die Bundestagswahl ist gelaufen, das Endergebnis steht fest – aber alles andere ist offen. Wer wird neuer Bundeskanzler? Mit welcher Koalition? Bis wir die Grundzüge einer neuen Außen- und China-Politik Deutschlands erfahren, werden Wochen oder sogar Monate vergehen. Die meisten Experten erwarten allerdings eine härtere Linie gegenüber China, egal welcher Couleur die neue Regierung sein wird.
Peking, Brüssel und Washington dürften gespannt sein auf die Koalitionsverhandlungen. Finn Mayer-Kuckuk analysiert auf Grundlage unserer Gespräche mit Außenpolitikern aller Fraktionen in den vergangenen Wochen noch einmal mögliche Szenarien der zukünftigen deutschen China-Politik.
Falls Sie Interesse an einem Dossier unserer acht Gespräche mit den maßgeblichen Außenpolitikern der Parteien haben, schreiben Sie uns einfach eine E-Mail an china@table.media. Darin finden sich unter anderem Interviews mit Nils Schmid, dem außenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, dem stellvertretenden Parlamentspräsidenten Hans-Peter Friedrich von der CSU und der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.
In diesen Interviews ist auch eine große Unzufriedenheit mit der China-Politik der abtretenden Kanzlerin deutlich geworden. Christiane Kühl nimmt dies zum Anlass, um einen Blick zu werfen auf 16 Jahre China-Politik von Angela Merkel. In ihrer Analyse geht es um eine gewisse Nähe im Denken, um das frühe Interesse an einer aufsteigenden Weltmacht, aber auch um die Wünsche der deutschen Wirtschaft.
Auch in Peking war Angela Merkel am Montag Thema. Sie habe immer großen Wert auf den Ausbau der Beziehungen zwischen China und Deutschland gelegt, hieß es im chinesischen Außenministerium. “China weiß dies sehr zu schätzen”, sagte die Außenamtssprecherin Hua Chunying. Nun hoffe und erwarte man, dass die neue deutsche Regierung diese ausgewogene China-Politik fortsetze.
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Die Außen- und Handelspolitik hat im zurückliegenden Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Doch das Verhältnis zu EU, USA und China wird das Leben der Bundesbürger in den kommenden Jahren konkret beeinflussen. Über die Fragen von Wettbewerbsfähigkeit und Marktzugang beeinflusst die Handelspolitik das Geschäft von Mittelstand und Großunternehmen gleichermaßen.
Die deutschen Parteien sind sich glücklicherweise in einem Punkt einig: China ist kein weit entfernter Absatzmarkt mehr, sondern Rivale, Konkurrent und Partner zugleich. Doch in der Frage nach den besten Antworten auf diese neuen Herausforderungen finden sich in den Aussagen der Parteien unterschiedliche Konzepte. Zugleich wirkt der Verweis auf die EU zunehmend unbefriedigend, weil diese eben nicht mit einer Stimme spricht.
Beispielhaft dafür ist der Umgang mit dem Investitionsabkommen CAI. Die scheidende Bundesregierung hat seinen Abschluss im vergangenen Jahr vorangetrieben. Die scheidende Kanzlerin Angela Merkel macht keinen Hehl daraus, dass sie es für sinnvoll hält: CAI verpflichtet China zu mehr Ehrlichkeit bei der Marktöffnung. Doch das Abkommen wurde auch zum Symbol für vermeintlich zu nachgiebige China-Politik ihrer Regierung.
Die beiden Oppositionsparteien mit sehr guter Chance auf Regierungsbeteiligung, die FDP und die Grünen, lehnen eine Wiederbelebung des CAI nun in ihren Programmen ab, was deren Vertreter auch im Gespräch mit dem China.Table bestätigen. CDU/CSU und SPD bleiben dagegen eher vage und scheinen ebenfalls nicht mehr hinter dem Vertrag zu stehen, den sie als Regierungskoalition selbst geprägt haben.
Dabei wäre eine Kombination aus Union, Grünen und FDP durchaus eine Wunschkoalition für manches Unternehmen. Der deutsche Mittelstand hofft laut Umfragen jedenfalls auf eine Jamaika-Koalition. Jamaika wäre derzeit auch die Wunschkonstellation von FDP und CDU. Stark sozialpolitisch orientierte Wählerinnen und Wähler könnten auch die Ampel aus SPD, Grünen und FDP wünschen. Grüne und FDP können sich dementsprechend aussuchen, ob sie lieber den Kandidaten der SPD oder den der CDU ins Kanzleramt wählen. Den zwei mittelgroßen Parteien kommt daher in den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen eine strategisch wichtige Position zu.
Grünen und FDP ist etwas gemeinsam: Sie gehen in ihren Programmen und Äußerungen besonders kritisch mit China um. Während CDU und CSU sich in eher allgemeinen Worten zur Außenpolitik äußern, und die SPD sich von ihrer Rolle als Regierungspartei nur wenig glaubwürdig absetzen kann, profilieren sich Grüne und FDP mit deutlichen Forderungen.
“Die Wahlprogramme der derzeitigen Oppositionsparteien FDP und Grüne sind in ihren Aussagen zu China insgesamt ausführlicher und vielfach konkreter und auch kritischer als die der derzeitigen Regierungsparteien CDU/CSU und SPD”, schreibt auch das Wirtschaftsforschungsinstitut IfW Kiel. “Dies könnte darauf hindeuten, dass die nächste Bundesregierung im Falle einer Regierungsbeteiligung der FDP und/oder der Grünen eine insgesamt China-kritischere Politik einschlagen könnte.” Schließlich gehen sie besonders hart mit Menschen- und Völkerrechtsverletzungen sowie Drohungen gegen Taiwan ins Gericht. Die Beteiligung beider Parteien ist nach den ersten Erkenntnissen des Wahlabends indes durchaus wahrscheinlich.
Eine kritische Haltung zu Peking gehen auch aus den Gesprächen des China.Table mit Vertreterinnen und Vertretern von Grünen und FDP hervor. Spitzenfrau Annalena Baerbock kündigte für den Fall einer Regierungsbeteiligung an, die “Macht des europäischen Binnenmarktes zu nutzen, um europäische Werte zu schützen”. Sie nannte Menschenrechte, fairen Marktzugang, Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen als Punkte, die ihr besonders wichtig seien (China.Table berichtete).
Der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer diagnostiziert bei der bisherigen Regierung “eine gehörige Portion Defätismus” (China.Table berichtete). Sie füge sich dem zunehmenden Machtanspruch Chinas, ohne ihm einen eigenen Gestaltungsanspruch entgegenzustellen. Sein Parteikollege Omid Nouripour entwirft als Konsequenz aus der deutschen Passivität ein dramatisches Szenario. Unsere Demokratie stehe auf dem Spiel, “wenn wir nicht den Kopf aus dem Sand ziehen und den Systemwettbewerb annehmen”. Die Grünen sind also dafür, härter mit China zu verhandeln und das eigene, demokratische System zu stärken.
Alexander Graf Lambsdorff und Johannes Vogel von der FDP äußern sich ähnlich, was zumindest in diesem Bereich auf Koalitionsfähigkeit hindeuten würde. “Für uns als Liberale kommen Menschenrechte zuerst”, sagt Lambsdorff. Auf den autoritären Kurs von Xi Jinping sei aus liberaler Sicht keine andere Antwort möglich. “Wir sind für wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit”, erklärt Johannes Vogel. Seine Partei sei zwar für Freihandel und vertrete die Bedürfnisse der Wirtschaft. Doch es liege eben auch in deren Interesse, dass sich die Staaten Europas dem zunehmenden globalen Machtanspruch und den unfairen Praktiken Chinas entgegenstellen.
Gemeinsam ist der FDP und den Grünen auch, dass sie die EU wieder handlungsfähig machen wollen, indem sie das Prinzip der Einstimmigkeit hinter sich lassen. “Einige Staaten können vorangehen”, sagt Nouripour. So würden Gruppen von besonders entschlossenen Ländern reichen, um eine starke Position für den Block zu formulieren.
Für die deutsche China-Wirtschaft beruhigend: Keine der beiden Parteien, die jetzt besonders an Einfluss gewinnen könnten, wollen den Handel mit China abreißen lassen. “Die Idee des generellen Entkoppelns, die Präsident Trump propagierte, habe ich nie für eine intelligente Perspektive gehalten. Das steht unserem europäischen Grundgedanken der multilateralen Kooperation diametral entgegen”, sagte uns Bütikofer. “Wir wollen keine Mauern bauen.”
Die SPD hat angesichts des voraussichtlich engen Ergebnisses gute Chancen, an der Regierung beteiligt zu sein. Falls sie die Regierung anführt, will sie ihr eigenes Profil stärker zur Geltung bringen. Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, kündigte im China.Table einen misstrauischeren Kurs gegenüber chinesischen Zulieferern für Infrastruktur an – konkret gegenüber dem Telekommunikationsausrüster Huawei. “Wir müssen schauen, wer hinter diesen Unternehmen steht und wie stark diese Unternehmen autoritären Staaten ausgeliefert sind”, sagte Schmid.
Schmid hält nicht viel von der Vorstellung, durch eine Fortsetzung des partnerschaftlichen Ansatzes in China etwas zu bewegen. Dieser “war immer mit der Annahme verbunden, dass China ein Entwicklungsland sei”. Aber: “Diese Zeit ist vorbei. Wir müssen jetzt unsere China-Politik neu definieren und erkennen, dass China uns wie auch das internationale System herausfordert.” Peking wolle weltweit autoritäre Vorstellungen stärken.
Schmid sorgt sich hier ganz konkret um Chinas Aufrüstung. Das Land sei eine “militärische Macht” geworden und bedrohe seine Nachbarn. Es sei trotz autoritärer Herrschaft wirtschaftlich erfolgreich und damit als Modell auch attraktiv für andere Staaten. Dem müssen Deutschland und die EU entgegenwirken, so Schmid.
CDU und CSU sind mit einem besonderen Nachteil in diese Wahl gegangen: Sie haben lange regiert und müssen zur ihrer Politik der vergangenen Jahre stehen, um nicht unglaubwürdig zu klingen. Das betrifft auch die China-Strategie. Hans-Peter Friedrich hat uns dazu Rede und Antwort gestanden. Der prominente CSU-Politiker macht unter den Gesprächspartnern des China.Table in der Vorwahlzeit folglich am wenigsten den Eindruck, China künftig konfrontativer begegnen zu wollen.
Friedrich lehnt die Sanktionen klar ab, mit denen die EU Anfang des Jahres eine heftige Gegenreaktion Pekings provoziert hatte. Er sieht auch eine allzu kritische Haltung als nur wenig zielführend für deutsche Handelsinteressen in Fernost. So sieht er die Frage nach der Beteiligung Huaweis am Telekom-Ausbau als geklärt an: “Wir haben uns zusammengerauft und eine gangbare Lösung gefunden.” Deutschland nehme “Huaweis Weltklasse-Technologie gerne, weil sie unsere Wirtschaft wettbewerbsfähiger macht”. Das Geschäft finde aber “zu unseren Spielregeln und Wertvorstellungen” statt. Auch einen Zusammenschluss westlicher Mächte zur Eindämmung Chinas lehnt Friedrich ab.
Als ehemaliges Regierungsmitglied verteidigt Friedrich die Politik von Kanzlerin der vergangenen Jahre. Er sieht in dem von ihr eingeschlagenen Mittelweg weiterhin einen guten Kurs für die Interessen Deutschlands. Kanzlerkandidat Armin Laschet hat sich nun ebenfalls eindeutig zu China positioniert. Auch er ist, wie Friedrich, zwar dafür, westliche Werte klar durchzusetzen. Aber auch er spricht sich zugleich für eine “positive Agenda” aus, um – wo nötig und möglich – mit China zu kooperieren.
Im Sommer 2005 begann das politische China, sich mit der deutschen Kanzlerkandidatin zu beschäftigen. Damals war Angela Merkel in Peking eine Unbekannte. Sie war 1997 einmal als Umweltministerin unter dem damaligen Kanzler Helmut Kohl im Land gewesen, hatte aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Frage in Peking war also: Was würde die CDU anders machen als SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder? Dieser galt als wirtschafts- und chinafreundlich; er hatte sich unter anderem für eine Aufhebung des nach dem Tiananmen-Massaker von 1989 verhängten Waffenembargos der EU eingesetzt. Merkel hingegen sah im April 2005 im Bundestag keine Anzeichen dafür, dass entsprechende Voraussetzungen gegeben wären.
Das Waffenembargo gilt bis heute. Ansonsten erfüllte Angela Merkel Befürchtungen Pekings nach einem gewaltigen Schwenk nicht. Zwar setzte sie sich hinter den Kulissen etwas mehr für Menschenrechte und die Zivilgesellschaft in China ein als Schröder, der diese Themen weitgehend seinem Außenminister Joschka Fischer überlassen hatte. Aber auch Merkel hatte stets die Interessen der deutschen Wirtschaft im Blick. Wie Schröder reiste sie jedes Jahr nach China und hatte stets viele Firmenvertreter in ihrer Delegation. Und auch sie zollte China für seine rasante Entwicklung Respekt.
Angela Merkel – in China bekannt unter dem Namen 默克尔 Mo Ke Er – besaß zudem eine große Neugier auf das Land und die völlig andere Art, Dinge anzugehen. Daher reiste sie bei ihren Staatsbesuchen von Peking aus immer auch weiter Chinas Provinzen, etwa nach Jiangsu, Hubei, Anhui oder Guangdong. Auch zeigte Merkel ein gewisses Verständnis für die administrativen Schwierigkeiten, ein so großes und diverses Land zu regieren. Bei Hintergrundgesprächen diskutierte sie mit Journalisten auch mal darüber, wie viel Demokratie in China möglich sei. Und teilte scharfsinnige Beobachtungen, die nicht zitierbar waren.
