Table.Briefing: China

Geely erfindet Smart neu + Druck auf Kuka

  • Geely krempelt Smart um
  • Augsburger Roboterhersteller läuft Erwartungen hinterher
  • E-Autos werden noch länger subventioniert
  • AHK-Umfrage: Expats wollen China verlassen
  • Produktion von Halbleitern stockt
  • Standpunkt: Mehr Transparenz bei Chip-Subventionen
  • Personalien: Julian Konrad wechselt von Audi zu SAIC/Volkswagen
Liebe Leserin, lieber Leser,

die Automarke Smart hat schon einige Wiedergeburten erlebt. Doch nie wurde der Kleinwagen aus dem Hause Mercedes so umgekrempelt wie jetzt: Der neue Smart #1, der unter der Schirmherrschaft des chinesischen Geely-Automagnaten und Daimler-Großaktionärs Li Shufu entstanden ist, hat mit dem ursprünglichen Modell nur noch wenig zu tun. Größer, schwerer und digitaler kommt der vollelektrische Mini-SUV daher. 

Das wirklich besondere ist jedoch, dass das Auto weder ein chinesisches noch ein europäisches Produkt sein will. Mercedes liefert die Marke, das Design und den Vertrieb, der Rest kommt von Geely. Erstmals produziert damit ein europäischer Hersteller in China für den europäischen Markt und gibt dafür erhebliche Teile von Forschung, Entwicklung und Produktion ab, schreibt Christian Domke-Seidel. Ein Modell, das bald schon Schule macht? 

Weniger Schule machen dürfte der Fall Kuka. Als vor sechs Jahren der nicht zuletzt auch für die Autoindustrie wichtige Roboterhersteller Kuka vom chinesischen Hausgerätehersteller Midea gekauft wurde, war der Aufschrei groß: Mit dem Augsburger Unternehmen würden deutsches Know-how und Technologie billigend nach China abgegeben. Kuka stehe exemplarisch für den Ausverkauf Deutschlands. Am Dienstag hat der chinesische Mutterkonzern Midea den nächsten großen Schritt vollzogen und das Unternehmen quasi komplett übernommen. Frank Sieren nimmt das zum Anlass, um Bilanz zu ziehen, ob sich die Übernahme für den chinesischen Besitzer bislang bezahlt gemacht hat.

Viele neue Erkenntnisse!

Ihr
Felix Lee
Bild von Felix  Lee

Analyse

Geely rettet Smart

Der Smart #1, ein Gemeinschaftsprodukt von Mercedes und Geely, soll sowohl in Europa als auch in China beheimatet sein.
Schon rein optisch ist der neue Smart kaum wiederzuerkennen.

Mercedes hat seine Marke Smart schon oft auf links gedreht. Noch vor der Einführung kippte der Hersteller die Pläne, wonach es ein Elektroauto werden sollte. Damit vergraulten sie damals ihren Ex-Partner Nicolas Hayek, den Erfinder der Uhren-Marke Swatch. Dann folgte ein Rettungsversuch durch eine Kooperation mit Nissan. Doch auch die Wiederbelebung des Smart mit den Franzosen führte zu keinem Erfolg. In der Folge verkaufte Mercedes 50 Prozent der Marke an Geely. Kein Wunder: Deren Gründer Li Shufu ist der zweitgrößte Mercedes-Aktionär.

Mit diesem Strategiewechsel stellt Mercedes aber nicht nur die Marke auf den Kopf, sondern auch Gewissheiten des globalen Automarktes. Erstmals produziert ein europäischer Hersteller in China für den europäischen Markt, gibt dafür erhebliche Teile von Forschung, Entwicklung und Produktion ab und importiert die Fahrzeuge nach Europa. Das Ergebnis dieser Liaison ist der Smart #1. Ein Elektro-SUV, der deutlich macht, dass es Mercedes ernst meint mit dem Reboot des Fahrzeugs.

Abgesehen vom Markennamen ist nichts beim Alten geblieben. Schon rein optisch ähnelt das Auto nun eher einem Mini Countryman. Auch technisch ist das Fahrzeug nicht wiederzuerkennen. Und selbst die Strategie hinter dem Fahrzeug hat Mercedes dieses Mal nahezu revolutioniert. Ohne chinesischen Partner wäre das kaum denkbar gewesen. Je 355 Millionen Euro haben die beiden Unternehmen in das Gemeinschaftsprojekt investiert (China.Table berichtete).

Produktion in China, Verkauf in Europa

Der Smart #1 ist 4,27 Meter lang (fast zwei Meter länger als der ursprüngliche Namensgeber) und damit ein Kompaktwagen auf Niveau des VW Golf. Der Elektromotor hat 272 PS – der erste Smart von 1998 leistete zwischen 41 und 75 PS. Das Leergewicht wuchs auf 1.850 Kilogramm. Noch vor 20 Jahren waren es gerade einmal 750 Kilogramm. Es zeigt, dass Mercedes und Geely keinen Stein auf dem anderen gelassen haben.

Auch hinter den Kulissen nicht. Mercedes liefert die Marke, das Design und den Vertrieb, der Rest kommt von Geely. Ein Novum. Und ein Fingerzeig für die Zukunft. Bis vor kurzem gab es für europäische Hersteller noch eine Joint-Venture-Pflicht. Die Kommunistische Partei wollte sicherstellen, dass Knowhow und Wertschöpfung im Land bleiben. So wurde die heimische Automobilindustrie geschützt. Das Resultat war schnell sichtbar. Fahrzeuge von Nio oder Aiways, die in Europa erhältlich sind, stehen der europäischen Konkurrenz in Sachen Verarbeitungsqualität in nichts nach (China.Table berichtete).

Mehr noch: Massive Subventionierungen von Elektroautos und eine digitalaffine Kundschaft krempelten den chinesischen Automarkt um. Und das in einer Geschwindigkeit, die vielen europäischen und deutschen Herstellern zu hoch war (China.Table berichtete). Elektro-Start-ups aus der Volksrepublik verstanden die heimischen Kunden besser. Während europäische Hersteller einfach nur Benzin- durch Elektromotoren ersetzten und große Touchscreens verbauten, entwickelten chinesische Hersteller smarte, vernetzte und durchdigitalisierte Punktlandungen

Europäische Hersteller brauchen die Hilfe chinesischer Firmen schlichtweg, um moderne Elektroautos auf die Straße zu bringen. Der Smart #1 teilt sich die technische Plattform mit anderen Modellen von Geely. Damit profitiert das Modell einerseits von Skaleneffekten, wird aber auch nicht mehr in Europa gefertigt. Längst hat Mercedes sein Werk in Hambach an Ineos Automotive verkauft, den Auto-Ableger eines britischen Chemie-Konzerns. Die wollen dort – neben Aufträgen für Mercedes – den Geländewagen Grenadier fertigen.

Die Strategie hinter Smart steht auf zwei Säulen. Erstens soll eine ganze Produktfamilie entstehen und zweitens will sich Mercedes auf Europa und China konzentrieren – die beiden größten Märkte für Elektroautos. Das erste Ziel ist es, den Absatz von aktuell 39.000 Stück pro Jahr auf 150.000 Stück beinahe zu vervierfachen. Auto-Analyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI schätzt, dass Smart seinem Mutterkonzern aktuell einen jährlichen Verlust von 500 bis 700 Millionen Euro beschert. Das soll sich ändern.

“Dual Home”-Strategie von Mercedes und Geely 

Mit dem Smart verfolgen Mercedes und Geely zukünftig die Strategie des “Dual Home”. “Wir definieren dieses Produkt weder als chinesisches noch als europäisches Produkt. Der neue Smart #1 ist wie die Marke Smart selbst ein Weltprodukt“, erklärte ein Firmensprecher gegenüber Table.Media. Ohne allerdings weltweit angeboten zu werden. 

Da chinesischen Herstellern in Europa, vor allem aber in Deutschland, lange Zeit Vorurteile wegen vermeintlich schlechter Verarbeitungsqualität entgegenschlugen, will Smart vor allem in diesem Bereich alles richtig machen. So führt der Sprecher weiter aus: “Smart arbeitet mit vertrauenswürdigen, internationalen Top-Tier-Lieferanten zusammen, die alle verpflichtet sind, ein Qualitätsmanagementsystem nach IATF16949 einzurichten und für die Einhaltung des Null-Fehler-Ziels verantwortlich sind.” Unter anderem sind Continental, Magna, Hella, Qualcomm und Bosch beteiligt. 

