die Technologie-Konkurrenz zwischen Europa und China beschäftigt uns heute auf breiter Front. Während EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen die Wiedererschaffung einer heimischen Chip-Industrie anschiebt, zeigt China bereits die fertigen Ergebnisse einer sehr ähnlichen, eigenen Initiative. Der IT-Konzern Baidu steigt in die Fertigung von Chips mit besonders filigranen Leiterbahnen ein. Bisher beherrschen diese Technik nur Taiwan, die USA und Südkorea. Es ist sicherlich gut, dass die EU sich überhaupt mit solchen Fragen beschäftigt. Doch der Schub an Industriepolitik kommt im Wettbewerb mit China wie immer zu spät.
Das Thema Systemkonkurrenz treibt auch Alexander Graf Lambsdorff um, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der FDP. Wir haben ihn im Rahmen unserer Serie vor der Bundestagswahl zu den China-Positionen seiner Partei befragt. Der FDP-Politiker setzt auf freie Warenströme statt Abschottung: “In Zeiten von wachsendem Populismus und Nationalismus muss die Bundesregierung innerhalb Europas und der Welt protektionistischen Tendenzen entgegentreten”, fordert er.
Dennoch soll die künftige Bundesregierung nach Graf Lambsdorffs Vorstellungen freiheitliche Werte verteidigen und für Menschenrechte eintreten. Dazwischen besteht durchaus kein Widerspruch: Nur wer hart verhandelt und seinen Positionen treu bleibt, erhält einen guten Deal.
Was steht für Sie in Bezug auf die Volksrepublik im Vordergrund: Klare Worte zu Menschenrechten oder reibungsloser Handel?
Für uns als Liberale kommen Menschenrechte zuerst, wir kritisieren den zunehmend autoritären Kurses von Xi Jinping deutlich. Das ist aber kein Widerspruch dazu, dass wir verbesserten Marktzugang erreichen und die wirtschaftlichen Beziehungen zu China erfolgreich gestalten wollen. Viele Unternehmen sind auf China angewiesen, als Absatz- und Beschaffungsmarkt oder als Produktionsstandort.
Gleichzeitig ist China auf Know-how-Zufluss und Einkünfte aus dem Welthandel angewiesen. Deutschland ist es als großer Wirtschafts- und Technologienation deswegen möglich, sich beim Einsatz für die Menschenrechte vernehmbar einzubringen.
Wie stehen Sie zu Globalisierung und freien Warenströmen?
Globalisierung und freie Warenströme haben weltweit Wohlstand gemehrt und Fortschritt gebracht, auch und gerade für uns Deutsche. In Zeiten von wachsendem Populismus und Nationalismus muss die Bundesregierung innerhalb Europas und der Welt protektionistischen Tendenzen entgegentreten und bei Handelsverträgen, Investitionsabkommen und fairen Investitionsbedingungen entschlossen vorangehen. Das geht nur mit Hilfe einer funktionierenden Welthandelsorganisation (WTO).
Wichtig ist, die WTO-Streitbeilegung schnellstmöglich zu lösen, um nationale Alleingänge, Willkürzölle, Subventionen und Dumping zu vermeiden. Gleichzeitig braucht es eine neue umfassende Verhandlungsrunde, die das Ziel verfolgt, die verschiedenen Interessen zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern zu vereinen.
Denken Sie, die Weltgegenden sollten sich wirtschaftlich entkoppeln?
Nein. Wir lehnen die wachsenden Tendenzen der Abschottung und des Protektionismus ab, weil die Herausforderungen im Umgang mit dem Klimaschutz, bei der globalen Pandemiebekämpfung oder auch die Armutsbekämpfung ja gerade ein multilaterales Handeln erfordern. Als Freie Demokraten wollen wir deshalb den regelbasierten Multilateralismus stärken. Andersherum haben wir aber auch in der Corona-Pandemie gesehen, wie abhängig unsere deutschen Autobauer von China sind oder dass viele Medikamente, die wir dringend benötigen, nur noch in Asien hergestellt werden.
Deswegen sagen wir auch: Unsere Unternehmen müssen ihre Risiken diversifizieren, damit wir weniger von einzelnen Ländern abhängig sind, die bereit sind, den Handel als Waffe zu nutzen. China ist ein wichtiger Markt, aber auch Märkte wie Indien, Japan, Südkorea sind noch lange nicht ausgeschöpft. Auf der politischen Ebene muss die Bundesregierung dafür Rechnung tragen, dass wir das neue Projekt der US-Administration “Alliance of Democracies” aufgreifen, um ein weltweites, starkes Bündnis der marktwirtschaftlichen Demokratien zu bilden. Alleine können wir der aufstrebenden Großmacht China nicht auf Augenhöhe begegnen, um sowohl für unsere Werte als auch unsere Interessen einzutreten.
Wie wichtig ist die Volksrepublik generell auf Ihrer Agenda im Vergleich zu EU, USA, Russland und dem Globalen Süden?
Sehr wichtig. In meinem jüngst veröffentlichten Buch “Wenn Elefanten kämpfen”, spielt der Systemwettbewerb zwischen China und dem Westen die zentrale Rolle. Länder wie China und Russland stellen sich bewusst als Gegenmodell zur westlichen Demokratie dar – im Falle Chinas mit einem staatskapitalistischen und autoritären Parteiensystem. Daraus ergeben sich immense Herausforderungen.
Afghanistan ist das jüngste Beispiel, wo China offenbar anstrebt, das Machtvakuum, das der Westen hinterlässt zu füllen. Ganz konkret bedeutet dies, dass die Volksrepublik beispielsweise Infrastrukturprojekte wie in Afrika finanziert, die im Gegensatz zu den westlichen Hilfen weder an Kriterien wie “Good Governance” noch an die Menschen- oder Bürgerrechte geknüpft ist. Auch in Hongkong sehen wir, was mehr Einfluss der KPCh für Demokratie und Menschenrechte bedeutet.
Wie soll es mit dem derzeit auf Eis gelegten Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) Ihrer Meinung nach weitergehen?
Die Bundesregierung hat am 30.12.2020 nach jahrelangen Verhandlungen eine Einigung über das EU-China-Investitionsabkommen am vorletzten Tag der deutschen Ratspräsidentschaft erzielt. Dafür hat sie aber auf einen vorherigen Dialog mit unseren amerikanischen Partnern verzichtet, das war ein Fehler. Auch inhaltlich besteht aus Sicht der Freien Demokraten noch in hohem Maße Ergänzungsbedarf, bevor das Abkommen ratifiziert wird. So trifft es über den Investitionsschutz selbst noch keine Regelung.
Die FDP forderte zuletzt eine Nachverhandlung des Abkommens. Was soll Ihrer Meinung nach das Ziel dieser Nachverhandlungen sein?
Gegenseitiger Marktzugang und Rechtssicherheit müssen sich im Abkommen wiederfinden. Thema der Nachverhandlungen müssen aber auch Chinas ungerechtfertigte Sanktionen gegen europäische Organisationen und Personen sein.
Alexander Graf Lambsdorff ist Mitglied des Bundestags und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP.
Ein bahnbrechendes neues EU-Verbot, mehr Halbleiter aus europäischer Produktion und ein neuer Name für die Seidenstraßen-Konkurrenz: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat am Mittwoch einen Ausblick auf anstehenden Aufgaben und Projekte gegeben. Sie tat dies im Rahmen der jährlichen Rede zur Lage der Europäischen Union. Dieses Ritual heißt in Brüssel “SOTEU”, das steht kurz für “State of the European Union”.
China nannte sie bei der mehr als eine Stunde dauernden Ansprache im Europaparlament in Straßburg lediglich dreimal namentlich – die Rede war jedoch gespickt mit wichtigen Anspielungen auf die EU-China-Beziehungen. Ein Überblick:
Die SOTEU-Rede von der Leyens war in der Theorie sehr ergiebig, was Impulse für die europäische China-Politik angeht – wie immer im Fall der EU sind nun aber Zeitpläne abzuwarten. An guten Ideen und Absichten mangelt es in Brüssel bekanntlich nie, die handfesten Details zu einem großen Teil der angesprochenen Punkte stehen aber noch aus.
