zeichnet sich jetzt schon der erste Zoff zwischen Kanzleramt und Außenministerium um die China-Politik ab? Olaf Scholz scheint den kooperativen Kurs von Angela Merkel fortsetzen zu wollen. Annalena Baerbock will einen etwas konfrontativeren Ton setzen. Wenn die beiden höchsten Vertreter Deutschlands jedoch mit zwei verschiedenen Stimme sprechen, werden sie weniger ernst genommen.
Baerbock hat ihre außenpolitischen Ideen in einem viel beachteten Interview bereits offen dargelegt. Von Scholz ist das Bekenntnis zur Kontinuität gegenüber Xi Jinping nur durch eine Indiskretion überliefert. Es ist also noch zu früh, sich wirklich Sorgen zu machen. China hat bereits seinen ersten Spielzug gemacht. Die Botschaft in Berlin kritisiert Baerbock für ihre Äußerungen.
Was es bedeutet, keine gemeinsame Gesprächsgrundlage zu haben, zeigt Peking am Wochenende mit der Vorstellung seines eigenen “Weißbuchs zur Demokratie”. Das ist eine Reaktion auf die Einberufung eines “Demokratiegipfels”, der in dieser Woche in Washington stattfinden soll. Die Propagandisten der Volksrepublik wollen die Deutungshoheit über den Demokratie-Begriff übernehmen. Sie verweisen auf Chaos und Populismus in parlamentarischen Demokratien und loben die Vorzüge des chinesischen Stils der harmonischen Einbindung des Volkes in alle Prozesse. Die feinen Details der Argumentationen hat sich Michael Radunski angesehen.
Die Gründe, warum Deutschland für chinesische Unternehmen attraktiv ist und bleibt, kennt kaum jemand besser als Feng Xingliang. Er war lange Europachef des chinesischen Baumaschinenherstellers Sany in Deutschland, bevor er zum Leiter der Repräsentanzen von NRW.Global Business in Beijing und Guangzhou wurde und chinesische Investitionen für NRW anwirbt. Im CEO-Talk mit Frank Sieren erklärt er, welche Stärken den Standort Deutschland weiterhin ausmachen.
Einen guten Start in die Woche wünscht
Feng Xingliang ist Spezialist dafür, chinesische Investoren nach Deutschland zu holen: Er leitet die Repräsentanzen von NRW.Global Business in Beijing und Guangzhou – und Nordrhein-Westfalen zieht fast ein Drittel der Investitionen an, die von China nach Deutschland fließen. Ein Großteil davon hat der 57-Jährige selbst vermittelt. Erfahrungen sammelte Feng bei deutschen Hidden Champions und als Europa-Chef des größten chinesischen Baumaschinenherstellers Sany. Im Jahr 2009 warb ihn der damalige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers für den Standort NRW ab.
Mit China.Table spricht Feng über die Attraktivität des Standorts Deutschlands für chinesische Unternehmen und über die Fehler chinesischer Unternehmen in Deutschland. Er registriert in der deutschen Wirtschaft weiterhin eine große Offenheit dafür, sich in China zu engagieren. Das Gespräch führte Frank Sieren. Sie können das Interview in voller Länge als Video ansehen.
Herr Feng, interessieren sich chinesische Investoren unter diesen schwierigen politischen Umständen noch für Deutschland?
Wir haben immer noch sehr viele Investitionsanfragen von chinesischer Seite. Es gibt genug chinesische Investoren, die ins Ausland gehen wollen. Einerseits wollen und müssen sie ihre Geschäfte internationalisieren – auch wenn es schwieriger ist als früher, Geld im Ausland zu investieren, weil sich Peking die Art der Investitionen viel genauer anschaut als früher. Denn es gibt natürlich auch einige chinesische private Unternehmer, die ja gerne ihr Geld in Sicherheit bringen wollten, anstatt sich zu internationalisieren. Sie haben dann Fußballmannschaften, Hotelketten oder Weinberge gekauft. Aber anderseits ist auch der chinesischen Regierung klar, dass Chinas Unternehmen multinational werden müssen. Und zwischen den beiden Polen – Kapitalflucht und Global Player – muss sie nun abwägen.
Welche Erfahrungen machen die chinesischen Unternehmen in Deutschland?
Eine lange Lernkurve liegt hinter ihnen. Angefangen hat es in den 90er-Jahren, so ungefähr bei einem Entwicklungsstand von einem Bruttoinlandsprodukt von 5000 US-Dollar pro Kopf an der Kaufkraft gemessen. In dieser Zeit hat TCL den traditionellen Fernsehhersteller Schneider gekauft. Das war keine gelungene Transaktion, weil von Anfang an die Zieldefinition falsch war. TCL war auf das technische Knowhow und die Strategie, die europäische Antidumping-Politik zu umgehen, fokussiert, und weniger auf das richtige Management des übernommenen Unternehmens. Aber man hatte hier eben noch keinerlei Erfahrung. Doch dann hat man immer mehr gelernt und es gab einen stetigen Zuwachs. Zwei Höhepunkte: Der Baumaschinenkonzern Sany übernimmt 2012 den deutschen Betonpumpenhersteller Putzmeister, den Weltmarktführer, und der Haushaltsgerätekonzern Midea übernimmt 2016 den Augsburger Roboterhersteller Kuka.
Dann kam jedoch der Einbruch, die Ernüchterung.
Ja. Der Höhepunkt kam in NRW im Jahr 2016 mit 96 Ansiedlungen. Und der Rückgang des chinesischen Engagements im Ausland kam gleich von zwei Seiten. Peking schaut inzwischen genauer auf die Qualität und Nachhaltigkeit der Investitionen. Die Amerikaner unter Präsident Donald Trump begannen ihrerseits, die Unternehmen stärker zu screenen. Und in Europa, besonders in Deutschland, ist die Diskussion um den sogenannten Ausverkauf Deutschlands losgegangen, was dazu geführt hat, dass das deutsche Wirtschaftsministerium ein Prüfungssystem eingeführt hat, wenn man mehr als 25 Prozent der Anteile kauft. Ab 2019 wurde dann schon ab zehn Prozent geprüft und die Prüfungszeit wurde verlängert und beträgt nun vier Monate.
Chinesische Unternehmen sind weniger willkommen in Deutschland?
Nein, nicht unbedingt, aber der Honeymoon ist vorbei. Um den Roboterhersteller Kuka gab es bereits 2016 eine große Auseinandersetzung. Es gab keinen wirklich ernsthaften Interessenten aus dem Westen, die Chinesen haben mit Abstand das Meiste geboten und mit dem Zugang zum chinesischen Markt gelockt. Die Gegner des Verkaufs waren überzeugt, dass man eine solche Schlüsseltechnologie nicht an China verkaufen darf. Das hat die Welle an Investitionen kleiner werden lassen. Und was NRW betrifft, sind wir weiterhin auf dem Vormarsch, so haben wir bis 2021 bestandsmäßig circa ein Drittel aller chinesischen neuen Ansiedlungen in Deutschland. 2020 war unser Anteil mit 84 neuen Ansiedlungen sogar über 40 Prozent, das heißt, unser Anteil an den gesamten Ansiedlungen in Deutschland ist gestiegen.
Warum gelingt Ihnen das?
NRW ist das Powerhouse Deutschlands. Es schafft gut 20 Prozent von Deutschlands Wirtschaftskraft. Wäre es ein unabhängiges Land, würde es im Vergleich zu anderen Ländern weltweit auf Platz 19 stehen. Ich kann auf Anhieb mindestens zehn Gründe nennen, die für NRW als einen wichtigen Wirtschafts- und Investitionsstandort sprechen.
Aber die Landeshauptstadt Düsseldorf ist in China nicht so bekannt wie München, Hamburg oder Berlin.
Düsseldorf ist sehr beliebt bei Asiaten insgesamt. Die Japaner haben diesen Trend begründet. Früher hat man gesagt, Düsseldorf sei Japans größte Kolonie in Europa. Heute leben in Düsseldorf rund 5.000 Japaner, aber inzwischen sind es auch wohl so 4.000 Chinesen. Wir Chinesen werden bald die Japaner überholen. Allein Düsseldorf hat über 600 chinesische Unternehmen.
Welche Unternehmen sind das?
Zum Beispiel die Telekomausrüster Huawei und ZTE aus Shenzhen und Guangzhou. Oder die Smartphone-Anbieter Xiaomi, Oppo oder Vivo. Sie alle haben ihre Europazentralen in Düsseldorf.
Wie überzeugen Sie die chinesischen Unternehmen, nach NRW zu kommen?
Wir warten nicht, bis die Unternehmen zu uns kommen, sondern wir gehen zu ihnen, bevor sie überhaupt wissen, dass sie zu uns wollen. Wir haben fünf Büros in China: in Peking, Shanghai, Nanjing, Guangzhou und Chengdu. Dadurch sind wir mit Abstand die größte China-Auslands-Repräsentanz eines deutschen Bundeslandes und bieten unser Knowhow aktiv an. Zudem machen wir sehr viele Veranstaltungen zu Themen wie Elektromobilität, künstliche Intelligenz, Energiewende, Smart City oder auch Biotechnologie.
Wenn jetzt ein chinesischer Unternehmer oder ein Top-Manager zu Ihnen kommt, wie läuft das Gespräch ab?
Viele unserer Wettbewerber in Europa machen den Fehler, zu kleinteilig zu denken. Wir sagen, wir sitzen im Herzen Europas: Im Umkreis von 500 Kilometern leben 160 Millionen Menschen. Und wir sind Teil der führenden Wirtschaftsnation Europas, die allein 30 Prozent des produzierenden Gewerbes beherbergt. Als Logistikstandort wurde NRW von der Weltbank sogar auf Platz 1 gesetzt.
Aber die tollen deutschen Autos werden anderswo hergestellt.
Anderswo zusammengebaut. Ein Drittel derer Zulieferer sitzen in NRW. Ein Drittel eines Daimlers oder BMWs kommt von uns.
Ist es inzwischen nicht schwieriger für Deutschland zu werben angesichts der politischen Konfrontation zwischen Deutschland und China und den Sanktionen?
Ja. Die Wirtschaft wird zunehmend politisiert und ideologisiert. Das halte ich weder für gut und noch für nötig, aber es ist nicht überraschend. Denn die Stimmung wird schon länger immer angespannter. Ganz früher im 16. Jahrhundert war das Land ein Vorbild für Europa. Leibniz, Montesquieu und Voltaire waren begeistert von China. Leibniz hat sogar gefordert, Chinesen sollten helfen, Deutschland zu retten, indem China Missionare nach Deutschland schickte. Doch dann wurde China wirtschaftlich schwach, später kommunistisch/sozialistisch und das Image schlecht. Nun da China wieder stärker wird, könnte das Image wieder besser werden. Doch das Gegenteil passiert, weil China zunehmend als Wettbewerber oder potenzieller Gegner empfunden wird. Nicht etwa wie früher als Vorbild. Das ist bedauerlich.
Haben die chinesischen Investoren nicht auch selbst dazu beigetragen, indem sie die gekauften deutschen Unternehmen ausgehöhlt und deren Knowhow nach China transferiert haben?
Das gab es, ist aber mindestens 15 Jahre her. Die neureichen Chinesen, die nach Deutschland kamen, wussten nicht recht, wie sie sich verhalten sollten. Sie waren viel zu auftrumpfend, überheblich und siegesgewiss. Das hat sich inzwischen geändert. Die meisten Unternehmen verhalten sich lobenswert. Die skeptische Stimmung in der Politik und in Teilen der Bevölkerung ist geblieben. Denn die neuen Wettbewerber Chinas haben andere Vorstellungen und Werte. Das mulmige Gefühl, das dabei entsteht, spiegelt sich in den Medien wider.
Aber ist die Sorge nicht auch weiterhin berechtigt, dass, wenn ich als Arbeitnehmer von einem Chinesen übernommen werde, sehr schnell ein anderer Wind in der Firma weht.
Natürlich wollen die neuen chinesischen Eigentümer auch einiges anders machen. Aber die Frage ist, ob das wirklich mit dem Stichwort Manchester-Kapitalismus beschrieben werden kann oder doch nicht inzwischen durchaus sozialer ist. Die Chinesen sagen dazu “sozialistische Marktwirtschaft”, die Deutschen “soziale Marktwirtschaft”.
Und der Abfluss des Knowhows nach China und das Ausbluten der Unternehmen?
Also von einem solchen Fall habe ich in vergangenen 10 bis 15 Jahren nicht gehört. Die Unternehmen wollen ja im Gegenteil ihr Europa-Geschäft ausbauen, die Marketing- und Servicenetzwerke der Europäer übernehmen. Außerdem ist das Knowhow vielfach in den Köpfen der deutschen Mitarbeiter. Die aber kann man nicht mitnehmen.
Welche anderen Fehler machen chinesische Firmen in Deutschland?
