Politiker überall auf der Welt setzen große Hoffnungen auf das E-Auto. Der elektrische Antrieb soll die Emissionen senken und das Klima schützen. Doch die Autoindustrie sieht sich mit der nächsten Knappheit bedroht: Nach der Chipkrise könnte bald der Batteriemangel drohen, schreibt unser Team aus Peking. Industrievertreter hoffen demnach, dieses Jahr 5,5 Millionen E-Autos auf dem chinesischen Markt zu verkaufen. Doch das Angebot an Batterien reicht nur für 4,4 Millionen Autos. Weltweit drohen bis 2030 Lücken bei der Versorgung mit E-Auto-Batterien. Eventuell müssen wir also auf das Rad oder den öffentlichen Nahverkehr umsteigen, um das Klima zu schützen!
Wie wir im Technologiebereich Know-how vor Chinas Einfluss schützen, erklärt die langjährige China-Autorin Didi Kirsten Tatlow. Im Interview mit Marcel Grzanna spricht sie darüber, auf welch unterschiedlichen Wegen die Volksrepublik technologisches Wissen aus dem Westen abzieht. Bemerkenswert: Nicht alle der 32 Methoden Chinas sind illegal. Man könne allerdings sehr gut erkennen, welche Technologien in China besonders begehrt sind. Tatlows Warnung ist jedenfalls eindeutig – und geht uns alle an: Es ist höchste Zeit, dass wir erkennen, wie sehr dadurch unsere offenen Gesellschaftsmodelle in Gefahr geraten.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Käufer von E-Autos in China müssen derzeit sehr geduldig sein. Gleich mehrere Hersteller haben ihre Kunden vertrösten müssen, weil sich die Lieferzeiten für bestellte Neuwagen länger hinziehen als versprochen war. Das chinesische E-Auto-Startup Xpeng entschuldigte sich bei Käufern zuerst im Dezember und dann wieder vor einigen Wochen, weil es nicht in der Lage war, sein neues Modell P5 zum versprochenen Zeitpunkt auszuliefern. Auch Tesla meldete Verzögerungen bei der Auslieferung von bestellten Model 3 und Model Y aus seiner Shanghaier Fabrik.
Der Grund: Neben dem weiterhin bestehenden Chipmangel werden nun auch Batterien für E-Autos immer knapper. “Der EV-Markt wuchs zuletzt in einem so rasanten Tempo, dass die Schätzungen von Zulieferern immer wieder übertroffen wurden”, fasste David Zhang, ein Autoexperte der North China University of Technology, die Lage kürzlich gegenüber der Hongkonger Zeitung South China Morning Post zusammen: “Es wird noch einige Zeit dauern, bis die großen Batteriehersteller ihre Produktionskapazität erweitert haben, um die Nachfrage zu befriedigen”, so der Forscher, der davon ausgeht, dass das vorhandene Angebot von Batterien in diesem Jahr nur ausreichen könnte, um 4,4 Millionen NEV-Fahrzeuge in China auszuliefern.
Diese Zahl stünde im krassen Gegensatz zur Prognose des chinesischen Autoverbandes CPCA, der für 2022 eigentlich mit der Auslieferung von 5,5 Millionen E-Fahrzeugen rechnet. Doch auch, wenn nun fehlende Batterien einen Strich durch die optimistische Rechnung des CPCA machen sollten. Mehr als vier Millionen verkaufte E-Autos wären noch immer ein sattes Plus im Vergleich zum Rekordjahr 2021, als in China knapp drei Millionen E-Autos verkauft wurden.
Klar ist jedoch auch: Die gewaltige Nachfrage wird erstmal nicht gedeckt werden können. Die Probleme dürften anhalten. Nicht nur in China, sondern in allen wichtigen Automärkten weltweit wird in den kommenden Jahren mit einem gewaltigen Run auf E-Autos gerechnet, die jedoch wegen fehlender Batterien wahrscheinlich nicht in ausreichend großer Zahl produziert werden können.
Zu diesem Ergebnis kam vergangenes Jahr auch eine Studie des Düsseldorfer Forschungsinstituts Center Automotive Research (CAR). Demnach könnten aufgrund des Batteriemangels zwischen 2022 und 2029 weltweit 18,7 Millionen Elektroautos weniger produziert werden, als es die Nachfrage hergeben würde. Erst 2030 könnte laut der Studie dann ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage erreicht werden. Der globale Automarkt sei in diesem Jahrzehnt durch “zwei Engpassfaktoren gekennzeichnet”, schlussfolgert Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, der das CAR-Institut leitet. Einerseits gebe es einen Mangel an Halbleitern, der sich bis Anfang 2023 auswirken werden. Im Anschluss würden die Probleme mit Batteriezellen zunehmen.
Während die akuten Schwierigkeiten in diesem Winter vor allem damit zusammenhängen, dass chinesische Batteriehersteller die Wachstumsdynamik des E-Automarktes unterschätzten und ihre Kapazitäten nicht rechtzeitig vergrößert haben, dürfte sich die Batterieknappheit in den kommenden Jahren vor allem durch einen Mangel des Schlüssel-Rohstoffes Lithium verschärfen.
Allein im vergangenen Jahr hat sich der Lithium-Preis vervierfacht und setzt seinen Anstieg derzeit unvermindert fort – auch getrieben von den Unsicherheiten um die Ukraine-Krise, die zahlreiche Rohstoffpreise in die Höhe schnellen lässt. “Steigende Preise für Nickel, Lithium und andere Materialien drohen den langfristigen Trend sinkender Kosten für Batterien zu verlangsamen und sogar vorübergehend umzukehren”, glaubt Gregory Miller, Analyst beim Branchenprognostiker Benchmark Mineral Intelligence. Miller sagt vorher, dass in diesem Jahr der Durchschnittspreis für Lithium-Ionen-Batteriezellen im Vergleich zum Vorjahr erstmals überhaupt steigen könnte. Geben die Autohersteller diese Kosten weiter, müssen Kunden künftig nicht nur länger auf ihr neues E-Auto warten, sondern wohl auch deutlich mehr dafür bezahlen.
Die drohende Lithium-Knappheit treibt derzeit auch das politische Peking um. Zeng Yuqun, Vorsitzender des größten chinesischen Batterieherstellers CATL, brachte das Thema als Abgeordneter auf die Tagesordnung der Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, die derzeit parallel zum Volkskongress in Peking in der Großen Halle des Volkes tagt.
Zeng forderte die chinesische Regierung dazu auf, Chinas Lithium-Lieferketten angesichts des Risikos von Engpässen zu stärken, da sich die Nachfrage mit der zunehmenden Einführung von Elektrofahrzeugen beschleunigt habe. China dominiert bei der Lithium-Veredelung und den industriellen Prozessen, die zur Herstellung einer Batterie notwendig sind. Woran es der jedoch fehlt, ist ein ausreichender Vorrat an eigenen Lithium-Beständen. Hier ist China vor allem auf Importe aus Ländern wie Australien, Chile und der Demokratischen Republik Kongo angewiesen. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Frau Tatlow, über 30 Jahre haben wir relativ emotionslos dabei zugeschaut, wie Technologie aus Deutschland nach China abfließt. Weshalb sollte uns das Thema jetzt mehr berühren?
China und die Welt haben sich verändert. Peking tritt heute sehr entschieden auf und hat begonnen, seine autoritären politischen Werte zu exportieren. Gemeinsam mit Russland will China die Weltordnung zu seinen Gunsten verändern. Nicht einmal der Ukraine-Krieg bingt diese Allianz ins Wanken, wie wir jetzt sehen.
Was hat das mit Technologie zu tun?
Der Export der politischen Werte findet vor allem auch über die Wirtschaft und den Cyberspace statt. China verwendet Kommunikations- und Hochtechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie oder Halbleiter in immer neuen Anwendungen und Produkten. In China tragen sie zur Perfektionierung eines totalitären Staates bei, aber diese Produkte fließen auch in unsere Mitte zurück. Wir sollten also sehr genau überlegen, wie sehr wir mit unseren Innovationen diese Entwicklung fördern wollen.
Weshalb sollten wir uns vor diesen Produkten sorgen?
