menschen in Shanghai wird das nach dem Lockdown auf der To-do-Liste weit oben gestanden haben. Praktisch, wenn man, wie auf dem Foto, mit einigen der Nachbarn zusammen einen Gemeinschafts-Termin beim Friseur buchen kann, der dann direkt vorbeikommt.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Gedenken an 4. Juni: Tank Man zeigt die “Macht der Namenlosen”
    • Lockdown-Lockerungen in Shanghai
    • Abkommen mit Pazifik-Anrainern stockt
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    • Taiwan und USA nehmen neue Handelsgespräche auf
    • Premier Li sorgt sich um die Stromversorgung
    • Weniger Steuern beim Autokauf
    • Prestige-Immobilie gammelt in Frankfurt vor sich hin
    • Im Portrait: Inga Heiland – IfW-Expertin in Sachen Handel und Containerschiffe
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    trotz allem, was wir heute über die Nacht vom 4. auf den 5. Juni 1989 in Peking wissen: Von den Ereignissen auf dem Platz des Himmlischen Friedens selbst gibt es keine Bilder. Doch ein Bild hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt: der Tank Man. Das Foto zeigt schräg von hinten einen Mann, der sich vor die Panzer stellt und sie so aufhält. Der Tank Man ist damit zum Inbegriff der “Macht der Namenlosen” geworden, schreibt Marcel Grzanna anlässlich des 33. Jahrestags des Massakers am Wochenende. Tank Man ist in die Popkultur eingeflossen und gilt gar als eine der 100 einflussreichsten Personen des 20. Jahrhunderts. Die chinesische Staatsmacht hält seine Identität jedoch bewusst geheim, um keinen Helden zu schaffen. Doch gerade dadurch fördert sie den Mythos des einfachen Bürgers, der sich genau jener Staatsmacht mutig entgegenstellt.

    Millionen von Shanghaiern haben am Mittwoch einen Teil ihrer Alltagsfreiheit zurückgewonnen. Aus dem Stand erreichte die Auslastung der Verkehrsmittel wieder 75 Prozent des Normalbetriebs. Unser Autorenteam in China hat sich jedoch genauer umgehört: Viele Menschen fühlen sich betrogen, weil sie trotz der Lockerungen immer noch nicht vor die Tür dürfen. Solange alle gleichermaßen zu Hause saßen, war die Akzeptanz noch höher als jetzt in der Ungleichheit zwischen den Nachbarschaften. In einer Demokratie müssten sich die Verantwortlichen spätestens jetzt auf ihre Abwahl gefasst machen. 

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    Ihre
    Ning Wang
    Bild von Ning  Wang

    Analyse

    “Tank Man hat die Welt verändert”

    Die Bilder des Tank Man 1989 gehen um die Welt und stehen symbolisch für Freiheitsbewegungen.

    Es sind nur rund drei Minuten, die am Vormittag des 5. Juni 1989 aus einem Mann einen Helden machen. Ein Unbekannter stellt sich auf der Chang’an Jie im Herzen Pekings, in unmittelbarer Nähe zum Platz des Himmlischen Friedens, einer Panzerkolonne der chinesischen Armee in den Weg. Ob der Mann ein aktives Mitglied der Demokratiebewegung ist, die in der Nacht zuvor mit vielen Leben für ihre Forderung nach politischer Teilhabe bezahlen musste, bleibt unklar. Dennoch geht sein Mut als letzter Akt des offenen Widerstandes dieser Tage und Wochen im Frühling vor 33 Jahren in die Geschichte ein.

    Diese wenigen Augenblicke auf der Chang’an Jie haben sich förmlich in das Gedächtnis der Weltöffentlichkeit gebrannt. Bis heute strahlen sie eine Faszination aus, die eine globale Erinnerungskultur geschaffen hat, die es der Kommunistischen Partei Chinas unmöglich macht, das Tiananmen-Massaker an der eigenen Bevölkerung zu einer Randnotiz der Historie zu degradieren. Wer der Mann war, ist ebenso unklar, wie die Frage, ob er bestraft wurde, nachdem ihn mehrere Männer von der Straße geschoben hatten. Und dennoch ist sein Pseudonym bis heute in aller Munde.

