wer hätte das gedacht? Vor kurzem mussten Schulminister noch per Telefon nachhaken, wie die Datenlage an ihren Schulen ist – etwa beim Abitur. Jetzt beginnt die Kultusminister-Konferenz in drei Ländern mit Tests von Künstlicher Intelligenz an Schulen. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sind an dem Projekt mit einem dänischen Lernmanagementsystem beteiligt. Interessant ist, welche Anbieter den Zuschlag nicht bekommen haben.
Die Freien Demokraten sind inzwischen die deutschen Meister im Verfassen Kleiner Anfragen. Regelmäßig verweisen die Ministerialen in ihren Antworten auf FDP-Anfragen auf ältere Antworten – auf ältere FDP-Anfragen. Was die liberale Bundestagsfraktion diesmal beim Bundesbildungsministerium herausbekommen hat, ist allerdings in der Tat hoch spannend. Es fehlt an der grundlegenden Infrastruktur für eine gelingende digitale Bildung: das schnelle Internet ist das Problem.
Die Szene der Bildungsdigitalisten verliert ihren wichtigsten Mann. Jörg Dräger, hierzulande lange der Vorreiter und Antreiber für Bildung in einer digitalen Welt, verlässt überraschend Bertelsmann. Wo er hingeht, hat er nicht verraten, aber meine Kollegin Christine Keilholz hat sich angeschaut, wo Jörg Dräger herkam und was er alles getan und unterlassen hat.
Eine Begebenheit aus dem Jahr 2017 verrät viel über Jörg Dräger, seinen Pioniergeist und seine Ungeduld. In Berlin hat sich das “Forum Bildung Digitalisierung” zu einer seiner ersten Werkstätten getroffen. 38 Schulen aus ganz Deutschland sind gekommen, alle Vorreiter der digitalen Bildung. Ein Schulleiter sagt, jede Schule müsse am Ende ihren eigenen Weg gehen.
Damit kommt Jörg Dräger nicht zurecht. “Wir brauchen auch ein Stück Standardisierung”, sagt er in seiner Keynote. “Wenn hinterher rauskommt, dass 38 Schulen so einzigartig sind, dass das, was für die einzelne Schule gilt, nicht übertragbar ist”, dann sei das zu wenig. “Es ist schön, 38 Schulen auf den Weg zu bringen, aber unser Ziel sind die 38.000 Schulen in Deutschland“. Hier ist einer, der in großen Dimensionen denkt – und dem das Individuelle im Zweifel im Weg steht.
Nun gibt Dräger, der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, überraschend seine Berufung als Klassenbester der digitalen Bildung in Deutschland auf. Mehr als ein Jahrzehnt hat der Doktor der Physik mit Bertelsmann und seinen Filialen Digitalisierung skaliert. Er hat Bücher geschrieben, Studien veranlasst, die Öffentlichkeit beeinflusst – und die Politik natürlich.
Wie geht es jetzt weiter, da die größte vordergründig gemeinnützige Lobby-Organisation ihren Pionier ziehen lässt? Geradezu irritierend ist der Zeitpunkt dieses Bruchs. Denn die Digitalisierung der Schulen, die der Bildungsmanager mit herbeiredete und -schrieb, ist jetzt in vollem Gange. Es wäre Erntezeit – und der größte Bauer räumt das Feld, um sich “neuen internationalen Herausforderungen” zu stellen, wie es heißt.
Mit Bertelsmann ist Dräger zum wichtigsten digitalen Bildungsvordenker Deutschlands geworden. Sein Ansatz, von Gütersloh aus den Segen des Digitalen mit der Sperrigkeit der deutschen Schulen zu versöhnen, stammt aus den USA, wo er in den 90er-Jahren in Physik promovierte. Digitale Medien waren dort bereits gängige pädagogische Hilfsmittel, als sich Deutschland noch vom Pisaschock berappeln musste. Die Tools schienen grenzenlos einsetzbar, um Schüler und Studenten zu beglücken. Drägers Funktion an der Spitze der prägenden deutschen Bildungsstiftung war optimal, um flächendeckend für das Digitale zu werben. Warum gibt nun einer wie er diese Funktion mit 53 Jahren ausgerechnet dann auf, wenn sein jahrelanges Werben endlich Früchte trägt?
Dräger ist ein Innovator und, bei aller hanseatischen Eleganz, ein Antreiber. Mit seinen Vorschlägen hat er stets verlässlich Welle gemacht. Das war schon so, als er noch Senator für Wissenschaft in Hamburg war und mit dem Plan voranging, Studiengebühren einzuführen. Das verschaffte dem aus der Unternehmensberatung kommenden Dräger das Image eines marktliberalen Revolutionärs. Als Parteiloser in der Regierung des Christdemokraten Ole von Beust war Dräger ganz Politunternehmer – und stets in eigener Sache unterwegs.
Nach all den quälenden Konflikten über mehr Wettbewerb der Hochschulen und über kaputtgesparte Geisteswissenschaften blieb der Eindruck eines oberflächlichen Überfliegers, der schnell zur nächsten Karrierestation weiterzieht. Das geschah 2008, als Jörg Dräger den Dienst in der Freien und Hansestadt quittierte und in Gütersloh als Vorstand für Bildung und Integration anheuerte.
Drägers Vision von Bildung ist eine durch und durch amerikanische. Sein 2015 erschienenes Buch “Die digitale Bildungsrevolution” führt eine beeindruckende Leistungsschau digitaler Projekte an Schulen auf – doch es sind fast nur US-amerikanische Beispiele. Obwohl viele deutsche Schulen erfolgreich digital unterwegs waren, war dem Stiftungsvorsteher keines würdig, in seinem Opus aufzutauchen.
Seine Welt ist die der privaten Bildungswirtschaft und ihrer Stiftungen. Seine Chefsessel standen beim bertelsmannschen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), beim Kuratorium des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration oder beim Board of Governors der Jacobs University Bremen. An der Hertie School of Governance lehrt er Public Management. Die privaten Bildungstempel sind ihm Heimat geworden in einem Land, das die Herties und Jacobs als durchmonetarisierte Parallelwelt verdächtigt. Alles Private ist den Otto Normalbürgern verhasst.
Auch, dass Dräger mit dem Northern Institute of Technology (NIT) eine deutsche Variante des MIT implementieren wollte, war amerikanisch. Aber der Plan, im Süden Hamburgs eine Hochschule zu errichten, für die Massachusetts 150 Jahre brauchte, war selbst für Dräger zu groß. Das NIT hat heute 30 Professoren und lehrt still vor sich hin. Von MIT ist dort keine Rede mehr.
Keine Zukunftsfrage der Bildung, in die sich Dräger nicht mit Schwung geworfen hätte. Irgendwann gehörten dazu auch solche, die weniger elitär und glanzvoll sind. Zu Beginn der 2010er Jahre drängte er überraschend darauf, das Schulsystem gerecht zu machen. Er kaufte der GEW de facto ihren wichtigsten Bildungsökonomen ab, Klaus Klemm, der für eine Zeitlang mit Studien über Migrantenkinder, Schulabbrecher und Sitzenbleiber die Bertelsmann Stiftung auf den Frontseiten platzierte. Dräger, der Digitalisierer und Marktradikale, setzte sich plötzlich die Tarnkappe des Gerechtigkeitsfans auf. Er plädierte für Ganztagsschulen und gab 2020 eine Studie zur Kinderarmut heraus. Gleichwohl kommt ihm das Wort Chancengleichheit nicht über die Lippen.
Die digitale Bildung hat nach Jörg Dräger das Zeug, das Lernen zu demokratisieren und Schülern den Weg von der Kompetenz zum Traumjob zu ebnen. Die Digitalisierung der Schulen bedeutet für ihn, möglichst viele Schulen zu beglücken. Das Forum Bildung Digitalisierung, das Dräger zusammen mit anderen Groß-Stiftungen gründete, untermauert diesen Anspruch. Es geht auch um neue Geschäftsfelder, wenn Dräger betont, dass er statt 38 Schulen lieber gleich 38.000 auf den Weg bringen will. Bei Schulen ist das noch nicht der Fall, aber bei den Hochschulen ist der Bertelsmann-Konzern mit seinen Beteiligungen längst so aufgestellt, dass er aus der Digitalisierung ein Geschäft machen könnte. Die Bertelsmann Stiftung, die ohnehin keine Stiftung im philanthropischen Sinne ist, wurde unter Dräger eine Art Markterkundungs-Agentur des Konzerns. Wer die Reden des Stiftungsvorstands Jörg Dräger und des Bertelsmann-CEO Thomas Rabe der letzten Jahre anhört, wird kaum noch Unterschiede feststellen können. Umgekehrt, so erzählt man sich in der Stiftung, habe sich der Autor Dräger gern seiner Stiftungsmitarbeiter als namenlose Schreiber bedient.
Dräger sei, so berichten Wegbegleiter, eine Logikmaschine, die in Schemata denkt. Wenn die Welt sich nicht an diese Muster hält, sei er überfordert. Mit Menschen tue er sich hingegen schwer, denn die funktionierten eben nicht nach physikalischen Gesetzen. So war auch seine Karriere bei Bertelsmann am Ende nicht vollends berechenbar.
Sein Abgang in Richtung Nordamerika hat auch interne Gründe. Drägers Ambitionen, der stets auf den Posten des Stiftungsvorsitzenden hingearbeitet hatte, fielen im vergangenen Jahr in sich zusammen, als mit Ralph Heck ein Externer ernannt wurde. Schon da zeichnete sich ab, dass Drägers Zeit bald enden würde.
Nach 13 Jahren im Vorstand scheidet Dräger Ende 2021 aus dem Vorstand der Bertelsmann Stiftung aus, um sich “neuen internationalen Herausforderungen” zu stellen. Ist das eine Niederlage für den strebsamen Gestalter, dem es letztlich nicht gelang, die Digitalisierung als ökonomische Machtmaschine durchzusetzen? Oder taucht er womöglich als internationaler Digitalisierer auf? Etwa bei Microsoft, Apple oder Google?
Für die deutsche Digitalisierungsszene ist es ein herber Verlust. Ihr Musterschüler geht von Bord.
Ein Gastbeitrag von Felise Maennig-Fortmann
Wir überschätzen oft, was in einem Jahr erreicht werden kann, und wir unterschätzen, was in einem Zeitraum von 10 Jahren möglich ist. Was für uns persönlich gilt, gilt auch für das deutsche Schulsystem. Nun, fast eineinhalb Jahre nach den ersten Schulschließungen und kurz vor Beginn eines neuen Schuljahres, von dem noch unklar ist, ob es in Präsenz stattfinden wird, macht sich Ernüchterung breit. Deutlich wird, was alles noch nicht funktioniert (kaum passgenaue Versorgung mit Geräten; keine Aussicht auf IT-Unterstützung vor Ort; Gelder, die nicht abgerufen werden; Lernlücken, deren genaues Ausmaß aber nicht bekannt ist; Kompetenzrangeleien zwischen Bund und Ländern).