Wir sollten uns im Klaren sein, dass wir Technologie aus China langfristig nicht kontrollieren können. Nehmen Sie das Beispiel Huawei. Wenn das Betriebssystem des Herstellers ein Update benötigt, kommt das aus der Volksrepublik auf das Mobiltelefon. Untersuchungen in Australien haben ergeben, dass diese Updates erhebliche Sicherheitslücken aufweisen.
Die hat Facebook auch.
Chinas Privatwirtschaft muss laut Gesetz eng mit der Partei zusammenarbeiten. Und wir haben, anders als in den USA, von außen keinerlei Chance, diesen Zusammenhängen durch Journalismus, Rechtsstaatlichkeit oder zivilgesellschaftliches Engagement auf die Spur zu kommen. Hinter all diesen chinesischen Produkten steht also ein diktatorisches System, dem wir uns, langsam aber sicher, technologisch auszuliefern drohen.
Welchen Einfluss soll das auf unsere Gesellschaft haben?
Auf vielen Ebenen. Das fängt an bei Anwendungen wie TikTok, die viele junge Menschen in Deutschland nutzen und die von Peking überwacht ist. Es gibt Studien, die zeigen, dass TikTok Inhalte nach politischen Interessen der chinesischen Regierung zensiert. Auch taugen solche Apps, um subtile und damit hocheffektive Propaganda-Botschaften unter das Volk zu bringen.
Niemand muss sich TikTok herunterladen.
Nein. Aber wenn Smart-City-Konzepte mit chinesischer Technologie in der Welt implementiert werden, dann muss es einen engen Austausch zwischen dem Anbieter und der jeweiligen Verwaltung geben. Die muss dem chinesischen Unternehmen Zugang zu ihren administrativen Prozessen gewähren. Dass wir uns dadurch verwundbar und auf Dauer von chinesischer Software sowie in der Folge auch von chinesischer Hardware abhängig machen, sollte jedem klar sein.
Wo steckt die Gefahr?
Technologie ist nicht wertefrei. Mit der Technologie aus China und unserer wachsenden Abhängigkeit davon sollen sich auch unsere Werte verändern und damit unser Verhalten. Unsere Werte haben wir aber jahrzehntelang aufgebaut. Nicht nur ideologisch. Wir haben Abermilliarden in unser Bildungssystem investiert, auch um unsere demokratische Grundordnung zu stützen.
In Ihrem Buch “China’s Quest for Foreign Technology – Beyond Espionage” haben sie 32 Methoden identifiziert, mit denen die Volksrepublik in Deutschland und anderswo Technologie absaugt. Nur zwölf Methoden klassifizieren sie dabei als legal.
Diese legalen Methoden fangen bei Forschungsvereinbarungen an und reichen bis zu Kapitaleinlagen über Investmentfirmen. Das Problem dabei ist, dass wir meistens gar nicht so genau hinschauen, wer dahinter steckt, und wir erkennen deshalb das Muster nicht. Wie kann es sein, dass eine Firma wie Nuctech, die über Verzweigungen der China National Nuclear Corporation gehört, heute einer der größten Ausrüster von Cargo- und Fahrzeug-Scannern an europäischen Häfen, Flughäfen und Nato-Grenzen in 26 EU-Mitgliedsstaaten ist? Diese Firma ist in der Lage, hochsensible persönliche, militärische oder Frachtdaten zu sammeln.
Alles legal. Bleiben 20 illegale oder halb-illegale Methoden.
Das sind Vertragsbrüche, Spionage oder auch Patentverstöße. Oder sie bewegen sich in einer Grauzone. Dazu gehört beispielsweise die Verpflichtung von Chinesen, die aus dem Ausland zurückkehren, ihr Wissen mit dem Staat zu teilen. Auch jene Chinesen, die nicht zurückgehen, werden über zahllose Vereinigungen des Parteisystems, die der Einheitsfront zuarbeiten, an ihre moralischen Verpflichtungen erinnert. Unternehmen oder Forscher dürfen die Interessen des Vaterlandes nicht vergessen.
Manche Firmen loben aber, dass ihre Patente in China inzwischen besser geschützt werden.
Das mag der Fall sein, wenn es um Design geht oder Technologien, die nichts mit den zentralen Wirtschaftssektoren zu tun haben. In anderen Bereichen sieht das anders aus. Erst vor wenigen Tagen hat die EU bei der Welthandelsorganisation Klage eingereicht, weil sie die Schlüsseltechnologien europäischer Unternehmen nicht ausreichend geschützt sieht im Land.
China droht mit hohen Geldstrafen, wenn europäische Firmen bei Verstößen gegen deren Patente in Drittländern ihr Recht suchen.
Auf diese Art und Weise werden Firmen genötigt, sich mit Lizenzgebühren abspeisen zu lassen, während sich chinesische Mitbewerber ihre Technologie zu nutzen machen. Japan wird deshalb ab 2023 die übliche Patentveröffentlichung nach 18 Monaten in bestimmten Sektoren verbieten und Ausfallzahlungen an die betroffenen japanischen Unternehmen leisten.
Chinesische Investitionen in Deutschland haben in den vergangenen Jahren nachgelassen. Das sieht nicht nach großem Appetit auf deutsche Technologie aus?
Nach dem Kuka-Verkauf 2016 ist die deutsche Politik sensibler geworden und hat die Barrieren höher gezogen. Auch die wachsende Skepsis in Deutschland mahnt China zur Zurückhaltung. Aber Investitionen sind ja auch nur ein kleiner Teil des Technologie-Abflusses. Längst streckt China verstärkt seine Hände nach unseren Talenten aus. Das sind Leute mit bester Expertise, denen viel Geld gezahlt und fast alles an Forschung ermöglicht wird, was sie sich wünschen.
Wo sollten wir die Grenze ziehen bei Investitionen und Kooperationen aus und mit China?
Eine Leitlinie bieten uns die Fünfjahrespläne der chinesischen Regierung. Alles, was dort als Schlüsseltechnologien für bestimmte Sektoren aufgelistet ist, interessiert China in Deutschland besonders. Hier gilt es, allerhöchste Vorsicht walten zu lassen.
Eine größere Abschirmung würde nicht überall in Deutschland auf Gegenliebe stoßen. Manche Forscher und Unternehmen könnten das als Angriff auf ihre eigenen Interessen verstehen.
Das liegt auch daran, dass die existierende Gefahr einfach noch nicht klar genug kommuniziert wird. Unser Verhältnis zu China war in den vergangenen 20 Jahren davon geprägt, besonders nett zu sein und auch mal wegzuschauen. Aber wenn wir so handeln, werden wir hochgradig manipulierbar. Da stellt sich auch die Frage, ob dieses Wegschauen eigentlich respektvoll ist. Denn es bedeutet ja auch, dass wir China immer noch nicht ernst genug nehmen. Das sollten wir aber, denn das dortige System ist eine gewaltige Herausforderung für unsere offenen Gesellschaften.
China war im vergangenen Jahr für gut ein Drittel der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Das geht aus neuen Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) hervor. Weltweit stiegen die Emissionen 2021 demnach auf einen Rekordwert. Nachdem die Emissionen im ersten Jahr der Corona-Pandemie gesunken waren, stiegen sie in deren zweiten Jahr umso stärker an. Obwohl die erneuerbaren Energien ihr größtes jährliches Wachstum verzeichneten, wurde mehr Kohle verbrannt als jemals zuvor. Auf den klimaschädlichen Energieträger entfielen über 40 Prozent des Gesamtwachstums der globalen CO2-Emissionen im Jahr 2021.
In China stiegen die CO2-Emissionen stärker an, als sie im Rest der Welt abnahmen. Die wirtschaftliche Erholung in der Volksrepublik infolge der Covid-Pandemie ist besonders energieintensiv. Die Stromnachfrage stieg um zehn Prozent und überstieg damit das Wirtschaftswachstum von 8,4 Prozent. Da die Nachfrage so stark wuchs, konnte der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mithalten. 56 Prozent des Anstiegs der Stromnachfrage wurde mit Kohle gedeckt. Auch für das laufende Jahr gehen Experten von einem Anstieg des Kohleverbrauchs und der CO2-Emissionen in China aus (China.Table berichtete).
Die Volksrepublik war für fast den gesamten globalen Anstieg der Emissionen des Strom- und Wärmesektors zwischen 2019 und 2021 verantwortlich. Ein geringer Rückgang in den übrigen Ländern der Welt reichte nicht aus, um den Anstieg in China auszugleichen, sodass die Emissionen aus diesem Sektor anstiegen. Im Industriesektor hat die Volksrepublik allerdings weniger Kohle verbraucht, als im Vor-Corona-Jahr 2019.