Merkel begleitete in ihren 16 Jahren als Kanzlerin den ungeheuren Aufstieg Chinas – und die wachsende Bedeutung, die das Land für die deutsche Wirtschaft bekam. Die deutschen Ausfuhren nach China haben sich seit ihrem Amtsantritt mehr als vervierfacht auf zuletzt rund 96 Milliarden Euro. China ist seit fünf Jahren Deutschlands größter Handelspartner, mit einem Volumen des Warenaustausches von knapp 213 Milliarden Euro. Hinzu kommen Milliardeninvestitionen deutscher Firmen in der Volksrepublik.
China strebt heute einen Weltmachtstatus an, will die Geopolitik mitprägen und bei globalen Technologiestandards mitreden. Ohne China wird kein wirksamer Klimaschutz möglich sein. “Die Bundeskanzlerin hat die wachsende Stärke Chinas von Anfang an im Blick gehabt“, sagte ihr früherer Berater und späterer UN-Botschafter Christoph Heusgen kürzlich dem Magazin Der Spiegel. “Sie hat sehr früh gewusst: Das wird eine Weltmacht.” Deshalb sei sie so oft nach China gereist und habe 2010 die bilateralen Regierungskonsultationen begonnen – ein engen Partnern vorbehaltenes Format, bei dem sämtliche Minister beider Staaten zusammenkommen. “Dieses intensive Kümmern um China war weitsichtig und richtig”, sagte Heusgen.
Viele der aktuellen Themen tauchten bereits in Merkels Anfangsjahren auf: Die EU etwa nahm China schon in den Jahren nach Merkels erstem Wahlsieg 2005 zunehmend als Konkurrenten wahr. Firmen fürchteten laut dem 2007 veröffentlichen Positionspapier der EU-Handelskammer EUCCC eine Abschottung des chinesischen Markts und eine Verschlechterung des Investitionsklimas – genau wie im neuen, vergangene Woche publizierten Papier der Kammer (China.Table berichtete). Auch Klagen über eine Verschärfung der Zensur gab es bereits – denn Peking begann damals, verstärkt gegen die Freiheit des wachsenden Internets vorzugehen.
Im Jahr 2007 traf Merkel im Bundeskanzleramt den Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der Tibeter. Das sorgte für ernste, aber nicht für langfristige Verstimmung in Peking. Während der Euro-Krise infolge der weltweiten Finanzkrise jener Jahre kaufte China in erheblichen Umfang Anleihen von Euro-Schuldenstaaten auf, um die Lage zu stabilisieren. Der damalige Ministerpräsident Wen Jiabao sagte immer wieder seine Unterstützung für den Euro zu. Dafür war Merkel nach Ansicht von Beobachtern dankbar.
Die Bundeskanzlerin wurde damals zur zentralen Ansprechpartnerin Chinas in Europa. “Diese Phase etwa von 2008 bis 2014 hat bei Merkel erkennbar den Eindruck hinterlassen, dass es eine Nähe im Denken gibt, die über ideologische Grenzen hinausgeht”, schreibt Andreas Rinke in der Fachzeitschrift Internationale Politik (IP) der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Zudem teilten ihre chinesischen Gesprächspartner ihr Interesse an einer multilateralen Weltordnung als Gegenmodell zu einer alleinigen Dominanz der USA und des Dollars.“
Einen Wendepunkt markierte der Amtsantritt von Xi Jinping als KP-Chef und Präsident Chinas 2013. China agierte fortan selbstbewusster – und es zeigte sich, dass sich die in der Formel “Wandel durch Handel” ausgedrückte Hoffnung auf eine politische Öffnung des Systems infolge wachsenden Wohlstands nicht erfüllte. Im Gegenteil: Xi schaffte die Amtszeitbegrenzung für sich selbst ab, verstärkte die Zensur weiter, ließ Menschenrechtsanwälte inhaftieren, regierte mit immer härterer Hand in Xinjiang und zuletzt auch in Hongkong.
Merkel kritisierte all das, aber trieb dennoch die enge Zusammenarbeit mit China voran. Beim Antrittsbesuch Xis in Berlin im März 2014 schlossen beide Seiten eine strategische Partnerschaft – die sich explizit auch auf die Außen- und Sicherheitspolitik erstreckte. Damals gab es bereits 60 verschiedene Dialog- und Kooperationsformate.
Auf der Pressekonferenz sagte Merkel: “Wir haben heute darüber gesprochen, dass sich das politische Vertrauen auch dadurch entwickelt, dass wir Gemeinsamkeiten miteinander austauschen, dass wir neue Wege beschreiten, aber auch in der Lage sind, unterschiedliche Meinungen auszutauschen und über alle Fragen sehr intensiv reden können.” Es ist ein Mantra, dem sie bis heute treu geblieben ist. Beschlossen wurden 2014 zudem ein Finanzdialog und eine engere Zusammenarbeit im Rahmen der UN und der G20. “Merkel wollte den ökonomischen Riesen schrittweise zu einem größeren Engagement in den internationalen Organisationen bewegen und dadurch gleichzeitig Zügel anlegen”, schreibt Rinke.
2016 war dann ein Jahr der Schocks. Im Mai übernahm der chinesische Konzern Midea den Robotik-Hersteller Kuka: Erstmals fiel ein echtes Vorzeigeunternehmen an eine chinesische Firma, da sich kein inländischer Käufer gefunden hatte. Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im November 2016 veränderte sich auch die globale Großwetterlage. Merkel navigierte Deutschlands Beziehungen zu China nun in einem zunehmend von globalem Krisenmanagement geprägten Umfeld.
Deutschland erhöhte in dieser Zeit die Hürden für den Einstieg ausländischer Firmen in strategischen Bereichen – vor allem mit Blick auf China. Merkel setzte ab 2017 zunehmend auf Europa, da ihr das Vertrauen in die USA angesichts des feindseligen Verhaltens von Donald Trump abhanden kam.
Und so folgte Merkel auch nicht Trump in seiner China-Politik. Als dieser den Bannstrahl auf den chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei richtete, hielt sie sich zurück. Im Streit um die Frage, ob Huawei beim Aufbau des deutschen 5G-Netzes beteiligt werden dürfe, drängte Merkel auf strenge Sicherheitsstandards anstelle eines Huawei-Verbots – auch aus Sorge vor Nachteilen für deutsche Firmen in China. Entsprechende Regeln wurden vom Bund 2020 verabschiedet; bisher beauftragten die Netzbetreiber allerdings ausschließlich europäische Firmen. Dagegen haben Großbritannien, Frankreich und Schweden ebenso wie die USA Huawei vom 5G-Aufbau formal ausgeschlossen.
Auch wegen solcher Entscheidungen wurden Merkel in Europa zuletzt immer wieder Alleingänge in der China-Politik vorgeworfen. Deutschland sei wirtschaftlich zu abhängig von China, hieß es. Daher traue sich Berlin nicht, auf die autoritären Tendenzen Xis und die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Hongkong mit einer härteren Linie zu antworten. Merkel trieb während ihrer EU-Ratspräsidentschaft die Unterzeichnung des Investitionsabkommens CAI voran, das im Dezember 2020 unterschrieben wurde – und nun wegen chinesischer Sanktionen gegen europäische Politiker und Thinktanks im Eisschrank liegt. Noch im April wurden die letzten Regierungskonsultationen mit China abgehalten – wegen der Pandemie allerdings nur virtuell.
Kontinuität im schwierigen Verhältnis zur neuen Großmacht wollte Merkel auch nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft gewährleisten. Und so ernannte sie ihren Chefberater für Außenpolitik und engen Vertrauten Jan Hecker zum neuen Botschafter in Peking. Doch Hecker verstarb im August mit nur 54 Jahren ganz plötzlich, nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt (China Table berichtete). Nach Heckers tragischem Tod wird nun also voraussichtlich Merkels Nachfolger den nächsten Botschafter ernennen. Das Ausland erwartet vom neuen Kanzler – egal ob er Olaf Scholz oder Armin Laschet heißt – eine härtere China-Politik Deutschlands.
Die EU-Handelskammer in China befürchtet einen Rückgang der Internationalität des chinesischen Marktes. Als Folge dieses Trends könne die Wirtschaft dort an Dynamik und Innovationskraft verlieren: “Der entsprechende Verlust an Wettbewerb im Markt wird auch Chinas Ambitionen beeinträchtigen, in Hochtechnologie-Branchen führend zu werden”, schreibt Kammerpräsident Jörg Wuttke im Vorwort zum “European Business in China Position Paper 2021/2022“, das heute erschienen ist. Es bestehe die Gefahr, dass Peking sich von den mutigen Reformen verabschiede, die das Land seit den 1970er-Jahren vorangetrieben hätte.
Das Positionspapier der EU-Kammer erscheint jährlich und ist eine feste Institution im Pekinger Jahreslauf. Die 1.700 Mitgliedsunternehmen aus allen EU-Ländern bündeln darin Lob und Klagen über den chinesischen Markt. In diesem Jahr beherrschen vor allem drei Themen das umfangreiche Dokument:
Die EU-Kammer sieht daher auch die “Dual Circulation” kritisch, das jüngste ökonomische Konzept der chinesischen Führung. Die Idee dahinter: Der eine Kreislauf ist der Warenhandel mit dem Ausland, also die Einbindung in die Weltwirtschaft. Der zweite Kreislauf ist die chinesische Binnenwirtschaft, die notfalls auch ganz ohne die Außenwelt funktionieren soll. Beide Kreisläufe sollen nur noch lose verknüpft sein, sodass es nicht mehr Investitionen und Nachfrage aus dem Ausland sind, die das Wachstum treiben. “Das Streben nach Eigenständigkeit läuft jedoch dem Geist von umfassenden Reformen und einer Öffnung der Wirtschaft entgegen”, warnt das Positionspapier.
Für europäische Firmen im Chinageschäft haben die Ideen der Führungsgeneration unter Xi Jinping bereits ganz konkrete Auswirkungen. Je weniger das Land mit dem Ausland handelt und je weniger Anerkennung internationale Marken genießen, desto geringer die Absatzchancen. Die Kammer sieht jedoch auch Nachteile für China: In internationaler Arbeitsteilung sind bessere Waren günstiger zu bekommen. China verschenkt daher mit dem Versuch, möglichst alles selber zu machen, erhebliches Wohlstandspotenzial.
Die EU-Kammer empfiehlt China daher eine Fortsetzung marktorientierter Reformen. Außerdem soll das Land seine Öffnungspolitik fortsetzen, statt sie zurückzudrehen. Zwar sei die Tendenz zur Abkopplung verständlich, weil die USA ihrerseits den Zugang zu Technologie verweigern. China sollte sich jedoch davon nicht zu einer extremen Gegenreaktion provozieren lassen.
Die EU-Kammer macht den Trend einer zunehmenden Abschottung auch an der geringen Zahl von Ausländern in China fest. Vor allem die qualifizierten Firmenmitarbeiter aus entwickelten Ländern werden immer seltener. In Peking ist ihre Zahl seit 2010 von mehr als 100.000 auf etwas mehr als 60.000 gefallen. Als Gegenbeispiel nennt die EU-Kammer das kleine Luxemburg, wo 300.000 ausländische Staatsbürger leben. Die mangelnde Diversität gilt als besonders schädlich für die Innovationsfähigkeit.
Die EU-Kammer registriert zudem mit Sorge, dass wirtschaftspolitische Entscheidungen inzwischen von Fragen nationaler Sicherheit diktiert werden. Europäische Banken vor Ort befürchten beispielsweise, dass sie ihre Computer in China demnächst vollständig vom weltweiten Firmennetz abkoppeln müssen. “Das beschränkt sie zunehmend in der Fähigkeit, grenzübergreifende Dienste anzubieten”, schreiben die Mitglieder der Finanz-Arbeitsgruppe der EU-Kammer. Einige europäische Banken haben den chinesischen Markt bereits verlassen.
Auch zahlreiche andere Branchen sollen laut dem aktuellen Fünfjahresplan vom Ausland unabhängiger werden. Europäische Firmen aus diesen Branchen berichten laut Kammer-Report, dass ihre chinesischen Kunden immer zurückhaltender werden. Sie signalisieren, dass die Beschaffung bei ausländischen Anbietern für sie schwieriger wird. Auch wenn die Auswirkungen sich derzeit noch in Grenzen halten, sieht die Kammer diesen Trend mit Sorge.
Das aktuelle Positionspapier sieht jedoch auch viele Branchen im Aufschwung. “Für diejenigen, die Technologie beitragen, die China benötigt, wird der rote Teppich ausgerollt.” Dazu gehören beispielsweise Techniken, die der Abkehr von der Kohle dienen. Oder alles, was die Qualität der eigenen Industrie aufwertet, zum Beispiel Maschinen, Materialien oder Halbleiter. Während sich unerwünschte Branchen im “Frachtraum” wiederfinden, reisen erwünschte Branchen in der “Business Class” der chinesischen Wirtschaft in Richtung Wachstum und Gewinn.
Den europäischen Tochtergesellschaften vor Ort rät die EU-Kammer, jetzt schon mit ihren Hauptquartieren die Anpassung an diese neuen Rahmenbedingungen zu besprechen. Denn den Unternehmen im “Frachtraum” könnten auf kurz oder lang ausgestoßen werden. “Localise or leave“, lautet dann die Wahl für die Manager. Reiner Import oder nur Endfertigung für den chinesischen Markt sind dann keine Optionen mehr.
Folgende Forderungen stellt die EU-Kammer im Lichte dieser Entwicklungen gegenüber China:
In Richtung der EU bringt die Kammer folgende Forderungen vor:
Für europäische Unternehmen hat das Positionspapier ebenfalls Ratschläge parat:
Im Gesamtbild erkennt die EU-Kammer jedoch an, dass die Möglichkeiten der EU-Unternehmen für sich allein begrenzt sind. Im Zeitalter von Wolfskriegern und steigendem Nationalismus (China.Table berichtete) gehören protektionistische Tendenzen zu den übergreifenden Trends. Umso wichtiger findet Kammerpräsident Wuttke es, sich diesen Tendenzen entgegenzustellen.
