die Kritik an den Umerziehungslagern in Xinjiang wurde immer lauter. Zuletzt so laut, dass der Provinz-Gouverneur Erkin Tuniyaz gar seine geplante Europa-Reise kurzfristig absagte. Nun ändert die Zentralregierung in Peking ihre Taktik in Xinjiang, wie Marcel Grzanna in seiner Analyse aufzeigt: Statt die Menschen in Camps zu schicken, werden sie einfach zu Haftstrafen verurteilt.
Was nach einer Verbesserung für die Uiguren klingen mag, entpuppt sich in Wirklichkeit als zynische Anpassung einer grausamen Unterdrückung: Einwände aus dem Ausland gegen Haftstrafen sind mit Verweis auf die lokale Gesetzgebung leichter zu rechtfertigen. Die Repressionen lassen nicht nach, sie kommen nur in einem neuen Gewand daher.
Eine neue Strategie entwickelt auch der Hightech-Konzern Huawei. Schwer getroffen von immer umfassenderen US-Sanktionen hat der Netzwerkausrüster aus Shenzhen ein neues Geschäftsfeld ausgemacht: den Automobilsektor. Dabei hat man auch deutsche Hersteller im Blick. Konzernchef Yu Chengdong strotzt jedenfalls wieder vor Selbstbewusstsein: Wer nicht mit dem Tech-Riesen kooperiere, laufe Gefahr unterzugehen.
Christian Domke-Seidel zeigt allerdings, dass noch längst nicht alles nach Plan läuft. Wang Jun, Leiter des Automobilgeschäfts und der Produktlinie für selbstfahrende Autos bei Huawei, musste seinen Posten jedenfalls schon räumen.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Die Zahl uigurischer Insassen in den Umerziehungslagern in Xinjiang hat sich offenbar drastisch verkleinert. Recherchen von Xinjiang-Forschern lassen darauf schließen, dass möglicherweise nur noch wenige Zehntausende Menschen in den Lagern einsitzen. Gleichzeitig aber ist die Zahl der rechtskräftig Verurteilten in den örtlichen Gefängnissen auf mehrere Hunderttausend dramatisch gestiegen.
“Wir können mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die meisten Menschen, die in den Camps waren, inzwischen wieder raus sind”, sagt der Anthropologe Rune Steenberg von der tschechischen Universität Olmütz. “Die Camps haben ihren Zweck erfüllt. Die Erfahrungen in den Einrichtungen haben die Menschen nachdrücklich eingeschüchtert. Sie schweben jetzt wie eine ständige Bedrohung über ihren Köpfen”, sagt Steenberg.
Der Anthropologe schätzt die Zahl derer, die derweil zu unverhältnismäßig langen Haftstrafen verurteilt worden sind, auf bis zu 300.000. “Wer in den Gefängnissen einsitzt, tut dies mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus vorgeschobenen Gründen, die in demokratischen Staaten – aber bis vor wenigen Jahren auch in China – nicht als Haftgründe gegolten hätten”, sagt Steenberg.
Im Unterschied zu den Lagern seien von den Gefängnisstrafen vornehmlich die intellektuellen und wirtschaftlichen Eliten der Uiguren betroffen. Die chinesische Regierung glaubt offenbar, dass sie die uigurische Gesellschaft ohne deren Eliten leichter kontrollieren kann. Masseninhaftierungen in Lagern erscheinen deswegen nicht mehr nötig.
Schätzungsweise rund 15 bis 20 Prozent der uigurischen Bevölkerung wurden im Laufe der vergangenen zehn Jahre in chinesische Camps gesteckt: rund zwei Millionen Menschen, darunter sehr viele Männer im arbeitsfähigen Alter, manchmal ganze Familien. China hatte die Existenz der Lager lange geleugnet und dann schließlich doch zugegeben, nachdem staatliche Dokumente, Satellitenaufnahmen und Augenzeugenberichte ein immer präziseres Bild des Lagernetzes gezeichnet hatten.
Neue Informationen aus Xinjiang lassen nun darauf schließen, dass viele der Einrichtungen geschlossen oder zu Gefängnissen umfunktioniert worden sind. Steenberg zieht seine Schlüsse unter anderem aus Informationen seines persönlichen Netzwerkes von 50 bis 70 Quellen in der Region. Menschen, die seit vielen Jahren verdeckt Informationen sammeln und ins Ausland weitergeben.
Der Anthropologe schätzt, dass die westliche Forschung Kontakt zu insgesamt mehreren Hundert Personen in Xinjiang hat, die sie als glaubwürdige Quellen einstuft. Auch bei der Beurteilung der jüngsten Entwicklung. Es handelt sich um die gleichen Quellen, die zuvor über die drastische Expansion des Lagernetzes und die Masseninhaftierungen berichtet hatten, erklärt Steenberg. Die Informationen erwiesen sich als zutreffend und führten vergangenes Jahr zu einem Sonderbericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte.
Björn Alpermann von der Universität Würzburg hält die Aussagen zu den jüngsten Entwicklungen für “sehr wahrscheinlich richtig”. Es sei unmöglich, exakte Zahlen von Insassen zu ermitteln, meint der Wissenschaftler, der sich seit Jahren intensiv mit den Vorgängen in Xinjiang befasst. Doch der Trend aus den Lagern in die Gefängnisse sei deutlich nachzuvollziehen. “Positiv bewertet könnte man sagen, die allerschlimmste Phase ist vorbei. Auf Dauer war diese Schock-Kampagne nicht durchzuhalten. Dafür werden die vermeintlich Unreformierbaren jetzt weggesperrt“, sagt Alpermann.
Alpermann beobachtet eine Veränderung des Kontrollsystems, das sich auf eine verstärkte Integration von Arbeitskräften in die wirtschaftlichen Strukturen stützt. Es seien viele Fabriken rund um die Dörfer entstanden, in denen die Arbeiter 24 Stunden täglich verbringen müssen und dort viel besser überwacht werden können. Im privaten Bereich sei die Überwachung durch Nachbarschaftskomitees und vor allem durch digitale Kontrolle optimiert worden.
Beide Forscher warnen deshalb davor zu glauben, dass die Repressionen gegen die Uiguren nachgelassen haben. Auch der Weltkongress der Uiguren (WUC) fürchtet, dass die Schließung von Lagern fehlinterpretiert werden könnten. “Das darf nicht verwechselt werden mit einer Verbesserung der Gesamtsituation. Es sind lediglich die Umstände, die sich verändern“, sagt Haiyuer Kuerban, Direktor des WUC-Büros in Berlin.