Pro Kopf verursachte China im vergangenen Jahr CO2-Emissionen in Höhe von 8,4 Tonnen. In den USA liegt der Wert bei 14 Tonnen, in der EU bei sechs Tonnen. China weist unter den großen Volkswirtschaften die höchste Emissionsintensität des BIP auf. Um 1.000 US-Dollar zu erwirtschaften, stößt China also am meisten Treibhausgas aus. Zwar ist die Emissionsintensität des chinesischen Bruttoinlandsprodukts seit dem Jahr 2000 um 40 Prozent gesunken. Durch das immense Wachstum der chinesischen Wirtschaft stiegen die absoluten Emissionen jedoch stark an. nib
Die Diplomatin Patricia Flor soll Kreisen zufolge neue deutsche Botschafterin in Peking werden. Flor ist derzeit die EU-Botschafterin in Tokio. EU-Kreise bestätigten China.Table die Personalie noch unter Vorbehalt. Zuerst hatte darüber Politico in seinem Brüssel-Newsletter berichtet, ohne genauere Quellen zu nennen. Weder das Auswärtige Amt noch der Europäische Auswärtige Dienst, dem Flor als EU-Botschafterin aktuell zugehörig ist, wollten sich zu der Neubesetzung äußern.
Die 60-Jährige ist seit Mitte 2018 Botschafterin der Europäischen Union in Japan. Sie war zuvor im Rahmen des Auswärtigen Dienstes auf verschiedenen Posten in deutschen Botschaften und Vertretungen tätig. Flor würde auf Jan Hecker folgen, der im September unerwartet verstarb (China.Table berichtete). Zwischenzeitig war für den wichtigen Botschaftsposten in Peking der ehemalige Staatssekretär Miguel Berger im Gespräch (China.Table berichtete). Berger lehnte die Stelle jedoch offenbar ab, wie es in Berliner Polit-Kreisen hieß.
Die Botschaft in Peking gehört zu den wichtigsten deutschen Auslandsvertretungen neben Washington und Paris. Nach Heckers Tod kurz vor der Bundestagswahl galt als ausgemacht, dass die alte Regierung nicht sofort einen Ersatz benennt, sondern die Nachfolge-Regierung über die Top-Personalie entscheiden lässt. Mit Flor wäre der höchste Posten in der deutschen Botschaft in Peking erstmals mit einer Frau besetzt. ari
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in China steigt rasant an. Wie die zuständigen Behörden am Montag mitteilten, wurde zu Wochenbeginn die höchste Zahl an Neuinfektionen seit rund zwei Jahren gemeldet. Demnach wurden in Festland-China mehr als 500 neue Fälle registriert. Zuvor war es Peking gelungen, durch großflächige Lockdowns von mehreren Millionenstädten, strikte Kontrollen und Massentest, die Zahl der Infektionen auf nahezu Null zu drücken. Noch immer sind Chinas Grenzen weitestgehend geschlossen. Dennoch gebe es derzeit Ausbrüche in mehr als einem Dutzend Städten, wie die Gesundheitsbehörden am Montag mitteilten.
Inzwischen ist laut Experten absehbar, dass die von Peking verordnete “Null Covid”-Strategie, die monatelang keine oder kaum Neuinfektionen zur Folge hatte, nicht mehr überall verfängt. Zudem werden zunehmend Zweifel an der Wirksamkeit der chinesischen Corona-Impfstoffe laut.
Hinzukommt die dramatische Situation in Hongkong (China.Table berichtete). Die dortigen Infektionszahlen sind in der Pekinger Statistik nicht erfasst. In der Sonderverwaltungszone gerät die Lage zunehmend außer Kontrolle: Die Infektionszahlen steigen rasant, die Krankenhäuser stehen vor dem Kollaps. Als Reaktion verhängen auch die Hongkonger Behörden immer drastischere Maßnahmen. Allerdings sind in Hongkong weniger als die Hälfte der Bevölkerung zweimal gegen das Coronavirus geimpft. rad
Die Handelsministerin der USA Gina Raimondo hat chinesische Unternehmen gewarnt, sich nicht über Sanktionen gegen Russland hinwegzusetzen. Die USA könnten den chinesischen Chiphersteller SMIC (Semiconductor Manufacturing International Corporation) oder andere Unternehmen, die weiterhin Chips oder Hightech-Produkte an Russland liefern, “im Wesentlichen stilllegen”, sagte Raimondo gegenüber der New York Times. Die Vereinigten Staaten könnten die chinesischen Unternehmen demnach von US-amerikanischer Ausrüstung und Software abschneiden, die sie für die Herstellung ihrer Produkte benötigen. Russland bezieht rund 70 Prozent seiner Chiplieferungen aus China (China.Table berichtete).
Die USA, die EU und andere westliche Staaten hatten infolge des russischen Einmarsches in die Ukraine auch Sanktionen gegen Russland erlassen, die den Tech-Sektor betreffen. Laut New York Times gelten die US-Ausfuhrkontrollen nicht nur für US-amerikanische Hersteller. Unternehmen weltweit sind davon erfasst, wenn sie US-amerikanische Software oder Technologie zur Herstellung ihrer Produkte verwenden.
Russland “wird sicherlich andere Länder umwerben, um unsere Sanktionen und Exportkontrollen zu umgehen”, sagte Raimondo demnach. Eine mögliche US-Reaktion auf chinesische Lieferungen wäre “verheerend für Chinas Fähigkeit, Chips zu produzieren“, sagte Raimondo.
Derzeit agieren chinesische Unternehmen und Banken noch recht vorsichtig und abwartend, was die westlichen Sanktionen gegen Russland betrifft. Einige Banken aus der Volksrepublik haben die Finanzierung von Rohstoffimporten aus Russland eingestellt (China.Table berichtete). Gleichzeitig verkündete Peking, dass der russisch-chinesische Handel normal weiterlaufen solle. Die westlichen Sanktionen gegen Russland lehnt China ab. nib
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, will im Mai nach China reisen. Dort wird sie auch die Region Xinjiang besuchen, wie Bachelet am Dienstag im UN-Menschenrechtsrat bekannt gab. Über die Modalitäten der Reise wurde jahrelang verhandelt.
China hält in Xinjiang Uiguren in Internierungslagern gegen deren Willen fest. Die Zahlen der festgehaltenen Menschen reichen dabei von Hunderttausenden bis mehr als eine Million. Es gibt Beweise für Zwangsarbeit, Folter, Indoktrinierung und Misshandlungen, auf die sich unter anderem auch die UN-Menschenrechtskommission und die UN-Arbeitsorganisation (ILO) in ihren Bewertungen beziehen. Die chinesische Seite spricht hingegen von “Ausbildungsstätten”.
Die Volksrepublik hat den Zugang in die Region seit Jahren drastisch einschränkt. Unabhängige Fortbewegung in Xinjiang und journalistische Recherchen sind nur geheim und unter großen Risiken einer Festnahme möglich. Bachelet soll hingegen einen freien Zugang in die Region erhalten und mit den gewünschten Gesprächspartnern aus der Zivilgesellschaft ungehindert sprechen können. Das habe China versichert, so eine Sprecherin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte.
Bachelet hat einen Bericht über die Menschenrechtslage in Xinjiang erarbeiten lassen. Die Veröffentlichung steht noch aus. In einem offenen Brief fordert Human Rights Watch gemeinsam mit 195 Menschenrechtsorganisationen die Veröffentlichung des Berichts.
Chinas Botschafter bei der UN, Zhang Jun, sagte: “Wir begrüßen den Besuch der UN-Hochkommissarin in Xinjiang im Mai dieses Jahres. China wird mit dem Hochkommissariat zusammenarbeiten, um diesen Besuch gut vorzubereiten.” Derzeit ist noch unklar, wie sehr die Position Chinas nur diplomatisches Geplänkel ist. Ein komplett freier Besuch Bachelets wäre eine Zeitenwende in der Causa Xinjiang, wird aber von Experten als höchst unwahrscheinlich eingestuft. nib
Ohnmächtig muss Europa und muss der Westen zusehen, wie Russlands Präsident Wladimir Putin den Frieden in Europa bricht und die Ukraine mit militärischer Gewalt überzieht. Krieg mitten in Europa? Wer hätte sich das hierzulande noch vor wenigen Monaten vorstellen können?
