Table.Briefing: Bildung

AfD-Stiftung und Schule + Open Community will mehr OER + Gamescom

  • Politische Stiftungen bieten Schulen Partnerschaft an
  • Arbeitskongress der Open-Szene
  • Pädagoge Jens Großpietsch: “Schulbürokratie schadet”
  • Dräger geht zur Kühne-Stiftung
  • Digitales Lernen auf der Gamescom
  • Termine der kommenden Woche
  • Didaktik & Tools I: Lehrer Florian Emrich über OER
  • Didaktik & Tools II: Coach Isabell Probst über Kündigung
Liebe Leserin, lieber Leser,

selten zuvor wurde uns so klar wie im Corona-Lehrjahr, wie viele Aufgaben Lehrer zusätzlich zu bewältigen haben. Lehrkräfte waren Abstandwächter und Nähebeauftragte, sie mussten Masken verteilen und Schüler testen, demnächst sollen sie womöglich impfen oder zumindest das Impfen mit organisieren. Pädagoginnen und Pädagogen hatten den Auftrag, die Digitalpioniere zu geben – und sie mussten gleichzeitig als Prellbock für allerlei Anwürfe aus der Gesellschaft herhalten.

Jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, erinnert uns noch einmal ein Papier der politischen Stiftungen daran, welche Aufgabe wir vollkommen übersehen haben: Lehrkräfte müssen die Gereiztheit einer Gesellschaft puffern, die von aufgeregten sozialen Medien, schrillen Headlines und echten Katastrophen gezeichnet ist: sie müssen Schülern Demokratie beibringen. Nun wollen die parteinahen Stiftungen den Schulen aktiv ihre Hilfe dabei anbieten. Ich bin darüber zwiegespalten. Einerseits möchte ich den Stiftungen gratulieren, dass sie dieses wichtige Thema aufgreifen. Andererseits frage mich: Haben sie das Ende ihres Vorstoßes wirklich bedacht? 

Wenn man bedenkt, welch’ vielfältige Aufgaben den Pädagogen aufgebürdet werden, versteht man, warum Isabell Probst bei Lehrern derzeit so gefragt ist. Probst, selbst ehemalige Lehrerin, berät Pädagogen dabei, den Frust über Schule zu verarbeiten – und vielleicht hinzuschmeißen, also den Lehrerberuf an den Nagel zu hängen. Das mag individuell der richtige Schritt sein. Einer Gesellschaft aber, der die Lehrer regelrecht davonlaufen, kann das nicht helfen. 

Grübeln Sie nicht zu lange. Schauen Sie sich an, was mein Kollege Enno Eidens an Bildungsaktivitäten auf der Gamescom entdeckt hat. Stark!

Ihr
Christian Füller
Bild von Christian  Füller

Analyse

Politische Bildung künftig mit der AfD?

Diese Initiative sieht wichtig aus, enthält viele schöne Worte über die Demokratie – und könnte gefährlich sein. Die Stiftungen der politischen Parteien von der CSU bis zur Linken haben ein gemeinsames Papier verfasst, mit dem sie die AfD von der Schule fernhalten wollen. Tatsächlich laden sie die politische Stiftung des in Teilen verfassungswidrigen Rechtsauslegers de facto in die Schulen ein. Sollte die Desiderius-Erasmus-Stiftung nach der Bundestagswahl offiziell als politische Stiftung der AfD anerkannt werden, stehen ihr die Türen für die Beeinflussung von Schülerinnen und Schülern offen. Es werde sich nicht verhindern lassen, sagte einer der Autoren zu Bildung.Table, dass die AfD-nahe Stiftung in absehbarer Zeit aus Bundesmitteln finanziert werde.

Wie brisant das Papier ist, das die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die Hanns-Seidel-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung gerade der Öffentlichkeit präsentiert haben, kann man daran erkennen, dass es monatelang in den Giftschränken schmorte. Schon im Mai hatten sich die Stiftungen auf einen Text geeinigt – veröffentlicht wurde er erst jetzt: “Demokratische Einstellungen, demokratisches Handeln und das Vertrauen in die Institutionen werden nicht ‘vererbt’.” heißt es darin. Demokratische Haltungen müssten immer wieder neu erlernt und erarbeitet werden. An Schulen gebe es für Lehrer nicht etwa ein politisches Neutralitätsgebot, das verlangen würde, keine politische Bildung an Schulen zu betreiben. Im Gegenteil. “Im offenen Meinungsstreit sind kontroverse Positionen gleichberechtigt – solange sie mit der Verfassung im Einklang stehen.”

Große Zustimmung zu radikalen Positionen

Dass die Stiftungen in ihrem Papier diese Passage besonders herausheben hat Gründe: Erstens, sind die politischen Haltungen, die insbesondere in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen bei jungen Leuten in sogenannten “Monitoren” gemessen werden, zum Teil den autoritären und gewaltbereiten Einstellungen rechtsextremer Parteien sehr nah. Die politische Meinungsumfrage Sachsen-Monitor etwa offenbarte 2016 unter jungen Erwachsenen, “dass ein relativ hoher Anteil menschenfeindliche und rechtsradikale Einstellungen teilt.” In den Folgejahren wurde den jungen Leuten in Sachsen diese Frage einfach nicht mehr gestellt. Aber auch bundesweit grassieren unter Jugendlichen undemokratische Haltungen, wie die Mitte-Studie von Oliver Decker aus Leipzig belegte. Unter den 14- bis 30-Jährigen sind im Westen 15,8 Prozent ausländerfeindlich, im Osten 27,2 Prozent.

Der zweite Grund für die Intervention der politischen Stiftungen ist die “Desiderius-Erasmus-Stiftung”. Die AfD-nahe Einrichtung steht wohl in der neuen Legislaturperiode vor ihrer Anerkennung als förderfähige politische Stiftung der im Parlament vertretenen Parteien. Zuständig ist dafür der Deutsche Bundestag. Ein Gesetz, das Aufgaben und Zuschüsse für die parteinahen Stiftungen regelt, existiert bislang nicht. Die Erasmus-Stiftung hofft zunächst auf sieben Millionen, später auf 14 Millionen Euro nach der Bundestagswahl. Die Stiftung macht schon jetzt deutlich, worum es geht: “Unsere Aufgabe besteht darin, durch die Vermittlung staatsbürgerlicher Bildung mitzuhelfen, Klarheit und Transparenz zu schaffen.” Nur, was bedeutet hier Klarheit?

Manifest gegen Staatsgeld für AfD-nahe Stiftung

Nicht wenigen politischen Bildnern und Demokratielehrern graut vor der Aussicht, dass Björn Höcke, der vom Verfassungsschutz beobachtete Fraktionschef der AfD in Thüringen, durch die Hintertür der Erasmus-Stiftung wieder in seine alte Profession als Geschichtslehrer schlüpfen könnte. Eine Initiative von 13 Organisationen hat kürzlich in einem Manifest vor Bundesmillionen für rechte Verführer gewarnt. Auch die Stiftungen sind dieser Ansicht und betonen nun die Bedeutung des sogenannten Beutelsbacher Konsens. Er legt die Grundsätze fest, wie politische Bildung an Schulen stattfinden sollte. Die Stiftungen rufen im Grunde diesen Konsens vorauseilend in Erinnerung, falls die AfD-nahe Stiftung, die von Erika Steinbach geleitet wird, bald mit staatlichen Zuschüssen finanziert wird – und dann viel Geld zur Verfügung hätte, um Studierende zu fördern und Lernmaterialien zu erstellen. “Gerade, wenn politische Stiftungen an Schulen agieren, tragen sie dabei eine besondere Verantwortung“, lautet der fast verzweifelte Kernsatz des Papiers. “Als Richtschnur dient der ‘Beutelsbacher Konsens’ von 1977, den die politischen Stiftungen als Grundlage ihres Handelns übernommen haben.” 

Der Beutelsbacher Konsens sieht vor, dass an den Schulen parteipolitische Neutralität zu herrschen habe. Das bedeutet unter anderem, dass es ein Überwältigungsverbot gibt. Das heißt, Schülerinnen und Schüler “dürfen nicht im Sinne erwünschter Meinungen überrumpelt werden.” Ihnen darf keinesfalls eine politische Meinung übergestülpt werden und sie dürfen nicht mit Parteislogans indoktriniert werden. Vielmehr, so der zweite Grundsatz, muss Streitiges im politischen Diskurs der Gesellschaft auch als streitig in der Schule dargestellt werden. Mit anderen Worten: im Idealfall bilden sich die Ansichten der Schüler im politischen Meinungsstreit im Unterricht. Die Stiftungen wollten mit ihrem Papier zum einen dem Abbau von Demokratiebildung in der Schule entgegentreten und zum andern Lehrern den Rücken stärken: denn viele Lehrkräfte sind verunsichert angesichts menschenverachtender und autoritärer Haltungen, die auch in Schulen auftreten. Nicht wenige Lehrer vermeiden eine klare demokratische Positionierung, weil sie den Beutelsbacher Konsens falsch verstehen.

Desiderius-Erasmus-Stiftung vor den Schultoren

“Wir bieten uns den Schulen als Partner an”, sagte deswegen Melanie Piepenschneider von der Konrad-Adenauer-Stiftung. So löblich dieses Vorhaben grundsätzlich ist, um den Beutelsbacher Konsens im Dialog mit Lehrern zu definieren und diese zu stärken, so zwiespältig ist dieser Satz. Denn es dürfte klar sein, wie eine Erika Steinbach die Formel benutzen wird: um ihresgleichen den Schulen ebenfalls als Partner anzudienen. Was aber sollen ohnehin verunsicherte Lehrer einer im politischen Meinungskampf gestählten Frau wie Steinbach entgegensetzen? Ein Mitarbeiter einer parteinahen Stiftung betonte beinahe schuldbewusst, “dass auch wir mit Material an Schulen sind – aber nicht so viel.” Allein, warum sollte die AfD-nahe Stiftung dann darauf verzichten?

Ein von Bildung.Table befragter politischer Bildner kommentierte: “Warum haben die politischen Stiftungen eigentlich nicht die freien Träger sowie die Bundes- und die Landeszentralen für politische Bildung bei diesem Papier einbezogen?” Gerade weil die Parteinahen unter sich blieben, riefen sie die Gefahr hervor, dass eine anerkannte Erasmus-Stiftung bald ihrerseits politischen Kontakt zu Schulen suchen werde. “Wer berät diese Leute, kurz vor der Bundestagswahl so ein Papier zu verabschieden?”

Digitale Bildung als Randaspekt

Das zweite Manko des Stiftungspapiers ist, dass darin digitale Medienbildung nur mit einem einzigen Satz vorkommt. “In Zeiten der Digitalisierung kommt der schulischen politischen Bildung eine wachsende Bedeutung zu, um Jugendlichen zu ermöglichen, politische Informationen, die sie dem Internet bzw. den sozialen Medien entnehmen, verlässlich einordnen und bewerten zu können,” steht in den Merksätzen der Stiftungen, die den Parteien nahestehen. Nur ist die Konsequenz daraus so mau und unverbindlich wie die digitalen Lehrpläne der meisten Kultusminister: “Daher sollte politische Bildung an allen Schultypen einen breiteren Raum in den Curricula einnehmen.” Die Wahrheit ist, dass Untersuchungen zeigen, wie immer weniger politische Bildung an Schulen stattfindet. Und die große Frage lautet: sollte digitale Bildung etwa im Rahmen von politischer Bildung mit Schülern praktiziert werden? 