Die Uiguren sprechen von einem Genozid an ihrem Volk. Auch die US-Regierung sowie zahlreiche Parlamente demokratischer Staaten haben die Verfolgung der Uiguren als Völkermord anerkannt. Chinas Propaganda versucht dagegen seit Jahren, die Umerziehung der Bevölkerung als Ausbildungsprogramm und die Inhaftierungen als Anti-Terrorkampf darzustellen. Die immer lauter werdende Kritik der vergangenen Jahre habe China auf dem falschen Fuß erwischt, glaubt Rune Steenberg.
Auch deshalb sei die Regierung dazu übergegangen, das Lagersystem deutlich zu verkleinern. Einwände aus dem Ausland gegen Haftstrafen sind mit Verweis auf die lokale Gesetzgebung dagegen leichter zu rechtfertigen. Allerdings wirken die vermeintlichen Gesetzesverstöße oftmals inszeniert bis grotesk: Das Herunterladen westlicher Messenger-Dienste oder Anwendungen zur Übertragung größerer Datenmengen, können bereits ins Gefängnis führen. Auch das Hören und Verbreiten ausländischer Lieder kann als Subversion interpretiert werden.
Auf den ersten Blick ist es nur eine Personalie. Huawei entlässt Wang Jun. Er war Leiter des Automobilgeschäfts und der Produktlinie für selbstfahrende Autos. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings die Tragweite der Entscheidung deutlich. Denn im Automobilgeschäft sieht Huawei eine zentrale Säule des zukünftigen Geschäftsmodells. Auch weil neue, noch härtere Sanktionen das Geschäft mit der Netzausrüstung endgültig torpedieren.
Die US-Sanktionen seien die neue Normalität für Huawei, erklärte Eric Xu bei der Präsentation der Jahreszahlen. “Im Jahr 2022 haben wir uns erfolgreich aus dem Krisenmodus befreit”, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Konzerns. Der Gesamtumsatz betrug 91,5 Milliarden US-Dollar. Huawei wird also wieder erfolgreich. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Umsatz 2021 noch bei rund 100 Milliarden US-Dollar lag. Und im Jahr 2020, als die US-Sanktionen noch nicht voll griffen, sogar bei 140 Milliarden US-Dollar.
Geht es nach der US-Regierung, bekommt Huawei bald noch größere Schwierigkeiten. Bisher gab es Ausnahmegenehmigungen für US-Unternehmen, die Geschäfte mit dem chinesischen Konzern machen wollten. Vor allem die Chip-Produzenten Intel und Qualcomm nutzten diese Handelslizenzen. Doch diese Ausnahmen sollen zukünftig gestrichen werden.
Huawei begann in atemberaubender Geschwindigkeit, sein Geschäftsmodell zu diversifizieren. Vor allem in der Automobilbranche sieht der Konzern die Möglichkeit, neue Einnahmequellen zu erschließen. Dafür entwickelte Huawei zwei unterschiedliche Produktstrategien: Huawei Inside, das sich an Endverbraucher richtet, und Huawei Smart Selection als Angebot für Geschäftskunden.
Bei Huawei Inside (HI) handelt es sich um das Smart-Car-System des Konzerns, mit dem Funktionen des Autos gesteuert werden. Huawei Smart Selection dagegen ist ein Vertriebskanal, den Huawei verschiedenen Entwicklern zur Verfügung stellt und im Gegenzug Mitspracherecht bei Entwicklung und Marketing erhält. Beide Lösungen werden konzernintern als konkurrierende Produkte gesehen.
Der geschasste Wang Jun war für Huawei Inside verantwortlich. Er verfehlte die Ziele des Konzerns. Jetzt möchte sich Huawei auf die Smart Selection Lösung konzentrieren. Dafür soll nach eigener Angabe eine Automobil-Allianz entstehen. Vorbild dafür ist die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Autobauer Seres, dessen Fahrzeuge auch in Huawei-Shops angeboten werden. Das Betriebssystem stammt von Huawei.
Yu Chengdong, Vorsitzender der Huawei Technologies Consumer Business Group, erklärte gegenüber Caixin Global, dass dem Automarkt ein derart drastischer Wandel bevorstehe, wie vor zehn Jahren dem Handy-Markt. Unternehmen, die mit Huawei in der Smart-Selection-Allianz zusammenarbeiten würden, würden zu den wenigen Überlebenden in der Branche gehören, prognostizierte er selbstbewusst.
Das Selbstvertrauen hat seinen Grund. Im vergangenen Jahr 2022 hat sich der Absatz der Seres-Autos auf 80.041 Stück versechsfacht. Im Jahr 2025 soll das Smart-Selection-Modell erstmals Gewinn erwirtschaften, so Yu. Dafür wolle sich Huawei auf Premium-Fahrzeuge oberhalb von 200.000 Yuan (rund 29.000 US-Dollar) konzentrieren. Bei einem geringeren Preis würde der Konzern Verluste erwirtschaften.
Mit Chery, JAC Motors und CATL hat Huawei bereits neue Partnerschaften geschlossen, um das Projekt voranzubringen. Ein eigenes Elektroauto käme allerdings auch in Zukunft für Huawei nicht infrage, so Yu weiter. Mit Audi und Volkswagen (jeweils schon seit 2018) kooperieren auch deutsche Hersteller bei der Fahrzeugentwicklung mit Huawei.
Schon vor den US-Sanktionen wollte die Kommunistische Partei das Land unabhängiger von ausländischer, industrieller Spitzentechnologie machen. Das Programm Made in China 2025 ist eine detaillierte Strategie zur technologischen Aufrüstung der chinesischen Industrie. Dank ‘Made in China 2025’ machten chinesische Firmen beachtliche Fortschritte bei der Produktion von Hochleistungs-Chips.
Dieser Strategie widmet sich Horst Löchel in einer Abhandlung. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor an der Frankfurt School of Finance & Management und Honorarprofessor an der China Europe International Business School (CEIBS). “Der wahrscheinlichste Ausgang der ‘Made in China 2025’-Strategie ist deshalb, wie bereits von anderen Analysen betont, der weitere Aufstieg nationaler Champions.” Löchel ist überzeugt: Auch Huawei wird dabei sein.