Und bevor jetzt wieder die vor allem in Deutschland verbreiteten Selbstbezichtigungen kommen, nach denen “der Westen” es mit der “Einkreisung Russlands übertrieben” habe und wir selbst schuld daran seien, dass der “russische Bär jetzt gereizt reagiert”, lohnt sich ein Blick in die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Begründung seiner als “Anerkennung” der ostukrainischen Separatistengebiete getarnte Annexion. Und es geht schon gar nicht um den angeblich notwendigen Schutz des russischen Teils der Bevölkerung in der Ost-Ukraine, die man angeblich vor dem “Genozid” und einer “faschistischen Regierung in Kiew” schützen müsse.
Es geht um etwas ganz anderes: um die Rückkehr Russlands als Großmacht, das eher an das Zarenreich anknüpft als an die frühere Sowjetunion. Anders als in der früheren Sowjetunion sollen in diesem Russland nicht verschiedene Völker vereint, sondern ein hegemonialer Anspruch einer angeblich einzigartigen russischen Zivilisation verankert werden, die aus den drei ostslawischen Völkern – der Russen, Ukrainer und Belarussen – hervorgegangen sei und die sich als grundverschieden zur “westlichen Zivilisation” versteht. Die darauf beruhende “russische Nation” kennt keine eigenständigen Staaten in der Ukraine, Weißrussland und vermutlich auch nicht im Kaukasus, Teilen Zentralasiens und vermutlich nicht einmal in Finnland. Nicht nur die Europäer werden deshalb die Rede des russischen Präsidenten mit Aufmerksamkeit und Besorgnis gehört haben. Vor allem aber soll diese “russische Nation” nach dem Willen Wladimir Putins auch wieder zur europäischen Großmacht werden, die über die Zukunft und das Schicksal Europas mindestens mitentscheiden soll. Ganz so, wie es mit dem zaristischen Russland über Jahrhunderte der Fall war.
Der russische Präsident will eine Entwicklung rückgängig machen, in der Russland seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kontinuierlich an Einfluss in Europa verloren hat und seitdem immer mehr auf die Rolle eines Energielieferanten herabgestiegen ist. Geopolitisch haben die USA seit 1945 den Westen Europas und seit 1989 ganz Europa dominiert. Russland spielte keine Rolle mehr, stattdessen hat in den letzten Jahren China seinen Einfluss in Europa ausgebaut. Russland ist global, aber eben auch in Europa der große geopolitische Verlierer. Diesen Trend will der russische Präsident stoppen und umkehren. Und da Russland weder wirtschaftlich noch politisch attraktiv ist, bleibt “nur” das Militär als Instrument, um das Land wieder als eine europäische Macht zu etablieren.
In gewisser Weise hat der russische Präsident dieses Ziel bereits erreicht, denn die USA verhandeln wieder mit ihm über das Schicksal Europas. Aus russischer Sicht ist das die Rückkehr zur Normalität: Russland hat 1945 mit den USA über die Zukunft Europas verhandelt, 1989/1990 erneut im Rahmen der deutschen Einheit und auch 1997 mit der NATO-Russland-Grundakte.
Russland will diese Entwicklung nach 1989/90 wieder rückgängig machen und sich wie zuvor Jahrhunderte lang als Großmacht in Europa positionieren. Es geht um Einfluss auf die künftige Rolle Europas im Rahmen der Neuordnung der Welt, die gerade in Gang gekommen ist. Denn die Nachkriegsordnung des II. Weltkrieges ist mit ein bisschen Verspätung zu Ende gegangen. Was wir als globale Ordnung gewohnt waren, entstand, als Staaten wie China und Indien noch Entwicklungsländer waren, die zur sogenannten “Dritten Welt” gehörten. Entschieden wurde in der “ersten Welt”: in den USA, der UdSSR und den demokratischen Industriestaaten des Westens. Mit dem Niedergang der Sowjetunion und dem Aufstieg Chinas verband sich auch – anfangs weitgehend unbemerkt – das Ende der “Pax Americana”. Die Vereinigten Staaten waren immer weniger in der Lage, sowohl führende Wirtschafts- und Technologienation zu sein, als auch die globale Ordnung aufrechtzuerhalten.
Schon lange vor Donald Trump begannen die USA, sich aus ihrer traditionellen Rolle als globale Ordnungsmacht Schritt für Schritt zurückzuziehen, um ihre Kraft auf den neuen Wettbewerb mit China konzentrieren zu können. Nicht mehr Europa und der Atlantik bilden heute das Gravitationszentrum der Welt, sondern der Indo-Pazifik. Dort lebt inzwischen die Mehrheit der Weltbevölkerung, dort wird der Großteil des weltweiten Sozialprodukts erarbeitet, und längst sind in diesem Teil der Welt auch fünf Nuklearstaaten mit der Fähigkeit zum Bau von Atomwaffen entstanden. Wir sind Zeitzeugen einer geradezu tektonischen Verschiebung der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Machtachsen der Welt.
Natürlich können und müssen wir jetzt harte Sanktionen gegen Russland ergreifen. Härter und konsequenter als alles, was wir bisher vorstellen konnten. Aber wir ahnen bereits, dass Russland diese Sanktionen bereits in die Kosten seines Krieges “eingepreist” hat: Weder der Stopp des Erdgasprojekts Nord Stream 2 noch das Einfrieren von Vermögen der russischen Oligarchen oder die Entkoppelung Russlands vom europäischen und amerikanischen Finanzmarkt werden die russische Führung zur Umkehr bewegen. Sanktionen sind für Russland eine Art “Großmachtsteuer”, die man bereit sein muss zu zahlen, wenn man geopolitisch ein Machtfaktor sein will. Und selbst wenn wir weitergehen und uns vollständig vom russischen Energiemarkt abkoppeln und Russland aus dem internationalen Zahlungsverkehr ausschließen: Nichts davon wird schnell wirken, zumal mit China ein neuer wirtschaftlicher Partner für Russland zur Verfügung steht.
Eigentlich widerspricht Russlands Invasion in der Ukraine den chinesischen Prinzipien der Nichteinmischung in anderen Staaten, aber so weit, dass sich das Land an westlichen Sanktionen beteiligen würde, wird das Reich der Mitte nicht gehen. Zu groß ist die geopolitische Rivalität Chinas mit den USA. Im Gegenteil: Aus Sicht der politischen Führung Chinas wird dieser Konflikt eine hohe Aufmerksamkeit erhalten. Insbesondere mit Blick auf Chinas Anspruch auf Taiwan wird die politische Führung in Peking genauestens studieren, ob und wie lange Europa und die USA zusammenstehen, oder ob sich möglicherweise irgendwann Risse in dieser Einigkeit beobachten lassen. China will mit Blick auf drohende US-Sanktionen aus dem aktuellen Konflikt zwischen Russland und dem Westen lernen. Zum anderen ist es aus chinesischer Sicht gut, wenn die USA Teile ihrer Kraft wieder auf Europa und auf Russland konzentrieren müssen, weil das zugleich die amerikanische Konzentration auf den Indo-Pazifik behindert. Der Konflikt mit Russland hat also durchaus globale Folgen.
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Kaher Kazem ist von General Motors zum neuen Executive Vice President von SAIC-GM ernannt worden. Das Joint-Venture in China von GM ist für die Herstellung und Vermarktung der Marken Buick, Cadillac und Chevrolet verantwortlich. Kazem, der derzeit die Position des Präsidenten und CEO von GM Korea innehat, wird ab dem 1. Juni die Top-Managementposition von SAIC-GM in Shanghai übernehmen.
Wang Jiang, 58, wird neuer Chairman des staatlichen Finanzkonglomerats China Everbright Group. Wang ist President der China Construction Bank, der nach Aktiva zweitgrößten Geschäftsbank der Welt.
Nicholas Burns, neuer US-Botschafter in Peking, hat am Sonntag dort offiziell seinen Posten angetreten. Für die kommenden drei Wochen sitzt er allerdings mit seiner Frau Libby in Quarantäne.