In Deutschland sollten sich chinesische Investoren unbedingt an die Gesetze halten, in China spielen die persönlichen Beziehungen eine große Rolle. Ein anderer Unterschied ist die Gewerkschaften, die in den deutschen Unternehmen sehr viel zu sagen haben, auch wenn ihnen das Unternehmen nicht gehört. An ihnen kommt man schwer vorbei. Man ist als chinesischer Investor gut beraten, frühzeitig auf die Rechte der Mitarbeiter einzugehen, wenn man eine wichtige Entscheidung für das Unternehmen trifft. Und das dritte Thema sind die Steuern. Chinesische Investoren haben immer wieder putzige Ideen, wie man die vermeiden kann. Sie illegal zu vermeiden, sollte man tunlichst lassen. Egal, ob es große oder kleine Summen sind.
Sie vermitteln nun zwischen den Kulturen. Wie sind Sie nach Deutschland gekommen? Warum haben Sie angefangen, Germanistik zu studieren?
Das war ein Zufall, den ich nicht bereue. 1980 habe ich die Universitätsaufnahmeprüfung mit sehr guten Leistungen bestanden. Damals konnte man fünf Wunschuniversitäten aufschreiben. Ich habe die Beijing Foreign Studies University auf die erste Stelle gesetzt, dazu das Fach Englisch, mein Lehrer hat vorsichtshalber das Zusatzfach Deutsch hinzugefügt, das nur wenige Bewerber wählten. Also wurde ich für das Fach Deutsch genommen. Ich habe es nicht bereut und wurde schließlich Chinas erster Doktorand im Fach Germanistik.
Und dann sind sie 1989 mit einem Stipendium nach Deutschland gegangen.
In Deutschland ist mir klar geworden, dass mir die althochdeutschen und neuhochdeutschen Seminare doch zu unpraktisch und trocken sind. Ich wollte etwas Realitätsbezogenes lernen. Also habe ich in Heidelberg auf Volkswirtschaft umgesattelt. Danach wollte ich noch einmal promovieren, mit einem Stipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung. Aber inzwischen war ich verheiratet, wir hatten eine Tochter und ich habe dann entschieden, für eine deutsche Firma zu arbeiten, die jemanden für ihr Asiengeschäft suchte.
Und dann sind Sie 2003 nach ein paar Zwischenstationen bei Sany gelandet, dem größten Baumaschinenhersteller Chinas, der sich damals mit seinen Maschinen nach Europa gewagt hat. Das war eine große Herausforderung für Sie, oder?
Ja, eine sehr, sehr große Herausforderung. Ich habe diesen Job nicht gesucht. Der Sany-Chef ist zu mir gekommen und hat ihn mir angeboten. Ich habe erst kurz gezögert und dann ja gesagt. Auf der Messe Bauma 2004 in München, der größten Baumaschinen-Messe der Welt, hatte ich meinen ersten Auftritt. Mit damals 400.000 Besuchern eine gigantische Messe. Und ich dazwischen, durchaus nervös, mit einem 150 Quadratmeter kleinen Stand, um die ganzen Maschinen auszustellen. Und weil ich der einzige im Unternehmen war, der einen ausländischen Pass hatte, wurde ich bald in die ganze Welt geschickt. Nach Las Vegas, Paris und zu den verschiedenen europäischen Städten. Später dann versuchte Sany immer wieder, wenn möglich, den größten Stand auf jeder Messe zu haben.
War es schwierig als jemand, der lange in Deutschland gelebt hat, nun in einem chinesischen Unternehmen zu arbeiten?
Es hat Spaß gemacht, war aber nicht immer einfach. Zwischendurch wurde ich von einem Vorgesetzten, der nicht der hellste war und offensichtlich weniger verdient hat als ich, so schikaniert, dass ich dem Unternehmen den Rücken gekehrt habe. Nach einem halben Jahr haben sie mich zurückgeholt und mich zum Assistant President gemacht, damit mich niemand mehr ärgern konnte.
Und was hat Sie bewogen, dann zu der Investment-Organisation eines deutschen Bundeslandes zu wechseln?
Entscheidend waren der damalige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, den ich durch mein Investment-Projekt von Sany kennengelernt hatte und vor allem Petra Wassner, meine spätere Chefin. Sie hat mir ein gutes Angebot gemacht. Denn beide wussten, wie wichtig China für NRW sein könnte. Das war ziemlich fortschrittlich damals. Und so habe ich deren Repräsentanz in Beijing aufgebaut.
Und was hat Sie dort nach langer Zeit in Deutschland am meisten überrascht?
Mir fiel auf, wie schnell die Chinesen geworden waren. Eine Geschäftsreise wurde manchmal von einer Stunde auf die andere entschieden. Sie sind nun sehr ehrgeizig und legen Wert auf Bildung, Geld und Karriere. Und manche sind maßlos. Sie verzehnfachen die Verkaufszahlen für das kommende Jahr einfach, obwohl sie wussten, das sind unrealistische Ziele und schauen dann mal, wo man rauskommt. Die Menschen wechseln unglaublich schnell ihre Jobs. Und ihren Erfolg zeigen sie sofort durch Kleidung, Schmuck und Autos. Die Deutschen sind bescheidener und sparsamer.
Wie lange sind bei diesem Tempo chinesische Unternehmen überhaupt noch an deutschen Unternehmen interessiert?
Die Welt wird multipolar bleiben. Kein Land kann alles allein und ist überall spitze – auch China nicht. Im Maschinenbau und anderen Spitzentechnologien ist Deutschland immer noch führend. Auch wenn China weiter aufholt, gibt es für Deutschland immer noch große Spielräume. Und selbst dann wird es noch Spezialgebiete geben, wo die Deutschen besser sind. Deshalb finde ich es schade, dass aufgrund der politischen Konfrontationen durch Sanktionen, die Investitionsvereinbarung zwischen Deutschland und der EU nicht ratifiziert wird. Aber auch so werden wir nicht arbeitslos. Wir haben in den nächsten 20 Jahren noch genug zu tun. Chinesen wollen und müssen weiter stärker im Ausland investieren. Die Investitionen werden sich noch verstärken.
Wie erklären Sie einem chinesischen Investor die uneinigen, sich oft widersprechenden EU-Länder?
Im Allgemeinen wissen die Chinesen über Europa mehr als die Europäer über China. Insofern werden sie nicht von dem verwirrenden Alltag in Europa überrascht. Allerdings wundern sie sich doch darüber. Sie finden den Brexit bedauerlich und sind erstaunt, dass die EU das einfach so hinnimmt. Und sie fragen sich, warum es den Europäern so schwerfällt zu verstehen, dass sie nur gemeinsam stark genug sind.
Ist es nicht ein Vorteil für China, wenn die EU uneinig ist?
Die meisten chinesischen Investoren sehen das nicht so. Für sie ist ein homogener, verlässlicher EU-Markt wichtiger. Und Sie schätzen die EU-Staaten durchaus realistisch ein. Ein chinesischer Minister hat mir einmal gesagt, er unterscheide zwei Kategorien von europäischen Staaten: Die kleinen Staaten und die kleinen Staaten, die glauben, sie wären groß. Das ist zwar nicht die ganze Wahrheit, aber für mich wäre ein einheitliches Europa enorm wichtig!
Diese Woche werden sich mehr als 100 Länder virtuell zum sogenannten Demokratie-Gipfel treffen. Initiator sind die USA. Themen des virtuellen Treffens am 9. und 10. Dezember sind der Kampf gegen autoritäre Herrschaftssysteme, die Bekämpfung von Korruption sowie die Förderung der Menschenrechte. Es ist klar erkennbar, welches Land die Führung in Washington mit einer solchen Agenda vor allem im Blick hat: China.
Dort ist man entsprechend aufgebracht (China.Table berichtete). 30 Jahre nach Ende des Kalten Krieges wolle Amerika wieder die Welt spalten in “wir” und “die”, klagt die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. “Washington behauptet, mit diesem Treffen wolle man gemeinsame Werte fördern. Wirklich? Jeder mit nüchternem Verstand durchschaut diese List sofort: Die Veranstaltung hat nichts mit der Fortentwicklung der Demokratie zu tun, sondern nur mit der Sicherung der amerikanischen Vormachtstellung in der Welt.”
Doch China belässt es nicht mehr nur bei solcher verbal vorgetragenen Kritik. Es geht in solchen Systemkonflikten zunehmend in die Offensive. Und so präsentierte der Staatsrat der Volksrepublik am vergangenen Samstag ein offizielles Weißbuch mit dem Titel “China: Demokratie, die funktioniert”. In dem Papier wird Chinas eigene Demokratie vorgestellt. Ihr Name: 全过程民主 (quánguòchéng mínzhu), was als “whole-process people’s democracy” übersetzt werden kann. Das ist ein Begriff, den Staatspräsident Xi Jinping erstmals 2019 in Shanghai benutzte. Eine offizielle deutsche Übersetzung ist noch nicht geprägt. Er lässt sich vorläufig vielleicht als “ganzheitlich-prozedurale Demokratie” übersetzen. Xi sagte damals:
“Wir folgen dem Pfad einer sozialistischen, politischen Entwicklung mit chinesischen Eigenschaften und die Volksdemokratie in China ist eine Quánguòchéng Mínzhu. Alle wichtigen legislativen Entscheidungen werden aufgrund von wissenschaftlichen und demokratischen Prozessen getroffen, die in Einklang stehen mit Verfahren und demokratischen Überlegungen.”
“我们走的是一条中国特色社会主义政治发展道路,人民民主是一种全过程的民主,所有的重大立法决策都是依照程序、经过民主酝酿,通过科学决策、民主决策产生的。希望你们再接再厉,为发展中国特色社会主义民主继续作贡献.”
Seither wird whole-process people’s democracy (全过程民主) verwendet für die Idee, dass Chinas Einparteiensystem im Grunde eine einzigartige Anwendung demokratischer Prinzipien sei. Es handelt sich um ein klassisches Beispiel für eine feststehende Phrase, die in der Welt der KP Chinas ihre eigene, festgelegte Bedeutung hat (China.Table berichtete).
Am Samstag bei der Vorstellung des Demokratie-Weißbuches erklärten mehrere Funktionäre der Kommunistischen Partei das Konzept der Quánguòchéng Mínzhu (全过程民主) einer breiten Öffentlichkeit. Es handele sich um ein “neues Modell von Demokratie, das China entwickelt hat”. Die Bewertung jener Demokratie lieferten die KP-Offiziellen gleich mit: Chinas Demokratie sei umfangreicher, authentischer und effektiver als die amerikanische Demokratie.
Tian Peiyan, Vize-Direktor des Policy Research Office des Zentralkomitees der KP China, führte am Samstag in Peking den Kontrast zur US-amerikanischen Demokratie weiter aus: US-Politiker würden willkürliche Versprechen abgeben, nur um gewählt zu werden. Vordergründig akzeptieren sie durch Wahlen eine Kontrolle durch die Bevölkerung, aber in Wirklichkeit hätten die Bürger nach einer Wahl keine Einflussmöglichkeit mehr – und müssten bis zur nächsten Wahl hilflos dem Handeln der Regierung zusehen.
In China ist das dem staatlichen Politologen Tian zufolge anders – und sogar viel besser: “Parteimitglieder und Führer aller Ebenen müssen eine umfassende Kontrolle durch die Partei und die Bevölkerung akzeptieren, um so zu garantieren, dass die Macht, die man von der Bevölkerung erhalten hat, auch zum Wohle des Volkes eingesetzt wird”, erklärte Tian.
Andere chinesische Experten bekräftigen die Vorstellung von der überlegenen chinesischen Demokratie. Zhu Zheng, Professor an der China Universität für Politik- und Rechtswissenschaften, ist überzeugt, das Konzept sei für westliche Beobachter sicherlich schwer zu verstehen, da der Begriff Demokratie im Westen längst nur noch klischee- und schablonenhaft benutzt werde. In einem Beitrag für den chinesischen Fernsehsender CGTN verdeutlicht er die beiden Schwerpunkte der chinesischen Quánguòchéng Mínzhu: Zum einen stünden die Menschen im Mittelpunkt – und das garantiere die Kommunistische Partei seit nunmehr 100 Jahren. Zum anderen liege dem chinesischen System ein kontinuierlicher Prozess zugrunde. Während im Westen die Bürger nur alle vier oder fünf Jahre kurz vor dem nächsten Wahlgang gehört würden, hätten die Menschen in China nicht nur das Recht zu wählen, sondern zudem das Recht, sich in den Entscheidungs- und Regierungsvorgang einzubringen.
Am Ende seines Beitrags offenbart Zhu allerdings noch einen weiteren wichtigen Aspekt hinter dem chinesischen “Demokratie-Modell”: China wolle sich damit vom Westen absetzen. Man strebe damit ein eigenes Narrativ an, um Reformen zu rechtfertigen und durchzusetzen.