    Seine Bedeutung geht weit über die Erinnerung an die Verbrechen der KP des Jahres 1989 hinaus. “Dieser junge Mann hat die Welt verändert”, sagt Professor Bruce Herschensohn im Dokumentarfilm “Tank Man” aus dem Jahr 2006. Herschensohn war einst Berater der US-Regierung um Richard Nixon und befasste sich intensiv mit kommunistischen Regimen. “Tank Mans Handeln hat den Wandel der Sowjetunion unterstützt”, glaubte der inzwischen verstorbene Herschensohn, der kurz nach den Ereignissen in Peking diverse osteuropäische Länder bereiste.

    “Der Mann mit den Panzern steht für die Macht der Namenlosen”

    Vielerorts gingen die Menschen damals auf die Straße, um in ihren Ländern gegen pro-sowjetische Regime zu protestieren. Etliche Male und in vielen verschiedenen Ländern, so Herschensohn, hätten die Leute ihm sinngemäß gesagt: “Wenn dieser chinesische Junge vor den Panzern stehen kann, dann können wir das auch.”

    Fünf Monate nach Tank Man fiel die Berliner Mauer. Es folgten der Zusammenbruch der Sowjetunion und des Ostblocks. Viele Gesellschaften entledigten sich ihrer Despoten und diktatorischen Statthalter unter Moskaus Führung und entwickelten demokratische Strukturen. Doch nur wenige Momente dieser Umwälzungen und revolutionären Tage blieben der Welt so in Erinnerung wie die Entschlossenheit des Tank Man.

    Das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Time verlieh seiner Bedeutung für den Kampf gegen Unterdrückung der Massen durch korrupte Regime Ausdruck, indem es den “Tank Man” zu einer der 100 einflussreichsten Menschen des 20. Jahrhunderts erkor. “Der Mann mit den Panzern steht für die Macht der Namenlosen”, schrieb das Magazin 1998.

    Bis heute werden die Aufnahmen regelmäßig aus den Archiven geholt. Lehrer:innen demokratischer Staaten nutzen sie als Anschauungsmaterial im Geschichtsunterricht. Das Bild des dramatischen Augenblicks schmückt T-Shirts und Poster. Tank Man ist im Westen zu einer Art Popkultur geworden. “Es ist das Mysterium, das seine dauerhafte Präsenz ermöglicht – das es ihm ermöglicht, ein Code für so viele westliche Werte und Wünsche zu sein”, sagte Jennifer Hubbert, vom Lewis & Clark College in Portland vor einigen Jahren der New York Times.

    Keine Aufklärung und Aufarbeitung unter KP-Führung

    Hubbert beschreibt in ihrem Beitrag Appropriating Iconicity: Why Tank Man Still Matters im Journal of the Society for Visual Anthropology, was passiert, wenn das ikonische Tank Man-Bild modifiziert und für neue politische Zwecke umfunktioniert wird. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Verwendung des Bildes in neuen Kontexten in den USA dafür sorgt, dass es weniger über fehlenden politischen Liberalismus in China aufklärt, sondern demokratische Defizite in den Vereinigten Staaten aufzeigt.

    Im heutigen China haben vor allem junge Menschen nur wenig detaillierte Kenntnisse über den Tank Man. Referenzen zu seiner Geschichte schaffen es, wenn überhaupt, nur kurzfristig durch die Zensur der Partei. Chinesische Schulbücher handeln den sogenannten “Zwischenfall” als Heldentat des chinesischen Militärs ab. Offizielle chinesische Angaben sprechen von einigen Hundert toten Demonstranten bei den Protesten auf und um den Tian’anmen Platz. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es in Wahrheit wohl mehrere Tausende waren. Aufklärung über die genaue Opferzahl und eine öffentliche Aufarbeitung des Blutvergießens wird es unter KP-Führung jedoch niemals geben.

    Hochgradig sensibel geht sie gegen alles vor, das an die Nacht des 4. Juni erinnert. Zuletzt wurden im Jahr 2016 vier Männer zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie Etikette auf Schnapsflaschen geklebt hatten, die Referenzen zu den tödlichen Ereignissen zogen. Als Comiczeichnung hatten sie Tank Man und eine Reihe von Panzern darauf abgebildet. Darunter stand: “Niemals vergessen, niemals aufgeben”.

