Table.Briefing: Europe

SOTEU: Was wirklich neu ist + Zwangsarbeit + Milliardenstrafe gegen Google

  • SOTEU: Was von der Leyen ankündigt – und was wirklich neu ist
  • Termine
  • Zwangsarbeit: EU-Kommission nimmt auch Produkte aus Xinjiang ins Visier
  • EU-Gericht bestätigt Milliardenstrafe gegen Google
  • Reform des Strommarkts: Vorschläge sollen Mitgliedstaaten 140 Milliarden Euro bringen
  • Frankreich deckelt Preiserhöhung für Strom und Gas
  • Schwedens Ministerpräsidentin Andersson tritt nach Wahl zurück
  • Finanzierung: Europäische Parteien werden mit Stiftungen gleichgestellt
  • EU-Parlament stimmt für einheitliche Mindestlohnstandards
  • Rechnungshof bekommt neue Führung
  • Im Porträt: Regine Günther – Viele Wege zur Klimaneutralität
  • Apéropa: Die Sprachen der Diplomatie
Liebe Leserin, lieber Leser,

viel Lob gab es gestern für Ursula von der Leyen für ihre Rede zur Lage der EU. Allerdings sind einige ihrer Vorschläge nicht mehr ganz so frisch. Bei der Europäischen Wasserstoffbank etwa ist lediglich der Name neu. Doch Überraschungen gab es durchaus, etwa darüber, dass der Mittelstand so viel Aufmerksamkeit in ihrer Rede bekam. Wir haben genau hingehört und fassen die wichtigsten Aussagen der Kommissionspräsidentin und erste Reaktionen zusammen. In den News berichten wir außerdem über die Details zur geplanten Reform des EU-Strommarkts.

Viel Beachtung bekommt auch der Vorschlag für ein Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit, den die Kommission nun vorgelegt hat. Bereits belegbare Hinweise sollen ausreichen, um Produkte, die durch Zwangsarbeit entstanden sind, vom europäischen Markt zu verbannen. Damit hätten es Produkte aus der chinesischen Provinz Xinjiang bald schwer, wie Amelie Richter analysiert – so zum Beispiel Christbaumschmuck. Ein Schwachpunkt ist aus Sicht von Experten jedoch, dass das Verbot nicht für Dienstleistungen gilt.

Der Teufel steckt wie immer im Detail: Zwar unterlag Google in seinem Rechtsstreit mit der Kommission vor dem Gericht der Europäischen Union. Doch das Gericht stellte einige Verfahrensfehler fest, weshalb es die Geldbuße reduzierte. Google muss nun 4,125 Milliarden statt 4,34 Milliarden Euro zahlen. Das Gericht bemängelte – wie schon in seinem Intel-Urteil – dass die Kommission Fehler bei der Beurteilung der ökonomischen Position von Google gemacht habe. Dennoch werten viele Beobachter das Urteil als eine Stärkung für die Kommission – gerade an dem Tag, als auch der Digital Markets Act (DMA) offiziell unterzeichnet wurde. Corinna Visser hat die Details.

Dass Ska Keller kurz vor dem Rückzug aus der ersten Reihe der europäischen Grünen steht, berichteten wir gestern. Nun ist es offiziell: Keller, seit 2016 die wichtigste Grünen-Politikerin auf EU-Ebene, gibt ihren Posten als Co-Chefin der Grünen im Parlament ab. In einer Mitteilung sprach sie von einer “persönlichen Entscheidung”. “Thank you, Ska”, twitterte die Fraktion gestern Abend.

Ihre
Sarah Schaefer
Bild von Sarah  Schaefer

Analyse

SOTEU: Was von der Leyen ankündigt – und was wirklich neu ist

Ursula von der Leyen und mehrere Kommissarinnen hatten sich abgesprochen: Sie alle trugen Kleidung in den Farben der ukrainischen Nationalflagge. Neben ihnen auf der Kommissionsbank Platz genommen hatte Olena Selenska, die Gattin des ukrainischen Präsidenten. “Liebe Olena”, richte sich von der Leyen an sie, “es bedarf ungeheuren Mutes, um Putins Brutalitäten die Stirn zu beweisen. Du bringst diesen Mut auf”.

Auch in ihrer Rede zur Lage der EU erhielt die Ukraine einen prominenten Platz. Streckenweise erweckte von der Leyen den Eindruck, als wäre die Ukraine bereits ein Mitgliedstaat, und es seien keine langwierigen Beitrittsverhandlungen mehr nötig. Unmittelbar nach der Rede, so kündigt sie weiter an, werde sie per Hubschrauber nach Kiew fliegen und Wolodomyr Selenskyj einen Besuch abstatten. Es geht ihr darum, die Handelsbeziehungen zu intensivieren: “Unser Binnenmarkt hat Erfolgsgeschichte geschrieben. Jetzt wird es höchste Zeit, dass auch die Ukraine davon profitiert.”  

Energie: Drei Milliarden für Wasserstoff-Bank

Die Kommission will drei Milliarden Euro für den Import von grünem Wasserstoff bereitstellen. “Es geht darum, Angebot und Nachfrage von morgen miteinander in Einklang zu bringen. Deshalb kann ich heute verkünden, dass wir eine Europäische Wasserstoffbank gründen werden”, sagte von der Leyen gestern in Straßburg. Die Mittel sollen vorrangig aus dem Innovationsfonds stammen.

Einen formalen Vorschlag dazu will die Kommission im kommenden Jahr vorlegen, wie aus einem Letter of Intent hervorgeht. Neu ist aber lediglich der Name. Wie Europe.Table aus dem Umfeld der Kommission bestätigt wurde, handelt es sich bei der Wasserstoffbank im Wesentlichen um die Globale Europäische Wasserstoff-Fazilität, welche die Kommission bereits in REPowerEU angekündigt hatte. Sie ist der Wasserstoff-Strang der EU-Energieplattform, die neben Erdgas mittelfristig auch grüne Gase auf dem Weltmarkt beschaffen soll.

Vorbild ist das deutsche Instrument H2Global, das Differenzverträge mit Verkäufern und Käufern abschließt und so als Market Maker fungiert. In REPowerEU hatte die Kommission angekündigt, bis 2030 zehn Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoffs zu importieren.

Als Partner der Wasserstoffbank brachte sich gestern die Europäische Investitionsbank in Stellung. “Die EIB wird weiterhin mit der EU-Kommission und unseren Partnern zusammenarbeiten, um den grünen Wasserstoffsektor zu unterstützen”, schrieb EIB-Präsident Werner Hoyer. Die Bank hat der Wasserstoffwirtschaft seit 2011 nach eigenen Angaben Kredite in Höhe von 550 Millionen Euro bereitgestellt und damit 1,2 Milliarden Euro an Investitionen ausgelöst.

Der Industrieverband Hydrogen Europe begrüßte die Ankündigung einer Europäischen Wasserstoffbank. Kritisch äußerte sich der Wissenschaftler Thomas Wyns von der Brussels School of Governance. Bei einem Volumen von drei Milliarden Euro bestehe die Gefahr, dass die EU Technologien fördere, die niemals marktfähig würden – so wie bei einem früheren Fonds zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS). ber

Rohstoffe und Handel: Neue Aufmerksamkeit

“Lithium und Seltene Erden werden bald wichtiger sein als Öl und Gas”, sagte von der Leyen. Allein der europäische Bedarf an Seltenen Erden werde sich auf dem Weg zu den Zielen des Green Deal bis 2030 verfünffachen. Der Zugang zu diesen Rohstoffen sei entscheidend, deshalb müsse man Abhängigkeiten vermeiden.

Von der Leyen verwies auf den seit Längerem von Binnenmarktkommissar Thierry Breton angekündigten Raw Materials Act, den dieser gestern in einem LinkedIn-Artikel präzisierte. Als Ziele könnten demnach festgeschrieben werden, dass bis 2030 mindestens 30 Prozent des EU-Bedarfs an raffiniertem Lithium aus der EU stammen oder mindestens 20 Prozent der Seltenen Erden zurückgewonnen werden müssen, schrieb er.

Besonders strategische Rohstoffe sollen anhand von Kriterien identifiziert, und mithilfe der nationalen Behörden mögliche Engpässe antizipiert werden. Mit Blick auf die Rohstoffverarbeitung, die zum größten Teil in China stattfindet, will die Kommission strategische Projekte entlang der gesamten Lieferkette identifizieren und als “im europäischen Interesse” einstufen. Das soll die Realisierung der Vorhaben beschleunigen. Um die Finanzierungsmöglichkeiten zu verbessern, soll sich die EU an national organisierten IPCEI stärker beteiligen. Von der Leyen kündigte außerdem einen Europäischen Souveränitätsfonds an – Einzelheiten konnte die Kommission auf Nachfrage gestern aber nicht nennen.

Für Bereiche, in denen die Versorgung gefährdet ist, kündigte von der Leyen den Aufbau strategischer Reserven an. Die Industrie fordert bereits seit Längerem eine Lagerhaltung besonders kritischer Materialien, die bislang für Unternehmen nicht finanzierbar sei. Der BDI schlägt deshalb Steuererleichterungen in Form einer “Rohstoffbevorratungsrücklage” vor.

Die bestehenden Abhängigkeiten lösen will von der Leyen zudem mithilfe neuer Partnerschaften. Konkret nennt sie die Freihandelsgespräche mit Chile, Mexiko und Neuseeland, die sie noch in dieser Legislaturperiode Rat und Europaparlament zur Ratifizierung vorlegen will. Bei Neuseeland dürfte das unproblematisch sein. Bei Mexiko sucht die Kommission derzeit nach einem Weg, um das im Grundsatz bereits vereinbarte modernisierte Abkommen splitten zu können in einen Handels- und einen Investitionsteil. Bei Chile sind die Verhandlungen über ein Abkommen weit fortgeschritten, allerdings sorgen politische Turbulenzen in dem rohstoffreichen Land für neue Unsicherheiten. leo/tho

Wirtschaft: Entlastung des Mittelstandes

In der zweiten Oktoberhälfte will die Kommission ihre Reformvorschläge für den Stabilitäts- und Wachstumspakt vorlegen. Inhaltlich trug von der Leyen hier aber wenig Neues vor. Die Grundprinzipien: Die Mitgliedstaaten sollen mehr Spielraum beim Schuldenabbau bekommen, der vereinbarte Schuldenabbau soll dafür strikter kontrolliert und die Regeln vereinfacht werden. Diese Prinzipien in einen konsensfähigen Reformvorschlag zu gießen, werde aber kompliziert, sagt Nils Redeker, Vize-Direktor des Jacques Delors Centre an der Hertie School. In vielen Details lägen die Mitgliedsstaaten “weiterhin weit auseinander”.