Mehrere Zulieferer von Apple haben Teile ihrer Produktion in der Volksrepublik eingestellt, weil ihnen der elektrische Strom gesperrt wurde. Grund dafür seien die von der Zentralregierung in Peking erlassenen Vorgaben zur Energieeinsparung. Als Reaktion erklärte der Apple-Zulieferer Unimicron Technology Corp am Sonntag, in drei seiner Betriebe in China würden bis Donnerstag die Bänder stillstehen. Die Auswirkungen seien allerdings begrenzt, da man die Produktion in anderen Fabriken hochfahren werde.
Auch der Konzern Concraft Holding, der unter anderem Teile für iPhone-Kopfhörer herstellt, will bis Donnerstag nichts mehr produzieren und stattdessen auf seinen Lagerbestand zurückgreifen, um die Nachfrage zu bedienen. Die Foxconn-Gesellschaft Eson Precision Engineering legt ihre Bänder gar bis Freitag still, wie die Zeitung “Nikkei” berichtet.
Die Zentralregierung in Peking will den Stromverbrauch im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um drei Prozent reduzieren, um seine Klimaziele zu erreichen – und hat entsprechende Vorgaben an die Provinzen ausgegeben. Die Provinzregierungen hatten ihrerseits die Vorgaben nochmals verschärft. In manchen Provinzen dürfen Einwohner deshalb keine Wasserkocher oder Mikrowellen mehr benutzen, Einkaufszentren müssen früher schließen. In Nordostchina sind auch Haushalte immer öfter von den Abschaltungen betroffen.
Hintergrund ist, dass Chinas Strombedarf immer weiter steigt – im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 um satte 14 Prozent. Seit 2000 ist der Pro-Kopf-Stromverbrauch in der Volksrepublik gar um das Sechsfache angestiegen. Zudem werden mehr als zwei Drittel der Stromnachfrage durch Kohlestrom gedeckt (China.Table berichtete). Als Folge stieg der Anteil Chinas an der weltweiten Kohleverstromung von 50 Prozent im Jahr 2019 auf 53 Prozent.
Schon Ende Mai haben Stromengpässe zu Fabrikschließungen geführt (China.Table berichtete). Damals hatten Stromversorger in der Industriehochburg Guangdong Fabriken aufgefordert, ihren Stromverbrauch zu reduzieren. 17 Städte in der Provinz verhängten daraufhin Beschränkungen für den Stromverbrauch. In einigen Regionen wurden für drei Tage die Fabriken geschlossen. Auch die Nachbarregionen Guangxi und Yunnan kämpften mit Stromengpässen.
Für Auto- und Elektronikkonzerne sind die neuen Zwangspausen ihrer Zulieferfirmen schlechte Nachrichten, kommen sie doch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Seit Monaten herrscht weltweit eine immense Materialknappheit, besonders elektronische Bauteile sind davon betroffen. rad
Der schwer angeschlagene chinesische Immobilienkonzern Evergrande hat die Pläne für einen Börsengang seiner Elektroautotochter Evergrande New Energy Vehicle (NEV) in Shanghai gestoppt. Der Aktienkurs von Evergrande NEV fiel daraufhin am Montag an der Börse in Hongkong zeitweise um rund zehn Prozent.
Ein strategisches Investment oder ein Verkauf von Vermögensbeständen seien notwendig, um Mitarbeiter und Zulieferer zu bezahlen sowie die Massenproduktion aufrechtzuerhalten. Anleger fürchten nun offenbar eine Insolvenz der Elektroauto-Tochter, die wiederum zum Kollaps des Immobilienriesen führen könnte.
Es gebe “keine Garantie”, dass Evergrande NEV seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen werde, warnte der Automobilhersteller zu Wochenbeginn. Sein Aktienkurs in Hongkong ist seit Jahresbeginn um 80 Prozent gefallen. Am Sonntag hatte Evergrande NEV dann mitgeteilt, die finanziellen Schwierigkeiten des Mutterkonzerns hätten auch “nachteilige Auswirkungen” auf die geplante Massenproduktion von Elektroautos. Man stehe vor einem Liquiditätsengpass. Ohne eine Kapitalspritze stehe die Produktion von E-Autos vor einer ungewissen Zukunft, teilte das Unternehmen mit. Evergrande NEV wollte seine E-Autos auch in Deutschland verkaufen.
Der Mutterkonzern Evergrande beschäftigt seit Wochen die Finanzmärkte. Der Immobilienriese hat in den vergangenen Jahren einen riesigen Schuldenberg angehäuft. Die Verbindlichkeiten sollen sich inzwischen auf über 300 Milliarden US-Dollar belaufen. Nun ist der Konzern in Zahlungsverzug geraten gegenüber Banken, Anleihegläubigern sowie Kunden und Mitarbeitern.
Ob die Zentralregierung den Konzern retten wird, ist noch offen. Experten vermuten allerdings, Peking wolle an Evergrande ein Exempel statuieren (China.Table berichtete). Große Firmen sollen sich nicht darauf verlassen können, dass sie too-big-to-fail sind – also zu groß, um in Konkurs gehen zu können. Der Staat wolle mehr soziale Marktwirtschaft wagen und verfolge drei Ziele: Banken und Immobilienentwickler sollen ihre Risiken selbst tragen; Wohnungen müssen bezahlbar bleiben; und sie müssen eine stabile Wertanlage darstellen. Evergrande-Verwaltungsratschef Xu Jiayin hatte zuletzt versichert, man werde seine Verpflichtungen gegenüber Immobilienbesitzern, Anlegern, Partnerfirmen und Banken erfüllen (China.Table berichtete). rad
Die US-Regierung erwägt, ein eigenes Gegenkonzept zur chinesischen Seidenstraßen-Initiative (Belt and Road Initiative, BRI) zu entwickeln. Ein Abgesandter von Präsident Joe Biden werde demnächst in mehrere südamerikanische Länder reisen, um dort Möglichkeiten für ein Handels- und Investitionsprogramm auszuloten, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Für diese Rolle ist Daleep Singh im Gespräch, ein Ökonom mit einer langen Karriere im amerikanischen Regierungsapparat. Derzeit ist er Vizedirektor des Nationalen Wirtschaftsrates, eines hohen Beratergremiums des US-Präsidenten. Singh wird dem Bericht zufolge zunächst Kolumbien, Ecuador und Panama besuchen und dort Gespräche über mögliche Zusammenarbeiten führen.
Auf dem Treffen der führenden westlichen Industrienationen G7 im Juni haben die Teilnehmer vereinbart, Chinas Seidenstraßeninitiative ein eigenes Programm entgegenzusetzen (China.Table berichtete). Sie wollen Schwellenländer und Länder des globalen Südens erreichen, die China sonst durch Investitionen und Partnerschaften an sich binden könnte. Den G7 hat damals allerdings eher eine gemeinsame Initiative vorgeschwebt. Die EU arbeitet allerdings derzeit ebenfalls an einem eigenen Gegenkonzept (China.Table berichtete). fin
Der chinesische Smartphone-Hersteller Xiaomi hat einen Experten angestellt, um der Warnung der litauischen Regierung vor Sicherheitslücken und eingebauten Zensurfunktionen in den Handys auf den Grund zu gehen. Der unabhängige Sachverständige werde die von Litauen vorgetragenen Punkte prüfen, teilte ein Firmensprecher am Montag mit. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, soll es sich bei dem “Experten” um eine Organisation in Europa handeln.
Vergangene Woche hatte das litauische Verteidigungsministerium Verbrauchern vor den Telefonen der chinesischen Hersteller Xiaomi und Huawei gewarnt (China.Table berichtete). Litauens Vize-Verteidigungsminister Margiris Abukevicius empfahl den Verbrauchern, “keine neuen chinesischen Mobiltelefone zu kaufen”. Nutzer sollten zudem versuchen, bereits erstandene Smartphones aus China “so schnell wie möglich loszuwerden”. Einer Analyse der litauischen Cybersicherheitsbehörde nach, handele es sich um drei 5G-Handys chinesischer Hersteller: das Huawei P40, das Xiaomi Mi 10T und das OnePlus 8T.
Dem Bericht zufolge seien Zensur-Möglichkeiten eingebaut. Die in Europa verkauften Xiaomi-Handys würden Begriffe wie “Freies Tibet”, “Es lebe die Unabhängigkeit Taiwans” oder “Demokratiebewegung” erkennen und zensieren, so die Behörde. Ähnliche Sicherheitslücken habe man bei Telefonen des chinesischen Herstellers Huawei gefunden. Das nationale Cybersicherheitszentrum hat die Untersuchung laut Abukevicius durchgeführt, “um den sicheren Einsatz von 5G-Geräten und Software in Litauern sicherzustellen”. Es seien daher in dem Land verfügbare Smartphones ausgewählt worden, die “von der internationalen Gemeinschaft als etwas riskant” eingeschätzt worden seien.
Als Konsequenz hat auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Untersuchungen aufgenommen. Das BSI nehme derzeit eine Bewertung des Berichts aus Litauen vor, bestätigte ein BSI-Sprecher China.Table. Xiaomi weist die Vorwürfe entschieden zurück. Ein Unternehmenssprecher erklärte, die Geräte zensierten keine Kommunikation mit oder von ihren Nutzern. “Xiaomi hat und wird niemals persönliche Aktivitäten seiner Smartphone-Nutzer einschränken oder unterbinden, wie beispielsweise das Suchen, Anrufen, Surfen im Internet oder die Verwendung von Drittanbieter-Kommunikationssoftware.” Man benutze lediglich Software, um Verbraucher vor bestimmten Inhalten wie Pornografie zu schützen. Es handele sich um eine Standardmaßnahme in der Industrie.
Die Nachfrage nach Xiaomi-Handys ist zuletzt deutlich angestiegen. In Europa stieg der Konzern laut den Marktbeobachtern von Strategy Analytics im zweiten Quartal zur Nummer eins auf. Auch in Deutschland sind die Geräte sehr beliebt. Die Beziehungen zwischen Litauen und China sind seit Wochen äußerst angespannt, nachdem die taiwanische Regierung in Vilnius ihre erste Repräsentanz in Europa unter eigenem Namen eröffnet hatte und damit Peking verärgerte (China.Table berichtete über beide Vorfälle). Die chinesische Regierung betrachtet die Inselrepublik als Teil der Volksrepublik. rad
Die britische Regierung will offenbar den chinesischen Staatskonzern CGN aus dem geplanten Neubau eines Atomkraftwerks in Sizewell im ostenglischen Suffolk herausdrängen. Möglicherweise werde die Regierung bereits im Oktober bekannt geben, dass sie sich zusammen mit dem französischen Atomkonzern EDF an dem Bau des Reaktors Sizewell C beteilige, berichtet die britische Zeitung The Guardian. Damit würde die CGN herausgedrängt, die derzeit 20 Prozent an dem Atomprojekt halte, hieß es.
Ein Aus für CGN in dem Atomprojekt dürfte für neue geopolitische Verwerfungen sorgen. Klar ist, dass CGN und auch die Regierung in Peking verärgert auf ein Aus für den Konzern reagieren werden. London steht dagegen laut Guardian seit längerem unter dem Druck der USA, China aus Gründen der nationalen Sicherheit von britischen Atomprojekten auszuschließen. Ein Rauswurf von CGN aus dem Sizewell-Projekt würde allerdings einen Vertrag von 2015 der Regierung in London mit CGN brechen.
Darin sagte CGN zu, Sizewell und einen weiteren Reaktor im Atomkraftwerk Hinkley Point zu finanzieren, und dann eigene Reaktoren an einem dritten Standort in Bradwell zu installieren. Die Chancen für den tatsächlichen Bau eines CGN-Reaktors in Bradwell seien gering, erwartet der Guardian. Bradwell sei aber für CGN der entscheidende Grund gewesen, den Vertrag zu unterschreiben, zitiert das Blatt den Experten Stephen Thomas, Professor für Energiepolitik an der Greenwich University.
Finanziell geht es bei Sizewell C um eine Investition von umgerechnet rund 23,5 Milliarden Euro – Geld, das nach dem Aus von CGN vom britischen Steuerzahler aufgebracht werden müsste. Ein Sprecher der britischen Regierung sagte dem Guardian, der chinesische Atomkonzern CGN sei bis zur endgültigen Entscheidung der Regierung aber noch Anteilseigner von Sizewell C. Sizewell soll nach seiner Fertigstellung sechs Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Es gibt jedoch seit langem Widerstand lokaler Aktivisten gegen das Projekt – nicht zuletzt wegen der chinesischen Beteiligung. ck
Nach der Bekanntgabe des umstrittenen Aukus-Bündnisses mit Australien und Großbritannien treibt US-Präsident Joe Biden nun ein weiteres Sicherheitsbündnis für den Indopazifik ohne Beteiligung der EU voran. Im Weißen Haus traf Biden am Freitag erstmals persönlich mit den Regierungschefs der sogenannten Quad-Staaten zusammen. Die USA, Indien, Japan und Australien wollen demnach noch enger zusammenarbeiten und ihren Einfluss im Indo-Pazifik-Raum ausbauen. Die Region vom Indischen bis zum Pazifischen Ozean bilde die Grundlage für “gemeinsame Sicherheit und gemeinsamen Wohlstand”, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung Bidens mit Yoshihide Suga (Japan), Narendra Modi (Indien) und Scott Morrison (Australien) im Weißen Haus.