    Tank Man wurde nicht öffentlich hingerichtet

    Auch 33 Jahre nach dem Massaker ist nicht endgültig geklärt, wer der Mann überhaupt war. Schon 1990 hatten ausländische Medien ihn zwar als Wang Weilin identifiziert. Unter anderem behauptete auch Bruce Herschensohn, er habe durch Quellen in Peking diesen Namen erfahren. Doch bestätigt wurde diese Vermutung nie. Auch über den Mensch hinter dem Namen Wang Weilin ist wenig bekannt. Zu seinem Schicksal gibt es zudem verschiedene Versionen. Eine lautet, er sei Ende Juni 1989 hingerichtet worden, eine andere besagt, seine Hinrichtung sei erst Monate später vollstreckt worden. Und später gab es sogar Gerüchte, Tank Man lebe anonym in Taiwan.

    Die Theorie derjenigen, die an sein Untertauchen und damit an sein Überleben glauben, stützt sich vornehmlich auf die Tatsache, dass Tank Man nicht öffentlich hingerichtet worden ist. Etliche Protestler waren im Anschluss an die Ereignisse als Warnung an den Rest der Bevölkerung namentlich im Fernsehen vorgeführt und anschließend getötet worden. Ihre Vergehen erschienen teilweise deutlich weniger provokant als die Blockade der Panzer. Dennoch wurde Tank Man nicht wie viele andere im staatlichen Fernsehen hingerichtet.

    Es bleibt bis heute die Frage, wer die Männer waren, die ihn von der Straße gedrängt haben. Staatssicherheit oder einfache Bürger? Ein Jahr nach Tiananmen konfrontierte die US-Journalistin Barbara Walters in einem Interview für ABC den designierten Staatschef Jiang Zemin mit einem Foto des Tank Man. Jiang sagte, er glaube nicht, dass der Mann getötet worden sei. Aber er könne auch keine konkreten Angaben zu dessen Verbleib machen. All die unbeantworteten Fragen trugen in den Folgejahren zum Mythos Tank Man bei.

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    Shanghai öffnet, Peking lockert 

    Einige Menschen in Shanghai begrüßten um Mitternacht die neu gewonnene "Freiheit" nach dem Ende des Lockdowns.
    Einige Menschen in Shanghai begrüßten um Mitternacht die neu gewonnene “Freiheit”

    Die Menschen in Shanghai haben sehnsüchtig auf diesen Tag gewartet. Gestern um Mitternacht endete offiziell der harte Lockdown. Millionen Menschen durften erstmals seit zwei Monaten wieder ihre Wohnungen verlassen. Viele blieben wach, um dann um Punkt Mitternacht vor die Tür gehen zu können. In sozialen Medien teilten Shanghaier Bilder, wie sie nachts durch die Straßen spazierten oder mit einem Bier in der Hand die zurückgewonnene Freiheit feierten. Andere teilten Videos von Arbeitern, die Barrikaden entfernten. “Das waren die härtesten zwei Monate meines Lebens. Jetzt werde ich mich wieder daran gewöhnen müssen, jeden morgen zur Arbeit zu gehen”, so eine Shanghaierin aus dem Stadtteil Jing’an: “Ich bin enttäuscht von der Regierung, aber freue mich einfach nur, dass ich wieder raus kann”. 

    Shanghaier fühlen sich betrogen

    So wie ihr geht es vielen Menschen in der 25-Millionen-Metropole, die sich von den Behörden betrogen fühlen. Während des Lockdowns liefen die sozialen Netzwerke voll mit Beschwerden über unzureichendes Essen, ein oftmals unverhältnismäßig brutales Vorgehen der Pandemie-Helfer und allgemeine Beschwerden über die katastrophal schlechte Kommunikation der Verantwortlichen.

    So hatte die Regierung noch Ende März versichert, dass es keinen kompletten Lockdown geben würde. Ein paar Tage später folgte dann die Ankündigung, dass zuerst im Ost- und dann im Westteil der Stadt für jeweils vier Tage eine Ausgangssperre gelten würde. Daraus wurde dann ab dem 1. April ein permanenter Lockdown, der immer weiter verlängert wurde (China.Table berichtete).

    Noch immer Hunderttausende eingesperrt

    Nun scheint das Schlimmste überstanden. Nicht alle, aber der größte Teil der Menschen darf wieder vor die Tür. Die neuen Regeln sehen vor, dass alle Shanghaier, die in einer Nachbarschaft leben, wo es seit 14 Tagen keinen Corona-Fall mehr gab, wieder ihrem normalen Alltag nachgehen dürfen. Laut Schätzungen sind weiterhin mindestens 650.000 Menschen in ihren Wohnungen eingesperrt. 