Politiker überall auf der Welt setzen große Hoffnungen auf das E-Auto. Der elektrische Antrieb soll die Emissionen senken und das Klima schützen. Doch die Autoindustrie sieht sich mit der nächsten Knappheit bedroht: Nach der Chipkrise könnte bald der Batteriemangel drohen, schreibt unser Team aus Peking. Industrievertreter hoffen demnach, dieses Jahr 5,5 Millionen E-Autos auf dem chinesischen Markt zu verkaufen. Doch das Angebot an Batterien reicht nur für 4,4 Millionen Autos. Weltweit drohen bis 2030 Lücken bei der Versorgung mit E-Auto-Batterien. Eventuell müssen wir also auf das Rad oder den öffentlichen Nahverkehr umsteigen, um das Klima zu schützen!
Wie wir im Technologiebereich Know-how vor Chinas Einfluss schützen, erklärt die langjährige China-Autorin Didi Kirsten Tatlow. Im Interview mit Marcel Grzanna spricht sie darüber, auf welch unterschiedlichen Wegen die Volksrepublik technologisches Wissen aus dem Westen abzieht. Bemerkenswert: Nicht alle der 32 Methoden Chinas sind illegal. Man könne allerdings sehr gut erkennen, welche Technologien in China besonders begehrt sind. Tatlows Warnung ist jedenfalls eindeutig – und geht uns alle an: Es ist höchste Zeit, dass wir erkennen, wie sehr dadurch unsere offenen Gesellschaftsmodelle in Gefahr geraten.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Käufer von E-Autos in China müssen derzeit sehr geduldig sein. Gleich mehrere Hersteller haben ihre Kunden vertrösten müssen, weil sich die Lieferzeiten für bestellte Neuwagen länger hinziehen als versprochen war. Das chinesische E-Auto-Startup Xpeng entschuldigte sich bei Käufern zuerst im Dezember und dann wieder vor einigen Wochen, weil es nicht in der Lage war, sein neues Modell P5 zum versprochenen Zeitpunkt auszuliefern. Auch Tesla meldete Verzögerungen bei der Auslieferung von bestellten Model 3 und Model Y aus seiner Shanghaier Fabrik.
Der Grund: Neben dem weiterhin bestehenden Chipmangel werden nun auch Batterien für E-Autos immer knapper. “Der EV-Markt wuchs zuletzt in einem so rasanten Tempo, dass die Schätzungen von Zulieferern immer wieder übertroffen wurden”, fasste David Zhang, ein Autoexperte der North China University of Technology, die Lage kürzlich gegenüber der Hongkonger Zeitung South China Morning Post zusammen: “Es wird noch einige Zeit dauern, bis die großen Batteriehersteller ihre Produktionskapazität erweitert haben, um die Nachfrage zu befriedigen”, so der Forscher, der davon ausgeht, dass das vorhandene Angebot von Batterien in diesem Jahr nur ausreichen könnte, um 4,4 Millionen NEV-Fahrzeuge in China auszuliefern.
Diese Zahl stünde im krassen Gegensatz zur Prognose des chinesischen Autoverbandes CPCA, der für 2022 eigentlich mit der Auslieferung von 5,5 Millionen E-Fahrzeugen rechnet. Doch auch, wenn nun fehlende Batterien einen Strich durch die optimistische Rechnung des CPCA machen sollten. Mehr als vier Millionen verkaufte E-Autos wären noch immer ein sattes Plus im Vergleich zum Rekordjahr 2021, als in China knapp drei Millionen E-Autos verkauft wurden.
Klar ist jedoch auch: Die gewaltige Nachfrage wird erstmal nicht gedeckt werden können. Die Probleme dürften anhalten. Nicht nur in China, sondern in allen wichtigen Automärkten weltweit wird in den kommenden Jahren mit einem gewaltigen Run auf E-Autos gerechnet, die jedoch wegen fehlender Batterien wahrscheinlich nicht in ausreichend großer Zahl produziert werden können.
Zu diesem Ergebnis kam vergangenes Jahr auch eine Studie des Düsseldorfer Forschungsinstituts Center Automotive Research (CAR). Demnach könnten aufgrund des Batteriemangels zwischen 2022 und 2029 weltweit 18,7 Millionen Elektroautos weniger produziert werden, als es die Nachfrage hergeben würde. Erst 2030 könnte laut der Studie dann ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage erreicht werden. Der globale Automarkt sei in diesem Jahrzehnt durch “zwei Engpassfaktoren gekennzeichnet”, schlussfolgert Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, der das CAR-Institut leitet. Einerseits gebe es einen Mangel an Halbleitern, der sich bis Anfang 2023 auswirken werden. Im Anschluss würden die Probleme mit Batteriezellen zunehmen.
Während die akuten Schwierigkeiten in diesem Winter vor allem damit zusammenhängen, dass chinesische Batteriehersteller die Wachstumsdynamik des E-Automarktes unterschätzten und ihre Kapazitäten nicht rechtzeitig vergrößert haben, dürfte sich die Batterieknappheit in den kommenden Jahren vor allem durch einen Mangel des Schlüssel-Rohstoffes Lithium verschärfen.
Allein im vergangenen Jahr hat sich der Lithium-Preis vervierfacht und setzt seinen Anstieg derzeit unvermindert fort – auch getrieben von den Unsicherheiten um die Ukraine-Krise, die zahlreiche Rohstoffpreise in die Höhe schnellen lässt. “Steigende Preise für Nickel, Lithium und andere Materialien drohen den langfristigen Trend sinkender Kosten für Batterien zu verlangsamen und sogar vorübergehend umzukehren”, glaubt Gregory Miller, Analyst beim Branchenprognostiker Benchmark Mineral Intelligence. Miller sagt vorher, dass in diesem Jahr der Durchschnittspreis für Lithium-Ionen-Batteriezellen im Vergleich zum Vorjahr erstmals überhaupt steigen könnte. Geben die Autohersteller diese Kosten weiter, müssen Kunden künftig nicht nur länger auf ihr neues E-Auto warten, sondern wohl auch deutlich mehr dafür bezahlen.
Die drohende Lithium-Knappheit treibt derzeit auch das politische Peking um. Zeng Yuqun, Vorsitzender des größten chinesischen Batterieherstellers CATL, brachte das Thema als Abgeordneter auf die Tagesordnung der Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, die derzeit parallel zum Volkskongress in Peking in der Großen Halle des Volkes tagt.
Zeng forderte die chinesische Regierung dazu auf, Chinas Lithium-Lieferketten angesichts des Risikos von Engpässen zu stärken, da sich die Nachfrage mit der zunehmenden Einführung von Elektrofahrzeugen beschleunigt habe. China dominiert bei der Lithium-Veredelung und den industriellen Prozessen, die zur Herstellung einer Batterie notwendig sind. Woran es der jedoch fehlt, ist ein ausreichender Vorrat an eigenen Lithium-Beständen. Hier ist China vor allem auf Importe aus Ländern wie Australien, Chile und der Demokratischen Republik Kongo angewiesen. Jörn Petring/Gregor Koppenburg
Frau Tatlow, über 30 Jahre haben wir relativ emotionslos dabei zugeschaut, wie Technologie aus Deutschland nach China abfließt. Weshalb sollte uns das Thema jetzt mehr berühren?
China und die Welt haben sich verändert. Peking tritt heute sehr entschieden auf und hat begonnen, seine autoritären politischen Werte zu exportieren. Gemeinsam mit Russland will China die Weltordnung zu seinen Gunsten verändern. Nicht einmal der Ukraine-Krieg bingt diese Allianz ins Wanken, wie wir jetzt sehen.
Was hat das mit Technologie zu tun?
Der Export der politischen Werte findet vor allem auch über die Wirtschaft und den Cyberspace statt. China verwendet Kommunikations- und Hochtechnologien wie Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie oder Halbleiter in immer neuen Anwendungen und Produkten. In China tragen sie zur Perfektionierung eines totalitären Staates bei, aber diese Produkte fließen auch in unsere Mitte zurück. Wir sollten also sehr genau überlegen, wie sehr wir mit unseren Innovationen diese Entwicklung fördern wollen.
Weshalb sollten wir uns vor diesen Produkten sorgen?