China plant, Dutzende neue Kohlekraftwerke zu bauen. Das geht aus einer Analyse der beiden Denkfabriken Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) und Global Energy Monitor (GEM) hervor. Demnach genehmigten die zuständigen Behörden im vergangenen Jahr Anlagen mit einer Gesamtleistung von 106 Gigawatt. Das sind viermal so viele wie im Jahr zuvor. Und umgerechnet sind das Genehmigungen für etwa zwei Kraftwerke pro Woche.
Chinas neuer Kohleboom ist ein herber Rückschlag im Kampf gegen die Klimakatastrophe. Schon jetzt stößt die Volksrepublik mehr als doppelt so viel CO₂ aus wie der zweitgrößte Emittent, die Vereinigten Staaten.
“Die Geschwindigkeit, mit der 2022 Projekte vorangetrieben wurden, war außergewöhnlich”, sagte die GEM-Analystin Flora Champenois. Viele Projekte hätten innerhalb weniger Monate Genehmigungen wie auch Finanzmittel erhalten.
Allerdings gibt es auch gewichtige Gründe für den Ausbau: Regierungsangaben zufolge sollen die neuen Anlagen die Stabilität des Stromnetzes gewährleisten und Blackout-Risiken minimieren: Mitte 2021 erlebte das Land zahlreiche Stromausfälle aufgrund von Problemen bei der Kohleversorgung. 2022 brach nach einer langen Dürre die Erzeugung von Elektrizität aus Wasserkraft ein. Seither steht Energiesicherheit weit oben auf der Agenda in Peking.
Die Autoren der vorliegenden CREA-GEM-Studie widersprechen jedoch: “Diese Rechtfertigung ist nicht stichhaltig, da die Kraftwerke mit Grundlast betrieben werden sollen und die speziellen Provinzen beim Ausbau der sauberen Energieerzeugung schlicht hinterherhinken.”
Ein plausibler Grund ist hingegen das noch immer schlecht ausgebaute Stromnetz. Viele Provinzen bauen deshalb lieber eigene Kohlekraftwerke, anstatt Strom aus anderen Landesteilen zu beziehen.
Die nun genehmigte Gesamtleistung von 106 Gigawatt ist der höchste Wert seit 2015 – dem Jahr, in dem Chinas Regierung zusammen mit rund 200 anderen Staaten das Pariser Klimaabkommen unterzeichnete. Und zum Vergleich: Alle Kohlekraftwerke in Deutschland haben zusammen eine installierte Leistung von knapp 40 Gigawatt. rad
Der vor rund anderthalb Wochen vermisst gemeldete Milliardär Bao Fan befindet sich offenbar in Gewahrsam chinesischer Behörden. Eine entsprechende Mitteilung setzte seine in Hongkong ansässige Investmentbank China Renaissance am Sonntag ab. Die Bank teilte mit, ihr Gründer sei zurzeit Teil einer offiziellen Untersuchung und kooperiere mit den Behörden in der Volksrepublik. Sie kündigte zudem an, “ordnungsgemäß” mit den Behörden zusammenarbeiten zu wollen.
Mit der Meldung vom Wochenende bestätigten sich Vermutungen, dass Bao keineswegs einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen, sondern von chinesischen Behörden vorübergehend verschleppt worden ist. Die Verklausulierung, er “kooperiere” in einer Untersuchung, nutzen chinesische Behörden regelmäßig, um das spurlose Verschwinden prominenter Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft zu erklären. In der Regel verbirgt sich dahinter eine Drohung an die Betroffenen.
Der chinesische Staat zwingt einflussreiche Persönlichkeiten zur “Zusammenarbeit”, wenn sie ihm zu mächtig oder aufmüpfig erscheinen. Zuletzt war vor zwei Jahren Jack Ma verschwunden, der Gründer von Alibaba. Davor waren bereits Guo Guangchang von Fosun oder Ren Zhiqiang von der Huayuan Real Estate Group zeitweilig unauffindbar. Ren hatte Xi Jinping wegen seiner Corona-Politik einen Clown genannt und sitzt seitdem im Gefängnis.
Genaue Hintergründe im Fall Bao Fan sind bislang jedoch nicht bekannt. Dass er sich jedoch nicht aus freien Stück bei seiner Familie oder seinen Angestellten melden konnte, deutet darauf hin, dass er nicht frei über seine Handlungen entscheiden kann.
Mitte Februar hatte die Bank über die Hongkonger Börse mitgeteilt, dass sie nicht wisse, wo sich ihr Chef aufhalte und sie keinen Kontakt zu Bao herstellen könne. Der Aktienkurs der Bank, die vor allem im Investmentbanking und der Vermögensverwaltung tätig ist, war daraufhin abgestürzt. grz
China hat neue Berichte zurückgewiesen, wonach das Coronavirus in Folge einer Laborpanne entstanden sein könnte. Pekings Außenamtssprecherin Mao Ning sagte am Montag in Peking, die Suche nach dem Ursprung des Virus sei eine wissenschaftliche Angelegenheit und solle “nicht politisiert” werden.
Am Wochenende hatte das “Wall Street Journal” berichtet, das US-Energieministerium habe seine Einschätzung zum Ursprung des Coronavirus geändert. Dort würde man nun von einer möglichen Laborpanne ausgehen. Allerdings vermutet das Ministerium dies mit einem nur “niedrigen” Grad der Gewissheit.
Der geheime Bericht sei dem Weißen Haus und Mitgliedern des Kongresses vorgelegt worden. Damit schließt sich das US-Energieministerium der Einschätzung der Bundespolizei FBI an. Andere US-Behörden sind allerdings auch weiterhin der Ansicht, dass das Virus wahrscheinlich auf natürliche Weise übertragen wurde.
Die Schlussfolgerung des Energieministeriums beruhe dem Zeitungsbericht zufolge auf neuen Erkenntnissen. Allerdings lässt der Bericht offen, um welche Art von Erkenntnissen es sich handeln soll. Laut “Wall Street Journal” sei die Einstufung des Energieministeriums bedeutend, da die Behörde über beträchtliches wissenschaftliches Fachwissen verfüge und ein Netz von nationalen US-Laboratorien beaufsichtigt, von denen einige fortschrittliche biologische Forschung betreiben.