    Öffentliche Verkehrsmittel fahren, Autos dürfen wieder ohne Sondergenehmigung auf die Straßen. Auch die meisten Geschäfte und Restaurants sind seit Mittwoch wieder geöffnet. Operieren dürfen sie mit 75 Prozent der normalen Kapazität. Wer am öffentlichen Leben teilnehmen will, braucht einen aktuellen Corona-Test, der nicht älter als drei Tage ist. “Wir werden das Leben und die Wirtschaft wieder normalisieren”, schrieb die Kommunistische Partei Shanghais in einer Dankesbotschaft an die Bevölkerung: “Shanghai wird sein Möglichstes tun, um verlorenen Boden gutzumachen.” 

    Einfach wird das nicht. Der durch den Lockdown angerichtete wirtschaftliche Schaden ist immens. Zudem dürfte die stolze Wirtschaftsmetropole deutlich an Anziehungskraft verloren haben (China.Table berichtete). “Tausende von Wanderarbeitern und auch viele normale Angestellte werden die Stadt verlassen, weil sie enttäuscht von Shanghais chaotischem Management sind”, schreibt die South China Morning Post. Die Stadt habe ihr Image als “bestentwickelte Metropole des Festlands verspielt”, so die Zeitung. 

    Ruhiger Sommer steht bevor

    Sicherheit vor Lockdowns gibt es jedoch auch in anderen Teilen des Landes kaum. Zu einem Coronavirus-Ausbruch kann es überall schnell kommen, wie mittlerweile alle großen Metropolen des Landes zu spüren bekommen haben. “Ein Rückgang der Infektionen hat es Shanghai ermöglicht, mit der Wiederöffnung zu beginnen. Aber da Chinas Null-Covid-Regeln noch immer in Kraft sind, hängt das Risiko neuer Beschränkungen weiterhin über der Wirtschaft”, schlussfolgert Bloomberg-Ökonom Chang Shu. 

    Auch die Hauptstadt Peking ist nach wie vor nicht aus dem Schneider. Jedoch sieht es so aus, dass der befürchtete, große Lockdown ausbleiben könnte. Nachdem am Sonntag nur zwölf neue Fälle gemeldet wurden, teilten die Behörden mit, dass der Ausbruch unter Kontrolle sei. Am Mittwoch stieg die Zahl wieder leicht auf 14 Infektionen. In Shanghai waren es fünf. Hoffnung macht, dass es laut der offiziellen Statistik außerhalb Pekings und Shanghais landesweit am Mittwoch nur noch drei weitere Infektionen gab. Zumindest über die Sommer-Monate könnte China also von weiteren großen Lockdowns verschont bleiben. Jörn Petring/ Gregor Koppenburg

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    Wang Yi scheitert vorerst mit Abkommen im Südpazifik

    Chinas Außenminister Wang Yi wird seine Tour durch den Südpazifik offenbar ohne den gewünschten Erfolg beenden: Ein vorbereitetes – und geleaktes – umfassendes Abkommen über Sicherheitspolitik zwischen China und mehreren Ländern in der Region wurde Berichten zufolge bereits zu Beginn der Woche bei einem Treffen der Außenminister auf Fidschi zurückgestellt, wie die Washington Post berichtete. Generell habe es Zurückhaltung gegeben, da die sogenannte Sicherheits-Allianz mit den Salomon-Inseln zu Kritik von westlichen Staaten geführt hatte, berichtete die Zeitung. Das Abkommen bekommt demnach aber eine längere Bedenkzeit und ist noch nicht ganz vom Tisch.

    Das bilaterale Sicherheitsabkommen mit den Salomonen, das im März bekanntgeworden war, sei ein “Kanarienvogel in der Kohlemine” für Regierungen anderer pazifischer Inseln gewesen, erklärte Michael Shoebridge vom Thinktank Australian Strategic Policy Institut gegenüber Washington Post. Auch wenn der multilaterale Pakt nicht zustande gekommen sei, habe China aber eine Reihe bilateraler Abkommen mit pazifischen Inselstaaten erlangt, so Shoebridge.

    Wang Yi hatte seine Tour vergangene Woche auf den Salomonen begonnen (China.Table berichtete). Bei einer sorgfältig choreografierten Pressekonferenz in Honiara gab der chinesische Außenminister ein wichtiges Versprechen: Peking, sagte er, habe “nicht die Absicht”, eine Militärbasis in der pazifischen Nation zu errichten. Auf der Reise-Liste standen zudem Kiribati, Samoa und Fidschi, außerdem Tonga, Vanuatu, Papua-Neuguinea und Osttimor (Timor-Leste). Samoa unterzeichnete ein Abkommen über wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit.