Experten in dem Feld warnen davor. Etwa Alexander Otto, der Schulleiter der Grace-Hopper-Gesamtschule in Teltow. Otto sagte Bildung.Table, das Problem der politischen Bildung liege nicht daran, dass es nicht genug Möglichkeiten gebe, sondern “es fehlt in der Schule schlichtweg der notwendige zeitliche Rahmen, um solche Angebote gewinnbringend im Sinne der Unterrichtsausgestaltung einzubeziehen.” Der Schulleiter ist der Auffassung, dass politische Bildung heute vor allem über digitale Medienbildung erreicht werde, nicht umgekehrt. Auch der stellvertretende Leiter der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, Tobias Thiel, verwies auf die digitalen Möglichkeiten, die politische Bildung stark veränderten. Früher sei es normal gewesen, erst ein Planspiel mit den Jugendlichen zu veranstalten, um politische Partizipation zu üben. “Wenn man heute Jugendgruppen wie ‘Fridays for Future’ betrachtet, dann wissen die zum Teil besser als wir, wie man sich an Öffentlichkeit und an Entscheidungsträger wendet. Da brauche ich kein Planspiel mehr.”

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    “OER macht es Lehrern leichter”

    Man sieht Dominik Theis, er spricht auch auf dem Forum Open Education
    Dominik Theis, Koordinator des “Bündnis für Freie Bildung”

    Herr Theis, heute und morgen trifft sich die Open-Bewegung zum Forum Open Education. Man hat kaum noch was von der Open-Szene gehört. Gehen Sie unter in dem Wettlauf zwischen Startups, US-Giganten und Schulbuchverlagen um die Geldtöpfe der Kultusminister? 

    Das sehe ich anders. Die Open Education-Community ist so stark wie noch nie. Mit dem Portal für Offene Lerninhalte “WirLernenOnline” konnten wir zeigen, wie schnell und effizient die Open Education und die Open Source-Bewegung während der Pandemie Unterstützung leisten konnte. 

    WirLernenOnline ging nur mit Millionenzuschüssen des Bundes. 

    Bildung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, und da haben alle Initiativen eine Daseinsberechtigung. Es geht darum, Bildung für alle zugänglich zu gestalten. Dabei dürfen kommerzielle Interessen nicht im Weg stehen. 

    Soll das heißen, dass Sie private Anbieter vom Wettbewerb ausschließen wollen? 

    In der Bildung sollte es nicht das Ziel sein, seine Profite zu vermehren, sondern alle Menschen als aktive gestaltende Bürgerinnen und Bürger an Schulen und Bildung ganz allgemein partizipieren zu lassen. Daher drängen wir darauf, die bürokratischen Hürden zu verringern, so dass es einfach und schnell möglich ist, auch kleinere gemeinnützige Initiativen zu fördern. Engagierte Lerninitiativen dürfen nicht hinter Apple und Microsoft oder auch den Schulbuchverlagen zurückgestellt oder von ihnen gar verdrängt werden. 

    Nochmal zu WirLernenOnline: das Portal ist einerseits ein Erfolg, andererseits kennt noch kaum ein Lehrer diesen Ort für offene Lerninhalte. Sind die Bundesmillionen falsch ausgegeben worden?

    An der Reichweite und Bekanntheit von WirLernenOnline (WLO) kann man sicher noch arbeiten. Deswegen kümmert sich der neue Beirat – der sich aus NutzerInnen-Gruppen, Eltern und SchülerInnen zusammensetzt – um strategische Partnerschaften. WLO wird voraussichtlich auch in die Nationale Bildungsplattform integriert.

    Da verliert man schnell den Überblick: Was ist diese nationale Bildungsplattform? Und was tut nun WLO genau, das ja selbst ein bundesweites Bildungsportal ist? 

    Die nationale Bildungsplattform ist Teil des digitalen Bildungsraums, der wiederum eine Maßnahme der “Initiative Digitale Bildung” der Bundesbildungsministerin ist. Die Bildungsplattform soll eine Metaplattform sein, die alle digitalen Lernangebote in Deutschland vernetzt. Darauf aufbauend soll sie noch weitere Services und Funktionen anbieten, zum Beispiel eine Art Zeugnis- und Zertifikatespeicher für jeden Bundesbürger.

    Gehört zu diesen Services dann auch der Zugriff auf die Lerninhalte, die bei WirLernenOnline zuhause sind? 

    Das kann ich mir vorstellen. WirLernenOnline ist eine Suchmaschine für offene und frei zugängliche Bildungsmaterialien. Lehrkräfte kuratieren diese Lerngegenstände und stellen sie je nach Schulfach und Lehrplanthemen zusammen, so dass andere Lehrkräfte darauf zugreifen oder sich inspirieren lassen können. Diese wichtige Funktion wird über die nationale Bildungsplattform bekannter gemacht.

    Wie sollen eigentlich drei Dutzend kuratierende Lehrer die Mammutaufgabe bewältigen, für 800.000 LehrerInnen rechtssichere und gute Lernmaterialien aufzubereiten? 

    Wenn man bedenkt, dass sie erst seit einem Jahr arbeiten, haben die echt viel geschafft. Bei WLO sind inzwischen 75 Redakteurinnen und Redakteure an der Arbeit, und sie haben rund 18.000 Inhalte in fast 3500 Sammlung geprüft und eingeordnet. Langfristig überlegt man, das über machine learning und KI zu beschleunigen. Sie werden sehen, dass wir dann sehr schnell viele Materialien bereithalten können und es eine bessere Übersicht für jeden Lehrer und jede Lehrerin geben wird. 

    Der Schulbuchverleger David Klett hat in einem Interview mit Bildung.Table die Befürchtung geäußert, dass die hochsubventionierten OER “an den Realitäten der Lehrerinnen und Lehrer vorbei entwickelt” werden. Wie gehen Sie mit diesen Vorwurf um? 

    Diese Kritik übersieht, dass Open Educational Resources nicht im luftleeren Raum, sondern mit einem sehr konkreten Zweck entwickelt werden: OER macht es Lehrern leichter, ihren SchülerInnen im Unterricht Kompetenzen und Inhalte zu vermitteln. Im übrigen gewinnen Investitionen, die in frei lizenzierte Bildungsmaterialien fließen, über die Zeit ja sogar an Mehrwert.

    Wie das?

    Einfach dadurch, dass sie für alle zugänglich und für immer abrufbar sind. Ich bin mir übrigens sicher, dass die LehrerInnen zunehmend diese Materialien bearbeiten und wieder teilen werden. Das kann man jetzt schon beobachten – zum Beispiel im Twitterlehrerzimmer. 

    Neben WirLernenOnline gibt es auch noch “Mundo”, die offene Lernplattform der Bundesländer, die praktisch das gleiche wie WLO macht.  Sollte man die beiden nicht einfach fusionieren? 

    Wir finden es erstmal klasse, dass Bund und Länder endlich eingesehen haben, die freien offenen Lernmaterialien besser sichtbar zu machen, die im Internet schon zuhauf existieren. Mundo und WLO verfolgen unterschiedliche Ansätze. Aber das ist gar nicht der Punkt. Entscheidend ist, dass alles, was öffentlich gefördert wird, quelloffen und über eine öffentliche Infrastruktur frei zugänglich sein muss. In der nationalen Bildungsplattform werden Mundo und WirLernenOnline perspektivisch nebeneinander stehen – und sich ergänzen. 

    Um was wird es ganz genau gehen, wenn sich die Aktivisten der Open-Bewegung heute und morgen treffen? 

    Um die Zukunft der Bildung!

    Geht’s ein bisschen konkreter?

    Wir haben für das Forum Open Education mehrere Arbeitsgruppen gebildet, die schon seit einiger Zeit aktiv sind. Da geht es um die Bildungskompetenzzentren, die die Bildungsministerin versprochen hat, wir wollen einen datenbasierten Sozialindex diskutieren und wir fragen uns, wie man die Lernstände erheben kann. Ganz allgemein ist unser Ziel, wie die Digitalisierung an Schulen besser akzeptiert und Bildungspolitik ko-konstruktiv gestaltet werden kann.

    Von den Bildungskompetenzzentren hat man ewig nichts mehr gehört. Hat Ihre Arbeitsgruppe herausgefunden, was die eigentlich machen sollen? 

    Mit dem Kompetenzzentren möchten Bundesregierung und Länder wissenschaftliche und praktische methodisch-didaktische Kompetenzen vernetzen und so Schulen gebündelt das Wissen zu Verfügung stellen. Aktuell ist nicht ganz klar, wie der Stand ist. Die Arbeitsgruppe des Forums begrüßt die Initiative aber – sofern das ein agile und veränderbare Struktur wird.

    Sehr kompliziert und sehr abstrakt. Was machen diese Kompetenzzentren genau? 

    So wie ich es verstanden habe, geht es darum Forschungsergebnisse in der Praxis zu erproben und erprobte Praxisbeispiele wissenschaftlich zu begleiten. 

    Aber machen das nicht schon die Lehrerbildungs- und Qualitätszentren der Länder? Fallen die dann weg?

    Nein, die Kompetenzzentren sollen keine lehrkräftebildenden Institutionen ersetzen, sondern dort angegliedert werden.

    Um den Lernstand der Schüler und Schülerinnen nach Corona gibt es Streit, weil viele Kultusminister die Daten ihrer Kompetenztests mit Lernenden nicht herausrücken wollen. Die Open Knowledge Foundation hat mehrere Bundesländer per “Frag den Staat” aufgefordert, die Vergleichsarbeiten zu veröffentlichen – und wollte die Länder sogar verklagen. Wie ist da der Stand?

    Grundsätzlich ist wichtig, dass man das Ausmaß der Bildungsbenachteiligung sichtbar machen kann. Dazu braucht man verlässliche Daten und die Gewissheit, die Daten der Vergleichsarbeiten von den KultusministerInnen dann auch zu bekommen. Wir können uns vorstellen, dass man die aktuellen Instrumente wie die sehr heterogenen Vergleichsarbeiten in der dritten und achten Klasse mit neuen Ansätzen zur Lernstandserhebung ergänzt. 

    Dominik Theis ist Projektmanager Bildungspolitik bei Wikimedia und Koordinator des Bündnis für Freie Bildung. Das Forum Open Education findet heute und morgen online statt.

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      Schulen sollen möglichst viel selber machen

      Pädagoge Jens Großpietsch: Schulen sollen möglichst viel selber machen
      Pädagoge Jens Großpietsch

      Gastbeitrag von Jens Großpietsch

      Bis zum Beginn der Sommerferien war ich stark in den schulischen Betrieb an der Freudbergschule eingespannt, an der ich als pädagogischer Berater tätig bin. Dazu gehörte die Übernahme des Vertretungsunterrichts für einen längeren Zeitraum in einer Klasse mit jahrgangsübergreifendem Lernen der 7. – 9. Klasse. Das fiel in die Zeit, als eigentlich drei Schüler:innengruppen parallel unterrichtet wurden: zwei Gruppen, die abwechselnd zur Schule kamen, und jene Gruppe von Schüler:innen, die aus unterschiedlichen Gründen ganz zu Hause unterrichtet wurden. Eigentlich war da sogar noch eine vierte Gruppe, nämlich die Schüler:innen, die jeden Tag in der Schule waren. Das nicht nur beobachtend zu erleben, sondern praktisch von der Vor- bis zur Nachbereitung war eine wichtige und neue Erfahrung.

      Nun sind die technischen Voraussetzungen bei uns zum Glück gut, und die Schüler:innen beherrschten schon vorab viele Tools. Trotzdem war es eine sehr (!) herausfordernde, interessante, anstrengende Zeit. Was ich von manchen anderen Schulen hörte und las, erfreute mich teilweise: Etliche Kolleg:innen setzten trotz aller Einschränkungen pädagogisch neue Dinge um. Zugleich machte es mich auch zornig. Warum? Je weiter man nach “oben” schaute, umso schlimmer wurde es, nein ist es: Eine Schulsenatorin, die nicht weiß, wie Schule funktioniert, und eine Schulbehörde, die fern jeder schulischen Praxis agiert. Nur mal ein Beispiel: wenn freitagabends die Nachrichten eintrudelten, wie man ab Montag Schule zu betreiben hätte, dann ist die Einbeziehung von Kolleg:innen und Eltern gar nicht möglich; genau diese Praxis wird auch im aktuellen Schuljahr wieder fortgesetzt.

