Herr Flasbarth, der Etat Ihres Ministeriums steht vor deutlichen Kürzungen. Was heißt das für 2025?
Dass wir von allem weniger haben, als wir brauchen. Natürlich verschärft das die Konkurrenz um die Mittel. Zum Beispiel im Gesundheitsbereich: Da steht demnächst die Auffüllung großer Fonds an wie der Impffonds GAVI oder der Fonds gegen Tuberkulose, Malaria und Aids. Deutschland hat immer in vorderer Reihe gestanden. Das wird auch weiterhin so sein, auch wenn wir jetzt etwas unter Plan und wohl auch unter den Erwartungen an uns bleiben. Aber richtig ist auch, dass man vieles neu denken muss, was nicht nur mit Geld zu tun hat.
Erst einmal ist Fakt, dass wir unsere Zusagen nicht einhalten.
Nein, das kann man jetzt noch sagen. Wir geben beim Klima 5,7 Milliarden Euro statt sechs Milliarden, die Differenz ist nicht viel. Und da reden wir über 2023. Angekündigt waren die sechs Milliarden für 2025.
Der Gesamtetat schrumpft – das dürfte kaum zu schaffen sein.
Wir tun alles, um unsere Programme so auszurichten, dass wir unseren Beitrag trotzdem steigern. Aber ja, das ist bei Klima und Biodiversität verdammt schwer. Das Ziel ist noch erreichbar, und alle Ressorts müssen sich ordentlich anstrengen, nicht nur wir. Aber Sie haben recht: Die Richtung der Mittelausstattung ist insgesamt ungut.
Was erwarten Sie von der COP29, die Mitte November in Baku beginnt?
Das ist eine Finanzierungs-COP. In Kopenhagen 2009 haben die Industrieländer versprochen, ab 2020 100 Milliarden Dollar jährlich für Klimaschutz und Klimaanpassung an die Entwicklungsländer zu zahlen. Das haben wir nicht ganz geschafft. Wir waren im Jahr 2020 bei etwa 80 Milliarden: Nicht wenig, aber es war nicht das, was wir versprochen und worauf die Länder im Globalen Süden vertraut hatten. Und die wichtigste Währung im internationalen Kontext sind nun mal nicht Dollar oder Euro, sondern es ist Vertrauen.
2022 waren es dann aber 100 Milliarden.
Ja, aber schon in Kopenhagen 2009 hatte der Globale Süden die Erwartung, dass es nicht bei 100 Milliarden bleibt, sondern weiter aufwächst. Und klar war mit dem Abkommen von Paris 2015 auch, dass das globale Ziel 2025 neu formuliert wird. Da gibt es jetzt kein Ausweichen mehr. Nun findet diese Diskussion in Zeiten statt, in denen die Geopolitik von Kriegen und Krisen geprägt ist und in der die Budgets überall unter Druck sind. Deshalb wird das eine anstrengende Diskussion.
Der Kanzler hat sechs Milliarden Euro für die internationale Klimafinanzierung versprochen, das BMZ aber soll sparen. Wo werden wir 2025 landen?
Alle Ressorts müssen sich anstrengen und das BMZ ganz besonders.
Die erhoffte Hebelwirkung bei der Klimafinanzierung ist noch nicht wirklich erkennbar. Oder haben wir etwas übersehen?
Stimmt, der Hebelfaktor – also das Verhältnis von eingesetzten Bundesmitteln zu dem damit zusätzlich gewonnenen Privatkapital – ist vor Jahren deutlich höher veranschlagt worden. Deshalb müssen wir jetzt umso mehr darauf achten, wie wir zusätzliche private Mittel mobilisieren können. Da ist viel mehr möglich. Die Finanzindustrie kann sehr viel. Wir werden im nächsten Jahr eine Plattform aufsetzen, die wir gerade bei der ersten Hamburg Sustainability Conference mit vielen Partnern vereinbart haben.
Was heißt das?
Große Anleger wie Versicherungen oder Staatsfonds investieren immer noch in fossile Energien. Das ist schlecht. Wir brauchen Investitionen in eine klimaverträgliche Wirtschaft. Dazu wollen wir im Bereich Nachhaltigkeitsfinanzierung vieles standardisieren, ein Thema, das ich lange unterschätzt und dessen Bedeutung ich ehrlich gesagt jetzt erst verstanden habe. Die Finanzindustrie braucht solche Standards. Gerade die Versicherungswirtschaft ist viel mehr an stabilen und langfristigen Erträgen interessiert als an Renditemaximierung.
Hat das Thema Entwicklung in Politik und Gesellschaft an Rückhalt verloren?
Wir sind jedenfalls in die Defensive geraten. Wir müssen deshalb unsere Arbeit stärker begründen und legitimieren. Dagegen ist auch gar nichts zu sagen. Denn wir können vieles gut nachweisen. Wir haben ein eigenes Institut dafür, das DEVAL. Es gibt kein anderes Ressort, das seine Ausgaben so gründlich evaluieren lässt.
Nur weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Das stimmt so nicht. Es ist alles veröffentlicht. Das eigentlich Toxische der Debatte ist aber, dass sich der Gedanke „America first“, übertragen auf Deutschland, ausbreitet. Angetrieben von den extremen Rechten.
Auch Ihr Koalitionspartner hinterfragt Ihre Arbeit.
Ja, die nationale Nabelschau hat auch bei einigen in der politischen Mitte angefangen. Bei der Ampel mache ich mir weniger Sorgen – da gab es ein paar Einzelstimmen, mit relativ wenig Substanz. Bei der Union brach das im Frühjahr auch mal auf, ist aber wieder abgeebbt, auch weil dort einige an die Tradition der Union für die internationale Entwicklungspolitik erinnert haben. Dass wir in Deutschland auch Eigeninteressen formulieren, ist im übrigen absolut legitim. Aber wir sind ein rohstoffarmes Land, wir sind auf funktionierende Lieferketten angewiesen. Und die Interessen werden nicht nur durch die Außenwirtschaft des Wirtschaftsministeriums abgebildet, sondern sind auch Teil unserer Entwicklungspolitik.