Der zweite Aspekt ist eine Diversifizierung des Modellprogramms. “Smart hat sich von einer Ein-Auto-Marke im Mikrosegment zu einer mit einem Multi-Produktportfolio entwickelt”, erklärt der Unternehmenssprecher. Bislang ist diese Aussage falsch. Noch gibt es nur ein SUV. Aber bereits bei der Präsentation des Smart #1 erklärte Dirk Adelmann, CEO der Smart Europa GmbH: “Wir planen relativ konkret weitere Produkte.” Die Plattform von Geely würde es möglich machen, den Smart unkompliziert zu erweitern. 

Geely bringt Mercedes Digitalisierung bei

Auch technisch macht der Smart #1 einen großen Schritt nach vorne. So lässt sich der Wagen beispielsweise per App öffnen, schließen und starten. Das bedeutet, dass Besitzer des Smart #1 ihr eigenes kleines Carsharing betreiben könnten, wenn sie wollen. Knöpfe und Schalter im Innenraum sind Mangelware. Ein riesiger Monitor dominiert die Mittelkonsole und erinnert stark und sicherlich nicht zufällig an Tesla-Modelle. Eine lernende KI kümmert sich um Sprachbefehle und wird per Avatar dargestellt. Der 66 kWh starke Akku kann an AC-Säulen mit bis zu 22 kW geladen werden. Standard bei Elektroautos sind 11 kW. 

Geely hilft Mercedes also auch dabei, digitaler zu werden und Elektroautos nicht mehr nur als umgebaute Benziner zu verstehen. Genau daran scheitern aus Sicht chinesischer Kunden deutsche Hersteller (China.Table berichtete). In der zweiten Jahreshälfte 2022 soll das Fahrzeug nach Deutschland kommen und dann über das Mercedes-Vertriebsnetz verkauft werden. In der Volksrepublik kostet der Smart #1 umgerechnet zwischen 27.000 und 33.000 Euro. 

  • Autoindustrie

Management erwartet mehr von Kuka

Kuka wurde 2016 an Midea aus China verkauft.
Kuka ist seit sechs Jahren chinesisch.

Der größte deutsche Industrieroboterhersteller Kuka ist erfolgreich in das neue Geschäftsjahr gestartet. Zwischen Januar und März stiegen die Umsätze des Augsburger Konzerns um 18,3 Prozent auf 853,4 Millionen Euro. Kuka verzeichnete mit knapp 1,3 Milliarden Euro zudem ein um rund 42 Prozent höheres Auftragsvolumen. In China verdoppelte sich gar die Zahl der Aufträge. Die dortigen Umsätze stiegen um 61,2 Prozent. Noch liegen Deutschland und die USA mit 28 und 27 Prozent beim Konzernumsatz vorne. China folgt jedoch bereits auf Platz drei mit 17 Prozent.

Es wird auch höchste Zeit aus Sicht des chinesischen Managements, dass Kuka endlich abwirft, was der Name den neuen Besitzern versprochen hatte. Die Umsätze von Kuka bewegten sich jahrelang im Krebsgang: 2021 waren sie mit 3,3 Mrd. Euro nur etwas besser als 2016 mit 2,9 Mrd. Euro. Mideas Vizepräsident Andy Gu hatte bereits Druck gemacht und zeigte sich “definitiv nicht zufrieden” mit Kukas Abschneiden. Auch deshalb steht dem neuen Geschäftsführer Peter Mohnen in Alexander Tan nun ein chinesischer Finanzchef zur Seite.

Zumindest der Start ins neue Jahr könnte nun für die erhoffte Beschleunigung sorgen. Zumal die Prognosen gut sind. Laut einem Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG will Kuka den Umsatz in China bis 2024 um jährlich 30 Prozent steigern. Bis 2027 soll der Umsatz in der Volksrepublik von 589 Millionen Euro auf 2,35 Milliarden Euro klettern. Das wären 40 Prozent der Gesamterlöse, die dann vor allem mit auf den chinesischen Markt zugeschnittenen Kleinrobotern und Software generiert werden sollen.

Die verbliebenen Kleinaktionäre sollen gehen

2016 war Kuka mehrheitlich vom chinesischen Hausgerätehersteller Midea übernommen worden. Auch weil keine westlichen Gegenangebote gemacht wurden. In der Folge änderte die Bundesregierung sogar das Außenwirtschaftsgesetz, um in Zukunft mehr Mitspracherechte bei Firmenverkäufen zu haben. Inzwischen befinden sich mehr als 95 Prozent der Kuka-Anteile im Besitz von Midea. Wie kürzlich bekannt wurde, sollen bei der Hauptversammlung am 17. Mai die letzten deutschen Kleinaktionäre aus dem Unternehmen herausgekauft werden. Das Unternehmen hatte zudem im November überraschend den Rückzug von der Börse verkündet.

So soll das Unternehmen jenseits der Zwänge, Quartalszahlen veröffentlichen zu müssen, in Ruhe wachsen können. Denn Geld von Börsenanlegern braucht Kuka nicht. Das hat die Muttergesellschaft genug. Zwischen 2016 und 2021 hat sich der Midea-Umsatz mehr als verdoppelt auf über 53 Milliarden US-Dollar. Ähnlich entwickelte sich der Gewinn.

Die Diskrepanz zwischen dem Erfolg von Midea und der Seitwärtsbewegung von Kuka, setzt das Kuka-Management unter Druck. Auch wenn man beide Branchen nur bedingt vergleichen kann und die Marktposition von Kuka eine andere ist. Die Weltmarktanteile des japanischen Marktführers Fanuc und des Schweizer-schwedischen Roboterherstellers ABB sind jeweils fast doppelt so groß wie die von Kuka. Es folgen ein japanischer und ein italienischer Hersteller. Kuka rangiert wie 2016 auf Platz fünf.

800 Millionen Euro von Midea für Kukas Forschung

Midea will bis 2025 rund 800 Millionen Euro in Kukas Forschung und Entwicklung stecken. So viel wie noch nie. “Ein Löwenanteil davon geht nach Augsburg“, betont Mohnen, “denn dort entwickeln wir Steuerungen, Software und Mechatronik.”

Der Betriebsrat zieht mit. Aufsichtsratsvize Michael Leppek von der IG Metall stützt den Kurs: “Wir geben eine wenig effektive Börsennotierung auf gegen einen gemeinsamen Wachstumsplan und langfristige Zusagen für Kuka mit dem Schwerpunkt auf Produktion und Technologien.”

So hält die Verbindung einstweilen: Die Chinesen brauchen das Know-how der Deutschen; die Deutschen das Geld und das Netzwerk in China. Klar ist jedoch: Es muss immer auch in China entwickelt und produziert werden. Schon heute produziert Kuka in Shanghai und Shunde in der südchinesischen Provinz Guangdong, dem Hauptstandort von Midea.

Die Lebensversicherung für Augsburg: Bei Forschung und Entwicklung besser bleiben als die Chinesen. 2021 stellte Kuka auf der digitalen Hannover Messe Teile eines neuen Betriebssystems vor, mit dem das Programmieren von Robotern so einfach werden soll wie das Arbeiten am Computer.

Wichtiges Roboter-Entwicklungsland

Obwohl China schon jetzt den größten Bestand an Industrierobotern hat, stammt ein Großteil noch immer aus ausländischer Herstellung. Allein im Jahr 2020 wurden in China 168.000 Roboter neu installiert. Laut Branchenverband IFR lag der Marktanteil der ausländischen Anbieter zuletzt bei 73 Prozent.

Peking möchte das so schnell wie möglich ändern und hat einen zweiten Entwicklungsplan für die Robotik in den 14. Fünfjahresplan aufgenommen. Die Robotik sei “die Schlüsseltechnologie der modernen Industrie”, erklärt Song Xiaogang, der Generalsekretär der China Robot Industry Alliance (CRIA).

Bei der Roboterdichte – Maschinen pro 10.000 Arbeiter – liegt China mit 246 Einheiten im globalen Ranking auf Platz neun. 2017 war es noch der 25. Platz mit 49 Robotern. Weltweit führend in Sachen Industrie-Roboter ist derzeit Südkorea. Hier kamen im Jahr 2020 auf 10.000 Arbeiter 932 Roboter. Deutschland belegt mit 371 Einheiten den vierten Platz.