      Schulen wollen mehr Steuerung, statt mehr Freiheit

      Die Politik glaubt, durch Verordnungen im Detail Schule steuern zu können, sie hat keine pädagogisch langfristigen Ziele oder reagiert kurzfristig auf Notsituationen, die in Wahrheit absehbar waren. Das endet zumeist fantasielos. Viele Stimmen in der Gesellschaft, aber auch viele Schulen fordern mehr Steuerung – anstatt mehr Freiheit. Die Wahrheit ist, dass die Schulen, die möglichst viel selbst in Hand genommen haben, noch am besten über die Runden kamen. Das ist keine neue Erkenntnis. Aber selbst da, wo es möglich war, haben viele Schulen und einige Lehrer:innen nicht einfach das gemacht, was möglich und nötig war – sondern haben sich Sorgen um ausgefallene Tests gemacht oder kopierte Arbeitsblätter aus der Schule abholen lassen.

      Gut an dieser Zeit war, dass es etliche Problemfelder deutlicher machte. Es wird nun nicht mehr darüber diskutiert, ob man digitale Endgeräte für alle Schüler:innen und Lehrer:innen zur Verfügung stellen solle, sondern bestenfalls darüber, ab welchem Alter und insbesondere, wie die Geräte genutzt werden sollen. Lustig fand ich die “Erkenntnis” im Jahr 2020, dass ein digitales Endgerät ein selbstverständliches Dienstwerkzeug für Lehrer:innen sei. Eher traurig sind viele andere Bereiche, wo Schulen auf eine zentrale Lösung eigentlich angewiesen sind. Es ist zum Beispiel kaum zu glauben, dass die Schulbehörden immer noch nicht in der Lage sind, den Schulen eine datenschutzkonforme kostenlose Schulcloud zur Verfügung zu stellen.

      Schulen sind in Berlin (Deutschland) weiterhin gut beraten, so viel wie möglich einfach mal selber zu machen – und eben nicht auf staatliche Lösungen zu hoffen. Die staatlichen Institutionen sind oftmals nicht in der Lage, die Daten zu erheben, die für eine zentrale Steuerung nötig wären. In Berlin verlassen 700 Lehrer:innen das Bundesland – und der Senat befragt sie nicht mal, warum sie gehen.

      Private Schulen werden faktisch behindert

      Was ich in den letzten Jahren gelernt habe, sind die großen Vorteile einer Schule in privater Trägerschaft, einer kleinen Schule, einer Neugründung. Dazu gehört leider auch die Erfahrung, wie Schulen in privater Trägerschaft Steine in den Weg gelegt werden. Sie werden faktisch behindert, Schüler:innen aus bildungsfernen Elternhäusern aufzunehmen. Es ist schwer zu glauben, wie vorurteilsbeladen die meisten bildungspolitisch verantwortlichen Personen Privatschulen gegenüber stehen. Und es ist traurig, wie wenig sie bereit sind, sich sachkundig zu machen. Die, die es besser wissen, trauen sich innerparteilich nicht. “Du weißt doch, wenn ich das innerparteilich vertrete, was dann los ist”, bekomme ich zu hören. 

      Davon haben wir uns an der Freudbergschule nicht hindern lassen. Die “technische” Ausrüstung war vom ersten Tag an gut. Unsere Lehrer:innen bekamen schon immer ein Dienstlaptop, WLAN läuft stabil und wenn nicht, wird schnell nachgebessert. Die Nachfrage für Schulplätze an unserer Schule übersteigt um ein Vielfaches die Plätze, die wir anbieten können. Wir könnten mehrere Grundschulen betreiben – und inzwischen ebenso viele Oberschulen. Der erste Jahrgang der Grundschule geht jetzt in die Oberschule über, die Übergangsquote liegt bei 90 Prozent. Der erste Jahrgang hat mit der zehnten Klasse unsere Schule abgeschlossen, mit überaus erfreulichen MSA-Ergebnissen. Die Präsentationsprüfungen waren für mich als Prüfer ein Highlight meiner pädagogischen Praxis

      Palästina-Konflikt im israelisch-palästinensischen Duett

      Zwei Beispiele: Das Thema “Der Palästinakonflikt” bearbeiteten und präsentierten zwei Mädchen, gute Freundinnen. Ein Mädchen mit jüdischem Hintergrund und das andere mit palästinensischem Hintergrund. Nicht nur die Kombination war toll, sondern auch inhaltlich und in der Form war das großartig. Ein anderer Schüler beschäftigte sich mit Architektur in Sardinien – gründlich recherchiert, gut vorgetragen und konnte auf alle Nachfragen antworten. Ihn interessierte die Note eher am Rande – er wollte mit uns Lehrer*innen gern inhaltlich weiter über sein Thema sprechen.

      Die Möglichkeiten für Schüler:innen aus bildungsfernen Elternhäusern an unserer Schule sind noch einmal deutlich besser als z. B. an der Heinrich-von-Stephan-Schule, wo ich lange Schulleiter war. Die Schüler:innenmischung ist deutlich besser steuerbar. Die Möglichkeiten, über den reinen Unterricht hinaus, also der individuellen Betreuung auch neben der Schule, sind deutlich besser machbar. Viel mehr Lehrer:innen haben diese Schüler:innen im Fokus bzw. wissen, dass wir als Schule den Anspruch haben, besonders für diese Schüler:innen da zu sein. Nicht zuletzt, weil der Schulgründer, Nizar Rokbani, ausdrücklich will, dass an seiner Schule alle Kinder eine Chance bekommen, egal welcher Herkunft sie sind. 

      Lehrerkandidaten, die Fächer statt Kinder unterrichten

      Zu den pädagogischen Kräften gäbe es viel zu schreiben. Sie als Schule selber aussuchen zu können (immer unter Beteiligung von Kollegen:innen), sie gegebenenfalls auch kündigen zu können (was bisher nur ganz selten vorkam) und Strukturen vorgeben zu können, die etwa Kooperation unumgänglich machen – das ist wunderbar. Pädagogische Vorgaben, auf die sich die alle Kollegi:nnen einstellen müssen machen zu können – das ist sehr hilfreich. Viele unserer Bewerber:innen sind leider für wichtige Lernbereiche gar nicht ausgebildet. Sie studieren Fächer, müssen aber Schüler:innen unterrichten. Der Morgenkreis taucht vielleicht noch auf, der Klassenrat eher nicht. Das Lernen von Basiskompetenzen (“Was ist das denn?” lautete eine Lehrer:innenfrage beim Einstellungsgespräch, und er/sie war gut!) oder dass die Schüler:innen fast einen kompletten Tag in der Woche an ihren eigenen Themen arbeiten – das alles wird in Lehrerseminaren offenbar weder theoretisch noch praktisch gelehrt/gelernt.

      Was mich am meisten interessiert: Wie können die Kinder aus bildungsfernen, eher armen Elternhäusern so gestärkt werden, dass sie, auch über die Schulzeit hinaus, erfolgreich ihr Leben bestreiten

      Jens Großpietsch ist Konrektor an der Freudbergschule. Er wurde gerade vom Tagesspiegel zum “Berliner der Woche” erhoben. Für Bildung.Table hat der ehemalige Schulleiter des “Wunders von Moabit”, der berühmten Heinrich-von-Stephan-Schule, sein Coronajahr zusammengefasst.

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        Jörg Dräger geht zu Kühne-Stiftung

        Jörg Dräger geht zu Kühne
        Jörg Dräger wird Geschäftsführender Stiftungsrat der Kühne-Stiftung

        Das Geheimnis um die nächste berufliche Station von Deutschlands wichtigstem Bildungsdigitalisierer ist gelüftet. Der Noch-Vorstand der Bertelsmann-Stiftung Jörg Dräger geht zu Kühne in die Schweiz. Ab April 2022 wird Deutschlands einflussreichster Bildungsdigitalist für die Kühne-Stiftung tätig sein. Dräger wird dort Geschäftsführender Stiftungsrat, teilte die Kühne-Stiftung in der vergangenen Woche mit. Man freue sich über eine “Persönlichkeit, die beste Voraussetzungen mit sich bringt, die Kühne-Stiftung strategisch weiterzuentwickeln und zukünftige Wachstumsschwerpunkte zu definieren und umzusetzen”, heißt es in einer Erklärung. 

        Die Kühne-Stiftung hat zwar ihren Sitz in Schindellegi im Kanton Schwyz, geht aber auf eine Hamburger Wirtschaftsinstanz zurück. Hinter der 1976 gegründeten Stiftung steht das Logistikunternehmen Kühne+Nagel. Die Stifterfamilie Kühne lebt in der Schweiz. 

        Durch Aktivitäten in der digitalen Bildung ist die Kühne-Stiftung bisher nicht aufgefallen. Ihre Schwerpunkte liegen eher in der Förderung von Medizin, Logistik und “liberaler Wirtschaftsordnung”, wie es im Portfolio heißt. In Davos unterhält die Stiftung einen Medizincampus sowie die Hochgebirgsklinik. Für Dräger, der mehrere Bücher über digitale Bildung geschrieben hat, dürfte sich damit auch sein Themenschwerpunkt verschieben. 

        Von digitaler Bildung zur Logistikforschung

        Es sind wohl eher die Hamburger Verbindungen, die Drägers Berufung begünstigt haben. In Hamburg hat die Kühne-Stiftung 2007 mit einer Großspende die Kühne School of Logistics and Management als Filiale der TU Hamburg-Harburg gegründet, die seit 2010 als Kühne Logistics University firmiert. Deren Ausbau will man nun “besondere Aufmerksamkeit” widmen, teilt die Stiftung mit. “In Logistik, Medizin, Kultur sowie im humanitären Bereich steht die Kühne-Stiftung vor einer Vielzahl von neuen Aufgaben,” sagte der Präsident des Stiftungsrats, Klaus-Michael Kühne. Jörg Dräger hat mit Hochschulentwicklung in der Hansestadt bereits Erfahrung. Nach seiner Zeit als Senator unter Ole von Beust baute der promovierte Physiker mit reicher Wirtschaftserfahrung dort das Northern Institute of Technology auf. 

        Als der 53-Jährige vor wenigen Wochen seinen Rückzug aus der Bertelsmann-Stiftung zum Ende des Jahres bekannt gab, kündigte er vage an, sich künftig neuen “internationalen Aufgaben” zu widmen. Das passt zur Absicht der Kühne-Stiftung, ihren logistikwissenschaftlichen Bereich internationaler auszurichten. Dräger nannte seinen neuen Job eine “einmalige Chance” für weltweite Aktivitäten. “Als große operative Stiftung, die ihre Projekte selbst definiert und steuert, hat die Kühne-Stiftung das Potenzial, in ihren Schwerpunktthemen weltweit wirksam zu werden.” Neben Dräger wird Christian Berthold weiterhin als Geschäftsführer tätig sein. Christine Keilholz

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          • Digitale Bildung
          • Digitalisierung

          Digitales Lernen beim Gamescom Congress 2021

          Am heutigen 25. August startet die zweite rein-digitale Gamescom. Wegen der CoronavirusPandemie muss Europas größte Spielemesse abermals von der Kölner Messe in den virtuellen Raum ausweichen. Dort gibt es bis Freitag digitale Events, Livestreams und Online-Anspielmöglichkeiten. Die begleitende Fachkonferenz “gamescom congress” findet am Donnerstag und Freitag statt. Einer ihrer diesjährigen Schwerpunkte ist das Thema “Digitales Lernen”. Diverse Vorträge und Workshops (Übersicht) sollen zeigen “wie Games den Schulalltag bereichern können.” Bei Workshops ist eine rechtzeitige Anmeldung notwendig, bei Vorträgen nicht.