Ungewohnt viel Platz in ihrer Rede räumte von der Leyen dem Mittelstand ein. Sie reagierte damit auch auf Forderungen aus der Wirtschaft und der EVP: Patricia Lips, Fraktionsvize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, etwa fordert für alle anstehenden Gesetze auf europäischer Ebene “ein Bürokratie- und Belastungsmoratorium”. Die Vorschläge etwa zum Lieferkettengesetz oder zu den Industrieemissionen will von der Leyen aber nicht zurückziehen. Dafür verspricht sie ein KMU-Entlastungspaket:

  • Die Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt soll stärker vereinheitlicht werden. Den Anstoß dazu hatte die Kommission schon im vergangenen Jahr gegeben, derzeit arbeite man am Legislativvorschlag und konsultiere Stakeholder, heißt es in der Kommission. Die Initiative, BEFIT genannt, soll auf den Vorschlägen für eine gemeinsame Bemessungsgrundlage aufbauen, die am Widerstand der Mitgliedsstaaten gescheitert war. Daneben soll sie Elemente des auf OECD-Ebene vereinbarten Steuerdeals berücksichtigen, insbesondere die erste Säule, die den Ort der Steuerbarkeit der Unternehmen neu regelt.
  • Zudem soll die Zahlungsverzugsrichtlinie aus dem Jahr 2011 überarbeitet werden. “Es ist einfach nicht fair, wenn ein Viertel aller Insolvenzen wegen nicht bezahlter Rechnungen geschehen”, so von der Leyen.
  • Den zunehmenden Fachkräftemangel will von der Leyen adressieren, in dem sie 2023 zum “Europäischen Jahr der Aus- und Weiterbildung” erklärt. Um ausländische Mitarbeiter leichter anwerben zu können, sollen deren Qualifikationen schneller anerkennt werden.

Wirtschaftsvertreter wie VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann zeigen sich “positiv überrascht” über die ungewohnte Aufmerksamkeit für den Mittelstand. Das Entlastungspaket dürfe aber “auf keinen Fall zu einem Papiertiger werden”. Die Leiterin der DIHK-Vertreterin in Brüssel, Freya Lemcke, ist skeptisch: Die BEFIT-Initiative richte sich nach bisherigen Planungen vor allem an Aktiengesellschaften und GmbHs, die große Mehrheit der KMU in Deutschland würden aber als Personengesellschaften geführt. Daher würde “der Großteil des deutschen Mittelstands von diesen Maßnahmen nicht erfasst, wenn es bei der bisherigen Planung bliebe”. 

Digitalpolitik: Auf ins Metaverse

Die digitale Transformation Europas erwähnte von der Leyen nur an wenigen Stellen. Nur in ihrem Letter of Intent an die Parlamentspräsidentin und die tschechische Ratspräsidentschaft kündigte die Kommissionspräsidentin an, sich neuen Trends wie dem Metaversum widmen zu wollen.

Details zu Europas Plan, im Metaversum zu gedeihen kamen anschließend von Breton. Drei Ansatzpunkte nannte er:

  • Menschen: In dieser neuen virtuellen Welt müssten die europäischen Werte von Anfang an verankert sein. Breton betont die Wichtigkeit interoperabler Standards und dass kein privater Akteur den Schlüssel zum öffentlichen Raum in Händen halten oder dessen Bedingungen festlegen sollte.  
  • Technologie: Breton kündigt eine Virtual and Augmented Reality Industrial Coalition an, in der Akteure der wichtigsten Metaverse-Technologien zusammenkommen. Es gebe bereits einen Fahrplan, der von mehr als 40 EU-Organisationen unterstützt werde – von großen Unternehmen bis hin zu KMU und Universitäten.
  • Infrastruktur: Breton konstatiert, dass die neuen virtuellen Welten die Konnektivitätsinfrastruktur noch stärker unter Druck setzen werden. Gleichzeitig lasse das derzeitige Wirtschaftsklima Investitionserträge stagnieren und die Kosten für die Bereitstellung der Leitungen steigen. Hier verweist Breton auf sein umstrittenes Vorhaben, Big-Tech-Unternehmen wie Google oder Facebook an den Infrastrukturkosten zu beteiligen. vis

Außenpolitik: Macht der Demokratien

In der Außenpolitik setzte von der Leyen neue Akzente. Die Agenda müsse stärker auf gleichgesinnte Partner ausgerichtet werden, sagte sie. Es sei “Zeit, in die Macht der Demokratien zu investieren”. So sollen die Beitritts-Kandidaten auf dem Westbalkan sowie die Ukraine, Georgien und Moldau mehr als bisher unterstützt werden. Die EU hatte im Juni beschlossen, der Ukraine und Moldau den Kandidaten-Status zu verleihen. Von der Leyen wertet nun auch Georgien auf.

Außerdem schließt sich die deutsche Kommissionschefin dem zunächst umstrittenen Vorstoß des französischen Staatschefs Emmanuel Macron für eine “Europäische Politische Gemeinschaft” an. Sie könnte Länder wie die Ukraine, Großbritannien oder die Türkei umfassen – konkrete Vorschläge will die Kommission dem Europäischen Rat präsentieren. Der tschechische Ratsvorsitz hat bereits einen ersten Gipfel am 6. und 7. Oktober in Prag einberufen.

Auf internationaler Ebene soll die “Global Gateway”-Initiative ausgebaut werden, die die Kommission als Alternative zum chinesischen Seidenstraßen-Projekt konzipiert hat. Hier sucht von der Leyen den Schulterschluss mit US-Präsident Joe Biden. Man werde gemeinsam zu einem Gipfel einladen, um über konkrete Investitionsprojekte zu sprechen, sagte sie. Dazu will sie auch andere G7-Partner einladen. Ein Datum wurde nicht genannt. Als Vorbild dienen Fabriken in Ruanda und Senegal, in denen moderne mRNA-Impfstoffe hergestellt werden. Ähnliche Projekte seien auch in Lateinamerika geplant. ebo 

Rechtsstaat: Verteidigungspakt für die Demokratie

Von der Leyen kündigte einen Pakt zur Verteidigung der Demokratie an. Es gehe darum, verdeckter Einflussnahme von außerhalb der EU den Kampf anzusagen. Anfang des Jahres habe die Universität Amsterdam ein angeblich unabhängiges Institut geschlossen, das tatsächlich von China bezahlt worden sei. Dieses habe verbreitet, bei den Berichten über Zwangslager für Uiguren handele es sich um Gerüchte.

Es geht aber auch um die Bekämpfung von Korruption von innen. Von der Leyen kündigte für das kommende Jahr eine Überarbeitung der EU-Gesetzgebung gegen Korruption an. Neben den klassischen Straftatbeständen wie Bestechung und Bestechlichkeit gehe es dabei auch um illegale Bereicherung, Einflussnahme und Machtmissbrauch. Sie werde überdies vorschlagen, Korruption ins System der Menschenrechtssanktionen aufzunehmen, dem neuen Instrument zum Schutz der EU-Werte im Ausland.

Ohne Namen zu nennen, mahnte von der Leyen auch: “Wir werden nicht zulassen, dass die trojanischen Pferde einer Autokratie unsere Demokratien von innen angreifen.” Auf Twitter wird der Grüne Daniel Freund konkret: “Ja, Viktor Orbán, der Satz ist für dich.” mgr

EU-Reform: Plädoyer für einen Konvent

Unerwartet deutlich spricht sich die Kommissionspräsidentin für einen Konvent zur Überarbeitung der EU-Verträge aus. Der Augenblick dafür sei gekommen. Das Europaparlament hat sich dafür ausgesprochen, auch Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt sich offen. Viele Mitgliedsstaaten aber scheuen den langwierigen Prozess einer Vertragsänderung. Sie müssten aber mehrheitlich zustimmen, um einen Konvent einzuberufen, eine Vertragsreform erfordert sogar Einstimmigkeit.

Wenig konkret wird von der Leyen bei Reformen, die auch im Rahmen des Lissaboner Vertrags möglich wären. Die Konferenz zur Zukunft Europas hatte zahlreiche Vorschläge entwickelt. Die dort bewährten Bürgerpanels sollten nun “ein fester Bestandteil unseres demokratischen Lebens” werden, sagt sie. In welcher Form, dazu sagt sie nichts. tho

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Termine

16.09.-18.09.2022, Münster
FES, Seminar Europas autokratisierende Zwillinge? – Ungarn und Polen in der Europäischen Union
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beschäftigt sich mit dem Verhältnis Ungarns und Polens zur EU. INFOS & ANMELDUNG

16.09.2022 – 14:00-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
ERCST, Roundtable The State of the European Green Deal: Quo vadis EGD?
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) aims to bring together policymakers and stakeholders to take stock of current developments in the EGD framework. INFOS & REGISTRATION

19.09.-23.09.2022, Trier
ERA Summer Course on European Information Technology Law
This course provides an introduction to European information technology law. INFOS & REGISTRATION

19.09.-22.09.2022, Leeuwarden (Niederlande)
EEN, Konferenz Europäische Wassertechnologie-Woche
Das Enterprise Europe Network (EEN) bringt führende Vertreter von Unternehmen, Cluster-Organisationen, Forschungszentren, innovativen KMU, Start-ups und neuen Talenten der Wassertechnologie aus der ganzen Welt zusammen. INFOS & ANMELDUNG

19.09.-20.09.2022, Düsseldorf
VDMA, Conference THE #P2X CONFERENCE
The #P2X Conference puts concrete projects and technical issues and challenges around P2X into focus. INFOS & REGISTRATION

20.09.-25.09.2022, Hannover
Deutsche Messe, Messe IAA Transportation
IAA Transportation ist die Leitmesse für Logistik, Nutzfahrzeuge, Busse und den Transportsektor rund um den Globus. INFOS & ANMELDUNG

20.09.-23.09.2022, hybrid
EEN InnoTrans Business Days 2022
Die InnoTrans ist die internationale Leitmesse für Verkehrstechnik, die alle zwei Jahre in Berlin stattfindet. INFOS & ANMELDUNG

20.09.-21.09.2022, Sevilla (Spanien)/online
EC, Conference How to turn green in the European way?
The European Commission (EC) brings together leading economic scholars and policy practitioners to discuss cutting-edge research addressing Europe’s economic policy challenges. INFOS & REGISTRATION

20.09.-21.09.2022, online
BVMed, Seminar Die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung – Datenschutz im Gesundheitswesen
Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) adressiert Fragen nach der Übermittlung von Patientendaten an Dritte, behördlichen Auskunftsersuchen und der Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken im Kontext der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung. INFOS & ANMELDUNG

20.09.2022, 10:00-15:15 Uhr, online
BVE, Seminar Krisenmanagement Risiko & Lieferkette
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) stellt Wege vor, wie Unternehmen Risiken entlang von Lieferketten erkennen und steuern können. INFOS & ANMELDUNG

20.09.2022 – 10:30-16:00 Uhr, Lemgo
ZVEI Industrial AI Conference – Wie aus Ideen erfolgreiche Projekte werden
Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) gibt Hilfestellung bei der Umsetzung erfolgreicher AI-Projekte in Unternehmen. INFOS & REGISTRATION

20.09.2022 – 19:00-20:00 Uhr, München/online
SZ, Konferenz Wer macht die Arbeit? Was Digitalisierung, Flexibilität und neue Führungskultur bewirken können.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) thematisiert die Transformation der Arbeitswelt. INFOS & ANMELDUNG

20.09.2022 – 20:00-21:00 Uhr, online
Polis 180, Diskussion Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik
Polis 180 trifft sich zur Planung von Veranstaltungen und Blogbeiträgen des Themenbereichs Sicherheits- und Verteidigungspolitik. INFOS & ANMELDUNG

Zwangsarbeit: EU-Kommission nimmt auch Produkte aus Xinjiang ins Visier

Nach einigen Verzögerungen hat die EU-Kommission ihren viel beachteten Vorschlag für ein Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit vorgelegt. Künftig sollen Zwangsarbeitsprodukte ohne Ausnahme auf dem europäischen Markt verboten sein. Nach den Maßstäben des Kommissions-Vorschlags hätten es Produkte aus der chinesischen Provinz Xinjiang bald auf dem europäischen Markt schwer.