In Peking hieß es zu Wochenbeginn hingegen: Schon die Forschungsmission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe zusammen mit chinesischen Wissenschaftlern bei ihren Untersuchungen 2021 in Wuhan festgestellt, dass eine Laborpanne “extrem unwahrscheinlich” sei. Es müsse endlich aufgehört werden, die Labortheorie aufzubauschen und China zu verleumden, forderte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. Allerdings hatten WHO-Mitarbeiter damals auch von stark eingeschränkten Recherche-Möglichkeiten und mangelnder Bewegungsfreiheit berichtet. rad
Rund 200 Menschen haben auf dem Liberty Square in Taipeh am Jahrestag der russischen Invasion ihre Solidarität mit den Ukrainern bekundet. Organisiert wurde die Demonstration von der Gruppe Taiwan Stands With Ukraine, die kurz nach Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 ins Leben gerufen worden war. Unter den Demonstranten waren auch einige in Taiwan lebende Ukrainer, die nach dem Ausbruch des Krieges auf die Insel geflohen sind.
In Taiwan wird der Ukraine-Krieg angesichts der Bedrohung vom chinesischen Festland besonders aufmerksam verfolgt. In einer am Freitag veröffentlichten Presseerklärung forderte das taiwanische Außenministerium Moskau auf, “die militärische Aggression gegen die Ukraine unverzüglich einzustellen” und “die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren”.
Bei der Kundgebung am Samstag erklärte die Stadträtin von Taipeh, Miao Po-ya, das ukrainische Volk habe im vergangenen Jahr seine Widerstandsfähigkeit und Entschlossenheit im Kampf gegen die russischen Streitkräfte bewiesen. Sie würden nicht nur für ihr Land kämpfen, sondern auch für Freiheit und Demokratie in der Welt verteidigen, erklärte die Politikerin der Sozialdemokraten. Neben ihr nahmen auch die Vorsitzende der New Power Party und eine Sprecherin der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei an der Versammlung teil. fpe
Tobias ten Brink untersucht an der Constructor University in Bremen das System China. Genauer gesagt den dynamischen Wandel und die Widersprüche, die Chinas Gesellschafts- und Wirtschaftssystem ausmachen. Seine Gegner sind Spekulation und Stereotype. Ten Brink erklärt: “Mir geht es darum, ein Othering Chinas zu vermeiden. Das heißt, Prozesse in China nicht als völlig andersartig im Vergleich zu anderen Schwellenländern und kapitalistisch dominierten Modernisierungsprozessen zu verstehen.”
Was er damit meint, erklärt ten Brink am Beispiel Innovation: Früher sei China die Werkbank der Welt gewesen, und wie in anderen Industrialisierungsprozessen war die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte entscheidend für das Wirtschaftswachstum. Um aber langfristig erfolgreich zu sein, müsse China seit einiger Zeit hochwertiger produzieren, so wie andere Länder auch. Und dafür brauche es Ideen und Forschung, erklärt ten Brink.
Deswegen verfolge China eine sehr aktive Industrie- und Innovationspolitik, auch in enger Kooperation mit den eigenen Unternehmen. Dass in China technologische Innovation teilweise von oben angeordnet wird, ist laut ten Brink nicht automatisch kontraproduktiv. Der Westen müsse lernen, dass Demokratie und Freiheit nicht der einzige Garant für technologische Innovation sein. “Es scheint, Professoren oder Ingenieure, die Batterien für Elektroautos entwickeln, brauchen nicht notwendigerweise ein Wahlrecht, um ihrer Arbeit nachzugehen”, sagt ten Brink. Und er erinnert daran, dass ein zentraler Innovationstreiber in den USA lange das kommandowirtschaftlich organisierte Militär war.
Ten Brink selbst begleitet Chinas Aufstieg seit den 2000er-Jahren. Am Anfang sind es die großen Fragen, die ten Brink erst als Doktorand in Frankfurt und dann als Dozent und Forscher in Köln, New York und Guangzhou erforscht: Welche Art Kapitalismus entwickelt sich in China, und was sind die Quellen von Chinas rasantem Wachstum? Er sucht sie in seiner Habilitation zu Chinas Kapitalismus, die 2019 preisgekrönt bei dem renommierten Universitätsverlag University of Pennsylvania Press erscheint.
Mit dabei ist immer sein, wie er sagt, “politökonomischer Scheinwerfer”. Denn zentral für seine Herangehensweise sei es, auf die Verbindung von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Akteuren zu schauen. Das tut ten Brink auch bei seiner Forschung zu Chinas Sozialsystem.
Für ten Brink sind die geringen Löhne der Wanderarbeiter immer noch ein Wettbewerbsvorteil für China. Um aber die Binnennachfrage anzukurbeln, wäre es ein sinnvolles Instrument, nicht nur die städtischen Angestellten, sondern auch die Wanderarbeiter und die Landbevölkerung besser abzusichern. Ten Brink vergleicht: Das sei auch in anderen Industriestaaten erst im Laufe der Zeit erreicht worden und könne auch in China nur gegen den Widerstand der Unternehmen durchgesetzt werden.
Ob es dazu kommt, hat in China die Kommunistische Partei zu entscheiden, die ten Brink eine “vergleichsweise handlungsfähige autoritäre Agentur zur Förderung der wirtschaftlichen Modernisierung” nennt. Das ist sprachlich nicht nur sehr gewandt, sondern widerspricht im Übrigen auch denen, die die Ära Xi Jinping als absolute Zäsur sehen. Denn die aktive Rolle des Staates in der Wirtschaft ist laut ten Brink nichts Neues. “Das hat sich mit Xi Jinping verstärkt, aber nicht mit ihm angefangen. Eine Kernvorstellung lautet immer noch: Wachstum mit allen Mitteln.” Jonathan Lehrer
Sebastian Dingert ist für den deutschen Autobauer Audi von Ingolstadt nach Peking gezogen. Dingert arbeitet dort seit Beginn des Jahres als Product Manager Audi e-tron Sportback. Zuvor war er in der bayerischen Firmenzentrale Executive Assistant der Produktmarketing-Leitung.