Die Chance von Kuka als chinesisches Unternehmen: Weltweit spielen chinesische Roboterbauer kaum eine Rolle. Innerhalb Chinas lieferten heimische Anbieter wie Efort und Siasun zuletzt um die 45.000 Roboter aus, was einem Marktanteil von 27 Prozent entspricht. Zweitdrittel des Marktes werden also noch von ausländischen Unternehmen bedient. Das will Peking ändern.

  • Handel
  • Industrie
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News

Verlängerung der E-Auto-Subventionen möglich

China erwägt offenbar eine Verlängerung der auslaufenden Kaufsubventionen für Elektroautos. Die Behörden seien dazu in Gesprächen mit den Autobauern, berichtete Reuters am Mittwoch unter Berufung auf drei ungenannte Quellen. Mit dem Erhalt der teuren Zuschüsse zunächst bis 2023 solle das Wachstum des Segments trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Flaute gestützt werden. Details sind laut Reuters noch nicht bekannt.

Wegen der Corona-Pandemie war das Subventionsprogramm bereits für zwei Jahre verlängert worden. Ursprünglich hatten die Zahlungen schon 2020 auslaufen sollen. Den großzügigen Subventionen wird die Schaffung des weltgrößten Marktes für Elektrofahrzeuge zugeschrieben. Seit dem Startschuss im Jahr 2009 wurden nach Schätzung von Shi Ji, einem Autoanalysten bei der China Merchants Bank, bis Ende 2021 rund 100 Milliarden Yuan (14,1 Milliarden Euro) an Käufer von Elektroautos, einschließlich kommerzieller Flottenbetreiber, ausgezahlt. Über die Jahre hatte die Regierung schrittweise das Niveau der Zahlungen pro Fahrzeug abgesenkt.

Neue Subventionen für ländlichen Raum

Das China Securities Journal hatte zudem am Dienstag berichtet, dass es ab Juni Subventionen für den Autokauf – einschließlich Elektroautos – im ländlichen Raum von bis zu 5.000 Yuan (gut 700 Euro) pro Fahrzeug geben soll. Einige Provinzen, darunter Guangdong und Chongqing, hatten im April ebenfalls Zahlungen für Kunden eingeführt, die im April ihre alten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gegen neue Elektroautos eintauschen.

Auf dem chinesischen NEV-Markt machen kleinere batteriebetriebene Stadtautos, von denen die meisten nicht für Subventionen in Frage kommen, laut Reuters 40 Prozent der Stromer-Verkäufe aus. Diese Vehikel kosten im Durchschnitt umgerechnet nur knapp 4.000 US-Dollar (China.Table berichtete). Subventionen werden derzeit für größere Modelle mit einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern pro Batterieladung und einem Preis von bis zu 300.000 Yuan (42.340 Euro) vergeben.

Nach Daten des Auto-Verbandes CAAM stiegen die Elektroauto-Verkäufe in China im April um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das klingt gut; der Zuwachs war allerdings deutlich geringer als im März, als der Absatz mehr als doppelt so hoch lag wie ein Jahr zuvor. Der Grund dürften die Omikron-Welle mit ihren vielen Lockdowns sein. rtr/ck

  • Autoindustrie
  • CAAM

AHK: Deutsche Unternehmen leiden unter Lockdowns

Nur ein kleiner Teil der deutschen Unternehmen in China kann unter den aktuellen Corona-Maßnahmen den Betrieb fortsetzen. Das hat eine Blitzumfrage der Außenhandelskammer in China ergeben. An der Umfrage Anfang Mai nahmen 460 Unternehmen teil. Fast drei Viertel von ihnen sind aktuell von mehr oder weniger strengen Corona-Maßnahmen betroffen.

In Gegenden, in denen Lockdowns gelten, sind rund 19 Prozent der deutschen Unternehmen weiterhin tätig, allerdings in dem sogenannten Closed-Loop-System. Aufgrund der Maßnahmen erreichen sie im Durchschnitt nur 46 Prozent ihrer üblichen Kapazität. Gründe dafür sind laut den Unternehmen Logistikprobleme, fehlende Rohstoffe und vorproduzierte Teile, Unsicherheit durch häufig wechselnde politische Vorgaben und Mitarbeiter, die ihre Wohnanlage oder ihren Stadtteil nicht verlassen können, um zur Arbeit zu kommen.

Mehr als 25 Prozent der befragten deutschen Unternehmen in China würden den Betrieb gerne fortsetzen, sind dazu aber nicht in der Lage. Als Gründe führen sie langwierige und schwierige Antragsprozesse, schwer zu erfüllende Auflagen und als zu hoch empfundene Risiken an.

Ein weiteres Problem kommt erst noch auf die Unternehmen zu: Fast ein Drittel (28 Prozent) der ausländischen Mitarbeiter in China planen, das Land wegen der strengen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zu verlassen. Während 18 Prozent noch darauf warten wollen, bis ihr Arbeitsvertrag ausläuft, planen zehn Prozent, bereits vorzeitig und trotz gültigen Arbeitsvertrages in ihr Heimatland zurückzukehren. Für die Unternehmen dürfte es schwierig werden, diese Mitarbeiter durch neues Personal aus dem Ausland zu ersetzen, insbesondere in Anbetracht von Chinas Corona-Maßnahmen, warnt Maximilian Butek von der DAHK in Shanghai. jul

  • Coronavirus
  • Gesundheit
  • Handel

So wenig Halbleiter wie 2020

Chinas monatliche Chipproduktion ist dramatisch zurückgegangen – und zwar auf den niedrigsten Stand seit 2020. Die Produktion integrierter Schaltkreise ging im April gegenüber dem Vorjahr um 12,1 Prozent auf 25,9 Milliarden Einheiten zurück. Das teilte das Nationale Statistikamt in Peking am Montag mit.

Der Rückgang in der Chipproduktion hat weitreichende Folgen: In Industriezweigen, die auf Chips angewiesen sind, kam es zuletzt zu dramatischen Produktionseinbrüchen. So verzeichnete beispielsweise Chinas Autofertigung im vergangenen Monat gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 43,5 Prozent. Die Produktion von Industrierobotern, die in Automontagebändern weit verbreitet sind, ging im vergangenen Monat gegenüber dem Vorjahr um 8,4 Prozent zurück.

Hinzu kommt Chinas strikte Null-Covid-Strategie: So wurde in Shanghai, wo vor dem Lockdown durchschnittlich rund 4.000 Fahrzeuge pro Tag verkauft wurden, im April kein einziges Fahrzeug verkauft. Das berichtet die Shanghai Automobile Dealers Association.

Derweil versucht China, die lokale Halbleiterproduktion anzukurbeln, um die Abhängigkeit von importierten Chips zu verringern. Im April vergangenen Jahres war die nationale Chipproduktion im Jahresvergleich um 29,4 Prozent auf 28,6 Milliarden Einheiten gestiegen. Auch die USA und die EU versuchen, ihren Anteil an der weltweiten Halbleiterproduktion zu steigern. Unter anderem wollen die USA China mit einer asiatischen Chip-Allianz auf dem Halbleitermarkt ausbremsen (China-Table berichtete). rad

  • Chips
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  • Handel
  • Technologie

Standpunkt

Chinas Chip-Subventionen im Vergleich

Von Jehan Sauvage und Christian Steidl, OECD
Christian Steidl und Jehan Sauvage, Politikanalysten bei der OECD über Halbleiter und deren staatliche Unterstützung -
aJehan Sauvage und Christian Steidl, Politikanalysten bei der OECD

Die Wertschöpfungskette von Halbleitern ist unglaublich komplex und erstreckt sich weltweit: Deren Herstellung ist nicht nur eine der forschungs- und entwicklungsintensivsten Aktivitäten, sie umfasst auch eine Reihe spezialisierter Fertigungsschritte, die von Firmen in der ganzen Welt durchgeführt werden. Die größten Halbleiterfirmen sind überwiegend in den Vereinigten Staaten, Südkorea, Europa und Japan ansässig (zum Beispiel Intel, Samsung, Infineon, und Kioxia). Viele Hersteller lagern die kapitalintensive Fertigung sowie Gehäusemontage- und Testtätigkeiten an spezialisierte Unternehmen in Chinesisch-Taipeh, China und Singapur aus. Einige, wie TSMC, haben sich zu Technologieführern bei der Bereitstellung von fortschrittlichen Chipfertigungsdiensten entwickelt. Auf ihre Dienste ist ein Großteil der Smartphones und Computer der Welt angewiesen. Unternehmen wie TSMC sind ihrerseits von wichtigen Lieferanten spezialisierter Präzisionsgeräte wie dem niederländischen Unternehmen ASML abhängig. Diese Zulieferer stellen beispielsweise die Lithografie-Maschinen her, die für die Halbleiterfertigung benötigt werden.