Wie immer bei Treffen dieser Art wird China nicht direkt benannt, aber gilt als sogenannter “Elefant im Raum”. Die USA und andere Staaten der Region sind besorgt über den chinesischen Expansionsdrang im Indopazifik, vor allem den Anspruch Pekings auf praktisch das gesamte Südchinesische Meer, eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt.
Das Quad-Bündnis galt lange als zahnloser Tiger. Nun will Biden es mit Leben füllen – und mit den Partnern künftig etwa bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, im Bereich der Cybersicherheit, im Weltraum und im Kampf gegen den Klimawandel enger zusammenarbeiten. Sie wollen etwa mehr Corona-Impfstoff produzieren. Für 2022 könnte es eine gemeinsame Übung zur Vorbereitung auf künftige Pandemien geben. ck
Vor vier Jahren argumentierten wir, dass der Aufstieg von Elektrofahrzeugen (EVs) sowohl die Autoindustrie als auch den Ölmarkt auf den Kopf stellen würde. Wie bei der schnellen Verdrängung von Pferden durch Kraftfahrzeuge in den Vereinigten Staaten vor einem Jahrhundert würde der exponentielle Anstieg der Elektrofahrzeuge zu ihrer Dominanz des globalen Automarktes Anfang der 2040er-Jahre führen. Öl würde die neue Kohle werden und ihr Preis auf 15 Dollar pro Barrel sinken. Die wirtschaftlichen und geopolitischen Folgen wären tiefgreifend.
Seitdem hat sich die Transportrevolution nur intensiviert, und die meisten Erwartungen werden konsequent übertroffen. Im Jahr 2020 gab es mehr als zehn Millionen Elektrofahrzeuge, nach einem Wachstum von mehr als 40 Prozent in den letzten Jahren. Dies steht im Einklang mit der Einführung von Kraftfahrzeugen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und wenn sich dieser Weg fortsetzt, werden Elektrofahrzeuge bis 2040 rund 60 Prozent und bis 2050 rund 90 Prozent des weltweiten Automarktes ausmachen. Diese Schätzungen übersteigen die Zahlen der International Energy Agency (IEA), die für 2040 etwa 330 Millionen Elektrofahrzeuge prognostiziert.
Was wir in China beobachten konnten, widerlegt die ursprüngliche Annahme, dass die Einführung von Elektrofahrzeugen in Schwellen- und Entwicklungsländern viele Jahrzehnte länger dauern würde als in Industrieländern. Dieser Annahme zufolge sollte der weiter hohe Benzinbedarf dort einen Zusammenbruch der weltweiten Ölnachfrage verzögern.
Tatsächlich hat Europa bei den Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen China erst im Jahr 2020 überholt, während China mit 4,5 Millionen Fahrzeugen weiterhin den größten Elektrofahrzeugbestand hat. Obwohl die Covid-19-Pandemie die Nachfrage nach Autos drastisch reduziert hat, ist der Elektrofahrzeugmarkt in vielen Ländern, einschließlich der Entwicklungsländer, weiterhin schnell gewachsen.
Schwellenländer haben bewiesen, dass sie auch in der EV-Branche Vorreiter sein können. Die chinesische Elektrofahrzeugindustrie hat die Kosten weiter gesenkt, da viele Marken um die Marktbeherrschung konkurrieren. Mehr als 400 Unternehmen sind in China in das EV-Geschäft eingestiegen, was an die frühen Tage der Autoindustrie in den USA erinnert, als Hunderte von Unternehmen gegeneinander antraten, bevor Giganten wie Chrysler und Ford auftauchten. Die Lebenszeitkosten für den Besitz eines Elektrofahrzeugs sind aufgrund sinkender Batteriekosten stetig gesunken und sind bereits mit denen von Kraftfahrzeugen vergleichbar.
Das billigste Elektrofahrzeug auf dem Markt, hergestellt von Chinas SAIC Motor, übertrifft bereits Teslas Model 3 als beliebtestes Elektrofahrzeug. Noch wichtiger ist, dass das SAIC-Modell mit einem Preis von nur wenigen tausend Dollar EVs in vielen Entwicklungsländern erschwinglich macht, so wie der Volkswagen Käfer und andere Modelle in diesen Ländern die ersten Autos populär gemacht haben.
Die Vitalität der Autoindustrie erinnert an ihre Blütezeit vor einem Jahrhundert. Der harte Wettbewerb um den EV-Markt wird die Kosten weiter senken, die Qualität steigern und die Technologie voranbringen, was nicht nur den Verbrauchern zugutekommt, sondern auch die Energiewende beschleunigt. Die Haupthindernisse für die nötige Infrastruktur, die Stromerzeugung und kurze Reichweiten werden beseitigt. Wir sehen bereits mehr Ladestationen, den Aufstieg erneuerbarer Energien, verbesserte Batterieleistungen und kontinuierliche Innovationen.
Aber es reicht nicht aus, sich auf die Kräfte des Marktes zu verlassen. Neue Regelungen werden helfen, den Übergang zu beschleunigen. Die ab 2025 in Kraft tretenden EU-Emissionsvorschriften könnten die Marktaussichten völlig verändern, da Kraftfahrzeuge teure Technologien enthalten müssen, die sie deutlich weniger wettbewerbsfähig machen. In ähnlicher Weise musste die Autoindustrie nachziehen, nachdem die kalifornischen Politiker strengere Emissionsstandards in ihrem Bundesstaat (dem bevölkerungsreichsten der USA) vorgeschrieben hatten, was zu positiven Auswirkungen auf den Rest des Landes führte. Solche Mandate könnten bahnbrechend sein und einen positiven Kreislauf aus Skaleneffekten, Innovation und steigender Nachfrage auslösen.
Entwicklungsländer, die sich der EV-Revolution anschließen, können erhebliche makroökonomische Vorteile erzielen. Raffinierte Ölprodukte, vor allem Benzin, machen in den meisten afrikanischen Ländern den größten Anteil der Importe aus, einschließlich großer Ölexporteure wie Nigeria. Eine beschleunigte Einführung von Elektrofahrzeugen, die weniger Wartung und Ersatzteile erfordern, in Verbindung mit einem zuverlässigeren Stromnetz auf Basis erneuerbarer Energien würde in Zeiten steigender Auslandsverschuldung wertvolle Hartwährungsressourcen einsparen. Der expandierende globale EV-Markt bietet auch Chancen, in sich neu formierende Wertschöpfungsketten einzutreten.
Länder, die nicht ausreichend planen, sind hingegen mit erheblichen Risiken konfrontiert. Sie sitzen möglicherweise mit ungenutzten Raffinerien und Flotten veralteter Fahrzeuge fest und sind nicht in der Lage, kritische Teile zu importieren, sollten große Autohersteller deren Produktion einstellen.
Angesichts der enormen Kosten durch die globale Erwärmung kann die Ermutigung der Entwicklungsländer, sich der EV-Revolution anzuschließen, der Welt nur enorme Vorteile bringen. Entwicklungsländer können die sich abzeichnende Energiewende und Verkehrsrevolution nicht ignorieren und sollten dies als Chance sehen, neue Fähigkeiten zu schaffen und in neue Sektoren zu diversifizieren.
Die zusätzlichen Ausgaben, die für eine schnelle Einführung erforderlich sind, sind im Vergleich zu den wirtschaftlichen und menschlichen Kosten von Hitzewellen, Waldbränden, Entwaldung, Umweltverschmutzung, verringerter Biodiversität und möglicherweise schwerwiegenderen zukünftigen Pandemien winzig. Unsere Straßen sauberer, leiser und weniger überlastet zu machen, würde nicht nur unsere Lebensqualität, sondern auch ihre Nachhaltigkeit verbessern.
Reda Cherif, Senior Economist beim Internationalen Währungsfonds, ist assoziierte Forscherin am Bennett Institute for Public Policy der University of Cambridge. Fuad Hasanov, Senior Economist beim Internationalen Währungsfonds, ist außerordentlicher Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Georgetown University und assoziierter Forscher am Bennett Institute for Public Policy der University of Cambridge. Min Zhu, ein ehemaliger stellvertretender Geschäftsführer des Internationalen Währungsfonds, ist Vorsitzender des National Institute of Financial Research an der Tsinghua University. Aus dem Englischen von Sandra Pontow.
Copyright: Project Syndicate, 2021.
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Xu Jiayin 许家印 (62) könnte noch in diesem Jahr als einer der größten Pleitiers in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Sein Immobilienkonglomerat Evergrande ist von Zahlungsunfähigkeit bedroht (China.Table berichtete). Dabei galt Xu noch vor einem Jahr als einer der erfolgreichsten Entrepreneure Chinas. Staatsmedien lobten ihn als einen der großzügigsten Wohltäter des Landes. Er war zudem als Sponsor des FC Guangzhou über Wirtschaftskreise hinaus bekannt. Der Fußballverein gehörte bis 2019 zu den regelmäßigen Gewinnern der chinesischen Meisterschaft. Xu galt als “Modellfall für den chinesischen Traum”, als “Vorzeigebeispiel für die Verwirklichung des Traums vom Reichtum”.
Mit dem Lob und den Ehrungen ist es nun vorbei. Unter Xus Führung hat Evergrande so viel Schulden angehäuft, dass die Chancen auf vollständige Rückzahlung auf Null gesunken sind. Derzeit stehen Verbindlichkeiten in Höhe von rund 300 Milliarden Euro aus. Rund 75 Milliarden davon sind Bankkredite und Anleihen. Ein anderer Teil besteht aus offenen Rechnungen, beispielsweise bei Baufirmen und Handwerkern. Durch Notverkäufe von Immobilien aus dem Besitz des Unternehmens hat Xu zwar den Schuldenstand gedrückt. Er hat damit aber auch die Einnahmebasis geschmälert, die Voraussetzung für die Vergabe der Darlehen war. Am Mittwoch folgte eine formale Warnung der Behörden gegenüber den Banken: Schon kommende Woche drohen weitere Zahlungsausfälle. Der Traum vom Reichtum ist vorerst ausgeträumt.
Xu kommt aus kleinen Verhältnissen. Er wurde 1958 in einem Dorf in der Provinz Henan geboren. Nach der Schule arbeitete er erst in der Zementherstellung. Im Alter von 24 Jahren wurde er Techniker in einem Stahlwerk. Mit 38 gründete er die Immobilienfirma Evergrande. Er kaufte zunächst günstige Immobilien in kleineren Städten, die im Zuge der chinesischen Entwicklung enorm im Wert stiegen. Xu hat die wertvolleren Objekte stets gehalten und sie als Sicherheiten für neue Kredite genutzt. Mit dem so aufgenommenen Geld ist Xu jeweils in die nächste Runde von Zukäufen eingestiegen. Mit Gewinn und Umsatz von Evergrande schien es immer nur aufwärtszugehen. Evergrande wurde zur größten Immobilienfirma des Landes.
Bis zum vergangenen Sommer hat Xu die Bälle immer geschickt in der Luft halten können. Das Geschäftsmodell beruhte aber auf der Annahme, dass die Preise am Immobilienmarkt immer nur nach oben gehen und dass China immer gleichmäßig wächst. Dann kam Corona. Es zeigte sich, dass das System Xu nicht krisenfest war. Die Schocks durch die Pandemie versetzten das Konglomerat in eine Abwärtsspirale, wo vorher eine Aufwärtsspirale war. Investoren zogen Geld ab, was Zahlungsprobleme schuf. Das verstärkte wieder das Misstrauen. Selbst als die Corona-Folgen einigermaßen überwunden waren, konnte Xu sich nicht aus der Abwärtsbewegung befreien. Er hatte einfach zu hoch gepokert.
Seine Geschäftspraktiken tragen nun zum Zorn der Anleger bei. Evergrande verlangte hohe Anzahlungen und hohe Kautionen. Zu den verärgerten Investoren gehören daher nicht nur Banken und Börsenspekulanten. Sondern auch normale Hauskäufer, die Evergrande bereits Geld überwiesen haben, bevor auch nur die ersten Bagger für den Bau des Wohnkomplexes anrückten. Zuweilen dauerte es Jahre, bis angezahlte Einheiten fertig wurden. Diese Vorauszahlungen sind für eine Finanzfirma in guten Zeiten enorm wertvoll: Es handelt sich um Geld, mit dem sie erst einmal arbeiten kann. Jetzt ist der Kapitalstrom jedoch abrupt versiegt.
Es half nichts, dass Xu auf dem Höhepunkt seines Erfolgs noch in zahlreiche andere Branchen investiert hat. Neben dem Fußballklub waren das beispielsweise auch Elektroautos. Das führte noch im vergangenen Jahr zu Meldungen wie: “Der Immobilienentwickler Evergrande hat sechs elektrisch angetriebene Automodelle vorgestellt.” Die Marke Hengchi sollte – natürlich – nicht weniger, als Tesla vom Thron stoßen. Xu Jiayin wollte sich direkt mit Elon Musk messen. Wäre alles nach Plan gegangen, dann liefe heute bereits die Massenproduktion. Stattdessen hat Evergrande in dem neuen Geschäftsfeld bisher nur viele Milliarden Euro verbrannt. Auch ein Engagement in der Gesundheitsbranche und Investitionen in Vergnügungsparks waren bisher nicht profitabel. In seinem Größenwahn hat Xu sich verzettelt.
Die Berichte aus jener Zeit listen dabei die exzellenten Kontakte des Arbeitersohns Xu zur politischen Führung als Erfolgsfaktor. Das ist im Prinzip eine richtige Beobachtung. Milliardär Xu ist – natürlich – KP-Mitglied und saß auch als Delegierter in der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes. Doch wer hoch steigt, den lässt auch die Partei tief fallen. Das zeigen die Beispiele zahlreicher anderer Ex-Milliardäre, die heute im Gefängnis sitzen. Wenn etwas übel schiefgeht, dann müssen sie als Sündenböcke herhalten. Finn Mayer-Kuckuk
die Bundestagswahl ist gelaufen, das Endergebnis steht fest – aber alles andere ist offen. Wer wird neuer Bundeskanzler? Mit welcher Koalition? Bis wir die Grundzüge einer neuen Außen- und China-Politik Deutschlands erfahren, werden Wochen oder sogar Monate vergehen. Die meisten Experten erwarten allerdings eine härtere Linie gegenüber China, egal welcher Couleur die neue Regierung sein wird.
