Table.Briefing: China

Folgen der Hitzewelle + Daimler + Handelsdialog mit Taiwan

  • Extreme Hitze führt zu Strom-Engpässen
  • Droht Mercedes die Übernahme aus China?
  • Washington und Taipeh beginnen Handelsdialog
  • Termine der kommenden Woche
  • Li Keqiang will “pro-aktive” Provinzen
  • Baustart für neue Kohlekraftwerke
  • Flut-Opfer in Qinghai
  • Aktivisten in Hongkong bekennen sich schuldig
  • Luftwaffe übt im Indo-Pazifik
  • Im Porträt: Xu Lin, Xi Jinpings Propaganda-Experte
Liebe Leserin, lieber Leser,

es ist und bleibt heiß – nicht nur bei uns. China wird seit Wochen von Rekordtemperaturen geplagt, zeitweise stiegen die Thermometer auf bis zu 44 Grad Celsius. Dürren bedrohen Ernten, die Wasserkraft bringt zu wenig Leistung und Kohlemeiler müssen für die Stromversorgung hochgefahren werden. Die Industrie fährt mancherorts dagegen runter: Die Produktion bei Bosch, Toyota, Foxconn, CATL und anderen großen Firmen in Sichuan ist gedrosselt oder steht komplett still. Mehr über die Auswirkungen und Gründe weiß Nico Beckert. 

Ebenfalls heiß ist und bleibt das Thema Taiwan. Taipeh und Washington wollen formale Gespräche über eine Handelskooperation aufnehmen. Die Volksrepublik ist “not amused”, hält sich mit lauten Drohungen jedoch zurück. Finn Mayer-Kuckuks Analyse zeigt, dass die Gespräche vermutlich vor allem politische Bedeutung haben, da echter Freihandel für die USA derzeit nicht infrage kommt. Er berichtet, welche Bereiche ein mögliches taiwanisch-amerikanisches Abkommen umfassen könnte.

Ein mildes Klima genießt derweil Mercedes. Die Stuttgarter verkaufen jede Menge Fahrzeuge in China, 36 Prozent aller Autos mit Stern gehen an Kunden in der Volksrepublik. Ein Großteil wird gleich vor Ort gebaut, auch Forschung und Entwicklung finden zunehmend in China statt. Ebenfalls beliebt: Die Aktien des Konzerns. 20 Prozent der Anteile liegen in unterschiedlichen chinesischen Händen. Doch ist das bedenklich? Schließlich gilt der Stuttgarter Konzern wegen seiner Eigentümerstruktur als angreifbar für Übernahmen. Markus Grabitz geht dieser Frage nach.

Ihre
Julia Fiedler
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Analyse

Hitzewelle hält Provinzen in Atem

China Hitzewelle: Um die Trockenheit zu überwinden, wurden über 900 Raketen mit Chemikalien in die Wolken geschossen. Dadurch soll künstlicher Regen erzeugt werden (Archivbild).
Um die Trockenheit zu überwinden, wurden über 900 Raketen mit Chemikalien in die Wolken geschossen. Dadurch soll künstlicher Regen erzeugt werden (Archivbild).

Große Teile Chinas erleben seit Mitte Juni Extremtemperaturen, die teils 30 Tage andauern. Das Land wird von einer Hitzewelle heimgesucht, die alle Rekorde bricht. Es ist die schlimmste Hitzewelle seit Anfang der Aufzeichnungen im Jahr 1961. Mehr als 260 Wetterstationen haben Temperaturen von über 40 Grad gemessen – teils steigt das Thermometer auf über 44 Grad. Am Jangtse, dem größten Fluss Asiens, gab es 45 Prozent weniger Regenfälle als im Durchschnitt der letzten Jahre. Die schwere Trockenheit entlang des Stroms könnte bis weit in den September hinein andauern, so die Behörden.

Der Ausblick ist nicht positiv. Die Hitzewelle soll in einigen Provinzen weiter anhalten. “Die Dürre in Anhui, Hubei, Hunan und Jiangxi könnte sich weiterentwickeln”, warnt Liu Zhiyu, ein Beamter des Ministeriums für Wasserressourcen. Einige Provinzen greifen zu verzweifelten Maßnahmen. Durch künstliche Wolken wollen sie für mehr Regen sorgen. Dabei werden Chemikalien mit hunderten Raketen in die Wolken geschossen. Doch die Wolkendecke ist in vielen Regionen zu dünn, sodass die Maßnahmen oft keine Erfolge haben.

Hitzetote und vertrocknete Ernten

Die Hitzewelle betrifft Millionen Menschen. Aktuell sind große Gebiete von Jiangsu, Anhui, Hubei, Zhejiang, Jiangxi, Hunan, Guizhou, Chongqing, Sichuan und Tibet von großer Trockenheit und hohen Temperaturen betroffen. Das Extremwetter schlägt sich auf die Gesundheit nieder und plagt besonders alte Menschen. Laut Erhebungen des Wirtschaftsportals Caixin erlitten im Juni und Juli 82 Menschen Hitzeschläge, es gab neun Todesfälle. Die Dunkelziffer dürfte jedoch noch höher liegen. In Teilen Zentralchinas und im Norden der Volksrepublik haben die Behörden Notfallmaßnahmen angeleitet, um die Trinkwasserversorgung der ländlichen Bevölkerung sicherzustellen.

Die Ernten auf mehr als 800.000 Hektar Land sind betroffen. Die Behörden haben Notfallteams in die Provinzen ausgesendet, um die Bewässerung der Felder sicherzustellen. Teilweise wurden Wasserpumpen verteilt. Für einige landwirtschaftliche Betriebe kommt jedoch jede Hilfe zu spät, vereinzelt kommt es zu kompletten Ernteausfällen. Noch ist unklar, wie sich die Hitzewelle auf den Ernteertrag auswirken wird. Die Anbaufläche für Herbstgetreide wurde in diesem Jahr vergrößert und bietet eine gute Grundlage für eine stabile Produktion, zeigt sich Fu Linghui, ein Beamter des nationalen Statistikamtes gegenüber Xinhua optimistisch.

Die Bänder stehen wieder still

Die Industriehochburg Sichuan rationiert den Strom für Unternehmen in 19 von 21 Städten vom 15. bis zum 20. August. Die Produktion bei Bosch, Toyota, Foxconn, CATL und anderen großen Firmen in der Region ist gedrosselt oder steht komplett still. Noch seien die Auswirkungen jedoch überschaubar, so eine Bosch-Sprecherin.

Auch die angrenzende 30-Millionen-Einwohner Metropole Chongqing hat die Stromversorgung für Unternehmen bis zum 24. August eingeschränkt. In Jiangsu und Anhui haben Unternehmen ihre Produktion auf Bitten der lokalen Behörden angepasst.

Sichuan erzeugt mehr als 80 Prozent seines Stroms mit Wasserkraft. Aufgrund der Dürren und niedriger Pegelstände können die Kraftwerke nicht mehr ausreichend Strom liefern. Um die Stromversorgung für Privathaushalte und den Handel sicherzustellen – und damit auch die hohe Nachfrage nach Strom für Klimaanlagen zu decken – müssen Unternehmen verzichten. Doch scheinbar leiden auch Privathaushalte an Stromausfällen. “Der Strom wird mindestens zweimal am Tag für jeweils mindestens drei Stunden abgeschaltet. Die Stromabschaltungen erfolgten während der heißesten Zeit des Tages”, beschwerte sich ein Anwohner des Bezirks Santai auf Social Media. Der Stromversorger im Bezirk Yuechi gab bekannt, dass er die Versorgung für jeden Distrikt abwechselnd unterbrochen habe. Wie viele Menschen insgesamt betroffen waren, blieb unklar. In Santai und Yuechi leben jeweils mehr als eine Million Menschen.

Die Drosselung der Produktion in Sichuan betrifft auch Lithium und Polysilizium – den Ausgangsstoff für Solarzellen. Falls der Stromengpass in Sichuan fortbestehe, könnten auch die Zulieferer von Tesla und SAIC betroffen und damit die Autoproduktion gefährdet sein, wie Bloomberg berichtet. Die beiden Autohersteller haben die Behörden in ihrer “Heimatprovinz” Shanghai bereits gewarnt.

Am Jangtse hat das Büro für maritime Sicherheit mehrmals vor geringen Wasserständen gewarnt. Die Schiffe sollen ihre Fracht reduzieren, wenn sie durch flache Passagen fahren. Mit der Situation am Rhein ist die Lage jedoch nicht zu vergleichen. Und mit Engpässen ist derzeit noch nicht zu rechnen, wie Analystinnen erklären. Bisher sind die wirtschaftlichen Schäden noch nicht mit der Energiekrise des letzten Jahres zu vergleichen. Sollten die Hitzewellen jedoch noch länger andauern, könnte die Stromknappheit auch andere Provinzen wie Zhejiang und Jiangsu hart treffen, da sie auf Stromimporte aus Sichuan setzen, wie Reuters berichtet. Die beiden Provinzen haben jetzt schon die Stahl-, Metall- und Textilproduktion eingeschränkt.

Kohleverbrauch steigt kurzfristig an

Durch den Ausfall der Wasserkraft setzen Sichuan und andere Provinzen vermehrt auf Kohle. Der Kohleverbrauch der Provinz und in China insgesamt stieg in den letzten Wochen an. Analysten gehen aber davon aus, dass der höhere Kohleverbrauch zur Stromerzeugung nicht zu einem Anstieg der CO2-Emissionen im laufenden Jahr führen wird. Denn energieintensive Wirtschaftssektoren wie die Metall- und Zementproduktion befinden sich noch immer in der Krise, sodass die CO2-Emissionen in diesen Bereichen geringer ausfallen als im Vorjahr.

Die Stromknappheit in Sichuan ist zudem nicht nur auf den Klimawandel zurückzuführen. Ein starres System für den Stromhandel schränkt die Provinzen stark ein, auf aktuelle Krisen angemessen zu reagieren. Laut dem Energie- und Klimaexperten Lauri Myllyvirta exportiert Sichuan trotz der Engpässe weiterhin Energie an Nachbarprovinzen. Langfristige, feste Lieferverträge verpflichten die Energiefirmen dazu. Der Stromhandel zwischen den Provinzen ist unflexibel. “Seit einem Jahrzehnt wird an einer Reform der Energieübertragung und des -handels zwischen den Provinzen gearbeitet”, sagt Cory Combs von der Beratungsagentur Trivium China. Bisher ohne große Erfolge.

