Der Ansatz der „integrierten Sicherheit“, der der Nationalen Sicherheitsstrategie zugrunde liegt, soll über die bisherigen Schwerpunkte Streitkräfte und Diplomatie hinaus auch innere Sicherheit, Cyber-Bedrohungen, die Auswirkungen von Wirtschaftspolitik und nicht zuletzt den Klimawandel in den Blick nehmen.
„Alle Stränge der Politik“ zusammenzuführen, muss aus Sicht der Ampelkoalition allerdings vorerst ohne zusätzliche Mittel gelingen: „Angesichts der erheblichen aktuellen Anforderungen an unsere öffentlichen Haushalte streben wir an, die Aufgaben dieser Strategie ohne zusätzliche Belastung des Bundeshaushalts insgesamt zu bewältigen “, heißt es in dem 74 Seiten umfassenden Papier mit dem Titel „Integrierte Sicherheit für Deutschland“.
Was das vor allem im Hinblick auf den Verteidigungshaushalt bedeutet, machte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Verteidigungsminister Boris Pistorius und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) sehr deutlich. Zwar sagte Lindner, Deutschland müsse „aus der Zeit der Friedensdividende in die Zeit der Friedens- und Freiheitsinvestitionen“ wechseln. Für die Finanzierung müsse dieser Schwerpunkt ab 2025 Jahr für Jahr neu erarbeitet werden, „indem auch wünschenswerte Vorhaben zurückgestellt“ würden, weil die Sicherheit Vorrang habe.
Vorerst werde deshalb das in der Nato vereinbarte Ziel, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, nur „im mehrjährigen Durchschnitt“ zu erreichen sein, heißt es in der Nationalen Sicherheitsstrategie. Auch wenn die politische Absicht bleibe, dieses Ziel zu erreichen: Den Verteidigungshaushalt ohne das zusätzliche Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sofort auf diese zwei Prozent anzuheben, wäre „nur möglich durch massiven Eingriff in gesetzliche Leistungen oder Steuererhöhung“, warnte Lindner.
Die Leitlinien der neuen Strategie unter den Schlagworten „Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig.“ fassen im Wesentlichen die bisherigen Regierungsbemühungen zusammen, sehen allerdings kaum grundlegend neue Vorgehensweisen vor. Ein nationaler Sicherheitsrat, wie er in der Debatte über diese Strategie mehrfach auch aus der Koalition gefordert wurde, ist nicht vorgesehen. Sowohl Baerbock als auch Scholz betonten, die Arbeit der Bundesregierung als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine habe gezeigt, dass der Regierungsapparat handlungsfähig sei und kein neues Gremium eingerichtet werden müsse.
Ein neues Detail, das allerdings in der Pressekonferenz von Kanzler, gleich zwei Ministerinnen und zwei Ministern nicht zur Sprache kam, betrifft erstmals nicht nur die Nach-, sondern auch die Aufrüstung der Bundeswehr: Ausdrücklich wird in der Strategie die „Entwicklung und Einführung von Zukunftsfähigkeiten wie abstandsfähiger Präzisionswaffen“ genannt. Über die bisherige Kapazität der Bundeswehr hinaus, mit dem Marschflugkörper Taurus Ziele in rund 500 Kilometern Entfernung anzugreifen, deutet das auf die Beschaffung von konventionellen Kurz- und gegebenenfalls Mittelstreckenraketen hin – eine grundlegend neue Fähigkeit für die deutschen Streitkräfte.
Wenig überraschend wird in der Strategie „das heutige Russland“ als „auf absehbare Zeit größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum“ bezeichnet. Dennoch sollten „belastbare politische und militärische Kommunikationskanäle“ zwischen der Nato und Russland erhalten bleiben. Langfristig bedeutsamer scheint allerdings, gerade im Bekenntnis zu einer multipolaren Welt, die Beziehung zu China. Was in dem Papier nüchtern auf die Formel „China ist Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale“ gebracht wird, machte Finanzminister Lindner mit seinen Worten noch etwas greifbarer: „Die USA sind ein Wertepartner, China ist ein Handelspartner, aber Werterivale.“