Gleichzeitig muss man sich den Ausgangspunkt der Entwicklung vor Augen halten. Viele der genannten Probleme leiten sich aus der Logik des deutschen Schulsystems ab. Es zeichnet sich durch Beständigkeit, Stabilität und ein vergleichsweise hohes Bildungsniveau aus – ist aber auch von Bürokratie, Kleinteiligkeit und einem geringen Grad an Autonomie und Flexibilität geprägt. Gegenüber Veränderungsdruck wies es über viele Jahre eine bemerkenswerte Beharrungstendenz auf.
Vieles konnte aber auch in den vergangenen 18 Monaten bewegt werden: Lehr- und Schulpersonal, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler im ganzen Land improvisierten, bewiesen Kreativität und sind über neue Kommunikationskanäle zusammengewachsen. Es wurden Prozesse angestoßen, die noch vor zwei Jahren undenkbar schienen. Die Schulen, so scheint es, beginnen die Möglichkeiten des Digitalen zu entdecken. Ja mehr noch, die Umstellung auf Distanzunterricht hat gezeigt, dass Schulen durchaus zu einschneidenden Veränderungen in der Lage sind. Gleichzeitig hat das Thema Bildung eine ungewohnte Aufmerksamkeit in Politik, Medien und der Öffentlichkeit erhalten. Durch die vergangenen 18 Monate ist ein Wandel in Gang gekommen, der kaum noch zurückgedreht werden kann. Er lässt erahnen, welche Chancen Schulen im 21. Jahrhundert haben.
Wenn die Entwicklung weitergeht, dann könnte das Schulsystem in zehn Jahren die Komplexität einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft besser abbilden. Die Anforderungen an und Möglichkeiten von Schülerinnen und Schülern verändern sich. Zwar ist unbekannt, wie die Arbeitswelt der Kinder aussehen wird, die in 2021 eingeschult und ihr Abitur ungefähr im Jahre 2034 ablegen werden. Sie dürfte sich aber von dem, was wir bisher kennen unterscheiden.
Gleichzeitig sollten wir uns nicht der Illusion hingeben, dass allein die Digitalisierung Bildung zum Guten verändern kann. Stattdessen sollten wir proaktiv einen Plan für das Lernen und die Schule der Zukunft entwickeln. Welche Vision von Schule im Jahr 2030 existiert? Welche Vorstellungen sind realistisch?
Die Schule wird als Ort des Lernens und des sozialen Miteinanders nicht an Bedeutung verlieren. Zugleich wird Lernen durch die Digitalisierung flexibler und unabhängiger von Zeit, Ort und fachlichen Disziplinen. Das bietet die große Chance des 21. Jahrhunderts, die Grenzen zwischen der Welt draußen und der Schule, aber auch der eigenen Lebenswelt durchlässiger zu gestalten. Die Lehrerin Margit Wietzorrek schrieb an dieser Stelle, “die Schule muss der Blase entkommen, die mit der Wirklichkeit da draußen immer weniger zu tun hat”. Sie muss an realen Problemen der Kinder und Jugendlichen ansetzen. Was in Erinnerung bleiben wird, ist das Wissen darüber, was persönlich bedeutsam ist.
Dieser Prozess muss sich auch in offenen und ansprechenden Schulgebäuden und hybriden Lernumgebungen widerspiegeln. Digitalisierung ist dabei kein Selbstzweck, sondern als Ergänzung des Unterrichts zu verstehen. Sie ist die Voraussetzung für eine Verschmelzung des Lernorts Schule mit einer ortsungebundenen Lernumgebung.
Digitale Unterrichtsformen, didaktisch sinnvoll eingesetzt, können die Lernerfahrungen erweitern. Lernformen wie kooperatives, fachübergreifendes und individualisiertes Lernen könnten an Bedeutung gewinnen. Sie können guten Frontalunterricht bereichern, während gleichzeitig die Kompetenzen zu eigenverantwortlichem Lernen und die Medienkompetenz ausgebaut werden. Diese sind nicht nur für eine erfolgreiche Schullaufbahn, sondern auch für ein späteres Erwerbsleben und gesellschaftliche Teilhabe wichtig.
Die Lehrpersonen werden nicht an Bedeutung verlieren. Sie entscheiden über geeignete Lernmethoden und den angemessenen Einsatz digitaler Technik. Ihr Feedback an die Schülerinnen und Schüler ist einer der wichtigsten Faktoren, die Lernen fördern. Unterrichten ist und bleibt Beziehungsarbeit. Dies gilt es bereits in die Lehrerausbildung zu implementieren.
Gleichzeitig müssen wir noch stärker die Möglichkeiten ausschöpfen, zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu unterscheiden und anhand erhobener Daten empirisch zu überprüfen, welche Methoden tatsächlich am wirksamsten für den Lernerfolg sind. Eine konsequente Analyse bietet jetzt die große Chance, Beharrungstendenzen im deutschen Bildungssystem offensiv anzugehen und die Weichen für eine empirisch basierte Neuausrichtung zu stellen. Dabei ist auch eine intensive europäische und internationale Zusammenarbeit bedeutsam. Denn digitales Lernen ermöglicht es Schulen der Zukunft, zugleich lokal verortet und international vernetzt zu sein.
Felise Maennig-Fortmann ist Bildungsexpertin bei der Konrad-Adenauer-Stiftung und Mitautorin des Diskussionspapiers “Die Schule von morgen gestalten”
Die Länder Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt testen Künstliche Intelligenz (KI) an Schulen. Die Bildungsministerien der drei Länder erproben dies im Auftrag der Kultusministerkonferenz (KMK), die KI lieber als “Intelligentes Tutorielles System” bezeichnet, kurz “ITS”. Eine Ausschreibung für den Test mit KI an Schulen gewann das dänische-amerikanische ITS Area9Rhapsode. Beteiligt sind sechs Schulen in Sachsen, drei in Sachsen-Anhalt und eine nicht genannte Zahl von Schulen in Mecklenburg-Vorpommern.
Entwickler des ITS ist das dänische Unternehmen “Area9 Lyceum”, das Standorte in Kopenhagen, Boston und Leipzig hat. Die Technologie wurde vor 25 Jahren für medizinische Anwendungen entwickelt und wird nun auf KI an Schulen erweitert. “Das Programm ist in Dänemark und in Großbritannien schon im Schulkontext im Einsatz”, sagte Geschäftsführer Andreas Kambach gegenüber Bildung.Table. “Wir haben es für den deutschen Markt angepasst.” Das Unternehmen verweist auf 1,5 Millionen Nutzer in der Bildung. Es ist das erste System für KI an Schulen, das die Konferenz der Kultusminister für den Schulunterricht in Deutschland nutzbar macht.
Der Anstoß für den Modellversuch kommt aus der Bundesregierung. Bei einem Bildungsgipfel von Bund und Ländern im September 2020 im Kanzleramt bekam die KMK den Auftrag, ein intelligentes tutorielles Verfahren für KI an Schulen zu entwickeln. Eine eigens dafür gegründete Lenkungsgruppe übertrug es Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, das Thema Künstliche Intelligenz mit einem Modellversuch voranzutreiben.
Bei der Ausschreibung erhielt von 17 möglichen Anbietern die Firma Area9 Lyceum den Zuschlag. “Es stellte sich heraus, dass die meisten anderen Anbieter gar nicht mit künstlicher Intelligenz arbeiten”, sagt Jens Drummer, der beim Kultusministerium in Dresden für Digitalisierung und Medienbildung zuständig ist. Die meisten Bewerber waren Hersteller von Lernmanagementsystemen, aber auch Schulbuchverlage und Uni-Projekte. Zuletzt war neben Area 9 Lyceum noch die Mathe-Plattform Bettermarks im Rennen, die bereits mit KI-Funktionen arbeitet.
Der Versuch, Künstliche Intelligenz in Form von ITS für den Schulunterricht nutzbar zu machen, ist ein länderübergreifendes Vorhaben im Digitalpakt. Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind die ersten. Sachsen-Anhalt hat sich später entschlossen, auch mitzumachen. Es sei darum gegangen “einen ersten Eindruck von derartigen Lernmanagementsystemen zu erhalten”, sagte eine Sprecherin des Bildungsministeriums in Magdeburg. “Die Rückmeldungen der Lehrkräfte sind bisher positiv.” In Sachsen-Anhalt lief der Versuch an zwei Tagen kurz vor den Sommerferien an einer Grundschule, einer Förderschule und einer berufsbildenden Schule.
Konkret lassen die Ministerien testen, ob das dänische System den Schülern unterschiedliche Lernwege anbieten und den Lernstand für die Lehrer leichter erfassen kann. Ziel sei, dass die Module die Schüler am Ende auf möglichst denselben Kompetenzstand bringen, heißt es aus Dresden. “Wir können durch KI erfahren, um welche Schüler wir uns intensiver kümmern müssen”, sagt Jens Drummer. “Das kriegt man als Lehrer sonst nicht wirklich gut raus.”
Es gehe aber nicht darum, Lehrer langfristig zu ersetzen. “Wir sehen darin eine Arbeitserleichterung für den gesamten Lernprozess. Der Lehrer ist und bleibt der Dreh- und Angelpunkt.” Die Entwicklung eines Learning Management System (LMS), das KI an Schulen bringt, ist langfristig angelegt. Nach Abschluss der Testphase in den drei Ländern werden zunächst die Ergebnisse ausgewertet. Ein entsprechendes System werde aber noch nicht im nächsten Jahr zum Einsatz kommen, heißt es aus Dresden. Christine Keilholz
In der ersten Ausgabe des Textes hieß der sächsische Beamte Jens Brummer. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Ein zentrales Problem der Digitalisierung deutscher Schulen ist und bleibt die Anbindung an das Breitbandnetz. Eine kleine Anfrage der FDP im Bundestag hat ergeben, dass vor allem beim schnellen Internet für Dorfschulen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine katastrophale Anbindung von unter fünf Prozent herrscht. Aber auch ganz allgemein ist die Abdeckung der Schulen mit schnellem Internet von über 1000 Megabit pro Sekunde gering. Nur 37 Prozent der deutschen Schulen erreichen diesen Wert, der zum Beispiel nötig ist, um eine Videokonferenz mit ganzen Schulklassen wackelfrei zu überstehen. Auf die höchsten Zahlen kommen Bremen, Schleswig-Holstein, Bayern und Sachsen mit Raten bis zu 91 Prozent mit Breitbandanschluss. NRW schafft mit 30 Prozent schnellem Internet für Dorfschulen den besten Wert. Sachsen-Anhalt hat durchgehend niedrige Quoten von unter 10 Prozent, egal ob auf dem Land oder in Klein- und Mittelstädten. Zuletzt hatte eine Kleine Anfrage in NRW zum Digitalpakt Aufsehen erregt.