Anders als die USA mit dem Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) handelt es sich bei dem EU-Vorstoß allerdings um ein Vermarktungsverbot und keinen reinen Importstopp. Außerdem ist die Gesetzesvorlage nicht wie die US-Gesetzgebung auf eine Region oder bestimmte Produkte ausgelegt. Die Beweislast ist zudem anders gelagert. Gemeinsam haben die beiden Gesetze der USA und EU jedoch: Ein belegbarer Verdacht auf Zwangsarbeit reicht, um ein Produkt vom heimischen Markt zu nehmen sowie die Ein- und Ausfuhr verbieten zu können.

“Unser Ziel ist es, alle mit Zwangsarbeit hergestellten Produkte vom EU-Markt zu verbannen, unabhängig davon, wo sie hergestellt wurden. Unser Verbot gilt für einheimische Produkte, Exporte und Importe gleichermaßen”, sagte Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Für die Umsetzung des Verbots sind die 27 Mitgliedsländer verantwortlich. Die nationalen Zoll- oder Marktaufsichtsbehörden sollen das Verbot durchsetzen.

“Risikobasierter Ansatz” mit Datenbank

Wie soll das Verbot funktionieren? Die EU-Kommission spricht bei ihrem Vorschlag von einem “risikobasierten Ansatz“. In einer ersten Phase sollen die Behörden der EU-Mitgliedsstaaten Zwangsarbeit-Risiken feststellen. Das erfolgt auf Basis von Informationen, etwa aus der Zivilgesellschaft, von NGOs oder aus Unternehmen. Mit diesen Informationen soll zudem eine Datenbank über Risikofaktoren aufgebaut werden. Dort werden beispielsweise Zeugenaussagen, NGO-Berichte oder anderen Dokumente zu Menschenrechtsverletzungen gesammelt.

Der Verdacht, dass ein bestimmtes Produkt mit Zwangsarbeit hergestellt wurde, kann von verschiedenen Stellen vorgebracht werden. Die nationalen Behörden müssen dann in einer zweiten Phase weitere Informationen von Unternehmen anfordern oder Prüfungen und Inspektionen auch von Zulieferern vornehmen. Wird ein Verstoß festgestellt, muss das Produkt innerhalb von sechs Wochen vom europäischen Binnenmarkt genommen werden. Sollte eine Untersuchung ins Stocken geraten, weil die betroffene Firma oder auch das Land, in dem die Produktion geprüft werden soll, nicht kooperieren, kann das Produkt auf Basis des Verdachts gesperrt werden. So sollen endlose Überprüfungsschleifen und eine Hinhaltetaktik des betroffenen Landes verhindert werden.

Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fallen in den Geltungsbereich des Gesetzesentwurfs. Allerdings wird sich die Durchsetzung wahrscheinlich auf große Unternehmen konzentrieren. Aspekte wie der Umfang der Geschäftstätigkeit und die Menge der betroffenen Produkte sollen während der Untersuchung berücksichtigt werden. KMUs sollen außerdem besondere Unterstützung bekommen, ihre Lieferketten zu prüfen.

Peking erkennt Zwangsarbeit nicht an

Was überhaupt als Zwangsarbeit angesehen wird, soll auf den Grundlagen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bestimmt werden. Die Organisation der Vereinten Nationen hat in den Konventionen 105 und 29 definiert, was als Zwangsarbeit gilt.

Und hier liegt ein großes Problem für den Handel mit China. Die Volksrepublik hat die beiden Übereinkommen zwar unterzeichnet und ratifiziert (China.Table berichtete) – die Führung in Peking erkennt aber immer noch nicht an, dass es Zwangsarbeit im Land überhaupt gibt.

Für den risikobasierten Verdachts-Ansatz sollte es allerdings ausreichend Material für die geplante Datenbank geben. So müssen die Behörden die Zwangsarbeit nicht bis ins Detail einzeln nachweisen, um Produkte verbieten zu können. Für Xinjiang gibt es ausreichend dokumentierte Belege, nicht zuletzt den Bericht der ehemaligen UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet und belegbare Zeugenaussagen von Betroffenen.

“Man kann nicht jedes Produkt zu 100 Prozent überprüfen”, sagt Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Außenhandelsausschusses des EU-Parlaments. Aber es lasse sich beispielsweise sagen, dass ein Produkt wie Christbaumschmuck zum großen Teil aus Chinas Provinz Xinjiang stamme. In solchen Fällen, sagt Lange, “wird es Veränderungen in den Wertschöpfungsketten geben”. Auch deutsche Unternehmen in Xinjiang, wie VW und BASF, müssten ihre Lieferketten genau prüfen.

Lücke bei staatlich verordneter Zwangsarbeit

Eine Lücke im EU-Vorschlag gibt es hinsichtlich China jedoch: Bei der Zwangsarbeit in Xinjiang ist der Staat die ausführende Kraft. Wie damit umgegangen werden soll, ist nicht klar angegeben. “Die Mehrdeutigkeit des Kommissions-Vorschlags zur staatlich verordneten Zwangsarbeit ist zutiefst besorgniserregend”, sagt Helene de Rengerve von der Organisation Anti-Slavery International. “Das Fehlen klarer Verfahren schränkt die Macht, Unternehmen dazu zu zwingen, staatlich verordnete Zwangsarbeit aus ihren Lieferketten zu entfernen, erheblich ein”, so de Rengerve.

Kritik am Kommissions-Vorschlag gibt es auch, da er keinerlei Entschädigung für Opfer der Zwangsarbeit vorsieht. Betroffene können keine Kompensation einfordern. Auch, dass das Verbot für Produkte gilt, nicht aber für Dienstleistungen, ist ein Schwachpunkt der Gesetzesvorlage.

“Es wird zu einer Reaktion kommen”

Wie geht es nun weiter? Zunächst müssen das Europaparlament und der Rat der Mitgliedsländer ihre Positionen festlegen. Das könnte dauern. Der Vorschlag der EU-Kommission müsse jetzt analysiert und gegebenenfalls verbessert werden, schrieb der Handelsausschuss-Vorsitzende Bernd Lange auf Twitter. Es dürfte noch bis Anfang kommenden Jahres dauern, bis die EU-Parlamentarier ihre Position für die Verhandlungen mit der Kommission und dem EU-Rat festgelegt haben.

Konservative Abgeordnete forderten bereits eine Rückstellung der Gesetzesvorlage. So forderte CDU-Politiker Daniel Caspary beispielsweise ein generelles Moratorium für EU-Gesetze, “die wirtschaftliche Tätigkeit erschweren”.

Der SPD-Europaabgeordnete und Vize-Vorsitzende der China-Delegation des Parlaments, René Repasi, sieht in dem Verbot einiges an Potenzial: “Ich gehe davon aus, dass dieser Rechtsakt große Wirkung haben wird.” Dass Peking sich das ohne Weiteres gefallen lässt, kann bezweifelt werden. “Es wird zu einer Reaktion kommen”, sagt Repasi. China könne sich aber nicht erlauben, den Handel mit der EU einzuschränken. Er gehe nicht davon aus, dass es zu großen Störungen in den Handelsketten komme, so Repasi.

Ausreichend Zeit für die Vorbereitung hätten EU-Firmen: Wenn sich die EU-Institutionen auf einen Gesetzesvorschlag geeinigt haben, soll es noch ganze 24 Monate dauern, bis das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit in Kraft tritt.

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  • Europapolitik
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EU-Gericht bestätigt Milliardenstrafe gegen Google

Erneut hat Google vor dem Gericht der Europäischen Union eine Niederlage hinnehmen müssen. Das Gericht bestätigte weitgehend den Beschluss der Kommission aus dem Jahr 2018. Demnach hat Google den Herstellern von Mobilgeräten mit dem Betriebssystem Android und den Betreibern von Mobilfunknetzen rechtswidrige Beschränkungen auferlegt, um die beherrschende Stellung seiner Suchmaschine zu stärken. Das Gericht bemängelte allerdings einige Verfahrensfehler und reduzierte das Strafmaß von 4,34 Milliarden auf 4,125 Milliarden Euro.

“Das ist eine wichtige Entscheidung, die Maßstäbe für die Behandlung digitaler Ökosysteme setzt“, kommentierte der Kartellrechtsexperte Rupert Podszun aus Düsseldorf. “Das Gericht bestätigt, dass die großen Gatekeeper des Internets ihre Macht unzulässig ausnutzen.”

Google zeigte sich enttäuscht, dass das Gericht die ursprüngliche Entscheidung der Kommission nicht vollständig aufgehoben habe. “Android hat nicht weniger, sondern mehr Wahlmöglichkeiten für alle geschaffen”, sagte ein Sprecher des Unternehmens. “Außerdem unterstützt Android Tausende erfolgreicher Unternehmen in Europa und auf der ganzen Welt.” Google kann gegen die Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel einlegen.

Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung

Es waren im Wesentlichen drei Punkte, in denen die Kommission Google den Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung vorwarf:

  • Google habe von Herstellern verlangt, die Google-Suche-App und die Browser-App (Chrome) vorzuinstallieren, um eine Lizensierung für Googles App-Store zu erhalten.
  • Google habe Zahlungen an bestimmte große Hersteller und Mobilfunknetzbetreiber unter der Bedingung geleistet, dass diese ausschließlich die Google-Suche-App auf ihren Geräten vorinstallieren.
  • Google habe Hersteller, die Google-Apps vorinstallieren wollen, daran gehindert, andere smarte Mobilgeräte zu verkaufen, falls diese auf einer nicht von Google genehmigten Android-Version basierten.

Google argumentierte, dass die Entscheidung ignoriere, dass Android mit dem Apple-Betriebssystem iOS in einem intensiven Wettbewerb um Nutzer und Entwickler stehe. Zudem habe es den Herstellern freigestanden, zusätzlich zu den Google-Apps auch die Apps von Konkurrenten vorzuinstallieren. Außerdem hätten User leicht konkurrierende Anwendungen herunterladen können. Schließlich seien auch die Kompatibilitätsanforderungen von Google für Android falsch dargestellt worden. Die Anforderungen seien notwendig, um sicherzustellen, dass für Android-Geräte geschriebene Apps auf allen diesen Geräten funktionieren.

Fehler der Kommission

Die Entscheidung komme nicht völlig überraschend, das Gericht habe sich auch schon im ersten großen Google-Fall auf die Seite der Kommission geschlagen, kommentierte Kartellrechtler Podszun. “Dennoch kann Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Entscheidung gut gebrauchen – die Kommission war zuletzt mehrfach vor Gericht unterlegen.” Die Kommission stolpere dabei immer wieder über den “as efficient competitor-Test” (AEC-Test). “Das ist ein ökonomischer Test, den viele Ökonomen gar nicht für zutreffend halten, der aber in kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren immer wieder herangezogen wird. In der Gesamtschau ist das bei dieser Entscheidung aber zu verschmerzen”, sagte Podszun.

Tatsächlich konstatierte das Gericht mehrere Begründungsfehler bei der Beurteilung wesentlicher Variablen des von der Kommission durchgeführten AEC-Tests, “und zwar der Schätzung der einem solchen Wettbewerber zurechenbaren Kosten, der Beurteilung seiner Befähigung, die Vorinstallation seiner App zu erreichen, sowie der Schätzung der Einnahmen, die nach Maßgabe des Alters der im Umlauf befindlichen Mobilgeräte erzielt werden können”. Daraus folge, dass der AEC-Test in der von der Kommission durchgeführten Form die Feststellung eines Missbrauchs, nicht zu bestätigen vermag, sodass das Gericht dem entsprechenden Klagegrund stattgibt. Dies war einer der Gründe für die Reduzierung des Bußgeldes.