Da die Chipproduktion ein innovationsgetriebener, kapitalintensiver und strategisch wichtiger Sektor ist, ist staatliche Einmischung seit langem ein Merkmal der Halbleiterindustrie. Anfang der 1960er Jahre wurde die NASA zum Hauptabnehmer integrierter Schaltkreise und sorgte für eine stabile Nachfrage bei den US-Herstellern. Etwa zur gleichen Zeit richteten die chinesischen Behörden das Werk Nr. 742 in Wuxi als staatliche Ausbildungsstätte für Halbleiteringenieure ein. Frankreich gründete 1967 das CEA-Leti, ein auf Mikroelektronik spezialisiertes öffentliches Forschungszentrum. In den 1970er und 80er Jahren folgten die Behörden in Japan, Korea und Chinesisch-Taipeh, die alle die Halbleiterforschung und -entwicklung (F&E) durch öffentliche Institute wie ETRI und ITRI unterstützten. Auch die Vereinigten Staaten gründeten 1980 das Very High Speed Integrated Circuit Programm und 1987 das Forschungs- und Entwicklungskonsortium Sematech. 

Staatliche Eingriffe sind Merkmal der Chip-Industrie

Einem aktuellen OECD-Bericht über Subventionen in der Halbleiterindustrie zufolge haben 21 der weltweit größten Halbleiterunternehmen zwischen 2014 und 2018 mehr als 50 Milliarden US-Dollar an staatlicher Unterstützung erhalten. Davon entfielen zwei Drittel auf staatliche Zuschüsse und Steuervergünstigungen, darunter mehr als 15 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung von F&E-Ausgaben und 20 Milliarden in Form von Einkommensteuervergünstigungen und Investitionsanreizen. Ein weiteres Drittel der Unterstützung erfolgte in Form von Finanzierungen unter Marktniveau, das heißt Fremd- und Eigenkapital, welches die Unternehmen zu marktunüblich günstigen Konditionen erhielten.

Während alle untersuchten Unternehmen F&E-Förderung und in gewissem Umfang Steuervergünstigungen erhielten, scheint die Finanzierung unter Marktniveau weitgehend ein chinesisches Phänomen zu sein. Dies gilt insbesondere nach der Entscheidung Chinas, im Jahr 2014 einen nationalen Investitionsfonds für integrierte Schaltkreise sowie ähnliche Fonds auf Provinz- und Kommunalebene einzurichten. Diese Fonds haben seitdem einer Reihe wichtiger chinesischer Halbleiterhersteller, darunter SMIC, Hua Hong und Tsinghua Unigroup und deren Tochtergesellschaften, frisches Eigenkapital zugeführt. Außerdem besteht offenbar ein direkter Zusammenhang zwischen den Eigenkapitalerhöhungen durch Chinas Staatsfonds und dem Bau neuer Halbleiterfabriken.

Wenig Transparenz bei staatlicher Hilfe

Ein entscheidendes Problem aus handelspolitischer Sicht ist die mangelnde Transparenz der staatlichen Unterstützung und insbesondere der Finanzierung unter Marktniveau. Viele Regierungen legen die von ihnen gewährten Subventionen nicht offen. Dieses Problem verschärft sich noch im Fall von Finanzierungen unter Marktniveau. Der Nachweis einer solchen Unterstützung erfordert einen Vergleich mit einem marktbasierten Referenzwert, wofür detaillierte Methoden erst noch festgelegt oder vereinbart werden müssen. Mitunter fehlen auch Informationen über die Eigentumsstruktur von Unternehmen, was das wahre Ausmaß staatlicher Investitionen in Industrieunternehmen verschleiern kann. 

Einige Formen von Subventionen können notwendig sein, und dies gilt für die Halbleiterindustrie ebenso wie für andere Sektoren. Doch selbst F&E-Subventionen können marktverzerrend wirken, wenn sie schlecht konzipiert und umgesetzt werden. Eine Analyse der ZEW-Forscher Philipp Boeing und Bettina Peters zeigt beispielsweise, dass die von China zwischen 2001 und 2011 gewährten F&E-Subventionen bisweilen zweckentfremdet wurden, was die Wirksamkeit der F&E-Politik untergräbt und darauf hindeutet, dass ein gewisser Teil der F&E-Förderung möglicherweise für andere Zwecke wie den Ausbau von Produktionskapazitäten verwendet wurde (China.Table berichtete). Zwar gibt es gute wirtschaftliche Argumente für die Förderung von Forschung und Entwicklung. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass diese F&E-Unterstützungsmaßnahmen so gestaltet werden, dass sie den gesellschaftlichen Nutzen erhöhen und gleichzeitig die Kosten in Grenzen halten. Konkret: Innovationsanstrengungen, die Produktivität und Wohlstand steigern können, sollten im Vordergrund stehen. Wettbewerbsverzerrungen sollten vermieden werden.

China bei Halbleitern noch im Rückstand

Staatliche Eigenkapitalerhöhungen in der Halbleiter-Wertschöpfungskette haben Auswirkungen auf den Handel und den globalen Wettbewerb. Was sie für Handelsregeln und insbesondere für die Disziplinierung von Subventionen bedeuten, muss genauer untersucht werden. Eigenkapital unter Marktniveau gehört aufgrund seiner Eigenheiten wahrscheinlich zu den am schwierigsten zu identifizierenden und zu quantifizierenden Formen der Unterstützung. Daher ist mehr Transparenz erforderlich, die sich insbesondere auf Folgendes konzentrieren sollte:

  • das Ausmaß, in dem Staaten Anteile an Halbleiterunternehmen und ihren Geldgebern besitzen, sowie
  • die Unterstützungsmaßnahmen, die in verschiedenen Ländern angewandt werden. Im Gegensatz zu einigen anderen Industriesektoren ist nicht immer ersichtlich, welche Halbleiterfirmen teilweise oder vollständig in staatlicher Hand sind.

In einem breiteren Kontext wirft die Arbeit der OECD auch Fragen über die Rolle und Wirksamkeit staatlicher Unterstützung in F&E-intensiven Industrien auf, die durch kurze Produktzyklen gekennzeichnet sind. Diese Diskussion ist von besonderer Bedeutung für China, das in Technologien der Halbleiterfertigung trotz relativ umfangreicher staatlicher Unterstützung im Rückstand ist und seit langem eine Politik verfolgt, die ausdrücklich die Entwicklung der heimischen Industrie für integrierte Schaltkreise fördern soll.

Jehan Sauvage arbeitet derzeit als Politikanalyst in der Direktion Handel und Landwirtschaft der OECD, wo er sich auf Fragen im Zusammenhang mit Marktverzerrungen und staatlichen Subventionen in Industriesektoren spezialisiert hat.

Christian Steidl ist Politikanalyst bei der OECD und beschäftigt sich mit der Analyse verschiedener Formen der staatlichen Unterstützung für Industrieunternehmen.

Dieser Beitrag steht im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag diskutieren Dr. Sophia Helmrich (BDI), Jehan Sauvage (OECD) und Christian Steidl (OECD) über das Thema: “Der Wettlauf um die Technologie-Souveränität: Der Fall der staatlichen Unterstützung in der Halbleiterindustrie”. China.Table ist Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln rein die Meinung der Autoren wider. Sie sind nicht notwendigerweise Ausdruck der Ansichten des OECD Sekretariats oder der Mitgliedsstaaten der OECD. 

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Personalien

Julian Konrad ist seit kurzem Head of Evalution Electronics bei SAIC Volkswagen in Shanghai. Zuvor war er für mehr als dreieinhalb Jahre in Peking bei Audi China tätig.

Richard Ketzscher ist seit Anfang Mai als Vehicle Project Leader für das Qualitätsmanagement zum X3 bei BMW China aktiv. Zuvor war er schon fast vier Jahre als Qualitätsmanager bei dem bayerischen Autobauer in Peking beschäftigt.