Peking, Brüssel und Washington dürften gespannt sein auf die Koalitionsverhandlungen. Finn Mayer-Kuckuk analysiert auf Grundlage unserer Gespräche mit Außenpolitikern aller Fraktionen in den vergangenen Wochen noch einmal mögliche Szenarien der zukünftigen deutschen China-Politik.
Falls Sie Interesse an einem Dossier unserer acht Gespräche mit den maßgeblichen Außenpolitikern der Parteien haben, schreiben Sie uns einfach eine E-Mail an china@table.media. Darin finden sich unter anderem Interviews mit Nils Schmid, dem außenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, dem stellvertretenden Parlamentspräsidenten Hans-Peter Friedrich von der CSU und der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.
In diesen Interviews ist auch eine große Unzufriedenheit mit der China-Politik der abtretenden Kanzlerin deutlich geworden. Christiane Kühl nimmt dies zum Anlass, um einen Blick zu werfen auf 16 Jahre China-Politik von Angela Merkel. In ihrer Analyse geht es um eine gewisse Nähe im Denken, um das frühe Interesse an einer aufsteigenden Weltmacht, aber auch um die Wünsche der deutschen Wirtschaft.
Auch in Peking war Angela Merkel am Montag Thema. Sie habe immer großen Wert auf den Ausbau der Beziehungen zwischen China und Deutschland gelegt, hieß es im chinesischen Außenministerium. “China weiß dies sehr zu schätzen”, sagte die Außenamtssprecherin Hua Chunying. Nun hoffe und erwarte man, dass die neue deutsche Regierung diese ausgewogene China-Politik fortsetze.
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Die Außen- und Handelspolitik hat im zurückliegenden Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Doch das Verhältnis zu EU, USA und China wird das Leben der Bundesbürger in den kommenden Jahren konkret beeinflussen. Über die Fragen von Wettbewerbsfähigkeit und Marktzugang beeinflusst die Handelspolitik das Geschäft von Mittelstand und Großunternehmen gleichermaßen.
Die deutschen Parteien sind sich glücklicherweise in einem Punkt einig: China ist kein weit entfernter Absatzmarkt mehr, sondern Rivale, Konkurrent und Partner zugleich. Doch in der Frage nach den besten Antworten auf diese neuen Herausforderungen finden sich in den Aussagen der Parteien unterschiedliche Konzepte. Zugleich wirkt der Verweis auf die EU zunehmend unbefriedigend, weil diese eben nicht mit einer Stimme spricht.
Beispielhaft dafür ist der Umgang mit dem Investitionsabkommen CAI. Die scheidende Bundesregierung hat seinen Abschluss im vergangenen Jahr vorangetrieben. Die scheidende Kanzlerin Angela Merkel macht keinen Hehl daraus, dass sie es für sinnvoll hält: CAI verpflichtet China zu mehr Ehrlichkeit bei der Marktöffnung. Doch das Abkommen wurde auch zum Symbol für vermeintlich zu nachgiebige China-Politik ihrer Regierung.
Die beiden Oppositionsparteien mit sehr guter Chance auf Regierungsbeteiligung, die FDP und die Grünen, lehnen eine Wiederbelebung des CAI nun in ihren Programmen ab, was deren Vertreter auch im Gespräch mit dem China.Table bestätigen. CDU/CSU und SPD bleiben dagegen eher vage und scheinen ebenfalls nicht mehr hinter dem Vertrag zu stehen, den sie als Regierungskoalition selbst geprägt haben.
Dabei wäre eine Kombination aus Union, Grünen und FDP durchaus eine Wunschkoalition für manches Unternehmen. Der deutsche Mittelstand hofft laut Umfragen jedenfalls auf eine Jamaika-Koalition. Jamaika wäre derzeit auch die Wunschkonstellation von FDP und CDU. Stark sozialpolitisch orientierte Wählerinnen und Wähler könnten auch die Ampel aus SPD, Grünen und FDP wünschen. Grüne und FDP können sich dementsprechend aussuchen, ob sie lieber den Kandidaten der SPD oder den der CDU ins Kanzleramt wählen. Den zwei mittelgroßen Parteien kommt daher in den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen eine strategisch wichtige Position zu.
Grünen und FDP ist etwas gemeinsam: Sie gehen in ihren Programmen und Äußerungen besonders kritisch mit China um. Während CDU und CSU sich in eher allgemeinen Worten zur Außenpolitik äußern, und die SPD sich von ihrer Rolle als Regierungspartei nur wenig glaubwürdig absetzen kann, profilieren sich Grüne und FDP mit deutlichen Forderungen.
“Die Wahlprogramme der derzeitigen Oppositionsparteien FDP und Grüne sind in ihren Aussagen zu China insgesamt ausführlicher und vielfach konkreter und auch kritischer als die der derzeitigen Regierungsparteien CDU/CSU und SPD”, schreibt auch das Wirtschaftsforschungsinstitut IfW Kiel. “Dies könnte darauf hindeuten, dass die nächste Bundesregierung im Falle einer Regierungsbeteiligung der FDP und/oder der Grünen eine insgesamt China-kritischere Politik einschlagen könnte.” Schließlich gehen sie besonders hart mit Menschen- und Völkerrechtsverletzungen sowie Drohungen gegen Taiwan ins Gericht. Die Beteiligung beider Parteien ist nach den ersten Erkenntnissen des Wahlabends indes durchaus wahrscheinlich.
Eine kritische Haltung zu Peking gehen auch aus den Gesprächen des China.Table mit Vertreterinnen und Vertretern von Grünen und FDP hervor. Spitzenfrau Annalena Baerbock kündigte für den Fall einer Regierungsbeteiligung an, die “Macht des europäischen Binnenmarktes zu nutzen, um europäische Werte zu schützen”. Sie nannte Menschenrechte, fairen Marktzugang, Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen als Punkte, die ihr besonders wichtig seien (China.Table berichtete).
Der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer diagnostiziert bei der bisherigen Regierung “eine gehörige Portion Defätismus” (China.Table berichtete). Sie füge sich dem zunehmenden Machtanspruch Chinas, ohne ihm einen eigenen Gestaltungsanspruch entgegenzustellen. Sein Parteikollege Omid Nouripour entwirft als Konsequenz aus der deutschen Passivität ein dramatisches Szenario. Unsere Demokratie stehe auf dem Spiel, “wenn wir nicht den Kopf aus dem Sand ziehen und den Systemwettbewerb annehmen”. Die Grünen sind also dafür, härter mit China zu verhandeln und das eigene, demokratische System zu stärken.
Alexander Graf Lambsdorff und Johannes Vogel von der FDP äußern sich ähnlich, was zumindest in diesem Bereich auf Koalitionsfähigkeit hindeuten würde. “Für uns als Liberale kommen Menschenrechte zuerst”, sagt Lambsdorff. Auf den autoritären Kurs von Xi Jinping sei aus liberaler Sicht keine andere Antwort möglich. “Wir sind für wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit”, erklärt Johannes Vogel. Seine Partei sei zwar für Freihandel und vertrete die Bedürfnisse der Wirtschaft. Doch es liege eben auch in deren Interesse, dass sich die Staaten Europas dem zunehmenden globalen Machtanspruch und den unfairen Praktiken Chinas entgegenstellen.
Gemeinsam ist der FDP und den Grünen auch, dass sie die EU wieder handlungsfähig machen wollen, indem sie das Prinzip der Einstimmigkeit hinter sich lassen. “Einige Staaten können vorangehen”, sagt Nouripour. So würden Gruppen von besonders entschlossenen Ländern reichen, um eine starke Position für den Block zu formulieren.
Für die deutsche China-Wirtschaft beruhigend: Keine der beiden Parteien, die jetzt besonders an Einfluss gewinnen könnten, wollen den Handel mit China abreißen lassen. “Die Idee des generellen Entkoppelns, die Präsident Trump propagierte, habe ich nie für eine intelligente Perspektive gehalten. Das steht unserem europäischen Grundgedanken der multilateralen Kooperation diametral entgegen”, sagte uns Bütikofer. “Wir wollen keine Mauern bauen.”
Die SPD hat angesichts des voraussichtlich engen Ergebnisses gute Chancen, an der Regierung beteiligt zu sein. Falls sie die Regierung anführt, will sie ihr eigenes Profil stärker zur Geltung bringen. Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, kündigte im China.Table einen misstrauischeren Kurs gegenüber chinesischen Zulieferern für Infrastruktur an – konkret gegenüber dem Telekommunikationsausrüster Huawei. “Wir müssen schauen, wer hinter diesen Unternehmen steht und wie stark diese Unternehmen autoritären Staaten ausgeliefert sind”, sagte Schmid.
Schmid hält nicht viel von der Vorstellung, durch eine Fortsetzung des partnerschaftlichen Ansatzes in China etwas zu bewegen. Dieser “war immer mit der Annahme verbunden, dass China ein Entwicklungsland sei”. Aber: “Diese Zeit ist vorbei. Wir müssen jetzt unsere China-Politik neu definieren und erkennen, dass China uns wie auch das internationale System herausfordert.” Peking wolle weltweit autoritäre Vorstellungen stärken.
Schmid sorgt sich hier ganz konkret um Chinas Aufrüstung. Das Land sei eine “militärische Macht” geworden und bedrohe seine Nachbarn. Es sei trotz autoritärer Herrschaft wirtschaftlich erfolgreich und damit als Modell auch attraktiv für andere Staaten. Dem müssen Deutschland und die EU entgegenwirken, so Schmid.
CDU und CSU sind mit einem besonderen Nachteil in diese Wahl gegangen: Sie haben lange regiert und müssen zur ihrer Politik der vergangenen Jahre stehen, um nicht unglaubwürdig zu klingen. Das betrifft auch die China-Strategie. Hans-Peter Friedrich hat uns dazu Rede und Antwort gestanden. Der prominente CSU-Politiker macht unter den Gesprächspartnern des China.Table in der Vorwahlzeit folglich am wenigsten den Eindruck, China künftig konfrontativer begegnen zu wollen.
Friedrich lehnt die Sanktionen klar ab, mit denen die EU Anfang des Jahres eine heftige Gegenreaktion Pekings provoziert hatte. Er sieht auch eine allzu kritische Haltung als nur wenig zielführend für deutsche Handelsinteressen in Fernost. So sieht er die Frage nach der Beteiligung Huaweis am Telekom-Ausbau als geklärt an: “Wir haben uns zusammengerauft und eine gangbare Lösung gefunden.” Deutschland nehme “Huaweis Weltklasse-Technologie gerne, weil sie unsere Wirtschaft wettbewerbsfähiger macht”. Das Geschäft finde aber “zu unseren Spielregeln und Wertvorstellungen” statt. Auch einen Zusammenschluss westlicher Mächte zur Eindämmung Chinas lehnt Friedrich ab.
Als ehemaliges Regierungsmitglied verteidigt Friedrich die Politik von Kanzlerin der vergangenen Jahre. Er sieht in dem von ihr eingeschlagenen Mittelweg weiterhin einen guten Kurs für die Interessen Deutschlands. Kanzlerkandidat Armin Laschet hat sich nun ebenfalls eindeutig zu China positioniert. Auch er ist, wie Friedrich, zwar dafür, westliche Werte klar durchzusetzen. Aber auch er spricht sich zugleich für eine “positive Agenda” aus, um – wo nötig und möglich – mit China zu kooperieren.
Im Sommer 2005 begann das politische China, sich mit der deutschen Kanzlerkandidatin zu beschäftigen. Damals war Angela Merkel in Peking eine Unbekannte. Sie war 1997 einmal als Umweltministerin unter dem damaligen Kanzler Helmut Kohl im Land gewesen, hatte aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Frage in Peking war also: Was würde die CDU anders machen als SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder? Dieser galt als wirtschafts- und chinafreundlich; er hatte sich unter anderem für eine Aufhebung des nach dem Tiananmen-Massaker von 1989 verhängten Waffenembargos der EU eingesetzt. Merkel hingegen sah im April 2005 im Bundestag keine Anzeichen dafür, dass entsprechende Voraussetzungen gegeben wären.
Das Waffenembargo gilt bis heute. Ansonsten erfüllte Angela Merkel Befürchtungen Pekings nach einem gewaltigen Schwenk nicht. Zwar setzte sie sich hinter den Kulissen etwas mehr für Menschenrechte und die Zivilgesellschaft in China ein als Schröder, der diese Themen weitgehend seinem Außenminister Joschka Fischer überlassen hatte. Aber auch Merkel hatte stets die Interessen der deutschen Wirtschaft im Blick. Wie Schröder reiste sie jedes Jahr nach China und hatte stets viele Firmenvertreter in ihrer Delegation. Und auch sie zollte China für seine rasante Entwicklung Respekt.
Angela Merkel – in China bekannt unter dem Namen 默克尔 Mo Ke Er – besaß zudem eine große Neugier auf das Land und die völlig andere Art, Dinge anzugehen. Daher reiste sie bei ihren Staatsbesuchen von Peking aus immer auch weiter Chinas Provinzen, etwa nach Jiangsu, Hubei, Anhui oder Guangdong. Auch zeigte Merkel ein gewisses Verständnis für die administrativen Schwierigkeiten, ein so großes und diverses Land zu regieren. Bei Hintergrundgesprächen diskutierte sie mit Journalisten auch mal darüber, wie viel Demokratie in China möglich sei. Und teilte scharfsinnige Beobachtungen, die nicht zitierbar waren.