Chinas größter Suchmaschinendienst Baidu hat bei seiner jährlichen “Baidu World Conference” Mitte August verkündet, dass sein neuer, selbst entworfener KI-Chip namens “Kunlun-II” bereits in die Phase der Massenproduktion eingetreten ist. Der leistungsfähige Chip soll unter anderem im Bereich des autonomen Fahrens große Datenmengen verarbeiten. Die Kunlun-II-Chips seien zudem für KI-Technologien wie Stimm- und Bilderkennung optimiert. Außerdem unterstützten sie in besonderer Weise das Tiefenlernen mit künstlichen neuronalen Netzen. Baidu bietet dafür eine frei zugängliche Plattform namens PaddlePaddle an.
Baidu verdient sein Geld bislang vor allem mit Online-Werbung. Der Konzern ist jedoch auch eines der führenden Unternehmen bei der Entwicklung von KI-Anwendungen und Technik für selbstfahrende Autos. Die neue Generation von Kunlun-KI-Chips mit einer Strukturbreite von 7 Nanometern erreiche eine zwei- bis dreimal höhere Rechenleistung als die vorherige Generation, so das Unternehmen. Bislang konnte kein einziger chinesischer Hersteller Chips im 7-Nanometer-Bereich produzieren. Robin Li, Gründer, Vorsitzender und CEO von Baidu, hatte jedoch bereits im Juli 2018 auf der Baidu AI Developer Conference angekündigt, dass sein Unternehmen einen intern entwickelten KI-Chip auf den Markt bringen will.
Die 7-Nanometer-Technik befindet sich bereits in der Nähe des technisch Möglichen für den praktischen Einsatz (China.Table berichtete). Je niedriger die Strukturbreiten, desto effizienter werden die Chips. Die nächste Grenze verläuft bei 5 Nanometern. Bisher beherrschen nur Branchenführer wie der taiwanische Anbieter TSMC, Qualcomm (USA) und Samsung (Südkorea) die Massenproduktion solch fortschrittlicher Halbleiter-Elemente. Mit dem Vorstoß in den 7-Nanometer-Bereich spielt Baidu nun also ganz vorne mit.
Die Kunlun-Chips der ersten Generation gingen bereits Ende 2019 in die Massenproduktion. Laut Baidu wurden bisher mehr als 20.000 Chips der ersten Generation hergestellt und für Suchmaschinen, intelligente Assistenzsysteme und Cloud-Programme verwendet.
Im März dieses Jahres konnte Baidus Chipabteilung rund zwei Milliarden US-Dollar an Investorengeld einsammeln. Dazu wurde im Juni die Chipherstellungseinheit von Kunlun als eigenes Unternehmen ausgegliedert. Die Finanzierungsrunde wurde von der chinesischen Private-Equity-Firma CITIC Private Equity Funds Management (CPE) geleitet. Weitere Investoren waren die chinesischen Investmenthäuser IDG Capital, Legend Capital und der Industriefonds Oriza Hua.
Der Kunlun-II-Chip von Baidu ist Teil eines chinesischen und globalen Trends. Immer mehr Technologieunternehmen investieren in die Entwicklung eigener Halbleiter, darunter Konzerne wie Apple, Amazon, Facebook, BYD oder Tesla. Die selbst entworfenen Chips sollen den Anforderungen hauseigener Anwendungen und Produkte besser entsprechen als Chips “von der Stange”. Maßgeschneiderte Halbleiter können zudem zum Beispiel dazu beitragen, den Energieverbrauch innerhalb von Smartphones oder Cloud-Diensten zu senken.
Die anhaltende globale Chipknappheit ist ein weiterer Grund, warum große Technologieunternehmen sich unabhängiger von externen Dienstleistungen machen wollen. Auch die EU ist inzwischen auf die Idee gekommen, mit hohen Subventionen eigenen Hersteller heranzuzüchten. Denn schon jetzt fühlen sich die Unternehmen in ihrem Innovationstempo eingeschränkt, da sie an die Zeitpläne großer Chiphersteller wie Qualcomm, TSMC oder Nvidia gebunden sind.
Allein der Autoindustrie könnte der Mangel an Halbleitern in diesem Jahr Verluste in Höhe von über 60 Milliarden Dollar bescheren. Die Knappheit war entstanden, nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump chinesische Anbieter von der Verwendung von US-Technik ausgeschlossen hat. Die Hightech-Unternehmen des Landes haben daraufhin den Markt leergekauft, solange es noch ging. Die Konkurrenz aus anderen Ländern zog daraufhin nach. So entstand die Knappheit.
Die US-Chip-Sanktionen treffen vor allem den chinesischen Telekommunikationsriesen Huawei hart. Das Smartphone-Geschäft des einstigen Weltmarktführers ist eingebrochen. Im ersten Halbjahr ist das Geschäft um fast 50 Prozent zurückgefallen, Huawei liegt damit nur noch auf Platz 5. “Wenn China besser wird, was die Chipherstellung betrifft, werden wir auf den Smartphone-Thron zurückkehren“, sagte Huawei-Chairman Guo Ping kürzlich. Das Shenzhener Unternehmen musste sich einstweilen nach neuen Geschäftsfeldern wie dem autonomen Fahren umsehen.
Die Chip-Sanktionen könnten jedoch noch als der größte taktische Fehler von Donald Trump in die Geschichte eingehen. Trump hat dafür gesorgt, dass die Chinesen ihre Lektion schneller gelernt haben als nötig: Nie wieder wollen sie noch einmal so abhängig von den USA sein. Der Machtkampf der Nationen verlagert sich ohnehin immer stärker auf Technologie. US-Präsident Joe Biden will schließlich “die Ära großer Militäroperationen zur Umgestaltung anderer Länder beenden.”
Es hat die Branche gleichwohl überrascht, dass es nun dermaßen schnell ging mit Baidus 7-Nanometer-Chip. Er kann es durchaus mit den Produkten des US-amerikanischen Grafikkarten- und KI-Spezialisten Nvidia aufnehmen. Das große Problem auch in China ist jedoch weiterhin die eigene Chip-Herstellung mit allen Komponenten: Das ist sehr teuer und Know-how-intensiv, selbst für chinesische Tech-Riesen. Der Aufbau einer fortschrittlichen Chipfabrik wie der von TSMC in Taiwan kostet rund 10 Milliarden US-Dollar und dauert mehrere Jahre.
Während China beim Design der Chips fast auf Augenhöhe ist, hinkt das boomende Land bei den Spezialmaschinen für die Chip-Herstellung noch hinterher. So darf etwa das niederländische Hightech-Unternehmen ASML auf Druck der US-Regierung keine chinesischen Firmen mehr mit den modernsten Maschinen zur Chip-Herstellung beliefern. Denn in den Maschinen steckt Software, die in den USA entwickelt wurde. Gleichzeitig ist der chinesische Markt zu wichtig, als dass Lieferanten und Hersteller auf ihn verzichten könnten. Es handelt sich hierbei um Maschinen, wie die neuen Extrem-Ultraviolet (EUV) Lithographie-Maschinen, von denen eine bis zu 150 Millionen Euro kostet. Wenn sie verschifft wird, braucht eine Maschine 40 Container.
Nirgendwo werden heute mehr Chips verbaut als in der Volksrepublik. Deswegen machen europäische Unternehmen wie ASML Druck bei den US-Amerikanern. Peking sowieso. Doch Präsident Joe Biden hat sich bei diesem Thema bisher nicht grundsätzlich bewegt. Ein gutes Zeichen ist allerdings, dass Huawei Ende August von der US-Regierung das OK erhalten hat, US-gefertigte Chips im Wert von mehreren 100 Millionen US-Dollar fürs autonome Fahren zu erwerben.