Christoph Braun ist seit diesem Monat Head of Innovation & Development China beim deutschen Automobilzulieferer Carcoustics. Zuvor war Braun für die Leverkusener Firma als Global Head of Material Development & Material Lab tätig gewesen. Sein Tätigkeitsort bleibt weiterhin Shanghai.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Geely krempelt Smart um
    • Augsburger Roboterhersteller läuft Erwartungen hinterher
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    • Produktion von Halbleitern stockt
    • Standpunkt: Mehr Transparenz bei Chip-Subventionen
    • Personalien: Julian Konrad wechselt von Audi zu SAIC/Volkswagen
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Automarke Smart hat schon einige Wiedergeburten erlebt. Doch nie wurde der Kleinwagen aus dem Hause Mercedes so umgekrempelt wie jetzt: Der neue Smart #1, der unter der Schirmherrschaft des chinesischen Geely-Automagnaten und Daimler-Großaktionärs Li Shufu entstanden ist, hat mit dem ursprünglichen Modell nur noch wenig zu tun. Größer, schwerer und digitaler kommt der vollelektrische Mini-SUV daher. 

    Das wirklich besondere ist jedoch, dass das Auto weder ein chinesisches noch ein europäisches Produkt sein will. Mercedes liefert die Marke, das Design und den Vertrieb, der Rest kommt von Geely. Erstmals produziert damit ein europäischer Hersteller in China für den europäischen Markt und gibt dafür erhebliche Teile von Forschung, Entwicklung und Produktion ab, schreibt Christian Domke-Seidel. Ein Modell, das bald schon Schule macht? 

    Weniger Schule machen dürfte der Fall Kuka. Als vor sechs Jahren der nicht zuletzt auch für die Autoindustrie wichtige Roboterhersteller Kuka vom chinesischen Hausgerätehersteller Midea gekauft wurde, war der Aufschrei groß: Mit dem Augsburger Unternehmen würden deutsches Know-how und Technologie billigend nach China abgegeben. Kuka stehe exemplarisch für den Ausverkauf Deutschlands. Am Dienstag hat der chinesische Mutterkonzern Midea den nächsten großen Schritt vollzogen und das Unternehmen quasi komplett übernommen. Frank Sieren nimmt das zum Anlass, um Bilanz zu ziehen, ob sich die Übernahme für den chinesischen Besitzer bislang bezahlt gemacht hat.

    Viele neue Erkenntnisse!

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    Felix Lee
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    Analyse

    Geely rettet Smart

    Der Smart #1, ein Gemeinschaftsprodukt von Mercedes und Geely, soll sowohl in Europa als auch in China beheimatet sein.
    Schon rein optisch ist der neue Smart kaum wiederzuerkennen.

    Mercedes hat seine Marke Smart schon oft auf links gedreht. Noch vor der Einführung kippte der Hersteller die Pläne, wonach es ein Elektroauto werden sollte. Damit vergraulten sie damals ihren Ex-Partner Nicolas Hayek, den Erfinder der Uhren-Marke Swatch. Dann folgte ein Rettungsversuch durch eine Kooperation mit Nissan. Doch auch die Wiederbelebung des Smart mit den Franzosen führte zu keinem Erfolg. In der Folge verkaufte Mercedes 50 Prozent der Marke an Geely. Kein Wunder: Deren Gründer Li Shufu ist der zweitgrößte Mercedes-Aktionär.

    Mit diesem Strategiewechsel stellt Mercedes aber nicht nur die Marke auf den Kopf, sondern auch Gewissheiten des globalen Automarktes. Erstmals produziert ein europäischer Hersteller in China für den europäischen Markt, gibt dafür erhebliche Teile von Forschung, Entwicklung und Produktion ab und importiert die Fahrzeuge nach Europa. Das Ergebnis dieser Liaison ist der Smart #1. Ein Elektro-SUV, der deutlich macht, dass es Mercedes ernst meint mit dem Reboot des Fahrzeugs.

    Abgesehen vom Markennamen ist nichts beim Alten geblieben. Schon rein optisch ähnelt das Auto nun eher einem Mini Countryman. Auch technisch ist das Fahrzeug nicht wiederzuerkennen. Und selbst die Strategie hinter dem Fahrzeug hat Mercedes dieses Mal nahezu revolutioniert. Ohne chinesischen Partner wäre das kaum denkbar gewesen. Je 355 Millionen Euro haben die beiden Unternehmen in das Gemeinschaftsprojekt investiert (China.Table berichtete).

    Produktion in China, Verkauf in Europa

    Der Smart #1 ist 4,27 Meter lang (fast zwei Meter länger als der ursprüngliche Namensgeber) und damit ein Kompaktwagen auf Niveau des VW Golf. Der Elektromotor hat 272 PS – der erste Smart von 1998 leistete zwischen 41 und 75 PS. Das Leergewicht wuchs auf 1.850 Kilogramm. Noch vor 20 Jahren waren es gerade einmal 750 Kilogramm. Es zeigt, dass Mercedes und Geely keinen Stein auf dem anderen gelassen haben.

    Auch hinter den Kulissen nicht. Mercedes liefert die Marke, das Design und den Vertrieb, der Rest kommt von Geely. Ein Novum. Und ein Fingerzeig für die Zukunft. Bis vor kurzem gab es für europäische Hersteller noch eine Joint-Venture-Pflicht. Die Kommunistische Partei wollte sicherstellen, dass Knowhow und Wertschöpfung im Land bleiben. So wurde die heimische Automobilindustrie geschützt. Das Resultat war schnell sichtbar. Fahrzeuge von Nio oder Aiways, die in Europa erhältlich sind, stehen der europäischen Konkurrenz in Sachen Verarbeitungsqualität in nichts nach (China.Table berichtete).

    Mehr noch: Massive Subventionierungen von Elektroautos und eine digitalaffine Kundschaft krempelten den chinesischen Automarkt um. Und das in einer Geschwindigkeit, die vielen europäischen und deutschen Herstellern zu hoch war (China.Table berichtete). Elektro-Start-ups aus der Volksrepublik verstanden die heimischen Kunden besser. Während europäische Hersteller einfach nur Benzin- durch Elektromotoren ersetzten und große Touchscreens verbauten, entwickelten chinesische Hersteller smarte, vernetzte und durchdigitalisierte Punktlandungen

    Europäische Hersteller brauchen die Hilfe chinesischer Firmen schlichtweg, um moderne Elektroautos auf die Straße zu bringen. Der Smart #1 teilt sich die technische Plattform mit anderen Modellen von Geely. Damit profitiert das Modell einerseits von Skaleneffekten, wird aber auch nicht mehr in Europa gefertigt. Längst hat Mercedes sein Werk in Hambach an Ineos Automotive verkauft, den Auto-Ableger eines britischen Chemie-Konzerns. Die wollen dort – neben Aufträgen für Mercedes – den Geländewagen Grenadier fertigen.

    Die Strategie hinter Smart steht auf zwei Säulen. Erstens soll eine ganze Produktfamilie entstehen und zweitens will sich Mercedes auf Europa und China konzentrieren – die beiden größten Märkte für Elektroautos. Das erste Ziel ist es, den Absatz von aktuell 39.000 Stück pro Jahr auf 150.000 Stück beinahe zu vervierfachen. Auto-Analyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI schätzt, dass Smart seinem Mutterkonzern aktuell einen jährlichen Verlust von 500 bis 700 Millionen Euro beschert. Das soll sich ändern.

    “Dual Home”-Strategie von Mercedes und Geely 

    Mit dem Smart verfolgen Mercedes und Geely zukünftig die Strategie des “Dual Home”. “Wir definieren dieses Produkt weder als chinesisches noch als europäisches Produkt. Der neue Smart #1 ist wie die Marke Smart selbst ein Weltprodukt“, erklärte ein Firmensprecher gegenüber Table.Media. Ohne allerdings weltweit angeboten zu werden. 

    Da chinesischen Herstellern in Europa, vor allem aber in Deutschland, lange Zeit Vorurteile wegen vermeintlich schlechter Verarbeitungsqualität entgegenschlugen, will Smart vor allem in diesem Bereich alles richtig machen. So führt der Sprecher weiter aus: “Smart arbeitet mit vertrauenswürdigen, internationalen Top-Tier-Lieferanten zusammen, die alle verpflichtet sind, ein Qualitätsmanagementsystem nach IATF16949 einzurichten und für die Einhaltung des Null-Fehler-Ziels verantwortlich sind.” Unter anderem sind Continental, Magna, Hella, Qualcomm und Bosch beteiligt. 

    Der zweite Aspekt ist eine Diversifizierung des Modellprogramms. “Smart hat sich von einer Ein-Auto-Marke im Mikrosegment zu einer mit einem Multi-Produktportfolio entwickelt”, erklärt der Unternehmenssprecher. Bislang ist diese Aussage falsch. Noch gibt es nur ein SUV. Aber bereits bei der Präsentation des Smart #1 erklärte Dirk Adelmann, CEO der Smart Europa GmbH: “Wir planen relativ konkret weitere Produkte.” Die Plattform von Geely würde es möglich machen, den Smart unkompliziert zu erweitern. 