Im Grunde besteht der Begriff aus zwei Teilen: Während “whole-process” relativ neu ist und die Beziehung zwischen Bevölkerung und Regierung in einem sozialistischen System mit chinesischen Eigenschaften definiert, wirkt “people’s democracy” wie eine Referenz auf die 人民民主专政 (rénmín mínzhu zhuānzhèng), die “demokratische Diktatur des Volkes” wie sie in der Präambel der Volksrepublik proklamiert wird. In diesem Sinne ist damit gemeint, dass die Kommunistische Partei Chinas den Staat repräsentiert und die Regierung im Namen der Bevölkerung bildet.
Einzug in die internationale Politik fand Quánguòchéng Mínzhu vor einigen Wochen, als Xi Jinping mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Joe Biden telefonierte (China.Table berichtete). Darin versuchte Biden die Auseinandersetzung zwischen China und den USA in einen größeren Zusammenhang zu setzen, in dem er auf den Kampf zwischen Autokratie und Demokratie verwies. Xi widersprach mit dem Hinweis, China sei eine “whole-process democracy”. Demokratie sei keine maßgeschneiderte Sonderanfertigung (定制的产品 dingzhide chanpin), die für alle Länder der Welt passe. Und weiter: Andere Formen von Demokratie auszuschließen, lediglich weil sie anders sind, ist selbst ein undemokratisches Verhalten, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua den chinesischen Präsidenten.
Um die Vorteile des chinesischen Systems zu belegen, verweist man in China auf die Erfolge der vergangenen Jahre:
Im Gegensatz dazu stehe die Bilanz der USA. Genannt sind Gewaltkriminalität, massive Drogenprobleme und die marode Infrastruktur des Landes. Auch der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar nach der von Donald Trump verlorenen Präsidentenwahl gilt hier als Anzeichen für die Schwäche des US-Systems.
Doch die innere Verfasstheit von den USA und China betreffe längst nicht nur die Bevölkerung im jeweiligen Land, sondern schlage sich auch in der Außenpolitik nieder. China sei derart stabil und gut regiert, dass es mit Programmen wie der “Belt-and-Road”-Initiative immer mehr Ländern der Welt helfen könne. Was sich die USA hingegen in den vergangenen Jahrzehnten außenpolitisch geleistet habe, verdeutlichte vergangene Woche der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Wang Wenbin in Peking. “Im Namen der Demokratieförderung verhängt Amerika einseitige Sanktionen, beginnt militärische Interventionen in anderen Ländern, tötet hunderttausende Zivilisten, verletzt und vertreibt Millionen Menschen.”
Die nationalistische Zeitung “Global Times” hat zu diesem Anlass eigens eine Serie über die “wahre Natur der amerikanischen Demokratie” gestartet, in der sie die hegemonialen Sünden der US-Demokratie entlarven will. Kurz zusammengefasst: Krieg, Blutvergießen und Chaos in der Welt.
Angesichts dessen ist für China der von den USA initiierte “Demokratie-Gipfel” nicht mehr als eine Farce. Vize-Außenminister Le Yucheng stellte in einer Rede auf dem kurzfristig organisierten “Dialog über Demokratie” klar, worum es Amerika in Wirklichkeit gehe: Manche Länder benutzen neuerdings Demokratie “als ein politisches Werkzeug für selbstsüchtige Gewinne, sie bilden Blöcke, um Teilung und Konfrontation in die Welt zu bringen”.
Außenamtssprecher Wang verwies in einer Pressekonferenz auf eine wachsende Zahl an Ländern, die die chinesische Sicht teilen würden. Medien in Ägypten, Saudi-Arabien und Israel bezeichneten den Demokratie-Gipfel als amerikanisches Hilfsmittel, um sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen und die eigene Hegemonie zu sichern. Besonders gerne führt Peking hierbei auch ein Mitglied der Europäischen Union als Kronzeugen an: Ungarn. “Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó hat klargemacht, dass dieser Gipfel die Charakterzüge amerikanischer Innenpolitik trage”, sagte Wang.
Chinas Kritik am “Demokratie-Gipfel” sorgte international für Schlagzeilen. Sie kommt laut und aggressiv daher, ist dabei jedoch vor allem eines: vorhersehbar. Weitaus wichtiger ist der Prozess, den Xi Jinping vor rund zwei Jahren in Gang gesetzt hat und der am Samstag mit der Vorlage eines Weißbuches zur “chinesischen Demokratie” einen vorläufigen Höhepunkt erreichte.
Neudeutsch würde man diesen Vorgang “Wording” oder “Framing” nennen; China geht darum, ein eigenes Narrativ zu schaffen. Das bedeutet: Mit seinem eigenen “Demokratie-Modell” macht sich Peking daran, die westliche Deutungshoheit über den Begriff Demokratie herauszufordern. Die Folgen könnten gravierend sein – und weit über den Gipfel in Washington hinausreichen.
Die chinesische Botschaft in Deutschland hat zurückhaltend auf ein erstes Interview der designierten Außenministerin Annalena Baerbock reagiert: “Manche Menschen” rückten “Unterschiede und Differenzen” in den Vordergrund, so die chinesischen Diplomaten. Sie hofften, dass die deutsche Politik “ihre Energie mehr darauf verwendet, die praktische Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten in verschiedenen Bereichen voranzubringen.”
Die chinesische Kritik an dem Interview wird mit dem Wunsch verbunden, ideologische Unterschiede zwischen den Ländern zu überwinden. “Was wir brauchen, sind Brückenbauer anstatt Mauerbauer”. Im Gegensatz dazu sei nun von Systemwettbewerb die Rede. Deutschland solle “Nullsummenspiele” vermeiden. Die Schnittmengen der Interessen seien groß und China wolle mit Deutschland zusammenarbeiten.
Baerbock hatte in einem Interview vor ihrem Amtsantritt einen neuen Ton in der deutschen China-Politik gesetzt: Sie zeigt darin Bereitschaft, Konflikte auch auszufechten, statt mit “beredtem Schweigen” über Differenzen hinwegzugehen. Sie erwähnte heikle Menschenrechtsfragen, darunter die Lage in der Region Xinjiang und den Fall der Tennisspielerin Peng Shuai. Kurz vor Amtsantritt zeigt sie damit, dass sie grüne Prioritäten wie die Einhaltung der Menschenrechte in das neue Amt einbringen will. Sie umreißt zugleich auch ein Konzept größerer europäischer und transatlantischer Kooperation. All das entspricht sehr genau den gemeinsamen Positionen, auf die sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt haben.
Der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ließ dagegen eine andere Haltung kommunizieren. Scholz habe Peking bereits im Oktober signalisiert, die Politik seiner Vorgängerin fortsetzen zu wollen, berichtete die Wirtschaftswoche. Er sicherte dem Bericht zufolge auch zu, das Investitionsabkommen CAI zu unterstützen. Dieses Abkommen hat jedoch bei den Koalitionspartnern nur wenige Freunde. Die Wirtschaftswoche machte beim China-Thema daher bereits die “erste Ampel-Störung” aus. Damit zeichnet sich schon vor Amtsübernahme des neuen Kabinetts ein Szenario ab, vor dem Experten unter anderem im China.Table bereits gewarnt haben: Eine Spaltung zwischen Außenministerium und Kanzleramt, die Deutschlands Durchsetzungsfähigkeit schwächen würde. fin
Trotz der Corona-Pandemie sind die Umsätze von weltweit führenden Rüstungsfirmen gestiegen. Die 100 größten Hersteller setzten insgesamt 531 Milliarden US-Dollar (470 Milliarden Euro) um – ein Plus von 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri heute bekannt gab. US-Unternehmen führten mit Abstand, dahinter folgen Rüstungsfirmen aus China.
Chinesische Firmen entwickelten sich zu einigen der “fortschrittlichsten Militärtechnologieproduzenten der Welt”, wie Nan Tian, leitender Wissenschaftler bei Sipri, sagte. So kommen die fünf chinesischen Rüstungsfirmen in der Rangliste auf 13 Prozent des Gesamt-Umsatzes. China liegt damit zwar weit hinter den USA (54 Prozent der gesamten Waffenverkäufe), aber noch vor Großbritannien.
Chinesische Firmen verkauften laut Sipri Rüstungsgüter im Wert von schätzungsweise 66,8 Milliarden Dollar – 1,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Die chinesischen Hersteller profitierten in den vergangenen Jahren von den militärischen Modernisierungsprogrammen des Landes sowie der Verschmelzung von militärischen und zivilen Projekten, sagte Nan Tian der Nachrichtenagentur AFP.
Insgesamt beliefen sich die Waffenverkäufe der Unternehmen in den Top 100 mit Sitz außerhalb der USA, Chinas, Russland und Europa auf 43,1 Milliarden Dollar – ein Anstieg von 3,4 Prozent im Vergleich zu 2019. Dies entsprach jedoch nur 8,1 Prozent des Gesamtumsatzes der 100 größten Hersteller. niw
Der chinesische Mitfahrdienst-Anbieter Didi Chuxing will sich nur fünf Monate nach seinem Börsengang in New York wieder von der Wall Street zurückziehen. Nach der Ankündigung fielen Didi-Titel am Freitag um mehr als 22 Prozent und kosteten mit rund sechs US-Dollar deutlich weniger als zum Börsendebüt Ende Juni. Der Ausgabepreis lag damals bei 14 US-Dollar. Das Unternehmen hatte seinerzeit rund 4,4 Milliarden US-Dollar erlöst. Das war der größte Börsengang eines chinesischen Konzerns in den USA seit dem IPO des E-Commerce-Giganten Alibaba.
Didi hatte im Sommer entgegen der Aufforderung der chinesischen Behörden, die IPO-Pläne zu verschieben, den Börsengang in den USA durchgezogen. Seither steht das Unternehmen im Visier der Aufsichtsbehörden in der Volksrepublik (China.Table berichtete). Die Cyberspace-Behörde CAC hat inzwischen 25 Didi-Apps verboten und dem Unternehmen die Registrierung neuer Nutzer mit Verweis auf Datenschutzbedenken untersagt. Gegen den Konzern wird weiterhin ermittelt.
Didi selbst begründete die Pläne für den Rückzug von der Wall Street nicht. Analysten sehen jedoch eine Reihe von Vorteilen für das Unternehmen. “Chinesische Hinterlegungsscheine (ADS) werden mit steigenden regulatorischen Herausforderungen von US-amerikanischen wie auch chinesischen Behörden konfrontiert”, sagte Fondsmanager Wang Qi von MegaTrust Investment. “Für die meisten Unternehmen ist es ein Tanz auf dem Vulkan, beide Seiten zufriedenzustellen. Ein Delisting macht alles einfacher.” Insidern zufolge will Didi das Delisting in New York bis spätestens Juni 2022 über die Bühne gebracht haben und schon innerhalb von drei Monaten an der Hongkonger Börse notiert sein. rtr
Die Aussichten auf einen zeitnahen Fortschritt der Abschließung des Investitionsabkommens CAI stehen einem ranghohen EU-Vertreter zufolge eher schlecht: Er könne zwar nicht sagen, ob das Abkommen tot sei, so der Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), Stefano Sannino. “Aber ich sehe in absehbarer Zeit keine wesentliche Entwicklung“, so Sannino bei einer Veranstaltung des US-Thinktanks Brookings.
Brüssel plant, am Montag oder Dienstag, die Sanktionen gegen China auf Grundlage von Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang neu aufzurollen. Die EU-Sanktionen und chinesische Gegen-Sanktionen sind der Hauptgrund für einen Stillstand, was CAI angeht. Das Europaparlament hatte angekündigt, nicht an dem Abkommen weiterzuarbeiten, bis die Sanktionen gegen EU-Abgeordnete aufgehoben sind. Peking wiederum sieht Brüssel als den Auslöser des Streits und fordert, dass zunächst die EU-Sanktionen zurückgenommen werden müssen.
Die EU dürfe sich nicht scheuen, auch auf Konfrontation zu gehen, wenn China “unsere Denk- und Arbeitsweise infrage stellt”, so Sannino. Ähnlich sehe es auch in den Wirtschaftsbeziehungen aus: “Wir lieben den Wettbewerb”, so der EEAS-Diplomat. “Wir möchten aber sicherstellen, dass der Wettbewerb nach denselben Regeln stattfindet.”
Sannino traf vergangene Woche mehrere US-Vertreter in Washington, darunter die Vize-Außenministerin Wendy R. Sherman. Sannino und Sherman stimmten sich am Freitag zu den Indo-Pazifik-Strategien Brüssels und Washingtons ab. Am Donnerstag hatten Sherman und Sannino im Rahmen des EU-US-Dialogs zu China bereits über eine Reihe an Themen gesprochen, darunter Taiwan, Xinjiang und die transatlantische Zusammenarbeit.