Volksrepublik besonders vom Klimawandel betroffen

Die aktuelle Hitzewelle lässt vorausahnen, was China in den nächsten Jahrzehnten durch den Klimawandel blüht. Laut Studien werden Hitzewellen in Zukunft häufiger und stärker auftreten, die Volksrepublik wird besonders stark betroffen sein. Schätzungen zufolge werden dadurch mittelfristig 20 Prozent der Ernten bedroht. Dabei verfügt China schon heute nur über sieben Prozent der landwirtschaftlichen Fläche der Welt, muss davon aber 22 Prozent der Weltbevölkerung ernähren. Der Energiebedarf zum Kühlen wird weiter steigen und die Infrastruktur an den Küsten wird durch Überflutungen geschädigt. Bis zum Jahr 2100 sieht sich China mit Kosten in Höhe von 190 Billionen Euro konfrontiert (China.Table berichtete). Gelingt der Zentralregierung kein schnelles Gegensteuern, werden die Rekord-Hitzewellen dieses Sommers erst der Anfang sein.

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Wie chinesisch ist Mercedes?

Mercedes hat China spät entdeckt. Erst 2005 ging der Stuttgarter Hersteller nach Peking und gründete mit dem Staatskonzern BAIC das Joint Venture Beijing Benz Automotive Co. (BBAC). In der Anfangszeit spielte das China-Geschäft für die Zentrale in Untertürkheim eine überschaubare Rolle. “Wenn die Kollegen in Stuttgart die chinesische Länderkennung im Display ihrer Telefone gesehen haben, sind sie gar nicht erst dran gegangen”, erinnert sich ein Mitarbeiter aus dem Finanzbereich an seine Anfänge in China.

Inzwischen hat sich das geändert. China ist für die Stuttgarter sehr wichtig geworden. Im vergangenen Jahr hat Mercedes weltweit 2,093 Millionen Pkw verkauft, davon gingen 763.706 an Käufer in China. Das sind über 36 Prozent des Gesamtabsatzes. Auch bei den anderen deutschen Herstellern sichert China das Geschäftsmodell und spielt das Geld für Investitionen in die Transformation ein. VW verkaufte 2021 40 Prozent der Neufahrzeuge der Konzernmarken nach China, bei BMW lag der Wert bei 34 Prozent.

Paul Gao hat die asiatischen Märkte im Blick 

586.804 Mercedes-Fahrzeuge wurden 2021 vor Ort im Pekinger Werk montiert. In seinem 17. Jahr in China hat der Konzern mit dem Stern damit 28 Prozent seines Weltabsatzes in China gebaut. Seit 2012 leitet der Vorstand Hubertus Troska vor Ort in Peking die China-Geschäfte. Für die chinesischen Kunden werden auch Autos mit extra langem Radstand gefertigt. Ein eigenes Modell – nur für den chinesischen Markt – ist angekündigt. 

China ist nicht nur die Werkbank: Forschung und Entwicklung (R&D) werden zunehmend in China angesiedelt. Gerade erst wurde in Shanghai das zweite R&D-Centre eröffnet. Insgesamt sind schon rund tausend Entwickler dort tätig. Vorstandschef Ola Källenius hat den McKinsey-Berater Paul Gao verpflichtet, der auch Mandarin spricht und in China und in den USA studiert hat. Gaos Titel lautet Chief Strategy Officer. Seine Mission: Er soll bei den strategischen Geschäftsentscheidungen die spezifischen Anforderungen der asiatischen Schlüsselmärkte im Blick haben.

Mercedes operiert nicht nur aus China und verdient gut mit dem China-Geschäft, der Konzern ist zu beträchtlichen Teilen in chinesischer Hand. Der Staatskonzern BAIC hat seinen Anteil auf zehn Prozent erhöht, was lange Zeit nicht an die Öffentlichkeit drang. Und der Geschäftsmann Li Shufu, dem seit 2018 Volvo gehört sowie der Hersteller Geely, ist über seine Investmentgesellschaft größter Einzelaktionär mit einem Anteil von weiteren 9,7 Prozent.

Droht Mercedes die Übernahme aus China?

Wegen der Eigentumsverhältnisse bei Mercedes – anders als bei BMW und VW gibt es keine Quandts, Porsches und Piechs, die die Strippen ziehen, viele Aktien sind in Streubesitz – gilt der Stuttgarter Konzern als angreifbar für Übernahmen. Gerade war es ruhig, da nährte jüngst ausgerechnet Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann Spekulationen, als er im Fall eines Übernahmeversuchs aus China ein Veto der Bundesregierung ankündigte. Ob der Grüne einen konkreten Anlass für seine Intervention hatte, blieb unklar. 

Man darf aber davon ausgehen, dass die Investoren in China sehr genau eine weitere Erhöhung der Aktienanteile prüfen. Kaum eine Marke ist den Deutschen wichtiger. Auch in Peking weiß man, dass die Übernahme von Mercedes in Deutschland ein Politikum wäre. Wie zu hören ist, hat der Konzern dennoch Vorsorge getroffen: Bei der Abspaltung der Lastwagensparte im vergangenen Jahr habe man sehr bewusst einen Geschäftsbereich, der eine militärische Variante des G-Modells produziert, nicht den Truckern, sondern der Pkw-Sparte zugeschlagen. “Damit hat die Bundesregierung die Möglichkeit, allein aus Sicherheitsinteressen eine Übernahme durch China zu untersagen”, hört man.    

Insgesamt sind ein Fünftel der Mercedes-Aktien in chinesischer Hand. Beim Blick auf die Aktionärsstruktur wird häufig nicht gesehen, dass die beiden chinesischen Player eigene Interessen verfolgen. “BAIC und Geely sind sich überhaupt nicht grün”, sagt ein Beobachter. Der Staatskonzern BAIC ist der Partner, den sich der Konzern mit dem Stern ursprünglich ausgesucht hat. 

Bei Li Shufu kann man dagegen über seine Motivation für den Einstieg bei den Schwaben rätseln. Wollte sich der chinesische Geschäftsmann mit der Trophäe schmücken, Anteilseigner einer deutschen Traditionsmarke zu sein? Hat er sich ursprünglich mehr ausgerechnet? Wollte er selbst auf den Fahrersitz bei Mercedes? Ein Analyst sagt zu Europe.Table: “Auffällig ist, dass Källenius-Vorgänger Zetsche auf Fragen zu BAIC eher wohlwollend geantwortet hat und auf Fragen zu Geely eher neutral.”

Wird Mercedes noch chinesischer?

Inzwischen gibt es eine Kooperation zwischen Geely und Mercedes für den Kleinwagen Smart. Das neue Modell – mit der Marke Smart haben die Stuttgarter in Europa nie Geld verdient – wird jetzt von Geely in China gebaut. Die Stuttgarter sind für das Design und die Technik zuständig.  

Ob die chinesischen Investoren Einfluss auf das operative Geschäft nehmen? Darüber ist wenig bekannt. Klar ist, dass sie jedenfalls personell weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat vertreten sind. Es könnte sein, dass Mercedes in Zukunft chinesischer wird und bisher in Europa angesiedelte Aktivitäten abwandern, zum Beispiel das Geschäft mit dem Verbrenner. 

Källenius hat zwar die “Electric only”-Strategie ausgerufen. Ende des Jahrzehnts wolle man nur noch E-Autos verkaufen. Doch relativierend kommt dann immer der Zusatz: “wo es die Marktbedingungen zulassen”. Die EU wird das Verbrenner-Aus für das Jahr 2035 beschließen. Aber aus einer neuen E-Auto-Studie der Unternehmensberatung PWC geht hervor, dass im Jahr 2035 weltweit immer noch 41 Prozent der neu zugelassenen Autos einen Verbrennungsmotor haben. 

In der Studie steht, dass auch in China dann noch 27 Prozent der Neuzulassungen Verbrenner sind. Es ist schwer vorstellbar, dass Mercedes komplett das Geschäft mit dem Verbrenner aufgibt. Wenn in Europa der Verbrenner beerdigt ist, spricht viel dafür, die Entwicklung von neuen Motoren nach China zu verlagern.

Spekulationen gibt es auch um die Produktion von Volumenmodellen. Källenius hatte kürzlich die verschärfte Luxusstrategie verkündet und angekündigt, vier von sieben Karosserievarianten im Einstiegsbereich zu streichen. Meldungen, wonach die Produktion von A- und B-Klasse in Rastatt eingestellt werden soll, hat der Konzern nie widersprochen. Im Umfeld des Konzerns hörte man von Überlegungen, die Produktion von A- und B-Klasse an den Anteilseigner Geely abzugeben. Ein Mercedes-Sprecher sagte dazu zu Europe.Table: “Ich bitte um Verständnis, dass wir uns, wie gewohnt, zu Spekulationen nicht äußern.”

  • Autoindustrie

Taiwan und USA steuern auf Handels-Vertrag zu

Die USA und Taiwan nehmen formal Gespräche über eine Handelskooperation auf. Die ersten Treffen der Delegationen können nun schon im Herbst stattfinden. Das Vorgehen der USA gilt als Ersatz dafür, dass Taiwan nicht an der aktuellen Indo-Pazifik-Initiative von Präsident Joe Biden teilnehmen konnte.  

Chinas Zorn fiel zunächst nicht ganz so laut aus, wie das in der derzeit angespannten Lage zu erwarten wäre. Die USA sollten “ihre Handelsbeziehungen mit Taiwan unter voller Berücksichtigung der Kerninteressen Chinas gestalten”, forderte eine Sprecherin am Mittwoch. Die Wahrung der chinesischen Souveränität stehe hier im Vordergrund. Das Außenministerium in Peking äußerte zudem “Ablehnung” gegenüber den taiwanisch-amerikanischen Kontakten. Konkrete Drohungen blieben aber aus, es blieb bei nur routinemäßig abgespulter Gegenwehr.

Taiwan wünscht sich zwar einen echten Freihandelsvertrag, wie die Regierung in Taipeh am Donnerstag betonte. Doch die Chancen für einen weitreichenden Deal stehen schlecht. Zollfreiheit und unregulierter Güterverkehr haben derzeit in der US-Politik keine Chance. Das gilt nicht nur für Taiwan. Auch ein lange angekündigter Vertrag mit Großbritannien ist im derzeitigen Klima liegengeblieben. Joe Bidens Asien-Pazifik-Initiative (die, bei der Taiwan nicht mitmachen darf) enthält ebenfalls nur Kooperationsangebote, keinen Freihandel.

Es wird also vermutlich auch im Falle Taiwans bei einem freundlichen Dokument bleiben, das besseren Marktzugang für eine Reihe von Produktgruppen und die Sicherung von Lieferketten verspricht.

Es geht um eine Stärkung der Position Taiwans

Die Ankündigung vom Mittwoch ist daher vor allem politisch oder allenfalls wirtschaftspolitisch zu verstehen. “China setzt nicht nur die USA oder Taiwan ökonomischem Zwang aus, es schadet auch der Weltwirtschaft”, sagte der taiwanische Verhandlungsführer John Deng gegenüber Journalisten in Taipeh. Indem Taiwan an seine Verbündeten heranrücke, setze es diesem Zwang etwas entgegen.