          Einen Einstieg in das Thema “Games in der schulischen Bildung” geben Professor Jan M. Boelmann (Pädagogische Hochschule Freiburg) und Çiğdem Uzunoğlu (Stiftung Digitale Spielekultur). Ihre Diskussion am Donnerstagvormittag um 11:30 Uhr soll die “konkreten Chancen und Herausforderungen für den Einsatz von Games im Schulunterricht” beleuchten. Auch über die nötigen Voraussetzungen an den Schulen und das allgemeine Thema Digitalisierung an deutschen Schulen wollen die beiden sprechen. Diskussion: Zur Machbarkeit von Games in der schulischen Bildung, 26. August, 11:30 – 11:50 Uhr

          Spiele im Unterricht: Fake News, E-Sports und Programmieren

          Pädagogisch und inhaltlich konkreter wird es am Donnerstagnachmittag. Janek Stechel vom Zentrum für didaktische Computerspielforschung spricht in seinem Workshop darüber, wie das Thema Fake-News im Unterricht mit Computerspielen erarbeiten kann. Workshop: Mit Computerspielen Fake News im Unterricht thematisieren, 26. August, 16:30 – 18:30 Uhr

          Am Freitagvormittag sollen gemeinsam praktische Methoden für Gaming im Unterricht gefunden werden. Bei einem “kreativen und kooperativen Planspiel” entwickeln die Teilnehmer:innen Konzepte, um “Computerspiele im Unterricht und Schulkontext” erfolgreich einsetzen zu können. Damit richtet sich der Workshop gezielt an Lehrkräfte. Swantje Borukhovich-Weis, Inga Gryl und Ewa Łączkowska von der Universität Duisburg-Hessen leiten den Workshop. Planspiel-Workshop: Kreativ und kooperativ – wir entwickeln Ideen für den Einsatz von Computerspielen im Unterricht, 27. August, 11:30 – 13:00 Uhr

          Andere Workshops, Panels und Vorträge auf dem gamescom congress beschäftigen sich mit E-Sports, Programmieren im Unterricht, Inklusion und Games sowie Computerspielen im Literatur- und Geschichtsunterricht. Abseits vom Bildungs-Thema geht es um Games in Verbindung mit Innovationen, Gesundheit und Politik. Im Bildung.Table finden sie weitere Informationen zum Thema Game-based Learning und praktische Beispiele für Games im Unterricht. Von Enno Eidens

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            • Game-based Learning
            • Unterricht

            Termine

            25. August 2021
            Fortbildung: Wie sich Lehrer vernetzen
            Nina Toller ist eine der bekanntesten Lehrerin im Netz. Sie spricht über die Vorteile davon, sich überregional mit anderen Lehrkräften auszutauschen. Anmeldung

            26. und 27. August
            Kongress: Gamescom Congress 2021
            Der “gamescom congress” soll begleitend zur Spielemesse zeigen “dass in Spielen weit mehr als Entertainment steckt”. Einer der diesjährigen Schwerpunkte ist das Thema digitales Lernen. Informationen & Anmeldung

            1. September
            Runder Tisch: WirFürSchule trifft Kultusminister
            Im Rahmen des Hackathon WirFürSchule entstand ein Zielbild für Neues Lernen und eine andere Schule. Kommende Woche treffen die Macher:innen mit der Konferenz der Kultusminister zusammen.

            Didaktik & Tools

            OER selbst erstellen

            Was ist der pädagogische Vorteil von selbst erstellten OER-Lernmaterialien?

            Dass ich diese OER-Materialien auf meine Lerngruppe anpassen kann. Bei herkömmlichen Lerninhalten ist das nicht möglich: weil sie oft urheberrechtlich geschützt sind und von daher nicht verändert werden dürfen. Sie können oft auch gar nicht verändert werden, weil es zum Beispiel PDFs sind. Selbst erstellte OER aber kann ich ganz genau auf die Bedürfnisse meiner Schülerinnen und Schüler zuschneiden. Mich hat bei Open Educational Resources immer der Hintergedanke gereizt, dass sie zu einer Weiterentwicklung führen und vielleicht sogar eine große Reise machen, indem viele andere mitarbeiten und kreativ werden. Dazu gleich mehr.

            Welche technischen Voraussetzungen braucht man?

            Erst mal gar keine. Open Educational Resources oder offene Lernmaterialien gibt es sowohl im digitalen Format als auch analog, etwa als ganz normale Arbeitsblätter. Also OER können gedruckte Arbeitshefte sein oder PDF-Dateien, Videodateien usw. usf. Offene Lernmaterialien sollten eigentlich so gestaltet sein, dass sie mit einer möglichst niederschwelligen Ausstattung nutzbar und auch veränderbar sind. Es soll eben nicht so sein, dass ich eine ganz bestimmte Software brauche, um das Material weiter zu bearbeiten. Im besten Fall geht das mit open source-Anwendungen – oder schlicht per Hand. 

            Sind OER auch nach der Pandemie in der Präsenz sinnvoll?

            Ja klar. Ich habe mit meinen Mieze-Mia-Heften schon vor über zehn Jahren angefangen. Das bedeutet: Selbst erstellte OER sind sinnvoll – ganz unabhängig davon, in welcher medialen Form sie auftreten. 

            Pro-Tipp

            Mein OER-Highlight war eindeutig die Mathe-Mieze Mia vor ziemlich genau 12 Jahren. Ich habe damals – wie man es heute nennen würde – einen kleinen Hackathon gestartet und ganz viele Lehrer angefragt, ob sie mit mir zusammen ein Mathe-Knobelheft entwickeln wollen. Die Idee war, herausfordernde Aufgaben im Rechnen für die Klassenstufe eins zu gestalten. Ich habe eine Reihe von Kollegen gefunden, die mitgearbeitet haben, die die Aufgaben entwickelt haben, die Korrektur gelesen haben und so weiter.

            OER selbst erstellen
            Knobelaufgaben “Mieze Mia”

            Daraus ist ein kleines Arbeitsheft mit 64 Seiten im A5-Format entstanden. Wir haben das immer wieder nachdrucken lassen. Das ging rechtssicher, weil es selbst erfundene, urheberrechtsfreie Materialien waren. Wir haben diese Arbeitshefte zum Selbstkostenpreis weiter verkauft. Ich würde behaupten, dass wir im Lauf der Zeit 20.000 von diesen Heften in Grundschulen gebracht haben. Ich finde das beeindruckend, weil es umgerechnet ein halbes Stadion voller Schüler:innen ist, das mit jenem Arbeitsheft gearbeitet und gelernt hat, das wir selbst kollektiv entwickelt haben. Wir hatten keinen kommerziellen Hintergedanken. Der Ansporn war, guten Unterricht zu ermöglichen, der nicht viel kosten sollte. Wir haben die Hefte für 50 Cent verkauft. Das war der Selbstkostenanteil, so viel wollte die Druckerei. Wenn man das mit ähnlichen Heften von Verlagen vergleicht, dann liegen die bei fünf bis sechs Euro.

            Kritik 

            Das Problem von OER, das ich von Anfang an erlebte und nach wie vor bemerke, ist, dass der eigentliche Mehrwert so gut wie nicht zum Tragen kommt. Die Idee von offenen Materialien ist, dass ich die Quellen veröffentliche und eine Bearbeitung und eventuelle Weiterentwicklung ermögliche. Das findet aber kaum statt. Die Lehrer rezipieren das, sie laden die Materialien runter und setzen sie auch im Unterricht ein. Aber dass veränderte Dateien wieder hochgeladen und weiter geteilt werden, findet so gut wie nicht statt. Der Konsument hat den Vorteil, dass es kostenlos oder sehr günstig ist und er es verändern kann. Der Produzent erstellt das Material – und fertig.

            Florian Emrich ist Konrektor und Medienberater der Katholischen Grundschule Niederkassel. Die Mieze gibts bei der ZUM, der Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e.V.

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              Beruf muss nicht Qual sein

              Kann Kündigung und Austritt aus dem Beamtenverhältnis Erholung bedeuten?

              Erholung durch Kündigung – das klingt natürlich erst mal provokativ. Ich würde empfehlen, dass man intensiv schaut, worin eigentlich die wahrgenommene Belastung besteht. Die Erfahrung zeigt, dass die Belastung eigentlich gar nicht unbedingt im Umfang der Arbeit empfunden wird, also in der Zahl der Stunden. Meistens liegt es in der Art der Arbeit, in der seelischen, körperlichen und gesundheitlichen Belastung. Hier besteht meiner Einschätzung nach eine sehr hohe reale Chance auf Erholung. Viele Ex-Lehrkräfte, die ich kenne, berichten, dass sie die Tätigkeit, die sie nach der Schule ausführen, überhaupt nicht mehr als Arbeit empfinden. Diese Menschen haben die Arbeit an der Schule immer als etwas stressiges und maximal auslaugendes erfahren. Jetzt, nachdem sie die Schule hinter sich gelassen haben, merken sie: Beruf muss nicht Qual sein. 

              Was muss man tun, um sich vom Lehrerberuf zu lösen? 

              Die Grundvoraussetzung dafür, sich vom Lehrberuf zu lösen, ist aus meiner Sicht die volle Verantwortungsübernahme für die eigene berufliche Zufriedenheit. Das ist nichts anderes als die Erkenntnis, dass nicht der Dienstherr dafür zuständig ist, nicht die Schulleitung, die Schüler oder Eltern, sondern allein ich. Nur ich kann das verändern – in dem Moment, wo man das versteht, kommt man raus aus der passiven Opferhaltung und geht ins Handeln. Bei vielen, die sich so entscheiden, ploppen ganz viele Ängste auf. Ich empfehle, diese Ängste ganz genau zu betrachten, wo die herkommen? Man sollte sich ihnen stellen. Sobald man beginnt, diese Ängste zu bearbeiten, macht man sich frei von Schule. Praktisch geht die Kündigung übrigens ganz einfach: denn jede Lehrerin und jeder Lehrer ist nur einen Zweizeiler an den Dienstherrn von seiner Entlassung entfernt. 

              Wie verhalte ich mich, wenn ich dem Dienstherrn die Kündigung mitgeteilt habe?  

              In dieser Übergangszeit, die ja durchaus ein paar Monate dauern kann, halte ich es für wichtig, dass man seine Arbeit vollkommen korrekt und menschlich zugewandt bis zum letzten Tag erledigt. Man muss nicht schon frühzeitig provokativ jedem seine Kündigung auf die Nase binden – denn davon können sich Menschen angegriffen fühlen. Gleichzeitig würde ich aber meine Entscheidung immer selbstbewusst und mit großer Klarheit vertreten. Es ist ratsam, sich nicht in Diskussionen oder Rechtfertigungen verwickeln zu lassen, sondern die Trennung ganz klar als persönliche Entscheidung darzustellen. Ein paar Wochen vor Ende des Schuljahres sollte man als Lehrkraft an Eltern und Schülern kommunizieren, dass man aussteigt. Ich würde deutlich machen, dass es eine als persönliche Entscheidung ist, die nichts mit denjenigen zu tun hat, die man zuletzt unterrichtete. Man sollte den Beteiligten auch signalisieren, dass man seine Arbeit ganz korrekt zu Ende bringt und eine gute Übergabe leisten wird.