Zeitgleich gaben Washington und Brüssel den Start eines neues bilateralen Sicherheits- und Verteidigungsdialogs zu Beginn von 2022 bekannt. In einer gemeinsamen Erklärung würdigten US-Außenminister Antony Blinken und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell “die Bedeutung einer stärkeren und leistungsfähigeren europäischen Verteidigung, die zur globalen und transatlantischen Sicherheit beiträgt” und “die Bewältigung gemeinsamer Sicherheitsherausforderungen im Einklang mit der Tiefe unserer Bindung, gemeinsamen Werten und gemeinsamen Interessen”. ari
Volkswagenchef Herbert Diess hat die Erwartungen der Verkaufsziele für die ID-Elektromodelle in China gesenkt. Statt der angedachten 80.000 bis 100.000 der vollelektrischen Modelle, sind in diesem Jahr demnach nur 70.000 IDs verkauft worden. Dies solle er schon Ende November bei einer internen Mitarbeiterfragerunde eingeräumt haben, wie ein VW-Sprecher am Freitag bestätigte. Auch der Abgang von VWs China-Chef Stephan Wöllenstein wird mit den schleppenden Verkaufszahlen der ID-Modelle in Verbindung gebracht (China-Table berichtete).
Als Grund für die Verfehlung der Absatzziele in der Volksrepublik nannte der Sprecher den weltweiten Mangel an Halbleitern. Bisher hatte VW vor allem Modelle aus dem Premiumsegment von Porsche und Audi und eben die Elektromodelle bevorzugt mit Halbleitern ausgestattet.
China nimmt nicht nur aufgrund seiner Größe als Absatzmarkt für VW eine Schlüsselrolle ein. VW möchte dort auch in Sachen Elektromobilität den chinesischen Wettbewerbern die Stirn bieten und setzt daher besonders in der Volksrepublik auf New Energy Vehicles (NEV), zu denen auch die ID-Modelle gehören. Unter dem aktuellen Fünfjahresplan der KP laufen die Subventionen für NEVs 2025 aus (China.Table berichtete). Für das kommende Jahr will VW den Absatz der ID-Modelle in China auf 160.000 steigern. Insgesamt leiden die Autobauer auch in der Volksrepublik unter den Lieferengpässen bei Halbleitern. Laut den vorläufigen Zahlen der China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) für November sind die Verkäufe von Pkw und Nutzfahrzeugen um 10,8 Prozent auf 2,47 Millionen Fahrzeuge gefallen. niw
China und Afrika wollen ihre Beziehungen auf allen Ebenen ausbauen. Das ist das Ergebnis des achten “Forum on China-Africa Cooperation” (FOCAC), das vergangene Woche in Senegals Hauptstadt Dakar abgehalten wurde. Die Volksrepublik und fast alle Staaten Afrikas – bis auf Eswatini, das diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhält – nahmen teil. Die Zusagen für wirtschaftliche Unterstützung in Höhe von insgesamt 40 Milliarden US-Dollar lagen jedoch deutlich unter den 60 Milliarden US-Dollar, die auf dem letzten FOCAC im Jahr 2018 zugesagt wurden.
Zuletzt waren die chinesisch-afrikanischen Beziehungen negativ beeinträchtig worden: Neben hohen Schulden, die auf afrikanischer Seite durch gemeinsame Infrastrukturprojekte entstanden, verlangsamte auch die Coronapandemie die Zusammenarbeit (China.Table berichtete). Laut dem chinesischen Handelsminister Wang Wentao erholt sich die Kooperation jedoch. China habe in den ersten neun Monaten dieses Jahres 2,5 Milliarden US-Dollar in Afrika investiert, so Wang.
Chinas Präsident Xi Jinping hatte die Konferenz mit einer Videobotschaft eröffnet. Dabei kündigte Xi unter anderem an, Afrika im Kampf gegen Covid-19 mit einer Milliarde Impfdosen aus China unterstützen zu wollen. Von diesen sollen 600.000 kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollen Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen auf mehr als zehn Milliarden US-Dollar angehoben werden, um die Wirtschaft Afrikas nach der Pandemie bei der Industrialisierung zu unterstützen.
Chinas Direktinvestitionen in Afrika stiegen bis Ende des Jahres 2020 auf einen Wert von mehr als 56 Milliarden US-Dollar an, erklärte Wirtschaftswissenschaftler Robert Kappel anlässlich des FOCAC in China.Table. Das Forum wurde im Jahr 2000 gegründet und findet alle drei Jahre abwechselnd in China und auf dem afrikanischen Kontinent statt. Seit Beginn sind 53 afrikanische Staaten Teil des Kooperationsforums. niw
“China – Chance oder Gefahr?”, “Der gelbe Riese” oder “Der rote Drache” – bei solchen Schlagzeilen kann Alice Schmatzberger nur die Augen verdrehen. China sei mehr als Gut oder Böse. Das Zwischendrin und die Tiefe des Landes vermisse sie in der Auseinandersetzung oft. Aus diesem Grund hat die Österreicherin 2013 den ChinaCultureDesk mitgegründet – eine Plattform, die sich für die interkulturelle Kommunikation zwischen China und Österreich einsetzt. Gemeinsam mit ihren Kolleg:innen möchte Schmatzberger vielfältigere China-Bilder zeigen. Dafür halten sie Vorträge, moderieren Podiumsdiskussion, recherchieren zu neuen Entwicklungen im Land und schreiben Bücher. Gerade erst erschien Schmatzbergers Buch “Mehr als Mozart & Mao! Alltagsgeschichten aus Österreich und China”. Darin blickt sie mit ihren Gesprächspartner:innen auf 50 Jahre diplomatische Beziehung zwischen Österreich und der Volksrepublik zurück.
Zu ihrer China-Leidenschaft fand Schmatzberger über Umwege. “Mein erstes berufliches Leben war in den Naturwissenschaften”, sagt die 56-Jährige. Anfang der 1990er-Jahre beendete sie ihr erstes Studium in Biochemie an der Universität Wien und arbeitete danach viele Jahre als Expertin in der Politikberatung und Wissenschaftskommunikation. Im Jahr 2003 begann sie – inspiriert von der italienischen Renaissance – ein zweites Studium in Kunstgeschichte. “Durch ein Modul zu außereuropäischer Kunst bin ich dann über China gestolpert”, erzählt sie und so auch in ihr zweites berufliches Leben. Jetzt seien es noch drei Schwerpunkte, zu denen sie arbeite: Kunst, Essen und China. Wobei sie bei letzterem vor allem Umweltthemen, zeitgenössische Kunst und Wissenschaftsphilosophie interessieren.
Im Olympiajahr 2008 reiste sie das erste Mal in das Land – das sie zum Staunen brachte. “Man liest so viel über das alte China, dann landet man im modernen Shanghai.” Schon am zweiten Tag sei ihr klar gewesen, dass sie wiederkommen werde. Mittlerweile sammeln sich auf ihrem Computer zwölf Ordner mit mehr als 2.000 Fotos von sämtlichen Besuchen.
Fragt man Schmatzberger, wie sich China in den vergangenen Jahren verändert habe, kommt ihr sofort eine Beobachtung in den Sinn: Bei jedem Besuch habe sie massenweise Bücher über chinesische Kunst gekauft. Dann sei ihr aufgefallen, dass einige Buchhandlungen plötzlich nicht mehr da waren, oder dass das Angebot sich stark verändert hatte. Das erste Mal bewusst geworden sei ihr das vor etwa sechs Jahren. Ein Blick auf die Geschichte des Landes erkläre möglicherweise, warum: “Es gibt immer eine Wellenbewegung zwischen engen und freien Zeiten. Unter Xi Jinping ist alles definitiv enger.”
Dass China sich mehr auf sich fokussiere, wirke sich auch auf die Beziehungen zu Österreich aus. Diese seien komplizierter geworden. Auf beiden Seiten gebe es weniger Offenheit als vor 50 Jahren, als die diplomatischen Beziehungen aufgenommen wurden. Das zeige sich auch in ihrem neuen Buch. Mit Menschen beider Länder aus Kunst, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien sprach Schmatzberger über die Erfahrungen im jeweils anderen Land. Was sie dabei lernte? Die meisten Geschichten seien heute so nicht mehr möglich. Es habe sie berührt, mit welchem Mut die Menschen die jeweils andere Kultur erkundeten, so Schmatzberger. Reisende und Studierende, die nach ein paar Monaten Aufenthalt unverhofft hängen blieben, bei den heutigen Visabestimmungen sei das fast unvorstellbar – und zwar auf beiden Seiten. Lisa Winter
Zhang Tao ist neuer stellvertretender Chef des Komitees der Kommunistischen Partei beim Versicherer People’s Insurance Co. (Group) of China Ltd. (PICC). Der 58-Jährige hatte erst im August seine fünfjährige Amtszeit als stellvertretender Direktor des IWF beendet. Zuvor war er zwischen 2011 und 2015 als Exekutivdirektor des IWF für China tätig.
Bin Zhang ist zum Mitglied des Prüfungs-, Vergütungs- und Corporate Governance- bzw. Nominierungsausschusses des Finanzdienstleistungsunternehmens China Finance Online Co. Limited gewählt worden. Zhang ist CEO der Wumei Group, einem der größten Omni-Channel-Einzelhändler in China mit mehr als 2.000 stationären Geschäften.
Bröselnde Brücken und marode Mauern – das klingt nach Pfusch am Bau, oder nach einer Tofukrümel-Konstruktion (豆腐渣工程 dòufuzhā gōngchéng), wie der Chinese sagen würde. Angelehnt ist der bildhafte Begriff an ein Nebenprodukt der Tofu- und Sojamilchherstellung, nämlich 豆腐渣 dòufuzhā (wörtlich “Tofukrümel, Tofurückstand”). Die bröseligen Pressrückstände (in Japan auch Okara und in unseren Breiten bei der Wein- und Bierherstellung Trester genannt) werden in China gerne zu eigenen Gerichten weiterverarbeitet, es soll schließlich nichts verkommen. Unter Zugabe von Wasser, Würze und allerlei anderem entstehen so beispielsweise schmackhafte Brei- und Süßspeisen. Natürlich eignen sich die Tofukrümel ausdrücklich nicht zur Verwendung im Bauwesen (werden sie auch nicht). Aber wenn es bautechnisch mal irgendwo bröselt und wackelt oder offensichtlich schlampig gearbeitet wurde, unken die Chinesen gerne, dass hier wohl “dòufuzhā” als Baumasse diente.
Wer sich im Reich des Essens die Speisekarten rauf- und runteressen möchte, kommt an der Vokabel 豆腐 dòufu natürlich nicht vorbei. Tofu-Tolle können sich in China quasi von früh bis spät mit Tofugerichten verköstigen. Zum Beispiel mit einer Schüssel “Tofublumen” (豆腐花 dòufuhuā) zum Frühstück – ein weicher Tofupudding, den es in süßen und würzigen Varianten gibt. Mittags kommen Klassiker wie “Tofu nach Hausmacher Art” (家常豆腐 jiācháng dòufu) oder betäubend scharfer “Mapo-Tofu” (麻婆豆腐 mápó dòufu) auf den Tisch. Dazu vielleicht noch eine Tofusuppe (豆腐汤 dòufutāng).
Wer es gerne geschmacklich kräftiger und etwas ausgefallener mag, gönnt sich noch den berühmt-berüchtigten Hunaner “Stinketofu” (臭豆腐 chòudòufu). Besonders Hartgesottene können sich auch an kulinarische Experimente wie den Chongqinger “Bluttofu” (血豆腐 xiědòufu) wagen, in dem – wie bei unserer Blutwurst – tatsächlich Tierblut verarbeitet wird (z.B. Hühner-, Gänse- oder Schweineblut). Nachmittags statt Kaffee und Kuchen alternativ vielleicht mal ein Tässchen Tee und ein Schälchen duftenden Mandeltofu (杏仁豆腐 xìngrén dòufu)? Oder darf es eine besondere kulinarische Kreation wie Tofu-Mousse-Torte (豆腐慕斯蛋糕 dòufu mùsī dàngāo) sein? Auch im abendlichen Feuertopf brodelt natürlich jede Menge Tofu! Zum Beispiel “Fischtofu” (鱼豆腐 yúdòufu), “Gefriertofu” (冻豆腐 dòngdòufu), vorfrittierte “Tofubläschen” (豆腐泡 dòufupào) oder dünne “Tofuhaut” (豆腐皮 dòufupí). Und wer dann immer noch keinen Tofu-Abtörn hat, gönnt sich als abendlichen Serien-Snack am besten noch eine Packung “Trockentofu” (豆腐干 dòufugān).
Zu viele kulinarische Tofu-Tasks, die abgearbeitet werden wollen? Keine Eile! Einfach Stück für Stück probieren. In der Ruhe liegt bekanntlich die Kraft. Oder wie der Chinese sagen würde: 心急吃不了热豆腐 xīnjí chībuliǎo rè dòufu – mit hastigem Herzen lässt sich kein heißer Tofu essen!
Verena Menzel leitet in Peking die Sprachschule New Chinese. Sind Sie neugierig geworden auf weitere chinesische Gimmicks? 24 ausgefallene chinesische Dinge, die einen besonderen Blick auf China geben, hat New Chinese hinter den 24 Türchen des New Chinese Online-Adventskalenders versteckt und wünscht Ihnen damit eine schöne Vorweihnachtszeit!
zeichnet sich jetzt schon der erste Zoff zwischen Kanzleramt und Außenministerium um die China-Politik ab? Olaf Scholz scheint den kooperativen Kurs von Angela Merkel fortsetzen zu wollen. Annalena Baerbock will einen etwas konfrontativeren Ton setzen. Wenn die beiden höchsten Vertreter Deutschlands jedoch mit zwei verschiedenen Stimme sprechen, werden sie weniger ernst genommen.