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Mit dem Ende der Covid-Restriktionen kehren chinesische Touristen zunehmend an die Hotspots des internationalen Tourismus zurück. Hier markieren zwei Damen Herzen im russischen St. Petersburg.
die Kritik an den Umerziehungslagern in Xinjiang wurde immer lauter. Zuletzt so laut, dass der Provinz-Gouverneur Erkin Tuniyaz gar seine geplante Europa-Reise kurzfristig absagte. Nun ändert die Zentralregierung in Peking ihre Taktik in Xinjiang, wie Marcel Grzanna in seiner Analyse aufzeigt: Statt die Menschen in Camps zu schicken, werden sie einfach zu Haftstrafen verurteilt.
Was nach einer Verbesserung für die Uiguren klingen mag, entpuppt sich in Wirklichkeit als zynische Anpassung einer grausamen Unterdrückung: Einwände aus dem Ausland gegen Haftstrafen sind mit Verweis auf die lokale Gesetzgebung leichter zu rechtfertigen. Die Repressionen lassen nicht nach, sie kommen nur in einem neuen Gewand daher.
Eine neue Strategie entwickelt auch der Hightech-Konzern Huawei. Schwer getroffen von immer umfassenderen US-Sanktionen hat der Netzwerkausrüster aus Shenzhen ein neues Geschäftsfeld ausgemacht: den Automobilsektor. Dabei hat man auch deutsche Hersteller im Blick. Konzernchef Yu Chengdong strotzt jedenfalls wieder vor Selbstbewusstsein: Wer nicht mit dem Tech-Riesen kooperiere, laufe Gefahr unterzugehen.
Christian Domke-Seidel zeigt allerdings, dass noch längst nicht alles nach Plan läuft. Wang Jun, Leiter des Automobilgeschäfts und der Produktlinie für selbstfahrende Autos bei Huawei, musste seinen Posten jedenfalls schon räumen.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Die Zahl uigurischer Insassen in den Umerziehungslagern in Xinjiang hat sich offenbar drastisch verkleinert. Recherchen von Xinjiang-Forschern lassen darauf schließen, dass möglicherweise nur noch wenige Zehntausende Menschen in den Lagern einsitzen. Gleichzeitig aber ist die Zahl der rechtskräftig Verurteilten in den örtlichen Gefängnissen auf mehrere Hunderttausend dramatisch gestiegen.
“Wir können mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die meisten Menschen, die in den Camps waren, inzwischen wieder raus sind”, sagt der Anthropologe Rune Steenberg von der tschechischen Universität Olmütz. “Die Camps haben ihren Zweck erfüllt. Die Erfahrungen in den Einrichtungen haben die Menschen nachdrücklich eingeschüchtert. Sie schweben jetzt wie eine ständige Bedrohung über ihren Köpfen”, sagt Steenberg.
Der Anthropologe schätzt die Zahl derer, die derweil zu unverhältnismäßig langen Haftstrafen verurteilt worden sind, auf bis zu 300.000. “Wer in den Gefängnissen einsitzt, tut dies mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus vorgeschobenen Gründen, die in demokratischen Staaten – aber bis vor wenigen Jahren auch in China – nicht als Haftgründe gegolten hätten”, sagt Steenberg.
Im Unterschied zu den Lagern seien von den Gefängnisstrafen vornehmlich die intellektuellen und wirtschaftlichen Eliten der Uiguren betroffen. Die chinesische Regierung glaubt offenbar, dass sie die uigurische Gesellschaft ohne deren Eliten leichter kontrollieren kann. Masseninhaftierungen in Lagern erscheinen deswegen nicht mehr nötig.
Schätzungsweise rund 15 bis 20 Prozent der uigurischen Bevölkerung wurden im Laufe der vergangenen zehn Jahre in chinesische Camps gesteckt: rund zwei Millionen Menschen, darunter sehr viele Männer im arbeitsfähigen Alter, manchmal ganze Familien. China hatte die Existenz der Lager lange geleugnet und dann schließlich doch zugegeben, nachdem staatliche Dokumente, Satellitenaufnahmen und Augenzeugenberichte ein immer präziseres Bild des Lagernetzes gezeichnet hatten.
Neue Informationen aus Xinjiang lassen nun darauf schließen, dass viele der Einrichtungen geschlossen oder zu Gefängnissen umfunktioniert worden sind. Steenberg zieht seine Schlüsse unter anderem aus Informationen seines persönlichen Netzwerkes von 50 bis 70 Quellen in der Region. Menschen, die seit vielen Jahren verdeckt Informationen sammeln und ins Ausland weitergeben.
Der Anthropologe schätzt, dass die westliche Forschung Kontakt zu insgesamt mehreren Hundert Personen in Xinjiang hat, die sie als glaubwürdige Quellen einstuft. Auch bei der Beurteilung der jüngsten Entwicklung. Es handelt sich um die gleichen Quellen, die zuvor über die drastische Expansion des Lagernetzes und die Masseninhaftierungen berichtet hatten, erklärt Steenberg. Die Informationen erwiesen sich als zutreffend und führten vergangenes Jahr zu einem Sonderbericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte.
Björn Alpermann von der Universität Würzburg hält die Aussagen zu den jüngsten Entwicklungen für “sehr wahrscheinlich richtig”. Es sei unmöglich, exakte Zahlen von Insassen zu ermitteln, meint der Wissenschaftler, der sich seit Jahren intensiv mit den Vorgängen in Xinjiang befasst. Doch der Trend aus den Lagern in die Gefängnisse sei deutlich nachzuvollziehen. “Positiv bewertet könnte man sagen, die allerschlimmste Phase ist vorbei. Auf Dauer war diese Schock-Kampagne nicht durchzuhalten. Dafür werden die vermeintlich Unreformierbaren jetzt weggesperrt“, sagt Alpermann.
Alpermann beobachtet eine Veränderung des Kontrollsystems, das sich auf eine verstärkte Integration von Arbeitskräften in die wirtschaftlichen Strukturen stützt. Es seien viele Fabriken rund um die Dörfer entstanden, in denen die Arbeiter 24 Stunden täglich verbringen müssen und dort viel besser überwacht werden können. Im privaten Bereich sei die Überwachung durch Nachbarschaftskomitees und vor allem durch digitale Kontrolle optimiert worden.
Beide Forscher warnen deshalb davor zu glauben, dass die Repressionen gegen die Uiguren nachgelassen haben. Auch der Weltkongress der Uiguren (WUC) fürchtet, dass die Schließung von Lagern fehlinterpretiert werden könnten. “Das darf nicht verwechselt werden mit einer Verbesserung der Gesamtsituation. Es sind lediglich die Umstände, die sich verändern“, sagt Haiyuer Kuerban, Direktor des WUC-Büros in Berlin.