“Schnelles Internet ist an zwei von drei Schulen noch immer ferne Zukunftsmusik”, kommentierte der FDP-Bildungspolitiker Jörg Brandenburg die Zahlen. “Das ist ein Desaster. Die Bundesregierung vertrödelt den Netzausbau und zwingt die Schulen in die Kreidezeit. Besonders erschreckend ist das Gefälle von Stadt zu Land und zwischen West und Ost.” 50 Mbit/s reichten für den privaten Fernsehabend, aber nicht für einen zeitgemäßen Schulbetrieb, so Brandenburg. Das Netz breche schon zusammen, wenn mehrere Klassen gleichzeitig mit der Schulcloud arbeiten. “Wir brauchen einen Digitalpakt 2.0, der auch in pädagogische Konzepte, Lehrerweiterbildung und IT-Kräfte an den Schulen investiert.” Die Bundesregierung müsse endlich Tempo machen beim Netzanschluss der Schulen. Die Gelder stünden bereit.
Da liegt FDP-Mann Brandenburg genau richtig. Auch die Bundesregierung schreibt in ihrer Antwort auf die Anfrage der FDP: “Die Bundesregierung hat ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt, um für alle Schulen in Deutschland den benötigten Anschluss zu fördern.” Es sei die Aufgabe der Kommunen, die Projekte nun umzusetzen. Derzeit befinden sich 11.000 Schulen in der Förderung für den Breitbandausbau. Aus der Anfrage geht hervor, dass die Privatschulen mit 44 Prozent ein bisschen besser mit schnellem Internet ausgerüstet sind als die staatlichen Schulen, bei denen 35 Prozent Breitband bis ins Schulhaus haben. red
Eine Elterninitiative von Unternehmern nahe München hat zahlreiche Experten gegen sich aufgebracht. Die Elterngruppe rund um Jürgen Biffar, einem Gründer und Stifter, stellte Regeln für die Begrenzung der Nutzungszeit digitaler Medien von Kindern und Jugendlichen auf. Darin werden aber nicht nur zeitliche Rahmen für Kinder ab dem Vorschulalter empfohlen, sondern auch Social Media- und Messengerkanäle: WhatsApp für Erstklässler und TikTok für Drittklässler. “Instagram, Snapchat und TikTok halte ich für Kinder in diesen Altersklassen für ungeeignet”, sagte Thomas-Gabriel Rüdiger, Kriminologe und Medienexperte der Polizeihochschule Brandenburg. Im sogenannten Twitterlehrerzimmer lösten die Tipps wütende Reaktionen aus. Die Empfehlungen zeigten vor allem, schrieb etwa Susanne Posselt, “wie wenig sich viele Eltern mit den rechtlichen Grundlagen der eigenen Mediennutzung auskennen”.
Jürgen Biffar, der mit einer Dokumenten-Cloud weltweit Erfolg hatte, hält es für unverzichtbar, Kinder und Jugendliche an digitale Bildungsmedien heranzuführen. Gleichzeitig sei es aber vonnöten, die wachsende Mediennutzung zeitlich zu begrenzen. “Unserer Elterninitiative war es wichtig – gerade wegen der während Corona stark gestiegenen Digitalzeiten durch Schüler – einfache und leicht verständliche Hinweise zur Begrenzung der Online-Zeiten zu geben”, sagte Biffar zu Bildung.Table. In der Handreichung der Elterninitiative, die dem Arbeitskreis Schule-Wirtschaft angehört, heißt es unter anderem, Kinder sollten durch Medienentzug bestraft werden: “Bei schlechten Noten oder geringer Bewegung soll die Mediennutzung zusätzlich eingeschränkt werden”. Biffar selbst sagte, “notfalls sollten die Eltern die Geräte einziehen.”
Die “Empfehlung zur außerschulischen Mediennutzung” schlägt Eltern vor, Erst- und Zweitklässlern insgesamt 60 Minuten Mediennutzungszeit zu geben, davon die Hälfte für “Unterhaltung mit Spielen und Videos.” Kinder der dritten und vierten Klasse dürfen demnach 15 Minuten länger spielen. Bis zur 10. Klasse wächst die Mediennutzung dann auf 21 Stunden pro Woche – bei 14 Stunden mit Spielen und Videos.
Unter den Empfehlungen erscheinen Skype, Facetime und WhatsApp für Erstklässler, ab der dritten Klasse WhatsApp, Snapchat, Instagram und TikTok. Die Nutzung von WhatsApp ist laut den Geschäftsbedingungen offiziell ab 16 Jahren möglich, TikTok ab 13. Auf die Frage, warum die Initiative Kindern Apps empfiehlt, für die sie noch keine Zulassung haben, meinte Biffar, das sei ein Missverständnis. “Diese Plattformen zu nennen heißt einfach, die Realität von Kindern und Jugendlichen widerzuspiegeln. Ich finde es vollkommen falsch, wenn Kinder in der ersten Klasse WhatsApp oder in der dritten Klasse TikTok verwenden. Aber das ist meine persönliche Meinung.”
Die Leiterin der Anti-Missbrauchs-Einrichtung Innocence in Danger, Julia von Weiler, sagte, es sei vollkommen richtig, über die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen nachzudenken. Die Empfehlungen der Germeringer Initiative sei aber eigenartig, “um nicht zu sagen krude.” Wenn Kinder nicht in der Lage seien, eine Plattform ohne ihre Eltern zu nutzen, “dann ist vielleicht einfach die Plattform falsch. Das gilt auf jeden Fall für WhatsApp bei Erstklässlern. Und für TikTok und Drittklässler noch viel mehr”.
Der Leiter des Instituts für Cyberkriminologie, Thomas-Gabriel Rüdiger, stellte einen Zusammenhang zwischen der Medienkompetenz der Kinder und ihrer Eltern her. “Meiner Meinung nach ist das Alter der Mediennutzung von Kindern stark abhängig von der Medienkompetenz der Eltern und davon, wie viel Zeit diese in Aufklärung und Sensibilisierung der Kinder investieren”, so Rüdiger. Je mehr sich die Eltern aktiv mit Medien auseinandersetzten, umso mehr beherrschten Kinder Grundregeln. “Meiner Erfahrung nach sind aber manche Eltern dazu in dieser Form nicht in der Lage, einige Eltern blenden die Risiken einer frühen Mediennutzung eher aus und gehen davon aus, es werde schon nichts passieren. Sie geben die Verantwortung letztlich an die Kinder weiter.” red
Das Programm für IT-Administratoren der Bundesregierung kommt nicht vom Fleck, aber Bediener für Kopierer werden eingestellt. Eine Berliner Schule hat die Stelle eines Vervielfältigers ausgeschrieben. Zentrale Kompetenz für die nach E3 dotierte Stelle, die “ab sofort und unbefristet” besetzt werden soll, sei “die Fähigkeit zur Bedienung des Fotokopierers, Risographen und anderer in der Reprostation vorhandener Geräte”. Risographen sind Kopierer, die mit Siebdrucktechnik arbeiten. Die Leiterin der Hermann-von-Helmholtz-Sekundarschule in Neukölln, wo der Kopist gebraucht wird, wollte sich gegenüber Bildung.Table nicht äußern. Regina Kittler, bildungspolitische Sprecherin der den Senat tragenden Linken-Fraktion, zeigte sich verwundert über die Ausschreibung. “Ich dachte, wir sind im 21. Jahrhundert. Hat diese Schule ein besonderes Profil für Kunst, die gedruckt werden muss?” Auch die grüne Bildungspolitikerin und Abgeordnete Stefanie Remlinger war konsterniert: “Ich habe die Ausschreibung zunächst für Realsatire gehalten.”
Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung und Wissenschaft bemühte sich, den Fall herunterzuspielen. Es gebe im Land Berlin nur diese eine Stelle eines Vervielfältigers, sagte Martin Klesmann zu Bildung.Table auf die Frage, wie viele Kopiermaschinen-Bediener in der Hauptstadt im Jahr 2021 noch angestellt sind. “Solche Stellen sind an Schulen nicht üblich”. Dem widersprachen Berliner Lehrer:innen auf Anfrage. “Wir haben (obwohl eine relativ digitale Schule) auch eine Druckerin,” sagte ein Lehrer, der nicht namentli genannt sein will. Schulen seien oft einfach noch nicht so digital, dass es keinen Bedarf für das Kopieren mehr gäbe. In einer Welt, in der Lehrkräfte und Schulleitung eigentlich immer mehr Aufgaben stemmen müssen, sei diese Form der Entlastung durchaus willkommen.
Stefanie Remlinger schlägt vor, solche Ausschreibungen zu vermeiden, indem man die Schule auf digitale Prozesse vorbereitet. “Am besten erst einen Medienpädagogen in die Schule schicken, der die Lehrkräfte bei der Umstellung auf webbasierte Unterrichtsformate berät. Und dann natürlich – für alle Schulen – noch einen IT-Administrator, der alles am Laufen hält,” sagte Remlinger Bildung.Table.
Die Kritik der Linken Regina Kittler richtete sich gegen die “unterirdische Dotierung” nach E3. “Erstaunlich ist, dass wir für solche Stellen Geld haben”. Eine Position nach Entgeltgruppe drei des Ländertarifs für den Öffentlichen Dienst neu einzurichten verbiete sich. “Da droht die Gefahr, dass die Beschäftigten aufstocken müssen.” E3-Stellen sind üblicherweise für ungelernte Bewerber, der Anfangsverdienst liegt bei 2.350 Euro. Bei der Bundesagentur für Arbeit wird der Vervielfältiger als ein “älterer und eventuell überholter” Beruf geführt. In der Ausschreibung des Senats heißt es, der Vervielfältiger sei “eine interessante, abwechslungsreiche und anspruchsvolle Tätigkeit, in der Sie wichtige Lebensbereiche der Stadt Berlin mitgestalten können.” Formale Anforderungen für die Einstellung gibt es nicht. red
“Diklusion” ist ein Neologismus aus “digitale Medien” und “Inklusion”. Ich habe den Begriff auf Twitter entwickelt. Weil es dort nur eine begrenzte Zeichenzahl gibt, musste es ein kurzes Wort sein. Diklusion bedeutet, die beiden Bereiche des Digitalen und der Inklusion inhaltlich zusammen zu denken. Für die Pädagogik ist das ein großer Gewinn, denn digitale Medien bieten unendlich viele Möglichkeiten, alle Kinder an Bildung teilhaben zu lassen, ich meine das im Sinne eines weiten Inklusionsbegriffs. Inklusion wird oftmals durch digitale Medien erst möglich. Schülerinnen und Schüler etwa können sich im Geschichtsunterricht Texte digital vorlesen lassen, wenn sie – auch in höheren Klassen – noch nicht über ausreichende Lesefähigkeiten verfügen. Oder ein Kind, das Deutsch als Zweitsprache spricht und vielleicht noch Schwierigkeiten bei bestimmten Begrifflichkeiten hat, darf innerhalb des Unterrichts auf einen digitalen Übersetzer zugreifen. Es bietet Chancen der Teilhabe, die vorher nicht da waren.