Indem Taipeh mit Washington über Freihandel verhandelt, profiliert es sich als eigenständig handlungsfähiger Akteur auf der Weltbühne. Das steht dem Pekinger Alleinvertretungsanspruch für das “eine China” aus Volksrepublik und Taiwan entgegen. So sieht es auch das Pekinger Außenministerium. Ein Vertragsabschluss trage “Konnotationen von Souveränität” Taiwans und sei irreführend, weil es sich bei der Insel um eine Provinz Chinas handele, sagte der Sprecher in Peking.

Die USA unterfüttern wiederum mit den Verhandlungen ihr Schutzversprechen für Taiwan. “Es handelt sich um eine Gelegenheit, Taiwan in seiner Widerstandskraft zu stärken”, sagte der US-Vizeminister für Handel, Daniel Kritenbrink. Dieses Bedürfnis ist seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine an vielen Aktionen der US-Politik zu sehen. Der Präsident hat den Einsatz der Armee zugesichert, falls die Insel angegriffen wird. Mit ihrer Reise nach Taipeh hat die ranghohe Abgeordnete Nancy Pelosi kurz darauf den Anlass für das geliefert, was inzwischen weithin als die “vierte Krise in der Taiwanstraße” gilt.

USA beäugen Taiwans Fleischmarkt

Aus dem Dokument zur Bevollmächtigung der Verhandlungsführer der US-Seite vom Mittwoch geht hervor, welche Bereiche ein mögliches taiwanisch-amerikanisches Abkommen umfassen könnte:

  • Dialog über Regulierungspraxis
  • Gemeinsame Standards zur Korruptionsbekämpfung
  • Gemeinsame Standards beim Arbeitsschutz und beim Umweltschutz
  • Förderung der Handelskontakte zwischen Mittelständlern
  • Besserer Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte
  • Abbau von Handelsbarrieren
  • Offene Kanäle für Klagen über diskriminierende Handelspraktiken

Das sind tatsächlich größtenteils weiche Themen, die beide Seiten zu wenig Änderungen ihrer Praktiken verpflichten. Erhebliche Auswirkungen würden nur eine dauerhafte Öffnung des taiwanischen Marktes für US-Rind- und Schweinefleisch haben. Die USA wolle ihre Überschussproduktion möglichst ungehindert nach Ostasien verkaufen. Taiwan hat dem Import jedoch immer wieder Beschränkungen auferlegt. Wann immer Taiwan die Handelsbeziehungen zu den USA verbessern will, lockert es zunächst die Regulierungen für die Fleischeinfuhr. Im vergangenen Jahr hat Taiwan zur Freude der USA Beschränkungen für Schweine aufgehoben, die mit Mastmitteln aufgezogen wurden.

Für die USA ist zudem die Versorgung mit Halbleiterbausteinen ein strategisches Kernthema. Auch das dürfte ein Grund für die Verhandlungen sein, auch wenn weder Taiwan noch die USA den Chip-Einfuhren derzeit Steine in den Weg legen. Für die EU wiederum ist die Sicherung von Halbleiterlieferungen (China.Table berichtete) einer der Hauptgründe für eigene Handelsgespräche mit Taiwan. Auch hier ist Freihandel auf absehbare Zeit kein realistisches Thema.

  • Geopolitik
  • Handel
  • Taiwan
  • USA

Termine

22.08.2022, 09:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing Time)
Center for Strategic & International Studies / Webinar The Military Dimensions of the Fourth Taiwan Strait Crisis Mehr

23.08.2022, 08:30 Uhr (14:30 Uhr Beijing Time)
China Netzwerk Baden-Württemberg / Working Group Meeting How does PR work in China? Insights from a Chinese journalist Mehr

23.08.2022, 09:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing Time)
Investment Plattform China-Deutschland / Investment-Dialog Unternehmensansiedlung und Aufbau von Produktionsstätten als chancenreiches Deutsch-Chinesisches Investitionsfeld Mehr

25.08.2022, 03:00 Uhr (09:00 Uhr Beijing Time)
The Asian Banker, Online-Konferenz: Finance China 2022, Laying the foundations for a sustainable future Mehr

25.08.2022, 09:00 Uhr (15:00 Uhr Beijing Time)
EU Tech Chamber, Webinar: China’s Digital Economy, a big opportunity for Europeans Mehr

25.08.2022, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing Time)
Nanhua Futures, Webinar: Insights of China Derivatives Market Under QFI Scheme Mehr

News

Mehr Wachstum: Li Keqiang nimmt Provinzen in die Pflicht

Li Keqiang hat bei einer Rede in Shenzhen eingeräumt, dass China vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen steht. Im zweiten Quartal habe das Land gegen “Schocks jenseits der Erwartungen” ankämpfen müssen, erklärte Chinas Premier bei einem Treffen mit Vertretern der Lokalregierungen in der südchinesischen Metropole Shenzhen. “Jetzt ist der kritischste Augenblick für die wirtschaftliche Erholung”, so Li weiter.

Damit spielte Chinas zweitmächtigster Mann vor allem auf die anhaltend strikten Eindämmungsmaßnahmen gegen die Covid-Pandemie an. Der Umgang mit der Pandemie müsse “wirksam” mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung koordiniert werden, “um eine effektive Covid-19-Eindämmung, wirtschaftliche Stabilität und sichere Entwicklung zu gewährleisten”, so Li.

Um die Wirtschaft gleichzeitig auf Kurs zu halten, forderte Li Keqiang die sechs stärksten Provinzen, die zusammen 45 Prozent der Wirtschaftsleistung stellen, dazu auf, das Wachstum “proaktiv” voranzutreiben: Sie sollten “ein politisches Paket zur Stabilisierung der Wirtschaft umsetzen und ihr eigenes Potenzial entfalten.” Auch müssten sie eine führende Rolle bei der Schaffung und Bewahrung von Arbeitsplätzen übernehmen.

Peking kämpft derzeit gegen die steigende Arbeitslosigkeit, insbesondere unter jungen Menschen. Dieses Jahr werden 10,7 Millionen neue Hochschulabsolventen auf den Arbeitsmarkt drängen (China.Table berichtete). Dabei liegt die Jugendarbeitslosigkeit schon jetzt bei fast 20 Prozent – ein historischer Höchststand. fpe

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Neue Kohlekraftwerke für Guangdong

In der südostchinesischen Provinz Guangdong sollen fünf neue Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von insgesamt 6,7 Millionen Kilowattstunden entstehen. Der Bau werde bereits Ende September beginnen, die Kraftwerke sollen dann bis Ende 2024 ans Netz gehen, berichtet das chinesische Nachrichtenportal Caixin. Zwei der Kraftwerke müssen von der zuständigen Behörde auf Provinzebene aber noch genehmigt werden.

Die Investments in Kohlekraftwerke wurden seit 2016 zurückgefahren, dieser Trend kehrte sich vergangenes Jahr aber um. 2021 wurde der Bau neuer Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 33 Gigawatt gestartet. Seit Anfang 2022 wurden 23 Projekte mit einer Gesamtkapazität von mehr als 30 Gigawatt vorangetrieben. (China.Table berichtete)

In ihrer Energiepolitik setzt die chinesische Regierung auf den gleichzeitigen Ausbau der Kohlekraft und der erneuerbaren Energien. Mit den steigenden Investments in Kohlekraftwerke will China der Stromknappheit entgegenwirken. Im vergangenen Jahr machte das Land eine gravierende Stromkrise durch. Auch die Förderung von Kohle wurde hochgefahren: 2022 sollen bis zu 200 Millionen Tonnen mehr als im Vorjahr produziert werden. Damit will die Regierung auf die schrumpfenden Kohleimporte und steigende Energiepreise reagieren.

Kohle ist immer noch der wichtigste Energieträger in China, im chinesischen Strommix liegt Kohlestrom mit 64 Prozent an erster Stelle. Wenn China seinen Anteil zur Erreichung der Pariser Klimaziele beitragen will, muss der Anteil des Kohlestroms bis zum Jahr 2030 auf 35 Prozent sinken, wie Berechnungen des Climate Action Tracker zeigen. jul

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16 Tote nach Überschwemmungen in Qinghai

Infolge starker Überschwemmungen sind in der westchinesischen Provinz Qinghai 16 Menschen ums Leben gekommen, wie staatliche Medien am Donnerstag berichteten. Weitere 36 werden vermisst. Schwere Regenfälle hatten den autonomen Kreis Datong am späten Mittwoch überrascht.

In den Bergen verursachten die Wassermassen Erdrutsche. Mehr als 6.200 Menschen waren von den Überschwemmungen betroffen. In Datong leben vor allem die Minderheiten der Hui und Tu. Seit Juni hat China mit extremen Wetterbedingungen zu kämpfen, von Hitzewellen bis hin zu historischen Überschwemmungen. Die Regierung macht dafür vor allem den Klimawandel verantwortlich. rtr/fpe

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  • Klima

Hongkonger Aktivisten plädieren auf schuldig

Laut Angaben der lokalen Behörden in Hongkong haben sich 29 der 47 pro-demokratischen Aktivisten, die auf Basis des Nationalen Sicherheitsgesetzes wegen “Verschwörung und Subversion” angeklagt wurden, für schuldig bekannt. Unter ihnen sind bekannte politische Führungspersönlichkeiten wie Joshua Wong und Benny Tai. Achtzehn weitere Angeklagte plädierten auf nicht schuldig.

Es ist noch unklar, welches Strafmaß der Hongkong High Court verhängen wird. Das Gericht hat noch keinen Termin für eine Verurteilung festgelegt. Theoretisch kann den Angeklagten, von denen viele seit ihrer Verhaftung bereits mehr als 17 Monate in Haft sitzen, eine lebenslange Haftstrafe drohen.

Die 47 Demokratieaktivisten im Alter von 23 bis 64 Jahren wurden wegen ihrer Beteiligung an einer inoffiziellen Vorwahl im Jahr 2020 angeklagt und wegen “Verschwörung zum Umsturz” verhaftet. An der von der pro-demokratischen Opposition in Hongkong organisierten Vorwahl zur Regionalparlamentswahl hatten damals mehr als 600.000 Bürger teilgenommen. Sie galt auch als symbolisches Protestvotum gegen das neue Nationale Sicherheitsgesetz. Die Peking-treue Hongkonger Regierung hatte die Vorwahlen als “schwere Provokation” bezeichnet. fpe

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Luftwaffe nimmt an Übungen im Indo-Pazifik teil

Im Rahmen einer Militärübung namens “Rapid Pacific 2022” hat die deutsche Luftwaffe eine Flugzeugflotte nach Asien verlegt. An der mehrwöchigen Übung sind rund 250 Soldatinnen und Soldaten beteiligt. Eines der Flugzeuge musste nun allerdings wegen technischer Probleme in Abu Dhabi zurückgelassen werden. Erst im Juli waren bei einem Besuch der Verteidigungsministerin bei der Luftwaffe Probleme mit den Schleudersitzen der Eurofighter aufgetreten, die Flugzeuge mussten daraufhin am Boden bleiben.