Die Uiguren sprechen von einem Genozid an ihrem Volk. Auch die US-Regierung sowie zahlreiche Parlamente demokratischer Staaten haben die Verfolgung der Uiguren als Völkermord anerkannt. Chinas Propaganda versucht dagegen seit Jahren, die Umerziehung der Bevölkerung als Ausbildungsprogramm und die Inhaftierungen als Anti-Terrorkampf darzustellen. Die immer lauter werdende Kritik der vergangenen Jahre habe China auf dem falschen Fuß erwischt, glaubt Rune Steenberg.
Auch deshalb sei die Regierung dazu übergegangen, das Lagersystem deutlich zu verkleinern. Einwände aus dem Ausland gegen Haftstrafen sind mit Verweis auf die lokale Gesetzgebung dagegen leichter zu rechtfertigen. Allerdings wirken die vermeintlichen Gesetzesverstöße oftmals inszeniert bis grotesk: Das Herunterladen westlicher Messenger-Dienste oder Anwendungen zur Übertragung größerer Datenmengen, können bereits ins Gefängnis führen. Auch das Hören und Verbreiten ausländischer Lieder kann als Subversion interpretiert werden.
Auf den ersten Blick ist es nur eine Personalie. Huawei entlässt Wang Jun. Er war Leiter des Automobilgeschäfts und der Produktlinie für selbstfahrende Autos. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings die Tragweite der Entscheidung deutlich. Denn im Automobilgeschäft sieht Huawei eine zentrale Säule des zukünftigen Geschäftsmodells. Auch weil neue, noch härtere Sanktionen das Geschäft mit der Netzausrüstung endgültig torpedieren.
Die US-Sanktionen seien die neue Normalität für Huawei, erklärte Eric Xu bei der Präsentation der Jahreszahlen. “Im Jahr 2022 haben wir uns erfolgreich aus dem Krisenmodus befreit”, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Konzerns. Der Gesamtumsatz betrug 91,5 Milliarden US-Dollar. Huawei wird also wieder erfolgreich. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Umsatz 2021 noch bei rund 100 Milliarden US-Dollar lag. Und im Jahr 2020, als die US-Sanktionen noch nicht voll griffen, sogar bei 140 Milliarden US-Dollar.
Geht es nach der US-Regierung, bekommt Huawei bald noch größere Schwierigkeiten. Bisher gab es Ausnahmegenehmigungen für US-Unternehmen, die Geschäfte mit dem chinesischen Konzern machen wollten. Vor allem die Chip-Produzenten Intel und Qualcomm nutzten diese Handelslizenzen. Doch diese Ausnahmen sollen zukünftig gestrichen werden.
Huawei begann in atemberaubender Geschwindigkeit, sein Geschäftsmodell zu diversifizieren. Vor allem in der Automobilbranche sieht der Konzern die Möglichkeit, neue Einnahmequellen zu erschließen. Dafür entwickelte Huawei zwei unterschiedliche Produktstrategien: Huawei Inside, das sich an Endverbraucher richtet, und Huawei Smart Selection als Angebot für Geschäftskunden.
Bei Huawei Inside (HI) handelt es sich um das Smart-Car-System des Konzerns, mit dem Funktionen des Autos gesteuert werden. Huawei Smart Selection dagegen ist ein Vertriebskanal, den Huawei verschiedenen Entwicklern zur Verfügung stellt und im Gegenzug Mitspracherecht bei Entwicklung und Marketing erhält. Beide Lösungen werden konzernintern als konkurrierende Produkte gesehen.
Der geschasste Wang Jun war für Huawei Inside verantwortlich. Er verfehlte die Ziele des Konzerns. Jetzt möchte sich Huawei auf die Smart Selection Lösung konzentrieren. Dafür soll nach eigener Angabe eine Automobil-Allianz entstehen. Vorbild dafür ist die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Autobauer Seres, dessen Fahrzeuge auch in Huawei-Shops angeboten werden. Das Betriebssystem stammt von Huawei.
Yu Chengdong, Vorsitzender der Huawei Technologies Consumer Business Group, erklärte gegenüber Caixin Global, dass dem Automarkt ein derart drastischer Wandel bevorstehe, wie vor zehn Jahren dem Handy-Markt. Unternehmen, die mit Huawei in der Smart-Selection-Allianz zusammenarbeiten würden, würden zu den wenigen Überlebenden in der Branche gehören, prognostizierte er selbstbewusst.
Das Selbstvertrauen hat seinen Grund. Im vergangenen Jahr 2022 hat sich der Absatz der Seres-Autos auf 80.041 Stück versechsfacht. Im Jahr 2025 soll das Smart-Selection-Modell erstmals Gewinn erwirtschaften, so Yu. Dafür wolle sich Huawei auf Premium-Fahrzeuge oberhalb von 200.000 Yuan (rund 29.000 US-Dollar) konzentrieren. Bei einem geringeren Preis würde der Konzern Verluste erwirtschaften.
Mit Chery, JAC Motors und CATL hat Huawei bereits neue Partnerschaften geschlossen, um das Projekt voranzubringen. Ein eigenes Elektroauto käme allerdings auch in Zukunft für Huawei nicht infrage, so Yu weiter. Mit Audi und Volkswagen (jeweils schon seit 2018) kooperieren auch deutsche Hersteller bei der Fahrzeugentwicklung mit Huawei.
Schon vor den US-Sanktionen wollte die Kommunistische Partei das Land unabhängiger von ausländischer, industrieller Spitzentechnologie machen. Das Programm Made in China 2025 ist eine detaillierte Strategie zur technologischen Aufrüstung der chinesischen Industrie. Dank ‘Made in China 2025’ machten chinesische Firmen beachtliche Fortschritte bei der Produktion von Hochleistungs-Chips.
Dieser Strategie widmet sich Horst Löchel in einer Abhandlung. Er ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Direktor an der Frankfurt School of Finance & Management und Honorarprofessor an der China Europe International Business School (CEIBS). “Der wahrscheinlichste Ausgang der ‘Made in China 2025’-Strategie ist deshalb, wie bereits von anderen Analysen betont, der weitere Aufstieg nationaler Champions.” Löchel ist überzeugt: Auch Huawei wird dabei sein.