China will nun so schnell wie möglich aufholen. Die Fortschritte bei der Forschung und Entwicklung von Halbleitern sei in den vergangenen Jahren im internationalen Vergleich “besonders beeindruckend” gewesen, schreibt der Berliner Thinktank der “Stiftung Neue Verantwortung” (SNV) in einer neuen Studie.
Chinas führender Chip-Hersteller SMIC hat demnach im vergangenen Jahr knapp 4,7 Milliarden Yuan (etwa 610 Millionen Euro) in seine Forschung und Entwicklung investiert. Das entspricht 17 Prozent des Umsatzes und damit mehr als den durchschnittlich 13 bis 14 Prozent, die in der internationalen Halbleiter-Industrie üblich sind. China sei nicht mehr “nur ein Fertigungs-Hub in der Halbleiter-Wertschöpfungskette, sondern schon jetzt tief in die Entwicklung der Chips der Zukunft verwurzelt”, erklären die Digital-Experten von SNV.
Nun müssen auch die Produktionsmaschinen her. Die Londoner Analysis Mason Group, eine der führenden Beratungsfirmen auf dem Gebiet, geht davon aus, dass China in 3 bis 4 Jahren auf eigenen Füßen stehen wird. “Sie sind schon viel näher an der Selbstversorgung als wir noch vor einigen Jahren geglaubt haben”, sagt Caroline Gabriel, Forschungsdirektorin bei Analysys Mason. “Noch dieses Jahr werden sie bei 28 Nanometern eigenständig. Im nächsten Jahr bei 14 Nanometern.”
Das seien noch nicht die besten Chips, denn die haben bekanntlich 7 Nanometer Strukturbreite, aber es sind die gröberen “Arbeitspferde” der Chipindustrie und deswegen fast ebenso wichtig. “Das Fortschrittstempo ist beeindruckend.” Europa und China sollten in diesem Bereich enger zusammenarbeiten, da die Europäer in Bezug auf die USA vor ähnlichen Problemen stünden. “Die USA wollen sie ausbremsen.”
Die Boston Consulting Group und die US Semiconductor Industry Association haben das Thema einmal durchgespielt und kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Am Ende würden die USA ihre Marktführerschaft an China verlieren, lautet ihre Zusammenfassung der Trumpschen Politik. Die Semiconductor Industry Association hat dem US-Handelsministerium sogar geraten, die Exporte nach China wieder zu erlauben. Dies sei der einzige Weg, die Marktführerschaft der USA zu halten. Die Industrie bräuchte die Profite aus China dringend, um das Tempo der Forschung und Entwicklung halten zu können. Vor den Sanktionen hat China für rund 12 Milliarden US-Dollar Chips in den USA gekauft und damit nach Branchenschätzungen rund 40.000 Arbeitsplätze erhalten.
Die politische Säuberung in Hongkong setzt sich fort. Am Dienstag verurteilte ein Gericht neun Aktivisten und frühere Politiker zu Haftstrafen bis zu zehn Monaten. Die pro-demokratischen Angeklagten wurden wegen Organisation und Teilnahme an einer Mahnwache für die Opfer des 4. Juni 1989 bestraft. Die Veranstaltung im vergangenen Jahr hatte trotz polizeilichem Verbot im Victoria Park in Hongkong stattgefunden. Die Behörden hatten die Gedenkfeier offiziell wegen der Corona-Pandemie untersagt.
Zu den Verurteilten zählten abermals frühere Parlamentarier wie Albert Ho und “Long Hair” Leung Kwok-hung, die bereits eine Haftstrafe wegen ähnlicher Vergehen verbüßen, sowie Führungsfiguren von pro-demokratischen Organisationen wie der Hong Kong Alliance in Support of Patriotic Democratic Movements of China oder der inzwischen aufgelösten Civil Human Rights Front.
Die Mahnwache im Victoria Park wurde seit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor 32 Jahren an jedem 4. Juni ausgerichtet, bevor sie 2020 erstmals verboten wurde. Die Organisatoren warfen den Behörden vor, sie hätten die Sorge um Corona nur vorgeschoben. Stattdessen sei es darum gegangen, eine Versammlung der demokratischen Opposition der Stadt zu verhindern.
Im Jahr 2019 war es zu monatelangen Protesten gegen den wachsenden Einfluss der Volksrepublik China in Hongkong gekommen, woraufhin die Behörden die Bürgerrechte in der Stadt kontinuierlich aushöhlten. Mit Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes im Sommer vergangenen Jahres verschaffte die Kommunistische Partei den lokalen Behörden ein Mittel zur nahezu willkürlichen Bestrafung von politischem Dissens. grz
Die Fregatte “Bayern” wird den Hafen von Shanghai wegen Widerstands aus Peking nicht anlaufen. “China hat nach einer gewissen Bedenkzeit entschieden, dass es keinen Hafenbesuch der deutschen Fregatte wünscht und das haben wir zur Kenntnis genommen”, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in Berlin laut der Deutschen Presse-Agentur. Chinas Außenministerium hatte zuvor bereits mehr Informationen über die Absichten der Fregatte im Südchinesischen Meer angefordert, bevor die ausstehende Erlaubnis für einen Hafenbesuch in Shanghai ausgesprochen werden sollte (China.Table berichtete).
Die Fregatte war am 2. August von Wilhelmshaven aus in den Indo-Pazifik aufgebrochen. Die Bundesregierung hatte bereits im April angekündigt, das sicherheitspolitische Engagement in Asien zu verstärken und sich dazu vor allem mit Japan enger abzustimmen. Allerdings sollten die vom Verteidigungsministerium erklärten Ziele – “eine regelbasierte Ordnung, freie Seewege, Multilateralismus” – mit einer freundlichen Geste in Richtung China verknüpft werden. Die freundliche Geste sollte der Hafenbesuch sein.
Im Südchinesischen Meer gibt es einen Gebietskonflikt zwischen China und anderen Anrainerstaaten. Berlin hatte zuvor angekündigt, die Fregatte werde sich bei der Durchfahrt durch das Südchinesische Meer an internationale Handelsrouten halten (China.Table berichtete). Die Marine rechne sowohl mit Begleitung durch chinesische Schiffe als auch mit Überflügen durch die chinesische Luftwaffe, nicht aber mit einer Konfrontation, hieß aus dem Bundesverteidigungsministerium zu Beginn der Fahrt. ari
Geely will die Marke Volvo in den kommenden Wochen in Stockholm an die Börse bringen, wie Reuters von drei nicht näher benannten Quellen erfahren hat. Die Geely Holding steht demnach in “fortgeschrittenen Gesprächen” mit Banken, die den Börsengang durchführen sollen. Den Quellen zufolge wird eine Bewertung von knapp 17 Milliarden Euro angestrebt. Der Automobilanalyst der NordLB, Frank Schwope, hält eine Bewertung von 8,5 bis 12,5 Milliarden Euro für realistischer, sagte er Reuters. Der Börsengang wäre einer der größten des Jahres in Europa.
Geely wollte den schwedischen Automobilhersteller laut Reuters schon 2018 an die Börse bringen, legte die Pläne jedoch aufgrund von Handelsspannungen und einem Abschwung bei Automobilaktien auf Eis. Volvo befindet sich seit 2010 im Besitz von Geely. nib
Das Eingreifen der Behörden in den Glücksspielmarkt in Macau hat zu einem Sturz der Aktienkurse von Casino-Betreibern geführt. Sie verloren am Mittwoch bis zu einem Drittel ihres Wertes, berichtete Reuters. Laut Financial Times belief sich der Verlust auf 18,4 Milliarden US-Dollar. Die Aktien von Sands China brachen 32,5 Prozent ein, Wynn Macau fiel 29 Prozent und MGM China verlor am Mittwoch in Hongkong fast 27 Prozent.