Neben sechs Eurofighter Jets und vier A400M Mehrzweckkampfflugzeugen besteht die Flotte aus drei A330 MRTT Transport- und Tankflugzeugen. Ziel der Übung war es zunächst, innerhalb von 24 Stunden in Singapur zu landen und damit zu beweisen, dass die Bundeswehr eine Flotte innerhalb eines Tages in den Indo-Pazifik verlegen kann. Die Flugzeuge flogen danach weiter nach Australien, um an zwei internationalen Übungen teilzunehmen, bei denen es unter anderem um die Verteidigung eines Nato-Partners geht.

Es ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass deutsche Kampfflugzeuge im Indo-Pazifik unterwegs sind. Im vergangenen Jahr war bereits eine Fregatte der Bundeswehr dorthin ausgelaufen. Ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums sagte, man wolle mit der Übung zeigen, dass Deutschland für Multilateralismus und die regelbasierte internationale Ordnung stehe, gemeinsam mit seinen Sicherheitspartnern. jul

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Presseschau

USA und Taiwan kündigen formelle Handelsgespräche an – China warnt HANDELSBLATT
Spannungen mit China: Taiwan hält eigene Manöver ab EURONEWS
Lithuania defies Beijing’s anger and names new envoy to Taiwan SCMP
China to send troops to Russia for joint week-long military drills THEGUARDIAN
Brussels prepares diplomatic offensive to stop the advance of China and Russia in Latin America ELPAIS
UN says forced labor takes place in Xinjiang, Tibet POLITICO
Wohin will China? Li Keqiangs Seitenhieb gegen Xi Jinping RND
Apple produziert nicht mehr nur in China FAZ
Tesla liefert in China jetzt vier Mal so schnell wie in Deutschland – dahinter steckt eine heikle Offensive HANDELSBLATT
Inside the software that will become the next battle front in US-China chip war TECHNOLOGYREVIEW
Können wir bald auf China verzichten, Frau Marin? FAZ
China’s ties with Sri Lanka raise concerns about control of global trade NPR
Chinas Aufseher durchleuchten offenbar Immobilien-Engagement von Banken HANDELSBLATT
Dürre in China sorgt für Energiemangel SPIEGEL
Factory Shutdowns, Showers for Pigs: China’s Heat Wave Strains Economy NYTIMES
China dims lights in Chengdu subway to save power as heat soars CNN
Chinesische Stadt testet Fische auf Corona SPIEGEL
Teilerfolg für Demokratieaktivistinnen in Hongkong DERSTANDARD
Sturzflut in China reißt 16 Menschen in den Tod NTV
Xi Starts March to Third Term in China Facing Problems at Home and Abroad BLOOMBERG
China Is Ramping Up Swiss Gold Imports, Signaling Better Demand BLOOMBERG

Heads

Xu Lin – Workaholic im Dienste der Propaganda

Der neue Direktor der nationalen Radio- und Fernsehbehörde NRTA: Xu Lin
Der neue Direktor der nationalen Radio- und Fernsehbehörde NRTA: Xu Lin

Für den chinesischen Propaganda-Apparat gibt es zurzeit an zwei Fronten reichlich Arbeit. Der Parteitag steht im Herbst an. Da hilft es, wenn die große Mehrheit der Bürger überzeugt davon ist, dass der versprochene “Wohlstand für alle” ein realistisches Ziel bleibt. Anderseits blicken Teile des Auslands wegen Null-Covid, Taiwan, Xinjiang, Tibet und Hongkong zunehmend skeptisch auf die Volksrepublik – so wird das nichts mit Chinas Führungsrolle in der Welt.

Chefideologe Wang Huning, seines Zeichens Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros, forderte im Frühjahr von Vertretern chinesischer Staatsmedien, dass die internationale Kommunikation des Landes verbessert werden müsse. Im Prinzip ist das Schnee von gestern. Staatspräsident Xi Jinping trichtert Kadern seit 2013 seine Doktrin ein, “die China-Geschichte gut zu erzählen.” Aber offenbar läuft das noch nicht so wie gewünscht.

In dieser Gemengelage hat Xu Lin seinen neuen Posten angetreten. Der 59-Jährige ist seit Juni Direktor der nationalen Radio- und Fernsehbehörde NRTA. Als solcher verantwortet Xu die Inhalte von staatlichen Medien wie der TV-Anstalt CCTV oder Chinas nationalen und internationalen Radiosendern.

Der NRTA-Chef in China genießt Ministerstatus. Der Stelle wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch diverse Neustrukturierungen und Zusammenlegungen sukzessive größere Verantwortung übertragen. Staatliche Medienkontrolle ist zwar so alt wie die Volksrepublik selbst, doch in ihrer jetzigen zentral organisierten Form existiert die NRTA erst seit 2018.

Business Herald: “Größter Shanghaier Politstar nach Xi”

Die Personalie im Jahr des Parteitags, währenddessen sich Xi Jinping entgegen jahrzehntelanger Gepflogenheiten eine dritte Amtszeit als Präsident sichern will, scheint wohldurchdacht. Xu Lin ist für Xi kein Unbekannter. Er gilt als Zögling des Parteichefs. 2007 hievte der bereits als künftiger Staatschef designierte Xi den damals 44-Jährigen in den 13-köpfigen Ständigen Ausschuss des Shanghaier Volkskongresses. Eine Titelgeschichte der Tageszeitung 21st Century Business Herald adelte Xu kurz darauf als größten Politstar nach Xi in der Runde.

Xu Lin hatte sich in seinen jungen Jahren bereits auf unteren Verwaltungsebenen in Shanghai einen Namen gemacht. Mit 29 wurde er stellvertretender Bezirkschef in Nanhui, das heute zu Pudong gehört. Drei Jahre später übernahm er als erster Shanghaier Funktionär einen Posten in Tibet, wo er in der Präfektur Xigazê als Partei-Vize diente. Nach seiner Rückkehr nach Shanghai sammelte er weitere Lorbeeren als Manager einer staatlichen Supermarktkette und schließlich als Chef des örtlichen Amtes für Zivile Angelegenheiten.

Die Organisationsabteilung der Kommunistischen Partei, jene mächtige Einrichtung, die hinter den Kulissen die Fäden für die Karrieren jedes vielversprechenden Kaders des Landes zieht, hatte damals schon ein Auge auf Xu geworfen. Seine umfangreichen Erfahrungen in vielen Bereichen der chinesischen Verwaltung schienen ihn für höhere Aufgaben zu prädestinieren.

Seit 2016 in Ämtern auf Ministerialebene

2006 hörte sich die Organisationsabteilung sehr genau im Umfeld von Xu um, wie sich einer seiner alten Wegbegleiter erinnerte. Die Delegation wollte herausfinden, wie Xu tickt und ob man ihm mehr Verantwortung übertragen konnte. Das Profil, das die Kollegen zeichneten, war das eines entscheidungsstarken Charakters mit Talent für Koordination und Organisation. “Wir haben ihn alle als Workaholic kennengelernt”, so ein Ex-Kollege zu 21st Century Business Herald.

Das Feedback aus Shanghai und seine Arbeit waren so überzeugend, dass Xu Lin nach der Berufung durch Xi stetig die Karriereleiter hochkletterte. Von 2016 verantwortete er die Cyberspace Administration CAC. Es war sein erster Posten auf Ministerialebene. Seitdem gehört Xu Lin zu Chinas absoluten Topfunktionären. Zwei Jahre später wurde er Direktor des State Council Information Office, also des Sprachrohrs des Staatsrates, dem Quasi-Kabinett des Landes.

Die intensiven Erfahrungen an der Propaganda-Front des Staates sollen ihm nun in neuer Funktion zugutekommen. Bis ins kleinste Detail werden die Medieninhalte nach innen und außen geplant und analysiert. Nichts soll dem Zufall überlassen werden. Die gesamte chinesische Medienpolitik ist danach ausgerichtet, die Führungsrolle der Partei zu bewahren, besser noch: stetig zu stärken. Dazu gehört es, die öffentliche Meinung zu kontrollieren und zu verhindern, dass die Digitalisierung Dynamiken erzeugt, die auch die Partei nicht mehr einfangen kann.

Eine zentrale Aufgabe dabei übernehmen die staatlichen Medien. Deren Kernaufgabe sei es laut Xu, “an der richtigen politischen Richtung, der Orientierung der öffentlichen Meinung und den Werten festzuhalten”. Mit dem Vertrauen von Xi Jinping im Rücken und dem Ruf eines Workaholics bringt Xu vermutlich beste Voraussetzungen mit, der Rolle gerecht zu werden. Ob er das Image der Volksrepublik im Ausland verbessern kann, hängt allerdings nicht nur von seinen Fähigkeiten als Spin Doctor ab, sondern auch unmittelbar von der Politik seines obersten Bosses. grz

  • KP Chinas
  • Propaganda
  • Xi Jinping

Personalien

Paulius Lukauskas, derzeit Berater von Litauens Premierministerin Ingrida Šimonytė, wird Leiter der Taiwan-Handelsvertretung in Litauen, die im September eröffnet werden soll. Das Büro wird nach vorherrschender internationaler Praxis den Namen “Taiwan” allerdings nicht im Namen tragen, sondern “Litauens Repräsentanz in Taipeh” heißen. Im vergangenen Herbst hatte ein in Vilnius eröffnetes “Taiwan-Büro” für diplomatische Verstimmungen mit China gesorgt.