Baerbock hat ihre außenpolitischen Ideen in einem viel beachteten Interview bereits offen dargelegt. Von Scholz ist das Bekenntnis zur Kontinuität gegenüber Xi Jinping nur durch eine Indiskretion überliefert. Es ist also noch zu früh, sich wirklich Sorgen zu machen. China hat bereits seinen ersten Spielzug gemacht. Die Botschaft in Berlin kritisiert Baerbock für ihre Äußerungen.
Was es bedeutet, keine gemeinsame Gesprächsgrundlage zu haben, zeigt Peking am Wochenende mit der Vorstellung seines eigenen “Weißbuchs zur Demokratie”. Das ist eine Reaktion auf die Einberufung eines “Demokratiegipfels”, der in dieser Woche in Washington stattfinden soll. Die Propagandisten der Volksrepublik wollen die Deutungshoheit über den Demokratie-Begriff übernehmen. Sie verweisen auf Chaos und Populismus in parlamentarischen Demokratien und loben die Vorzüge des chinesischen Stils der harmonischen Einbindung des Volkes in alle Prozesse. Die feinen Details der Argumentationen hat sich Michael Radunski angesehen.
Die Gründe, warum Deutschland für chinesische Unternehmen attraktiv ist und bleibt, kennt kaum jemand besser als Feng Xingliang. Er war lange Europachef des chinesischen Baumaschinenherstellers Sany in Deutschland, bevor er zum Leiter der Repräsentanzen von NRW.Global Business in Beijing und Guangzhou wurde und chinesische Investitionen für NRW anwirbt. Im CEO-Talk mit Frank Sieren erklärt er, welche Stärken den Standort Deutschland weiterhin ausmachen.
Einen guten Start in die Woche wünscht
Feng Xingliang ist Spezialist dafür, chinesische Investoren nach Deutschland zu holen: Er leitet die Repräsentanzen von NRW.Global Business in Beijing und Guangzhou – und Nordrhein-Westfalen zieht fast ein Drittel der Investitionen an, die von China nach Deutschland fließen. Ein Großteil davon hat der 57-Jährige selbst vermittelt. Erfahrungen sammelte Feng bei deutschen Hidden Champions und als Europa-Chef des größten chinesischen Baumaschinenherstellers Sany. Im Jahr 2009 warb ihn der damalige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers für den Standort NRW ab.
Mit China.Table spricht Feng über die Attraktivität des Standorts Deutschlands für chinesische Unternehmen und über die Fehler chinesischer Unternehmen in Deutschland. Er registriert in der deutschen Wirtschaft weiterhin eine große Offenheit dafür, sich in China zu engagieren. Das Gespräch führte Frank Sieren. Sie können das Interview in voller Länge als Video ansehen.
Herr Feng, interessieren sich chinesische Investoren unter diesen schwierigen politischen Umständen noch für Deutschland?
Wir haben immer noch sehr viele Investitionsanfragen von chinesischer Seite. Es gibt genug chinesische Investoren, die ins Ausland gehen wollen. Einerseits wollen und müssen sie ihre Geschäfte internationalisieren – auch wenn es schwieriger ist als früher, Geld im Ausland zu investieren, weil sich Peking die Art der Investitionen viel genauer anschaut als früher. Denn es gibt natürlich auch einige chinesische private Unternehmer, die ja gerne ihr Geld in Sicherheit bringen wollten, anstatt sich zu internationalisieren. Sie haben dann Fußballmannschaften, Hotelketten oder Weinberge gekauft. Aber anderseits ist auch der chinesischen Regierung klar, dass Chinas Unternehmen multinational werden müssen. Und zwischen den beiden Polen – Kapitalflucht und Global Player – muss sie nun abwägen.
Welche Erfahrungen machen die chinesischen Unternehmen in Deutschland?
Eine lange Lernkurve liegt hinter ihnen. Angefangen hat es in den 90er-Jahren, so ungefähr bei einem Entwicklungsstand von einem Bruttoinlandsprodukt von 5000 US-Dollar pro Kopf an der Kaufkraft gemessen. In dieser Zeit hat TCL den traditionellen Fernsehhersteller Schneider gekauft. Das war keine gelungene Transaktion, weil von Anfang an die Zieldefinition falsch war. TCL war auf das technische Knowhow und die Strategie, die europäische Antidumping-Politik zu umgehen, fokussiert, und weniger auf das richtige Management des übernommenen Unternehmens. Aber man hatte hier eben noch keinerlei Erfahrung. Doch dann hat man immer mehr gelernt und es gab einen stetigen Zuwachs. Zwei Höhepunkte: Der Baumaschinenkonzern Sany übernimmt 2012 den deutschen Betonpumpenhersteller Putzmeister, den Weltmarktführer, und der Haushaltsgerätekonzern Midea übernimmt 2016 den Augsburger Roboterhersteller Kuka.
Dann kam jedoch der Einbruch, die Ernüchterung.
Ja. Der Höhepunkt kam in NRW im Jahr 2016 mit 96 Ansiedlungen. Und der Rückgang des chinesischen Engagements im Ausland kam gleich von zwei Seiten. Peking schaut inzwischen genauer auf die Qualität und Nachhaltigkeit der Investitionen. Die Amerikaner unter Präsident Donald Trump begannen ihrerseits, die Unternehmen stärker zu screenen. Und in Europa, besonders in Deutschland, ist die Diskussion um den sogenannten Ausverkauf Deutschlands losgegangen, was dazu geführt hat, dass das deutsche Wirtschaftsministerium ein Prüfungssystem eingeführt hat, wenn man mehr als 25 Prozent der Anteile kauft. Ab 2019 wurde dann schon ab zehn Prozent geprüft und die Prüfungszeit wurde verlängert und beträgt nun vier Monate.
Chinesische Unternehmen sind weniger willkommen in Deutschland?
Nein, nicht unbedingt, aber der Honeymoon ist vorbei. Um den Roboterhersteller Kuka gab es bereits 2016 eine große Auseinandersetzung. Es gab keinen wirklich ernsthaften Interessenten aus dem Westen, die Chinesen haben mit Abstand das Meiste geboten und mit dem Zugang zum chinesischen Markt gelockt. Die Gegner des Verkaufs waren überzeugt, dass man eine solche Schlüsseltechnologie nicht an China verkaufen darf. Das hat die Welle an Investitionen kleiner werden lassen. Und was NRW betrifft, sind wir weiterhin auf dem Vormarsch, so haben wir bis 2021 bestandsmäßig circa ein Drittel aller chinesischen neuen Ansiedlungen in Deutschland. 2020 war unser Anteil mit 84 neuen Ansiedlungen sogar über 40 Prozent, das heißt, unser Anteil an den gesamten Ansiedlungen in Deutschland ist gestiegen.
Warum gelingt Ihnen das?
NRW ist das Powerhouse Deutschlands. Es schafft gut 20 Prozent von Deutschlands Wirtschaftskraft. Wäre es ein unabhängiges Land, würde es im Vergleich zu anderen Ländern weltweit auf Platz 19 stehen. Ich kann auf Anhieb mindestens zehn Gründe nennen, die für NRW als einen wichtigen Wirtschafts- und Investitionsstandort sprechen.
Aber die Landeshauptstadt Düsseldorf ist in China nicht so bekannt wie München, Hamburg oder Berlin.
Düsseldorf ist sehr beliebt bei Asiaten insgesamt. Die Japaner haben diesen Trend begründet. Früher hat man gesagt, Düsseldorf sei Japans größte Kolonie in Europa. Heute leben in Düsseldorf rund 5.000 Japaner, aber inzwischen sind es auch wohl so 4.000 Chinesen. Wir Chinesen werden bald die Japaner überholen. Allein Düsseldorf hat über 600 chinesische Unternehmen.
Welche Unternehmen sind das?
Zum Beispiel die Telekomausrüster Huawei und ZTE aus Shenzhen und Guangzhou. Oder die Smartphone-Anbieter Xiaomi, Oppo oder Vivo. Sie alle haben ihre Europazentralen in Düsseldorf.
Wie überzeugen Sie die chinesischen Unternehmen, nach NRW zu kommen?
Wir warten nicht, bis die Unternehmen zu uns kommen, sondern wir gehen zu ihnen, bevor sie überhaupt wissen, dass sie zu uns wollen. Wir haben fünf Büros in China: in Peking, Shanghai, Nanjing, Guangzhou und Chengdu. Dadurch sind wir mit Abstand die größte China-Auslands-Repräsentanz eines deutschen Bundeslandes und bieten unser Knowhow aktiv an. Zudem machen wir sehr viele Veranstaltungen zu Themen wie Elektromobilität, künstliche Intelligenz, Energiewende, Smart City oder auch Biotechnologie.
Wenn jetzt ein chinesischer Unternehmer oder ein Top-Manager zu Ihnen kommt, wie läuft das Gespräch ab?
Viele unserer Wettbewerber in Europa machen den Fehler, zu kleinteilig zu denken. Wir sagen, wir sitzen im Herzen Europas: Im Umkreis von 500 Kilometern leben 160 Millionen Menschen. Und wir sind Teil der führenden Wirtschaftsnation Europas, die allein 30 Prozent des produzierenden Gewerbes beherbergt. Als Logistikstandort wurde NRW von der Weltbank sogar auf Platz 1 gesetzt.
Aber die tollen deutschen Autos werden anderswo hergestellt.
Anderswo zusammengebaut. Ein Drittel derer Zulieferer sitzen in NRW. Ein Drittel eines Daimlers oder BMWs kommt von uns.
Ist es inzwischen nicht schwieriger für Deutschland zu werben angesichts der politischen Konfrontation zwischen Deutschland und China und den Sanktionen?
Ja. Die Wirtschaft wird zunehmend politisiert und ideologisiert. Das halte ich weder für gut und noch für nötig, aber es ist nicht überraschend. Denn die Stimmung wird schon länger immer angespannter. Ganz früher im 16. Jahrhundert war das Land ein Vorbild für Europa. Leibniz, Montesquieu und Voltaire waren begeistert von China. Leibniz hat sogar gefordert, Chinesen sollten helfen, Deutschland zu retten, indem China Missionare nach Deutschland schickte. Doch dann wurde China wirtschaftlich schwach, später kommunistisch/sozialistisch und das Image schlecht. Nun da China wieder stärker wird, könnte das Image wieder besser werden. Doch das Gegenteil passiert, weil China zunehmend als Wettbewerber oder potenzieller Gegner empfunden wird. Nicht etwa wie früher als Vorbild. Das ist bedauerlich.
Haben die chinesischen Investoren nicht auch selbst dazu beigetragen, indem sie die gekauften deutschen Unternehmen ausgehöhlt und deren Knowhow nach China transferiert haben?
Das gab es, ist aber mindestens 15 Jahre her. Die neureichen Chinesen, die nach Deutschland kamen, wussten nicht recht, wie sie sich verhalten sollten. Sie waren viel zu auftrumpfend, überheblich und siegesgewiss. Das hat sich inzwischen geändert. Die meisten Unternehmen verhalten sich lobenswert. Die skeptische Stimmung in der Politik und in Teilen der Bevölkerung ist geblieben. Denn die neuen Wettbewerber Chinas haben andere Vorstellungen und Werte. Das mulmige Gefühl, das dabei entsteht, spiegelt sich in den Medien wider.
Aber ist die Sorge nicht auch weiterhin berechtigt, dass, wenn ich als Arbeitnehmer von einem Chinesen übernommen werde, sehr schnell ein anderer Wind in der Firma weht.
Natürlich wollen die neuen chinesischen Eigentümer auch einiges anders machen. Aber die Frage ist, ob das wirklich mit dem Stichwort Manchester-Kapitalismus beschrieben werden kann oder doch nicht inzwischen durchaus sozialer ist. Die Chinesen sagen dazu “sozialistische Marktwirtschaft”, die Deutschen “soziale Marktwirtschaft”.
Und der Abfluss des Knowhows nach China und das Ausbluten der Unternehmen?
Also von einem solchen Fall habe ich in vergangenen 10 bis 15 Jahren nicht gehört. Die Unternehmen wollen ja im Gegenteil ihr Europa-Geschäft ausbauen, die Marketing- und Servicenetzwerke der Europäer übernehmen. Außerdem ist das Knowhow vielfach in den Köpfen der deutschen Mitarbeiter. Die aber kann man nicht mitnehmen.
Welche anderen Fehler machen chinesische Firmen in Deutschland?