    Geely bringt Mercedes Digitalisierung bei

    Auch technisch macht der Smart #1 einen großen Schritt nach vorne. So lässt sich der Wagen beispielsweise per App öffnen, schließen und starten. Das bedeutet, dass Besitzer des Smart #1 ihr eigenes kleines Carsharing betreiben könnten, wenn sie wollen. Knöpfe und Schalter im Innenraum sind Mangelware. Ein riesiger Monitor dominiert die Mittelkonsole und erinnert stark und sicherlich nicht zufällig an Tesla-Modelle. Eine lernende KI kümmert sich um Sprachbefehle und wird per Avatar dargestellt. Der 66 kWh starke Akku kann an AC-Säulen mit bis zu 22 kW geladen werden. Standard bei Elektroautos sind 11 kW. 

    Geely hilft Mercedes also auch dabei, digitaler zu werden und Elektroautos nicht mehr nur als umgebaute Benziner zu verstehen. Genau daran scheitern aus Sicht chinesischer Kunden deutsche Hersteller (China.Table berichtete). In der zweiten Jahreshälfte 2022 soll das Fahrzeug nach Deutschland kommen und dann über das Mercedes-Vertriebsnetz verkauft werden. In der Volksrepublik kostet der Smart #1 umgerechnet zwischen 27.000 und 33.000 Euro. 

    • Autoindustrie

    Management erwartet mehr von Kuka

    Kuka wurde 2016 an Midea aus China verkauft.
    Kuka ist seit sechs Jahren chinesisch.

    Der größte deutsche Industrieroboterhersteller Kuka ist erfolgreich in das neue Geschäftsjahr gestartet. Zwischen Januar und März stiegen die Umsätze des Augsburger Konzerns um 18,3 Prozent auf 853,4 Millionen Euro. Kuka verzeichnete mit knapp 1,3 Milliarden Euro zudem ein um rund 42 Prozent höheres Auftragsvolumen. In China verdoppelte sich gar die Zahl der Aufträge. Die dortigen Umsätze stiegen um 61,2 Prozent. Noch liegen Deutschland und die USA mit 28 und 27 Prozent beim Konzernumsatz vorne. China folgt jedoch bereits auf Platz drei mit 17 Prozent.

    Es wird auch höchste Zeit aus Sicht des chinesischen Managements, dass Kuka endlich abwirft, was der Name den neuen Besitzern versprochen hatte. Die Umsätze von Kuka bewegten sich jahrelang im Krebsgang: 2021 waren sie mit 3,3 Mrd. Euro nur etwas besser als 2016 mit 2,9 Mrd. Euro. Mideas Vizepräsident Andy Gu hatte bereits Druck gemacht und zeigte sich “definitiv nicht zufrieden” mit Kukas Abschneiden. Auch deshalb steht dem neuen Geschäftsführer Peter Mohnen in Alexander Tan nun ein chinesischer Finanzchef zur Seite.

    Zumindest der Start ins neue Jahr könnte nun für die erhoffte Beschleunigung sorgen. Zumal die Prognosen gut sind. Laut einem Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG will Kuka den Umsatz in China bis 2024 um jährlich 30 Prozent steigern. Bis 2027 soll der Umsatz in der Volksrepublik von 589 Millionen Euro auf 2,35 Milliarden Euro klettern. Das wären 40 Prozent der Gesamterlöse, die dann vor allem mit auf den chinesischen Markt zugeschnittenen Kleinrobotern und Software generiert werden sollen.

    Die verbliebenen Kleinaktionäre sollen gehen

    2016 war Kuka mehrheitlich vom chinesischen Hausgerätehersteller Midea übernommen worden. Auch weil keine westlichen Gegenangebote gemacht wurden. In der Folge änderte die Bundesregierung sogar das Außenwirtschaftsgesetz, um in Zukunft mehr Mitspracherechte bei Firmenverkäufen zu haben. Inzwischen befinden sich mehr als 95 Prozent der Kuka-Anteile im Besitz von Midea. Wie kürzlich bekannt wurde, sollen bei der Hauptversammlung am 17. Mai die letzten deutschen Kleinaktionäre aus dem Unternehmen herausgekauft werden. Das Unternehmen hatte zudem im November überraschend den Rückzug von der Börse verkündet.

    So soll das Unternehmen jenseits der Zwänge, Quartalszahlen veröffentlichen zu müssen, in Ruhe wachsen können. Denn Geld von Börsenanlegern braucht Kuka nicht. Das hat die Muttergesellschaft genug. Zwischen 2016 und 2021 hat sich der Midea-Umsatz mehr als verdoppelt auf über 53 Milliarden US-Dollar. Ähnlich entwickelte sich der Gewinn.

    Die Diskrepanz zwischen dem Erfolg von Midea und der Seitwärtsbewegung von Kuka, setzt das Kuka-Management unter Druck. Auch wenn man beide Branchen nur bedingt vergleichen kann und die Marktposition von Kuka eine andere ist. Die Weltmarktanteile des japanischen Marktführers Fanuc und des Schweizer-schwedischen Roboterherstellers ABB sind jeweils fast doppelt so groß wie die von Kuka. Es folgen ein japanischer und ein italienischer Hersteller. Kuka rangiert wie 2016 auf Platz fünf.

    800 Millionen Euro von Midea für Kukas Forschung

    Midea will bis 2025 rund 800 Millionen Euro in Kukas Forschung und Entwicklung stecken. So viel wie noch nie. “Ein Löwenanteil davon geht nach Augsburg“, betont Mohnen, “denn dort entwickeln wir Steuerungen, Software und Mechatronik.”

    Der Betriebsrat zieht mit. Aufsichtsratsvize Michael Leppek von der IG Metall stützt den Kurs: “Wir geben eine wenig effektive Börsennotierung auf gegen einen gemeinsamen Wachstumsplan und langfristige Zusagen für Kuka mit dem Schwerpunkt auf Produktion und Technologien.”

    So hält die Verbindung einstweilen: Die Chinesen brauchen das Know-how der Deutschen; die Deutschen das Geld und das Netzwerk in China. Klar ist jedoch: Es muss immer auch in China entwickelt und produziert werden. Schon heute produziert Kuka in Shanghai und Shunde in der südchinesischen Provinz Guangdong, dem Hauptstandort von Midea.

    Die Lebensversicherung für Augsburg: Bei Forschung und Entwicklung besser bleiben als die Chinesen. 2021 stellte Kuka auf der digitalen Hannover Messe Teile eines neuen Betriebssystems vor, mit dem das Programmieren von Robotern so einfach werden soll wie das Arbeiten am Computer.

    Wichtiges Roboter-Entwicklungsland

    Obwohl China schon jetzt den größten Bestand an Industrierobotern hat, stammt ein Großteil noch immer aus ausländischer Herstellung. Allein im Jahr 2020 wurden in China 168.000 Roboter neu installiert. Laut Branchenverband IFR lag der Marktanteil der ausländischen Anbieter zuletzt bei 73 Prozent.

    Peking möchte das so schnell wie möglich ändern und hat einen zweiten Entwicklungsplan für die Robotik in den 14. Fünfjahresplan aufgenommen. Die Robotik sei “die Schlüsseltechnologie der modernen Industrie”, erklärt Song Xiaogang, der Generalsekretär der China Robot Industry Alliance (CRIA).

    Bei der Roboterdichte – Maschinen pro 10.000 Arbeiter – liegt China mit 246 Einheiten im globalen Ranking auf Platz neun. 2017 war es noch der 25. Platz mit 49 Robotern. Weltweit führend in Sachen Industrie-Roboter ist derzeit Südkorea. Hier kamen im Jahr 2020 auf 10.000 Arbeiter 932 Roboter. Deutschland belegt mit 371 Einheiten den vierten Platz.

    Die Chance von Kuka als chinesisches Unternehmen: Weltweit spielen chinesische Roboterbauer kaum eine Rolle. Innerhalb Chinas lieferten heimische Anbieter wie Efort und Siasun zuletzt um die 45.000 Roboter aus, was einem Marktanteil von 27 Prozent entspricht. Zweitdrittel des Marktes werden also noch von ausländischen Unternehmen bedient. Das will Peking ändern.