Peter Geyer ist innerhalb von BASF im August als Junior Technology Manager von Shanghai nach Nanjing gewechselt. Geyer ist seit 20 Jahren für den deutschen Chemiekonzern tätig. In der Hauptstadt der ostchinesischen Provinz Jiangsu wird er den Produktionsprozess von tert-Butylamin (tBA) kontrollieren, das als Zwischenprodukt für die Herstellung von Beschleunigern für die Gummi- und Reifenindustrie verwendet wird.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Feine Fäden aus Nudelteig, von Hand gezogen. Li Nianping hat die Kunst perfektioniert, das Nudelmachen ist Familientradition. Einmal getrocknet werden die Nudeln gekürzt, verpackt und mit Papiermanschetten umhüllt. Li hat den Nudelbetrieb in Luonan, Provinz Shaanxi, von seinem Vater geerbt. Die handgemachten Nudeln von Luonan sind Kulturerbe der Provinz.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Extreme Hitze führt zu Strom-Engpässen
    • Droht Mercedes die Übernahme aus China?
    • Washington und Taipeh beginnen Handelsdialog
    • Termine der kommenden Woche
    • Li Keqiang will “pro-aktive” Provinzen
    • Baustart für neue Kohlekraftwerke
    • Flut-Opfer in Qinghai
    • Aktivisten in Hongkong bekennen sich schuldig
    • Luftwaffe übt im Indo-Pazifik
    • Im Porträt: Xu Lin, Xi Jinpings Propaganda-Experte
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    es ist und bleibt heiß – nicht nur bei uns. China wird seit Wochen von Rekordtemperaturen geplagt, zeitweise stiegen die Thermometer auf bis zu 44 Grad Celsius. Dürren bedrohen Ernten, die Wasserkraft bringt zu wenig Leistung und Kohlemeiler müssen für die Stromversorgung hochgefahren werden. Die Industrie fährt mancherorts dagegen runter: Die Produktion bei Bosch, Toyota, Foxconn, CATL und anderen großen Firmen in Sichuan ist gedrosselt oder steht komplett still. Mehr über die Auswirkungen und Gründe weiß Nico Beckert. 

    Ebenfalls heiß ist und bleibt das Thema Taiwan. Taipeh und Washington wollen formale Gespräche über eine Handelskooperation aufnehmen. Die Volksrepublik ist “not amused”, hält sich mit lauten Drohungen jedoch zurück. Finn Mayer-Kuckuks Analyse zeigt, dass die Gespräche vermutlich vor allem politische Bedeutung haben, da echter Freihandel für die USA derzeit nicht infrage kommt. Er berichtet, welche Bereiche ein mögliches taiwanisch-amerikanisches Abkommen umfassen könnte.

    Ein mildes Klima genießt derweil Mercedes. Die Stuttgarter verkaufen jede Menge Fahrzeuge in China, 36 Prozent aller Autos mit Stern gehen an Kunden in der Volksrepublik. Ein Großteil wird gleich vor Ort gebaut, auch Forschung und Entwicklung finden zunehmend in China statt. Ebenfalls beliebt: Die Aktien des Konzerns. 20 Prozent der Anteile liegen in unterschiedlichen chinesischen Händen. Doch ist das bedenklich? Schließlich gilt der Stuttgarter Konzern wegen seiner Eigentümerstruktur als angreifbar für Übernahmen. Markus Grabitz geht dieser Frage nach.

    Ihre
    Julia Fiedler
    Bild von Julia  Fiedler

    Analyse

    Hitzewelle hält Provinzen in Atem

    China Hitzewelle: Um die Trockenheit zu überwinden, wurden über 900 Raketen mit Chemikalien in die Wolken geschossen. Dadurch soll künstlicher Regen erzeugt werden (Archivbild).
    Um die Trockenheit zu überwinden, wurden über 900 Raketen mit Chemikalien in die Wolken geschossen. Dadurch soll künstlicher Regen erzeugt werden (Archivbild).

    Große Teile Chinas erleben seit Mitte Juni Extremtemperaturen, die teils 30 Tage andauern. Das Land wird von einer Hitzewelle heimgesucht, die alle Rekorde bricht. Es ist die schlimmste Hitzewelle seit Anfang der Aufzeichnungen im Jahr 1961. Mehr als 260 Wetterstationen haben Temperaturen von über 40 Grad gemessen – teils steigt das Thermometer auf über 44 Grad. Am Jangtse, dem größten Fluss Asiens, gab es 45 Prozent weniger Regenfälle als im Durchschnitt der letzten Jahre. Die schwere Trockenheit entlang des Stroms könnte bis weit in den September hinein andauern, so die Behörden.

    Der Ausblick ist nicht positiv. Die Hitzewelle soll in einigen Provinzen weiter anhalten. “Die Dürre in Anhui, Hubei, Hunan und Jiangxi könnte sich weiterentwickeln”, warnt Liu Zhiyu, ein Beamter des Ministeriums für Wasserressourcen. Einige Provinzen greifen zu verzweifelten Maßnahmen. Durch künstliche Wolken wollen sie für mehr Regen sorgen. Dabei werden Chemikalien mit hunderten Raketen in die Wolken geschossen. Doch die Wolkendecke ist in vielen Regionen zu dünn, sodass die Maßnahmen oft keine Erfolge haben.

    Hitzetote und vertrocknete Ernten

    Die Hitzewelle betrifft Millionen Menschen. Aktuell sind große Gebiete von Jiangsu, Anhui, Hubei, Zhejiang, Jiangxi, Hunan, Guizhou, Chongqing, Sichuan und Tibet von großer Trockenheit und hohen Temperaturen betroffen. Das Extremwetter schlägt sich auf die Gesundheit nieder und plagt besonders alte Menschen. Laut Erhebungen des Wirtschaftsportals Caixin erlitten im Juni und Juli 82 Menschen Hitzeschläge, es gab neun Todesfälle. Die Dunkelziffer dürfte jedoch noch höher liegen. In Teilen Zentralchinas und im Norden der Volksrepublik haben die Behörden Notfallmaßnahmen angeleitet, um die Trinkwasserversorgung der ländlichen Bevölkerung sicherzustellen.

    Die Ernten auf mehr als 800.000 Hektar Land sind betroffen. Die Behörden haben Notfallteams in die Provinzen ausgesendet, um die Bewässerung der Felder sicherzustellen. Teilweise wurden Wasserpumpen verteilt. Für einige landwirtschaftliche Betriebe kommt jedoch jede Hilfe zu spät, vereinzelt kommt es zu kompletten Ernteausfällen. Noch ist unklar, wie sich die Hitzewelle auf den Ernteertrag auswirken wird. Die Anbaufläche für Herbstgetreide wurde in diesem Jahr vergrößert und bietet eine gute Grundlage für eine stabile Produktion, zeigt sich Fu Linghui, ein Beamter des nationalen Statistikamtes gegenüber Xinhua optimistisch.

    Die Bänder stehen wieder still

    Die Industriehochburg Sichuan rationiert den Strom für Unternehmen in 19 von 21 Städten vom 15. bis zum 20. August. Die Produktion bei Bosch, Toyota, Foxconn, CATL und anderen großen Firmen in der Region ist gedrosselt oder steht komplett still. Noch seien die Auswirkungen jedoch überschaubar, so eine Bosch-Sprecherin.

    Auch die angrenzende 30-Millionen-Einwohner Metropole Chongqing hat die Stromversorgung für Unternehmen bis zum 24. August eingeschränkt. In Jiangsu und Anhui haben Unternehmen ihre Produktion auf Bitten der lokalen Behörden angepasst.

    Sichuan erzeugt mehr als 80 Prozent seines Stroms mit Wasserkraft. Aufgrund der Dürren und niedriger Pegelstände können die Kraftwerke nicht mehr ausreichend Strom liefern. Um die Stromversorgung für Privathaushalte und den Handel sicherzustellen – und damit auch die hohe Nachfrage nach Strom für Klimaanlagen zu decken – müssen Unternehmen verzichten. Doch scheinbar leiden auch Privathaushalte an Stromausfällen. “Der Strom wird mindestens zweimal am Tag für jeweils mindestens drei Stunden abgeschaltet. Die Stromabschaltungen erfolgten während der heißesten Zeit des Tages”, beschwerte sich ein Anwohner des Bezirks Santai auf Social Media. Der Stromversorger im Bezirk Yuechi gab bekannt, dass er die Versorgung für jeden Distrikt abwechselnd unterbrochen habe. Wie viele Menschen insgesamt betroffen waren, blieb unklar. In Santai und Yuechi leben jeweils mehr als eine Million Menschen.

    Die Drosselung der Produktion in Sichuan betrifft auch Lithium und Polysilizium – den Ausgangsstoff für Solarzellen. Falls der Stromengpass in Sichuan fortbestehe, könnten auch die Zulieferer von Tesla und SAIC betroffen und damit die Autoproduktion gefährdet sein, wie Bloomberg berichtet. Die beiden Autohersteller haben die Behörden in ihrer “Heimatprovinz” Shanghai bereits gewarnt.

    Am Jangtse hat das Büro für maritime Sicherheit mehrmals vor geringen Wasserständen gewarnt. Die Schiffe sollen ihre Fracht reduzieren, wenn sie durch flache Passagen fahren. Mit der Situation am Rhein ist die Lage jedoch nicht zu vergleichen. Und mit Engpässen ist derzeit noch nicht zu rechnen, wie Analystinnen erklären. Bisher sind die wirtschaftlichen Schäden noch nicht mit der Energiekrise des letzten Jahres zu vergleichen. Sollten die Hitzewellen jedoch noch länger andauern, könnte die Stromknappheit auch andere Provinzen wie Zhejiang und Jiangsu hart treffen, da sie auf Stromimporte aus Sichuan setzen, wie Reuters berichtet. Die beiden Provinzen haben jetzt schon die Stahl-, Metall- und Textilproduktion eingeschränkt.

    Kohleverbrauch steigt kurzfristig an

    Durch den Ausfall der Wasserkraft setzen Sichuan und andere Provinzen vermehrt auf Kohle. Der Kohleverbrauch der Provinz und in China insgesamt stieg in den letzten Wochen an. Analysten gehen aber davon aus, dass der höhere Kohleverbrauch zur Stromerzeugung nicht zu einem Anstieg der CO2-Emissionen im laufenden Jahr führen wird. Denn energieintensive Wirtschaftssektoren wie die Metall- und Zementproduktion befinden sich noch immer in der Krise, sodass die CO2-Emissionen in diesen Bereichen geringer ausfallen als im Vorjahr.

    Die Stromknappheit in Sichuan ist zudem nicht nur auf den Klimawandel zurückzuführen. Ein starres System für den Stromhandel schränkt die Provinzen stark ein, auf aktuelle Krisen angemessen zu reagieren. Laut dem Energie- und Klimaexperten Lauri Myllyvirta exportiert Sichuan trotz der Engpässe weiterhin Energie an Nachbarprovinzen. Langfristige, feste Lieferverträge verpflichten die Energiefirmen dazu. Der Stromhandel zwischen den Provinzen ist unflexibel. “Seit einem Jahrzehnt wird an einer Reform der Energieübertragung und des -handels zwischen den Provinzen gearbeitet”, sagt Cory Combs von der Beratungsagentur Trivium China. Bisher ohne große Erfolge.