China plant, Dutzende neue Kohlekraftwerke zu bauen. Das geht aus einer Analyse der beiden Denkfabriken Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) und Global Energy Monitor (GEM) hervor. Demnach genehmigten die zuständigen Behörden im vergangenen Jahr Anlagen mit einer Gesamtleistung von 106 Gigawatt. Das sind viermal so viele wie im Jahr zuvor. Und umgerechnet sind das Genehmigungen für etwa zwei Kraftwerke pro Woche.
Chinas neuer Kohleboom ist ein herber Rückschlag im Kampf gegen die Klimakatastrophe. Schon jetzt stößt die Volksrepublik mehr als doppelt so viel CO₂ aus wie der zweitgrößte Emittent, die Vereinigten Staaten.
“Die Geschwindigkeit, mit der 2022 Projekte vorangetrieben wurden, war außergewöhnlich”, sagte die GEM-Analystin Flora Champenois. Viele Projekte hätten innerhalb weniger Monate Genehmigungen wie auch Finanzmittel erhalten.
Allerdings gibt es auch gewichtige Gründe für den Ausbau: Regierungsangaben zufolge sollen die neuen Anlagen die Stabilität des Stromnetzes gewährleisten und Blackout-Risiken minimieren: Mitte 2021 erlebte das Land zahlreiche Stromausfälle aufgrund von Problemen bei der Kohleversorgung. 2022 brach nach einer langen Dürre die Erzeugung von Elektrizität aus Wasserkraft ein. Seither steht Energiesicherheit weit oben auf der Agenda in Peking.
Die Autoren der vorliegenden CREA-GEM-Studie widersprechen jedoch: “Diese Rechtfertigung ist nicht stichhaltig, da die Kraftwerke mit Grundlast betrieben werden sollen und die speziellen Provinzen beim Ausbau der sauberen Energieerzeugung schlicht hinterherhinken.”
Ein plausibler Grund ist hingegen das noch immer schlecht ausgebaute Stromnetz. Viele Provinzen bauen deshalb lieber eigene Kohlekraftwerke, anstatt Strom aus anderen Landesteilen zu beziehen.
Die nun genehmigte Gesamtleistung von 106 Gigawatt ist der höchste Wert seit 2015 – dem Jahr, in dem Chinas Regierung zusammen mit rund 200 anderen Staaten das Pariser Klimaabkommen unterzeichnete. Und zum Vergleich: Alle Kohlekraftwerke in Deutschland haben zusammen eine installierte Leistung von knapp 40 Gigawatt. rad
Der vor rund anderthalb Wochen vermisst gemeldete Milliardär Bao Fan befindet sich offenbar in Gewahrsam chinesischer Behörden. Eine entsprechende Mitteilung setzte seine in Hongkong ansässige Investmentbank China Renaissance am Sonntag ab. Die Bank teilte mit, ihr Gründer sei zurzeit Teil einer offiziellen Untersuchung und kooperiere mit den Behörden in der Volksrepublik. Sie kündigte zudem an, “ordnungsgemäß” mit den Behörden zusammenarbeiten zu wollen.
Mit der Meldung vom Wochenende bestätigten sich Vermutungen, dass Bao keineswegs einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen, sondern von chinesischen Behörden vorübergehend verschleppt worden ist. Die Verklausulierung, er “kooperiere” in einer Untersuchung, nutzen chinesische Behörden regelmäßig, um das spurlose Verschwinden prominenter Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft zu erklären. In der Regel verbirgt sich dahinter eine Drohung an die Betroffenen.
Der chinesische Staat zwingt einflussreiche Persönlichkeiten zur “Zusammenarbeit”, wenn sie ihm zu mächtig oder aufmüpfig erscheinen. Zuletzt war vor zwei Jahren Jack Ma verschwunden, der Gründer von Alibaba. Davor waren bereits Guo Guangchang von Fosun oder Ren Zhiqiang von der Huayuan Real Estate Group zeitweilig unauffindbar. Ren hatte Xi Jinping wegen seiner Corona-Politik einen Clown genannt und sitzt seitdem im Gefängnis.
Genaue Hintergründe im Fall Bao Fan sind bislang jedoch nicht bekannt. Dass er sich jedoch nicht aus freien Stück bei seiner Familie oder seinen Angestellten melden konnte, deutet darauf hin, dass er nicht frei über seine Handlungen entscheiden kann.
Mitte Februar hatte die Bank über die Hongkonger Börse mitgeteilt, dass sie nicht wisse, wo sich ihr Chef aufhalte und sie keinen Kontakt zu Bao herstellen könne. Der Aktienkurs der Bank, die vor allem im Investmentbanking und der Vermögensverwaltung tätig ist, war daraufhin abgestürzt. grz
China hat neue Berichte zurückgewiesen, wonach das Coronavirus in Folge einer Laborpanne entstanden sein könnte. Pekings Außenamtssprecherin Mao Ning sagte am Montag in Peking, die Suche nach dem Ursprung des Virus sei eine wissenschaftliche Angelegenheit und solle “nicht politisiert” werden.
Am Wochenende hatte das “Wall Street Journal” berichtet, das US-Energieministerium habe seine Einschätzung zum Ursprung des Coronavirus geändert. Dort würde man nun von einer möglichen Laborpanne ausgehen. Allerdings vermutet das Ministerium dies mit einem nur “niedrigen” Grad der Gewissheit.
Der geheime Bericht sei dem Weißen Haus und Mitgliedern des Kongresses vorgelegt worden. Damit schließt sich das US-Energieministerium der Einschätzung der Bundespolizei FBI an. Andere US-Behörden sind allerdings auch weiterhin der Ansicht, dass das Virus wahrscheinlich auf natürliche Weise übertragen wurde.
Die Schlussfolgerung des Energieministeriums beruhe dem Zeitungsbericht zufolge auf neuen Erkenntnissen. Allerdings lässt der Bericht offen, um welche Art von Erkenntnissen es sich handeln soll. Laut “Wall Street Journal” sei die Einstufung des Energieministeriums bedeutend, da die Behörde über beträchtliches wissenschaftliches Fachwissen verfüge und ein Netz von nationalen US-Laboratorien beaufsichtigt, von denen einige fortschrittliche biologische Forschung betreiben.