              Isabell Probst berät als Laufbahncoach und Businessmentorin Lehrkräfte beim Berufswechsel in die freie Wirtschaft – und bei der Gründung einer neben- oder hauptberuflichen Selbstständigkeit. Probst war selbst Studienrätin für Englisch und Geschichte

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                  • Didaktik & Tools II: Coach Isabell Probst über Kündigung
                  Liebe Leserin, lieber Leser,

                  selten zuvor wurde uns so klar wie im Corona-Lehrjahr, wie viele Aufgaben Lehrer zusätzlich zu bewältigen haben. Lehrkräfte waren Abstandwächter und Nähebeauftragte, sie mussten Masken verteilen und Schüler testen, demnächst sollen sie womöglich impfen oder zumindest das Impfen mit organisieren. Pädagoginnen und Pädagogen hatten den Auftrag, die Digitalpioniere zu geben – und sie mussten gleichzeitig als Prellbock für allerlei Anwürfe aus der Gesellschaft herhalten.

                  Jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, erinnert uns noch einmal ein Papier der politischen Stiftungen daran, welche Aufgabe wir vollkommen übersehen haben: Lehrkräfte müssen die Gereiztheit einer Gesellschaft puffern, die von aufgeregten sozialen Medien, schrillen Headlines und echten Katastrophen gezeichnet ist: sie müssen Schülern Demokratie beibringen. Nun wollen die parteinahen Stiftungen den Schulen aktiv ihre Hilfe dabei anbieten. Ich bin darüber zwiegespalten. Einerseits möchte ich den Stiftungen gratulieren, dass sie dieses wichtige Thema aufgreifen. Andererseits frage mich: Haben sie das Ende ihres Vorstoßes wirklich bedacht? 

                  Wenn man bedenkt, welch’ vielfältige Aufgaben den Pädagogen aufgebürdet werden, versteht man, warum Isabell Probst bei Lehrern derzeit so gefragt ist. Probst, selbst ehemalige Lehrerin, berät Pädagogen dabei, den Frust über Schule zu verarbeiten – und vielleicht hinzuschmeißen, also den Lehrerberuf an den Nagel zu hängen. Das mag individuell der richtige Schritt sein. Einer Gesellschaft aber, der die Lehrer regelrecht davonlaufen, kann das nicht helfen. 

                  Grübeln Sie nicht zu lange. Schauen Sie sich an, was mein Kollege Enno Eidens an Bildungsaktivitäten auf der Gamescom entdeckt hat. Stark!

                  Ihr
                  Christian Füller
                  Bild von Christian  Füller

                  Analyse

                  Politische Bildung künftig mit der AfD?

                  Diese Initiative sieht wichtig aus, enthält viele schöne Worte über die Demokratie – und könnte gefährlich sein. Die Stiftungen der politischen Parteien von der CSU bis zur Linken haben ein gemeinsames Papier verfasst, mit dem sie die AfD von der Schule fernhalten wollen. Tatsächlich laden sie die politische Stiftung des in Teilen verfassungswidrigen Rechtsauslegers de facto in die Schulen ein. Sollte die Desiderius-Erasmus-Stiftung nach der Bundestagswahl offiziell als politische Stiftung der AfD anerkannt werden, stehen ihr die Türen für die Beeinflussung von Schülerinnen und Schülern offen. Es werde sich nicht verhindern lassen, sagte einer der Autoren zu Bildung.Table, dass die AfD-nahe Stiftung in absehbarer Zeit aus Bundesmitteln finanziert werde.

                  Wie brisant das Papier ist, das die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, die Hanns-Seidel-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Heinrich-Böll-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung gerade der Öffentlichkeit präsentiert haben, kann man daran erkennen, dass es monatelang in den Giftschränken schmorte. Schon im Mai hatten sich die Stiftungen auf einen Text geeinigt – veröffentlicht wurde er erst jetzt: “Demokratische Einstellungen, demokratisches Handeln und das Vertrauen in die Institutionen werden nicht ‘vererbt’.” heißt es darin. Demokratische Haltungen müssten immer wieder neu erlernt und erarbeitet werden. An Schulen gebe es für Lehrer nicht etwa ein politisches Neutralitätsgebot, das verlangen würde, keine politische Bildung an Schulen zu betreiben. Im Gegenteil. “Im offenen Meinungsstreit sind kontroverse Positionen gleichberechtigt – solange sie mit der Verfassung im Einklang stehen.”

                  Große Zustimmung zu radikalen Positionen

                  Dass die Stiftungen in ihrem Papier diese Passage besonders herausheben hat Gründe: Erstens, sind die politischen Haltungen, die insbesondere in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen bei jungen Leuten in sogenannten “Monitoren” gemessen werden, zum Teil den autoritären und gewaltbereiten Einstellungen rechtsextremer Parteien sehr nah. Die politische Meinungsumfrage Sachsen-Monitor etwa offenbarte 2016 unter jungen Erwachsenen, “dass ein relativ hoher Anteil menschenfeindliche und rechtsradikale Einstellungen teilt.” In den Folgejahren wurde den jungen Leuten in Sachsen diese Frage einfach nicht mehr gestellt. Aber auch bundesweit grassieren unter Jugendlichen undemokratische Haltungen, wie die Mitte-Studie von Oliver Decker aus Leipzig belegte. Unter den 14- bis 30-Jährigen sind im Westen 15,8 Prozent ausländerfeindlich, im Osten 27,2 Prozent.

                  Der zweite Grund für die Intervention der politischen Stiftungen ist die “Desiderius-Erasmus-Stiftung”. Die AfD-nahe Einrichtung steht wohl in der neuen Legislaturperiode vor ihrer Anerkennung als förderfähige politische Stiftung der im Parlament vertretenen Parteien. Zuständig ist dafür der Deutsche Bundestag. Ein Gesetz, das Aufgaben und Zuschüsse für die parteinahen Stiftungen regelt, existiert bislang nicht. Die Erasmus-Stiftung hofft zunächst auf sieben Millionen, später auf 14 Millionen Euro nach der Bundestagswahl. Die Stiftung macht schon jetzt deutlich, worum es geht: “Unsere Aufgabe besteht darin, durch die Vermittlung staatsbürgerlicher Bildung mitzuhelfen, Klarheit und Transparenz zu schaffen.” Nur, was bedeutet hier Klarheit?

                  Manifest gegen Staatsgeld für AfD-nahe Stiftung

                  Nicht wenigen politischen Bildnern und Demokratielehrern graut vor der Aussicht, dass Björn Höcke, der vom Verfassungsschutz beobachtete Fraktionschef der AfD in Thüringen, durch die Hintertür der Erasmus-Stiftung wieder in seine alte Profession als Geschichtslehrer schlüpfen könnte. Eine Initiative von 13 Organisationen hat kürzlich in einem Manifest vor Bundesmillionen für rechte Verführer gewarnt. Auch die Stiftungen sind dieser Ansicht und betonen nun die Bedeutung des sogenannten Beutelsbacher Konsens. Er legt die Grundsätze fest, wie politische Bildung an Schulen stattfinden sollte. Die Stiftungen rufen im Grunde diesen Konsens vorauseilend in Erinnerung, falls die AfD-nahe Stiftung, die von Erika Steinbach geleitet wird, bald mit staatlichen Zuschüssen finanziert wird – und dann viel Geld zur Verfügung hätte, um Studierende zu fördern und Lernmaterialien zu erstellen. “Gerade, wenn politische Stiftungen an Schulen agieren, tragen sie dabei eine besondere Verantwortung“, lautet der fast verzweifelte Kernsatz des Papiers. “Als Richtschnur dient der ‘Beutelsbacher Konsens’ von 1977, den die politischen Stiftungen als Grundlage ihres Handelns übernommen haben.” 

                  Der Beutelsbacher Konsens sieht vor, dass an den Schulen parteipolitische Neutralität zu herrschen habe. Das bedeutet unter anderem, dass es ein Überwältigungsverbot gibt. Das heißt, Schülerinnen und Schüler “dürfen nicht im Sinne erwünschter Meinungen überrumpelt werden.” Ihnen darf keinesfalls eine politische Meinung übergestülpt werden und sie dürfen nicht mit Parteislogans indoktriniert werden. Vielmehr, so der zweite Grundsatz, muss Streitiges im politischen Diskurs der Gesellschaft auch als streitig in der Schule dargestellt werden. Mit anderen Worten: im Idealfall bilden sich die Ansichten der Schüler im politischen Meinungsstreit im Unterricht. Die Stiftungen wollten mit ihrem Papier zum einen dem Abbau von Demokratiebildung in der Schule entgegentreten und zum andern Lehrern den Rücken stärken: denn viele Lehrkräfte sind verunsichert angesichts menschenverachtender und autoritärer Haltungen, die auch in Schulen auftreten. Nicht wenige Lehrer vermeiden eine klare demokratische Positionierung, weil sie den Beutelsbacher Konsens falsch verstehen.

                  Desiderius-Erasmus-Stiftung vor den Schultoren

                  “Wir bieten uns den Schulen als Partner an”, sagte deswegen Melanie Piepenschneider von der Konrad-Adenauer-Stiftung. So löblich dieses Vorhaben grundsätzlich ist, um den Beutelsbacher Konsens im Dialog mit Lehrern zu definieren und diese zu stärken, so zwiespältig ist dieser Satz. Denn es dürfte klar sein, wie eine Erika Steinbach die Formel benutzen wird: um ihresgleichen den Schulen ebenfalls als Partner anzudienen. Was aber sollen ohnehin verunsicherte Lehrer einer im politischen Meinungskampf gestählten Frau wie Steinbach entgegensetzen? Ein Mitarbeiter einer parteinahen Stiftung betonte beinahe schuldbewusst, “dass auch wir mit Material an Schulen sind – aber nicht so viel.” Allein, warum sollte die AfD-nahe Stiftung dann darauf verzichten?

                  Ein von Bildung.Table befragter politischer Bildner kommentierte: “Warum haben die politischen Stiftungen eigentlich nicht die freien Träger sowie die Bundes- und die Landeszentralen für politische Bildung bei diesem Papier einbezogen?” Gerade weil die Parteinahen unter sich blieben, riefen sie die Gefahr hervor, dass eine anerkannte Erasmus-Stiftung bald ihrerseits politischen Kontakt zu Schulen suchen werde. “Wer berät diese Leute, kurz vor der Bundestagswahl so ein Papier zu verabschieden?”

                  Digitale Bildung als Randaspekt

                  Das zweite Manko des Stiftungspapiers ist, dass darin digitale Medienbildung nur mit einem einzigen Satz vorkommt. “In Zeiten der Digitalisierung kommt der schulischen politischen Bildung eine wachsende Bedeutung zu, um Jugendlichen zu ermöglichen, politische Informationen, die sie dem Internet bzw. den sozialen Medien entnehmen, verlässlich einordnen und bewerten zu können,” steht in den Merksätzen der Stiftungen, die den Parteien nahestehen. Nur ist die Konsequenz daraus so mau und unverbindlich wie die digitalen Lehrpläne der meisten Kultusminister: “Daher sollte politische Bildung an allen Schultypen einen breiteren Raum in den Curricula einnehmen.” Die Wahrheit ist, dass Untersuchungen zeigen, wie immer weniger politische Bildung an Schulen stattfindet. Und die große Frage lautet: sollte digitale Bildung etwa im Rahmen von politischer Bildung mit Schülern praktiziert werden? 

                  Experten in dem Feld warnen davor. Etwa Alexander Otto, der Schulleiter der Grace-Hopper-Gesamtschule in Teltow. Otto sagte Bildung.Table, das Problem der politischen Bildung liege nicht daran, dass es nicht genug Möglichkeiten gebe, sondern “es fehlt in der Schule schlichtweg der notwendige zeitliche Rahmen, um solche Angebote gewinnbringend im Sinne der Unterrichtsausgestaltung einzubeziehen.” Der Schulleiter ist der Auffassung, dass politische Bildung heute vor allem über digitale Medienbildung erreicht werde, nicht umgekehrt. Auch der stellvertretende Leiter der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, Tobias Thiel, verwies auf die digitalen Möglichkeiten, die politische Bildung stark veränderten. Früher sei es normal gewesen, erst ein Planspiel mit den Jugendlichen zu veranstalten, um politische Partizipation zu üben. “Wenn man heute Jugendgruppen wie ‘Fridays for Future’ betrachtet, dann wissen die zum Teil besser als wir, wie man sich an Öffentlichkeit und an Entscheidungsträger wendet. Da brauche ich kein Planspiel mehr.”