    Volksrepublik besonders vom Klimawandel betroffen

    Die aktuelle Hitzewelle lässt vorausahnen, was China in den nächsten Jahrzehnten durch den Klimawandel blüht. Laut Studien werden Hitzewellen in Zukunft häufiger und stärker auftreten, die Volksrepublik wird besonders stark betroffen sein. Schätzungen zufolge werden dadurch mittelfristig 20 Prozent der Ernten bedroht. Dabei verfügt China schon heute nur über sieben Prozent der landwirtschaftlichen Fläche der Welt, muss davon aber 22 Prozent der Weltbevölkerung ernähren. Der Energiebedarf zum Kühlen wird weiter steigen und die Infrastruktur an den Küsten wird durch Überflutungen geschädigt. Bis zum Jahr 2100 sieht sich China mit Kosten in Höhe von 190 Billionen Euro konfrontiert (China.Table berichtete). Gelingt der Zentralregierung kein schnelles Gegensteuern, werden die Rekord-Hitzewellen dieses Sommers erst der Anfang sein.

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    • Klima
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    Wie chinesisch ist Mercedes?

    Mercedes hat China spät entdeckt. Erst 2005 ging der Stuttgarter Hersteller nach Peking und gründete mit dem Staatskonzern BAIC das Joint Venture Beijing Benz Automotive Co. (BBAC). In der Anfangszeit spielte das China-Geschäft für die Zentrale in Untertürkheim eine überschaubare Rolle. “Wenn die Kollegen in Stuttgart die chinesische Länderkennung im Display ihrer Telefone gesehen haben, sind sie gar nicht erst dran gegangen”, erinnert sich ein Mitarbeiter aus dem Finanzbereich an seine Anfänge in China.

    Inzwischen hat sich das geändert. China ist für die Stuttgarter sehr wichtig geworden. Im vergangenen Jahr hat Mercedes weltweit 2,093 Millionen Pkw verkauft, davon gingen 763.706 an Käufer in China. Das sind über 36 Prozent des Gesamtabsatzes. Auch bei den anderen deutschen Herstellern sichert China das Geschäftsmodell und spielt das Geld für Investitionen in die Transformation ein. VW verkaufte 2021 40 Prozent der Neufahrzeuge der Konzernmarken nach China, bei BMW lag der Wert bei 34 Prozent.

    Paul Gao hat die asiatischen Märkte im Blick 

    586.804 Mercedes-Fahrzeuge wurden 2021 vor Ort im Pekinger Werk montiert. In seinem 17. Jahr in China hat der Konzern mit dem Stern damit 28 Prozent seines Weltabsatzes in China gebaut. Seit 2012 leitet der Vorstand Hubertus Troska vor Ort in Peking die China-Geschäfte. Für die chinesischen Kunden werden auch Autos mit extra langem Radstand gefertigt. Ein eigenes Modell – nur für den chinesischen Markt – ist angekündigt. 

    China ist nicht nur die Werkbank: Forschung und Entwicklung (R&D) werden zunehmend in China angesiedelt. Gerade erst wurde in Shanghai das zweite R&D-Centre eröffnet. Insgesamt sind schon rund tausend Entwickler dort tätig. Vorstandschef Ola Källenius hat den McKinsey-Berater Paul Gao verpflichtet, der auch Mandarin spricht und in China und in den USA studiert hat. Gaos Titel lautet Chief Strategy Officer. Seine Mission: Er soll bei den strategischen Geschäftsentscheidungen die spezifischen Anforderungen der asiatischen Schlüsselmärkte im Blick haben.

    Mercedes operiert nicht nur aus China und verdient gut mit dem China-Geschäft, der Konzern ist zu beträchtlichen Teilen in chinesischer Hand. Der Staatskonzern BAIC hat seinen Anteil auf zehn Prozent erhöht, was lange Zeit nicht an die Öffentlichkeit drang. Und der Geschäftsmann Li Shufu, dem seit 2018 Volvo gehört sowie der Hersteller Geely, ist über seine Investmentgesellschaft größter Einzelaktionär mit einem Anteil von weiteren 9,7 Prozent.

    Droht Mercedes die Übernahme aus China?

    Wegen der Eigentumsverhältnisse bei Mercedes – anders als bei BMW und VW gibt es keine Quandts, Porsches und Piechs, die die Strippen ziehen, viele Aktien sind in Streubesitz – gilt der Stuttgarter Konzern als angreifbar für Übernahmen. Gerade war es ruhig, da nährte jüngst ausgerechnet Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann Spekulationen, als er im Fall eines Übernahmeversuchs aus China ein Veto der Bundesregierung ankündigte. Ob der Grüne einen konkreten Anlass für seine Intervention hatte, blieb unklar. 

    Man darf aber davon ausgehen, dass die Investoren in China sehr genau eine weitere Erhöhung der Aktienanteile prüfen. Kaum eine Marke ist den Deutschen wichtiger. Auch in Peking weiß man, dass die Übernahme von Mercedes in Deutschland ein Politikum wäre. Wie zu hören ist, hat der Konzern dennoch Vorsorge getroffen: Bei der Abspaltung der Lastwagensparte im vergangenen Jahr habe man sehr bewusst einen Geschäftsbereich, der eine militärische Variante des G-Modells produziert, nicht den Truckern, sondern der Pkw-Sparte zugeschlagen. “Damit hat die Bundesregierung die Möglichkeit, allein aus Sicherheitsinteressen eine Übernahme durch China zu untersagen”, hört man.    

    Insgesamt sind ein Fünftel der Mercedes-Aktien in chinesischer Hand. Beim Blick auf die Aktionärsstruktur wird häufig nicht gesehen, dass die beiden chinesischen Player eigene Interessen verfolgen. “BAIC und Geely sind sich überhaupt nicht grün”, sagt ein Beobachter. Der Staatskonzern BAIC ist der Partner, den sich der Konzern mit dem Stern ursprünglich ausgesucht hat. 

    Bei Li Shufu kann man dagegen über seine Motivation für den Einstieg bei den Schwaben rätseln. Wollte sich der chinesische Geschäftsmann mit der Trophäe schmücken, Anteilseigner einer deutschen Traditionsmarke zu sein? Hat er sich ursprünglich mehr ausgerechnet? Wollte er selbst auf den Fahrersitz bei Mercedes? Ein Analyst sagt zu Europe.Table: “Auffällig ist, dass Källenius-Vorgänger Zetsche auf Fragen zu BAIC eher wohlwollend geantwortet hat und auf Fragen zu Geely eher neutral.”

    Wird Mercedes noch chinesischer?

    Inzwischen gibt es eine Kooperation zwischen Geely und Mercedes für den Kleinwagen Smart. Das neue Modell – mit der Marke Smart haben die Stuttgarter in Europa nie Geld verdient – wird jetzt von Geely in China gebaut. Die Stuttgarter sind für das Design und die Technik zuständig.  

    Ob die chinesischen Investoren Einfluss auf das operative Geschäft nehmen? Darüber ist wenig bekannt. Klar ist, dass sie jedenfalls personell weder im Vorstand noch im Aufsichtsrat vertreten sind. Es könnte sein, dass Mercedes in Zukunft chinesischer wird und bisher in Europa angesiedelte Aktivitäten abwandern, zum Beispiel das Geschäft mit dem Verbrenner. 

    Källenius hat zwar die “Electric only”-Strategie ausgerufen. Ende des Jahrzehnts wolle man nur noch E-Autos verkaufen. Doch relativierend kommt dann immer der Zusatz: “wo es die Marktbedingungen zulassen”. Die EU wird das Verbrenner-Aus für das Jahr 2035 beschließen. Aber aus einer neuen E-Auto-Studie der Unternehmensberatung PWC geht hervor, dass im Jahr 2035 weltweit immer noch 41 Prozent der neu zugelassenen Autos einen Verbrennungsmotor haben. 

    In der Studie steht, dass auch in China dann noch 27 Prozent der Neuzulassungen Verbrenner sind. Es ist schwer vorstellbar, dass Mercedes komplett das Geschäft mit dem Verbrenner aufgibt. Wenn in Europa der Verbrenner beerdigt ist, spricht viel dafür, die Entwicklung von neuen Motoren nach China zu verlagern.

    Spekulationen gibt es auch um die Produktion von Volumenmodellen. Källenius hatte kürzlich die verschärfte Luxusstrategie verkündet und angekündigt, vier von sieben Karosserievarianten im Einstiegsbereich zu streichen. Meldungen, wonach die Produktion von A- und B-Klasse in Rastatt eingestellt werden soll, hat der Konzern nie widersprochen. Im Umfeld des Konzerns hörte man von Überlegungen, die Produktion von A- und B-Klasse an den Anteilseigner Geely abzugeben. Ein Mercedes-Sprecher sagte dazu zu Europe.Table: “Ich bitte um Verständnis, dass wir uns, wie gewohnt, zu Spekulationen nicht äußern.”

    • Autoindustrie

    Taiwan und USA steuern auf Handels-Vertrag zu

    Die USA und Taiwan nehmen formal Gespräche über eine Handelskooperation auf. Die ersten Treffen der Delegationen können nun schon im Herbst stattfinden. Das Vorgehen der USA gilt als Ersatz dafür, dass Taiwan nicht an der aktuellen Indo-Pazifik-Initiative von Präsident Joe Biden teilnehmen konnte.  

    Chinas Zorn fiel zunächst nicht ganz so laut aus, wie das in der derzeit angespannten Lage zu erwarten wäre. Die USA sollten “ihre Handelsbeziehungen mit Taiwan unter voller Berücksichtigung der Kerninteressen Chinas gestalten”, forderte eine Sprecherin am Mittwoch. Die Wahrung der chinesischen Souveränität stehe hier im Vordergrund. Das Außenministerium in Peking äußerte zudem “Ablehnung” gegenüber den taiwanisch-amerikanischen Kontakten. Konkrete Drohungen blieben aber aus, es blieb bei nur routinemäßig abgespulter Gegenwehr.

    Taiwan wünscht sich zwar einen echten Freihandelsvertrag, wie die Regierung in Taipeh am Donnerstag betonte. Doch die Chancen für einen weitreichenden Deal stehen schlecht. Zollfreiheit und unregulierter Güterverkehr haben derzeit in der US-Politik keine Chance. Das gilt nicht nur für Taiwan. Auch ein lange angekündigter Vertrag mit Großbritannien ist im derzeitigen Klima liegengeblieben. Joe Bidens Asien-Pazifik-Initiative (die, bei der Taiwan nicht mitmachen darf) enthält ebenfalls nur Kooperationsangebote, keinen Freihandel.

    Es wird also vermutlich auch im Falle Taiwans bei einem freundlichen Dokument bleiben, das besseren Marktzugang für eine Reihe von Produktgruppen und die Sicherung von Lieferketten verspricht.