    Im Rahmen des umfassenden Abkommens mit den südpazifischen Staaten, das vergangene Woche an die Öffentlichkeit kam, will Peking etwa Polizeikräfte ausbilden, Fischgründe erschließen, Internetnetzwerke einrichten und Konfuzius-Institute zur Förderung der chinesischen Sprache und Kultur in den Staaten gründen. ari

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    Verdopplung der Stromerzeugung aus Wind- und Solar angestrebt

    China hat am Mittwoch einen in Fachkreisen lang erwarteten Fünfjahresplan für die Erneuerbaren Energien veröffentlicht. Der Plan sieht folgende Ausbauziele vor:

    • Bis zum Jahr 2025 sollen nicht-fossile Energieträger 20 Prozent des Energieverbrauchs ausmachen,
    • Erneuerbare Energien sollen bis dahin mindestens 50 Prozent des zusätzlichen Energiebedarfs decken,
    • Die Stromerzeugung aus Wind- und Solarkraftwerken soll sich bis 2025 verdoppeln und dann 3.300 Terawattstunden erreichen.

    Im Vergleich zu Ausbauzielen in westlichen Staaten sind die Vorhaben sehr ambitioniert. Doch Analysten erwarten, dass China diese Ziele erreichen wird. Sie stimmen mit Plänen der Zentralregierung und der Provinzen zum Ausbau der Erneuerbaren weitestgehend überein.

    Neuer Fünjahresplan zu Erneuerbaren Energien: Chinas Ausbau-Ziele übertreffen die Kapazität anderer Staaten bei weitem - Emissions-Peak wird wohl schon 2025 erreicht sein.
    Die Pläne der Zentral- und Provinzregierung für konkrete Projekte im Bereich Wind- und Solarkraftwerke.

    China wird in diesem Jahr laut Prognosen 108 Gigawatt an neuer Solarkrafts-Kapazität installieren. Das ist fast doppelt so viel wie die gesamte in Deutschland installierte Kapazität (59 GW – Ende 2021). Analysten waren kürzlich noch davon ausgegangen, dass China den zukünftigen zusätzlichen Energiebedarf komplett aus Erneuerbaren decken könnte (China.Table berichtete). Die Planer scheinen jedoch von einem stärkeren Anstieg des Strombedarfs bis 2025 auszugehen. Sollte es so kommen, wird die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern wie der klimaschädliche Kohle weiter ansteigen – und ebenso die Emissionen.

    Neben dem Ausbau von Wind- und Solar-Kraftwerken sieht der Plan auch den weiteren Ausbau von Biomasse-Kraftwerken vor. Sie sollen mit Technologien zum Abscheiden von CO2 (Carbon Capture, Utilization and Storage – CCUS) ausgestattet werden. Auch die Entwicklung von Geothermie- und Gezeitenkraftwerken wird in dem Dokument erwähnt. China plant zudem, die Energiespeicher des Landes auszubauen. Sie sind mittelfristig besonders wichtig, um das Problem der Dunkelflauten zu bewältigen und ein stabiles Stromnetz sicherzustellen (China.Table berichtete). nib

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    Taiwan und USA nehmen neue Handelsgespräche auf

    Die USA und Taiwan werden neue bilaterale Handelsgespräche aufnehmen. Das kündigte die US-Regierung am Mittwoch an. Washington und Taipeh wollen demnach in den kommenden Wochen “schnell einen Fahrplan” für die Handelsinitiative mit dem Namen “U.S.-Taiwan Initiative on 21st-Century Trade” entwickeln. Auch erste persönliche Treffen sollen bereits Ende Juni in der US-Hauptstadt stattfinden. Bei den Handelsgesprächen soll es um Zollerleichterungen, Korruptionsbekämpfung und gemeinsame Standards für den digitalen Handel gehen. Auch Arbeitsrechte und Umweltstandards werden auf der Agenda stehen. Mit der Initiative wolle man sich außerdem darum bemühen, staatliche Unternehmen und nicht marktüblichen Praktiken “einzudämmen”, so ein US-Beamter.