Wenn ich über technische Voraussetzungen spreche, dann meine ich vor allem eine gerechte Ausstattung. Es wird ja viel über eine bestimmte digitale Infrastruktur diskutiert, schnelles Internet für Schulen, gemeinsam nutzbare Lernplattformen und so weiter. In meinen Augen ist es eine Pflicht, allen Schüler:innen Zugang zu Geräten zu geben. Das darf nicht davon abhängen, die groß der Geldbeutel der Eltern ist. Wir müssen uns auch die Schulen anschauen, die in schwierigen sozialen Lagen sind. Die haben häufig eine deutlich schlechtere Ausstattung. Unser politisches Augenmerk muss darauf liegen, solche Nachteile gar nicht erst entstehen zu lassen.
Unbedingt muss Diklusion auch im Präsenzunterricht sein. Dieser Begriff gibt uns erst die Möglichkeit, Inklusion richtig zu diskutieren. Was bedeutet das eigentlich, digitale Bildung für die Inklusion umzusetzen? Es bedeutet Teilhabe – radikal gedacht. Es bietet einen Ausblick auf Chancengleichheit. Ich meine damit einen breiten Inklusionsbegriff, der sich nicht nur auf Kinder mit Beeinträchtigungen bezieht, sondern der wirklich alle Formen äußerlicher Erschwernisse ausgleicht, die Schülerinnen und Schüler betreffen können: von sozial oder sprachlich und beeinträchtigten über hochbegabte Kinder bis hin zu Schülerinnen und Schüler mit körperlichen Beeinträchtigungen. Inklusion meint, in Schule müssen wirklich alle Kinder müssen von Anfang an mitgedacht und mitgenommen werden.
Ich durfte Luisa bisher nur virtuell kennenlernen, aber ich bin ein großer Fan von ihr. Sie ist Künstlerin und Autorin – obwohl sie sich kaum bewegen kann. Mit 14 Jahren besitzt sie Kompetenzen, die wir wahrscheinlich nie erwerben können. Luisa hat ein Buch geschrieben und gemalt allein mit der Augensteuerung ihres Laptops. “Luisas Leben” handelt von ihrer eigenen Lebensgeschichte und der ihrer Familie. Das heißt, Luisa ist es ein unglaublich kluger Kopf, und diese Kreativität sichtbar zu machen, war eigentlich nur über digitale Medien möglich.
Die Kritik rund um den Begriff der Diklusion besteht darin, dass Inklusion und Chancengerechtigkeit in Zusammenhang mit digitalen Medien seit der Corona-Pandemie immer häufiger als PR-Begriff für eine simple Form von Digitalisierung herhalten muss. Dabei wird sichtbar, was wir (noch) nicht umgesetzt haben. Alle Schülerinnen und Schüler müssen die Möglichkeit haben, Bildung zu erfahren. Ich würde mich da an der Unesco orientieren, die die Voraussetzung für das Umsetzen diklusiver Bildung zusammen gefasst hat. Wir brauchen eine barrierefreie Infrastruktur, wir brauchen alle möglichen digitalen Anwendungen, um Schülerinnen und Schüler individuell fördern zu können, und wir brauchen natürlich auch die Einbettung der digitalen Technologien in pädagogische Konzepte.
Dr. Lea Schulz ist Studienleiterin am Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein. Sie bildet überdies Studierende in DiKlusion an der Europa-Universität Flensburg aus und gibt Seminare zum Thema “Lernen lernen”.
Um mich trotz Termindrucks wohlfühlen zu können! Das hat, glaube ich jede und jeder schon festgestellt: Meine Zeit ist begrenzt. Beim Geld ist das sofort klar: Sie können nur ausgeben, was Ihnen zur Verfügung steht. Das gilt eben auch für das Zeitbudget. Der erste Schritt der Selbstorganisation heißt also, für sich anzunehmen, dass ich niemals alle Aufgaben schaffen werde, die ich erledigen will. Analog findet sich immer noch etwas, was ich hätte besser machen können – Stichwort Perfektionismus. Oder welche Literatur ich noch lesen will. Oder irgendwelche Aufgaben, die mir sonst noch jemand auferlegen möchte. Ich werde nicht alles schaffen. Das erste ist, das anzuerkennen und zu akzeptieren.
Das zweite ist, in die Planung zu gehen. Ich plane meine Arbeitswoche und meinen Arbeitstag. Dabei ist es wichtig, nie die komplette Zeit zu verplanen. Bei Lehrerinnen und Lehrern ist der Alltag ohnehin durch die Arbeit mit den Schülern zeittechnisch sehr verplant. Lehrkräfte berichteten, gerade während Corona, von restlos ausgefüllten Tagen, weil sie immer ein Ohr für spontane Schülergespräche haben wollten. Das heißt, es gibt für Lehrer nur einen sehr geringen Teil an frei gestaltbarer Zeit. Wenn Sie etwa Korrekturen oder Unterrichtsvorbereitung einplanen, ist es meines Erachtens wichtig, Ihre Zeit nur ungefähr zu 60 Prozent zu verplanen. Lassen Sie 40 Prozent für spontane dringende Aufgaben offen. Sonst geraten Sie zu oft in Stress und kommen immer wieder ins Straucheln. Oder Sie haben am Ende des Tages das Gefühl, nicht das geschafft zu haben, was Sie erledigen wollten. Für eine gesunde Work-Life-Balance hilft es, vor dem anstehenden Tag oder am Abend zuvor in Ruhe die Aufgaben durchzugehen.
Ich finde es sehr sinnvoll, einen digitalen Kalender zu haben, in dem Schulleiter:innen wie Kolleg:innen die Übersicht behalten können. Das ist wichtig, um zu wissen, wann haben einzelne Kollegen Freiraum, wann kann ich mich mal mit jemanden treffen. Für die persönliche Planung kann es allerdings sehr hilfreich sein, wenn Sie Ihre Aufgaben handschriftlich festhalten. Das geht mit einem einfachen Hausaufgabenheft oder mit einem sogenannten “Bullet Journal”. Das ist ein ganz frei gestaltbares Buch, wo ich mir für den Tag die Aufgaben notiere und keine langen und unschaffbaren To-do-Listen anlege. In der Systematik des Bullet Journals wird das, was ich nicht schaffe, in den nächsten Tag oder einen anderen Tag in der Woche verschoben. Sie können dort abhaken und wegstreichen – und dann haben Sie dieses tolle Gefühl, “Ja, das habe ich geschafft.”
Manchmal ist es auch so, dass ich zwar eine Liste habe, mir aber die Konzentration für die Aufgaben fehlt, die ich mir vorgenommen habe. Dann lieber eine Pause einlegen und aktiv eine Entspannungsübung machen, um wieder regeneriert zu sein. Oder ich nehme von den vorgeplanten Aufgaben bewusst die Routine- oder schnelle Aufgabe. Wieder etwas abgehakt!
Das Wichtigste in den Ferien ist natürlich erst mal die Erholung! Das sagen Lehrer:innen ja auch zu Ihren Schüler:innen. Aber wenn es dann daran geht, das neue Schuljahr vorzubereiten, oder zu lernen und sich zu optimieren. Dabei finde ich es richtig, sich eigene übergeordnete berufliche Wachstumsziele zu überlegen – und nicht nur den Schulalltag zu planen. Stellen Sie sich die Frage, was Sie ausprobieren und dazu lernen wollen. Ein Bild, das beim Selbstmanagement für Lehrer hilft, einen Wasserkrug vorzustellen, der nicht überlaufen soll. Ich plane meine Aufgaben und lege gewissermaßen große Steine in den Wasserkrug. Das sind meine wichtigen und dringenden Aufgaben, die an diesem Tag unbedingt erledigt werden müssen. Ohne, dass das Wasser überläuft, planen Sie nun noch wichtige Aufgaben ein, die terminlich nicht dringend sind. Sie sollten nicht vergessen, diese für Ihren persönlichen Fortschritt einzuplanen – sonst haben Sie irgendwann das Gefühl, nur dem Terminplaner gerecht zu werden, aber nicht mehr sich selbst. Machen Sie sich in den Ferien Gedanken, welche Ziele und Aufgaben im kommenden Schuljahr Sie ganz persönlich weiter bringen, oder in die Wege geleitet oder vorbereitet sein müssen – für Ihre Zukunft.
Caroline Deinert ist Business-Coach und Hypnotiseurin. Sie bietet in den Ferien Coachings an – auch zu Selbstmanagement.
04.08.2021, 13:30-16:30 Uhr
Dialogforum: Beziehungen in der Digitalität
“Wie kommunizieren wir miteinander in einer digitalen Welt? Wie können wir mithilfe digitaler Medien kollaborativ arbeiten? Wie verändert sich das professionelle Selbstverständnis?” Das Netzwerk Bildung Digital diskutiert im Dialogforum (Panel + Austausch) über das Thema “Beziehungen in der Digitalität” – im Anschluss werden gemeinsam Ideen entwickelt, aus den besten drei werden Workshops. Wer nicht nur zuschauen, sondern bei der “Ideenwerkstatt” mitmachen möchte, sollte sich schleunigst anmelden, um einen der 125 Mitmach-Plätze zu bekommen. Anmeldung
25. und 26. August 2021
Forum: Open Education – Zukunftsgerichtete Bildung
Das Bündnis Freie Bildung möchte “den Austausch zwischen Zivilgesellschaft, Bildungspraxis und politischen Entscheidungsgremien verstärken, um zeitgemäßes Lehren und Lernen voranzubringen.” Dafür wird an zwei Tagen zum Thema Open-Education getagt, in Fachgruppen diskutiert und einer “bildungspolitischen Talkshow” beigewohnt. Themen: Bildungskompetenzzentren, Open-Data-Sozialindex, Lernrückstände, Digitalisierung in Schulen. Gäste der Talkshow: Margit Stumpp (Grüne), Marja-Liisa Völlers (SPD), Birke Bull-Bischoff (Linke), Peter Heidt (FDP). Moderation: Jöran Muuß-Merholz. Infos & Anmeldung
wer hätte das gedacht? Vor kurzem mussten Schulminister noch per Telefon nachhaken, wie die Datenlage an ihren Schulen ist – etwa beim Abitur. Jetzt beginnt die Kultusminister-Konferenz in drei Ländern mit Tests von Künstlicher Intelligenz an Schulen. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sind an dem Projekt mit einem dänischen Lernmanagementsystem beteiligt. Interessant ist, welche Anbieter den Zuschlag nicht bekommen haben.