Wir sollten uns im Klaren sein, dass wir Technologie aus China langfristig nicht kontrollieren können. Nehmen Sie das Beispiel Huawei. Wenn das Betriebssystem des Herstellers ein Update benötigt, kommt das aus der Volksrepublik auf das Mobiltelefon. Untersuchungen in Australien haben ergeben, dass diese Updates erhebliche Sicherheitslücken aufweisen.
Die hat Facebook auch.
Chinas Privatwirtschaft muss laut Gesetz eng mit der Partei zusammenarbeiten. Und wir haben, anders als in den USA, von außen keinerlei Chance, diesen Zusammenhängen durch Journalismus, Rechtsstaatlichkeit oder zivilgesellschaftliches Engagement auf die Spur zu kommen. Hinter all diesen chinesischen Produkten steht also ein diktatorisches System, dem wir uns, langsam aber sicher, technologisch auszuliefern drohen.
Welchen Einfluss soll das auf unsere Gesellschaft haben?
Auf vielen Ebenen. Das fängt an bei Anwendungen wie TikTok, die viele junge Menschen in Deutschland nutzen und die von Peking überwacht ist. Es gibt Studien, die zeigen, dass TikTok Inhalte nach politischen Interessen der chinesischen Regierung zensiert. Auch taugen solche Apps, um subtile und damit hocheffektive Propaganda-Botschaften unter das Volk zu bringen.
Niemand muss sich TikTok herunterladen.
Nein. Aber wenn Smart-City-Konzepte mit chinesischer Technologie in der Welt implementiert werden, dann muss es einen engen Austausch zwischen dem Anbieter und der jeweiligen Verwaltung geben. Die muss dem chinesischen Unternehmen Zugang zu ihren administrativen Prozessen gewähren. Dass wir uns dadurch verwundbar und auf Dauer von chinesischer Software sowie in der Folge auch von chinesischer Hardware abhängig machen, sollte jedem klar sein.
Wo steckt die Gefahr?
Technologie ist nicht wertefrei. Mit der Technologie aus China und unserer wachsenden Abhängigkeit davon sollen sich auch unsere Werte verändern und damit unser Verhalten. Unsere Werte haben wir aber jahrzehntelang aufgebaut. Nicht nur ideologisch. Wir haben Abermilliarden in unser Bildungssystem investiert, auch um unsere demokratische Grundordnung zu stützen.
In Ihrem Buch “China’s Quest for Foreign Technology – Beyond Espionage” haben sie 32 Methoden identifiziert, mit denen die Volksrepublik in Deutschland und anderswo Technologie absaugt. Nur zwölf Methoden klassifizieren sie dabei als legal.
Diese legalen Methoden fangen bei Forschungsvereinbarungen an und reichen bis zu Kapitaleinlagen über Investmentfirmen. Das Problem dabei ist, dass wir meistens gar nicht so genau hinschauen, wer dahinter steckt, und wir erkennen deshalb das Muster nicht. Wie kann es sein, dass eine Firma wie Nuctech, die über Verzweigungen der China National Nuclear Corporation gehört, heute einer der größten Ausrüster von Cargo- und Fahrzeug-Scannern an europäischen Häfen, Flughäfen und Nato-Grenzen in 26 EU-Mitgliedsstaaten ist? Diese Firma ist in der Lage, hochsensible persönliche, militärische oder Frachtdaten zu sammeln.
Alles legal. Bleiben 20 illegale oder halb-illegale Methoden.
Das sind Vertragsbrüche, Spionage oder auch Patentverstöße. Oder sie bewegen sich in einer Grauzone. Dazu gehört beispielsweise die Verpflichtung von Chinesen, die aus dem Ausland zurückkehren, ihr Wissen mit dem Staat zu teilen. Auch jene Chinesen, die nicht zurückgehen, werden über zahllose Vereinigungen des Parteisystems, die der Einheitsfront zuarbeiten, an ihre moralischen Verpflichtungen erinnert. Unternehmen oder Forscher dürfen die Interessen des Vaterlandes nicht vergessen.
Manche Firmen loben aber, dass ihre Patente in China inzwischen besser geschützt werden.
Das mag der Fall sein, wenn es um Design geht oder Technologien, die nichts mit den zentralen Wirtschaftssektoren zu tun haben. In anderen Bereichen sieht das anders aus. Erst vor wenigen Tagen hat die EU bei der Welthandelsorganisation Klage eingereicht, weil sie die Schlüsseltechnologien europäischer Unternehmen nicht ausreichend geschützt sieht im Land.
China droht mit hohen Geldstrafen, wenn europäische Firmen bei Verstößen gegen deren Patente in Drittländern ihr Recht suchen.
Auf diese Art und Weise werden Firmen genötigt, sich mit Lizenzgebühren abspeisen zu lassen, während sich chinesische Mitbewerber ihre Technologie zu nutzen machen. Japan wird deshalb ab 2023 die übliche Patentveröffentlichung nach 18 Monaten in bestimmten Sektoren verbieten und Ausfallzahlungen an die betroffenen japanischen Unternehmen leisten.
Chinesische Investitionen in Deutschland haben in den vergangenen Jahren nachgelassen. Das sieht nicht nach großem Appetit auf deutsche Technologie aus?
Nach dem Kuka-Verkauf 2016 ist die deutsche Politik sensibler geworden und hat die Barrieren höher gezogen. Auch die wachsende Skepsis in Deutschland mahnt China zur Zurückhaltung. Aber Investitionen sind ja auch nur ein kleiner Teil des Technologie-Abflusses. Längst streckt China verstärkt seine Hände nach unseren Talenten aus. Das sind Leute mit bester Expertise, denen viel Geld gezahlt und fast alles an Forschung ermöglicht wird, was sie sich wünschen.
Wo sollten wir die Grenze ziehen bei Investitionen und Kooperationen aus und mit China?
Eine Leitlinie bieten uns die Fünfjahrespläne der chinesischen Regierung. Alles, was dort als Schlüsseltechnologien für bestimmte Sektoren aufgelistet ist, interessiert China in Deutschland besonders. Hier gilt es, allerhöchste Vorsicht walten zu lassen.
Eine größere Abschirmung würde nicht überall in Deutschland auf Gegenliebe stoßen. Manche Forscher und Unternehmen könnten das als Angriff auf ihre eigenen Interessen verstehen.
Das liegt auch daran, dass die existierende Gefahr einfach noch nicht klar genug kommuniziert wird. Unser Verhältnis zu China war in den vergangenen 20 Jahren davon geprägt, besonders nett zu sein und auch mal wegzuschauen. Aber wenn wir so handeln, werden wir hochgradig manipulierbar. Da stellt sich auch die Frage, ob dieses Wegschauen eigentlich respektvoll ist. Denn es bedeutet ja auch, dass wir China immer noch nicht ernst genug nehmen. Das sollten wir aber, denn das dortige System ist eine gewaltige Herausforderung für unsere offenen Gesellschaften.
China war im vergangenen Jahr für gut ein Drittel der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Das geht aus neuen Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) hervor. Weltweit stiegen die Emissionen 2021 demnach auf einen Rekordwert. Nachdem die Emissionen im ersten Jahr der Corona-Pandemie gesunken waren, stiegen sie in deren zweiten Jahr umso stärker an. Obwohl die erneuerbaren Energien ihr größtes jährliches Wachstum verzeichneten, wurde mehr Kohle verbrannt als jemals zuvor. Auf den klimaschädlichen Energieträger entfielen über 40 Prozent des Gesamtwachstums der globalen CO2-Emissionen im Jahr 2021.
In China stiegen die CO2-Emissionen stärker an, als sie im Rest der Welt abnahmen. Die wirtschaftliche Erholung in der Volksrepublik infolge der Covid-Pandemie ist besonders energieintensiv. Die Stromnachfrage stieg um zehn Prozent und überstieg damit das Wirtschaftswachstum von 8,4 Prozent. Da die Nachfrage so stark wuchs, konnte der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mithalten. 56 Prozent des Anstiegs der Stromnachfrage wurde mit Kohle gedeckt. Auch für das laufende Jahr gehen Experten von einem Anstieg des Kohleverbrauchs und der CO2-Emissionen in China aus (China.Table berichtete).
Die Volksrepublik war für fast den gesamten globalen Anstieg der Emissionen des Strom- und Wärmesektors zwischen 2019 und 2021 verantwortlich. Ein geringer Rückgang in den übrigen Ländern der Welt reichte nicht aus, um den Anstieg in China auszugleichen, sodass die Emissionen aus diesem Sektor anstiegen. Im Industriesektor hat die Volksrepublik allerdings weniger Kohle verbraucht, als im Vor-Corona-Jahr 2019.