Interessant findet Kartellrechtler Podszun auch, dass das Gericht ausdrücklich Argumentationen mit verhaltensökonomischen Aspekten anerkenne, “nämlich den Status-quo-Bias zugunsten von Voreinstellungen”. Allerdings: “Es sind immer einzelne Punkte, die die Wettbewerbsbehörden hier erringen, aber beim eigentlichen Rennen jagen sie den Gatekeepern nur hinterher”, fügte Podszun hinzu. “Da ist möglicherweise der DMA ein Gamechanger.

Die Entscheidung des Gerichts stärke der Kommission den Rücken für die Umsetzung des Digital Markets Act (DMA). “Das Gericht signalisiert, dass es die Gefahren durch digitale Ökosysteme ernst nimmt. Das ist wichtig, sonst würde der DMA von der Rechtsprechung rasch zermahlen“, erläuterte Podszun.

Parlamentarier und Verbraucherverband begrüßen das Urteil

Andreas Schwab, binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und Berichterstatter zum Digital Markets Act, begrüßte die Entscheidung des Gerichts, obwohl dieses Urteil viele Jahre zu spät komme. “Es bestätigt die Notwendigkeit, solche marktschädigenden Praktiken im Digitalen Raum durch spezifische Vorabverpflichtungen zu verbieten”, sagte Schwab. Dies sei bereits im vergangenen Jahr durch das Google Shopping Urteil bestätigt. Mit den Entscheidungen zu Google Shopping und Android sowie dem Inkrafttreten des DMA “können wir darum definitiv sagen: ,Game over’ für unfaire Geschäftspraktiken!”.

Ähnlich sieht das Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen und Schattenberichterstatter für den DMA im Industrieausschuss. Das Urteil stärke dem EU-Wettbewerbsrecht den Rücken. “Die großen Digitalkonzerne mit ihren tiefen Taschen und großen Rechtsabteilungen verstehen sich für gewöhnlich sehr gut darauf, die Klageverfahren zu nutzen, um Strafzahlungen zu vertagen und die Wettbewerbsbehörden vorzuführen”, sagte Andresen. Er erwarte nun, dass sich hier auch strukturell etwas ändere und “wir uns künftig nicht weiter mit solch langwierigen Gerichtsverfahren auseinandersetzen müssen, sondern den Digital Markets Act schnell umsetzen”. Ergänzend müsse die EU-Kommission einen Vorschlag zur Verschärfung des Wettbewerbsrechts vorlegen, um Marktmachtmissbrauch von vornherein zu verhindern oder schneller zu unterbinden.

Auch der Europäische Verbraucherverband BEUC begrüßte das Urteil, da es bestätige, dass die europäischen Verbraucher eine sinnvolle Auswahl zwischen Suchmaschinen und Browsern auf ihren Telefonen und Tablets haben müssen. “Das Gerichtsurteil macht deutlich, dass Google seine starke Marktposition nicht dazu missbrauchen kann, Wettbewerber durch ein komplexes und rechtswidriges Geflecht von Beschränkungen und Auflagen für Telefonhersteller auf unfaire Weise auszuschließen”, kommentierte Monique Goyens, Generaldirektorin des BEUC. “Die Beschränkungen von Google haben vielen Millionen europäischen Verbrauchern geschadet, indem sie ihnen ein Jahrzehnt lang echte Auswahl und Innovation vorenthalten haben.”

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Reform des Strommarkts: Vorschläge sollen Mitgliedstaaten 140 Milliarden Euro bringen

Es war eine klare Botschaft: “Die derzeitige Ausgestaltung des Elektrizitätsmarkts – die auf dem Merit-Order-Prinzip beruht – wird den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht länger gerecht”, sagte Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der EU. Deshalb strebt die Kommission eine umfassende Reform des Elektrizitätsmarkts an, um den Strom- vom dominanten Gaspreis zu entkoppeln. Diese soll “Anfang nächsten Jahres” umgesetzt werden, wie Energiekommissarin Kadri Simson sagte. Diese Maßnahmen wurden angekündigt:

  • Eine Senkung der Stromnachfrage zu Spitzenzeiten. Die EU-Mitgliedstaaten sollen zehn Prozent der gesamten Stromnachfrage einsparen, wobei dieses Ziel nicht verbindlich ist. Stattdessen ist eine verbindliche Senkung um fünf Prozent während der Spitzenzeiten vorgesehen. Bisher haben sich die Mitgliedstaaten für freiwillige Verpflichtungen entschieden.
  • Die Deckelung der Einnahmen von Stromerzeugern, die zu niedrigen Kosten produzieren – also erneuerbare Energien, Kernkraft etc. Die Kommission schlägt vor, deren Erlösobergrenze auf 180 Euro pro Megawattstunde festzulegen. Die Einführung der Preisobergrenze wird den Mitgliedsstaaten überlassen.  
  • Die Kommission schlägt außerdem einen befristeten Solidaritätsbeitrag für Öl-, Kohle- und Gasunternehmen vor, die nicht unter die andere Obergrenze fallen. Steuerpflichtige Gewinne, die in diesem Jahr um 20 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre liegen, werden mit einem zusätzlichen Satz von 33 Prozent besteuert.
    Diese beide Vorschläge sollen etwa 140 Milliarden Euro für die Mitgliedstaaten bringen, 117 Milliarden Euro aus der Deckelung der Einnahmen und 25 Milliarden Euro aus dem Solidaritätsbeitrag.
  • Der auf dem Gasmarkt verwendete Richtwert – der TTF – soll durch einen neuen, repräsentativeren Richtwert ersetzt werden.
  • Die Kommission schlägt zudem vor, die Toolbox für Energiepreise zu erweitern, um den Verbrauchern zu helfen. Die Vorschläge würden erstmals regulierte Strompreise unterhalb der Entstehungskosten ermöglichen und die regulierten Preise auch auf kleine und mittlere Unternehmen ausweiten.

Eine Obergrenze für den Gaspreis soll es nicht geben, auch nicht für russisches Gas, und keine gemeinsamen Gaseinkäufe. Die Kommission möchte außerdem zwischen “zuverlässigen” und “unzuverlässigen” Lieferländern unterscheiden und bilaterale Verhandlungen mit zuverlässigen Lieferanten organisieren.

Thomas Pellerin-Carlin, Direktor des Jacques Delors Energiezentrums, hält es für zu früh zu beurteilen, ob die angesetzten 140 Milliarden Euro an Einnahmen realistisch sind. Dies hänge davon ab, wie die Regierungen den Gesetzesvorschlag umsetzten. Der Erfolg der Gewinnabschöpfung hänge davon ab, wie die Einnahmen eingesetzt würden: “Wenn es die nationalen Subventionen für fossile Brennstoffe finanzieren solldann wird es die Krise noch verschärfen. Wenn es zur Finanzierung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz verwendet wird, dann werden diese Investitionen sinnvoll sein.” cst

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Frankreich deckelt Preiserhöhung für Strom und Gas

Frankreich will im kommenden Jahr Preissteigerungen für Strom und Erdgas nur bis zu einer Obergrenze von 15 Prozent zulassen. Das kündigt Ministerpräsidentin Élisabeth Borne am Mittwoch an.

Borne sagte, dass die maximale Preiserhöhung von 15 Prozent für Gas im Januar nächsten Jahres in Kraft treten werde, während die Preiserhöhung von 15 Prozent für Strom im Februar in Kraft treten werde. “Wir werden sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene Maßnahmen ergreifen”, fügte die Ministerpräsidentin hinzu.

Wie Finanzminister Bruno Le Maire mitteilte, belaufen sich die Kosten für den Preisdeckel auf 16 Milliarden Euro. rtr

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Schwedens Ministerpräsidentin Andersson tritt nach Wahl zurück

Die schwedische sozialdemokratische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson tritt nach der Niederlage bei den Parlamentswahlen zurück. Das oppositionelle Rechtsbündnis habe die Abstimmung gewonnen, räumte Andersson am Mittwochabend bei einer Pressekonferenz ein. “Das ist eine dünne Mehrheit, aber es ist eine Mehrheit”, fügte sie hinzu. Sie werde deshalb am Donnerstag ihren Rücktritt als Ministerpräsidentin einreichen. Es sei wichtig, dass das nordische Land so schnell wie möglich eine neue Regierung bekomme.

In Schweden zeichnet sich ein Rechtsruck ab. Drei Tage nach der Parlamentswahl und nach Auszählung von 98 Prozent der abgegebenen Stimmen lag das rechte Lager aus Moderaten, Schwedendemokraten, Christdemokraten und Liberalen mit 175 Mandaten einen Sitz vor dem bislang regierendem linken Block (174 Mandate) mit der sozialdemokratischen Regierungschefin Andersson. Damit liegt eine Regierungsbeteiligung für die rechtspopulistischen Schwedendemokraten erstmals in greifbarer Nähe. Die Partei unter ihrem Vorsitzenden Jimmie Åkesson ist zweitstärkste Kraft hinter den Sozialdemokraten geworden. Ihre Ursprünge liegen im Rechtsextremismus, von dem sie sich mittlerweile distanziert hat.

Obwohl die Schwedendemokraten bei der Parlamentswahl mehr Stimmen als die Moderaten erhielten, gilt deren Kandidat Ulf Kristersson als wahrscheinlicher neuer Regierungschef, sollte sich das rechte Lager auf eine Partnerschaft verständigen. Kristersson kündigte kurz nach dem Rücktritt von Andersson an, eine Regierung bilden zu wollen.

Der Wahlkampf war thematisch auch von Bandenkriminalität und Einwanderung bestimmt. Diese Themen wurden von den Schwedendemokraten forciert, die eine der Ursachen der Kriminalität in dem Zuzug von Migranten sehen. Der Chef der Schwedendemokraten will deswegen die härtesten Einwanderungs-Regeln Europas in seinem Land einführen.

Neben den innenpolitischen Schwierigkeiten steht Schweden derzeit auch vor großen außenpolitischen Herausforderungen. In Folge des Ukraine-Krieges will das Land seine Jahrzehnte gepflegte Neutralität aufgeben und Mitglied der Nato werden. Zudem sucht das nordische Land nach Auswegen aus der Energiekrise und der steigenden Inflation. rtr

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Finanzierung: Europäische Parteien werden mit Stiftungen gleichgestellt

Das EU-Parlament stimmt heute über die Verordnung zur Parteienfinanzierung ab. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass die europäischen Parteien künftig nur noch fünf Prozent ihres Etats aus Eigenmitteln bestreiten müssen. Bislang lag der Wert bei zehn Prozent. Damit würden die europäischen Parteienfamilien den europäischen Stiftungen gleich gestellt. Es wird damit gerechnet, dass es dafür im Plenum eine Mehrheit gibt.

Die Kommission will, dass der Eigenanteil in Jahren mit Wahlen zum Europa-Parlament auf null sinkt. Die christdemokratische EVP im Europa-Parlament ist gegen die Absenkung im Wahljahr auf null und wird dafür einen Antrag stellen. Der Rat, das Gremium der Mitgliedstaaten, ist grundsätzlich gegen eine Absenkung der notwendigen Eigenmittel.

Das Parlament wird im Rechtstext keine transnationalen Listen fordern. Vor allem die Liberalen hatten sich für transnationale Listen bei EU-Wahlen eingesetzt. Bislang können Wahlberechtigte nur über nationale Listen abstimmen. Bei transnationalen Listen würden mehrere Kandidaten bei Wahlen zum EU-Parlament in allen 27 Mitgliedstaaten antreten. Es könnten sich dann Kandidaten aus mehreren EU-Ländern europaweit zur Abstimmung stellen. Diese Maßnahme soll dazu führen, dass es ein gesamteuropäisches Bewusstsein gibt.