Die Freien Demokraten sind inzwischen die deutschen Meister im Verfassen Kleiner Anfragen. Regelmäßig verweisen die Ministerialen in ihren Antworten auf FDP-Anfragen auf ältere Antworten – auf ältere FDP-Anfragen. Was die liberale Bundestagsfraktion diesmal beim Bundesbildungsministerium herausbekommen hat, ist allerdings in der Tat hoch spannend. Es fehlt an der grundlegenden Infrastruktur für eine gelingende digitale Bildung: das schnelle Internet ist das Problem.
Die Szene der Bildungsdigitalisten verliert ihren wichtigsten Mann. Jörg Dräger, hierzulande lange der Vorreiter und Antreiber für Bildung in einer digitalen Welt, verlässt überraschend Bertelsmann. Wo er hingeht, hat er nicht verraten, aber meine Kollegin Christine Keilholz hat sich angeschaut, wo Jörg Dräger herkam und was er alles getan und unterlassen hat.
Eine Begebenheit aus dem Jahr 2017 verrät viel über Jörg Dräger, seinen Pioniergeist und seine Ungeduld. In Berlin hat sich das “Forum Bildung Digitalisierung” zu einer seiner ersten Werkstätten getroffen. 38 Schulen aus ganz Deutschland sind gekommen, alle Vorreiter der digitalen Bildung. Ein Schulleiter sagt, jede Schule müsse am Ende ihren eigenen Weg gehen.
Damit kommt Jörg Dräger nicht zurecht. “Wir brauchen auch ein Stück Standardisierung”, sagt er in seiner Keynote. “Wenn hinterher rauskommt, dass 38 Schulen so einzigartig sind, dass das, was für die einzelne Schule gilt, nicht übertragbar ist”, dann sei das zu wenig. “Es ist schön, 38 Schulen auf den Weg zu bringen, aber unser Ziel sind die 38.000 Schulen in Deutschland“. Hier ist einer, der in großen Dimensionen denkt – und dem das Individuelle im Zweifel im Weg steht.
Nun gibt Dräger, der Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, überraschend seine Berufung als Klassenbester der digitalen Bildung in Deutschland auf. Mehr als ein Jahrzehnt hat der Doktor der Physik mit Bertelsmann und seinen Filialen Digitalisierung skaliert. Er hat Bücher geschrieben, Studien veranlasst, die Öffentlichkeit beeinflusst – und die Politik natürlich.
Wie geht es jetzt weiter, da die größte vordergründig gemeinnützige Lobby-Organisation ihren Pionier ziehen lässt? Geradezu irritierend ist der Zeitpunkt dieses Bruchs. Denn die Digitalisierung der Schulen, die der Bildungsmanager mit herbeiredete und -schrieb, ist jetzt in vollem Gange. Es wäre Erntezeit – und der größte Bauer räumt das Feld, um sich “neuen internationalen Herausforderungen” zu stellen, wie es heißt.
Mit Bertelsmann ist Dräger zum wichtigsten digitalen Bildungsvordenker Deutschlands geworden. Sein Ansatz, von Gütersloh aus den Segen des Digitalen mit der Sperrigkeit der deutschen Schulen zu versöhnen, stammt aus den USA, wo er in den 90er-Jahren in Physik promovierte. Digitale Medien waren dort bereits gängige pädagogische Hilfsmittel, als sich Deutschland noch vom Pisaschock berappeln musste. Die Tools schienen grenzenlos einsetzbar, um Schüler und Studenten zu beglücken. Drägers Funktion an der Spitze der prägenden deutschen Bildungsstiftung war optimal, um flächendeckend für das Digitale zu werben. Warum gibt nun einer wie er diese Funktion mit 53 Jahren ausgerechnet dann auf, wenn sein jahrelanges Werben endlich Früchte trägt?
Dräger ist ein Innovator und, bei aller hanseatischen Eleganz, ein Antreiber. Mit seinen Vorschlägen hat er stets verlässlich Welle gemacht. Das war schon so, als er noch Senator für Wissenschaft in Hamburg war und mit dem Plan voranging, Studiengebühren einzuführen. Das verschaffte dem aus der Unternehmensberatung kommenden Dräger das Image eines marktliberalen Revolutionärs. Als Parteiloser in der Regierung des Christdemokraten Ole von Beust war Dräger ganz Politunternehmer – und stets in eigener Sache unterwegs.
Nach all den quälenden Konflikten über mehr Wettbewerb der Hochschulen und über kaputtgesparte Geisteswissenschaften blieb der Eindruck eines oberflächlichen Überfliegers, der schnell zur nächsten Karrierestation weiterzieht. Das geschah 2008, als Jörg Dräger den Dienst in der Freien und Hansestadt quittierte und in Gütersloh als Vorstand für Bildung und Integration anheuerte.
Drägers Vision von Bildung ist eine durch und durch amerikanische. Sein 2015 erschienenes Buch “Die digitale Bildungsrevolution” führt eine beeindruckende Leistungsschau digitaler Projekte an Schulen auf – doch es sind fast nur US-amerikanische Beispiele. Obwohl viele deutsche Schulen erfolgreich digital unterwegs waren, war dem Stiftungsvorsteher keines würdig, in seinem Opus aufzutauchen.
Seine Welt ist die der privaten Bildungswirtschaft und ihrer Stiftungen. Seine Chefsessel standen beim bertelsmannschen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), beim Kuratorium des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration oder beim Board of Governors der Jacobs University Bremen. An der Hertie School of Governance lehrt er Public Management. Die privaten Bildungstempel sind ihm Heimat geworden in einem Land, das die Herties und Jacobs als durchmonetarisierte Parallelwelt verdächtigt. Alles Private ist den Otto Normalbürgern verhasst.
Auch, dass Dräger mit dem Northern Institute of Technology (NIT) eine deutsche Variante des MIT implementieren wollte, war amerikanisch. Aber der Plan, im Süden Hamburgs eine Hochschule zu errichten, für die Massachusetts 150 Jahre brauchte, war selbst für Dräger zu groß. Das NIT hat heute 30 Professoren und lehrt still vor sich hin. Von MIT ist dort keine Rede mehr.
Keine Zukunftsfrage der Bildung, in die sich Dräger nicht mit Schwung geworfen hätte. Irgendwann gehörten dazu auch solche, die weniger elitär und glanzvoll sind. Zu Beginn der 2010er Jahre drängte er überraschend darauf, das Schulsystem gerecht zu machen. Er kaufte der GEW de facto ihren wichtigsten Bildungsökonomen ab, Klaus Klemm, der für eine Zeitlang mit Studien über Migrantenkinder, Schulabbrecher und Sitzenbleiber die Bertelsmann Stiftung auf den Frontseiten platzierte. Dräger, der Digitalisierer und Marktradikale, setzte sich plötzlich die Tarnkappe des Gerechtigkeitsfans auf. Er plädierte für Ganztagsschulen und gab 2020 eine Studie zur Kinderarmut heraus. Gleichwohl kommt ihm das Wort Chancengleichheit nicht über die Lippen.
Die digitale Bildung hat nach Jörg Dräger das Zeug, das Lernen zu demokratisieren und Schülern den Weg von der Kompetenz zum Traumjob zu ebnen. Die Digitalisierung der Schulen bedeutet für ihn, möglichst viele Schulen zu beglücken. Das Forum Bildung Digitalisierung, das Dräger zusammen mit anderen Groß-Stiftungen gründete, untermauert diesen Anspruch. Es geht auch um neue Geschäftsfelder, wenn Dräger betont, dass er statt 38 Schulen lieber gleich 38.000 auf den Weg bringen will. Bei Schulen ist das noch nicht der Fall, aber bei den Hochschulen ist der Bertelsmann-Konzern mit seinen Beteiligungen längst so aufgestellt, dass er aus der Digitalisierung ein Geschäft machen könnte. Die Bertelsmann Stiftung, die ohnehin keine Stiftung im philanthropischen Sinne ist, wurde unter Dräger eine Art Markterkundungs-Agentur des Konzerns. Wer die Reden des Stiftungsvorstands Jörg Dräger und des Bertelsmann-CEO Thomas Rabe der letzten Jahre anhört, wird kaum noch Unterschiede feststellen können. Umgekehrt, so erzählt man sich in der Stiftung, habe sich der Autor Dräger gern seiner Stiftungsmitarbeiter als namenlose Schreiber bedient.
Dräger sei, so berichten Wegbegleiter, eine Logikmaschine, die in Schemata denkt. Wenn die Welt sich nicht an diese Muster hält, sei er überfordert. Mit Menschen tue er sich hingegen schwer, denn die funktionierten eben nicht nach physikalischen Gesetzen. So war auch seine Karriere bei Bertelsmann am Ende nicht vollends berechenbar.
Sein Abgang in Richtung Nordamerika hat auch interne Gründe. Drägers Ambitionen, der stets auf den Posten des Stiftungsvorsitzenden hingearbeitet hatte, fielen im vergangenen Jahr in sich zusammen, als mit Ralph Heck ein Externer ernannt wurde. Schon da zeichnete sich ab, dass Drägers Zeit bald enden würde.
Nach 13 Jahren im Vorstand scheidet Dräger Ende 2021 aus dem Vorstand der Bertelsmann Stiftung aus, um sich “neuen internationalen Herausforderungen” zu stellen. Ist das eine Niederlage für den strebsamen Gestalter, dem es letztlich nicht gelang, die Digitalisierung als ökonomische Machtmaschine durchzusetzen? Oder taucht er womöglich als internationaler Digitalisierer auf? Etwa bei Microsoft, Apple oder Google?
Für die deutsche Digitalisierungsszene ist es ein herber Verlust. Ihr Musterschüler geht von Bord.
Ein Gastbeitrag von Felise Maennig-Fortmann
Wir überschätzen oft, was in einem Jahr erreicht werden kann, und wir unterschätzen, was in einem Zeitraum von 10 Jahren möglich ist. Was für uns persönlich gilt, gilt auch für das deutsche Schulsystem. Nun, fast eineinhalb Jahre nach den ersten Schulschließungen und kurz vor Beginn eines neuen Schuljahres, von dem noch unklar ist, ob es in Präsenz stattfinden wird, macht sich Ernüchterung breit. Deutlich wird, was alles noch nicht funktioniert (kaum passgenaue Versorgung mit Geräten; keine Aussicht auf IT-Unterstützung vor Ort; Gelder, die nicht abgerufen werden; Lernlücken, deren genaues Ausmaß aber nicht bekannt ist; Kompetenzrangeleien zwischen Bund und Ländern).