Pro Kopf verursachte China im vergangenen Jahr CO2-Emissionen in Höhe von 8,4 Tonnen. In den USA liegt der Wert bei 14 Tonnen, in der EU bei sechs Tonnen. China weist unter den großen Volkswirtschaften die höchste Emissionsintensität des BIP auf. Um 1.000 US-Dollar zu erwirtschaften, stößt China also am meisten Treibhausgas aus. Zwar ist die Emissionsintensität des chinesischen Bruttoinlandsprodukts seit dem Jahr 2000 um 40 Prozent gesunken. Durch das immense Wachstum der chinesischen Wirtschaft stiegen die absoluten Emissionen jedoch stark an. nib
Die Diplomatin Patricia Flor soll Kreisen zufolge neue deutsche Botschafterin in Peking werden. Flor ist derzeit die EU-Botschafterin in Tokio. EU-Kreise bestätigten China.Table die Personalie noch unter Vorbehalt. Zuerst hatte darüber Politico in seinem Brüssel-Newsletter berichtet, ohne genauere Quellen zu nennen. Weder das Auswärtige Amt noch der Europäische Auswärtige Dienst, dem Flor als EU-Botschafterin aktuell zugehörig ist, wollten sich zu der Neubesetzung äußern.
Die 60-Jährige ist seit Mitte 2018 Botschafterin der Europäischen Union in Japan. Sie war zuvor im Rahmen des Auswärtigen Dienstes auf verschiedenen Posten in deutschen Botschaften und Vertretungen tätig. Flor würde auf Jan Hecker folgen, der im September unerwartet verstarb (China.Table berichtete). Zwischenzeitig war für den wichtigen Botschaftsposten in Peking der ehemalige Staatssekretär Miguel Berger im Gespräch (China.Table berichtete). Berger lehnte die Stelle jedoch offenbar ab, wie es in Berliner Polit-Kreisen hieß.
Die Botschaft in Peking gehört zu den wichtigsten deutschen Auslandsvertretungen neben Washington und Paris. Nach Heckers Tod kurz vor der Bundestagswahl galt als ausgemacht, dass die alte Regierung nicht sofort einen Ersatz benennt, sondern die Nachfolge-Regierung über die Top-Personalie entscheiden lässt. Mit Flor wäre der höchste Posten in der deutschen Botschaft in Peking erstmals mit einer Frau besetzt. ari
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in China steigt rasant an. Wie die zuständigen Behörden am Montag mitteilten, wurde zu Wochenbeginn die höchste Zahl an Neuinfektionen seit rund zwei Jahren gemeldet. Demnach wurden in Festland-China mehr als 500 neue Fälle registriert. Zuvor war es Peking gelungen, durch großflächige Lockdowns von mehreren Millionenstädten, strikte Kontrollen und Massentest, die Zahl der Infektionen auf nahezu Null zu drücken. Noch immer sind Chinas Grenzen weitestgehend geschlossen. Dennoch gebe es derzeit Ausbrüche in mehr als einem Dutzend Städten, wie die Gesundheitsbehörden am Montag mitteilten.
Inzwischen ist laut Experten absehbar, dass die von Peking verordnete “Null Covid”-Strategie, die monatelang keine oder kaum Neuinfektionen zur Folge hatte, nicht mehr überall verfängt. Zudem werden zunehmend Zweifel an der Wirksamkeit der chinesischen Corona-Impfstoffe laut.
Hinzukommt die dramatische Situation in Hongkong (China.Table berichtete). Die dortigen Infektionszahlen sind in der Pekinger Statistik nicht erfasst. In der Sonderverwaltungszone gerät die Lage zunehmend außer Kontrolle: Die Infektionszahlen steigen rasant, die Krankenhäuser stehen vor dem Kollaps. Als Reaktion verhängen auch die Hongkonger Behörden immer drastischere Maßnahmen. Allerdings sind in Hongkong weniger als die Hälfte der Bevölkerung zweimal gegen das Coronavirus geimpft. rad
Die Handelsministerin der USA Gina Raimondo hat chinesische Unternehmen gewarnt, sich nicht über Sanktionen gegen Russland hinwegzusetzen. Die USA könnten den chinesischen Chiphersteller SMIC (Semiconductor Manufacturing International Corporation) oder andere Unternehmen, die weiterhin Chips oder Hightech-Produkte an Russland liefern, “im Wesentlichen stilllegen”, sagte Raimondo gegenüber der New York Times. Die Vereinigten Staaten könnten die chinesischen Unternehmen demnach von US-amerikanischer Ausrüstung und Software abschneiden, die sie für die Herstellung ihrer Produkte benötigen. Russland bezieht rund 70 Prozent seiner Chiplieferungen aus China (China.Table berichtete).
Die USA, die EU und andere westliche Staaten hatten infolge des russischen Einmarsches in die Ukraine auch Sanktionen gegen Russland erlassen, die den Tech-Sektor betreffen. Laut New York Times gelten die US-Ausfuhrkontrollen nicht nur für US-amerikanische Hersteller. Unternehmen weltweit sind davon erfasst, wenn sie US-amerikanische Software oder Technologie zur Herstellung ihrer Produkte verwenden.
Russland “wird sicherlich andere Länder umwerben, um unsere Sanktionen und Exportkontrollen zu umgehen”, sagte Raimondo demnach. Eine mögliche US-Reaktion auf chinesische Lieferungen wäre “verheerend für Chinas Fähigkeit, Chips zu produzieren“, sagte Raimondo.
Derzeit agieren chinesische Unternehmen und Banken noch recht vorsichtig und abwartend, was die westlichen Sanktionen gegen Russland betrifft. Einige Banken aus der Volksrepublik haben die Finanzierung von Rohstoffimporten aus Russland eingestellt (China.Table berichtete). Gleichzeitig verkündete Peking, dass der russisch-chinesische Handel normal weiterlaufen solle. Die westlichen Sanktionen gegen Russland lehnt China ab. nib
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, will im Mai nach China reisen. Dort wird sie auch die Region Xinjiang besuchen, wie Bachelet am Dienstag im UN-Menschenrechtsrat bekannt gab. Über die Modalitäten der Reise wurde jahrelang verhandelt.
China hält in Xinjiang Uiguren in Internierungslagern gegen deren Willen fest. Die Zahlen der festgehaltenen Menschen reichen dabei von Hunderttausenden bis mehr als eine Million. Es gibt Beweise für Zwangsarbeit, Folter, Indoktrinierung und Misshandlungen, auf die sich unter anderem auch die UN-Menschenrechtskommission und die UN-Arbeitsorganisation (ILO) in ihren Bewertungen beziehen. Die chinesische Seite spricht hingegen von “Ausbildungsstätten”.
Die Volksrepublik hat den Zugang in die Region seit Jahren drastisch einschränkt. Unabhängige Fortbewegung in Xinjiang und journalistische Recherchen sind nur geheim und unter großen Risiken einer Festnahme möglich. Bachelet soll hingegen einen freien Zugang in die Region erhalten und mit den gewünschten Gesprächspartnern aus der Zivilgesellschaft ungehindert sprechen können. Das habe China versichert, so eine Sprecherin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte.
Bachelet hat einen Bericht über die Menschenrechtslage in Xinjiang erarbeiten lassen. Die Veröffentlichung steht noch aus. In einem offenen Brief fordert Human Rights Watch gemeinsam mit 195 Menschenrechtsorganisationen die Veröffentlichung des Berichts.
Chinas Botschafter bei der UN, Zhang Jun, sagte: “Wir begrüßen den Besuch der UN-Hochkommissarin in Xinjiang im Mai dieses Jahres. China wird mit dem Hochkommissariat zusammenarbeiten, um diesen Besuch gut vorzubereiten.” Derzeit ist noch unklar, wie sehr die Position Chinas nur diplomatisches Geplänkel ist. Ein komplett freier Besuch Bachelets wäre eine Zeitenwende in der Causa Xinjiang, wird aber von Experten als höchst unwahrscheinlich eingestuft. nib
Ohnmächtig muss Europa und muss der Westen zusehen, wie Russlands Präsident Wladimir Putin den Frieden in Europa bricht und die Ukraine mit militärischer Gewalt überzieht. Krieg mitten in Europa? Wer hätte sich das hierzulande noch vor wenigen Monaten vorstellen können?