Berichterstatter Rainer Wieland (CDU) wirft der Kommission “grob unsportliches Verhalten” vor. Hintergrund ist, dass die Kommission die Reform der Parteienfinanzierung gesetzestechnisch unter “recast” gestellt hat. Dies bedeutet, dass die Co-Gesetzgeber nur Änderungen an den Regeln vornehmen können, die die Kommission vorschlägt. Das Parlament etwa kann bei einem “recast”-Gesetzgebungsverfahren den Gesetzestext nicht um eigene Punkte ergänzen. mgr

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EU-Parlament stimmt für einheitliche Mindestlohnstandards

Das Europaparlament hat einheitlichen Standards für Mindestlöhne in der EU zugestimmt. Eine große Mehrheit der Abgeordneten sprach sich am Mittwoch für ein zuvor von Unterhändlern des Parlaments und der EU-Staaten ausgehandeltes Gesetz aus. Damit ist der Weg nahezu frei dafür, dass die Regeln nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren in Kraft treten können. Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen, dies gilt aber als Formsache.

Der Kompromiss legt zwar keine einheitliche Höhe, aber Standards dafür fest, wie gesetzliche Mindestlöhne festgelegt, aktualisiert und durchgesetzt werden können. Zudem müssen EU-Länder Aktionspläne festlegen, um die Tarifbindung zu steigern, wenn deren Quote unter 80 Prozent liegt.

Der Verhandlungsführer des EU-Parlaments, Dennis Radtke (CDU), sagte: “Wir brauchen überall in Europa eine funktionierende, eine starke Sozialpartnerschaft.” Er hätte sich den Kompromiss aber teils ambitionierter gewünscht: “Ich finde es offen gestanden unerträglich, dass es an einigen Stellen – auch in Deutschland – möglich ist, den gesetzlichen Mindestlohn darüber zu erreichen, dass beispielsweise Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Zulagen wie Schmutzzulagen, Lärmzulagen oder sogar Trinkgelder in den Mindestlohn mit eingerechnet werden können.” Es sei aber rechtlich nicht möglich gewesen, dies auf EU-Ebene zu regulieren.

Die Bundesregierung begrüßte die vereinbarten Regelungen. Die vom Bundestag beschlossene einmalige Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde stehe in Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie. “Insofern wird im Hinblick auf die Mindestlohn-Richtlinie nach vorläufiger Prüfung auch kein Anpassungsbedarf in der deutschen Mindestlohngesetzgebung gesehen”, teilte das Arbeitsministerium mit.

Die Europäische Union darf keine konkreten Lohnhöhen vorgeben, sondern nur Leitlinien erlassen. Vor allem nordische Länder hatten das Vorhaben kritisch begleitet. Dort gibt es zwar keinen gesetzlichen Mindestlohn, aber eine verhältnismäßig hohe Tarifbindung. Die Länder fürchteten, dass die EU sich zu sehr in nationale Angelegenheiten einmischen würde. dpa

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Rechnungshof bekommt neue Führung

Heute wählen die 27 Mitglieder des Europäischen Rechnungshofes (EuRH) in Luxemburg einen neuen Präsidenten. Klaus-Heiner Lehne, der 2016 erstmals an die Spitze des Gremiums gewählt und 2019 bestätigt wurde, strebt keine dritte Amtszeit mehr an. Der ehemalige CDU-Europa-Abgeordnete wird weiter dem Hof angehören, seine Amtszeit am Hof läuft noch bis 2026.

Jedes Mitgliedsland der EU entsendet einen Vertreter an den Hof. Der erste Durchgang in geheimer Wahl startet um 9 Uhr. Dem Vernehmen nach gibt es keinen Favoriten. Die Statuten verlangen, dass Kandidaten 24 Stunden vor dem ersten Wahlgang ihre Kandidatur im Generalsekretariat bekannt machen. Üblicherweise schicken die Kandidaten vorab einen Brief an die anderen Mitglieder und informieren über ihre geplanten Schwerpunkte. Die Rolle des Präsidenten ist, als Primus inter pares (herausgehoben unter Gleichen) zu agieren.

Lehne waren im vergangenen Jahr von Medien Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Zulagen vorgeworfen worden. Der Haushaltskontrollausschuss des Europa-Parlaments hatte deswegen zunächst auch die Entlastung für das Haushaltsjahr verweigert. Bei der Abstimmung im Plenum erfolgte aber die Entlastung.

Hintergrund der Affäre ist wohl, dass Lehne zuvor intern die Aufhebung der Immunität des ehemaligen Mitglieds für Belgien durchgesetzt hatte. Grund waren handfeste finanzielle Unregelmäßigkeiten von Karel Pinxten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat wegen der Vergehen auch die Pension von Pinxten um zwei Drittel gekürzt. Anschließen soll Pinxten Vorwürfe gegen Lehne geäußert haben, die einzelne Medien dann aufgriffen. mgr

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Presseschau

Krieg, Energiekrise, Handel: Von der Leyen thematisiert schwierige Lage der EU in Grundsatzrede RND
EU-Kommission: Energiekonzerne sollen EU-Ländern 140 Milliarden Euro abliefern DEUTSCHLANDFUNK
Abstimmung im Europaparlament: Erneuerbare Energien sollen weiter ausgebaut werden als bisher geplant MERKUR
EU’s controversial ‘additionality’ rules for green hydrogen are history after European Parliament vote RECHARGENEWS
Aktionsplan: So will die EU-Kommission die Energiewirtschaft digitalisieren HEISE
Kabinett beschließt Abbau von Hürden für Solaranlagen FAZ
Frankreich deckelt Preise für Gas und Strom N-TV
Google ficht EU-Strafe vergebens an BOERSEN-ZEITUNG
Datengesetz: EU-Abgeordnete drängt auf KMU-Ausnahme von Datenweitergabe-Pflicht EURACTIV
Heimat für Open-Source-Innovation: Europa bekommt eine eigene Linux Foundation HEISE

Heads

Regine Günther – Viele Wege zur Klimaneutralität

Regine Günther ist seit August 2022 neue Direktorin der Stiftung Klimaneutralität.
Regine Günther ist seit August 2022 neue Direktorin der Stiftung Klimaneutralität.

Die Klimaziele dürften nicht an technischen Fragen scheitern, sagt Regine Günther. Seit August ist sie Direktorin der Stiftung Klimaneutralität. Die Stiftung gibt Empfehlungen an die Politik, wie Deutschland seine Klimaziele erreichen kann.

Mit der Klimaneutralität haben sich Deutschland und die EU ambitionierte Ziele gesteckt. “Jetzt gilt es, die Umsetzung so schnell wie möglich zu erreichen“, sagt Regine Günther.

Regine Günther: Kampf gegen den Klimawandel

Für die 59-Jährige ist die neue Position eine logische Fortsetzung dessen, was sie in der Vergangenheit gemacht hat. Seit mehr als 25 Jahren beschäftigt sie sich mit dem Kampf gegen den Klimawandel. Günther leitete den Klima- und Energiebereich beim WWF, von 2016 bis 2021 war sie Senatorin in Berlin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.

“Als Senatorin konnte ich sehr konkret Dinge umsetzen, allerdings ist die Reichweite primär lokal”, sagt sie. Jetzt habe ihre Arbeit eine längere Perspektive, der Effekt sei nicht sofort sichtbar. Dafür habe die Stiftung eine deutschlandweite, europäische und internationale Ausrichtung. Für Günther war der Wechsel reizvoll, ihre Arbeit bewegt sich zwischen NGO, Politik und Stiftung: Sie alle könnten auf ihre Art zum Klimaschutz beitragen. “Das sind sehr unterschiedliche Hebel, die man da ansetzt”, sagt Regine Günther, “und für einen effektiven Klimaschutz brauchen wir sie alle”.

Klimaneutralität und Geopolitik

Bei der Stiftung Klimaneutralität untersucht sie nun, wie die Klimaziele mit internationaler Geopolitik zusammenhängen. Der Angriff Russlands auf die Ukraine habe massive Auswirkungen auf die internationale Klimapolitik. “Wir müssen überlegen, wie wir bei den strategischen Gütern und Rohstoffen eine Versorgungssicherheit herstellen, die wir für eine klimaneutrale Wirtschaft brauchen“, sagt die Stiftungsdirektorin. Man dürfe sich nicht erpressbar machen. Die Staaten könnten sich nicht mehr sicher sein, dass der Weltmarkt alle Güter immer und jederzeit zur Verfügung stelle.

Woher bezieht Deutschland die Rohstoffe für Batterien? Woher kommen strategisch besonders wichtige Güter? Bei den Solarpanels etwa ist Deutschland aktuell stark von China abhängig. Ein sogenanntes Klumpenrisiko, das man zerteilen sollte, sagt Regine Günther.

Solche politischen Abhängigkeiten will die Stiftung jetzt identifizieren. Denn eine umfassende systemische Analyse dazu gebe es noch nicht. Mit ersten Ergebnissen rechnet Regine Günther in der ersten Hälfte des kommenden Jahres. Jana Hemmersmeier

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Apéropa

Die Sprache der Diplomatie ist das Ungesagte. Die Queen war Meisterin darin, Ungesagtes oder Unsagbares durch ihre Kleidung auszudrücken. Unvergessen ihr blauer Hut mit gelben Applikationen, vermutlich um ihre Ablehnung des Brexits auszudrücken. Oder die Brosche, die sie von Barack Obama geschenkt bekommen hatte und beim Amtsbesuch von Donald Trump trug.

Optisch alles andere als subtil trat dagegen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern in gelbem Blazer und blauer Bluse zu ihrer Rede zur Lage der Union an. Darin ging es aber nicht nur um das, was sie sagte. Es ging nicht einmal nur um das, was sie nicht sagte, auch wenn das elementare Bereiche wie die Verteidigung und Sicherheit betraf.

Manche Botschaften ließen sich daran ablesen, in welcher Sprache sie welche Themen ihrer Rede übertrug.

Von der Leyen, die bekannt dafür ist, das Englische dem Deutschen bei öffentlichen Auftritten vorzuziehen, lieferte entsprechend den größten Teil der Rede auf Englisch. So sagte sie der anwesenden Olena Selenska, First Lady der Ukraine, erneut ihre volle Unterstützung zu und untermauerte diese unter anderem mit 100 Millionen Euro für den Aufbau zerstörter Schulen. Auch die Maßnahmen gegen die Energiekrise handelte sie auf Englisch ab.

Doch als es an den Ausbau der erneuerbaren Energien ging, um Wind- und Solarenergie und vor allem die Ankündigung einer Wasserstoff-Bank, da wechselte die gebürtige Belgierin ins Französische – vielleicht getreu dem Motto: Kommuniziere so, dass du verstanden wirst? Die Atomkraft, Frankreichs Steckenpferd und Hauptenergiestrategie, erwähnte sie nicht.