Hintergrund des Preissturzes ist eine 45-tägige öffentliche Konsultation zur Überarbeitung des Glücksspielgesetzes in Macau. Diese wird voraussichtlich die Kontrolle über die Betreiber im größten Glücksspielzentrum der Welt verschärfen. Die 20 Jahre geltenden Konzessionen der Casino-Gruppen für den Betrieb der Spielstätten in Macau laufen im kommenden Jahr aus.
Peking plant einem Gesetzesentwurf zufolge, eigenen Vertreter in die Aufsichtsräte von Casinos zu entsenden, wie FT berichtete. Demnach wird erwartet, dass das Gesetz auch die Anzahl und Dauer der Konzessionen für Casino-Betreiber neu regelt, was den Behörden erheblichen Einfluss auf den größten Arbeitgeber des chinesischen Territoriums geben wird.
Die Branche ist bereits von der Corona-Pandemie stark gebeutelt: Laut von der offiziellen Aufsichtsbehörde veröffentlichten Zahlen sind die Bruttoeinnahmen aus Glücksspielen um etwa 80 Prozent gegenüber dem Niveau vor der Pandemie gesunken, weil Touristen vom Festland ausbleiben. ari
Xu Jiayin 许家印 (62) könnte noch in diesem Jahr als einer der größten Pleitiers in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Sein Immobilienkonglomerat Evergrande ist von Zahlungsunfähigkeit bedroht (China.Table berichtete). Dabei galt Xu noch vor einem Jahr als einer der erfolgreichsten Entrepreneure Chinas. Staatsmedien lobten ihn als einen der großzügigsten Wohltäter des Landes. Er war zudem als Sponsor des FC Guangzhou über Wirtschaftskreise hinaus bekannt. Der Fußballverein gehörte bis 2019 zu den regelmäßigen Gewinnern der chinesischen Meisterschaft. Xu galt als “Modellfall für den chinesischen Traum”, als “Vorzeigebeispiel für die Verwirklichung des Traums vom Reichtum”.
Mit dem Lob und den Ehrungen ist es nun vorbei. Unter Xus Führung hat Evergrande so viel Schulden angehäuft, dass die Chancen auf vollständige Rückzahlung auf Null gesunken sind. Derzeit stehen Verbindlichkeiten in Höhe von rund 300 Milliarden Euro aus. Rund 75 Milliarden davon sind Bankkredite und Anleihen. Ein anderer Teil besteht aus offenen Rechnungen, beispielsweise bei Baufirmen und Handwerkern. Durch Notverkäufe von Immobilien aus dem Besitz des Unternehmens hat Xu zwar den Schuldenstand gedrückt. Er hat damit aber auch die Einnahmebasis geschmälert, die Voraussetzung für die Vergabe der Darlehen war. Am Mittwoch folgte eine formale Warnung der Behörden gegenüber den Banken: Schon kommende Woche drohen weitere Zahlungsausfälle. Der Traum vom Reichtum ist vorerst ausgeträumt.
Xu kommt aus kleinen Verhältnissen. Er wurde 1958 in einem Dorf in der Provinz Henan geboren. Nach der Schule arbeitete er erst in der Zementherstellung. Im Alter von 24 Jahren wurde er Techniker in einem Stahlwerk. Mit 38 gründete er die Immobilienfirma Evergrande. Er kaufte zunächst günstige Immobilien in kleineren Städten, die im Zuge der chinesischen Entwicklung enorm im Wert stiegen. Xu hat die wertvolleren Objekte stets gehalten und sie als Sicherheiten für neue Kredite genutzt. Mit dem so aufgenommenen Geld ist Xu jeweils in die nächste Runde von Zukäufen eingestiegen. Mit Gewinn und Umsatz von Evergrande schien es immer nur aufwärtszugehen. Evergrande wurde zur größten Immobilienfirma des Landes.
Bis zum vergangenen Sommer hat Xu die Bälle immer geschickt in der Luft halten können. Das Geschäftsmodell beruhte aber auf der Annahme, dass die Preise am Immobilienmarkt immer nur nach oben gehen und dass China immer gleichmäßig wächst. Dann kam Corona. Es zeigte sich, dass das System Xu nicht krisenfest war. Die Schocks durch die Pandemie versetzten das Konglomerat in eine Abwärtsspirale, wo vorher eine Aufwärtsspirale war. Investoren zogen Geld ab, was Zahlungsprobleme schuf. Das verstärkte wieder das Misstrauen. Selbst als die Corona-Folgen einigermaßen überwunden waren, konnte Xu sich nicht aus der Abwärtsbewegung befreien. Er hatte einfach zu hoch gepokert.
Seine Geschäftspraktiken tragen nun zum Zorn der Anleger bei. Evergrande verlangte hohe Anzahlungen und hohe Kautionen. Zu den verärgerten Investoren gehören daher nicht nur Banken und Börsenspekulanten. Sondern auch normale Hauskäufer, die Evergrande bereits Geld überwiesen haben, bevor auch nur die ersten Bagger für den Bau des Wohnkomplexes anrückten. Zuweilen dauerte es Jahre, bis angezahlte Einheiten fertig wurden. Diese Vorauszahlungen sind für eine Finanzfirma in guten Zeiten enorm wertvoll: Es handelt sich um Geld, mit dem sie erst einmal arbeiten kann. Jetzt ist der Kapitalstrom jedoch abrupt versiegt.
Es half nichts, dass Xu auf dem Höhepunkt seines Erfolgs noch in zahlreiche andere Branchen investiert hat. Neben dem Fußballklub waren das beispielsweise auch Elektroautos. Das führte noch im vergangenen Jahr zu Meldungen wie: “Der Immobilienentwickler Evergrande hat sechs elektrisch angetriebene Automodelle vorgestellt.” Die Marke Hengchi sollte – natürlich – nicht weniger, als Tesla vom Thron stoßen. Xu Jiayin wollte sich direkt mit Elon Musk messen. Wäre alles nach Plan gegangen, dann liefe heute bereits die Massenproduktion. Stattdessen hat Evergrande in dem neuen Geschäftsfeld bisher nur viele Milliarden Euro verbrannt. Auch ein Engagement in der Gesundheitsbranche und Investitionen in Vergnügungsparks waren bisher nicht profitabel. In seinem Größenwahn hat Xu sich verzettelt.
Die Berichte aus jener Zeit listen dabei die exzellenten Kontakte des Arbeitersohns Xu zur politischen Führung als Erfolgsfaktor. Das ist im Prinzip eine richtige Beobachtung. Milliardär Xu ist – natürlich – KP-Mitglied und saß auch als Delegierter in der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes. Doch wer hoch steigt, den lässt auch die Partei tief fallen. Das zeigen die Beispiele zahlreicher anderer Ex-Milliardäre, die heute im Gefängnis sitzen. Wenn etwas übel schiefgeht, dann müssen sie als Sündenböcke herhalten. Finn Mayer-Kuckuk
Sebastian Heim ist jetzt bei BMW in München für die China-Strategie des Konzerns verantwortlich. Er besitzt internationale Erfahrung unter anderem als Lieferkettenplaner für BMW in Südafrika.
Valerie Jeblick hat China verlassen, wo sie für Volkswagen im Component Business mit Schwerpunkt auf Elektroantriebe und Batterien gearbeitet hat. Sie arbeitet jetzt in Salzgitter für den Konzern im Bereich Global Footprint von Batteriezellen.
Norbert Wintzen ist ebenfalls aus China zurückgekehrt. Er war dort CEO von Mercedes-Benz Parts Manufacturing Services in Shanghai. Jetzt ist er in Stuttgart Head of Sales & Engineering Remanufacturing.