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                    “OER macht es Lehrern leichter”

                    Man sieht Dominik Theis, er spricht auch auf dem Forum Open Education
                    Dominik Theis, Koordinator des “Bündnis für Freie Bildung”

                    Herr Theis, heute und morgen trifft sich die Open-Bewegung zum Forum Open Education. Man hat kaum noch was von der Open-Szene gehört. Gehen Sie unter in dem Wettlauf zwischen Startups, US-Giganten und Schulbuchverlagen um die Geldtöpfe der Kultusminister? 

                    Das sehe ich anders. Die Open Education-Community ist so stark wie noch nie. Mit dem Portal für Offene Lerninhalte “WirLernenOnline” konnten wir zeigen, wie schnell und effizient die Open Education und die Open Source-Bewegung während der Pandemie Unterstützung leisten konnte. 

                    WirLernenOnline ging nur mit Millionenzuschüssen des Bundes. 

                    Bildung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, und da haben alle Initiativen eine Daseinsberechtigung. Es geht darum, Bildung für alle zugänglich zu gestalten. Dabei dürfen kommerzielle Interessen nicht im Weg stehen. 

                    Soll das heißen, dass Sie private Anbieter vom Wettbewerb ausschließen wollen? 

                    In der Bildung sollte es nicht das Ziel sein, seine Profite zu vermehren, sondern alle Menschen als aktive gestaltende Bürgerinnen und Bürger an Schulen und Bildung ganz allgemein partizipieren zu lassen. Daher drängen wir darauf, die bürokratischen Hürden zu verringern, so dass es einfach und schnell möglich ist, auch kleinere gemeinnützige Initiativen zu fördern. Engagierte Lerninitiativen dürfen nicht hinter Apple und Microsoft oder auch den Schulbuchverlagen zurückgestellt oder von ihnen gar verdrängt werden. 

                    Nochmal zu WirLernenOnline: das Portal ist einerseits ein Erfolg, andererseits kennt noch kaum ein Lehrer diesen Ort für offene Lerninhalte. Sind die Bundesmillionen falsch ausgegeben worden?

                    An der Reichweite und Bekanntheit von WirLernenOnline (WLO) kann man sicher noch arbeiten. Deswegen kümmert sich der neue Beirat – der sich aus NutzerInnen-Gruppen, Eltern und SchülerInnen zusammensetzt – um strategische Partnerschaften. WLO wird voraussichtlich auch in die Nationale Bildungsplattform integriert.

                    Da verliert man schnell den Überblick: Was ist diese nationale Bildungsplattform? Und was tut nun WLO genau, das ja selbst ein bundesweites Bildungsportal ist? 

                    Die nationale Bildungsplattform ist Teil des digitalen Bildungsraums, der wiederum eine Maßnahme der “Initiative Digitale Bildung” der Bundesbildungsministerin ist. Die Bildungsplattform soll eine Metaplattform sein, die alle digitalen Lernangebote in Deutschland vernetzt. Darauf aufbauend soll sie noch weitere Services und Funktionen anbieten, zum Beispiel eine Art Zeugnis- und Zertifikatespeicher für jeden Bundesbürger.

                    Gehört zu diesen Services dann auch der Zugriff auf die Lerninhalte, die bei WirLernenOnline zuhause sind? 

                    Das kann ich mir vorstellen. WirLernenOnline ist eine Suchmaschine für offene und frei zugängliche Bildungsmaterialien. Lehrkräfte kuratieren diese Lerngegenstände und stellen sie je nach Schulfach und Lehrplanthemen zusammen, so dass andere Lehrkräfte darauf zugreifen oder sich inspirieren lassen können. Diese wichtige Funktion wird über die nationale Bildungsplattform bekannter gemacht.

                    Wie sollen eigentlich drei Dutzend kuratierende Lehrer die Mammutaufgabe bewältigen, für 800.000 LehrerInnen rechtssichere und gute Lernmaterialien aufzubereiten? 

                    Wenn man bedenkt, dass sie erst seit einem Jahr arbeiten, haben die echt viel geschafft. Bei WLO sind inzwischen 75 Redakteurinnen und Redakteure an der Arbeit, und sie haben rund 18.000 Inhalte in fast 3500 Sammlung geprüft und eingeordnet. Langfristig überlegt man, das über machine learning und KI zu beschleunigen. Sie werden sehen, dass wir dann sehr schnell viele Materialien bereithalten können und es eine bessere Übersicht für jeden Lehrer und jede Lehrerin geben wird. 

                    Der Schulbuchverleger David Klett hat in einem Interview mit Bildung.Table die Befürchtung geäußert, dass die hochsubventionierten OER “an den Realitäten der Lehrerinnen und Lehrer vorbei entwickelt” werden. Wie gehen Sie mit diesen Vorwurf um? 

                    Diese Kritik übersieht, dass Open Educational Resources nicht im luftleeren Raum, sondern mit einem sehr konkreten Zweck entwickelt werden: OER macht es Lehrern leichter, ihren SchülerInnen im Unterricht Kompetenzen und Inhalte zu vermitteln. Im übrigen gewinnen Investitionen, die in frei lizenzierte Bildungsmaterialien fließen, über die Zeit ja sogar an Mehrwert.

                    Wie das?

                    Einfach dadurch, dass sie für alle zugänglich und für immer abrufbar sind. Ich bin mir übrigens sicher, dass die LehrerInnen zunehmend diese Materialien bearbeiten und wieder teilen werden. Das kann man jetzt schon beobachten – zum Beispiel im Twitterlehrerzimmer. 

                    Neben WirLernenOnline gibt es auch noch “Mundo”, die offene Lernplattform der Bundesländer, die praktisch das gleiche wie WLO macht.  Sollte man die beiden nicht einfach fusionieren? 

                    Wir finden es erstmal klasse, dass Bund und Länder endlich eingesehen haben, die freien offenen Lernmaterialien besser sichtbar zu machen, die im Internet schon zuhauf existieren. Mundo und WLO verfolgen unterschiedliche Ansätze. Aber das ist gar nicht der Punkt. Entscheidend ist, dass alles, was öffentlich gefördert wird, quelloffen und über eine öffentliche Infrastruktur frei zugänglich sein muss. In der nationalen Bildungsplattform werden Mundo und WirLernenOnline perspektivisch nebeneinander stehen – und sich ergänzen. 

                    Um was wird es ganz genau gehen, wenn sich die Aktivisten der Open-Bewegung heute und morgen treffen? 

                    Um die Zukunft der Bildung!

                    Geht’s ein bisschen konkreter?

                    Wir haben für das Forum Open Education mehrere Arbeitsgruppen gebildet, die schon seit einiger Zeit aktiv sind. Da geht es um die Bildungskompetenzzentren, die die Bildungsministerin versprochen hat, wir wollen einen datenbasierten Sozialindex diskutieren und wir fragen uns, wie man die Lernstände erheben kann. Ganz allgemein ist unser Ziel, wie die Digitalisierung an Schulen besser akzeptiert und Bildungspolitik ko-konstruktiv gestaltet werden kann.

                    Von den Bildungskompetenzzentren hat man ewig nichts mehr gehört. Hat Ihre Arbeitsgruppe herausgefunden, was die eigentlich machen sollen? 

                    Mit dem Kompetenzzentren möchten Bundesregierung und Länder wissenschaftliche und praktische methodisch-didaktische Kompetenzen vernetzen und so Schulen gebündelt das Wissen zu Verfügung stellen. Aktuell ist nicht ganz klar, wie der Stand ist. Die Arbeitsgruppe des Forums begrüßt die Initiative aber – sofern das ein agile und veränderbare Struktur wird.

                    Sehr kompliziert und sehr abstrakt. Was machen diese Kompetenzzentren genau? 

                    So wie ich es verstanden habe, geht es darum Forschungsergebnisse in der Praxis zu erproben und erprobte Praxisbeispiele wissenschaftlich zu begleiten. 

                    Aber machen das nicht schon die Lehrerbildungs- und Qualitätszentren der Länder? Fallen die dann weg?

                    Nein, die Kompetenzzentren sollen keine lehrkräftebildenden Institutionen ersetzen, sondern dort angegliedert werden.

                    Um den Lernstand der Schüler und Schülerinnen nach Corona gibt es Streit, weil viele Kultusminister die Daten ihrer Kompetenztests mit Lernenden nicht herausrücken wollen. Die Open Knowledge Foundation hat mehrere Bundesländer per “Frag den Staat” aufgefordert, die Vergleichsarbeiten zu veröffentlichen – und wollte die Länder sogar verklagen. Wie ist da der Stand?

                    Grundsätzlich ist wichtig, dass man das Ausmaß der Bildungsbenachteiligung sichtbar machen kann. Dazu braucht man verlässliche Daten und die Gewissheit, die Daten der Vergleichsarbeiten von den KultusministerInnen dann auch zu bekommen. Wir können uns vorstellen, dass man die aktuellen Instrumente wie die sehr heterogenen Vergleichsarbeiten in der dritten und achten Klasse mit neuen Ansätzen zur Lernstandserhebung ergänzt. 

                    Dominik Theis ist Projektmanager Bildungspolitik bei Wikimedia und Koordinator des Bündnis für Freie Bildung. Das Forum Open Education findet heute und morgen online statt.

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                      Schulen sollen möglichst viel selber machen

                      Pädagoge Jens Großpietsch: Schulen sollen möglichst viel selber machen
                      Pädagoge Jens Großpietsch

                      Gastbeitrag von Jens Großpietsch

                      Bis zum Beginn der Sommerferien war ich stark in den schulischen Betrieb an der Freudbergschule eingespannt, an der ich als pädagogischer Berater tätig bin. Dazu gehörte die Übernahme des Vertretungsunterrichts für einen längeren Zeitraum in einer Klasse mit jahrgangsübergreifendem Lernen der 7. – 9. Klasse. Das fiel in die Zeit, als eigentlich drei Schüler:innengruppen parallel unterrichtet wurden: zwei Gruppen, die abwechselnd zur Schule kamen, und jene Gruppe von Schüler:innen, die aus unterschiedlichen Gründen ganz zu Hause unterrichtet wurden. Eigentlich war da sogar noch eine vierte Gruppe, nämlich die Schüler:innen, die jeden Tag in der Schule waren. Das nicht nur beobachtend zu erleben, sondern praktisch von der Vor- bis zur Nachbereitung war eine wichtige und neue Erfahrung.

                      Nun sind die technischen Voraussetzungen bei uns zum Glück gut, und die Schüler:innen beherrschten schon vorab viele Tools. Trotzdem war es eine sehr (!) herausfordernde, interessante, anstrengende Zeit. Was ich von manchen anderen Schulen hörte und las, erfreute mich teilweise: Etliche Kolleg:innen setzten trotz aller Einschränkungen pädagogisch neue Dinge um. Zugleich machte es mich auch zornig. Warum? Je weiter man nach “oben” schaute, umso schlimmer wurde es, nein ist es: Eine Schulsenatorin, die nicht weiß, wie Schule funktioniert, und eine Schulbehörde, die fern jeder schulischen Praxis agiert. Nur mal ein Beispiel: wenn freitagabends die Nachrichten eintrudelten, wie man ab Montag Schule zu betreiben hätte, dann ist die Einbeziehung von Kolleg:innen und Eltern gar nicht möglich; genau diese Praxis wird auch im aktuellen Schuljahr wieder fortgesetzt.