Auch an Deutschland, das Land des Mittelstandes, die größte Industrienation der EU und das Land mit einer Vorliebe für die “Wandel durch Handel”-Strategie, hatte sie offenbar eine Botschaft: Sie warnte davor, neue Abhängigkeiten aufzubauen, diesmal bei Rohstoffen wie den Seltenen Erden. Es sei jetzt der Zeitpunkt, neue Handelsbeziehungen mit gleichgesinnten Partnern einzugehen, um die Fehler aus der Vergangenheit nicht zu wiederholen. All das sagte sie in ihrer Muttersprache. Lisa-Martina Klein

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • SOTEU: Was von der Leyen ankündigt – und was wirklich neu ist
    • Termine
    • Zwangsarbeit: EU-Kommission nimmt auch Produkte aus Xinjiang ins Visier
    • EU-Gericht bestätigt Milliardenstrafe gegen Google
    • Reform des Strommarkts: Vorschläge sollen Mitgliedstaaten 140 Milliarden Euro bringen
    • Frankreich deckelt Preiserhöhung für Strom und Gas
    • Schwedens Ministerpräsidentin Andersson tritt nach Wahl zurück
    • Finanzierung: Europäische Parteien werden mit Stiftungen gleichgestellt
    • EU-Parlament stimmt für einheitliche Mindestlohnstandards
    • Rechnungshof bekommt neue Führung
    • Im Porträt: Regine Günther – Viele Wege zur Klimaneutralität
    • Apéropa: Die Sprachen der Diplomatie
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    viel Lob gab es gestern für Ursula von der Leyen für ihre Rede zur Lage der EU. Allerdings sind einige ihrer Vorschläge nicht mehr ganz so frisch. Bei der Europäischen Wasserstoffbank etwa ist lediglich der Name neu. Doch Überraschungen gab es durchaus, etwa darüber, dass der Mittelstand so viel Aufmerksamkeit in ihrer Rede bekam. Wir haben genau hingehört und fassen die wichtigsten Aussagen der Kommissionspräsidentin und erste Reaktionen zusammen. In den News berichten wir außerdem über die Details zur geplanten Reform des EU-Strommarkts.

    Viel Beachtung bekommt auch der Vorschlag für ein Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit, den die Kommission nun vorgelegt hat. Bereits belegbare Hinweise sollen ausreichen, um Produkte, die durch Zwangsarbeit entstanden sind, vom europäischen Markt zu verbannen. Damit hätten es Produkte aus der chinesischen Provinz Xinjiang bald schwer, wie Amelie Richter analysiert – so zum Beispiel Christbaumschmuck. Ein Schwachpunkt ist aus Sicht von Experten jedoch, dass das Verbot nicht für Dienstleistungen gilt.

    Der Teufel steckt wie immer im Detail: Zwar unterlag Google in seinem Rechtsstreit mit der Kommission vor dem Gericht der Europäischen Union. Doch das Gericht stellte einige Verfahrensfehler fest, weshalb es die Geldbuße reduzierte. Google muss nun 4,125 Milliarden statt 4,34 Milliarden Euro zahlen. Das Gericht bemängelte – wie schon in seinem Intel-Urteil – dass die Kommission Fehler bei der Beurteilung der ökonomischen Position von Google gemacht habe. Dennoch werten viele Beobachter das Urteil als eine Stärkung für die Kommission – gerade an dem Tag, als auch der Digital Markets Act (DMA) offiziell unterzeichnet wurde. Corinna Visser hat die Details.

    Dass Ska Keller kurz vor dem Rückzug aus der ersten Reihe der europäischen Grünen steht, berichteten wir gestern. Nun ist es offiziell: Keller, seit 2016 die wichtigste Grünen-Politikerin auf EU-Ebene, gibt ihren Posten als Co-Chefin der Grünen im Parlament ab. In einer Mitteilung sprach sie von einer “persönlichen Entscheidung”. “Thank you, Ska”, twitterte die Fraktion gestern Abend.

    Ihre
    Sarah Schaefer
    Bild von Sarah  Schaefer

    Analyse

    SOTEU: Was von der Leyen ankündigt – und was wirklich neu ist

    Ursula von der Leyen und mehrere Kommissarinnen hatten sich abgesprochen: Sie alle trugen Kleidung in den Farben der ukrainischen Nationalflagge. Neben ihnen auf der Kommissionsbank Platz genommen hatte Olena Selenska, die Gattin des ukrainischen Präsidenten. “Liebe Olena”, richte sich von der Leyen an sie, “es bedarf ungeheuren Mutes, um Putins Brutalitäten die Stirn zu beweisen. Du bringst diesen Mut auf”.

    Auch in ihrer Rede zur Lage der EU erhielt die Ukraine einen prominenten Platz. Streckenweise erweckte von der Leyen den Eindruck, als wäre die Ukraine bereits ein Mitgliedstaat, und es seien keine langwierigen Beitrittsverhandlungen mehr nötig. Unmittelbar nach der Rede, so kündigt sie weiter an, werde sie per Hubschrauber nach Kiew fliegen und Wolodomyr Selenskyj einen Besuch abstatten. Es geht ihr darum, die Handelsbeziehungen zu intensivieren: “Unser Binnenmarkt hat Erfolgsgeschichte geschrieben. Jetzt wird es höchste Zeit, dass auch die Ukraine davon profitiert.”  

    Energie: Drei Milliarden für Wasserstoff-Bank

    Die Kommission will drei Milliarden Euro für den Import von grünem Wasserstoff bereitstellen. “Es geht darum, Angebot und Nachfrage von morgen miteinander in Einklang zu bringen. Deshalb kann ich heute verkünden, dass wir eine Europäische Wasserstoffbank gründen werden”, sagte von der Leyen gestern in Straßburg. Die Mittel sollen vorrangig aus dem Innovationsfonds stammen.

    Einen formalen Vorschlag dazu will die Kommission im kommenden Jahr vorlegen, wie aus einem Letter of Intent hervorgeht. Neu ist aber lediglich der Name. Wie Europe.Table aus dem Umfeld der Kommission bestätigt wurde, handelt es sich bei der Wasserstoffbank im Wesentlichen um die Globale Europäische Wasserstoff-Fazilität, welche die Kommission bereits in REPowerEU angekündigt hatte. Sie ist der Wasserstoff-Strang der EU-Energieplattform, die neben Erdgas mittelfristig auch grüne Gase auf dem Weltmarkt beschaffen soll.

    Vorbild ist das deutsche Instrument H2Global, das Differenzverträge mit Verkäufern und Käufern abschließt und so als Market Maker fungiert. In REPowerEU hatte die Kommission angekündigt, bis 2030 zehn Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoffs zu importieren.

    Als Partner der Wasserstoffbank brachte sich gestern die Europäische Investitionsbank in Stellung. “Die EIB wird weiterhin mit der EU-Kommission und unseren Partnern zusammenarbeiten, um den grünen Wasserstoffsektor zu unterstützen”, schrieb EIB-Präsident Werner Hoyer. Die Bank hat der Wasserstoffwirtschaft seit 2011 nach eigenen Angaben Kredite in Höhe von 550 Millionen Euro bereitgestellt und damit 1,2 Milliarden Euro an Investitionen ausgelöst.

    Der Industrieverband Hydrogen Europe begrüßte die Ankündigung einer Europäischen Wasserstoffbank. Kritisch äußerte sich der Wissenschaftler Thomas Wyns von der Brussels School of Governance. Bei einem Volumen von drei Milliarden Euro bestehe die Gefahr, dass die EU Technologien fördere, die niemals marktfähig würden – so wie bei einem früheren Fonds zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (CCS). ber

    Rohstoffe und Handel: Neue Aufmerksamkeit

    “Lithium und Seltene Erden werden bald wichtiger sein als Öl und Gas”, sagte von der Leyen. Allein der europäische Bedarf an Seltenen Erden werde sich auf dem Weg zu den Zielen des Green Deal bis 2030 verfünffachen. Der Zugang zu diesen Rohstoffen sei entscheidend, deshalb müsse man Abhängigkeiten vermeiden.

    Von der Leyen verwies auf den seit Längerem von Binnenmarktkommissar Thierry Breton angekündigten Raw Materials Act, den dieser gestern in einem LinkedIn-Artikel präzisierte. Als Ziele könnten demnach festgeschrieben werden, dass bis 2030 mindestens 30 Prozent des EU-Bedarfs an raffiniertem Lithium aus der EU stammen oder mindestens 20 Prozent der Seltenen Erden zurückgewonnen werden müssen, schrieb er.

    Besonders strategische Rohstoffe sollen anhand von Kriterien identifiziert, und mithilfe der nationalen Behörden mögliche Engpässe antizipiert werden. Mit Blick auf die Rohstoffverarbeitung, die zum größten Teil in China stattfindet, will die Kommission strategische Projekte entlang der gesamten Lieferkette identifizieren und als “im europäischen Interesse” einstufen. Das soll die Realisierung der Vorhaben beschleunigen. Um die Finanzierungsmöglichkeiten zu verbessern, soll sich die EU an national organisierten IPCEI stärker beteiligen. Von der Leyen kündigte außerdem einen Europäischen Souveränitätsfonds an – Einzelheiten konnte die Kommission auf Nachfrage gestern aber nicht nennen.

    Für Bereiche, in denen die Versorgung gefährdet ist, kündigte von der Leyen den Aufbau strategischer Reserven an. Die Industrie fordert bereits seit Längerem eine Lagerhaltung besonders kritischer Materialien, die bislang für Unternehmen nicht finanzierbar sei. Der BDI schlägt deshalb Steuererleichterungen in Form einer “Rohstoffbevorratungsrücklage” vor.

    Die bestehenden Abhängigkeiten lösen will von der Leyen zudem mithilfe neuer Partnerschaften. Konkret nennt sie die Freihandelsgespräche mit Chile, Mexiko und Neuseeland, die sie noch in dieser Legislaturperiode Rat und Europaparlament zur Ratifizierung vorlegen will. Bei Neuseeland dürfte das unproblematisch sein. Bei Mexiko sucht die Kommission derzeit nach einem Weg, um das im Grundsatz bereits vereinbarte modernisierte Abkommen splitten zu können in einen Handels- und einen Investitionsteil. Bei Chile sind die Verhandlungen über ein Abkommen weit fortgeschritten, allerdings sorgen politische Turbulenzen in dem rohstoffreichen Land für neue Unsicherheiten. leo/tho

    Wirtschaft: Entlastung des Mittelstandes

    In der zweiten Oktoberhälfte will die Kommission ihre Reformvorschläge für den Stabilitäts- und Wachstumspakt vorlegen. Inhaltlich trug von der Leyen hier aber wenig Neues vor. Die Grundprinzipien: Die Mitgliedstaaten sollen mehr Spielraum beim Schuldenabbau bekommen, der vereinbarte Schuldenabbau soll dafür strikter kontrolliert und die Regeln vereinfacht werden. Diese Prinzipien in einen konsensfähigen Reformvorschlag zu gießen, werde aber kompliziert, sagt Nils Redeker, Vize-Direktor des Jacques Delors Centre an der Hertie School. In vielen Details lägen die Mitgliedsstaaten “weiterhin weit auseinander”.