Tänzchen mit den flauschigen “Artgenossen”: Der Panda-Roboter Youyou zeigt seine Beweglichkeit neben überlebensgroßen Plüschbären. Youyou wurde von der Firma Youbixuan aus Hangzhou entwickelt und bei der World Robot Conference in Peking vorgestellt.
die Technologie-Konkurrenz zwischen Europa und China beschäftigt uns heute auf breiter Front. Während EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen die Wiedererschaffung einer heimischen Chip-Industrie anschiebt, zeigt China bereits die fertigen Ergebnisse einer sehr ähnlichen, eigenen Initiative. Der IT-Konzern Baidu steigt in die Fertigung von Chips mit besonders filigranen Leiterbahnen ein. Bisher beherrschen diese Technik nur Taiwan, die USA und Südkorea. Es ist sicherlich gut, dass die EU sich überhaupt mit solchen Fragen beschäftigt. Doch der Schub an Industriepolitik kommt im Wettbewerb mit China wie immer zu spät.
Das Thema Systemkonkurrenz treibt auch Alexander Graf Lambsdorff um, den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der FDP. Wir haben ihn im Rahmen unserer Serie vor der Bundestagswahl zu den China-Positionen seiner Partei befragt. Der FDP-Politiker setzt auf freie Warenströme statt Abschottung: “In Zeiten von wachsendem Populismus und Nationalismus muss die Bundesregierung innerhalb Europas und der Welt protektionistischen Tendenzen entgegentreten”, fordert er.
Dennoch soll die künftige Bundesregierung nach Graf Lambsdorffs Vorstellungen freiheitliche Werte verteidigen und für Menschenrechte eintreten. Dazwischen besteht durchaus kein Widerspruch: Nur wer hart verhandelt und seinen Positionen treu bleibt, erhält einen guten Deal.
Was steht für Sie in Bezug auf die Volksrepublik im Vordergrund: Klare Worte zu Menschenrechten oder reibungsloser Handel?
Für uns als Liberale kommen Menschenrechte zuerst, wir kritisieren den zunehmend autoritären Kurses von Xi Jinping deutlich. Das ist aber kein Widerspruch dazu, dass wir verbesserten Marktzugang erreichen und die wirtschaftlichen Beziehungen zu China erfolgreich gestalten wollen. Viele Unternehmen sind auf China angewiesen, als Absatz- und Beschaffungsmarkt oder als Produktionsstandort.
Gleichzeitig ist China auf Know-how-Zufluss und Einkünfte aus dem Welthandel angewiesen. Deutschland ist es als großer Wirtschafts- und Technologienation deswegen möglich, sich beim Einsatz für die Menschenrechte vernehmbar einzubringen.
Wie stehen Sie zu Globalisierung und freien Warenströmen?
Globalisierung und freie Warenströme haben weltweit Wohlstand gemehrt und Fortschritt gebracht, auch und gerade für uns Deutsche. In Zeiten von wachsendem Populismus und Nationalismus muss die Bundesregierung innerhalb Europas und der Welt protektionistischen Tendenzen entgegentreten und bei Handelsverträgen, Investitionsabkommen und fairen Investitionsbedingungen entschlossen vorangehen. Das geht nur mit Hilfe einer funktionierenden Welthandelsorganisation (WTO).
Wichtig ist, die WTO-Streitbeilegung schnellstmöglich zu lösen, um nationale Alleingänge, Willkürzölle, Subventionen und Dumping zu vermeiden. Gleichzeitig braucht es eine neue umfassende Verhandlungsrunde, die das Ziel verfolgt, die verschiedenen Interessen zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern zu vereinen.
Denken Sie, die Weltgegenden sollten sich wirtschaftlich entkoppeln?
Nein. Wir lehnen die wachsenden Tendenzen der Abschottung und des Protektionismus ab, weil die Herausforderungen im Umgang mit dem Klimaschutz, bei der globalen Pandemiebekämpfung oder auch die Armutsbekämpfung ja gerade ein multilaterales Handeln erfordern. Als Freie Demokraten wollen wir deshalb den regelbasierten Multilateralismus stärken. Andersherum haben wir aber auch in der Corona-Pandemie gesehen, wie abhängig unsere deutschen Autobauer von China sind oder dass viele Medikamente, die wir dringend benötigen, nur noch in Asien hergestellt werden.
Deswegen sagen wir auch: Unsere Unternehmen müssen ihre Risiken diversifizieren, damit wir weniger von einzelnen Ländern abhängig sind, die bereit sind, den Handel als Waffe zu nutzen. China ist ein wichtiger Markt, aber auch Märkte wie Indien, Japan, Südkorea sind noch lange nicht ausgeschöpft. Auf der politischen Ebene muss die Bundesregierung dafür Rechnung tragen, dass wir das neue Projekt der US-Administration “Alliance of Democracies” aufgreifen, um ein weltweites, starkes Bündnis der marktwirtschaftlichen Demokratien zu bilden. Alleine können wir der aufstrebenden Großmacht China nicht auf Augenhöhe begegnen, um sowohl für unsere Werte als auch unsere Interessen einzutreten.
Wie wichtig ist die Volksrepublik generell auf Ihrer Agenda im Vergleich zu EU, USA, Russland und dem Globalen Süden?
Sehr wichtig. In meinem jüngst veröffentlichten Buch “Wenn Elefanten kämpfen”, spielt der Systemwettbewerb zwischen China und dem Westen die zentrale Rolle. Länder wie China und Russland stellen sich bewusst als Gegenmodell zur westlichen Demokratie dar – im Falle Chinas mit einem staatskapitalistischen und autoritären Parteiensystem. Daraus ergeben sich immense Herausforderungen.
Afghanistan ist das jüngste Beispiel, wo China offenbar anstrebt, das Machtvakuum, das der Westen hinterlässt zu füllen. Ganz konkret bedeutet dies, dass die Volksrepublik beispielsweise Infrastrukturprojekte wie in Afrika finanziert, die im Gegensatz zu den westlichen Hilfen weder an Kriterien wie “Good Governance” noch an die Menschen- oder Bürgerrechte geknüpft ist. Auch in Hongkong sehen wir, was mehr Einfluss der KPCh für Demokratie und Menschenrechte bedeutet.
Wie soll es mit dem derzeit auf Eis gelegten Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) Ihrer Meinung nach weitergehen?
Die Bundesregierung hat am 30.12.2020 nach jahrelangen Verhandlungen eine Einigung über das EU-China-Investitionsabkommen am vorletzten Tag der deutschen Ratspräsidentschaft erzielt. Dafür hat sie aber auf einen vorherigen Dialog mit unseren amerikanischen Partnern verzichtet, das war ein Fehler. Auch inhaltlich besteht aus Sicht der Freien Demokraten noch in hohem Maße Ergänzungsbedarf, bevor das Abkommen ratifiziert wird. So trifft es über den Investitionsschutz selbst noch keine Regelung.
Die FDP forderte zuletzt eine Nachverhandlung des Abkommens. Was soll Ihrer Meinung nach das Ziel dieser Nachverhandlungen sein?
Gegenseitiger Marktzugang und Rechtssicherheit müssen sich im Abkommen wiederfinden. Thema der Nachverhandlungen müssen aber auch Chinas ungerechtfertigte Sanktionen gegen europäische Organisationen und Personen sein.
Alexander Graf Lambsdorff ist Mitglied des Bundestags und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP.
Ein bahnbrechendes neues EU-Verbot, mehr Halbleiter aus europäischer Produktion und ein neuer Name für die Seidenstraßen-Konkurrenz: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat am Mittwoch einen Ausblick auf anstehenden Aufgaben und Projekte gegeben. Sie tat dies im Rahmen der jährlichen Rede zur Lage der Europäischen Union. Dieses Ritual heißt in Brüssel “SOTEU”, das steht kurz für “State of the European Union”.
China nannte sie bei der mehr als eine Stunde dauernden Ansprache im Europaparlament in Straßburg lediglich dreimal namentlich – die Rede war jedoch gespickt mit wichtigen Anspielungen auf die EU-China-Beziehungen. Ein Überblick:
Die SOTEU-Rede von der Leyens war in der Theorie sehr ergiebig, was Impulse für die europäische China-Politik angeht – wie immer im Fall der EU sind nun aber Zeitpläne abzuwarten. An guten Ideen und Absichten mangelt es in Brüssel bekanntlich nie, die handfesten Details zu einem großen Teil der angesprochenen Punkte stehen aber noch aus.