                      Schulen wollen mehr Steuerung, statt mehr Freiheit

                      Die Politik glaubt, durch Verordnungen im Detail Schule steuern zu können, sie hat keine pädagogisch langfristigen Ziele oder reagiert kurzfristig auf Notsituationen, die in Wahrheit absehbar waren. Das endet zumeist fantasielos. Viele Stimmen in der Gesellschaft, aber auch viele Schulen fordern mehr Steuerung – anstatt mehr Freiheit. Die Wahrheit ist, dass die Schulen, die möglichst viel selbst in Hand genommen haben, noch am besten über die Runden kamen. Das ist keine neue Erkenntnis. Aber selbst da, wo es möglich war, haben viele Schulen und einige Lehrer:innen nicht einfach das gemacht, was möglich und nötig war – sondern haben sich Sorgen um ausgefallene Tests gemacht oder kopierte Arbeitsblätter aus der Schule abholen lassen.

                      Gut an dieser Zeit war, dass es etliche Problemfelder deutlicher machte. Es wird nun nicht mehr darüber diskutiert, ob man digitale Endgeräte für alle Schüler:innen und Lehrer:innen zur Verfügung stellen solle, sondern bestenfalls darüber, ab welchem Alter und insbesondere, wie die Geräte genutzt werden sollen. Lustig fand ich die “Erkenntnis” im Jahr 2020, dass ein digitales Endgerät ein selbstverständliches Dienstwerkzeug für Lehrer:innen sei. Eher traurig sind viele andere Bereiche, wo Schulen auf eine zentrale Lösung eigentlich angewiesen sind. Es ist zum Beispiel kaum zu glauben, dass die Schulbehörden immer noch nicht in der Lage sind, den Schulen eine datenschutzkonforme kostenlose Schulcloud zur Verfügung zu stellen.

                      Schulen sind in Berlin (Deutschland) weiterhin gut beraten, so viel wie möglich einfach mal selber zu machen – und eben nicht auf staatliche Lösungen zu hoffen. Die staatlichen Institutionen sind oftmals nicht in der Lage, die Daten zu erheben, die für eine zentrale Steuerung nötig wären. In Berlin verlassen 700 Lehrer:innen das Bundesland – und der Senat befragt sie nicht mal, warum sie gehen.

                      Private Schulen werden faktisch behindert

                      Was ich in den letzten Jahren gelernt habe, sind die großen Vorteile einer Schule in privater Trägerschaft, einer kleinen Schule, einer Neugründung. Dazu gehört leider auch die Erfahrung, wie Schulen in privater Trägerschaft Steine in den Weg gelegt werden. Sie werden faktisch behindert, Schüler:innen aus bildungsfernen Elternhäusern aufzunehmen. Es ist schwer zu glauben, wie vorurteilsbeladen die meisten bildungspolitisch verantwortlichen Personen Privatschulen gegenüber stehen. Und es ist traurig, wie wenig sie bereit sind, sich sachkundig zu machen. Die, die es besser wissen, trauen sich innerparteilich nicht. “Du weißt doch, wenn ich das innerparteilich vertrete, was dann los ist”, bekomme ich zu hören. 

                      Davon haben wir uns an der Freudbergschule nicht hindern lassen. Die “technische” Ausrüstung war vom ersten Tag an gut. Unsere Lehrer:innen bekamen schon immer ein Dienstlaptop, WLAN läuft stabil und wenn nicht, wird schnell nachgebessert. Die Nachfrage für Schulplätze an unserer Schule übersteigt um ein Vielfaches die Plätze, die wir anbieten können. Wir könnten mehrere Grundschulen betreiben – und inzwischen ebenso viele Oberschulen. Der erste Jahrgang der Grundschule geht jetzt in die Oberschule über, die Übergangsquote liegt bei 90 Prozent. Der erste Jahrgang hat mit der zehnten Klasse unsere Schule abgeschlossen, mit überaus erfreulichen MSA-Ergebnissen. Die Präsentationsprüfungen waren für mich als Prüfer ein Highlight meiner pädagogischen Praxis

                      Palästina-Konflikt im israelisch-palästinensischen Duett

                      Zwei Beispiele: Das Thema “Der Palästinakonflikt” bearbeiteten und präsentierten zwei Mädchen, gute Freundinnen. Ein Mädchen mit jüdischem Hintergrund und das andere mit palästinensischem Hintergrund. Nicht nur die Kombination war toll, sondern auch inhaltlich und in der Form war das großartig. Ein anderer Schüler beschäftigte sich mit Architektur in Sardinien – gründlich recherchiert, gut vorgetragen und konnte auf alle Nachfragen antworten. Ihn interessierte die Note eher am Rande – er wollte mit uns Lehrer*innen gern inhaltlich weiter über sein Thema sprechen.

                      Die Möglichkeiten für Schüler:innen aus bildungsfernen Elternhäusern an unserer Schule sind noch einmal deutlich besser als z. B. an der Heinrich-von-Stephan-Schule, wo ich lange Schulleiter war. Die Schüler:innenmischung ist deutlich besser steuerbar. Die Möglichkeiten, über den reinen Unterricht hinaus, also der individuellen Betreuung auch neben der Schule, sind deutlich besser machbar. Viel mehr Lehrer:innen haben diese Schüler:innen im Fokus bzw. wissen, dass wir als Schule den Anspruch haben, besonders für diese Schüler:innen da zu sein. Nicht zuletzt, weil der Schulgründer, Nizar Rokbani, ausdrücklich will, dass an seiner Schule alle Kinder eine Chance bekommen, egal welcher Herkunft sie sind. 

                      Lehrerkandidaten, die Fächer statt Kinder unterrichten

                      Zu den pädagogischen Kräften gäbe es viel zu schreiben. Sie als Schule selber aussuchen zu können (immer unter Beteiligung von Kollegen:innen), sie gegebenenfalls auch kündigen zu können (was bisher nur ganz selten vorkam) und Strukturen vorgeben zu können, die etwa Kooperation unumgänglich machen – das ist wunderbar. Pädagogische Vorgaben, auf die sich die alle Kollegi:nnen einstellen müssen machen zu können – das ist sehr hilfreich. Viele unserer Bewerber:innen sind leider für wichtige Lernbereiche gar nicht ausgebildet. Sie studieren Fächer, müssen aber Schüler:innen unterrichten. Der Morgenkreis taucht vielleicht noch auf, der Klassenrat eher nicht. Das Lernen von Basiskompetenzen (“Was ist das denn?” lautete eine Lehrer:innenfrage beim Einstellungsgespräch, und er/sie war gut!) oder dass die Schüler:innen fast einen kompletten Tag in der Woche an ihren eigenen Themen arbeiten – das alles wird in Lehrerseminaren offenbar weder theoretisch noch praktisch gelehrt/gelernt.

                      Was mich am meisten interessiert: Wie können die Kinder aus bildungsfernen, eher armen Elternhäusern so gestärkt werden, dass sie, auch über die Schulzeit hinaus, erfolgreich ihr Leben bestreiten

                      Jens Großpietsch ist Konrektor an der Freudbergschule. Er wurde gerade vom Tagesspiegel zum “Berliner der Woche” erhoben. Für Bildung.Table hat der ehemalige Schulleiter des “Wunders von Moabit”, der berühmten Heinrich-von-Stephan-Schule, sein Coronajahr zusammengefasst.

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                        • Schulcloud
                        • Technologie

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                        Jörg Dräger geht zu Kühne-Stiftung

                        Jörg Dräger geht zu Kühne
                        Jörg Dräger wird Geschäftsführender Stiftungsrat der Kühne-Stiftung

                        Das Geheimnis um die nächste berufliche Station von Deutschlands wichtigstem Bildungsdigitalisierer ist gelüftet. Der Noch-Vorstand der Bertelsmann-Stiftung Jörg Dräger geht zu Kühne in die Schweiz. Ab April 2022 wird Deutschlands einflussreichster Bildungsdigitalist für die Kühne-Stiftung tätig sein. Dräger wird dort Geschäftsführender Stiftungsrat, teilte die Kühne-Stiftung in der vergangenen Woche mit. Man freue sich über eine “Persönlichkeit, die beste Voraussetzungen mit sich bringt, die Kühne-Stiftung strategisch weiterzuentwickeln und zukünftige Wachstumsschwerpunkte zu definieren und umzusetzen”, heißt es in einer Erklärung. 

                        Die Kühne-Stiftung hat zwar ihren Sitz in Schindellegi im Kanton Schwyz, geht aber auf eine Hamburger Wirtschaftsinstanz zurück. Hinter der 1976 gegründeten Stiftung steht das Logistikunternehmen Kühne+Nagel. Die Stifterfamilie Kühne lebt in der Schweiz. 

                        Durch Aktivitäten in der digitalen Bildung ist die Kühne-Stiftung bisher nicht aufgefallen. Ihre Schwerpunkte liegen eher in der Förderung von Medizin, Logistik und “liberaler Wirtschaftsordnung”, wie es im Portfolio heißt. In Davos unterhält die Stiftung einen Medizincampus sowie die Hochgebirgsklinik. Für Dräger, der mehrere Bücher über digitale Bildung geschrieben hat, dürfte sich damit auch sein Themenschwerpunkt verschieben. 

                        Von digitaler Bildung zur Logistikforschung

                        Es sind wohl eher die Hamburger Verbindungen, die Drägers Berufung begünstigt haben. In Hamburg hat die Kühne-Stiftung 2007 mit einer Großspende die Kühne School of Logistics and Management als Filiale der TU Hamburg-Harburg gegründet, die seit 2010 als Kühne Logistics University firmiert. Deren Ausbau will man nun “besondere Aufmerksamkeit” widmen, teilt die Stiftung mit. “In Logistik, Medizin, Kultur sowie im humanitären Bereich steht die Kühne-Stiftung vor einer Vielzahl von neuen Aufgaben,” sagte der Präsident des Stiftungsrats, Klaus-Michael Kühne. Jörg Dräger hat mit Hochschulentwicklung in der Hansestadt bereits Erfahrung. Nach seiner Zeit als Senator unter Ole von Beust baute der promovierte Physiker mit reicher Wirtschaftserfahrung dort das Northern Institute of Technology auf. 

                        Als der 53-Jährige vor wenigen Wochen seinen Rückzug aus der Bertelsmann-Stiftung zum Ende des Jahres bekannt gab, kündigte er vage an, sich künftig neuen “internationalen Aufgaben” zu widmen. Das passt zur Absicht der Kühne-Stiftung, ihren logistikwissenschaftlichen Bereich internationaler auszurichten. Dräger nannte seinen neuen Job eine “einmalige Chance” für weltweite Aktivitäten. “Als große operative Stiftung, die ihre Projekte selbst definiert und steuert, hat die Kühne-Stiftung das Potenzial, in ihren Schwerpunktthemen weltweit wirksam zu werden.” Neben Dräger wird Christian Berthold weiterhin als Geschäftsführer tätig sein. Christine Keilholz

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                          • Digitale Bildung
                          • Digitalisierung

                          Digitales Lernen beim Gamescom Congress 2021

                          Am heutigen 25. August startet die zweite rein-digitale Gamescom. Wegen der CoronavirusPandemie muss Europas größte Spielemesse abermals von der Kölner Messe in den virtuellen Raum ausweichen. Dort gibt es bis Freitag digitale Events, Livestreams und Online-Anspielmöglichkeiten. Die begleitende Fachkonferenz “gamescom congress” findet am Donnerstag und Freitag statt. Einer ihrer diesjährigen Schwerpunkte ist das Thema “Digitales Lernen”. Diverse Vorträge und Workshops (Übersicht) sollen zeigen “wie Games den Schulalltag bereichern können.” Bei Workshops ist eine rechtzeitige Anmeldung notwendig, bei Vorträgen nicht.