    • Handel
    • Industrie
    • Technologie

    News

    Verlängerung der E-Auto-Subventionen möglich

    China erwägt offenbar eine Verlängerung der auslaufenden Kaufsubventionen für Elektroautos. Die Behörden seien dazu in Gesprächen mit den Autobauern, berichtete Reuters am Mittwoch unter Berufung auf drei ungenannte Quellen. Mit dem Erhalt der teuren Zuschüsse zunächst bis 2023 solle das Wachstum des Segments trotz der allgemeinen wirtschaftlichen Flaute gestützt werden. Details sind laut Reuters noch nicht bekannt.

    Wegen der Corona-Pandemie war das Subventionsprogramm bereits für zwei Jahre verlängert worden. Ursprünglich hatten die Zahlungen schon 2020 auslaufen sollen. Den großzügigen Subventionen wird die Schaffung des weltgrößten Marktes für Elektrofahrzeuge zugeschrieben. Seit dem Startschuss im Jahr 2009 wurden nach Schätzung von Shi Ji, einem Autoanalysten bei der China Merchants Bank, bis Ende 2021 rund 100 Milliarden Yuan (14,1 Milliarden Euro) an Käufer von Elektroautos, einschließlich kommerzieller Flottenbetreiber, ausgezahlt. Über die Jahre hatte die Regierung schrittweise das Niveau der Zahlungen pro Fahrzeug abgesenkt.

    Neue Subventionen für ländlichen Raum

    Das China Securities Journal hatte zudem am Dienstag berichtet, dass es ab Juni Subventionen für den Autokauf – einschließlich Elektroautos – im ländlichen Raum von bis zu 5.000 Yuan (gut 700 Euro) pro Fahrzeug geben soll. Einige Provinzen, darunter Guangdong und Chongqing, hatten im April ebenfalls Zahlungen für Kunden eingeführt, die im April ihre alten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gegen neue Elektroautos eintauschen.

    Auf dem chinesischen NEV-Markt machen kleinere batteriebetriebene Stadtautos, von denen die meisten nicht für Subventionen in Frage kommen, laut Reuters 40 Prozent der Stromer-Verkäufe aus. Diese Vehikel kosten im Durchschnitt umgerechnet nur knapp 4.000 US-Dollar (China.Table berichtete). Subventionen werden derzeit für größere Modelle mit einer Reichweite von mehr als 300 Kilometern pro Batterieladung und einem Preis von bis zu 300.000 Yuan (42.340 Euro) vergeben.

    Nach Daten des Auto-Verbandes CAAM stiegen die Elektroauto-Verkäufe in China im April um 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das klingt gut; der Zuwachs war allerdings deutlich geringer als im März, als der Absatz mehr als doppelt so hoch lag wie ein Jahr zuvor. Der Grund dürften die Omikron-Welle mit ihren vielen Lockdowns sein. rtr/ck

    • Autoindustrie
    • CAAM

    AHK: Deutsche Unternehmen leiden unter Lockdowns

    Nur ein kleiner Teil der deutschen Unternehmen in China kann unter den aktuellen Corona-Maßnahmen den Betrieb fortsetzen. Das hat eine Blitzumfrage der Außenhandelskammer in China ergeben. An der Umfrage Anfang Mai nahmen 460 Unternehmen teil. Fast drei Viertel von ihnen sind aktuell von mehr oder weniger strengen Corona-Maßnahmen betroffen.

    In Gegenden, in denen Lockdowns gelten, sind rund 19 Prozent der deutschen Unternehmen weiterhin tätig, allerdings in dem sogenannten Closed-Loop-System. Aufgrund der Maßnahmen erreichen sie im Durchschnitt nur 46 Prozent ihrer üblichen Kapazität. Gründe dafür sind laut den Unternehmen Logistikprobleme, fehlende Rohstoffe und vorproduzierte Teile, Unsicherheit durch häufig wechselnde politische Vorgaben und Mitarbeiter, die ihre Wohnanlage oder ihren Stadtteil nicht verlassen können, um zur Arbeit zu kommen.

    Mehr als 25 Prozent der befragten deutschen Unternehmen in China würden den Betrieb gerne fortsetzen, sind dazu aber nicht in der Lage. Als Gründe führen sie langwierige und schwierige Antragsprozesse, schwer zu erfüllende Auflagen und als zu hoch empfundene Risiken an.

    Ein weiteres Problem kommt erst noch auf die Unternehmen zu: Fast ein Drittel (28 Prozent) der ausländischen Mitarbeiter in China planen, das Land wegen der strengen Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zu verlassen. Während 18 Prozent noch darauf warten wollen, bis ihr Arbeitsvertrag ausläuft, planen zehn Prozent, bereits vorzeitig und trotz gültigen Arbeitsvertrages in ihr Heimatland zurückzukehren. Für die Unternehmen dürfte es schwierig werden, diese Mitarbeiter durch neues Personal aus dem Ausland zu ersetzen, insbesondere in Anbetracht von Chinas Corona-Maßnahmen, warnt Maximilian Butek von der DAHK in Shanghai. jul

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    • Handel

    So wenig Halbleiter wie 2020

    Chinas monatliche Chipproduktion ist dramatisch zurückgegangen – und zwar auf den niedrigsten Stand seit 2020. Die Produktion integrierter Schaltkreise ging im April gegenüber dem Vorjahr um 12,1 Prozent auf 25,9 Milliarden Einheiten zurück. Das teilte das Nationale Statistikamt in Peking am Montag mit.

    Der Rückgang in der Chipproduktion hat weitreichende Folgen: In Industriezweigen, die auf Chips angewiesen sind, kam es zuletzt zu dramatischen Produktionseinbrüchen. So verzeichnete beispielsweise Chinas Autofertigung im vergangenen Monat gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 43,5 Prozent. Die Produktion von Industrierobotern, die in Automontagebändern weit verbreitet sind, ging im vergangenen Monat gegenüber dem Vorjahr um 8,4 Prozent zurück.

    Hinzu kommt Chinas strikte Null-Covid-Strategie: So wurde in Shanghai, wo vor dem Lockdown durchschnittlich rund 4.000 Fahrzeuge pro Tag verkauft wurden, im April kein einziges Fahrzeug verkauft. Das berichtet die Shanghai Automobile Dealers Association.

    Derweil versucht China, die lokale Halbleiterproduktion anzukurbeln, um die Abhängigkeit von importierten Chips zu verringern. Im April vergangenen Jahres war die nationale Chipproduktion im Jahresvergleich um 29,4 Prozent auf 28,6 Milliarden Einheiten gestiegen. Auch die USA und die EU versuchen, ihren Anteil an der weltweiten Halbleiterproduktion zu steigern. Unter anderem wollen die USA China mit einer asiatischen Chip-Allianz auf dem Halbleitermarkt ausbremsen (China-Table berichtete). rad

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    Standpunkt

    Chinas Chip-Subventionen im Vergleich

    Von Jehan Sauvage und Christian Steidl, OECD
    Christian Steidl und Jehan Sauvage, Politikanalysten bei der OECD über Halbleiter und deren staatliche Unterstützung -
    aJehan Sauvage und Christian Steidl, Politikanalysten bei der OECD

    Die Wertschöpfungskette von Halbleitern ist unglaublich komplex und erstreckt sich weltweit: Deren Herstellung ist nicht nur eine der forschungs- und entwicklungsintensivsten Aktivitäten, sie umfasst auch eine Reihe spezialisierter Fertigungsschritte, die von Firmen in der ganzen Welt durchgeführt werden. Die größten Halbleiterfirmen sind überwiegend in den Vereinigten Staaten, Südkorea, Europa und Japan ansässig (zum Beispiel Intel, Samsung, Infineon, und Kioxia). Viele Hersteller lagern die kapitalintensive Fertigung sowie Gehäusemontage- und Testtätigkeiten an spezialisierte Unternehmen in Chinesisch-Taipeh, China und Singapur aus. Einige, wie TSMC, haben sich zu Technologieführern bei der Bereitstellung von fortschrittlichen Chipfertigungsdiensten entwickelt. Auf ihre Dienste ist ein Großteil der Smartphones und Computer der Welt angewiesen. Unternehmen wie TSMC sind ihrerseits von wichtigen Lieferanten spezialisierter Präzisionsgeräte wie dem niederländischen Unternehmen ASML abhängig. Diese Zulieferer stellen beispielsweise die Lithografie-Maschinen her, die für die Halbleiterfertigung benötigt werden.