Chinas größter Suchmaschinendienst Baidu hat bei seiner jährlichen “Baidu World Conference” Mitte August verkündet, dass sein neuer, selbst entworfener KI-Chip namens “Kunlun-II” bereits in die Phase der Massenproduktion eingetreten ist. Der leistungsfähige Chip soll unter anderem im Bereich des autonomen Fahrens große Datenmengen verarbeiten. Die Kunlun-II-Chips seien zudem für KI-Technologien wie Stimm- und Bilderkennung optimiert. Außerdem unterstützten sie in besonderer Weise das Tiefenlernen mit künstlichen neuronalen Netzen. Baidu bietet dafür eine frei zugängliche Plattform namens PaddlePaddle an.
Baidu verdient sein Geld bislang vor allem mit Online-Werbung. Der Konzern ist jedoch auch eines der führenden Unternehmen bei der Entwicklung von KI-Anwendungen und Technik für selbstfahrende Autos. Die neue Generation von Kunlun-KI-Chips mit einer Strukturbreite von 7 Nanometern erreiche eine zwei- bis dreimal höhere Rechenleistung als die vorherige Generation, so das Unternehmen. Bislang konnte kein einziger chinesischer Hersteller Chips im 7-Nanometer-Bereich produzieren. Robin Li, Gründer, Vorsitzender und CEO von Baidu, hatte jedoch bereits im Juli 2018 auf der Baidu AI Developer Conference angekündigt, dass sein Unternehmen einen intern entwickelten KI-Chip auf den Markt bringen will.
Die 7-Nanometer-Technik befindet sich bereits in der Nähe des technisch Möglichen für den praktischen Einsatz (China.Table berichtete). Je niedriger die Strukturbreiten, desto effizienter werden die Chips. Die nächste Grenze verläuft bei 5 Nanometern. Bisher beherrschen nur Branchenführer wie der taiwanische Anbieter TSMC, Qualcomm (USA) und Samsung (Südkorea) die Massenproduktion solch fortschrittlicher Halbleiter-Elemente. Mit dem Vorstoß in den 7-Nanometer-Bereich spielt Baidu nun also ganz vorne mit.
Die Kunlun-Chips der ersten Generation gingen bereits Ende 2019 in die Massenproduktion. Laut Baidu wurden bisher mehr als 20.000 Chips der ersten Generation hergestellt und für Suchmaschinen, intelligente Assistenzsysteme und Cloud-Programme verwendet.
Im März dieses Jahres konnte Baidus Chipabteilung rund zwei Milliarden US-Dollar an Investorengeld einsammeln. Dazu wurde im Juni die Chipherstellungseinheit von Kunlun als eigenes Unternehmen ausgegliedert. Die Finanzierungsrunde wurde von der chinesischen Private-Equity-Firma CITIC Private Equity Funds Management (CPE) geleitet. Weitere Investoren waren die chinesischen Investmenthäuser IDG Capital, Legend Capital und der Industriefonds Oriza Hua.
Der Kunlun-II-Chip von Baidu ist Teil eines chinesischen und globalen Trends. Immer mehr Technologieunternehmen investieren in die Entwicklung eigener Halbleiter, darunter Konzerne wie Apple, Amazon, Facebook, BYD oder Tesla. Die selbst entworfenen Chips sollen den Anforderungen hauseigener Anwendungen und Produkte besser entsprechen als Chips “von der Stange”. Maßgeschneiderte Halbleiter können zudem zum Beispiel dazu beitragen, den Energieverbrauch innerhalb von Smartphones oder Cloud-Diensten zu senken.
Die anhaltende globale Chipknappheit ist ein weiterer Grund, warum große Technologieunternehmen sich unabhängiger von externen Dienstleistungen machen wollen. Auch die EU ist inzwischen auf die Idee gekommen, mit hohen Subventionen eigenen Hersteller heranzuzüchten. Denn schon jetzt fühlen sich die Unternehmen in ihrem Innovationstempo eingeschränkt, da sie an die Zeitpläne großer Chiphersteller wie Qualcomm, TSMC oder Nvidia gebunden sind.
Allein der Autoindustrie könnte der Mangel an Halbleitern in diesem Jahr Verluste in Höhe von über 60 Milliarden Dollar bescheren. Die Knappheit war entstanden, nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump chinesische Anbieter von der Verwendung von US-Technik ausgeschlossen hat. Die Hightech-Unternehmen des Landes haben daraufhin den Markt leergekauft, solange es noch ging. Die Konkurrenz aus anderen Ländern zog daraufhin nach. So entstand die Knappheit.
Die US-Chip-Sanktionen treffen vor allem den chinesischen Telekommunikationsriesen Huawei hart. Das Smartphone-Geschäft des einstigen Weltmarktführers ist eingebrochen. Im ersten Halbjahr ist das Geschäft um fast 50 Prozent zurückgefallen, Huawei liegt damit nur noch auf Platz 5. “Wenn China besser wird, was die Chipherstellung betrifft, werden wir auf den Smartphone-Thron zurückkehren“, sagte Huawei-Chairman Guo Ping kürzlich. Das Shenzhener Unternehmen musste sich einstweilen nach neuen Geschäftsfeldern wie dem autonomen Fahren umsehen.
Die Chip-Sanktionen könnten jedoch noch als der größte taktische Fehler von Donald Trump in die Geschichte eingehen. Trump hat dafür gesorgt, dass die Chinesen ihre Lektion schneller gelernt haben als nötig: Nie wieder wollen sie noch einmal so abhängig von den USA sein. Der Machtkampf der Nationen verlagert sich ohnehin immer stärker auf Technologie. US-Präsident Joe Biden will schließlich “die Ära großer Militäroperationen zur Umgestaltung anderer Länder beenden.”
Es hat die Branche gleichwohl überrascht, dass es nun dermaßen schnell ging mit Baidus 7-Nanometer-Chip. Er kann es durchaus mit den Produkten des US-amerikanischen Grafikkarten- und KI-Spezialisten Nvidia aufnehmen. Das große Problem auch in China ist jedoch weiterhin die eigene Chip-Herstellung mit allen Komponenten: Das ist sehr teuer und Know-how-intensiv, selbst für chinesische Tech-Riesen. Der Aufbau einer fortschrittlichen Chipfabrik wie der von TSMC in Taiwan kostet rund 10 Milliarden US-Dollar und dauert mehrere Jahre.
Während China beim Design der Chips fast auf Augenhöhe ist, hinkt das boomende Land bei den Spezialmaschinen für die Chip-Herstellung noch hinterher. So darf etwa das niederländische Hightech-Unternehmen ASML auf Druck der US-Regierung keine chinesischen Firmen mehr mit den modernsten Maschinen zur Chip-Herstellung beliefern. Denn in den Maschinen steckt Software, die in den USA entwickelt wurde. Gleichzeitig ist der chinesische Markt zu wichtig, als dass Lieferanten und Hersteller auf ihn verzichten könnten. Es handelt sich hierbei um Maschinen, wie die neuen Extrem-Ultraviolet (EUV) Lithographie-Maschinen, von denen eine bis zu 150 Millionen Euro kostet. Wenn sie verschifft wird, braucht eine Maschine 40 Container.
Nirgendwo werden heute mehr Chips verbaut als in der Volksrepublik. Deswegen machen europäische Unternehmen wie ASML Druck bei den US-Amerikanern. Peking sowieso. Doch Präsident Joe Biden hat sich bei diesem Thema bisher nicht grundsätzlich bewegt. Ein gutes Zeichen ist allerdings, dass Huawei Ende August von der US-Regierung das OK erhalten hat, US-gefertigte Chips im Wert von mehreren 100 Millionen US-Dollar fürs autonome Fahren zu erwerben.