Merkel begleitete in ihren 16 Jahren als Kanzlerin den ungeheuren Aufstieg Chinas – und die wachsende Bedeutung, die das Land für die deutsche Wirtschaft bekam. Die deutschen Ausfuhren nach China haben sich seit ihrem Amtsantritt mehr als vervierfacht auf zuletzt rund 96 Milliarden Euro. China ist seit fünf Jahren Deutschlands größter Handelspartner, mit einem Volumen des Warenaustausches von knapp 213 Milliarden Euro. Hinzu kommen Milliardeninvestitionen deutscher Firmen in der Volksrepublik.
China strebt heute einen Weltmachtstatus an, will die Geopolitik mitprägen und bei globalen Technologiestandards mitreden. Ohne China wird kein wirksamer Klimaschutz möglich sein. “Die Bundeskanzlerin hat die wachsende Stärke Chinas von Anfang an im Blick gehabt“, sagte ihr früherer Berater und späterer UN-Botschafter Christoph Heusgen kürzlich dem Magazin Der Spiegel. “Sie hat sehr früh gewusst: Das wird eine Weltmacht.” Deshalb sei sie so oft nach China gereist und habe 2010 die bilateralen Regierungskonsultationen begonnen – ein engen Partnern vorbehaltenes Format, bei dem sämtliche Minister beider Staaten zusammenkommen. “Dieses intensive Kümmern um China war weitsichtig und richtig”, sagte Heusgen.
Viele der aktuellen Themen tauchten bereits in Merkels Anfangsjahren auf: Die EU etwa nahm China schon in den Jahren nach Merkels erstem Wahlsieg 2005 zunehmend als Konkurrenten wahr. Firmen fürchteten laut dem 2007 veröffentlichen Positionspapier der EU-Handelskammer EUCCC eine Abschottung des chinesischen Markts und eine Verschlechterung des Investitionsklimas – genau wie im neuen, vergangene Woche publizierten Papier der Kammer (China.Table berichtete). Auch Klagen über eine Verschärfung der Zensur gab es bereits – denn Peking begann damals, verstärkt gegen die Freiheit des wachsenden Internets vorzugehen.
Im Jahr 2007 traf Merkel im Bundeskanzleramt den Dalai Lama, das geistige Oberhaupt der Tibeter. Das sorgte für ernste, aber nicht für langfristige Verstimmung in Peking. Während der Euro-Krise infolge der weltweiten Finanzkrise jener Jahre kaufte China in erheblichen Umfang Anleihen von Euro-Schuldenstaaten auf, um die Lage zu stabilisieren. Der damalige Ministerpräsident Wen Jiabao sagte immer wieder seine Unterstützung für den Euro zu. Dafür war Merkel nach Ansicht von Beobachtern dankbar.
Die Bundeskanzlerin wurde damals zur zentralen Ansprechpartnerin Chinas in Europa. “Diese Phase etwa von 2008 bis 2014 hat bei Merkel erkennbar den Eindruck hinterlassen, dass es eine Nähe im Denken gibt, die über ideologische Grenzen hinausgeht”, schreibt Andreas Rinke in der Fachzeitschrift Internationale Politik (IP) der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). “Zudem teilten ihre chinesischen Gesprächspartner ihr Interesse an einer multilateralen Weltordnung als Gegenmodell zu einer alleinigen Dominanz der USA und des Dollars.“
Einen Wendepunkt markierte der Amtsantritt von Xi Jinping als KP-Chef und Präsident Chinas 2013. China agierte fortan selbstbewusster – und es zeigte sich, dass sich die in der Formel “Wandel durch Handel” ausgedrückte Hoffnung auf eine politische Öffnung des Systems infolge wachsenden Wohlstands nicht erfüllte. Im Gegenteil: Xi schaffte die Amtszeitbegrenzung für sich selbst ab, verstärkte die Zensur weiter, ließ Menschenrechtsanwälte inhaftieren, regierte mit immer härterer Hand in Xinjiang und zuletzt auch in Hongkong.
Merkel kritisierte all das, aber trieb dennoch die enge Zusammenarbeit mit China voran. Beim Antrittsbesuch Xis in Berlin im März 2014 schlossen beide Seiten eine strategische Partnerschaft – die sich explizit auch auf die Außen- und Sicherheitspolitik erstreckte. Damals gab es bereits 60 verschiedene Dialog- und Kooperationsformate.
Auf der Pressekonferenz sagte Merkel: “Wir haben heute darüber gesprochen, dass sich das politische Vertrauen auch dadurch entwickelt, dass wir Gemeinsamkeiten miteinander austauschen, dass wir neue Wege beschreiten, aber auch in der Lage sind, unterschiedliche Meinungen auszutauschen und über alle Fragen sehr intensiv reden können.” Es ist ein Mantra, dem sie bis heute treu geblieben ist. Beschlossen wurden 2014 zudem ein Finanzdialog und eine engere Zusammenarbeit im Rahmen der UN und der G20. “Merkel wollte den ökonomischen Riesen schrittweise zu einem größeren Engagement in den internationalen Organisationen bewegen und dadurch gleichzeitig Zügel anlegen”, schreibt Rinke.
2016 war dann ein Jahr der Schocks. Im Mai übernahm der chinesische Konzern Midea den Robotik-Hersteller Kuka: Erstmals fiel ein echtes Vorzeigeunternehmen an eine chinesische Firma, da sich kein inländischer Käufer gefunden hatte. Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im November 2016 veränderte sich auch die globale Großwetterlage. Merkel navigierte Deutschlands Beziehungen zu China nun in einem zunehmend von globalem Krisenmanagement geprägten Umfeld.
Deutschland erhöhte in dieser Zeit die Hürden für den Einstieg ausländischer Firmen in strategischen Bereichen – vor allem mit Blick auf China. Merkel setzte ab 2017 zunehmend auf Europa, da ihr das Vertrauen in die USA angesichts des feindseligen Verhaltens von Donald Trump abhanden kam.
Und so folgte Merkel auch nicht Trump in seiner China-Politik. Als dieser den Bannstrahl auf den chinesischen Telekommunikationsausrüster Huawei richtete, hielt sie sich zurück. Im Streit um die Frage, ob Huawei beim Aufbau des deutschen 5G-Netzes beteiligt werden dürfe, drängte Merkel auf strenge Sicherheitsstandards anstelle eines Huawei-Verbots – auch aus Sorge vor Nachteilen für deutsche Firmen in China. Entsprechende Regeln wurden vom Bund 2020 verabschiedet; bisher beauftragten die Netzbetreiber allerdings ausschließlich europäische Firmen. Dagegen haben Großbritannien, Frankreich und Schweden ebenso wie die USA Huawei vom 5G-Aufbau formal ausgeschlossen.
Auch wegen solcher Entscheidungen wurden Merkel in Europa zuletzt immer wieder Alleingänge in der China-Politik vorgeworfen. Deutschland sei wirtschaftlich zu abhängig von China, hieß es. Daher traue sich Berlin nicht, auf die autoritären Tendenzen Xis und die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Hongkong mit einer härteren Linie zu antworten. Merkel trieb während ihrer EU-Ratspräsidentschaft die Unterzeichnung des Investitionsabkommens CAI voran, das im Dezember 2020 unterschrieben wurde – und nun wegen chinesischer Sanktionen gegen europäische Politiker und Thinktanks im Eisschrank liegt. Noch im April wurden die letzten Regierungskonsultationen mit China abgehalten – wegen der Pandemie allerdings nur virtuell.
Kontinuität im schwierigen Verhältnis zur neuen Großmacht wollte Merkel auch nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft gewährleisten. Und so ernannte sie ihren Chefberater für Außenpolitik und engen Vertrauten Jan Hecker zum neuen Botschafter in Peking. Doch Hecker verstarb im August mit nur 54 Jahren ganz plötzlich, nur wenige Tage nach seinem Amtsantritt (China Table berichtete). Nach Heckers tragischem Tod wird nun also voraussichtlich Merkels Nachfolger den nächsten Botschafter ernennen. Das Ausland erwartet vom neuen Kanzler – egal ob er Olaf Scholz oder Armin Laschet heißt – eine härtere China-Politik Deutschlands.
Die EU-Handelskammer in China befürchtet einen Rückgang der Internationalität des chinesischen Marktes. Als Folge dieses Trends könne die Wirtschaft dort an Dynamik und Innovationskraft verlieren: “Der entsprechende Verlust an Wettbewerb im Markt wird auch Chinas Ambitionen beeinträchtigen, in Hochtechnologie-Branchen führend zu werden”, schreibt Kammerpräsident Jörg Wuttke im Vorwort zum “European Business in China Position Paper 2021/2022“, das heute erschienen ist. Es bestehe die Gefahr, dass Peking sich von den mutigen Reformen verabschiede, die das Land seit den 1970er-Jahren vorangetrieben hätte.
Das Positionspapier der EU-Kammer erscheint jährlich und ist eine feste Institution im Pekinger Jahreslauf. Die 1.700 Mitgliedsunternehmen aus allen EU-Ländern bündeln darin Lob und Klagen über den chinesischen Markt. In diesem Jahr beherrschen vor allem drei Themen das umfangreiche Dokument:
Die EU-Kammer sieht daher auch die “Dual Circulation” kritisch, das jüngste ökonomische Konzept der chinesischen Führung. Die Idee dahinter: Der eine Kreislauf ist der Warenhandel mit dem Ausland, also die Einbindung in die Weltwirtschaft. Der zweite Kreislauf ist die chinesische Binnenwirtschaft, die notfalls auch ganz ohne die Außenwelt funktionieren soll. Beide Kreisläufe sollen nur noch lose verknüpft sein, sodass es nicht mehr Investitionen und Nachfrage aus dem Ausland sind, die das Wachstum treiben. “Das Streben nach Eigenständigkeit läuft jedoch dem Geist von umfassenden Reformen und einer Öffnung der Wirtschaft entgegen”, warnt das Positionspapier.
Für europäische Firmen im Chinageschäft haben die Ideen der Führungsgeneration unter Xi Jinping bereits ganz konkrete Auswirkungen. Je weniger das Land mit dem Ausland handelt und je weniger Anerkennung internationale Marken genießen, desto geringer die Absatzchancen. Die Kammer sieht jedoch auch Nachteile für China: In internationaler Arbeitsteilung sind bessere Waren günstiger zu bekommen. China verschenkt daher mit dem Versuch, möglichst alles selber zu machen, erhebliches Wohlstandspotenzial.
Die EU-Kammer empfiehlt China daher eine Fortsetzung marktorientierter Reformen. Außerdem soll das Land seine Öffnungspolitik fortsetzen, statt sie zurückzudrehen. Zwar sei die Tendenz zur Abkopplung verständlich, weil die USA ihrerseits den Zugang zu Technologie verweigern. China sollte sich jedoch davon nicht zu einer extremen Gegenreaktion provozieren lassen.
Die EU-Kammer macht den Trend einer zunehmenden Abschottung auch an der geringen Zahl von Ausländern in China fest. Vor allem die qualifizierten Firmenmitarbeiter aus entwickelten Ländern werden immer seltener. In Peking ist ihre Zahl seit 2010 von mehr als 100.000 auf etwas mehr als 60.000 gefallen. Als Gegenbeispiel nennt die EU-Kammer das kleine Luxemburg, wo 300.000 ausländische Staatsbürger leben. Die mangelnde Diversität gilt als besonders schädlich für die Innovationsfähigkeit.
Die EU-Kammer registriert zudem mit Sorge, dass wirtschaftspolitische Entscheidungen inzwischen von Fragen nationaler Sicherheit diktiert werden. Europäische Banken vor Ort befürchten beispielsweise, dass sie ihre Computer in China demnächst vollständig vom weltweiten Firmennetz abkoppeln müssen. “Das beschränkt sie zunehmend in der Fähigkeit, grenzübergreifende Dienste anzubieten”, schreiben die Mitglieder der Finanz-Arbeitsgruppe der EU-Kammer. Einige europäische Banken haben den chinesischen Markt bereits verlassen.
Auch zahlreiche andere Branchen sollen laut dem aktuellen Fünfjahresplan vom Ausland unabhängiger werden. Europäische Firmen aus diesen Branchen berichten laut Kammer-Report, dass ihre chinesischen Kunden immer zurückhaltender werden. Sie signalisieren, dass die Beschaffung bei ausländischen Anbietern für sie schwieriger wird. Auch wenn die Auswirkungen sich derzeit noch in Grenzen halten, sieht die Kammer diesen Trend mit Sorge.
Das aktuelle Positionspapier sieht jedoch auch viele Branchen im Aufschwung. “Für diejenigen, die Technologie beitragen, die China benötigt, wird der rote Teppich ausgerollt.” Dazu gehören beispielsweise Techniken, die der Abkehr von der Kohle dienen. Oder alles, was die Qualität der eigenen Industrie aufwertet, zum Beispiel Maschinen, Materialien oder Halbleiter. Während sich unerwünschte Branchen im “Frachtraum” wiederfinden, reisen erwünschte Branchen in der “Business Class” der chinesischen Wirtschaft in Richtung Wachstum und Gewinn.
Den europäischen Tochtergesellschaften vor Ort rät die EU-Kammer, jetzt schon mit ihren Hauptquartieren die Anpassung an diese neuen Rahmenbedingungen zu besprechen. Denn den Unternehmen im “Frachtraum” könnten auf kurz oder lang ausgestoßen werden. “Localise or leave“, lautet dann die Wahl für die Manager. Reiner Import oder nur Endfertigung für den chinesischen Markt sind dann keine Optionen mehr.