                          Einen Einstieg in das Thema “Games in der schulischen Bildung” geben Professor Jan M. Boelmann (Pädagogische Hochschule Freiburg) und Çiğdem Uzunoğlu (Stiftung Digitale Spielekultur). Ihre Diskussion am Donnerstagvormittag um 11:30 Uhr soll die “konkreten Chancen und Herausforderungen für den Einsatz von Games im Schulunterricht” beleuchten. Auch über die nötigen Voraussetzungen an den Schulen und das allgemeine Thema Digitalisierung an deutschen Schulen wollen die beiden sprechen. Diskussion: Zur Machbarkeit von Games in der schulischen Bildung, 26. August, 11:30 – 11:50 Uhr

                          Spiele im Unterricht: Fake News, E-Sports und Programmieren

                          Pädagogisch und inhaltlich konkreter wird es am Donnerstagnachmittag. Janek Stechel vom Zentrum für didaktische Computerspielforschung spricht in seinem Workshop darüber, wie das Thema Fake-News im Unterricht mit Computerspielen erarbeiten kann. Workshop: Mit Computerspielen Fake News im Unterricht thematisieren, 26. August, 16:30 – 18:30 Uhr

                          Am Freitagvormittag sollen gemeinsam praktische Methoden für Gaming im Unterricht gefunden werden. Bei einem “kreativen und kooperativen Planspiel” entwickeln die Teilnehmer:innen Konzepte, um “Computerspiele im Unterricht und Schulkontext” erfolgreich einsetzen zu können. Damit richtet sich der Workshop gezielt an Lehrkräfte. Swantje Borukhovich-Weis, Inga Gryl und Ewa Łączkowska von der Universität Duisburg-Hessen leiten den Workshop. Planspiel-Workshop: Kreativ und kooperativ – wir entwickeln Ideen für den Einsatz von Computerspielen im Unterricht, 27. August, 11:30 – 13:00 Uhr

                          Andere Workshops, Panels und Vorträge auf dem gamescom congress beschäftigen sich mit E-Sports, Programmieren im Unterricht, Inklusion und Games sowie Computerspielen im Literatur- und Geschichtsunterricht. Abseits vom Bildungs-Thema geht es um Games in Verbindung mit Innovationen, Gesundheit und Politik. Im Bildung.Table finden sie weitere Informationen zum Thema Game-based Learning und praktische Beispiele für Games im Unterricht. Von Enno Eidens

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                            • Unterricht

                            Termine

                            25. August 2021
                            Fortbildung: Wie sich Lehrer vernetzen
                            Nina Toller ist eine der bekanntesten Lehrerin im Netz. Sie spricht über die Vorteile davon, sich überregional mit anderen Lehrkräften auszutauschen. Anmeldung

                            26. und 27. August
                            Kongress: Gamescom Congress 2021
                            Der “gamescom congress” soll begleitend zur Spielemesse zeigen “dass in Spielen weit mehr als Entertainment steckt”. Einer der diesjährigen Schwerpunkte ist das Thema digitales Lernen. Informationen & Anmeldung

                            1. September
                            Runder Tisch: WirFürSchule trifft Kultusminister
                            Im Rahmen des Hackathon WirFürSchule entstand ein Zielbild für Neues Lernen und eine andere Schule. Kommende Woche treffen die Macher:innen mit der Konferenz der Kultusminister zusammen.

                            Didaktik & Tools

                            OER selbst erstellen

                            Was ist der pädagogische Vorteil von selbst erstellten OER-Lernmaterialien?

                            Dass ich diese OER-Materialien auf meine Lerngruppe anpassen kann. Bei herkömmlichen Lerninhalten ist das nicht möglich: weil sie oft urheberrechtlich geschützt sind und von daher nicht verändert werden dürfen. Sie können oft auch gar nicht verändert werden, weil es zum Beispiel PDFs sind. Selbst erstellte OER aber kann ich ganz genau auf die Bedürfnisse meiner Schülerinnen und Schüler zuschneiden. Mich hat bei Open Educational Resources immer der Hintergedanke gereizt, dass sie zu einer Weiterentwicklung führen und vielleicht sogar eine große Reise machen, indem viele andere mitarbeiten und kreativ werden. Dazu gleich mehr.

                            Welche technischen Voraussetzungen braucht man?

                            Erst mal gar keine. Open Educational Resources oder offene Lernmaterialien gibt es sowohl im digitalen Format als auch analog, etwa als ganz normale Arbeitsblätter. Also OER können gedruckte Arbeitshefte sein oder PDF-Dateien, Videodateien usw. usf. Offene Lernmaterialien sollten eigentlich so gestaltet sein, dass sie mit einer möglichst niederschwelligen Ausstattung nutzbar und auch veränderbar sind. Es soll eben nicht so sein, dass ich eine ganz bestimmte Software brauche, um das Material weiter zu bearbeiten. Im besten Fall geht das mit open source-Anwendungen – oder schlicht per Hand. 

                            Sind OER auch nach der Pandemie in der Präsenz sinnvoll?

                            Ja klar. Ich habe mit meinen Mieze-Mia-Heften schon vor über zehn Jahren angefangen. Das bedeutet: Selbst erstellte OER sind sinnvoll – ganz unabhängig davon, in welcher medialen Form sie auftreten. 

                            Pro-Tipp

                            Mein OER-Highlight war eindeutig die Mathe-Mieze Mia vor ziemlich genau 12 Jahren. Ich habe damals – wie man es heute nennen würde – einen kleinen Hackathon gestartet und ganz viele Lehrer angefragt, ob sie mit mir zusammen ein Mathe-Knobelheft entwickeln wollen. Die Idee war, herausfordernde Aufgaben im Rechnen für die Klassenstufe eins zu gestalten. Ich habe eine Reihe von Kollegen gefunden, die mitgearbeitet haben, die die Aufgaben entwickelt haben, die Korrektur gelesen haben und so weiter.

                            OER selbst erstellen
                            Knobelaufgaben “Mieze Mia”

                            Daraus ist ein kleines Arbeitsheft mit 64 Seiten im A5-Format entstanden. Wir haben das immer wieder nachdrucken lassen. Das ging rechtssicher, weil es selbst erfundene, urheberrechtsfreie Materialien waren. Wir haben diese Arbeitshefte zum Selbstkostenpreis weiter verkauft. Ich würde behaupten, dass wir im Lauf der Zeit 20.000 von diesen Heften in Grundschulen gebracht haben. Ich finde das beeindruckend, weil es umgerechnet ein halbes Stadion voller Schüler:innen ist, das mit jenem Arbeitsheft gearbeitet und gelernt hat, das wir selbst kollektiv entwickelt haben. Wir hatten keinen kommerziellen Hintergedanken. Der Ansporn war, guten Unterricht zu ermöglichen, der nicht viel kosten sollte. Wir haben die Hefte für 50 Cent verkauft. Das war der Selbstkostenanteil, so viel wollte die Druckerei. Wenn man das mit ähnlichen Heften von Verlagen vergleicht, dann liegen die bei fünf bis sechs Euro.

                            Kritik 

                            Das Problem von OER, das ich von Anfang an erlebte und nach wie vor bemerke, ist, dass der eigentliche Mehrwert so gut wie nicht zum Tragen kommt. Die Idee von offenen Materialien ist, dass ich die Quellen veröffentliche und eine Bearbeitung und eventuelle Weiterentwicklung ermögliche. Das findet aber kaum statt. Die Lehrer rezipieren das, sie laden die Materialien runter und setzen sie auch im Unterricht ein. Aber dass veränderte Dateien wieder hochgeladen und weiter geteilt werden, findet so gut wie nicht statt. Der Konsument hat den Vorteil, dass es kostenlos oder sehr günstig ist und er es verändern kann. Der Produzent erstellt das Material – und fertig.

                            Florian Emrich ist Konrektor und Medienberater der Katholischen Grundschule Niederkassel. Die Mieze gibts bei der ZUM, der Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e.V.

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                              Beruf muss nicht Qual sein

                              Kann Kündigung und Austritt aus dem Beamtenverhältnis Erholung bedeuten?

                              Erholung durch Kündigung – das klingt natürlich erst mal provokativ. Ich würde empfehlen, dass man intensiv schaut, worin eigentlich die wahrgenommene Belastung besteht. Die Erfahrung zeigt, dass die Belastung eigentlich gar nicht unbedingt im Umfang der Arbeit empfunden wird, also in der Zahl der Stunden. Meistens liegt es in der Art der Arbeit, in der seelischen, körperlichen und gesundheitlichen Belastung. Hier besteht meiner Einschätzung nach eine sehr hohe reale Chance auf Erholung. Viele Ex-Lehrkräfte, die ich kenne, berichten, dass sie die Tätigkeit, die sie nach der Schule ausführen, überhaupt nicht mehr als Arbeit empfinden. Diese Menschen haben die Arbeit an der Schule immer als etwas stressiges und maximal auslaugendes erfahren. Jetzt, nachdem sie die Schule hinter sich gelassen haben, merken sie: Beruf muss nicht Qual sein. 

                              Was muss man tun, um sich vom Lehrerberuf zu lösen? 

                              Die Grundvoraussetzung dafür, sich vom Lehrberuf zu lösen, ist aus meiner Sicht die volle Verantwortungsübernahme für die eigene berufliche Zufriedenheit. Das ist nichts anderes als die Erkenntnis, dass nicht der Dienstherr dafür zuständig ist, nicht die Schulleitung, die Schüler oder Eltern, sondern allein ich. Nur ich kann das verändern – in dem Moment, wo man das versteht, kommt man raus aus der passiven Opferhaltung und geht ins Handeln. Bei vielen, die sich so entscheiden, ploppen ganz viele Ängste auf. Ich empfehle, diese Ängste ganz genau zu betrachten, wo die herkommen? Man sollte sich ihnen stellen. Sobald man beginnt, diese Ängste zu bearbeiten, macht man sich frei von Schule. Praktisch geht die Kündigung übrigens ganz einfach: denn jede Lehrerin und jeder Lehrer ist nur einen Zweizeiler an den Dienstherrn von seiner Entlassung entfernt. 

                              Wie verhalte ich mich, wenn ich dem Dienstherrn die Kündigung mitgeteilt habe?  

                              In dieser Übergangszeit, die ja durchaus ein paar Monate dauern kann, halte ich es für wichtig, dass man seine Arbeit vollkommen korrekt und menschlich zugewandt bis zum letzten Tag erledigt. Man muss nicht schon frühzeitig provokativ jedem seine Kündigung auf die Nase binden – denn davon können sich Menschen angegriffen fühlen. Gleichzeitig würde ich aber meine Entscheidung immer selbstbewusst und mit großer Klarheit vertreten. Es ist ratsam, sich nicht in Diskussionen oder Rechtfertigungen verwickeln zu lassen, sondern die Trennung ganz klar als persönliche Entscheidung darzustellen. Ein paar Wochen vor Ende des Schuljahres sollte man als Lehrkraft an Eltern und Schülern kommunizieren, dass man aussteigt. Ich würde deutlich machen, dass es eine als persönliche Entscheidung ist, die nichts mit denjenigen zu tun hat, die man zuletzt unterrichtete. Man sollte den Beteiligten auch signalisieren, dass man seine Arbeit ganz korrekt zu Ende bringt und eine gute Übergabe leisten wird.

                              Isabell Probst berät als Laufbahncoach und Businessmentorin Lehrkräfte beim Berufswechsel in die freie Wirtschaft – und bei der Gründung einer neben- oder hauptberuflichen Selbstständigkeit. Probst war selbst Studienrätin für Englisch und Geschichte

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