Gleichzeitig muss man sich den Ausgangspunkt der Entwicklung vor Augen halten. Viele der genannten Probleme leiten sich aus der Logik des deutschen Schulsystems ab. Es zeichnet sich durch Beständigkeit, Stabilität und ein vergleichsweise hohes Bildungsniveau aus – ist aber auch von Bürokratie, Kleinteiligkeit und einem geringen Grad an Autonomie und Flexibilität geprägt. Gegenüber Veränderungsdruck wies es über viele Jahre eine bemerkenswerte Beharrungstendenz auf.
Vieles konnte aber auch in den vergangenen 18 Monaten bewegt werden: Lehr- und Schulpersonal, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler im ganzen Land improvisierten, bewiesen Kreativität und sind über neue Kommunikationskanäle zusammengewachsen. Es wurden Prozesse angestoßen, die noch vor zwei Jahren undenkbar schienen. Die Schulen, so scheint es, beginnen die Möglichkeiten des Digitalen zu entdecken. Ja mehr noch, die Umstellung auf Distanzunterricht hat gezeigt, dass Schulen durchaus zu einschneidenden Veränderungen in der Lage sind. Gleichzeitig hat das Thema Bildung eine ungewohnte Aufmerksamkeit in Politik, Medien und der Öffentlichkeit erhalten. Durch die vergangenen 18 Monate ist ein Wandel in Gang gekommen, der kaum noch zurückgedreht werden kann. Er lässt erahnen, welche Chancen Schulen im 21. Jahrhundert haben.
Wenn die Entwicklung weitergeht, dann könnte das Schulsystem in zehn Jahren die Komplexität einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft besser abbilden. Die Anforderungen an und Möglichkeiten von Schülerinnen und Schülern verändern sich. Zwar ist unbekannt, wie die Arbeitswelt der Kinder aussehen wird, die in 2021 eingeschult und ihr Abitur ungefähr im Jahre 2034 ablegen werden. Sie dürfte sich aber von dem, was wir bisher kennen unterscheiden.
Gleichzeitig sollten wir uns nicht der Illusion hingeben, dass allein die Digitalisierung Bildung zum Guten verändern kann. Stattdessen sollten wir proaktiv einen Plan für das Lernen und die Schule der Zukunft entwickeln. Welche Vision von Schule im Jahr 2030 existiert? Welche Vorstellungen sind realistisch?
Die Schule wird als Ort des Lernens und des sozialen Miteinanders nicht an Bedeutung verlieren. Zugleich wird Lernen durch die Digitalisierung flexibler und unabhängiger von Zeit, Ort und fachlichen Disziplinen. Das bietet die große Chance des 21. Jahrhunderts, die Grenzen zwischen der Welt draußen und der Schule, aber auch der eigenen Lebenswelt durchlässiger zu gestalten. Die Lehrerin Margit Wietzorrek schrieb an dieser Stelle, “die Schule muss der Blase entkommen, die mit der Wirklichkeit da draußen immer weniger zu tun hat”. Sie muss an realen Problemen der Kinder und Jugendlichen ansetzen. Was in Erinnerung bleiben wird, ist das Wissen darüber, was persönlich bedeutsam ist.
Dieser Prozess muss sich auch in offenen und ansprechenden Schulgebäuden und hybriden Lernumgebungen widerspiegeln. Digitalisierung ist dabei kein Selbstzweck, sondern als Ergänzung des Unterrichts zu verstehen. Sie ist die Voraussetzung für eine Verschmelzung des Lernorts Schule mit einer ortsungebundenen Lernumgebung.
Digitale Unterrichtsformen, didaktisch sinnvoll eingesetzt, können die Lernerfahrungen erweitern. Lernformen wie kooperatives, fachübergreifendes und individualisiertes Lernen könnten an Bedeutung gewinnen. Sie können guten Frontalunterricht bereichern, während gleichzeitig die Kompetenzen zu eigenverantwortlichem Lernen und die Medienkompetenz ausgebaut werden. Diese sind nicht nur für eine erfolgreiche Schullaufbahn, sondern auch für ein späteres Erwerbsleben und gesellschaftliche Teilhabe wichtig.
Die Lehrpersonen werden nicht an Bedeutung verlieren. Sie entscheiden über geeignete Lernmethoden und den angemessenen Einsatz digitaler Technik. Ihr Feedback an die Schülerinnen und Schüler ist einer der wichtigsten Faktoren, die Lernen fördern. Unterrichten ist und bleibt Beziehungsarbeit. Dies gilt es bereits in die Lehrerausbildung zu implementieren.
Gleichzeitig müssen wir noch stärker die Möglichkeiten ausschöpfen, zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu unterscheiden und anhand erhobener Daten empirisch zu überprüfen, welche Methoden tatsächlich am wirksamsten für den Lernerfolg sind. Eine konsequente Analyse bietet jetzt die große Chance, Beharrungstendenzen im deutschen Bildungssystem offensiv anzugehen und die Weichen für eine empirisch basierte Neuausrichtung zu stellen. Dabei ist auch eine intensive europäische und internationale Zusammenarbeit bedeutsam. Denn digitales Lernen ermöglicht es Schulen der Zukunft, zugleich lokal verortet und international vernetzt zu sein.
Felise Maennig-Fortmann ist Bildungsexpertin bei der Konrad-Adenauer-Stiftung und Mitautorin des Diskussionspapiers “Die Schule von morgen gestalten”
Die Länder Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt testen Künstliche Intelligenz (KI) an Schulen. Die Bildungsministerien der drei Länder erproben dies im Auftrag der Kultusministerkonferenz (KMK), die KI lieber als “Intelligentes Tutorielles System” bezeichnet, kurz “ITS”. Eine Ausschreibung für den Test mit KI an Schulen gewann das dänische-amerikanische ITS Area9Rhapsode. Beteiligt sind sechs Schulen in Sachsen, drei in Sachsen-Anhalt und eine nicht genannte Zahl von Schulen in Mecklenburg-Vorpommern.
Entwickler des ITS ist das dänische Unternehmen “Area9 Lyceum”, das Standorte in Kopenhagen, Boston und Leipzig hat. Die Technologie wurde vor 25 Jahren für medizinische Anwendungen entwickelt und wird nun auf KI an Schulen erweitert. “Das Programm ist in Dänemark und in Großbritannien schon im Schulkontext im Einsatz”, sagte Geschäftsführer Andreas Kambach gegenüber Bildung.Table. “Wir haben es für den deutschen Markt angepasst.” Das Unternehmen verweist auf 1,5 Millionen Nutzer in der Bildung. Es ist das erste System für KI an Schulen, das die Konferenz der Kultusminister für den Schulunterricht in Deutschland nutzbar macht.
Der Anstoß für den Modellversuch kommt aus der Bundesregierung. Bei einem Bildungsgipfel von Bund und Ländern im September 2020 im Kanzleramt bekam die KMK den Auftrag, ein intelligentes tutorielles Verfahren für KI an Schulen zu entwickeln. Eine eigens dafür gegründete Lenkungsgruppe übertrug es Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, das Thema Künstliche Intelligenz mit einem Modellversuch voranzutreiben.
Bei der Ausschreibung erhielt von 17 möglichen Anbietern die Firma Area9 Lyceum den Zuschlag. “Es stellte sich heraus, dass die meisten anderen Anbieter gar nicht mit künstlicher Intelligenz arbeiten”, sagt Jens Drummer, der beim Kultusministerium in Dresden für Digitalisierung und Medienbildung zuständig ist. Die meisten Bewerber waren Hersteller von Lernmanagementsystemen, aber auch Schulbuchverlage und Uni-Projekte. Zuletzt war neben Area 9 Lyceum noch die Mathe-Plattform Bettermarks im Rennen, die bereits mit KI-Funktionen arbeitet.
Der Versuch, Künstliche Intelligenz in Form von ITS für den Schulunterricht nutzbar zu machen, ist ein länderübergreifendes Vorhaben im Digitalpakt. Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sind die ersten. Sachsen-Anhalt hat sich später entschlossen, auch mitzumachen. Es sei darum gegangen “einen ersten Eindruck von derartigen Lernmanagementsystemen zu erhalten”, sagte eine Sprecherin des Bildungsministeriums in Magdeburg. “Die Rückmeldungen der Lehrkräfte sind bisher positiv.” In Sachsen-Anhalt lief der Versuch an zwei Tagen kurz vor den Sommerferien an einer Grundschule, einer Förderschule und einer berufsbildenden Schule.
Konkret lassen die Ministerien testen, ob das dänische System den Schülern unterschiedliche Lernwege anbieten und den Lernstand für die Lehrer leichter erfassen kann. Ziel sei, dass die Module die Schüler am Ende auf möglichst denselben Kompetenzstand bringen, heißt es aus Dresden. “Wir können durch KI erfahren, um welche Schüler wir uns intensiver kümmern müssen”, sagt Jens Drummer. “Das kriegt man als Lehrer sonst nicht wirklich gut raus.”
Es gehe aber nicht darum, Lehrer langfristig zu ersetzen. “Wir sehen darin eine Arbeitserleichterung für den gesamten Lernprozess. Der Lehrer ist und bleibt der Dreh- und Angelpunkt.” Die Entwicklung eines Learning Management System (LMS), das KI an Schulen bringt, ist langfristig angelegt. Nach Abschluss der Testphase in den drei Ländern werden zunächst die Ergebnisse ausgewertet. Ein entsprechendes System werde aber noch nicht im nächsten Jahr zum Einsatz kommen, heißt es aus Dresden. Christine Keilholz
In der ersten Ausgabe des Textes hieß der sächsische Beamte Jens Brummer. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Ein zentrales Problem der Digitalisierung deutscher Schulen ist und bleibt die Anbindung an das Breitbandnetz. Eine kleine Anfrage der FDP im Bundestag hat ergeben, dass vor allem beim schnellen Internet für Dorfschulen in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine katastrophale Anbindung von unter fünf Prozent herrscht. Aber auch ganz allgemein ist die Abdeckung der Schulen mit schnellem Internet von über 1000 Megabit pro Sekunde gering. Nur 37 Prozent der deutschen Schulen erreichen diesen Wert, der zum Beispiel nötig ist, um eine Videokonferenz mit ganzen Schulklassen wackelfrei zu überstehen. Auf die höchsten Zahlen kommen Bremen, Schleswig-Holstein, Bayern und Sachsen mit Raten bis zu 91 Prozent mit Breitbandanschluss. NRW schafft mit 30 Prozent schnellem Internet für Dorfschulen den besten Wert. Sachsen-Anhalt hat durchgehend niedrige Quoten von unter 10 Prozent, egal ob auf dem Land oder in Klein- und Mittelstädten. Zuletzt hatte eine Kleine Anfrage in NRW zum Digitalpakt Aufsehen erregt.