In Peking hieß es zu Wochenbeginn hingegen: Schon die Forschungsmission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) habe zusammen mit chinesischen Wissenschaftlern bei ihren Untersuchungen 2021 in Wuhan festgestellt, dass eine Laborpanne “extrem unwahrscheinlich” sei. Es müsse endlich aufgehört werden, die Labortheorie aufzubauschen und China zu verleumden, forderte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums. Allerdings hatten WHO-Mitarbeiter damals auch von stark eingeschränkten Recherche-Möglichkeiten und mangelnder Bewegungsfreiheit berichtet. rad
Rund 200 Menschen haben auf dem Liberty Square in Taipeh am Jahrestag der russischen Invasion ihre Solidarität mit den Ukrainern bekundet. Organisiert wurde die Demonstration von der Gruppe Taiwan Stands With Ukraine, die kurz nach Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 ins Leben gerufen worden war. Unter den Demonstranten waren auch einige in Taiwan lebende Ukrainer, die nach dem Ausbruch des Krieges auf die Insel geflohen sind.
In Taiwan wird der Ukraine-Krieg angesichts der Bedrohung vom chinesischen Festland besonders aufmerksam verfolgt. In einer am Freitag veröffentlichten Presseerklärung forderte das taiwanische Außenministerium Moskau auf, “die militärische Aggression gegen die Ukraine unverzüglich einzustellen” und “die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren”.
Bei der Kundgebung am Samstag erklärte die Stadträtin von Taipeh, Miao Po-ya, das ukrainische Volk habe im vergangenen Jahr seine Widerstandsfähigkeit und Entschlossenheit im Kampf gegen die russischen Streitkräfte bewiesen. Sie würden nicht nur für ihr Land kämpfen, sondern auch für Freiheit und Demokratie in der Welt verteidigen, erklärte die Politikerin der Sozialdemokraten. Neben ihr nahmen auch die Vorsitzende der New Power Party und eine Sprecherin der regierenden Demokratischen Fortschrittspartei an der Versammlung teil. fpe
Tobias ten Brink untersucht an der Constructor University in Bremen das System China. Genauer gesagt den dynamischen Wandel und die Widersprüche, die Chinas Gesellschafts- und Wirtschaftssystem ausmachen. Seine Gegner sind Spekulation und Stereotype. Ten Brink erklärt: “Mir geht es darum, ein Othering Chinas zu vermeiden. Das heißt, Prozesse in China nicht als völlig andersartig im Vergleich zu anderen Schwellenländern und kapitalistisch dominierten Modernisierungsprozessen zu verstehen.”
Was er damit meint, erklärt ten Brink am Beispiel Innovation: Früher sei China die Werkbank der Welt gewesen, und wie in anderen Industrialisierungsprozessen war die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte entscheidend für das Wirtschaftswachstum. Um aber langfristig erfolgreich zu sein, müsse China seit einiger Zeit hochwertiger produzieren, so wie andere Länder auch. Und dafür brauche es Ideen und Forschung, erklärt ten Brink.
Deswegen verfolge China eine sehr aktive Industrie- und Innovationspolitik, auch in enger Kooperation mit den eigenen Unternehmen. Dass in China technologische Innovation teilweise von oben angeordnet wird, ist laut ten Brink nicht automatisch kontraproduktiv. Der Westen müsse lernen, dass Demokratie und Freiheit nicht der einzige Garant für technologische Innovation sein. “Es scheint, Professoren oder Ingenieure, die Batterien für Elektroautos entwickeln, brauchen nicht notwendigerweise ein Wahlrecht, um ihrer Arbeit nachzugehen”, sagt ten Brink. Und er erinnert daran, dass ein zentraler Innovationstreiber in den USA lange das kommandowirtschaftlich organisierte Militär war.
Ten Brink selbst begleitet Chinas Aufstieg seit den 2000er-Jahren. Am Anfang sind es die großen Fragen, die ten Brink erst als Doktorand in Frankfurt und dann als Dozent und Forscher in Köln, New York und Guangzhou erforscht: Welche Art Kapitalismus entwickelt sich in China, und was sind die Quellen von Chinas rasantem Wachstum? Er sucht sie in seiner Habilitation zu Chinas Kapitalismus, die 2019 preisgekrönt bei dem renommierten Universitätsverlag University of Pennsylvania Press erscheint.
Mit dabei ist immer sein, wie er sagt, “politökonomischer Scheinwerfer”. Denn zentral für seine Herangehensweise sei es, auf die Verbindung von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Akteuren zu schauen. Das tut ten Brink auch bei seiner Forschung zu Chinas Sozialsystem.
Für ten Brink sind die geringen Löhne der Wanderarbeiter immer noch ein Wettbewerbsvorteil für China. Um aber die Binnennachfrage anzukurbeln, wäre es ein sinnvolles Instrument, nicht nur die städtischen Angestellten, sondern auch die Wanderarbeiter und die Landbevölkerung besser abzusichern. Ten Brink vergleicht: Das sei auch in anderen Industriestaaten erst im Laufe der Zeit erreicht worden und könne auch in China nur gegen den Widerstand der Unternehmen durchgesetzt werden.
Ob es dazu kommt, hat in China die Kommunistische Partei zu entscheiden, die ten Brink eine “vergleichsweise handlungsfähige autoritäre Agentur zur Förderung der wirtschaftlichen Modernisierung” nennt. Das ist sprachlich nicht nur sehr gewandt, sondern widerspricht im Übrigen auch denen, die die Ära Xi Jinping als absolute Zäsur sehen. Denn die aktive Rolle des Staates in der Wirtschaft ist laut ten Brink nichts Neues. “Das hat sich mit Xi Jinping verstärkt, aber nicht mit ihm angefangen. Eine Kernvorstellung lautet immer noch: Wachstum mit allen Mitteln.” Jonathan Lehrer
Sebastian Dingert ist für den deutschen Autobauer Audi von Ingolstadt nach Peking gezogen. Dingert arbeitet dort seit Beginn des Jahres als Product Manager Audi e-tron Sportback. Zuvor war er in der bayerischen Firmenzentrale Executive Assistant der Produktmarketing-Leitung.
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Mit dem Ende der Covid-Restriktionen kehren chinesische Touristen zunehmend an die Hotspots des internationalen Tourismus zurück. Hier markieren zwei Damen Herzen im russischen St. Petersburg.