In Deutschland sollten sich chinesische Investoren unbedingt an die Gesetze halten, in China spielen die persönlichen Beziehungen eine große Rolle. Ein anderer Unterschied ist die Gewerkschaften, die in den deutschen Unternehmen sehr viel zu sagen haben, auch wenn ihnen das Unternehmen nicht gehört. An ihnen kommt man schwer vorbei. Man ist als chinesischer Investor gut beraten, frühzeitig auf die Rechte der Mitarbeiter einzugehen, wenn man eine wichtige Entscheidung für das Unternehmen trifft. Und das dritte Thema sind die Steuern. Chinesische Investoren haben immer wieder putzige Ideen, wie man die vermeiden kann. Sie illegal zu vermeiden, sollte man tunlichst lassen. Egal, ob es große oder kleine Summen sind.
Sie vermitteln nun zwischen den Kulturen. Wie sind Sie nach Deutschland gekommen? Warum haben Sie angefangen, Germanistik zu studieren?
Das war ein Zufall, den ich nicht bereue. 1980 habe ich die Universitätsaufnahmeprüfung mit sehr guten Leistungen bestanden. Damals konnte man fünf Wunschuniversitäten aufschreiben. Ich habe die Beijing Foreign Studies University auf die erste Stelle gesetzt, dazu das Fach Englisch, mein Lehrer hat vorsichtshalber das Zusatzfach Deutsch hinzugefügt, das nur wenige Bewerber wählten. Also wurde ich für das Fach Deutsch genommen. Ich habe es nicht bereut und wurde schließlich Chinas erster Doktorand im Fach Germanistik.
Und dann sind sie 1989 mit einem Stipendium nach Deutschland gegangen.
In Deutschland ist mir klar geworden, dass mir die althochdeutschen und neuhochdeutschen Seminare doch zu unpraktisch und trocken sind. Ich wollte etwas Realitätsbezogenes lernen. Also habe ich in Heidelberg auf Volkswirtschaft umgesattelt. Danach wollte ich noch einmal promovieren, mit einem Stipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung. Aber inzwischen war ich verheiratet, wir hatten eine Tochter und ich habe dann entschieden, für eine deutsche Firma zu arbeiten, die jemanden für ihr Asiengeschäft suchte.
Und dann sind Sie 2003 nach ein paar Zwischenstationen bei Sany gelandet, dem größten Baumaschinenhersteller Chinas, der sich damals mit seinen Maschinen nach Europa gewagt hat. Das war eine große Herausforderung für Sie, oder?
Ja, eine sehr, sehr große Herausforderung. Ich habe diesen Job nicht gesucht. Der Sany-Chef ist zu mir gekommen und hat ihn mir angeboten. Ich habe erst kurz gezögert und dann ja gesagt. Auf der Messe Bauma 2004 in München, der größten Baumaschinen-Messe der Welt, hatte ich meinen ersten Auftritt. Mit damals 400.000 Besuchern eine gigantische Messe. Und ich dazwischen, durchaus nervös, mit einem 150 Quadratmeter kleinen Stand, um die ganzen Maschinen auszustellen. Und weil ich der einzige im Unternehmen war, der einen ausländischen Pass hatte, wurde ich bald in die ganze Welt geschickt. Nach Las Vegas, Paris und zu den verschiedenen europäischen Städten. Später dann versuchte Sany immer wieder, wenn möglich, den größten Stand auf jeder Messe zu haben.
War es schwierig als jemand, der lange in Deutschland gelebt hat, nun in einem chinesischen Unternehmen zu arbeiten?
Es hat Spaß gemacht, war aber nicht immer einfach. Zwischendurch wurde ich von einem Vorgesetzten, der nicht der hellste war und offensichtlich weniger verdient hat als ich, so schikaniert, dass ich dem Unternehmen den Rücken gekehrt habe. Nach einem halben Jahr haben sie mich zurückgeholt und mich zum Assistant President gemacht, damit mich niemand mehr ärgern konnte.
Und was hat Sie bewogen, dann zu der Investment-Organisation eines deutschen Bundeslandes zu wechseln?
Entscheidend waren der damalige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, den ich durch mein Investment-Projekt von Sany kennengelernt hatte und vor allem Petra Wassner, meine spätere Chefin. Sie hat mir ein gutes Angebot gemacht. Denn beide wussten, wie wichtig China für NRW sein könnte. Das war ziemlich fortschrittlich damals. Und so habe ich deren Repräsentanz in Beijing aufgebaut.
Und was hat Sie dort nach langer Zeit in Deutschland am meisten überrascht?
Mir fiel auf, wie schnell die Chinesen geworden waren. Eine Geschäftsreise wurde manchmal von einer Stunde auf die andere entschieden. Sie sind nun sehr ehrgeizig und legen Wert auf Bildung, Geld und Karriere. Und manche sind maßlos. Sie verzehnfachen die Verkaufszahlen für das kommende Jahr einfach, obwohl sie wussten, das sind unrealistische Ziele und schauen dann mal, wo man rauskommt. Die Menschen wechseln unglaublich schnell ihre Jobs. Und ihren Erfolg zeigen sie sofort durch Kleidung, Schmuck und Autos. Die Deutschen sind bescheidener und sparsamer.
Wie lange sind bei diesem Tempo chinesische Unternehmen überhaupt noch an deutschen Unternehmen interessiert?
Die Welt wird multipolar bleiben. Kein Land kann alles allein und ist überall spitze – auch China nicht. Im Maschinenbau und anderen Spitzentechnologien ist Deutschland immer noch führend. Auch wenn China weiter aufholt, gibt es für Deutschland immer noch große Spielräume. Und selbst dann wird es noch Spezialgebiete geben, wo die Deutschen besser sind. Deshalb finde ich es schade, dass aufgrund der politischen Konfrontationen durch Sanktionen, die Investitionsvereinbarung zwischen Deutschland und der EU nicht ratifiziert wird. Aber auch so werden wir nicht arbeitslos. Wir haben in den nächsten 20 Jahren noch genug zu tun. Chinesen wollen und müssen weiter stärker im Ausland investieren. Die Investitionen werden sich noch verstärken.
Wie erklären Sie einem chinesischen Investor die uneinigen, sich oft widersprechenden EU-Länder?
Im Allgemeinen wissen die Chinesen über Europa mehr als die Europäer über China. Insofern werden sie nicht von dem verwirrenden Alltag in Europa überrascht. Allerdings wundern sie sich doch darüber. Sie finden den Brexit bedauerlich und sind erstaunt, dass die EU das einfach so hinnimmt. Und sie fragen sich, warum es den Europäern so schwerfällt zu verstehen, dass sie nur gemeinsam stark genug sind.
Ist es nicht ein Vorteil für China, wenn die EU uneinig ist?
Die meisten chinesischen Investoren sehen das nicht so. Für sie ist ein homogener, verlässlicher EU-Markt wichtiger. Und Sie schätzen die EU-Staaten durchaus realistisch ein. Ein chinesischer Minister hat mir einmal gesagt, er unterscheide zwei Kategorien von europäischen Staaten: Die kleinen Staaten und die kleinen Staaten, die glauben, sie wären groß. Das ist zwar nicht die ganze Wahrheit, aber für mich wäre ein einheitliches Europa enorm wichtig!
Diese Woche werden sich mehr als 100 Länder virtuell zum sogenannten Demokratie-Gipfel treffen. Initiator sind die USA. Themen des virtuellen Treffens am 9. und 10. Dezember sind der Kampf gegen autoritäre Herrschaftssysteme, die Bekämpfung von Korruption sowie die Förderung der Menschenrechte. Es ist klar erkennbar, welches Land die Führung in Washington mit einer solchen Agenda vor allem im Blick hat: China.
Dort ist man entsprechend aufgebracht (China.Table berichtete). 30 Jahre nach Ende des Kalten Krieges wolle Amerika wieder die Welt spalten in “wir” und “die”, klagt die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. “Washington behauptet, mit diesem Treffen wolle man gemeinsame Werte fördern. Wirklich? Jeder mit nüchternem Verstand durchschaut diese List sofort: Die Veranstaltung hat nichts mit der Fortentwicklung der Demokratie zu tun, sondern nur mit der Sicherung der amerikanischen Vormachtstellung in der Welt.”
Doch China belässt es nicht mehr nur bei solcher verbal vorgetragenen Kritik. Es geht in solchen Systemkonflikten zunehmend in die Offensive. Und so präsentierte der Staatsrat der Volksrepublik am vergangenen Samstag ein offizielles Weißbuch mit dem Titel “China: Demokratie, die funktioniert”. In dem Papier wird Chinas eigene Demokratie vorgestellt. Ihr Name: 全过程民主 (quánguòchéng mínzhu), was als “whole-process people’s democracy” übersetzt werden kann. Das ist ein Begriff, den Staatspräsident Xi Jinping erstmals 2019 in Shanghai benutzte. Eine offizielle deutsche Übersetzung ist noch nicht geprägt. Er lässt sich vorläufig vielleicht als “ganzheitlich-prozedurale Demokratie” übersetzen. Xi sagte damals:
“Wir folgen dem Pfad einer sozialistischen, politischen Entwicklung mit chinesischen Eigenschaften und die Volksdemokratie in China ist eine Quánguòchéng Mínzhu. Alle wichtigen legislativen Entscheidungen werden aufgrund von wissenschaftlichen und demokratischen Prozessen getroffen, die in Einklang stehen mit Verfahren und demokratischen Überlegungen.”
“我们走的是一条中国特色社会主义政治发展道路,人民民主是一种全过程的民主,所有的重大立法决策都是依照程序、经过民主酝酿,通过科学决策、民主决策产生的。希望你们再接再厉,为发展中国特色社会主义民主继续作贡献.”
Seither wird whole-process people’s democracy (全过程民主) verwendet für die Idee, dass Chinas Einparteiensystem im Grunde eine einzigartige Anwendung demokratischer Prinzipien sei. Es handelt sich um ein klassisches Beispiel für eine feststehende Phrase, die in der Welt der KP Chinas ihre eigene, festgelegte Bedeutung hat (China.Table berichtete).
Am Samstag bei der Vorstellung des Demokratie-Weißbuches erklärten mehrere Funktionäre der Kommunistischen Partei das Konzept der Quánguòchéng Mínzhu (全过程民主) einer breiten Öffentlichkeit. Es handele sich um ein “neues Modell von Demokratie, das China entwickelt hat”. Die Bewertung jener Demokratie lieferten die KP-Offiziellen gleich mit: Chinas Demokratie sei umfangreicher, authentischer und effektiver als die amerikanische Demokratie.
Tian Peiyan, Vize-Direktor des Policy Research Office des Zentralkomitees der KP China, führte am Samstag in Peking den Kontrast zur US-amerikanischen Demokratie weiter aus: US-Politiker würden willkürliche Versprechen abgeben, nur um gewählt zu werden. Vordergründig akzeptieren sie durch Wahlen eine Kontrolle durch die Bevölkerung, aber in Wirklichkeit hätten die Bürger nach einer Wahl keine Einflussmöglichkeit mehr – und müssten bis zur nächsten Wahl hilflos dem Handeln der Regierung zusehen.
In China ist das dem staatlichen Politologen Tian zufolge anders – und sogar viel besser: “Parteimitglieder und Führer aller Ebenen müssen eine umfassende Kontrolle durch die Partei und die Bevölkerung akzeptieren, um so zu garantieren, dass die Macht, die man von der Bevölkerung erhalten hat, auch zum Wohle des Volkes eingesetzt wird”, erklärte Tian.
Andere chinesische Experten bekräftigen die Vorstellung von der überlegenen chinesischen Demokratie. Zhu Zheng, Professor an der China Universität für Politik- und Rechtswissenschaften, ist überzeugt, das Konzept sei für westliche Beobachter sicherlich schwer zu verstehen, da der Begriff Demokratie im Westen längst nur noch klischee- und schablonenhaft benutzt werde. In einem Beitrag für den chinesischen Fernsehsender CGTN verdeutlicht er die beiden Schwerpunkte der chinesischen Quánguòchéng Mínzhu: Zum einen stünden die Menschen im Mittelpunkt – und das garantiere die Kommunistische Partei seit nunmehr 100 Jahren. Zum anderen liege dem chinesischen System ein kontinuierlicher Prozess zugrunde. Während im Westen die Bürger nur alle vier oder fünf Jahre kurz vor dem nächsten Wahlgang gehört würden, hätten die Menschen in China nicht nur das Recht zu wählen, sondern zudem das Recht, sich in den Entscheidungs- und Regierungsvorgang einzubringen.
Am Ende seines Beitrags offenbart Zhu allerdings noch einen weiteren wichtigen Aspekt hinter dem chinesischen “Demokratie-Modell”: China wolle sich damit vom Westen absetzen. Man strebe damit ein eigenes Narrativ an, um Reformen zu rechtfertigen und durchzusetzen.