Und bevor jetzt wieder die vor allem in Deutschland verbreiteten Selbstbezichtigungen kommen, nach denen “der Westen” es mit der “Einkreisung Russlands übertrieben” habe und wir selbst schuld daran seien, dass der “russische Bär jetzt gereizt reagiert”, lohnt sich ein Blick in die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Begründung seiner als “Anerkennung” der ostukrainischen Separatistengebiete getarnte Annexion. Und es geht schon gar nicht um den angeblich notwendigen Schutz des russischen Teils der Bevölkerung in der Ost-Ukraine, die man angeblich vor dem “Genozid” und einer “faschistischen Regierung in Kiew” schützen müsse.
Es geht um etwas ganz anderes: um die Rückkehr Russlands als Großmacht, das eher an das Zarenreich anknüpft als an die frühere Sowjetunion. Anders als in der früheren Sowjetunion sollen in diesem Russland nicht verschiedene Völker vereint, sondern ein hegemonialer Anspruch einer angeblich einzigartigen russischen Zivilisation verankert werden, die aus den drei ostslawischen Völkern – der Russen, Ukrainer und Belarussen – hervorgegangen sei und die sich als grundverschieden zur “westlichen Zivilisation” versteht. Die darauf beruhende “russische Nation” kennt keine eigenständigen Staaten in der Ukraine, Weißrussland und vermutlich auch nicht im Kaukasus, Teilen Zentralasiens und vermutlich nicht einmal in Finnland. Nicht nur die Europäer werden deshalb die Rede des russischen Präsidenten mit Aufmerksamkeit und Besorgnis gehört haben. Vor allem aber soll diese “russische Nation” nach dem Willen Wladimir Putins auch wieder zur europäischen Großmacht werden, die über die Zukunft und das Schicksal Europas mindestens mitentscheiden soll. Ganz so, wie es mit dem zaristischen Russland über Jahrhunderte der Fall war.
Der russische Präsident will eine Entwicklung rückgängig machen, in der Russland seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kontinuierlich an Einfluss in Europa verloren hat und seitdem immer mehr auf die Rolle eines Energielieferanten herabgestiegen ist. Geopolitisch haben die USA seit 1945 den Westen Europas und seit 1989 ganz Europa dominiert. Russland spielte keine Rolle mehr, stattdessen hat in den letzten Jahren China seinen Einfluss in Europa ausgebaut. Russland ist global, aber eben auch in Europa der große geopolitische Verlierer. Diesen Trend will der russische Präsident stoppen und umkehren. Und da Russland weder wirtschaftlich noch politisch attraktiv ist, bleibt “nur” das Militär als Instrument, um das Land wieder als eine europäische Macht zu etablieren.
In gewisser Weise hat der russische Präsident dieses Ziel bereits erreicht, denn die USA verhandeln wieder mit ihm über das Schicksal Europas. Aus russischer Sicht ist das die Rückkehr zur Normalität: Russland hat 1945 mit den USA über die Zukunft Europas verhandelt, 1989/1990 erneut im Rahmen der deutschen Einheit und auch 1997 mit der NATO-Russland-Grundakte.
Russland will diese Entwicklung nach 1989/90 wieder rückgängig machen und sich wie zuvor Jahrhunderte lang als Großmacht in Europa positionieren. Es geht um Einfluss auf die künftige Rolle Europas im Rahmen der Neuordnung der Welt, die gerade in Gang gekommen ist. Denn die Nachkriegsordnung des II. Weltkrieges ist mit ein bisschen Verspätung zu Ende gegangen. Was wir als globale Ordnung gewohnt waren, entstand, als Staaten wie China und Indien noch Entwicklungsländer waren, die zur sogenannten “Dritten Welt” gehörten. Entschieden wurde in der “ersten Welt”: in den USA, der UdSSR und den demokratischen Industriestaaten des Westens. Mit dem Niedergang der Sowjetunion und dem Aufstieg Chinas verband sich auch – anfangs weitgehend unbemerkt – das Ende der “Pax Americana”. Die Vereinigten Staaten waren immer weniger in der Lage, sowohl führende Wirtschafts- und Technologienation zu sein, als auch die globale Ordnung aufrechtzuerhalten.
Schon lange vor Donald Trump begannen die USA, sich aus ihrer traditionellen Rolle als globale Ordnungsmacht Schritt für Schritt zurückzuziehen, um ihre Kraft auf den neuen Wettbewerb mit China konzentrieren zu können. Nicht mehr Europa und der Atlantik bilden heute das Gravitationszentrum der Welt, sondern der Indo-Pazifik. Dort lebt inzwischen die Mehrheit der Weltbevölkerung, dort wird der Großteil des weltweiten Sozialprodukts erarbeitet, und längst sind in diesem Teil der Welt auch fünf Nuklearstaaten mit der Fähigkeit zum Bau von Atomwaffen entstanden. Wir sind Zeitzeugen einer geradezu tektonischen Verschiebung der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Machtachsen der Welt.
Natürlich können und müssen wir jetzt harte Sanktionen gegen Russland ergreifen. Härter und konsequenter als alles, was wir bisher vorstellen konnten. Aber wir ahnen bereits, dass Russland diese Sanktionen bereits in die Kosten seines Krieges “eingepreist” hat: Weder der Stopp des Erdgasprojekts Nord Stream 2 noch das Einfrieren von Vermögen der russischen Oligarchen oder die Entkoppelung Russlands vom europäischen und amerikanischen Finanzmarkt werden die russische Führung zur Umkehr bewegen. Sanktionen sind für Russland eine Art “Großmachtsteuer”, die man bereit sein muss zu zahlen, wenn man geopolitisch ein Machtfaktor sein will. Und selbst wenn wir weitergehen und uns vollständig vom russischen Energiemarkt abkoppeln und Russland aus dem internationalen Zahlungsverkehr ausschließen: Nichts davon wird schnell wirken, zumal mit China ein neuer wirtschaftlicher Partner für Russland zur Verfügung steht.
Eigentlich widerspricht Russlands Invasion in der Ukraine den chinesischen Prinzipien der Nichteinmischung in anderen Staaten, aber so weit, dass sich das Land an westlichen Sanktionen beteiligen würde, wird das Reich der Mitte nicht gehen. Zu groß ist die geopolitische Rivalität Chinas mit den USA. Im Gegenteil: Aus Sicht der politischen Führung Chinas wird dieser Konflikt eine hohe Aufmerksamkeit erhalten. Insbesondere mit Blick auf Chinas Anspruch auf Taiwan wird die politische Führung in Peking genauestens studieren, ob und wie lange Europa und die USA zusammenstehen, oder ob sich möglicherweise irgendwann Risse in dieser Einigkeit beobachten lassen. China will mit Blick auf drohende US-Sanktionen aus dem aktuellen Konflikt zwischen Russland und dem Westen lernen. Zum anderen ist es aus chinesischer Sicht gut, wenn die USA Teile ihrer Kraft wieder auf Europa und auf Russland konzentrieren müssen, weil das zugleich die amerikanische Konzentration auf den Indo-Pazifik behindert. Der Konflikt mit Russland hat also durchaus globale Folgen.
Den Standpunkt von Sigmar Gabriel lesen Sie hier weiter.
Kaher Kazem ist von General Motors zum neuen Executive Vice President von SAIC-GM ernannt worden. Das Joint-Venture in China von GM ist für die Herstellung und Vermarktung der Marken Buick, Cadillac und Chevrolet verantwortlich. Kazem, der derzeit die Position des Präsidenten und CEO von GM Korea innehat, wird ab dem 1. Juni die Top-Managementposition von SAIC-GM in Shanghai übernehmen.
Wang Jiang, 58, wird neuer Chairman des staatlichen Finanzkonglomerats China Everbright Group. Wang ist President der China Construction Bank, der nach Aktiva zweitgrößten Geschäftsbank der Welt.
Nicholas Burns, neuer US-Botschafter in Peking, hat am Sonntag dort offiziell seinen Posten angetreten. Für die kommenden drei Wochen sitzt er allerdings mit seiner Frau Libby in Quarantäne.