Folgende Forderungen stellt die EU-Kammer im Lichte dieser Entwicklungen gegenüber China:
In Richtung der EU bringt die Kammer folgende Forderungen vor:
Für europäische Unternehmen hat das Positionspapier ebenfalls Ratschläge parat:
Im Gesamtbild erkennt die EU-Kammer jedoch an, dass die Möglichkeiten der EU-Unternehmen für sich allein begrenzt sind. Im Zeitalter von Wolfskriegern und steigendem Nationalismus (China.Table berichtete) gehören protektionistische Tendenzen zu den übergreifenden Trends. Umso wichtiger findet Kammerpräsident Wuttke es, sich diesen Tendenzen entgegenzustellen.
Mehrere Zulieferer von Apple haben Teile ihrer Produktion in der Volksrepublik eingestellt, weil ihnen der elektrische Strom gesperrt wurde. Grund dafür seien die von der Zentralregierung in Peking erlassenen Vorgaben zur Energieeinsparung. Als Reaktion erklärte der Apple-Zulieferer Unimicron Technology Corp am Sonntag, in drei seiner Betriebe in China würden bis Donnerstag die Bänder stillstehen. Die Auswirkungen seien allerdings begrenzt, da man die Produktion in anderen Fabriken hochfahren werde.
Auch der Konzern Concraft Holding, der unter anderem Teile für iPhone-Kopfhörer herstellt, will bis Donnerstag nichts mehr produzieren und stattdessen auf seinen Lagerbestand zurückgreifen, um die Nachfrage zu bedienen. Die Foxconn-Gesellschaft Eson Precision Engineering legt ihre Bänder gar bis Freitag still, wie die Zeitung “Nikkei” berichtet.
Die Zentralregierung in Peking will den Stromverbrauch im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um drei Prozent reduzieren, um seine Klimaziele zu erreichen – und hat entsprechende Vorgaben an die Provinzen ausgegeben. Die Provinzregierungen hatten ihrerseits die Vorgaben nochmals verschärft. In manchen Provinzen dürfen Einwohner deshalb keine Wasserkocher oder Mikrowellen mehr benutzen, Einkaufszentren müssen früher schließen. In Nordostchina sind auch Haushalte immer öfter von den Abschaltungen betroffen.
Hintergrund ist, dass Chinas Strombedarf immer weiter steigt – im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 um satte 14 Prozent. Seit 2000 ist der Pro-Kopf-Stromverbrauch in der Volksrepublik gar um das Sechsfache angestiegen. Zudem werden mehr als zwei Drittel der Stromnachfrage durch Kohlestrom gedeckt (China.Table berichtete). Als Folge stieg der Anteil Chinas an der weltweiten Kohleverstromung von 50 Prozent im Jahr 2019 auf 53 Prozent.
Schon Ende Mai haben Stromengpässe zu Fabrikschließungen geführt (China.Table berichtete). Damals hatten Stromversorger in der Industriehochburg Guangdong Fabriken aufgefordert, ihren Stromverbrauch zu reduzieren. 17 Städte in der Provinz verhängten daraufhin Beschränkungen für den Stromverbrauch. In einigen Regionen wurden für drei Tage die Fabriken geschlossen. Auch die Nachbarregionen Guangxi und Yunnan kämpften mit Stromengpässen.
Für Auto- und Elektronikkonzerne sind die neuen Zwangspausen ihrer Zulieferfirmen schlechte Nachrichten, kommen sie doch zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Seit Monaten herrscht weltweit eine immense Materialknappheit, besonders elektronische Bauteile sind davon betroffen. rad
Der schwer angeschlagene chinesische Immobilienkonzern Evergrande hat die Pläne für einen Börsengang seiner Elektroautotochter Evergrande New Energy Vehicle (NEV) in Shanghai gestoppt. Der Aktienkurs von Evergrande NEV fiel daraufhin am Montag an der Börse in Hongkong zeitweise um rund zehn Prozent.
Ein strategisches Investment oder ein Verkauf von Vermögensbeständen seien notwendig, um Mitarbeiter und Zulieferer zu bezahlen sowie die Massenproduktion aufrechtzuerhalten. Anleger fürchten nun offenbar eine Insolvenz der Elektroauto-Tochter, die wiederum zum Kollaps des Immobilienriesen führen könnte.
Es gebe “keine Garantie”, dass Evergrande NEV seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen werde, warnte der Automobilhersteller zu Wochenbeginn. Sein Aktienkurs in Hongkong ist seit Jahresbeginn um 80 Prozent gefallen. Am Sonntag hatte Evergrande NEV dann mitgeteilt, die finanziellen Schwierigkeiten des Mutterkonzerns hätten auch “nachteilige Auswirkungen” auf die geplante Massenproduktion von Elektroautos. Man stehe vor einem Liquiditätsengpass. Ohne eine Kapitalspritze stehe die Produktion von E-Autos vor einer ungewissen Zukunft, teilte das Unternehmen mit. Evergrande NEV wollte seine E-Autos auch in Deutschland verkaufen.
Der Mutterkonzern Evergrande beschäftigt seit Wochen die Finanzmärkte. Der Immobilienriese hat in den vergangenen Jahren einen riesigen Schuldenberg angehäuft. Die Verbindlichkeiten sollen sich inzwischen auf über 300 Milliarden US-Dollar belaufen. Nun ist der Konzern in Zahlungsverzug geraten gegenüber Banken, Anleihegläubigern sowie Kunden und Mitarbeitern.
Ob die Zentralregierung den Konzern retten wird, ist noch offen. Experten vermuten allerdings, Peking wolle an Evergrande ein Exempel statuieren (China.Table berichtete). Große Firmen sollen sich nicht darauf verlassen können, dass sie too-big-to-fail sind – also zu groß, um in Konkurs gehen zu können. Der Staat wolle mehr soziale Marktwirtschaft wagen und verfolge drei Ziele: Banken und Immobilienentwickler sollen ihre Risiken selbst tragen; Wohnungen müssen bezahlbar bleiben; und sie müssen eine stabile Wertanlage darstellen. Evergrande-Verwaltungsratschef Xu Jiayin hatte zuletzt versichert, man werde seine Verpflichtungen gegenüber Immobilienbesitzern, Anlegern, Partnerfirmen und Banken erfüllen (China.Table berichtete). rad
Die US-Regierung erwägt, ein eigenes Gegenkonzept zur chinesischen Seidenstraßen-Initiative (Belt and Road Initiative, BRI) zu entwickeln. Ein Abgesandter von Präsident Joe Biden werde demnächst in mehrere südamerikanische Länder reisen, um dort Möglichkeiten für ein Handels- und Investitionsprogramm auszuloten, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg. Für diese Rolle ist Daleep Singh im Gespräch, ein Ökonom mit einer langen Karriere im amerikanischen Regierungsapparat. Derzeit ist er Vizedirektor des Nationalen Wirtschaftsrates, eines hohen Beratergremiums des US-Präsidenten. Singh wird dem Bericht zufolge zunächst Kolumbien, Ecuador und Panama besuchen und dort Gespräche über mögliche Zusammenarbeiten führen.
Auf dem Treffen der führenden westlichen Industrienationen G7 im Juni haben die Teilnehmer vereinbart, Chinas Seidenstraßeninitiative ein eigenes Programm entgegenzusetzen (China.Table berichtete). Sie wollen Schwellenländer und Länder des globalen Südens erreichen, die China sonst durch Investitionen und Partnerschaften an sich binden könnte. Den G7 hat damals allerdings eher eine gemeinsame Initiative vorgeschwebt. Die EU arbeitet allerdings derzeit ebenfalls an einem eigenen Gegenkonzept (China.Table berichtete). fin
Der chinesische Smartphone-Hersteller Xiaomi hat einen Experten angestellt, um der Warnung der litauischen Regierung vor Sicherheitslücken und eingebauten Zensurfunktionen in den Handys auf den Grund zu gehen. Der unabhängige Sachverständige werde die von Litauen vorgetragenen Punkte prüfen, teilte ein Firmensprecher am Montag mit. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, soll es sich bei dem “Experten” um eine Organisation in Europa handeln.
Vergangene Woche hatte das litauische Verteidigungsministerium Verbrauchern vor den Telefonen der chinesischen Hersteller Xiaomi und Huawei gewarnt (China.Table berichtete). Litauens Vize-Verteidigungsminister Margiris Abukevicius empfahl den Verbrauchern, “keine neuen chinesischen Mobiltelefone zu kaufen”. Nutzer sollten zudem versuchen, bereits erstandene Smartphones aus China “so schnell wie möglich loszuwerden”. Einer Analyse der litauischen Cybersicherheitsbehörde nach, handele es sich um drei 5G-Handys chinesischer Hersteller: das Huawei P40, das Xiaomi Mi 10T und das OnePlus 8T.
Dem Bericht zufolge seien Zensur-Möglichkeiten eingebaut. Die in Europa verkauften Xiaomi-Handys würden Begriffe wie “Freies Tibet”, “Es lebe die Unabhängigkeit Taiwans” oder “Demokratiebewegung” erkennen und zensieren, so die Behörde. Ähnliche Sicherheitslücken habe man bei Telefonen des chinesischen Herstellers Huawei gefunden. Das nationale Cybersicherheitszentrum hat die Untersuchung laut Abukevicius durchgeführt, “um den sicheren Einsatz von 5G-Geräten und Software in Litauern sicherzustellen”. Es seien daher in dem Land verfügbare Smartphones ausgewählt worden, die “von der internationalen Gemeinschaft als etwas riskant” eingeschätzt worden seien.
Als Konsequenz hat auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Untersuchungen aufgenommen. Das BSI nehme derzeit eine Bewertung des Berichts aus Litauen vor, bestätigte ein BSI-Sprecher China.Table. Xiaomi weist die Vorwürfe entschieden zurück. Ein Unternehmenssprecher erklärte, die Geräte zensierten keine Kommunikation mit oder von ihren Nutzern. “Xiaomi hat und wird niemals persönliche Aktivitäten seiner Smartphone-Nutzer einschränken oder unterbinden, wie beispielsweise das Suchen, Anrufen, Surfen im Internet oder die Verwendung von Drittanbieter-Kommunikationssoftware.” Man benutze lediglich Software, um Verbraucher vor bestimmten Inhalten wie Pornografie zu schützen. Es handele sich um eine Standardmaßnahme in der Industrie.
Die Nachfrage nach Xiaomi-Handys ist zuletzt deutlich angestiegen. In Europa stieg der Konzern laut den Marktbeobachtern von Strategy Analytics im zweiten Quartal zur Nummer eins auf. Auch in Deutschland sind die Geräte sehr beliebt. Die Beziehungen zwischen Litauen und China sind seit Wochen äußerst angespannt, nachdem die taiwanische Regierung in Vilnius ihre erste Repräsentanz in Europa unter eigenem Namen eröffnet hatte und damit Peking verärgerte (China.Table berichtete über beide Vorfälle). Die chinesische Regierung betrachtet die Inselrepublik als Teil der Volksrepublik. rad
Die britische Regierung will offenbar den chinesischen Staatskonzern CGN aus dem geplanten Neubau eines Atomkraftwerks in Sizewell im ostenglischen Suffolk herausdrängen. Möglicherweise werde die Regierung bereits im Oktober bekannt geben, dass sie sich zusammen mit dem französischen Atomkonzern EDF an dem Bau des Reaktors Sizewell C beteilige, berichtet die britische Zeitung The Guardian. Damit würde die CGN herausgedrängt, die derzeit 20 Prozent an dem Atomprojekt halte, hieß es.
Ein Aus für CGN in dem Atomprojekt dürfte für neue geopolitische Verwerfungen sorgen. Klar ist, dass CGN und auch die Regierung in Peking verärgert auf ein Aus für den Konzern reagieren werden. London steht dagegen laut Guardian seit längerem unter dem Druck der USA, China aus Gründen der nationalen Sicherheit von britischen Atomprojekten auszuschließen. Ein Rauswurf von CGN aus dem Sizewell-Projekt würde allerdings einen Vertrag von 2015 der Regierung in London mit CGN brechen.
Darin sagte CGN zu, Sizewell und einen weiteren Reaktor im Atomkraftwerk Hinkley Point zu finanzieren, und dann eigene Reaktoren an einem dritten Standort in Bradwell zu installieren. Die Chancen für den tatsächlichen Bau eines CGN-Reaktors in Bradwell seien gering, erwartet der Guardian. Bradwell sei aber für CGN der entscheidende Grund gewesen, den Vertrag zu unterschreiben, zitiert das Blatt den Experten Stephen Thomas, Professor für Energiepolitik an der Greenwich University.
Finanziell geht es bei Sizewell C um eine Investition von umgerechnet rund 23,5 Milliarden Euro – Geld, das nach dem Aus von CGN vom britischen Steuerzahler aufgebracht werden müsste. Ein Sprecher der britischen Regierung sagte dem Guardian, der chinesische Atomkonzern CGN sei bis zur endgültigen Entscheidung der Regierung aber noch Anteilseigner von Sizewell C. Sizewell soll nach seiner Fertigstellung sechs Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Es gibt jedoch seit langem Widerstand lokaler Aktivisten gegen das Projekt – nicht zuletzt wegen der chinesischen Beteiligung. ck
Nach der Bekanntgabe des umstrittenen Aukus-Bündnisses mit Australien und Großbritannien treibt US-Präsident Joe Biden nun ein weiteres Sicherheitsbündnis für den Indopazifik ohne Beteiligung der EU voran. Im Weißen Haus traf Biden am Freitag erstmals persönlich mit den Regierungschefs der sogenannten Quad-Staaten zusammen. Die USA, Indien, Japan und Australien wollen demnach noch enger zusammenarbeiten und ihren Einfluss im Indo-Pazifik-Raum ausbauen. Die Region vom Indischen bis zum Pazifischen Ozean bilde die Grundlage für “gemeinsame Sicherheit und gemeinsamen Wohlstand”, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung Bidens mit Yoshihide Suga (Japan), Narendra Modi (Indien) und Scott Morrison (Australien) im Weißen Haus.