    Es geht um eine Stärkung der Position Taiwans

    Die Ankündigung vom Mittwoch ist daher vor allem politisch oder allenfalls wirtschaftspolitisch zu verstehen. “China setzt nicht nur die USA oder Taiwan ökonomischem Zwang aus, es schadet auch der Weltwirtschaft”, sagte der taiwanische Verhandlungsführer John Deng gegenüber Journalisten in Taipeh. Indem Taiwan an seine Verbündeten heranrücke, setze es diesem Zwang etwas entgegen.

    Indem Taipeh mit Washington über Freihandel verhandelt, profiliert es sich als eigenständig handlungsfähiger Akteur auf der Weltbühne. Das steht dem Pekinger Alleinvertretungsanspruch für das “eine China” aus Volksrepublik und Taiwan entgegen. So sieht es auch das Pekinger Außenministerium. Ein Vertragsabschluss trage “Konnotationen von Souveränität” Taiwans und sei irreführend, weil es sich bei der Insel um eine Provinz Chinas handele, sagte der Sprecher in Peking.

    Die USA unterfüttern wiederum mit den Verhandlungen ihr Schutzversprechen für Taiwan. “Es handelt sich um eine Gelegenheit, Taiwan in seiner Widerstandskraft zu stärken”, sagte der US-Vizeminister für Handel, Daniel Kritenbrink. Dieses Bedürfnis ist seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine an vielen Aktionen der US-Politik zu sehen. Der Präsident hat den Einsatz der Armee zugesichert, falls die Insel angegriffen wird. Mit ihrer Reise nach Taipeh hat die ranghohe Abgeordnete Nancy Pelosi kurz darauf den Anlass für das geliefert, was inzwischen weithin als die “vierte Krise in der Taiwanstraße” gilt.

    USA beäugen Taiwans Fleischmarkt

    Aus dem Dokument zur Bevollmächtigung der Verhandlungsführer der US-Seite vom Mittwoch geht hervor, welche Bereiche ein mögliches taiwanisch-amerikanisches Abkommen umfassen könnte:

    • Dialog über Regulierungspraxis
    • Gemeinsame Standards zur Korruptionsbekämpfung
    • Gemeinsame Standards beim Arbeitsschutz und beim Umweltschutz
    • Förderung der Handelskontakte zwischen Mittelständlern
    • Besserer Marktzugang für landwirtschaftliche Produkte
    • Abbau von Handelsbarrieren
    • Offene Kanäle für Klagen über diskriminierende Handelspraktiken

    Das sind tatsächlich größtenteils weiche Themen, die beide Seiten zu wenig Änderungen ihrer Praktiken verpflichten. Erhebliche Auswirkungen würden nur eine dauerhafte Öffnung des taiwanischen Marktes für US-Rind- und Schweinefleisch haben. Die USA wolle ihre Überschussproduktion möglichst ungehindert nach Ostasien verkaufen. Taiwan hat dem Import jedoch immer wieder Beschränkungen auferlegt. Wann immer Taiwan die Handelsbeziehungen zu den USA verbessern will, lockert es zunächst die Regulierungen für die Fleischeinfuhr. Im vergangenen Jahr hat Taiwan zur Freude der USA Beschränkungen für Schweine aufgehoben, die mit Mastmitteln aufgezogen wurden.

    Für die USA ist zudem die Versorgung mit Halbleiterbausteinen ein strategisches Kernthema. Auch das dürfte ein Grund für die Verhandlungen sein, auch wenn weder Taiwan noch die USA den Chip-Einfuhren derzeit Steine in den Weg legen. Für die EU wiederum ist die Sicherung von Halbleiterlieferungen (China.Table berichtete) einer der Hauptgründe für eigene Handelsgespräche mit Taiwan. Auch hier ist Freihandel auf absehbare Zeit kein realistisches Thema.

    • Geopolitik
    • Handel
    • Taiwan
    • USA

    Termine

    22.08.2022, 09:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing Time)
    Center for Strategic & International Studies / Webinar The Military Dimensions of the Fourth Taiwan Strait Crisis Mehr

    23.08.2022, 08:30 Uhr (14:30 Uhr Beijing Time)
    China Netzwerk Baden-Württemberg / Working Group Meeting How does PR work in China? Insights from a Chinese journalist Mehr

    23.08.2022, 09:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing Time)
    Investment Plattform China-Deutschland / Investment-Dialog Unternehmensansiedlung und Aufbau von Produktionsstätten als chancenreiches Deutsch-Chinesisches Investitionsfeld Mehr

    25.08.2022, 03:00 Uhr (09:00 Uhr Beijing Time)
    The Asian Banker, Online-Konferenz: Finance China 2022, Laying the foundations for a sustainable future Mehr

    25.08.2022, 09:00 Uhr (15:00 Uhr Beijing Time)
    EU Tech Chamber, Webinar: China’s Digital Economy, a big opportunity for Europeans Mehr

    25.08.2022, 10:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing Time)
    Nanhua Futures, Webinar: Insights of China Derivatives Market Under QFI Scheme Mehr

    News

    Mehr Wachstum: Li Keqiang nimmt Provinzen in die Pflicht

    Li Keqiang hat bei einer Rede in Shenzhen eingeräumt, dass China vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen steht. Im zweiten Quartal habe das Land gegen “Schocks jenseits der Erwartungen” ankämpfen müssen, erklärte Chinas Premier bei einem Treffen mit Vertretern der Lokalregierungen in der südchinesischen Metropole Shenzhen. “Jetzt ist der kritischste Augenblick für die wirtschaftliche Erholung”, so Li weiter.

    Damit spielte Chinas zweitmächtigster Mann vor allem auf die anhaltend strikten Eindämmungsmaßnahmen gegen die Covid-Pandemie an. Der Umgang mit der Pandemie müsse “wirksam” mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung koordiniert werden, “um eine effektive Covid-19-Eindämmung, wirtschaftliche Stabilität und sichere Entwicklung zu gewährleisten”, so Li.

    Um die Wirtschaft gleichzeitig auf Kurs zu halten, forderte Li Keqiang die sechs stärksten Provinzen, die zusammen 45 Prozent der Wirtschaftsleistung stellen, dazu auf, das Wachstum “proaktiv” voranzutreiben: Sie sollten “ein politisches Paket zur Stabilisierung der Wirtschaft umsetzen und ihr eigenes Potenzial entfalten.” Auch müssten sie eine führende Rolle bei der Schaffung und Bewahrung von Arbeitsplätzen übernehmen.

    Peking kämpft derzeit gegen die steigende Arbeitslosigkeit, insbesondere unter jungen Menschen. Dieses Jahr werden 10,7 Millionen neue Hochschulabsolventen auf den Arbeitsmarkt drängen (China.Table berichtete). Dabei liegt die Jugendarbeitslosigkeit schon jetzt bei fast 20 Prozent – ein historischer Höchststand. fpe

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    • Li Keqiang

    Neue Kohlekraftwerke für Guangdong

    In der südostchinesischen Provinz Guangdong sollen fünf neue Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von insgesamt 6,7 Millionen Kilowattstunden entstehen. Der Bau werde bereits Ende September beginnen, die Kraftwerke sollen dann bis Ende 2024 ans Netz gehen, berichtet das chinesische Nachrichtenportal Caixin. Zwei der Kraftwerke müssen von der zuständigen Behörde auf Provinzebene aber noch genehmigt werden.

    Die Investments in Kohlekraftwerke wurden seit 2016 zurückgefahren, dieser Trend kehrte sich vergangenes Jahr aber um. 2021 wurde der Bau neuer Kohlekraftwerke mit einer Kapazität von 33 Gigawatt gestartet. Seit Anfang 2022 wurden 23 Projekte mit einer Gesamtkapazität von mehr als 30 Gigawatt vorangetrieben. (China.Table berichtete)

    In ihrer Energiepolitik setzt die chinesische Regierung auf den gleichzeitigen Ausbau der Kohlekraft und der erneuerbaren Energien. Mit den steigenden Investments in Kohlekraftwerke will China der Stromknappheit entgegenwirken. Im vergangenen Jahr machte das Land eine gravierende Stromkrise durch. Auch die Förderung von Kohle wurde hochgefahren: 2022 sollen bis zu 200 Millionen Tonnen mehr als im Vorjahr produziert werden. Damit will die Regierung auf die schrumpfenden Kohleimporte und steigende Energiepreise reagieren.

    Kohle ist immer noch der wichtigste Energieträger in China, im chinesischen Strommix liegt Kohlestrom mit 64 Prozent an erster Stelle. Wenn China seinen Anteil zur Erreichung der Pariser Klimaziele beitragen will, muss der Anteil des Kohlestroms bis zum Jahr 2030 auf 35 Prozent sinken, wie Berechnungen des Climate Action Tracker zeigen. jul

    • Energie
    • Klima
    • Kohlekraft

    16 Tote nach Überschwemmungen in Qinghai

    Infolge starker Überschwemmungen sind in der westchinesischen Provinz Qinghai 16 Menschen ums Leben gekommen, wie staatliche Medien am Donnerstag berichteten. Weitere 36 werden vermisst. Schwere Regenfälle hatten den autonomen Kreis Datong am späten Mittwoch überrascht.

    In den Bergen verursachten die Wassermassen Erdrutsche. Mehr als 6.200 Menschen waren von den Überschwemmungen betroffen. In Datong leben vor allem die Minderheiten der Hui und Tu. Seit Juni hat China mit extremen Wetterbedingungen zu kämpfen, von Hitzewellen bis hin zu historischen Überschwemmungen. Die Regierung macht dafür vor allem den Klimawandel verantwortlich. rtr/fpe

    • Hitzewelle
    • Klima

    Hongkonger Aktivisten plädieren auf schuldig

    Laut Angaben der lokalen Behörden in Hongkong haben sich 29 der 47 pro-demokratischen Aktivisten, die auf Basis des Nationalen Sicherheitsgesetzes wegen “Verschwörung und Subversion” angeklagt wurden, für schuldig bekannt. Unter ihnen sind bekannte politische Führungspersönlichkeiten wie Joshua Wong und Benny Tai. Achtzehn weitere Angeklagte plädierten auf nicht schuldig.

    Es ist noch unklar, welches Strafmaß der Hongkong High Court verhängen wird. Das Gericht hat noch keinen Termin für eine Verurteilung festgelegt. Theoretisch kann den Angeklagten, von denen viele seit ihrer Verhaftung bereits mehr als 17 Monate in Haft sitzen, eine lebenslange Haftstrafe drohen.