“Schnelles Internet ist an zwei von drei Schulen noch immer ferne Zukunftsmusik”, kommentierte der FDP-Bildungspolitiker Jörg Brandenburg die Zahlen. “Das ist ein Desaster. Die Bundesregierung vertrödelt den Netzausbau und zwingt die Schulen in die Kreidezeit. Besonders erschreckend ist das Gefälle von Stadt zu Land und zwischen West und Ost.” 50 Mbit/s reichten für den privaten Fernsehabend, aber nicht für einen zeitgemäßen Schulbetrieb, so Brandenburg. Das Netz breche schon zusammen, wenn mehrere Klassen gleichzeitig mit der Schulcloud arbeiten. “Wir brauchen einen Digitalpakt 2.0, der auch in pädagogische Konzepte, Lehrerweiterbildung und IT-Kräfte an den Schulen investiert.” Die Bundesregierung müsse endlich Tempo machen beim Netzanschluss der Schulen. Die Gelder stünden bereit.
Da liegt FDP-Mann Brandenburg genau richtig. Auch die Bundesregierung schreibt in ihrer Antwort auf die Anfrage der FDP: “Die Bundesregierung hat ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt, um für alle Schulen in Deutschland den benötigten Anschluss zu fördern.” Es sei die Aufgabe der Kommunen, die Projekte nun umzusetzen. Derzeit befinden sich 11.000 Schulen in der Förderung für den Breitbandausbau. Aus der Anfrage geht hervor, dass die Privatschulen mit 44 Prozent ein bisschen besser mit schnellem Internet ausgerüstet sind als die staatlichen Schulen, bei denen 35 Prozent Breitband bis ins Schulhaus haben. red
Eine Elterninitiative von Unternehmern nahe München hat zahlreiche Experten gegen sich aufgebracht. Die Elterngruppe rund um Jürgen Biffar, einem Gründer und Stifter, stellte Regeln für die Begrenzung der Nutzungszeit digitaler Medien von Kindern und Jugendlichen auf. Darin werden aber nicht nur zeitliche Rahmen für Kinder ab dem Vorschulalter empfohlen, sondern auch Social Media- und Messengerkanäle: WhatsApp für Erstklässler und TikTok für Drittklässler. “Instagram, Snapchat und TikTok halte ich für Kinder in diesen Altersklassen für ungeeignet”, sagte Thomas-Gabriel Rüdiger, Kriminologe und Medienexperte der Polizeihochschule Brandenburg. Im sogenannten Twitterlehrerzimmer lösten die Tipps wütende Reaktionen aus. Die Empfehlungen zeigten vor allem, schrieb etwa Susanne Posselt, “wie wenig sich viele Eltern mit den rechtlichen Grundlagen der eigenen Mediennutzung auskennen”.
Jürgen Biffar, der mit einer Dokumenten-Cloud weltweit Erfolg hatte, hält es für unverzichtbar, Kinder und Jugendliche an digitale Bildungsmedien heranzuführen. Gleichzeitig sei es aber vonnöten, die wachsende Mediennutzung zeitlich zu begrenzen. “Unserer Elterninitiative war es wichtig – gerade wegen der während Corona stark gestiegenen Digitalzeiten durch Schüler – einfache und leicht verständliche Hinweise zur Begrenzung der Online-Zeiten zu geben”, sagte Biffar zu Bildung.Table. In der Handreichung der Elterninitiative, die dem Arbeitskreis Schule-Wirtschaft angehört, heißt es unter anderem, Kinder sollten durch Medienentzug bestraft werden: “Bei schlechten Noten oder geringer Bewegung soll die Mediennutzung zusätzlich eingeschränkt werden”. Biffar selbst sagte, “notfalls sollten die Eltern die Geräte einziehen.”
Die “Empfehlung zur außerschulischen Mediennutzung” schlägt Eltern vor, Erst- und Zweitklässlern insgesamt 60 Minuten Mediennutzungszeit zu geben, davon die Hälfte für “Unterhaltung mit Spielen und Videos.” Kinder der dritten und vierten Klasse dürfen demnach 15 Minuten länger spielen. Bis zur 10. Klasse wächst die Mediennutzung dann auf 21 Stunden pro Woche – bei 14 Stunden mit Spielen und Videos.
Unter den Empfehlungen erscheinen Skype, Facetime und WhatsApp für Erstklässler, ab der dritten Klasse WhatsApp, Snapchat, Instagram und TikTok. Die Nutzung von WhatsApp ist laut den Geschäftsbedingungen offiziell ab 16 Jahren möglich, TikTok ab 13. Auf die Frage, warum die Initiative Kindern Apps empfiehlt, für die sie noch keine Zulassung haben, meinte Biffar, das sei ein Missverständnis. “Diese Plattformen zu nennen heißt einfach, die Realität von Kindern und Jugendlichen widerzuspiegeln. Ich finde es vollkommen falsch, wenn Kinder in der ersten Klasse WhatsApp oder in der dritten Klasse TikTok verwenden. Aber das ist meine persönliche Meinung.”
Die Leiterin der Anti-Missbrauchs-Einrichtung Innocence in Danger, Julia von Weiler, sagte, es sei vollkommen richtig, über die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen nachzudenken. Die Empfehlungen der Germeringer Initiative sei aber eigenartig, “um nicht zu sagen krude.” Wenn Kinder nicht in der Lage seien, eine Plattform ohne ihre Eltern zu nutzen, “dann ist vielleicht einfach die Plattform falsch. Das gilt auf jeden Fall für WhatsApp bei Erstklässlern. Und für TikTok und Drittklässler noch viel mehr”.
Der Leiter des Instituts für Cyberkriminologie, Thomas-Gabriel Rüdiger, stellte einen Zusammenhang zwischen der Medienkompetenz der Kinder und ihrer Eltern her. “Meiner Meinung nach ist das Alter der Mediennutzung von Kindern stark abhängig von der Medienkompetenz der Eltern und davon, wie viel Zeit diese in Aufklärung und Sensibilisierung der Kinder investieren”, so Rüdiger. Je mehr sich die Eltern aktiv mit Medien auseinandersetzten, umso mehr beherrschten Kinder Grundregeln. “Meiner Erfahrung nach sind aber manche Eltern dazu in dieser Form nicht in der Lage, einige Eltern blenden die Risiken einer frühen Mediennutzung eher aus und gehen davon aus, es werde schon nichts passieren. Sie geben die Verantwortung letztlich an die Kinder weiter.” red
Das Programm für IT-Administratoren der Bundesregierung kommt nicht vom Fleck, aber Bediener für Kopierer werden eingestellt. Eine Berliner Schule hat die Stelle eines Vervielfältigers ausgeschrieben. Zentrale Kompetenz für die nach E3 dotierte Stelle, die “ab sofort und unbefristet” besetzt werden soll, sei “die Fähigkeit zur Bedienung des Fotokopierers, Risographen und anderer in der Reprostation vorhandener Geräte”. Risographen sind Kopierer, die mit Siebdrucktechnik arbeiten. Die Leiterin der Hermann-von-Helmholtz-Sekundarschule in Neukölln, wo der Kopist gebraucht wird, wollte sich gegenüber Bildung.Table nicht äußern. Regina Kittler, bildungspolitische Sprecherin der den Senat tragenden Linken-Fraktion, zeigte sich verwundert über die Ausschreibung. “Ich dachte, wir sind im 21. Jahrhundert. Hat diese Schule ein besonderes Profil für Kunst, die gedruckt werden muss?” Auch die grüne Bildungspolitikerin und Abgeordnete Stefanie Remlinger war konsterniert: “Ich habe die Ausschreibung zunächst für Realsatire gehalten.”
Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Bildung und Wissenschaft bemühte sich, den Fall herunterzuspielen. Es gebe im Land Berlin nur diese eine Stelle eines Vervielfältigers, sagte Martin Klesmann zu Bildung.Table auf die Frage, wie viele Kopiermaschinen-Bediener in der Hauptstadt im Jahr 2021 noch angestellt sind. “Solche Stellen sind an Schulen nicht üblich”. Dem widersprachen Berliner Lehrer:innen auf Anfrage. “Wir haben (obwohl eine relativ digitale Schule) auch eine Druckerin,” sagte ein Lehrer, der nicht namentli genannt sein will. Schulen seien oft einfach noch nicht so digital, dass es keinen Bedarf für das Kopieren mehr gäbe. In einer Welt, in der Lehrkräfte und Schulleitung eigentlich immer mehr Aufgaben stemmen müssen, sei diese Form der Entlastung durchaus willkommen.
Stefanie Remlinger schlägt vor, solche Ausschreibungen zu vermeiden, indem man die Schule auf digitale Prozesse vorbereitet. “Am besten erst einen Medienpädagogen in die Schule schicken, der die Lehrkräfte bei der Umstellung auf webbasierte Unterrichtsformate berät. Und dann natürlich – für alle Schulen – noch einen IT-Administrator, der alles am Laufen hält,” sagte Remlinger Bildung.Table.
Die Kritik der Linken Regina Kittler richtete sich gegen die “unterirdische Dotierung” nach E3. “Erstaunlich ist, dass wir für solche Stellen Geld haben”. Eine Position nach Entgeltgruppe drei des Ländertarifs für den Öffentlichen Dienst neu einzurichten verbiete sich. “Da droht die Gefahr, dass die Beschäftigten aufstocken müssen.” E3-Stellen sind üblicherweise für ungelernte Bewerber, der Anfangsverdienst liegt bei 2.350 Euro. Bei der Bundesagentur für Arbeit wird der Vervielfältiger als ein “älterer und eventuell überholter” Beruf geführt. In der Ausschreibung des Senats heißt es, der Vervielfältiger sei “eine interessante, abwechslungsreiche und anspruchsvolle Tätigkeit, in der Sie wichtige Lebensbereiche der Stadt Berlin mitgestalten können.” Formale Anforderungen für die Einstellung gibt es nicht. red
“Diklusion” ist ein Neologismus aus “digitale Medien” und “Inklusion”. Ich habe den Begriff auf Twitter entwickelt. Weil es dort nur eine begrenzte Zeichenzahl gibt, musste es ein kurzes Wort sein. Diklusion bedeutet, die beiden Bereiche des Digitalen und der Inklusion inhaltlich zusammen zu denken. Für die Pädagogik ist das ein großer Gewinn, denn digitale Medien bieten unendlich viele Möglichkeiten, alle Kinder an Bildung teilhaben zu lassen, ich meine das im Sinne eines weiten Inklusionsbegriffs. Inklusion wird oftmals durch digitale Medien erst möglich. Schülerinnen und Schüler etwa können sich im Geschichtsunterricht Texte digital vorlesen lassen, wenn sie – auch in höheren Klassen – noch nicht über ausreichende Lesefähigkeiten verfügen. Oder ein Kind, das Deutsch als Zweitsprache spricht und vielleicht noch Schwierigkeiten bei bestimmten Begrifflichkeiten hat, darf innerhalb des Unterrichts auf einen digitalen Übersetzer zugreifen. Es bietet Chancen der Teilhabe, die vorher nicht da waren.