China will nun so schnell wie möglich aufholen. Die Fortschritte bei der Forschung und Entwicklung von Halbleitern sei in den vergangenen Jahren im internationalen Vergleich “besonders beeindruckend” gewesen, schreibt der Berliner Thinktank der “Stiftung Neue Verantwortung” (SNV) in einer neuen Studie.
Chinas führender Chip-Hersteller SMIC hat demnach im vergangenen Jahr knapp 4,7 Milliarden Yuan (etwa 610 Millionen Euro) in seine Forschung und Entwicklung investiert. Das entspricht 17 Prozent des Umsatzes und damit mehr als den durchschnittlich 13 bis 14 Prozent, die in der internationalen Halbleiter-Industrie üblich sind. China sei nicht mehr “nur ein Fertigungs-Hub in der Halbleiter-Wertschöpfungskette, sondern schon jetzt tief in die Entwicklung der Chips der Zukunft verwurzelt”, erklären die Digital-Experten von SNV.
Nun müssen auch die Produktionsmaschinen her. Die Londoner Analysis Mason Group, eine der führenden Beratungsfirmen auf dem Gebiet, geht davon aus, dass China in 3 bis 4 Jahren auf eigenen Füßen stehen wird. “Sie sind schon viel näher an der Selbstversorgung als wir noch vor einigen Jahren geglaubt haben”, sagt Caroline Gabriel, Forschungsdirektorin bei Analysys Mason. “Noch dieses Jahr werden sie bei 28 Nanometern eigenständig. Im nächsten Jahr bei 14 Nanometern.”
Das seien noch nicht die besten Chips, denn die haben bekanntlich 7 Nanometer Strukturbreite, aber es sind die gröberen “Arbeitspferde” der Chipindustrie und deswegen fast ebenso wichtig. “Das Fortschrittstempo ist beeindruckend.” Europa und China sollten in diesem Bereich enger zusammenarbeiten, da die Europäer in Bezug auf die USA vor ähnlichen Problemen stünden. “Die USA wollen sie ausbremsen.”
Die Boston Consulting Group und die US Semiconductor Industry Association haben das Thema einmal durchgespielt und kommen zu einem ähnlichen Ergebnis. Am Ende würden die USA ihre Marktführerschaft an China verlieren, lautet ihre Zusammenfassung der Trumpschen Politik. Die Semiconductor Industry Association hat dem US-Handelsministerium sogar geraten, die Exporte nach China wieder zu erlauben. Dies sei der einzige Weg, die Marktführerschaft der USA zu halten. Die Industrie bräuchte die Profite aus China dringend, um das Tempo der Forschung und Entwicklung halten zu können. Vor den Sanktionen hat China für rund 12 Milliarden US-Dollar Chips in den USA gekauft und damit nach Branchenschätzungen rund 40.000 Arbeitsplätze erhalten.
Die politische Säuberung in Hongkong setzt sich fort. Am Dienstag verurteilte ein Gericht neun Aktivisten und frühere Politiker zu Haftstrafen bis zu zehn Monaten. Die pro-demokratischen Angeklagten wurden wegen Organisation und Teilnahme an einer Mahnwache für die Opfer des 4. Juni 1989 bestraft. Die Veranstaltung im vergangenen Jahr hatte trotz polizeilichem Verbot im Victoria Park in Hongkong stattgefunden. Die Behörden hatten die Gedenkfeier offiziell wegen der Corona-Pandemie untersagt.
Zu den Verurteilten zählten abermals frühere Parlamentarier wie Albert Ho und “Long Hair” Leung Kwok-hung, die bereits eine Haftstrafe wegen ähnlicher Vergehen verbüßen, sowie Führungsfiguren von pro-demokratischen Organisationen wie der Hong Kong Alliance in Support of Patriotic Democratic Movements of China oder der inzwischen aufgelösten Civil Human Rights Front.
Die Mahnwache im Victoria Park wurde seit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens vor 32 Jahren an jedem 4. Juni ausgerichtet, bevor sie 2020 erstmals verboten wurde. Die Organisatoren warfen den Behörden vor, sie hätten die Sorge um Corona nur vorgeschoben. Stattdessen sei es darum gegangen, eine Versammlung der demokratischen Opposition der Stadt zu verhindern.
Im Jahr 2019 war es zu monatelangen Protesten gegen den wachsenden Einfluss der Volksrepublik China in Hongkong gekommen, woraufhin die Behörden die Bürgerrechte in der Stadt kontinuierlich aushöhlten. Mit Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes im Sommer vergangenen Jahres verschaffte die Kommunistische Partei den lokalen Behörden ein Mittel zur nahezu willkürlichen Bestrafung von politischem Dissens. grz
Die Fregatte “Bayern” wird den Hafen von Shanghai wegen Widerstands aus Peking nicht anlaufen. “China hat nach einer gewissen Bedenkzeit entschieden, dass es keinen Hafenbesuch der deutschen Fregatte wünscht und das haben wir zur Kenntnis genommen”, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in Berlin laut der Deutschen Presse-Agentur. Chinas Außenministerium hatte zuvor bereits mehr Informationen über die Absichten der Fregatte im Südchinesischen Meer angefordert, bevor die ausstehende Erlaubnis für einen Hafenbesuch in Shanghai ausgesprochen werden sollte (China.Table berichtete).
Die Fregatte war am 2. August von Wilhelmshaven aus in den Indo-Pazifik aufgebrochen. Die Bundesregierung hatte bereits im April angekündigt, das sicherheitspolitische Engagement in Asien zu verstärken und sich dazu vor allem mit Japan enger abzustimmen. Allerdings sollten die vom Verteidigungsministerium erklärten Ziele – “eine regelbasierte Ordnung, freie Seewege, Multilateralismus” – mit einer freundlichen Geste in Richtung China verknüpft werden. Die freundliche Geste sollte der Hafenbesuch sein.
Im Südchinesischen Meer gibt es einen Gebietskonflikt zwischen China und anderen Anrainerstaaten. Berlin hatte zuvor angekündigt, die Fregatte werde sich bei der Durchfahrt durch das Südchinesische Meer an internationale Handelsrouten halten (China.Table berichtete). Die Marine rechne sowohl mit Begleitung durch chinesische Schiffe als auch mit Überflügen durch die chinesische Luftwaffe, nicht aber mit einer Konfrontation, hieß aus dem Bundesverteidigungsministerium zu Beginn der Fahrt. ari
Geely will die Marke Volvo in den kommenden Wochen in Stockholm an die Börse bringen, wie Reuters von drei nicht näher benannten Quellen erfahren hat. Die Geely Holding steht demnach in “fortgeschrittenen Gesprächen” mit Banken, die den Börsengang durchführen sollen. Den Quellen zufolge wird eine Bewertung von knapp 17 Milliarden Euro angestrebt. Der Automobilanalyst der NordLB, Frank Schwope, hält eine Bewertung von 8,5 bis 12,5 Milliarden Euro für realistischer, sagte er Reuters. Der Börsengang wäre einer der größten des Jahres in Europa.
Geely wollte den schwedischen Automobilhersteller laut Reuters schon 2018 an die Börse bringen, legte die Pläne jedoch aufgrund von Handelsspannungen und einem Abschwung bei Automobilaktien auf Eis. Volvo befindet sich seit 2010 im Besitz von Geely. nib
Das Eingreifen der Behörden in den Glücksspielmarkt in Macau hat zu einem Sturz der Aktienkurse von Casino-Betreibern geführt. Sie verloren am Mittwoch bis zu einem Drittel ihres Wertes, berichtete Reuters. Laut Financial Times belief sich der Verlust auf 18,4 Milliarden US-Dollar. Die Aktien von Sands China brachen 32,5 Prozent ein, Wynn Macau fiel 29 Prozent und MGM China verlor am Mittwoch in Hongkong fast 27 Prozent.
