Analyse
Erscheinungsdatum: 04. Februar 2025

Startchancen-Programm: Wie Schulen und Bildungsanbieter zusammenkommen

Wie wollen und können Schulen im Startchancen-Programm mit den zahlreichen zivilgesellschaftlichen Bildungsorganisationen zusammenarbeiten? 18 Bildungsanbieter haben sich zusammengetan, um genau das zu analysieren.

In Summe bis zu sechs Milliarden Euro ist der Topf der Schulbudgets groß, der den bundesweit etwa 4.000 Schulen zur Verfügung stehen soll, die bis 2034 am Startchancen-Programm teilnehmen. Aus diesen sogenannten „Chancenbudgets“ (Säule II des Programms, Bund-Länder-Vereinbarung ab Seite 12) können sie auch außerschulische Unterstützungsangebote zahlen. Was heißt: Mit dem Start des Programms im August 2024 haben für die zahlreichen Anbieter in diesem Bereich entscheidende Monate begonnen.

Es ist daher leicht nachvollziehbar, warum sich 18 zivilgesellschaftliche Bildungsorganisationen zusammengetan haben, um die Herausforderungen, Bedarfe und Erwartungen von Startchancen-Schulen herauszuarbeiten. Am kommenden Montag werden die Ergebnisse aus dem Projekt „ Gemeinsam für mehr Chancen “ vorgestellt. Die Crespo Foundation und der „Eleven – Verein für Kinder- und Jugendförderung“ fördern das Vorhaben, das von edcosystems umgesetzt wird. Table.Briefings erhielt vorab einen Einblick in die Resultate.

Die 18 teilnehmenden Organisationen stehen für die große Bandbreite, die außerschulische Anbieter abdecken. Es geht etwa um Mentoring-Programme, die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern, gesunde Ernährung oder Programmiersprachen. Wer in das Orientierungspapier zur Verwendung der Chancenbudgets schaut, das es als Anlage zur Bund-Länder-Vereinbarung zum Startchancen-Programm gibt, findet all das wieder. Die 18 Organisationen sind in Summe an mehr als 650 der über 2.100 Startchancen-Schulen vertreten, die in der ersten Programmphase dabei sind.

Lesen Sie auch: Startchancen-Programm – Wie viele Schulen im August starten

22 Schulleitungen aus zwölf Bundesländern wurden im Oktober in leitfadengestützten Interviews von den Organisationen befragt. Unter anderem ging es darum, welche Herausforderungen und Bedarfe die Schulen sehen und was zum Gelingen einer Kooperation beitragen kann. Herausgekommen ist unter anderem: „ 70 Prozent der von den Schulen genannten Kooperationspartner sind lokale Partner “, sagt Tobias Feitkenhauer von edcosystems. Er und Ute Volz, Vorstand des Eleven e.V., schließen daraus zwei Dinge:

Auf der einen Seite ist Ziel des Startchancen-Programms, dass die Schulen sich in ihren Sozialraum öffnen. Dies kann mit den vorhandenen lokalen Partnern, wie beispielsweise der örtlichen Musikschule, gut gelingen. Auf der anderen Seite sollten die Ministerien der Länder und die Schulen bewährte und wirksame Bildungsprogramme für Kooperationen einbinden und nutzen.

Die Zahlen bezüglich der Kooperationspartner sind ein deutlicher Hinweis darauf, dass es überregionale Anbieter oft schwer haben, an die Schulen zu kommen. „ Den Startchancen-Schulen werden vielerorts die Türen von Bildungsanbietern eingerannt “, sagt Volz. Die Schulleitungen gaben in der Befragung an, dass für sie Ortsbezug, Langfristigkeit und Verlässlichkeit für das Gelingen der Kooperation entscheidend sind. Lokale Anbieter sind hier durch ihre Nähe zu den Schulen zunächst im Vorteil.

Dabei können laut Volz überregionale, etablierte Anbieter dank erfolgter Evaluationen bereits zeigen, dass ihre Angebote wirken. Feitkenhauer bringt deshalb die Idee eines Kooperationsmanagers ins Spiel, der an den Schulen präsent ist. Diese Person kann Schulleitungen bei der Auswahl, der Zusammenstellung und der Zusammenarbeit mit außerschulischen Kooperationspartnern entlasten. Angestellt könnte ein Kooperationsmanager zum Beispiel in einem Bildungsbüro, beim Schulträger oder einem lokalen Verein sein und dadurch mehrere Schulen parallel betreuen.