    Die bilaterale Initiative zwischen Taipeh und Washington entspricht weitgehend der Wirtschaftspartnerschaft “Indo-Pacific Economic Framework” zwischen den USA und 13 asiatischen Ländern. Diese hatte US-Präsident Joe Biden erst letzte Woche während eines Besuchs in Seoul und Tokio ins Leben gerufen. Taiwan ist nicht Teil davon, da es Befürchtungen gab, dass sich weitere Staaten keinen Wirtschaftsgesprächen anschließen wollen, die die von China als abtrünnige Provinz betrachtete Insel als Teilnehmer hat. Die Handelsgespräche zwischen den USA und Taiwan sollen bereits bestehende Dialoge zu anderen Themen ergänzen. Sie bedürfen keiner Zustimmung des US-Kongresses, da sie keine Marktzugangsanforderungen oder reduzierte Zölle beinhalten werde, wie der US-Regierungsvertreter erklärte. rtr/ari

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    Premier Li warnt vor neuer Stromkrise

    Chinas Premierminister Li Keqiang hat jüngst vor einer neuen Stromkrise im Sommer gewarnt. Selbst ohne neues Wirtschaftswachstum könnte es zu Knappheiten kommen, so Li auf einer großen Telefonkonferenz Ende letzter Woche. Berichten zufolge hatten sich gut 100.000 Kader zusammengeschaltet, um über die wirtschaftlichen Herausforderungen infolge der Corona-Lockdowns informiert zu werden. Die Regierung hat keine offiziellen Informationen zu der Konferenz veröffentlicht. Laut Analysten-Angaben stand das Thema der Energiesicherheit jedoch weit oben auf der Agenda, denn ohne sichere Energie-Versorgung könne das Wachstum nicht wieder angekurbelt werden, wird Li wiedergegeben.

    Um eine Stromkrise zu verhindern, setzt die Regierung auf die Ausweitung der Kohleförderung und -verstromung. Im letzten Jahr hatten zahlreiche Kraftwerke ihre Kohlelager aufgrund der hohen Preise des Brennstoffs nicht ausreichend aufgefüllt (China.Table berichtete). Ab dem Sommer kam es deswegen zu Rationierungen. Damit sich dieser Prozess nicht wiederholt, kündigte die Regierung jetzt finanzielle Unterstützungen für die Kraftwerksbetreiber an. Li habe zudem angekündigt, dass Kraftwerke dieses Jahr schlicht den Betrieb nicht einstellen dürfen, so Analysten. Der Druck auf die Kraftwerksbetreiber wurde damit massiv erhöht. Die Klimaziele könnten in den Hintergrund rücken, so Analysten. “Die Beamten sind nun nicht mehr mit ehrgeizigen Klima-Bemühungen beschäftigt, sondern damit, die Wirtschaft am Laufen zu halten”, so das Fazit der Analysten der Beratungsfirma Trivium China. nib

    • Energie
    • Klima
    • Li Keqiang

    Peking schafft Steueranreize für Autos mit größeren Motoren

    China wird die Umsatzsteuer für einige emissionsarme Pkw um die Hälfte auf fünf Prozent senken. Die Zentralregierung will damit nach dem langen Lockdown in Shanghai den Konsum steigern. Aufgrund des zweimonatigen Lockdowns in Shanghai sind im ersten Quartal, laut der Shanghai Automobile Sales Trade Association (SASTA), die Autoverkäufe in der Metropole um über 30 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum eingebrochen.

    Cui Dongshu, Generalsekretär der China Passenger Car Association (CPCA) erwartet, dass die nun angekündigten Steuersenkungen den Verkauf in diesem Jahr um etwa zwei Millionen Fahrzeuge erhöhen werde, berichtete das Wirtschaftsmagazin Caixin.

    China hat bereits zweimal eine bevorzugte Steuerpolitik für Autos mit Motoren von 1,6 Litern Hubraum oder weniger eingeführt. Die neue Kürzung erstreckt sich laut einer Mitteilung auf der Website des Finanzministeriums auf Modelle mit Hubraum bis zu 2,0 Litern. Laut Zulassungsdaten machten Pkw mit Motoren unter 1,6 Litern im vergangenen Jahr 68 Prozent des Marktes aus, während Autos mit 1,6 bis 2 Litern Hubraum etwa 30 Prozent der zugelassenen Fahrzeuge ausmachten.  