    Die 47 Demokratieaktivisten im Alter von 23 bis 64 Jahren wurden wegen ihrer Beteiligung an einer inoffiziellen Vorwahl im Jahr 2020 angeklagt und wegen “Verschwörung zum Umsturz” verhaftet. An der von der pro-demokratischen Opposition in Hongkong organisierten Vorwahl zur Regionalparlamentswahl hatten damals mehr als 600.000 Bürger teilgenommen. Sie galt auch als symbolisches Protestvotum gegen das neue Nationale Sicherheitsgesetz. Die Peking-treue Hongkonger Regierung hatte die Vorwahlen als “schwere Provokation” bezeichnet. fpe

    • Hongkong
    • Menschenrechte
    • Nationales Sicherheitsgesetz
    • Zivilgesellschaft

    Luftwaffe nimmt an Übungen im Indo-Pazifik teil

    Im Rahmen einer Militärübung namens “Rapid Pacific 2022” hat die deutsche Luftwaffe eine Flugzeugflotte nach Asien verlegt. An der mehrwöchigen Übung sind rund 250 Soldatinnen und Soldaten beteiligt. Eines der Flugzeuge musste nun allerdings wegen technischer Probleme in Abu Dhabi zurückgelassen werden. Erst im Juli waren bei einem Besuch der Verteidigungsministerin bei der Luftwaffe Probleme mit den Schleudersitzen der Eurofighter aufgetreten, die Flugzeuge mussten daraufhin am Boden bleiben.

    Neben sechs Eurofighter Jets und vier A400M Mehrzweckkampfflugzeugen besteht die Flotte aus drei A330 MRTT Transport- und Tankflugzeugen. Ziel der Übung war es zunächst, innerhalb von 24 Stunden in Singapur zu landen und damit zu beweisen, dass die Bundeswehr eine Flotte innerhalb eines Tages in den Indo-Pazifik verlegen kann. Die Flugzeuge flogen danach weiter nach Australien, um an zwei internationalen Übungen teilzunehmen, bei denen es unter anderem um die Verteidigung eines Nato-Partners geht.

    Es ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass deutsche Kampfflugzeuge im Indo-Pazifik unterwegs sind. Im vergangenen Jahr war bereits eine Fregatte der Bundeswehr dorthin ausgelaufen. Ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums sagte, man wolle mit der Übung zeigen, dass Deutschland für Multilateralismus und die regelbasierte internationale Ordnung stehe, gemeinsam mit seinen Sicherheitspartnern. jul

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    Presseschau

    USA und Taiwan kündigen formelle Handelsgespräche an – China warnt HANDELSBLATT
    Spannungen mit China: Taiwan hält eigene Manöver ab EURONEWS
    Lithuania defies Beijing’s anger and names new envoy to Taiwan SCMP
    China to send troops to Russia for joint week-long military drills THEGUARDIAN
    Brussels prepares diplomatic offensive to stop the advance of China and Russia in Latin America ELPAIS
    UN says forced labor takes place in Xinjiang, Tibet POLITICO
    Wohin will China? Li Keqiangs Seitenhieb gegen Xi Jinping RND
    Apple produziert nicht mehr nur in China FAZ
    Tesla liefert in China jetzt vier Mal so schnell wie in Deutschland – dahinter steckt eine heikle Offensive HANDELSBLATT
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    Heads

    Xu Lin – Workaholic im Dienste der Propaganda

    Der neue Direktor der nationalen Radio- und Fernsehbehörde NRTA: Xu Lin
    Der neue Direktor der nationalen Radio- und Fernsehbehörde NRTA: Xu Lin

    Für den chinesischen Propaganda-Apparat gibt es zurzeit an zwei Fronten reichlich Arbeit. Der Parteitag steht im Herbst an. Da hilft es, wenn die große Mehrheit der Bürger überzeugt davon ist, dass der versprochene “Wohlstand für alle” ein realistisches Ziel bleibt. Anderseits blicken Teile des Auslands wegen Null-Covid, Taiwan, Xinjiang, Tibet und Hongkong zunehmend skeptisch auf die Volksrepublik – so wird das nichts mit Chinas Führungsrolle in der Welt.

    Chefideologe Wang Huning, seines Zeichens Mitglied im Ständigen Ausschuss des Politbüros, forderte im Frühjahr von Vertretern chinesischer Staatsmedien, dass die internationale Kommunikation des Landes verbessert werden müsse. Im Prinzip ist das Schnee von gestern. Staatspräsident Xi Jinping trichtert Kadern seit 2013 seine Doktrin ein, “die China-Geschichte gut zu erzählen.” Aber offenbar läuft das noch nicht so wie gewünscht.

    In dieser Gemengelage hat Xu Lin seinen neuen Posten angetreten. Der 59-Jährige ist seit Juni Direktor der nationalen Radio- und Fernsehbehörde NRTA. Als solcher verantwortet Xu die Inhalte von staatlichen Medien wie der TV-Anstalt CCTV oder Chinas nationalen und internationalen Radiosendern.

    Der NRTA-Chef in China genießt Ministerstatus. Der Stelle wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch diverse Neustrukturierungen und Zusammenlegungen sukzessive größere Verantwortung übertragen. Staatliche Medienkontrolle ist zwar so alt wie die Volksrepublik selbst, doch in ihrer jetzigen zentral organisierten Form existiert die NRTA erst seit 2018.

    Business Herald: “Größter Shanghaier Politstar nach Xi”

    Die Personalie im Jahr des Parteitags, währenddessen sich Xi Jinping entgegen jahrzehntelanger Gepflogenheiten eine dritte Amtszeit als Präsident sichern will, scheint wohldurchdacht. Xu Lin ist für Xi kein Unbekannter. Er gilt als Zögling des Parteichefs. 2007 hievte der bereits als künftiger Staatschef designierte Xi den damals 44-Jährigen in den 13-köpfigen Ständigen Ausschuss des Shanghaier Volkskongresses. Eine Titelgeschichte der Tageszeitung 21st Century Business Herald adelte Xu kurz darauf als größten Politstar nach Xi in der Runde.

    Xu Lin hatte sich in seinen jungen Jahren bereits auf unteren Verwaltungsebenen in Shanghai einen Namen gemacht. Mit 29 wurde er stellvertretender Bezirkschef in Nanhui, das heute zu Pudong gehört. Drei Jahre später übernahm er als erster Shanghaier Funktionär einen Posten in Tibet, wo er in der Präfektur Xigazê als Partei-Vize diente. Nach seiner Rückkehr nach Shanghai sammelte er weitere Lorbeeren als Manager einer staatlichen Supermarktkette und schließlich als Chef des örtlichen Amtes für Zivile Angelegenheiten.

    Die Organisationsabteilung der Kommunistischen Partei, jene mächtige Einrichtung, die hinter den Kulissen die Fäden für die Karrieren jedes vielversprechenden Kaders des Landes zieht, hatte damals schon ein Auge auf Xu geworfen. Seine umfangreichen Erfahrungen in vielen Bereichen der chinesischen Verwaltung schienen ihn für höhere Aufgaben zu prädestinieren.

    Seit 2016 in Ämtern auf Ministerialebene

    2006 hörte sich die Organisationsabteilung sehr genau im Umfeld von Xu um, wie sich einer seiner alten Wegbegleiter erinnerte. Die Delegation wollte herausfinden, wie Xu tickt und ob man ihm mehr Verantwortung übertragen konnte. Das Profil, das die Kollegen zeichneten, war das eines entscheidungsstarken Charakters mit Talent für Koordination und Organisation. “Wir haben ihn alle als Workaholic kennengelernt”, so ein Ex-Kollege zu 21st Century Business Herald.

    Das Feedback aus Shanghai und seine Arbeit waren so überzeugend, dass Xu Lin nach der Berufung durch Xi stetig die Karriereleiter hochkletterte. Von 2016 verantwortete er die Cyberspace Administration CAC. Es war sein erster Posten auf Ministerialebene. Seitdem gehört Xu Lin zu Chinas absoluten Topfunktionären. Zwei Jahre später wurde er Direktor des State Council Information Office, also des Sprachrohrs des Staatsrates, dem Quasi-Kabinett des Landes.

    Die intensiven Erfahrungen an der Propaganda-Front des Staates sollen ihm nun in neuer Funktion zugutekommen. Bis ins kleinste Detail werden die Medieninhalte nach innen und außen geplant und analysiert. Nichts soll dem Zufall überlassen werden. Die gesamte chinesische Medienpolitik ist danach ausgerichtet, die Führungsrolle der Partei zu bewahren, besser noch: stetig zu stärken. Dazu gehört es, die öffentliche Meinung zu kontrollieren und zu verhindern, dass die Digitalisierung Dynamiken erzeugt, die auch die Partei nicht mehr einfangen kann.

    Eine zentrale Aufgabe dabei übernehmen die staatlichen Medien. Deren Kernaufgabe sei es laut Xu, “an der richtigen politischen Richtung, der Orientierung der öffentlichen Meinung und den Werten festzuhalten”. Mit dem Vertrauen von Xi Jinping im Rücken und dem Ruf eines Workaholics bringt Xu vermutlich beste Voraussetzungen mit, der Rolle gerecht zu werden. Ob er das Image der Volksrepublik im Ausland verbessern kann, hängt allerdings nicht nur von seinen Fähigkeiten als Spin Doctor ab, sondern auch unmittelbar von der Politik seines obersten Bosses. grz

    • KP Chinas
    • Propaganda
    • Xi Jinping

    Personalien

    Paulius Lukauskas, derzeit Berater von Litauens Premierministerin Ingrida Šimonytė, wird Leiter der Taiwan-Handelsvertretung in Litauen, die im September eröffnet werden soll. Das Büro wird nach vorherrschender internationaler Praxis den Namen “Taiwan” allerdings nicht im Namen tragen, sondern “Litauens Repräsentanz in Taipeh” heißen. Im vergangenen Herbst hatte ein in Vilnius eröffnetes “Taiwan-Büro” für diplomatische Verstimmungen mit China gesorgt.

    Peter Geyer ist innerhalb von BASF im August als Junior Technology Manager von Shanghai nach Nanjing gewechselt. Geyer ist seit 20 Jahren für den deutschen Chemiekonzern tätig. In der Hauptstadt der ostchinesischen Provinz Jiangsu wird er den Produktionsprozess von tert-Butylamin (tBA) kontrollieren, das als Zwischenprodukt für die Herstellung von Beschleunigern für die Gummi- und Reifenindustrie verwendet wird.

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    Dessert

    Feine Fäden aus Nudelteig, von Hand gezogen. Li Nianping hat die Kunst perfektioniert, das Nudelmachen ist Familientradition. Einmal getrocknet werden die Nudeln gekürzt, verpackt und mit Papiermanschetten umhüllt. Li hat den Nudelbetrieb in Luonan, Provinz Shaanxi, von seinem Vater geerbt. Die handgemachten Nudeln von Luonan sind Kulturerbe der Provinz.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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