Wie immer bei Treffen dieser Art wird China nicht direkt benannt, aber gilt als sogenannter “Elefant im Raum”. Die USA und andere Staaten der Region sind besorgt über den chinesischen Expansionsdrang im Indopazifik, vor allem den Anspruch Pekings auf praktisch das gesamte Südchinesische Meer, eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt.
Das Quad-Bündnis galt lange als zahnloser Tiger. Nun will Biden es mit Leben füllen – und mit den Partnern künftig etwa bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, im Bereich der Cybersicherheit, im Weltraum und im Kampf gegen den Klimawandel enger zusammenarbeiten. Sie wollen etwa mehr Corona-Impfstoff produzieren. Für 2022 könnte es eine gemeinsame Übung zur Vorbereitung auf künftige Pandemien geben. ck
Vor vier Jahren argumentierten wir, dass der Aufstieg von Elektrofahrzeugen (EVs) sowohl die Autoindustrie als auch den Ölmarkt auf den Kopf stellen würde. Wie bei der schnellen Verdrängung von Pferden durch Kraftfahrzeuge in den Vereinigten Staaten vor einem Jahrhundert würde der exponentielle Anstieg der Elektrofahrzeuge zu ihrer Dominanz des globalen Automarktes Anfang der 2040er-Jahre führen. Öl würde die neue Kohle werden und ihr Preis auf 15 Dollar pro Barrel sinken. Die wirtschaftlichen und geopolitischen Folgen wären tiefgreifend.
Seitdem hat sich die Transportrevolution nur intensiviert, und die meisten Erwartungen werden konsequent übertroffen. Im Jahr 2020 gab es mehr als zehn Millionen Elektrofahrzeuge, nach einem Wachstum von mehr als 40 Prozent in den letzten Jahren. Dies steht im Einklang mit der Einführung von Kraftfahrzeugen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und wenn sich dieser Weg fortsetzt, werden Elektrofahrzeuge bis 2040 rund 60 Prozent und bis 2050 rund 90 Prozent des weltweiten Automarktes ausmachen. Diese Schätzungen übersteigen die Zahlen der International Energy Agency (IEA), die für 2040 etwa 330 Millionen Elektrofahrzeuge prognostiziert.
Was wir in China beobachten konnten, widerlegt die ursprüngliche Annahme, dass die Einführung von Elektrofahrzeugen in Schwellen- und Entwicklungsländern viele Jahrzehnte länger dauern würde als in Industrieländern. Dieser Annahme zufolge sollte der weiter hohe Benzinbedarf dort einen Zusammenbruch der weltweiten Ölnachfrage verzögern.
Tatsächlich hat Europa bei den Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen China erst im Jahr 2020 überholt, während China mit 4,5 Millionen Fahrzeugen weiterhin den größten Elektrofahrzeugbestand hat. Obwohl die Covid-19-Pandemie die Nachfrage nach Autos drastisch reduziert hat, ist der Elektrofahrzeugmarkt in vielen Ländern, einschließlich der Entwicklungsländer, weiterhin schnell gewachsen.
Schwellenländer haben bewiesen, dass sie auch in der EV-Branche Vorreiter sein können. Die chinesische Elektrofahrzeugindustrie hat die Kosten weiter gesenkt, da viele Marken um die Marktbeherrschung konkurrieren. Mehr als 400 Unternehmen sind in China in das EV-Geschäft eingestiegen, was an die frühen Tage der Autoindustrie in den USA erinnert, als Hunderte von Unternehmen gegeneinander antraten, bevor Giganten wie Chrysler und Ford auftauchten. Die Lebenszeitkosten für den Besitz eines Elektrofahrzeugs sind aufgrund sinkender Batteriekosten stetig gesunken und sind bereits mit denen von Kraftfahrzeugen vergleichbar.
Das billigste Elektrofahrzeug auf dem Markt, hergestellt von Chinas SAIC Motor, übertrifft bereits Teslas Model 3 als beliebtestes Elektrofahrzeug. Noch wichtiger ist, dass das SAIC-Modell mit einem Preis von nur wenigen tausend Dollar EVs in vielen Entwicklungsländern erschwinglich macht, so wie der Volkswagen Käfer und andere Modelle in diesen Ländern die ersten Autos populär gemacht haben.
Die Vitalität der Autoindustrie erinnert an ihre Blütezeit vor einem Jahrhundert. Der harte Wettbewerb um den EV-Markt wird die Kosten weiter senken, die Qualität steigern und die Technologie voranbringen, was nicht nur den Verbrauchern zugutekommt, sondern auch die Energiewende beschleunigt. Die Haupthindernisse für die nötige Infrastruktur, die Stromerzeugung und kurze Reichweiten werden beseitigt. Wir sehen bereits mehr Ladestationen, den Aufstieg erneuerbarer Energien, verbesserte Batterieleistungen und kontinuierliche Innovationen.
Aber es reicht nicht aus, sich auf die Kräfte des Marktes zu verlassen. Neue Regelungen werden helfen, den Übergang zu beschleunigen. Die ab 2025 in Kraft tretenden EU-Emissionsvorschriften könnten die Marktaussichten völlig verändern, da Kraftfahrzeuge teure Technologien enthalten müssen, die sie deutlich weniger wettbewerbsfähig machen. In ähnlicher Weise musste die Autoindustrie nachziehen, nachdem die kalifornischen Politiker strengere Emissionsstandards in ihrem Bundesstaat (dem bevölkerungsreichsten der USA) vorgeschrieben hatten, was zu positiven Auswirkungen auf den Rest des Landes führte. Solche Mandate könnten bahnbrechend sein und einen positiven Kreislauf aus Skaleneffekten, Innovation und steigender Nachfrage auslösen.
Entwicklungsländer, die sich der EV-Revolution anschließen, können erhebliche makroökonomische Vorteile erzielen. Raffinierte Ölprodukte, vor allem Benzin, machen in den meisten afrikanischen Ländern den größten Anteil der Importe aus, einschließlich großer Ölexporteure wie Nigeria. Eine beschleunigte Einführung von Elektrofahrzeugen, die weniger Wartung und Ersatzteile erfordern, in Verbindung mit einem zuverlässigeren Stromnetz auf Basis erneuerbarer Energien würde in Zeiten steigender Auslandsverschuldung wertvolle Hartwährungsressourcen einsparen. Der expandierende globale EV-Markt bietet auch Chancen, in sich neu formierende Wertschöpfungsketten einzutreten.
Länder, die nicht ausreichend planen, sind hingegen mit erheblichen Risiken konfrontiert. Sie sitzen möglicherweise mit ungenutzten Raffinerien und Flotten veralteter Fahrzeuge fest und sind nicht in der Lage, kritische Teile zu importieren, sollten große Autohersteller deren Produktion einstellen.
Angesichts der enormen Kosten durch die globale Erwärmung kann die Ermutigung der Entwicklungsländer, sich der EV-Revolution anzuschließen, der Welt nur enorme Vorteile bringen. Entwicklungsländer können die sich abzeichnende Energiewende und Verkehrsrevolution nicht ignorieren und sollten dies als Chance sehen, neue Fähigkeiten zu schaffen und in neue Sektoren zu diversifizieren.
Die zusätzlichen Ausgaben, die für eine schnelle Einführung erforderlich sind, sind im Vergleich zu den wirtschaftlichen und menschlichen Kosten von Hitzewellen, Waldbränden, Entwaldung, Umweltverschmutzung, verringerter Biodiversität und möglicherweise schwerwiegenderen zukünftigen Pandemien winzig. Unsere Straßen sauberer, leiser und weniger überlastet zu machen, würde nicht nur unsere Lebensqualität, sondern auch ihre Nachhaltigkeit verbessern.
Reda Cherif, Senior Economist beim Internationalen Währungsfonds, ist assoziierte Forscherin am Bennett Institute for Public Policy der University of Cambridge. Fuad Hasanov, Senior Economist beim Internationalen Währungsfonds, ist außerordentlicher Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Georgetown University und assoziierter Forscher am Bennett Institute for Public Policy der University of Cambridge. Min Zhu, ein ehemaliger stellvertretender Geschäftsführer des Internationalen Währungsfonds, ist Vorsitzender des National Institute of Financial Research an der Tsinghua University. Aus dem Englischen von Sandra Pontow.
Copyright: Project Syndicate, 2021.
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Xu Jiayin 许家印 (62) könnte noch in diesem Jahr als einer der größten Pleitiers in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Sein Immobilienkonglomerat Evergrande ist von Zahlungsunfähigkeit bedroht (China.Table berichtete). Dabei galt Xu noch vor einem Jahr als einer der erfolgreichsten Entrepreneure Chinas. Staatsmedien lobten ihn als einen der großzügigsten Wohltäter des Landes. Er war zudem als Sponsor des FC Guangzhou über Wirtschaftskreise hinaus bekannt. Der Fußballverein gehörte bis 2019 zu den regelmäßigen Gewinnern der chinesischen Meisterschaft. Xu galt als “Modellfall für den chinesischen Traum”, als “Vorzeigebeispiel für die Verwirklichung des Traums vom Reichtum”.
Mit dem Lob und den Ehrungen ist es nun vorbei. Unter Xus Führung hat Evergrande so viel Schulden angehäuft, dass die Chancen auf vollständige Rückzahlung auf Null gesunken sind. Derzeit stehen Verbindlichkeiten in Höhe von rund 300 Milliarden Euro aus. Rund 75 Milliarden davon sind Bankkredite und Anleihen. Ein anderer Teil besteht aus offenen Rechnungen, beispielsweise bei Baufirmen und Handwerkern. Durch Notverkäufe von Immobilien aus dem Besitz des Unternehmens hat Xu zwar den Schuldenstand gedrückt. Er hat damit aber auch die Einnahmebasis geschmälert, die Voraussetzung für die Vergabe der Darlehen war. Am Mittwoch folgte eine formale Warnung der Behörden gegenüber den Banken: Schon kommende Woche drohen weitere Zahlungsausfälle. Der Traum vom Reichtum ist vorerst ausgeträumt.
Xu kommt aus kleinen Verhältnissen. Er wurde 1958 in einem Dorf in der Provinz Henan geboren. Nach der Schule arbeitete er erst in der Zementherstellung. Im Alter von 24 Jahren wurde er Techniker in einem Stahlwerk. Mit 38 gründete er die Immobilienfirma Evergrande. Er kaufte zunächst günstige Immobilien in kleineren Städten, die im Zuge der chinesischen Entwicklung enorm im Wert stiegen. Xu hat die wertvolleren Objekte stets gehalten und sie als Sicherheiten für neue Kredite genutzt. Mit dem so aufgenommenen Geld ist Xu jeweils in die nächste Runde von Zukäufen eingestiegen. Mit Gewinn und Umsatz von Evergrande schien es immer nur aufwärtszugehen. Evergrande wurde zur größten Immobilienfirma des Landes.
Bis zum vergangenen Sommer hat Xu die Bälle immer geschickt in der Luft halten können. Das Geschäftsmodell beruhte aber auf der Annahme, dass die Preise am Immobilienmarkt immer nur nach oben gehen und dass China immer gleichmäßig wächst. Dann kam Corona. Es zeigte sich, dass das System Xu nicht krisenfest war. Die Schocks durch die Pandemie versetzten das Konglomerat in eine Abwärtsspirale, wo vorher eine Aufwärtsspirale war. Investoren zogen Geld ab, was Zahlungsprobleme schuf. Das verstärkte wieder das Misstrauen. Selbst als die Corona-Folgen einigermaßen überwunden waren, konnte Xu sich nicht aus der Abwärtsbewegung befreien. Er hatte einfach zu hoch gepokert.
Seine Geschäftspraktiken tragen nun zum Zorn der Anleger bei. Evergrande verlangte hohe Anzahlungen und hohe Kautionen. Zu den verärgerten Investoren gehören daher nicht nur Banken und Börsenspekulanten. Sondern auch normale Hauskäufer, die Evergrande bereits Geld überwiesen haben, bevor auch nur die ersten Bagger für den Bau des Wohnkomplexes anrückten. Zuweilen dauerte es Jahre, bis angezahlte Einheiten fertig wurden. Diese Vorauszahlungen sind für eine Finanzfirma in guten Zeiten enorm wertvoll: Es handelt sich um Geld, mit dem sie erst einmal arbeiten kann. Jetzt ist der Kapitalstrom jedoch abrupt versiegt.
Es half nichts, dass Xu auf dem Höhepunkt seines Erfolgs noch in zahlreiche andere Branchen investiert hat. Neben dem Fußballklub waren das beispielsweise auch Elektroautos. Das führte noch im vergangenen Jahr zu Meldungen wie: “Der Immobilienentwickler Evergrande hat sechs elektrisch angetriebene Automodelle vorgestellt.” Die Marke Hengchi sollte – natürlich – nicht weniger, als Tesla vom Thron stoßen. Xu Jiayin wollte sich direkt mit Elon Musk messen. Wäre alles nach Plan gegangen, dann liefe heute bereits die Massenproduktion. Stattdessen hat Evergrande in dem neuen Geschäftsfeld bisher nur viele Milliarden Euro verbrannt. Auch ein Engagement in der Gesundheitsbranche und Investitionen in Vergnügungsparks waren bisher nicht profitabel. In seinem Größenwahn hat Xu sich verzettelt.
Die Berichte aus jener Zeit listen dabei die exzellenten Kontakte des Arbeitersohns Xu zur politischen Führung als Erfolgsfaktor. Das ist im Prinzip eine richtige Beobachtung. Milliardär Xu ist – natürlich – KP-Mitglied und saß auch als Delegierter in der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes. Doch wer hoch steigt, den lässt auch die Partei tief fallen. Das zeigen die Beispiele zahlreicher anderer Ex-Milliardäre, die heute im Gefängnis sitzen. Wenn etwas übel schiefgeht, dann müssen sie als Sündenböcke herhalten. Finn Mayer-Kuckuk