    Chinas Automarkt leidet unter den strengen Coronavirus-Maßnahmen im Land. Im April brachen die Auto-Verkäufe gegenüber dem Vorjahr um fast 48 Prozent auf 1,18 Millionen Einheiten ein, während die Produktion um 46 Prozent auf 1,2 Millionen zurückging. niw

    • Autoindustrie

    Nach Huarong-Pleite: Diaoyutai-Kopie in Frankfurt gammelt

    Der Rückbau des Finanz-Konglomerats Huarong strahlt auch auf Deutschland aus. Nach der Hinrichtung des Firmengründers Lai Xiaomin stehen zahlreiche hochkarätige Liegenschaften der Huarong-Immobilientochter leer – darunter auch eine Nachbildung des Diaoyutai-Gästehauses, die in Niederrad bei Frankfurt entstehen sollte. Das berichten Anwohner dem China.Table. Die noble Anlage ist nun eine Bauruine ohne große Hoffnung auf Fertigstellung, wie die Wirtschaftszeitung Nikkei in einem längeren Artikel zum Thema schreibt.

    Huarong war 2020 im Zuge der Schuldenkrise chinesischer Immobilien-Entwickler zahlungsunfähig geworden. Der Staat hat den Konzern im vergangenen Jahr mit Finanzspritzen in Höhe von sechseinhalb Milliarden Euro gerettet (China.Table berichtete). Das Missmanagement blieb jedoch nicht ungesühnt: Ein Gericht hat den Firmenpatriarchen Lai der Korruption schuldig befunden und hinrichten lassen. Das neue Management hat die aggressive Expansion des Konzerns in andere Länder vorerst gestoppt. Das Diaoyutai ist das offizielle Gästehaus des chinesischen Staates. Im Original erhebt es sich inmitten eines parkartigen Geländes in Peking. Die Architektur des Gebäudekomplexes knüpft an Stilelemente der Kaiserzeit an. fin

    • Deutschland
    • Finanzen
    • Immobilien

    Presseschau

    Shanghai beendet strikten Corona-Lockdown ZEIT
    Nach dem Shanghai-Lockdown: Warum der Dauerstress für die Lieferketten nicht vorbei ist MANAGER MAGAZIN
    Marktanteile bei E-Autos: Deutsche Autobauer müssen in China mehr investieren CIO
    Ex-Kuka-Chef Till Reuter: “Die Zeit des Wachsens, Wachsens, Wachsens ist definitiv vorbei” HANDELSBLATT
    China will bis 2025 ein Drittel des Stroms mit Erneuerbaren erzeugen KURIER
    Kooperation zwischen BND und China: Die geheimnisvolle Operation “Pamir” TAGESSCHAU
    China’s spies are not always as good as advertised ECONOMIST
    Konjunkturpaket beschlossen: Mehr Konsum soll Chinas Wirtschaft stützen TAGESSCHAU
    China says it conducted ‘readiness patrol’ around Taiwan REUTERS
    Apple will reportedly move some iPad capacity to Vietnam after China lockdowns CNBC
    Stagnierender Umsatz, Frust bei den Chefs: Die Nebenwirkungen von Chinas Tech-Regulierung HANDELSBLATT
    Hong Kong Sees Rush of Chinese Visitors, Most Since Pandemic BLOOMBERG
    U.S. Launches Initiatives to Boost Economic Ties With Taiwan WSJ
    Tote und Verletzte bei Erdbeben in China DW

    Portrait

    Inga Heiland – Expertin für Container-Schifffahrt

    Inga Heiland ist Professorin für Volkswirtschaftslehre und leitet das Forschungszentrum für Handelspolitik am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel).
    Inga Heiland

    Die Berufung auf einen Lehrstuhl ist für eine Wissenschaftlerin normalerweise schon genug Anlass zum Feiern. Inga Heiland hingegen hat kürzlich nicht nur die Professur für Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel übernommen, sondern auch die Leitung des Forschungszentrums für Handelspolitik am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel). Das klingt nach einem 20-Stunden-Tag: “Ja, so kommt es mir fast vor”, sagt die 35-Jährige. Jedoch hat die Uni sie berufen und für ihre Tätigkeit im IfW abgeordnet. “Das heißt, ich beschäftige mich mit Aufgaben, die sich mit meiner Forschungsagenda überschneiden. Gleichzeitig habe ich aber trotzdem natürlich auch Aufgaben an der Universität.”

    Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehört unter anderem die Bewertung von internationalen Lieferketten. Dabei hat sie eine besondere Leidenschaft entwickelt: Die Containerschifffahrt. In ihrer Arbeit zum Panamakanal 2019 untersuchte sie mit ihrem Team das weltweite Netzwerk von Containerschiff-Routen. “Dabei wollten wir systematischer verstehen, wie die Handelsrouten aufgebaut sind, welche Länder wie miteinander vernetzt sind und wo auch die Schwachpunkte in diesem System sind.” Das Thema rückte mit der Ever Given im vergangenen Jahr auch in den Fokus der Öffentlichkeit. Als der Container-Riese im Suezkanal feststeckte, “hat man dann plötzlich bemerkt, wie viele Länder davon tatsächlich betroffen waren”, sagt die Professorin.

    Neue Herausforderung politische Kommunikation

    Die promovierte Volkswirtin arbeitet in erster Linie an Berechnungsmodellen, die vielleicht für den Außenstehenden auf den ersten Blick abstrakt wirken, aber aus denen doch konkrete Handlungsempfehlungen für die Politik abgeleitet werden können. “Wo kann man Verbesserungen machen? Also in Form von Infrastrukturprojekten, die der ganzen Welt zugutekommen. Am Beispiel Panamakanal haben wir berechnet, welche Länder von der Erweiterung des Kanals profitieren würden.”

    Die politische Beratung und die Kommentierung öffentlicher Diskurse ist auch ein Schwerpunkt des IfW Kiel. Bislang war Heiland in ihrer Karriere vor allem als Forscherin tätig. Die politische Kommunikation hält sie “neben der Forschung für die wichtigste Aufgabe” in ihrem neuen Job, erklärt sie.

    Nach ihrem Studium der Internationalen Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft in Tübingen promovierte Heiland an der Ludwig-Maximilians-Universität München und am ifo Institut. Die Promotionsstelle selbst bezeichnet sie als “wichtigen Meilenstein” in ihrer Karriere, weil sie besonders am ifo Institut frühzeitig in Fragestellungen eingebunden wurde, die von politischer Relevanz waren. So gesehen auch eine Vorbereitung auf ihre Tätigkeiten am IfW heute.

    Berechnungen zum Freihandelsabkommen mit China

    Heilands letzte Arbeit zur Volksrepublik China liegt derweil schon ein wenig zurück. Damals beschäftigte sie sich mit dem WTO-Beitritt Chinas und den möglichen Auswirkungen auf globale Lieferketten. “Und das wird jetzt natürlich wieder spannend, wenn man darüber nachdenkt, ob es vielleicht zu einer Entkoppelung der Lieferketten kommen kann.” Genau solche Berechnungen von Szenarien bilden den Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten am IfW.

    Die IfW-Wissenschaftler:innen analysieren momentan etwa, was passieren würde, wenn sich der Handel zwischen China und der Europäischen Union verdoppelt. “Das wäre ein Beispiel, bei dem die Initiative für die Forschung von uns kommt.” Eine andere Möglichkeit sei, dass Vorschläge von politischer Seite gemacht werden. Zum Beispiel die Ausgestaltung eines Freihandelsabkommen zwischen der EU und China. “Was wären etwa die Effekte auf den Handel diverser Länder oder auf die Konsummöglichkeiten und Preise, würden die Zölle zu einem bestimmten Grad gesenkt oder tarifäre Handelshemmnisse erst gar nicht eingeführt? Das können wir in unser Modell einspeisen und berechnen. Da wird es sehr konkret.” Und da wird es neben der Forschung auch schnell sehr politisch. Constantin Eckner

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    Personalien

    Didi Kirsten Tatlow hat eine neue Stelle als Senior Reporter, International Affairs, mit Schwerpunkt auf China beim Newsweek Magazin angetreten. Tatlow war zuletzt Senior Fellow des Asienprogramms bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).

    Zhang Jinghua wurde aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Dem ehemaligen stellvertretenden Parteichef von Jiangsu wird die Fälschung von Wirtschaftsdaten vorgeworfen, um seine Karriere voranzutreiben. Die Behörden machten keine näheren Angaben zu den Vorwürfen.

    Dessert

    Schlangestehen für den ersten Haarschnitt seit zwei Monaten. Bei vielen Menschen in Shanghai wird das nach dem Lockdown auf der To-do-Liste weit oben gestanden haben. Praktisch, wenn man, wie auf dem Foto, mit einigen der Nachbarn zusammen einen Gemeinschafts-Termin beim Friseur buchen kann, der dann direkt vorbeikommt.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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