Wenn ich über technische Voraussetzungen spreche, dann meine ich vor allem eine gerechte Ausstattung. Es wird ja viel über eine bestimmte digitale Infrastruktur diskutiert, schnelles Internet für Schulen, gemeinsam nutzbare Lernplattformen und so weiter. In meinen Augen ist es eine Pflicht, allen Schüler:innen Zugang zu Geräten zu geben. Das darf nicht davon abhängen, die groß der Geldbeutel der Eltern ist. Wir müssen uns auch die Schulen anschauen, die in schwierigen sozialen Lagen sind. Die haben häufig eine deutlich schlechtere Ausstattung. Unser politisches Augenmerk muss darauf liegen, solche Nachteile gar nicht erst entstehen zu lassen.
Unbedingt muss Diklusion auch im Präsenzunterricht sein. Dieser Begriff gibt uns erst die Möglichkeit, Inklusion richtig zu diskutieren. Was bedeutet das eigentlich, digitale Bildung für die Inklusion umzusetzen? Es bedeutet Teilhabe – radikal gedacht. Es bietet einen Ausblick auf Chancengleichheit. Ich meine damit einen breiten Inklusionsbegriff, der sich nicht nur auf Kinder mit Beeinträchtigungen bezieht, sondern der wirklich alle Formen äußerlicher Erschwernisse ausgleicht, die Schülerinnen und Schüler betreffen können: von sozial oder sprachlich und beeinträchtigten über hochbegabte Kinder bis hin zu Schülerinnen und Schüler mit körperlichen Beeinträchtigungen. Inklusion meint, in Schule müssen wirklich alle Kinder müssen von Anfang an mitgedacht und mitgenommen werden.
Ich durfte Luisa bisher nur virtuell kennenlernen, aber ich bin ein großer Fan von ihr. Sie ist Künstlerin und Autorin – obwohl sie sich kaum bewegen kann. Mit 14 Jahren besitzt sie Kompetenzen, die wir wahrscheinlich nie erwerben können. Luisa hat ein Buch geschrieben und gemalt allein mit der Augensteuerung ihres Laptops. “Luisas Leben” handelt von ihrer eigenen Lebensgeschichte und der ihrer Familie. Das heißt, Luisa ist es ein unglaublich kluger Kopf, und diese Kreativität sichtbar zu machen, war eigentlich nur über digitale Medien möglich.
Die Kritik rund um den Begriff der Diklusion besteht darin, dass Inklusion und Chancengerechtigkeit in Zusammenhang mit digitalen Medien seit der Corona-Pandemie immer häufiger als PR-Begriff für eine simple Form von Digitalisierung herhalten muss. Dabei wird sichtbar, was wir (noch) nicht umgesetzt haben. Alle Schülerinnen und Schüler müssen die Möglichkeit haben, Bildung zu erfahren. Ich würde mich da an der Unesco orientieren, die die Voraussetzung für das Umsetzen diklusiver Bildung zusammen gefasst hat. Wir brauchen eine barrierefreie Infrastruktur, wir brauchen alle möglichen digitalen Anwendungen, um Schülerinnen und Schüler individuell fördern zu können, und wir brauchen natürlich auch die Einbettung der digitalen Technologien in pädagogische Konzepte.
Dr. Lea Schulz ist Studienleiterin am Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein. Sie bildet überdies Studierende in DiKlusion an der Europa-Universität Flensburg aus und gibt Seminare zum Thema “Lernen lernen”.
Um mich trotz Termindrucks wohlfühlen zu können! Das hat, glaube ich jede und jeder schon festgestellt: Meine Zeit ist begrenzt. Beim Geld ist das sofort klar: Sie können nur ausgeben, was Ihnen zur Verfügung steht. Das gilt eben auch für das Zeitbudget. Der erste Schritt der Selbstorganisation heißt also, für sich anzunehmen, dass ich niemals alle Aufgaben schaffen werde, die ich erledigen will. Analog findet sich immer noch etwas, was ich hätte besser machen können – Stichwort Perfektionismus. Oder welche Literatur ich noch lesen will. Oder irgendwelche Aufgaben, die mir sonst noch jemand auferlegen möchte. Ich werde nicht alles schaffen. Das erste ist, das anzuerkennen und zu akzeptieren.
Das zweite ist, in die Planung zu gehen. Ich plane meine Arbeitswoche und meinen Arbeitstag. Dabei ist es wichtig, nie die komplette Zeit zu verplanen. Bei Lehrerinnen und Lehrern ist der Alltag ohnehin durch die Arbeit mit den Schülern zeittechnisch sehr verplant. Lehrkräfte berichteten, gerade während Corona, von restlos ausgefüllten Tagen, weil sie immer ein Ohr für spontane Schülergespräche haben wollten. Das heißt, es gibt für Lehrer nur einen sehr geringen Teil an frei gestaltbarer Zeit. Wenn Sie etwa Korrekturen oder Unterrichtsvorbereitung einplanen, ist es meines Erachtens wichtig, Ihre Zeit nur ungefähr zu 60 Prozent zu verplanen. Lassen Sie 40 Prozent für spontane dringende Aufgaben offen. Sonst geraten Sie zu oft in Stress und kommen immer wieder ins Straucheln. Oder Sie haben am Ende des Tages das Gefühl, nicht das geschafft zu haben, was Sie erledigen wollten. Für eine gesunde Work-Life-Balance hilft es, vor dem anstehenden Tag oder am Abend zuvor in Ruhe die Aufgaben durchzugehen.
Ich finde es sehr sinnvoll, einen digitalen Kalender zu haben, in dem Schulleiter:innen wie Kolleg:innen die Übersicht behalten können. Das ist wichtig, um zu wissen, wann haben einzelne Kollegen Freiraum, wann kann ich mich mal mit jemanden treffen. Für die persönliche Planung kann es allerdings sehr hilfreich sein, wenn Sie Ihre Aufgaben handschriftlich festhalten. Das geht mit einem einfachen Hausaufgabenheft oder mit einem sogenannten “Bullet Journal”. Das ist ein ganz frei gestaltbares Buch, wo ich mir für den Tag die Aufgaben notiere und keine langen und unschaffbaren To-do-Listen anlege. In der Systematik des Bullet Journals wird das, was ich nicht schaffe, in den nächsten Tag oder einen anderen Tag in der Woche verschoben. Sie können dort abhaken und wegstreichen – und dann haben Sie dieses tolle Gefühl, “Ja, das habe ich geschafft.”
Manchmal ist es auch so, dass ich zwar eine Liste habe, mir aber die Konzentration für die Aufgaben fehlt, die ich mir vorgenommen habe. Dann lieber eine Pause einlegen und aktiv eine Entspannungsübung machen, um wieder regeneriert zu sein. Oder ich nehme von den vorgeplanten Aufgaben bewusst die Routine- oder schnelle Aufgabe. Wieder etwas abgehakt!
Das Wichtigste in den Ferien ist natürlich erst mal die Erholung! Das sagen Lehrer:innen ja auch zu Ihren Schüler:innen. Aber wenn es dann daran geht, das neue Schuljahr vorzubereiten, oder zu lernen und sich zu optimieren. Dabei finde ich es richtig, sich eigene übergeordnete berufliche Wachstumsziele zu überlegen – und nicht nur den Schulalltag zu planen. Stellen Sie sich die Frage, was Sie ausprobieren und dazu lernen wollen. Ein Bild, das beim Selbstmanagement für Lehrer hilft, einen Wasserkrug vorzustellen, der nicht überlaufen soll. Ich plane meine Aufgaben und lege gewissermaßen große Steine in den Wasserkrug. Das sind meine wichtigen und dringenden Aufgaben, die an diesem Tag unbedingt erledigt werden müssen. Ohne, dass das Wasser überläuft, planen Sie nun noch wichtige Aufgaben ein, die terminlich nicht dringend sind. Sie sollten nicht vergessen, diese für Ihren persönlichen Fortschritt einzuplanen – sonst haben Sie irgendwann das Gefühl, nur dem Terminplaner gerecht zu werden, aber nicht mehr sich selbst. Machen Sie sich in den Ferien Gedanken, welche Ziele und Aufgaben im kommenden Schuljahr Sie ganz persönlich weiter bringen, oder in die Wege geleitet oder vorbereitet sein müssen – für Ihre Zukunft.
Caroline Deinert ist Business-Coach und Hypnotiseurin. Sie bietet in den Ferien Coachings an – auch zu Selbstmanagement.
04.08.2021, 13:30-16:30 Uhr
Dialogforum: Beziehungen in der Digitalität
“Wie kommunizieren wir miteinander in einer digitalen Welt? Wie können wir mithilfe digitaler Medien kollaborativ arbeiten? Wie verändert sich das professionelle Selbstverständnis?” Das Netzwerk Bildung Digital diskutiert im Dialogforum (Panel + Austausch) über das Thema “Beziehungen in der Digitalität” – im Anschluss werden gemeinsam Ideen entwickelt, aus den besten drei werden Workshops. Wer nicht nur zuschauen, sondern bei der “Ideenwerkstatt” mitmachen möchte, sollte sich schleunigst anmelden, um einen der 125 Mitmach-Plätze zu bekommen. Anmeldung
25. und 26. August 2021
Forum: Open Education – Zukunftsgerichtete Bildung
Das Bündnis Freie Bildung möchte “den Austausch zwischen Zivilgesellschaft, Bildungspraxis und politischen Entscheidungsgremien verstärken, um zeitgemäßes Lehren und Lernen voranzubringen.” Dafür wird an zwei Tagen zum Thema Open-Education getagt, in Fachgruppen diskutiert und einer “bildungspolitischen Talkshow” beigewohnt. Themen: Bildungskompetenzzentren, Open-Data-Sozialindex, Lernrückstände, Digitalisierung in Schulen. Gäste der Talkshow: Margit Stumpp (Grüne), Marja-Liisa Völlers (SPD), Birke Bull-Bischoff (Linke), Peter Heidt (FDP). Moderation: Jöran Muuß-Merholz. Infos & Anmeldung