    Da die Chipproduktion ein innovationsgetriebener, kapitalintensiver und strategisch wichtiger Sektor ist, ist staatliche Einmischung seit langem ein Merkmal der Halbleiterindustrie. Anfang der 1960er Jahre wurde die NASA zum Hauptabnehmer integrierter Schaltkreise und sorgte für eine stabile Nachfrage bei den US-Herstellern. Etwa zur gleichen Zeit richteten die chinesischen Behörden das Werk Nr. 742 in Wuxi als staatliche Ausbildungsstätte für Halbleiteringenieure ein. Frankreich gründete 1967 das CEA-Leti, ein auf Mikroelektronik spezialisiertes öffentliches Forschungszentrum. In den 1970er und 80er Jahren folgten die Behörden in Japan, Korea und Chinesisch-Taipeh, die alle die Halbleiterforschung und -entwicklung (F&E) durch öffentliche Institute wie ETRI und ITRI unterstützten. Auch die Vereinigten Staaten gründeten 1980 das Very High Speed Integrated Circuit Programm und 1987 das Forschungs- und Entwicklungskonsortium Sematech. 

    Staatliche Eingriffe sind Merkmal der Chip-Industrie

    Einem aktuellen OECD-Bericht über Subventionen in der Halbleiterindustrie zufolge haben 21 der weltweit größten Halbleiterunternehmen zwischen 2014 und 2018 mehr als 50 Milliarden US-Dollar an staatlicher Unterstützung erhalten. Davon entfielen zwei Drittel auf staatliche Zuschüsse und Steuervergünstigungen, darunter mehr als 15 Milliarden US-Dollar zur Unterstützung von F&E-Ausgaben und 20 Milliarden in Form von Einkommensteuervergünstigungen und Investitionsanreizen. Ein weiteres Drittel der Unterstützung erfolgte in Form von Finanzierungen unter Marktniveau, das heißt Fremd- und Eigenkapital, welches die Unternehmen zu marktunüblich günstigen Konditionen erhielten.

    Während alle untersuchten Unternehmen F&E-Förderung und in gewissem Umfang Steuervergünstigungen erhielten, scheint die Finanzierung unter Marktniveau weitgehend ein chinesisches Phänomen zu sein. Dies gilt insbesondere nach der Entscheidung Chinas, im Jahr 2014 einen nationalen Investitionsfonds für integrierte Schaltkreise sowie ähnliche Fonds auf Provinz- und Kommunalebene einzurichten. Diese Fonds haben seitdem einer Reihe wichtiger chinesischer Halbleiterhersteller, darunter SMIC, Hua Hong und Tsinghua Unigroup und deren Tochtergesellschaften, frisches Eigenkapital zugeführt. Außerdem besteht offenbar ein direkter Zusammenhang zwischen den Eigenkapitalerhöhungen durch Chinas Staatsfonds und dem Bau neuer Halbleiterfabriken.

    Wenig Transparenz bei staatlicher Hilfe

    Ein entscheidendes Problem aus handelspolitischer Sicht ist die mangelnde Transparenz der staatlichen Unterstützung und insbesondere der Finanzierung unter Marktniveau. Viele Regierungen legen die von ihnen gewährten Subventionen nicht offen. Dieses Problem verschärft sich noch im Fall von Finanzierungen unter Marktniveau. Der Nachweis einer solchen Unterstützung erfordert einen Vergleich mit einem marktbasierten Referenzwert, wofür detaillierte Methoden erst noch festgelegt oder vereinbart werden müssen. Mitunter fehlen auch Informationen über die Eigentumsstruktur von Unternehmen, was das wahre Ausmaß staatlicher Investitionen in Industrieunternehmen verschleiern kann. 

    Einige Formen von Subventionen können notwendig sein, und dies gilt für die Halbleiterindustrie ebenso wie für andere Sektoren. Doch selbst F&E-Subventionen können marktverzerrend wirken, wenn sie schlecht konzipiert und umgesetzt werden. Eine Analyse der ZEW-Forscher Philipp Boeing und Bettina Peters zeigt beispielsweise, dass die von China zwischen 2001 und 2011 gewährten F&E-Subventionen bisweilen zweckentfremdet wurden, was die Wirksamkeit der F&E-Politik untergräbt und darauf hindeutet, dass ein gewisser Teil der F&E-Förderung möglicherweise für andere Zwecke wie den Ausbau von Produktionskapazitäten verwendet wurde (China.Table berichtete). Zwar gibt es gute wirtschaftliche Argumente für die Förderung von Forschung und Entwicklung. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass diese F&E-Unterstützungsmaßnahmen so gestaltet werden, dass sie den gesellschaftlichen Nutzen erhöhen und gleichzeitig die Kosten in Grenzen halten. Konkret: Innovationsanstrengungen, die Produktivität und Wohlstand steigern können, sollten im Vordergrund stehen. Wettbewerbsverzerrungen sollten vermieden werden.

    China bei Halbleitern noch im Rückstand

    Staatliche Eigenkapitalerhöhungen in der Halbleiter-Wertschöpfungskette haben Auswirkungen auf den Handel und den globalen Wettbewerb. Was sie für Handelsregeln und insbesondere für die Disziplinierung von Subventionen bedeuten, muss genauer untersucht werden. Eigenkapital unter Marktniveau gehört aufgrund seiner Eigenheiten wahrscheinlich zu den am schwierigsten zu identifizierenden und zu quantifizierenden Formen der Unterstützung. Daher ist mehr Transparenz erforderlich, die sich insbesondere auf Folgendes konzentrieren sollte:

    • das Ausmaß, in dem Staaten Anteile an Halbleiterunternehmen und ihren Geldgebern besitzen, sowie
    • die Unterstützungsmaßnahmen, die in verschiedenen Ländern angewandt werden. Im Gegensatz zu einigen anderen Industriesektoren ist nicht immer ersichtlich, welche Halbleiterfirmen teilweise oder vollständig in staatlicher Hand sind.

    In einem breiteren Kontext wirft die Arbeit der OECD auch Fragen über die Rolle und Wirksamkeit staatlicher Unterstützung in F&E-intensiven Industrien auf, die durch kurze Produktzyklen gekennzeichnet sind. Diese Diskussion ist von besonderer Bedeutung für China, das in Technologien der Halbleiterfertigung trotz relativ umfangreicher staatlicher Unterstützung im Rückstand ist und seit langem eine Politik verfolgt, die ausdrücklich die Entwicklung der heimischen Industrie für integrierte Schaltkreise fördern soll.

    Jehan Sauvage arbeitet derzeit als Politikanalyst in der Direktion Handel und Landwirtschaft der OECD, wo er sich auf Fragen im Zusammenhang mit Marktverzerrungen und staatlichen Subventionen in Industriesektoren spezialisiert hat.

    Christian Steidl ist Politikanalyst bei der OECD und beschäftigt sich mit der Analyse verschiedener Formen der staatlichen Unterstützung für Industrieunternehmen.

    Dieser Beitrag steht im Rahmen der Veranstaltungsreihe “Global China Conversations” des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Am Donnerstag diskutieren Dr. Sophia Helmrich (BDI), Jehan Sauvage (OECD) und Christian Steidl (OECD) über das Thema: “Der Wettlauf um die Technologie-Souveränität: Der Fall der staatlichen Unterstützung in der Halbleiterindustrie”. China.Table ist Medienpartner dieser Veranstaltungsreihe.

    Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten spiegeln rein die Meinung der Autoren wider. Sie sind nicht notwendigerweise Ausdruck der Ansichten des OECD Sekretariats oder der Mitgliedsstaaten der OECD. 

    • Chips
    • Halbleiter
    • Nasa
    • Technologie

    Personalien

    Julian Konrad ist seit kurzem Head of Evalution Electronics bei SAIC Volkswagen in Shanghai. Zuvor war er für mehr als dreieinhalb Jahre in Peking bei Audi China tätig.

    Richard Ketzscher ist seit Anfang Mai als Vehicle Project Leader für das Qualitätsmanagement zum X3 bei BMW China aktiv. Zuvor war er schon fast vier Jahre als Qualitätsmanager bei dem bayerischen Autobauer in Peking beschäftigt.

    Christoph Braun ist seit diesem Monat Head of Innovation & Development China beim deutschen Automobilzulieferer Carcoustics. Zuvor war Braun für die Leverkusener Firma als Global Head of Material Development & Material Lab tätig gewesen. Sein Tätigkeitsort bleibt weiterhin Shanghai.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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