Im Grunde besteht der Begriff aus zwei Teilen: Während “whole-process” relativ neu ist und die Beziehung zwischen Bevölkerung und Regierung in einem sozialistischen System mit chinesischen Eigenschaften definiert, wirkt “people’s democracy” wie eine Referenz auf die 人民民主专政 (rénmín mínzhu zhuānzhèng), die “demokratische Diktatur des Volkes” wie sie in der Präambel der Volksrepublik proklamiert wird. In diesem Sinne ist damit gemeint, dass die Kommunistische Partei Chinas den Staat repräsentiert und die Regierung im Namen der Bevölkerung bildet.
Einzug in die internationale Politik fand Quánguòchéng Mínzhu vor einigen Wochen, als Xi Jinping mit seinem US-amerikanischen Amtskollegen Joe Biden telefonierte (China.Table berichtete). Darin versuchte Biden die Auseinandersetzung zwischen China und den USA in einen größeren Zusammenhang zu setzen, in dem er auf den Kampf zwischen Autokratie und Demokratie verwies. Xi widersprach mit dem Hinweis, China sei eine “whole-process democracy”. Demokratie sei keine maßgeschneiderte Sonderanfertigung (定制的产品 dingzhide chanpin), die für alle Länder der Welt passe. Und weiter: Andere Formen von Demokratie auszuschließen, lediglich weil sie anders sind, ist selbst ein undemokratisches Verhalten, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua den chinesischen Präsidenten.
Um die Vorteile des chinesischen Systems zu belegen, verweist man in China auf die Erfolge der vergangenen Jahre:
Im Gegensatz dazu stehe die Bilanz der USA. Genannt sind Gewaltkriminalität, massive Drogenprobleme und die marode Infrastruktur des Landes. Auch der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar nach der von Donald Trump verlorenen Präsidentenwahl gilt hier als Anzeichen für die Schwäche des US-Systems.
Doch die innere Verfasstheit von den USA und China betreffe längst nicht nur die Bevölkerung im jeweiligen Land, sondern schlage sich auch in der Außenpolitik nieder. China sei derart stabil und gut regiert, dass es mit Programmen wie der “Belt-and-Road”-Initiative immer mehr Ländern der Welt helfen könne. Was sich die USA hingegen in den vergangenen Jahrzehnten außenpolitisch geleistet habe, verdeutlichte vergangene Woche der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Wang Wenbin in Peking. “Im Namen der Demokratieförderung verhängt Amerika einseitige Sanktionen, beginnt militärische Interventionen in anderen Ländern, tötet hunderttausende Zivilisten, verletzt und vertreibt Millionen Menschen.”
Die nationalistische Zeitung “Global Times” hat zu diesem Anlass eigens eine Serie über die “wahre Natur der amerikanischen Demokratie” gestartet, in der sie die hegemonialen Sünden der US-Demokratie entlarven will. Kurz zusammengefasst: Krieg, Blutvergießen und Chaos in der Welt.
Angesichts dessen ist für China der von den USA initiierte “Demokratie-Gipfel” nicht mehr als eine Farce. Vize-Außenminister Le Yucheng stellte in einer Rede auf dem kurzfristig organisierten “Dialog über Demokratie” klar, worum es Amerika in Wirklichkeit gehe: Manche Länder benutzen neuerdings Demokratie “als ein politisches Werkzeug für selbstsüchtige Gewinne, sie bilden Blöcke, um Teilung und Konfrontation in die Welt zu bringen”.
Außenamtssprecher Wang verwies in einer Pressekonferenz auf eine wachsende Zahl an Ländern, die die chinesische Sicht teilen würden. Medien in Ägypten, Saudi-Arabien und Israel bezeichneten den Demokratie-Gipfel als amerikanisches Hilfsmittel, um sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen und die eigene Hegemonie zu sichern. Besonders gerne führt Peking hierbei auch ein Mitglied der Europäischen Union als Kronzeugen an: Ungarn. “Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó hat klargemacht, dass dieser Gipfel die Charakterzüge amerikanischer Innenpolitik trage”, sagte Wang.
Chinas Kritik am “Demokratie-Gipfel” sorgte international für Schlagzeilen. Sie kommt laut und aggressiv daher, ist dabei jedoch vor allem eines: vorhersehbar. Weitaus wichtiger ist der Prozess, den Xi Jinping vor rund zwei Jahren in Gang gesetzt hat und der am Samstag mit der Vorlage eines Weißbuches zur “chinesischen Demokratie” einen vorläufigen Höhepunkt erreichte.
Neudeutsch würde man diesen Vorgang “Wording” oder “Framing” nennen; China geht darum, ein eigenes Narrativ zu schaffen. Das bedeutet: Mit seinem eigenen “Demokratie-Modell” macht sich Peking daran, die westliche Deutungshoheit über den Begriff Demokratie herauszufordern. Die Folgen könnten gravierend sein – und weit über den Gipfel in Washington hinausreichen.
Die chinesische Botschaft in Deutschland hat zurückhaltend auf ein erstes Interview der designierten Außenministerin Annalena Baerbock reagiert: “Manche Menschen” rückten “Unterschiede und Differenzen” in den Vordergrund, so die chinesischen Diplomaten. Sie hofften, dass die deutsche Politik “ihre Energie mehr darauf verwendet, die praktische Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten in verschiedenen Bereichen voranzubringen.”
Die chinesische Kritik an dem Interview wird mit dem Wunsch verbunden, ideologische Unterschiede zwischen den Ländern zu überwinden. “Was wir brauchen, sind Brückenbauer anstatt Mauerbauer”. Im Gegensatz dazu sei nun von Systemwettbewerb die Rede. Deutschland solle “Nullsummenspiele” vermeiden. Die Schnittmengen der Interessen seien groß und China wolle mit Deutschland zusammenarbeiten.
Baerbock hatte in einem Interview vor ihrem Amtsantritt einen neuen Ton in der deutschen China-Politik gesetzt: Sie zeigt darin Bereitschaft, Konflikte auch auszufechten, statt mit “beredtem Schweigen” über Differenzen hinwegzugehen. Sie erwähnte heikle Menschenrechtsfragen, darunter die Lage in der Region Xinjiang und den Fall der Tennisspielerin Peng Shuai. Kurz vor Amtsantritt zeigt sie damit, dass sie grüne Prioritäten wie die Einhaltung der Menschenrechte in das neue Amt einbringen will. Sie umreißt zugleich auch ein Konzept größerer europäischer und transatlantischer Kooperation. All das entspricht sehr genau den gemeinsamen Positionen, auf die sich SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt haben.
Der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ließ dagegen eine andere Haltung kommunizieren. Scholz habe Peking bereits im Oktober signalisiert, die Politik seiner Vorgängerin fortsetzen zu wollen, berichtete die Wirtschaftswoche. Er sicherte dem Bericht zufolge auch zu, das Investitionsabkommen CAI zu unterstützen. Dieses Abkommen hat jedoch bei den Koalitionspartnern nur wenige Freunde. Die Wirtschaftswoche machte beim China-Thema daher bereits die “erste Ampel-Störung” aus. Damit zeichnet sich schon vor Amtsübernahme des neuen Kabinetts ein Szenario ab, vor dem Experten unter anderem im China.Table bereits gewarnt haben: Eine Spaltung zwischen Außenministerium und Kanzleramt, die Deutschlands Durchsetzungsfähigkeit schwächen würde. fin
Trotz der Corona-Pandemie sind die Umsätze von weltweit führenden Rüstungsfirmen gestiegen. Die 100 größten Hersteller setzten insgesamt 531 Milliarden US-Dollar (470 Milliarden Euro) um – ein Plus von 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri heute bekannt gab. US-Unternehmen führten mit Abstand, dahinter folgen Rüstungsfirmen aus China.
Chinesische Firmen entwickelten sich zu einigen der “fortschrittlichsten Militärtechnologieproduzenten der Welt”, wie Nan Tian, leitender Wissenschaftler bei Sipri, sagte. So kommen die fünf chinesischen Rüstungsfirmen in der Rangliste auf 13 Prozent des Gesamt-Umsatzes. China liegt damit zwar weit hinter den USA (54 Prozent der gesamten Waffenverkäufe), aber noch vor Großbritannien.
Chinesische Firmen verkauften laut Sipri Rüstungsgüter im Wert von schätzungsweise 66,8 Milliarden Dollar – 1,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Die chinesischen Hersteller profitierten in den vergangenen Jahren von den militärischen Modernisierungsprogrammen des Landes sowie der Verschmelzung von militärischen und zivilen Projekten, sagte Nan Tian der Nachrichtenagentur AFP.
Insgesamt beliefen sich die Waffenverkäufe der Unternehmen in den Top 100 mit Sitz außerhalb der USA, Chinas, Russland und Europa auf 43,1 Milliarden Dollar – ein Anstieg von 3,4 Prozent im Vergleich zu 2019. Dies entsprach jedoch nur 8,1 Prozent des Gesamtumsatzes der 100 größten Hersteller. niw
Der chinesische Mitfahrdienst-Anbieter Didi Chuxing will sich nur fünf Monate nach seinem Börsengang in New York wieder von der Wall Street zurückziehen. Nach der Ankündigung fielen Didi-Titel am Freitag um mehr als 22 Prozent und kosteten mit rund sechs US-Dollar deutlich weniger als zum Börsendebüt Ende Juni. Der Ausgabepreis lag damals bei 14 US-Dollar. Das Unternehmen hatte seinerzeit rund 4,4 Milliarden US-Dollar erlöst. Das war der größte Börsengang eines chinesischen Konzerns in den USA seit dem IPO des E-Commerce-Giganten Alibaba.
Didi hatte im Sommer entgegen der Aufforderung der chinesischen Behörden, die IPO-Pläne zu verschieben, den Börsengang in den USA durchgezogen. Seither steht das Unternehmen im Visier der Aufsichtsbehörden in der Volksrepublik (China.Table berichtete). Die Cyberspace-Behörde CAC hat inzwischen 25 Didi-Apps verboten und dem Unternehmen die Registrierung neuer Nutzer mit Verweis auf Datenschutzbedenken untersagt. Gegen den Konzern wird weiterhin ermittelt.
Didi selbst begründete die Pläne für den Rückzug von der Wall Street nicht. Analysten sehen jedoch eine Reihe von Vorteilen für das Unternehmen. “Chinesische Hinterlegungsscheine (ADS) werden mit steigenden regulatorischen Herausforderungen von US-amerikanischen wie auch chinesischen Behörden konfrontiert”, sagte Fondsmanager Wang Qi von MegaTrust Investment. “Für die meisten Unternehmen ist es ein Tanz auf dem Vulkan, beide Seiten zufriedenzustellen. Ein Delisting macht alles einfacher.” Insidern zufolge will Didi das Delisting in New York bis spätestens Juni 2022 über die Bühne gebracht haben und schon innerhalb von drei Monaten an der Hongkonger Börse notiert sein. rtr
Die Aussichten auf einen zeitnahen Fortschritt der Abschließung des Investitionsabkommens CAI stehen einem ranghohen EU-Vertreter zufolge eher schlecht: Er könne zwar nicht sagen, ob das Abkommen tot sei, so der Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), Stefano Sannino. “Aber ich sehe in absehbarer Zeit keine wesentliche Entwicklung“, so Sannino bei einer Veranstaltung des US-Thinktanks Brookings.
Brüssel plant, am Montag oder Dienstag, die Sanktionen gegen China auf Grundlage von Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang neu aufzurollen. Die EU-Sanktionen und chinesische Gegen-Sanktionen sind der Hauptgrund für einen Stillstand, was CAI angeht. Das Europaparlament hatte angekündigt, nicht an dem Abkommen weiterzuarbeiten, bis die Sanktionen gegen EU-Abgeordnete aufgehoben sind. Peking wiederum sieht Brüssel als den Auslöser des Streits und fordert, dass zunächst die EU-Sanktionen zurückgenommen werden müssen.
Die EU dürfe sich nicht scheuen, auch auf Konfrontation zu gehen, wenn China “unsere Denk- und Arbeitsweise infrage stellt”, so Sannino. Ähnlich sehe es auch in den Wirtschaftsbeziehungen aus: “Wir lieben den Wettbewerb”, so der EEAS-Diplomat. “Wir möchten aber sicherstellen, dass der Wettbewerb nach denselben Regeln stattfindet.”
Sannino traf vergangene Woche mehrere US-Vertreter in Washington, darunter die Vize-Außenministerin Wendy R. Sherman. Sannino und Sherman stimmten sich am Freitag zu den Indo-Pazifik-Strategien Brüssels und Washingtons ab. Am Donnerstag hatten Sherman und Sannino im Rahmen des EU-US-Dialogs zu China bereits über eine Reihe an Themen gesprochen, darunter Taiwan, Xinjiang und die transatlantische Zusammenarbeit.