Was die Analyse noch zeigt: Der Wunsch nach Transparenz zu den Angeboten ist vonseiten der Schulleitungen groß. Unter anderem heißt das, sie möchten wissen, was sie die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern kostet. „Für beide Seiten ist das oft Neuland“, berichtet Volz. Denn häufig ermöglichen es fördernde Stiftungen, dass die Schulen die außerschulischen Angebote aus ihrer Sicht kostenfrei nutzen können. Das Startchancen-Programm führt nun dazu, dass viele Anbieter sich direkt an die Schulen wenden.

Die Schulleitungen vor Ort müssen dann ausloten, welche Kooperationen sinnvoll sein könnten. Die Chancenbudgets eröffnen hier neue Möglichkeiten, auch weil ein Drittel der Gelder weitgehend frei vergeben werden kann. (Beispiel Chancenbudgets für NRW-Startchancen-Schulen)

Schulleitungen wünschen sich zudem ein Entgegenkommen der Bildungsanbieter. „Ich wünsche mir, dass man uns ernsthaft kennenlernt und mit offenen Karten spielt“, formuliert es eine Schulleitung. Es sei klug, wenn Bildungsanbieter Vorbereitungszeit einplanen würden, um vor Ort zwei Wochen lang die Schule und das Team kennenzulernen. „So könnte man gemeinsam wirklich passende Lösungen entwickeln.“

Aber nicht nur für das Zusammenspiel mit den Schulen, auch für den Bereich der zivilgesellschaftlichen Bildungsorganisationen selbst enthält die vorliegende Untersuchung einige Botschaften. Dazu zählt, dass an über 75 Prozent der mehr als 650 Startchancen-Schulen, an denen die 18 Bildungsanbieter tätig sind, jeweils nur eine Organisation vertreten ist. Die Idee, dass die vielen Bildungsanbieter stärker im Verbund denken, wächst langsa m. Das Startchancen-Programm erweist sich hier als Treiber. „Grundsätzlich gilt, dass sich auch die Anbieter zum Teil stärker professionalisieren müssen“, sagt Feitkenhauer.

Für ihn und Volz ist das wichtig. Denn in ihren Augen wird die Zivilgesellschaft mit ihren lokalen Vereinen, regionalen Bildungsorganisationen und bundesweiten Netzwerken als Partner der Schulen zu wenig gesehen – nicht zuletzt, weil der Bereich so unübersichtlich ist. Bei der wissenschaftlichen Begleitung des Startchancen-Programms etwa richtet sich der Blick in der Wahrnehmung von Volz und Feitkenhauer, wenn es um zivilgesellschaftlichen Bildungsorganisationen geht, bisher eher auf Stiftungen.

„Wenn es um Wirkungsnachweise geht, gibt es etwa im Bereich von Mentoring schon sehr belastbare Studien von Bildungsanbietern, wie sich die Bildungschancen von Schülerinnen und Schülern verbessern“, sagt Volz. Dieses vorhandene Wissen, gerade der überregionalen Anbieter, ließe sich nutzen.

Und auch bei den Governance-Strukturen, die aktuell in den Bundesländern nach und nach entstehen, hoffen Feitkenhauer und Volz darauf, stärker einbezogen zu werden. „In einer idealen Welt wäre es so, dass zivilgesellschaftliche Bildungsanbieter im Startchancen-Programm von Beginn an konsequent mitgedacht und einbezogen werden“, schildert Volz ihre Sicht. Und dann stünden zu etwa gleichen Anteilen lokale Akteure und nachgewiesen wirksame, bundesweit aktive Organisationen an der Seite der Schulen.

Am Montag, 10. Februar, werden die Ergebnisse aus dem Projekt „Gemeinsam für mehr Chancen – Zivilgesellschaft im Startchancen-Programm“ vorgestellt. Die Online-Veranstaltung findet von 15 bis 16.30 Uhr statt. Hier können Sie sich anmelden.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

Teilen
Kopiert!