Hintergrund des Preissturzes ist eine 45-tägige öffentliche Konsultation zur Überarbeitung des Glücksspielgesetzes in Macau. Diese wird voraussichtlich die Kontrolle über die Betreiber im größten Glücksspielzentrum der Welt verschärfen. Die 20 Jahre geltenden Konzessionen der Casino-Gruppen für den Betrieb der Spielstätten in Macau laufen im kommenden Jahr aus.
Peking plant einem Gesetzesentwurf zufolge, eigenen Vertreter in die Aufsichtsräte von Casinos zu entsenden, wie FT berichtete. Demnach wird erwartet, dass das Gesetz auch die Anzahl und Dauer der Konzessionen für Casino-Betreiber neu regelt, was den Behörden erheblichen Einfluss auf den größten Arbeitgeber des chinesischen Territoriums geben wird.
Die Branche ist bereits von der Corona-Pandemie stark gebeutelt: Laut von der offiziellen Aufsichtsbehörde veröffentlichten Zahlen sind die Bruttoeinnahmen aus Glücksspielen um etwa 80 Prozent gegenüber dem Niveau vor der Pandemie gesunken, weil Touristen vom Festland ausbleiben. ari
Xu Jiayin 许家印 (62) könnte noch in diesem Jahr als einer der größten Pleitiers in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Sein Immobilienkonglomerat Evergrande ist von Zahlungsunfähigkeit bedroht (China.Table berichtete). Dabei galt Xu noch vor einem Jahr als einer der erfolgreichsten Entrepreneure Chinas. Staatsmedien lobten ihn als einen der großzügigsten Wohltäter des Landes. Er war zudem als Sponsor des FC Guangzhou über Wirtschaftskreise hinaus bekannt. Der Fußballverein gehörte bis 2019 zu den regelmäßigen Gewinnern der chinesischen Meisterschaft. Xu galt als “Modellfall für den chinesischen Traum”, als “Vorzeigebeispiel für die Verwirklichung des Traums vom Reichtum”.
Mit dem Lob und den Ehrungen ist es nun vorbei. Unter Xus Führung hat Evergrande so viel Schulden angehäuft, dass die Chancen auf vollständige Rückzahlung auf Null gesunken sind. Derzeit stehen Verbindlichkeiten in Höhe von rund 300 Milliarden Euro aus. Rund 75 Milliarden davon sind Bankkredite und Anleihen. Ein anderer Teil besteht aus offenen Rechnungen, beispielsweise bei Baufirmen und Handwerkern. Durch Notverkäufe von Immobilien aus dem Besitz des Unternehmens hat Xu zwar den Schuldenstand gedrückt. Er hat damit aber auch die Einnahmebasis geschmälert, die Voraussetzung für die Vergabe der Darlehen war. Am Mittwoch folgte eine formale Warnung der Behörden gegenüber den Banken: Schon kommende Woche drohen weitere Zahlungsausfälle. Der Traum vom Reichtum ist vorerst ausgeträumt.
Xu kommt aus kleinen Verhältnissen. Er wurde 1958 in einem Dorf in der Provinz Henan geboren. Nach der Schule arbeitete er erst in der Zementherstellung. Im Alter von 24 Jahren wurde er Techniker in einem Stahlwerk. Mit 38 gründete er die Immobilienfirma Evergrande. Er kaufte zunächst günstige Immobilien in kleineren Städten, die im Zuge der chinesischen Entwicklung enorm im Wert stiegen. Xu hat die wertvolleren Objekte stets gehalten und sie als Sicherheiten für neue Kredite genutzt. Mit dem so aufgenommenen Geld ist Xu jeweils in die nächste Runde von Zukäufen eingestiegen. Mit Gewinn und Umsatz von Evergrande schien es immer nur aufwärtszugehen. Evergrande wurde zur größten Immobilienfirma des Landes.
Bis zum vergangenen Sommer hat Xu die Bälle immer geschickt in der Luft halten können. Das Geschäftsmodell beruhte aber auf der Annahme, dass die Preise am Immobilienmarkt immer nur nach oben gehen und dass China immer gleichmäßig wächst. Dann kam Corona. Es zeigte sich, dass das System Xu nicht krisenfest war. Die Schocks durch die Pandemie versetzten das Konglomerat in eine Abwärtsspirale, wo vorher eine Aufwärtsspirale war. Investoren zogen Geld ab, was Zahlungsprobleme schuf. Das verstärkte wieder das Misstrauen. Selbst als die Corona-Folgen einigermaßen überwunden waren, konnte Xu sich nicht aus der Abwärtsbewegung befreien. Er hatte einfach zu hoch gepokert.
Seine Geschäftspraktiken tragen nun zum Zorn der Anleger bei. Evergrande verlangte hohe Anzahlungen und hohe Kautionen. Zu den verärgerten Investoren gehören daher nicht nur Banken und Börsenspekulanten. Sondern auch normale Hauskäufer, die Evergrande bereits Geld überwiesen haben, bevor auch nur die ersten Bagger für den Bau des Wohnkomplexes anrückten. Zuweilen dauerte es Jahre, bis angezahlte Einheiten fertig wurden. Diese Vorauszahlungen sind für eine Finanzfirma in guten Zeiten enorm wertvoll: Es handelt sich um Geld, mit dem sie erst einmal arbeiten kann. Jetzt ist der Kapitalstrom jedoch abrupt versiegt.
Es half nichts, dass Xu auf dem Höhepunkt seines Erfolgs noch in zahlreiche andere Branchen investiert hat. Neben dem Fußballklub waren das beispielsweise auch Elektroautos. Das führte noch im vergangenen Jahr zu Meldungen wie: “Der Immobilienentwickler Evergrande hat sechs elektrisch angetriebene Automodelle vorgestellt.” Die Marke Hengchi sollte – natürlich – nicht weniger, als Tesla vom Thron stoßen. Xu Jiayin wollte sich direkt mit Elon Musk messen. Wäre alles nach Plan gegangen, dann liefe heute bereits die Massenproduktion. Stattdessen hat Evergrande in dem neuen Geschäftsfeld bisher nur viele Milliarden Euro verbrannt. Auch ein Engagement in der Gesundheitsbranche und Investitionen in Vergnügungsparks waren bisher nicht profitabel. In seinem Größenwahn hat Xu sich verzettelt.
Die Berichte aus jener Zeit listen dabei die exzellenten Kontakte des Arbeitersohns Xu zur politischen Führung als Erfolgsfaktor. Das ist im Prinzip eine richtige Beobachtung. Milliardär Xu ist – natürlich – KP-Mitglied und saß auch als Delegierter in der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes. Doch wer hoch steigt, den lässt auch die Partei tief fallen. Das zeigen die Beispiele zahlreicher anderer Ex-Milliardäre, die heute im Gefängnis sitzen. Wenn etwas übel schiefgeht, dann müssen sie als Sündenböcke herhalten. Finn Mayer-Kuckuk
Sebastian Heim ist jetzt bei BMW in München für die China-Strategie des Konzerns verantwortlich. Er besitzt internationale Erfahrung unter anderem als Lieferkettenplaner für BMW in Südafrika.
Valerie Jeblick hat China verlassen, wo sie für Volkswagen im Component Business mit Schwerpunkt auf Elektroantriebe und Batterien gearbeitet hat. Sie arbeitet jetzt in Salzgitter für den Konzern im Bereich Global Footprint von Batteriezellen.
Norbert Wintzen ist ebenfalls aus China zurückgekehrt. Er war dort CEO von Mercedes-Benz Parts Manufacturing Services in Shanghai. Jetzt ist er in Stuttgart Head of Sales & Engineering Remanufacturing.
Tänzchen mit den flauschigen “Artgenossen”: Der Panda-Roboter Youyou zeigt seine Beweglichkeit neben überlebensgroßen Plüschbären. Youyou wurde von der Firma Youbixuan aus Hangzhou entwickelt und bei der World Robot Conference in Peking vorgestellt.