Zeitgleich gaben Washington und Brüssel den Start eines neues bilateralen Sicherheits- und Verteidigungsdialogs zu Beginn von 2022 bekannt. In einer gemeinsamen Erklärung würdigten US-Außenminister Antony Blinken und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell “die Bedeutung einer stärkeren und leistungsfähigeren europäischen Verteidigung, die zur globalen und transatlantischen Sicherheit beiträgt” und “die Bewältigung gemeinsamer Sicherheitsherausforderungen im Einklang mit der Tiefe unserer Bindung, gemeinsamen Werten und gemeinsamen Interessen”. ari
Volkswagenchef Herbert Diess hat die Erwartungen der Verkaufsziele für die ID-Elektromodelle in China gesenkt. Statt der angedachten 80.000 bis 100.000 der vollelektrischen Modelle, sind in diesem Jahr demnach nur 70.000 IDs verkauft worden. Dies solle er schon Ende November bei einer internen Mitarbeiterfragerunde eingeräumt haben, wie ein VW-Sprecher am Freitag bestätigte. Auch der Abgang von VWs China-Chef Stephan Wöllenstein wird mit den schleppenden Verkaufszahlen der ID-Modelle in Verbindung gebracht (China-Table berichtete).
Als Grund für die Verfehlung der Absatzziele in der Volksrepublik nannte der Sprecher den weltweiten Mangel an Halbleitern. Bisher hatte VW vor allem Modelle aus dem Premiumsegment von Porsche und Audi und eben die Elektromodelle bevorzugt mit Halbleitern ausgestattet.
China nimmt nicht nur aufgrund seiner Größe als Absatzmarkt für VW eine Schlüsselrolle ein. VW möchte dort auch in Sachen Elektromobilität den chinesischen Wettbewerbern die Stirn bieten und setzt daher besonders in der Volksrepublik auf New Energy Vehicles (NEV), zu denen auch die ID-Modelle gehören. Unter dem aktuellen Fünfjahresplan der KP laufen die Subventionen für NEVs 2025 aus (China.Table berichtete). Für das kommende Jahr will VW den Absatz der ID-Modelle in China auf 160.000 steigern. Insgesamt leiden die Autobauer auch in der Volksrepublik unter den Lieferengpässen bei Halbleitern. Laut den vorläufigen Zahlen der China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) für November sind die Verkäufe von Pkw und Nutzfahrzeugen um 10,8 Prozent auf 2,47 Millionen Fahrzeuge gefallen. niw
China und Afrika wollen ihre Beziehungen auf allen Ebenen ausbauen. Das ist das Ergebnis des achten “Forum on China-Africa Cooperation” (FOCAC), das vergangene Woche in Senegals Hauptstadt Dakar abgehalten wurde. Die Volksrepublik und fast alle Staaten Afrikas – bis auf Eswatini, das diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhält – nahmen teil. Die Zusagen für wirtschaftliche Unterstützung in Höhe von insgesamt 40 Milliarden US-Dollar lagen jedoch deutlich unter den 60 Milliarden US-Dollar, die auf dem letzten FOCAC im Jahr 2018 zugesagt wurden.
Zuletzt waren die chinesisch-afrikanischen Beziehungen negativ beeinträchtig worden: Neben hohen Schulden, die auf afrikanischer Seite durch gemeinsame Infrastrukturprojekte entstanden, verlangsamte auch die Coronapandemie die Zusammenarbeit (China.Table berichtete). Laut dem chinesischen Handelsminister Wang Wentao erholt sich die Kooperation jedoch. China habe in den ersten neun Monaten dieses Jahres 2,5 Milliarden US-Dollar in Afrika investiert, so Wang.
Chinas Präsident Xi Jinping hatte die Konferenz mit einer Videobotschaft eröffnet. Dabei kündigte Xi unter anderem an, Afrika im Kampf gegen Covid-19 mit einer Milliarde Impfdosen aus China unterstützen zu wollen. Von diesen sollen 600.000 kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus sollen Direktinvestitionen chinesischer Unternehmen auf mehr als zehn Milliarden US-Dollar angehoben werden, um die Wirtschaft Afrikas nach der Pandemie bei der Industrialisierung zu unterstützen.
Chinas Direktinvestitionen in Afrika stiegen bis Ende des Jahres 2020 auf einen Wert von mehr als 56 Milliarden US-Dollar an, erklärte Wirtschaftswissenschaftler Robert Kappel anlässlich des FOCAC in China.Table. Das Forum wurde im Jahr 2000 gegründet und findet alle drei Jahre abwechselnd in China und auf dem afrikanischen Kontinent statt. Seit Beginn sind 53 afrikanische Staaten Teil des Kooperationsforums. niw
“China – Chance oder Gefahr?”, “Der gelbe Riese” oder “Der rote Drache” – bei solchen Schlagzeilen kann Alice Schmatzberger nur die Augen verdrehen. China sei mehr als Gut oder Böse. Das Zwischendrin und die Tiefe des Landes vermisse sie in der Auseinandersetzung oft. Aus diesem Grund hat die Österreicherin 2013 den ChinaCultureDesk mitgegründet – eine Plattform, die sich für die interkulturelle Kommunikation zwischen China und Österreich einsetzt. Gemeinsam mit ihren Kolleg:innen möchte Schmatzberger vielfältigere China-Bilder zeigen. Dafür halten sie Vorträge, moderieren Podiumsdiskussion, recherchieren zu neuen Entwicklungen im Land und schreiben Bücher. Gerade erst erschien Schmatzbergers Buch “Mehr als Mozart & Mao! Alltagsgeschichten aus Österreich und China”. Darin blickt sie mit ihren Gesprächspartner:innen auf 50 Jahre diplomatische Beziehung zwischen Österreich und der Volksrepublik zurück.
Zu ihrer China-Leidenschaft fand Schmatzberger über Umwege. “Mein erstes berufliches Leben war in den Naturwissenschaften”, sagt die 56-Jährige. Anfang der 1990er-Jahre beendete sie ihr erstes Studium in Biochemie an der Universität Wien und arbeitete danach viele Jahre als Expertin in der Politikberatung und Wissenschaftskommunikation. Im Jahr 2003 begann sie – inspiriert von der italienischen Renaissance – ein zweites Studium in Kunstgeschichte. “Durch ein Modul zu außereuropäischer Kunst bin ich dann über China gestolpert”, erzählt sie und so auch in ihr zweites berufliches Leben. Jetzt seien es noch drei Schwerpunkte, zu denen sie arbeite: Kunst, Essen und China. Wobei sie bei letzterem vor allem Umweltthemen, zeitgenössische Kunst und Wissenschaftsphilosophie interessieren.
Im Olympiajahr 2008 reiste sie das erste Mal in das Land – das sie zum Staunen brachte. “Man liest so viel über das alte China, dann landet man im modernen Shanghai.” Schon am zweiten Tag sei ihr klar gewesen, dass sie wiederkommen werde. Mittlerweile sammeln sich auf ihrem Computer zwölf Ordner mit mehr als 2.000 Fotos von sämtlichen Besuchen.
Fragt man Schmatzberger, wie sich China in den vergangenen Jahren verändert habe, kommt ihr sofort eine Beobachtung in den Sinn: Bei jedem Besuch habe sie massenweise Bücher über chinesische Kunst gekauft. Dann sei ihr aufgefallen, dass einige Buchhandlungen plötzlich nicht mehr da waren, oder dass das Angebot sich stark verändert hatte. Das erste Mal bewusst geworden sei ihr das vor etwa sechs Jahren. Ein Blick auf die Geschichte des Landes erkläre möglicherweise, warum: “Es gibt immer eine Wellenbewegung zwischen engen und freien Zeiten. Unter Xi Jinping ist alles definitiv enger.”
Dass China sich mehr auf sich fokussiere, wirke sich auch auf die Beziehungen zu Österreich aus. Diese seien komplizierter geworden. Auf beiden Seiten gebe es weniger Offenheit als vor 50 Jahren, als die diplomatischen Beziehungen aufgenommen wurden. Das zeige sich auch in ihrem neuen Buch. Mit Menschen beider Länder aus Kunst, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien sprach Schmatzberger über die Erfahrungen im jeweils anderen Land. Was sie dabei lernte? Die meisten Geschichten seien heute so nicht mehr möglich. Es habe sie berührt, mit welchem Mut die Menschen die jeweils andere Kultur erkundeten, so Schmatzberger. Reisende und Studierende, die nach ein paar Monaten Aufenthalt unverhofft hängen blieben, bei den heutigen Visabestimmungen sei das fast unvorstellbar – und zwar auf beiden Seiten. Lisa Winter
Zhang Tao ist neuer stellvertretender Chef des Komitees der Kommunistischen Partei beim Versicherer People’s Insurance Co. (Group) of China Ltd. (PICC). Der 58-Jährige hatte erst im August seine fünfjährige Amtszeit als stellvertretender Direktor des IWF beendet. Zuvor war er zwischen 2011 und 2015 als Exekutivdirektor des IWF für China tätig.
Bin Zhang ist zum Mitglied des Prüfungs-, Vergütungs- und Corporate Governance- bzw. Nominierungsausschusses des Finanzdienstleistungsunternehmens China Finance Online Co. Limited gewählt worden. Zhang ist CEO der Wumei Group, einem der größten Omni-Channel-Einzelhändler in China mit mehr als 2.000 stationären Geschäften.
Bröselnde Brücken und marode Mauern – das klingt nach Pfusch am Bau, oder nach einer Tofukrümel-Konstruktion (豆腐渣工程 dòufuzhā gōngchéng), wie der Chinese sagen würde. Angelehnt ist der bildhafte Begriff an ein Nebenprodukt der Tofu- und Sojamilchherstellung, nämlich 豆腐渣 dòufuzhā (wörtlich “Tofukrümel, Tofurückstand”). Die bröseligen Pressrückstände (in Japan auch Okara und in unseren Breiten bei der Wein- und Bierherstellung Trester genannt) werden in China gerne zu eigenen Gerichten weiterverarbeitet, es soll schließlich nichts verkommen. Unter Zugabe von Wasser, Würze und allerlei anderem entstehen so beispielsweise schmackhafte Brei- und Süßspeisen. Natürlich eignen sich die Tofukrümel ausdrücklich nicht zur Verwendung im Bauwesen (werden sie auch nicht). Aber wenn es bautechnisch mal irgendwo bröselt und wackelt oder offensichtlich schlampig gearbeitet wurde, unken die Chinesen gerne, dass hier wohl “dòufuzhā” als Baumasse diente.
Wer sich im Reich des Essens die Speisekarten rauf- und runteressen möchte, kommt an der Vokabel 豆腐 dòufu natürlich nicht vorbei. Tofu-Tolle können sich in China quasi von früh bis spät mit Tofugerichten verköstigen. Zum Beispiel mit einer Schüssel “Tofublumen” (豆腐花 dòufuhuā) zum Frühstück – ein weicher Tofupudding, den es in süßen und würzigen Varianten gibt. Mittags kommen Klassiker wie “Tofu nach Hausmacher Art” (家常豆腐 jiācháng dòufu) oder betäubend scharfer “Mapo-Tofu” (麻婆豆腐 mápó dòufu) auf den Tisch. Dazu vielleicht noch eine Tofusuppe (豆腐汤 dòufutāng).
Wer es gerne geschmacklich kräftiger und etwas ausgefallener mag, gönnt sich noch den berühmt-berüchtigten Hunaner “Stinketofu” (臭豆腐 chòudòufu). Besonders Hartgesottene können sich auch an kulinarische Experimente wie den Chongqinger “Bluttofu” (血豆腐 xiědòufu) wagen, in dem – wie bei unserer Blutwurst – tatsächlich Tierblut verarbeitet wird (z.B. Hühner-, Gänse- oder Schweineblut). Nachmittags statt Kaffee und Kuchen alternativ vielleicht mal ein Tässchen Tee und ein Schälchen duftenden Mandeltofu (杏仁豆腐 xìngrén dòufu)? Oder darf es eine besondere kulinarische Kreation wie Tofu-Mousse-Torte (豆腐慕斯蛋糕 dòufu mùsī dàngāo) sein? Auch im abendlichen Feuertopf brodelt natürlich jede Menge Tofu! Zum Beispiel “Fischtofu” (鱼豆腐 yúdòufu), “Gefriertofu” (冻豆腐 dòngdòufu), vorfrittierte “Tofubläschen” (豆腐泡 dòufupào) oder dünne “Tofuhaut” (豆腐皮 dòufupí). Und wer dann immer noch keinen Tofu-Abtörn hat, gönnt sich als abendlichen Serien-Snack am besten noch eine Packung “Trockentofu” (豆腐干 dòufugān).
Zu viele kulinarische Tofu-Tasks, die abgearbeitet werden wollen? Keine Eile! Einfach Stück für Stück probieren. In der Ruhe liegt bekanntlich die Kraft. Oder wie der Chinese sagen würde: 心急吃不了热豆腐 xīnjí chībuliǎo rè dòufu – mit hastigem Herzen lässt sich kein heißer Tofu essen!
Verena Menzel leitet in Peking die Sprachschule New Chinese. Sind Sie neugierig geworden auf weitere chinesische Gimmicks? 24 ausgefallene chinesische Dinge, die einen besonderen Blick auf China geben, hat New Chinese hinter den 24 Türchen des New Chinese Online-Adventskalenders versteckt und wünscht Ihnen damit eine schöne Vorweihnachtszeit!