    Ungewohnt viel Platz in ihrer Rede räumte von der Leyen dem Mittelstand ein. Sie reagierte damit auch auf Forderungen aus der Wirtschaft und der EVP: Patricia Lips, Fraktionsvize der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, etwa fordert für alle anstehenden Gesetze auf europäischer Ebene “ein Bürokratie- und Belastungsmoratorium”. Die Vorschläge etwa zum Lieferkettengesetz oder zu den Industrieemissionen will von der Leyen aber nicht zurückziehen. Dafür verspricht sie ein KMU-Entlastungspaket:

    • Die Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt soll stärker vereinheitlicht werden. Den Anstoß dazu hatte die Kommission schon im vergangenen Jahr gegeben, derzeit arbeite man am Legislativvorschlag und konsultiere Stakeholder, heißt es in der Kommission. Die Initiative, BEFIT genannt, soll auf den Vorschlägen für eine gemeinsame Bemessungsgrundlage aufbauen, die am Widerstand der Mitgliedsstaaten gescheitert war. Daneben soll sie Elemente des auf OECD-Ebene vereinbarten Steuerdeals berücksichtigen, insbesondere die erste Säule, die den Ort der Steuerbarkeit der Unternehmen neu regelt.
    • Zudem soll die Zahlungsverzugsrichtlinie aus dem Jahr 2011 überarbeitet werden. “Es ist einfach nicht fair, wenn ein Viertel aller Insolvenzen wegen nicht bezahlter Rechnungen geschehen”, so von der Leyen.
    • Den zunehmenden Fachkräftemangel will von der Leyen adressieren, in dem sie 2023 zum “Europäischen Jahr der Aus- und Weiterbildung” erklärt. Um ausländische Mitarbeiter leichter anwerben zu können, sollen deren Qualifikationen schneller anerkennt werden.

    Wirtschaftsvertreter wie VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann zeigen sich “positiv überrascht” über die ungewohnte Aufmerksamkeit für den Mittelstand. Das Entlastungspaket dürfe aber “auf keinen Fall zu einem Papiertiger werden”. Die Leiterin der DIHK-Vertreterin in Brüssel, Freya Lemcke, ist skeptisch: Die BEFIT-Initiative richte sich nach bisherigen Planungen vor allem an Aktiengesellschaften und GmbHs, die große Mehrheit der KMU in Deutschland würden aber als Personengesellschaften geführt. Daher würde “der Großteil des deutschen Mittelstands von diesen Maßnahmen nicht erfasst, wenn es bei der bisherigen Planung bliebe”. 

    Digitalpolitik: Auf ins Metaverse

    Die digitale Transformation Europas erwähnte von der Leyen nur an wenigen Stellen. Nur in ihrem Letter of Intent an die Parlamentspräsidentin und die tschechische Ratspräsidentschaft kündigte die Kommissionspräsidentin an, sich neuen Trends wie dem Metaversum widmen zu wollen.

    Details zu Europas Plan, im Metaversum zu gedeihen kamen anschließend von Breton. Drei Ansatzpunkte nannte er:

    • Menschen: In dieser neuen virtuellen Welt müssten die europäischen Werte von Anfang an verankert sein. Breton betont die Wichtigkeit interoperabler Standards und dass kein privater Akteur den Schlüssel zum öffentlichen Raum in Händen halten oder dessen Bedingungen festlegen sollte.  
    • Technologie: Breton kündigt eine Virtual and Augmented Reality Industrial Coalition an, in der Akteure der wichtigsten Metaverse-Technologien zusammenkommen. Es gebe bereits einen Fahrplan, der von mehr als 40 EU-Organisationen unterstützt werde – von großen Unternehmen bis hin zu KMU und Universitäten.
    • Infrastruktur: Breton konstatiert, dass die neuen virtuellen Welten die Konnektivitätsinfrastruktur noch stärker unter Druck setzen werden. Gleichzeitig lasse das derzeitige Wirtschaftsklima Investitionserträge stagnieren und die Kosten für die Bereitstellung der Leitungen steigen. Hier verweist Breton auf sein umstrittenes Vorhaben, Big-Tech-Unternehmen wie Google oder Facebook an den Infrastrukturkosten zu beteiligen. vis

    Außenpolitik: Macht der Demokratien

    In der Außenpolitik setzte von der Leyen neue Akzente. Die Agenda müsse stärker auf gleichgesinnte Partner ausgerichtet werden, sagte sie. Es sei “Zeit, in die Macht der Demokratien zu investieren”. So sollen die Beitritts-Kandidaten auf dem Westbalkan sowie die Ukraine, Georgien und Moldau mehr als bisher unterstützt werden. Die EU hatte im Juni beschlossen, der Ukraine und Moldau den Kandidaten-Status zu verleihen. Von der Leyen wertet nun auch Georgien auf.

    Außerdem schließt sich die deutsche Kommissionschefin dem zunächst umstrittenen Vorstoß des französischen Staatschefs Emmanuel Macron für eine “Europäische Politische Gemeinschaft” an. Sie könnte Länder wie die Ukraine, Großbritannien oder die Türkei umfassen – konkrete Vorschläge will die Kommission dem Europäischen Rat präsentieren. Der tschechische Ratsvorsitz hat bereits einen ersten Gipfel am 6. und 7. Oktober in Prag einberufen.

    Auf internationaler Ebene soll die “Global Gateway”-Initiative ausgebaut werden, die die Kommission als Alternative zum chinesischen Seidenstraßen-Projekt konzipiert hat. Hier sucht von der Leyen den Schulterschluss mit US-Präsident Joe Biden. Man werde gemeinsam zu einem Gipfel einladen, um über konkrete Investitionsprojekte zu sprechen, sagte sie. Dazu will sie auch andere G7-Partner einladen. Ein Datum wurde nicht genannt. Als Vorbild dienen Fabriken in Ruanda und Senegal, in denen moderne mRNA-Impfstoffe hergestellt werden. Ähnliche Projekte seien auch in Lateinamerika geplant. ebo 

    Rechtsstaat: Verteidigungspakt für die Demokratie

    Von der Leyen kündigte einen Pakt zur Verteidigung der Demokratie an. Es gehe darum, verdeckter Einflussnahme von außerhalb der EU den Kampf anzusagen. Anfang des Jahres habe die Universität Amsterdam ein angeblich unabhängiges Institut geschlossen, das tatsächlich von China bezahlt worden sei. Dieses habe verbreitet, bei den Berichten über Zwangslager für Uiguren handele es sich um Gerüchte.

    Es geht aber auch um die Bekämpfung von Korruption von innen. Von der Leyen kündigte für das kommende Jahr eine Überarbeitung der EU-Gesetzgebung gegen Korruption an. Neben den klassischen Straftatbeständen wie Bestechung und Bestechlichkeit gehe es dabei auch um illegale Bereicherung, Einflussnahme und Machtmissbrauch. Sie werde überdies vorschlagen, Korruption ins System der Menschenrechtssanktionen aufzunehmen, dem neuen Instrument zum Schutz der EU-Werte im Ausland.

    Ohne Namen zu nennen, mahnte von der Leyen auch: “Wir werden nicht zulassen, dass die trojanischen Pferde einer Autokratie unsere Demokratien von innen angreifen.” Auf Twitter wird der Grüne Daniel Freund konkret: “Ja, Viktor Orbán, der Satz ist für dich.” mgr

    EU-Reform: Plädoyer für einen Konvent

    Unerwartet deutlich spricht sich die Kommissionspräsidentin für einen Konvent zur Überarbeitung der EU-Verträge aus. Der Augenblick dafür sei gekommen. Das Europaparlament hat sich dafür ausgesprochen, auch Bundeskanzler Olaf Scholz zeigt sich offen. Viele Mitgliedsstaaten aber scheuen den langwierigen Prozess einer Vertragsänderung. Sie müssten aber mehrheitlich zustimmen, um einen Konvent einzuberufen, eine Vertragsreform erfordert sogar Einstimmigkeit.

    Wenig konkret wird von der Leyen bei Reformen, die auch im Rahmen des Lissaboner Vertrags möglich wären. Die Konferenz zur Zukunft Europas hatte zahlreiche Vorschläge entwickelt. Die dort bewährten Bürgerpanels sollten nun “ein fester Bestandteil unseres demokratischen Lebens” werden, sagt sie. In welcher Form, dazu sagt sie nichts. tho

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    Termine

    16.09.-18.09.2022, Münster
    FES, Seminar Europas autokratisierende Zwillinge? – Ungarn und Polen in der Europäischen Union
    Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) beschäftigt sich mit dem Verhältnis Ungarns und Polens zur EU. INFOS & ANMELDUNG

    16.09.2022 – 14:00-16:00 Uhr, Brüssel (Belgien)/online
    ERCST, Roundtable The State of the European Green Deal: Quo vadis EGD?
    The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) aims to bring together policymakers and stakeholders to take stock of current developments in the EGD framework. INFOS & REGISTRATION

    19.09.-23.09.2022, Trier
    ERA Summer Course on European Information Technology Law
    This course provides an introduction to European information technology law. INFOS & REGISTRATION

    19.09.-22.09.2022, Leeuwarden (Niederlande)
    EEN, Konferenz Europäische Wassertechnologie-Woche
    Das Enterprise Europe Network (EEN) bringt führende Vertreter von Unternehmen, Cluster-Organisationen, Forschungszentren, innovativen KMU, Start-ups und neuen Talenten der Wassertechnologie aus der ganzen Welt zusammen. INFOS & ANMELDUNG

    19.09.-20.09.2022, Düsseldorf
    VDMA, Conference THE #P2X CONFERENCE
    The #P2X Conference puts concrete projects and technical issues and challenges around P2X into focus. INFOS & REGISTRATION

    20.09.-25.09.2022, Hannover
    Deutsche Messe, Messe IAA Transportation
    IAA Transportation ist die Leitmesse für Logistik, Nutzfahrzeuge, Busse und den Transportsektor rund um den Globus. INFOS & ANMELDUNG

    20.09.-23.09.2022, hybrid
    EEN InnoTrans Business Days 2022
    Die InnoTrans ist die internationale Leitmesse für Verkehrstechnik, die alle zwei Jahre in Berlin stattfindet. INFOS & ANMELDUNG

    20.09.-21.09.2022, Sevilla (Spanien)/online
    EC, Conference How to turn green in the European way?
    The European Commission (EC) brings together leading economic scholars and policy practitioners to discuss cutting-edge research addressing Europe’s economic policy challenges. INFOS & REGISTRATION

    20.09.-21.09.2022, online
    BVMed, Seminar Die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung – Datenschutz im Gesundheitswesen
    Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) adressiert Fragen nach der Übermittlung von Patientendaten an Dritte, behördlichen Auskunftsersuchen und der Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken im Kontext der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung. INFOS & ANMELDUNG

    20.09.2022, 10:00-15:15 Uhr, online
    BVE, Seminar Krisenmanagement Risiko & Lieferkette
    Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) stellt Wege vor, wie Unternehmen Risiken entlang von Lieferketten erkennen und steuern können. INFOS & ANMELDUNG

    20.09.2022 – 10:30-16:00 Uhr, Lemgo
    ZVEI Industrial AI Conference – Wie aus Ideen erfolgreiche Projekte werden
    Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) gibt Hilfestellung bei der Umsetzung erfolgreicher AI-Projekte in Unternehmen. INFOS & REGISTRATION

    20.09.2022 – 19:00-20:00 Uhr, München/online
    SZ, Konferenz Wer macht die Arbeit? Was Digitalisierung, Flexibilität und neue Führungskultur bewirken können.
    Die Süddeutsche Zeitung (SZ) thematisiert die Transformation der Arbeitswelt. INFOS & ANMELDUNG

    20.09.2022 – 20:00-21:00 Uhr, online
    Polis 180, Diskussion Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik
    Polis 180 trifft sich zur Planung von Veranstaltungen und Blogbeiträgen des Themenbereichs Sicherheits- und Verteidigungspolitik. INFOS & ANMELDUNG

    Zwangsarbeit: EU-Kommission nimmt auch Produkte aus Xinjiang ins Visier

    Nach einigen Verzögerungen hat die EU-Kommission ihren viel beachteten Vorschlag für ein Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit vorgelegt. Künftig sollen Zwangsarbeitsprodukte ohne Ausnahme auf dem europäischen Markt verboten sein. Nach den Maßstäben des Kommissions-Vorschlags hätten es Produkte aus der chinesischen Provinz Xinjiang bald auf dem europäischen Markt schwer.

    Anders als die USA mit dem Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA) handelt es sich bei dem EU-Vorstoß allerdings um ein Vermarktungsverbot und keinen reinen Importstopp. Außerdem ist die Gesetzesvorlage nicht wie die US-Gesetzgebung auf eine Region oder bestimmte Produkte ausgelegt. Die Beweislast ist zudem anders gelagert. Gemeinsam haben die beiden Gesetze der USA und EU jedoch: Ein belegbarer Verdacht auf Zwangsarbeit reicht, um ein Produkt vom heimischen Markt zu nehmen sowie die Ein- und Ausfuhr verbieten zu können.

    “Unser Ziel ist es, alle mit Zwangsarbeit hergestellten Produkte vom EU-Markt zu verbannen, unabhängig davon, wo sie hergestellt wurden. Unser Verbot gilt für einheimische Produkte, Exporte und Importe gleichermaßen”, sagte Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Für die Umsetzung des Verbots sind die 27 Mitgliedsländer verantwortlich. Die nationalen Zoll- oder Marktaufsichtsbehörden sollen das Verbot durchsetzen.

    “Risikobasierter Ansatz” mit Datenbank

    Wie soll das Verbot funktionieren? Die EU-Kommission spricht bei ihrem Vorschlag von einem “risikobasierten Ansatz“. In einer ersten Phase sollen die Behörden der EU-Mitgliedsstaaten Zwangsarbeit-Risiken feststellen. Das erfolgt auf Basis von Informationen, etwa aus der Zivilgesellschaft, von NGOs oder aus Unternehmen. Mit diesen Informationen soll zudem eine Datenbank über Risikofaktoren aufgebaut werden. Dort werden beispielsweise Zeugenaussagen, NGO-Berichte oder anderen Dokumente zu Menschenrechtsverletzungen gesammelt.

    Der Verdacht, dass ein bestimmtes Produkt mit Zwangsarbeit hergestellt wurde, kann von verschiedenen Stellen vorgebracht werden. Die nationalen Behörden müssen dann in einer zweiten Phase weitere Informationen von Unternehmen anfordern oder Prüfungen und Inspektionen auch von Zulieferern vornehmen. Wird ein Verstoß festgestellt, muss das Produkt innerhalb von sechs Wochen vom europäischen Binnenmarkt genommen werden. Sollte eine Untersuchung ins Stocken geraten, weil die betroffene Firma oder auch das Land, in dem die Produktion geprüft werden soll, nicht kooperieren, kann das Produkt auf Basis des Verdachts gesperrt werden. So sollen endlose Überprüfungsschleifen und eine Hinhaltetaktik des betroffenen Landes verhindert werden.

    Auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) fallen in den Geltungsbereich des Gesetzesentwurfs. Allerdings wird sich die Durchsetzung wahrscheinlich auf große Unternehmen konzentrieren. Aspekte wie der Umfang der Geschäftstätigkeit und die Menge der betroffenen Produkte sollen während der Untersuchung berücksichtigt werden. KMUs sollen außerdem besondere Unterstützung bekommen, ihre Lieferketten zu prüfen.

    Peking erkennt Zwangsarbeit nicht an

    Was überhaupt als Zwangsarbeit angesehen wird, soll auf den Grundlagen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bestimmt werden. Die Organisation der Vereinten Nationen hat in den Konventionen 105 und 29 definiert, was als Zwangsarbeit gilt.

    Und hier liegt ein großes Problem für den Handel mit China. Die Volksrepublik hat die beiden Übereinkommen zwar unterzeichnet und ratifiziert (China.Table berichtete) – die Führung in Peking erkennt aber immer noch nicht an, dass es Zwangsarbeit im Land überhaupt gibt.

    Für den risikobasierten Verdachts-Ansatz sollte es allerdings ausreichend Material für die geplante Datenbank geben. So müssen die Behörden die Zwangsarbeit nicht bis ins Detail einzeln nachweisen, um Produkte verbieten zu können. Für Xinjiang gibt es ausreichend dokumentierte Belege, nicht zuletzt den Bericht der ehemaligen UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet und belegbare Zeugenaussagen von Betroffenen.

    “Man kann nicht jedes Produkt zu 100 Prozent überprüfen”, sagt Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Außenhandelsausschusses des EU-Parlaments. Aber es lasse sich beispielsweise sagen, dass ein Produkt wie Christbaumschmuck zum großen Teil aus Chinas Provinz Xinjiang stamme. In solchen Fällen, sagt Lange, “wird es Veränderungen in den Wertschöpfungsketten geben”. Auch deutsche Unternehmen in Xinjiang, wie VW und BASF, müssten ihre Lieferketten genau prüfen.

    Lücke bei staatlich verordneter Zwangsarbeit

    Eine Lücke im EU-Vorschlag gibt es hinsichtlich China jedoch: Bei der Zwangsarbeit in Xinjiang ist der Staat die ausführende Kraft. Wie damit umgegangen werden soll, ist nicht klar angegeben. “Die Mehrdeutigkeit des Kommissions-Vorschlags zur staatlich verordneten Zwangsarbeit ist zutiefst besorgniserregend”, sagt Helene de Rengerve von der Organisation Anti-Slavery International. “Das Fehlen klarer Verfahren schränkt die Macht, Unternehmen dazu zu zwingen, staatlich verordnete Zwangsarbeit aus ihren Lieferketten zu entfernen, erheblich ein”, so de Rengerve.

    Kritik am Kommissions-Vorschlag gibt es auch, da er keinerlei Entschädigung für Opfer der Zwangsarbeit vorsieht. Betroffene können keine Kompensation einfordern. Auch, dass das Verbot für Produkte gilt, nicht aber für Dienstleistungen, ist ein Schwachpunkt der Gesetzesvorlage.

    “Es wird zu einer Reaktion kommen”

    Wie geht es nun weiter? Zunächst müssen das Europaparlament und der Rat der Mitgliedsländer ihre Positionen festlegen. Das könnte dauern. Der Vorschlag der EU-Kommission müsse jetzt analysiert und gegebenenfalls verbessert werden, schrieb der Handelsausschuss-Vorsitzende Bernd Lange auf Twitter. Es dürfte noch bis Anfang kommenden Jahres dauern, bis die EU-Parlamentarier ihre Position für die Verhandlungen mit der Kommission und dem EU-Rat festgelegt haben.

    Konservative Abgeordnete forderten bereits eine Rückstellung der Gesetzesvorlage. So forderte CDU-Politiker Daniel Caspary beispielsweise ein generelles Moratorium für EU-Gesetze, “die wirtschaftliche Tätigkeit erschweren”.

    Der SPD-Europaabgeordnete und Vize-Vorsitzende der China-Delegation des Parlaments, René Repasi, sieht in dem Verbot einiges an Potenzial: “Ich gehe davon aus, dass dieser Rechtsakt große Wirkung haben wird.” Dass Peking sich das ohne Weiteres gefallen lässt, kann bezweifelt werden. “Es wird zu einer Reaktion kommen”, sagt Repasi. China könne sich aber nicht erlauben, den Handel mit der EU einzuschränken. Er gehe nicht davon aus, dass es zu großen Störungen in den Handelsketten komme, so Repasi.

    Ausreichend Zeit für die Vorbereitung hätten EU-Firmen: Wenn sich die EU-Institutionen auf einen Gesetzesvorschlag geeinigt haben, soll es noch ganze 24 Monate dauern, bis das Verbot von Produkten aus Zwangsarbeit in Kraft tritt.

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    EU-Gericht bestätigt Milliardenstrafe gegen Google

    Erneut hat Google vor dem Gericht der Europäischen Union eine Niederlage hinnehmen müssen. Das Gericht bestätigte weitgehend den Beschluss der Kommission aus dem Jahr 2018. Demnach hat Google den Herstellern von Mobilgeräten mit dem Betriebssystem Android und den Betreibern von Mobilfunknetzen rechtswidrige Beschränkungen auferlegt, um die beherrschende Stellung seiner Suchmaschine zu stärken. Das Gericht bemängelte allerdings einige Verfahrensfehler und reduzierte das Strafmaß von 4,34 Milliarden auf 4,125 Milliarden Euro.

    “Das ist eine wichtige Entscheidung, die Maßstäbe für die Behandlung digitaler Ökosysteme setzt“, kommentierte der Kartellrechtsexperte Rupert Podszun aus Düsseldorf. “Das Gericht bestätigt, dass die großen Gatekeeper des Internets ihre Macht unzulässig ausnutzen.”

    Google zeigte sich enttäuscht, dass das Gericht die ursprüngliche Entscheidung der Kommission nicht vollständig aufgehoben habe. “Android hat nicht weniger, sondern mehr Wahlmöglichkeiten für alle geschaffen”, sagte ein Sprecher des Unternehmens. “Außerdem unterstützt Android Tausende erfolgreicher Unternehmen in Europa und auf der ganzen Welt.” Google kann gegen die Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel einlegen.

    Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung

    Es waren im Wesentlichen drei Punkte, in denen die Kommission Google den Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung vorwarf:

    • Google habe von Herstellern verlangt, die Google-Suche-App und die Browser-App (Chrome) vorzuinstallieren, um eine Lizensierung für Googles App-Store zu erhalten.
    • Google habe Zahlungen an bestimmte große Hersteller und Mobilfunknetzbetreiber unter der Bedingung geleistet, dass diese ausschließlich die Google-Suche-App auf ihren Geräten vorinstallieren.
    • Google habe Hersteller, die Google-Apps vorinstallieren wollen, daran gehindert, andere smarte Mobilgeräte zu verkaufen, falls diese auf einer nicht von Google genehmigten Android-Version basierten.

    Google argumentierte, dass die Entscheidung ignoriere, dass Android mit dem Apple-Betriebssystem iOS in einem intensiven Wettbewerb um Nutzer und Entwickler stehe. Zudem habe es den Herstellern freigestanden, zusätzlich zu den Google-Apps auch die Apps von Konkurrenten vorzuinstallieren. Außerdem hätten User leicht konkurrierende Anwendungen herunterladen können. Schließlich seien auch die Kompatibilitätsanforderungen von Google für Android falsch dargestellt worden. Die Anforderungen seien notwendig, um sicherzustellen, dass für Android-Geräte geschriebene Apps auf allen diesen Geräten funktionieren.

    Fehler der Kommission

    Die Entscheidung komme nicht völlig überraschend, das Gericht habe sich auch schon im ersten großen Google-Fall auf die Seite der Kommission geschlagen, kommentierte Kartellrechtler Podszun. “Dennoch kann Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Entscheidung gut gebrauchen – die Kommission war zuletzt mehrfach vor Gericht unterlegen.” Die Kommission stolpere dabei immer wieder über den “as efficient competitor-Test” (AEC-Test). “Das ist ein ökonomischer Test, den viele Ökonomen gar nicht für zutreffend halten, der aber in kartellrechtlichen Missbrauchsverfahren immer wieder herangezogen wird. In der Gesamtschau ist das bei dieser Entscheidung aber zu verschmerzen”, sagte Podszun.

    Tatsächlich konstatierte das Gericht mehrere Begründungsfehler bei der Beurteilung wesentlicher Variablen des von der Kommission durchgeführten AEC-Tests, “und zwar der Schätzung der einem solchen Wettbewerber zurechenbaren Kosten, der Beurteilung seiner Befähigung, die Vorinstallation seiner App zu erreichen, sowie der Schätzung der Einnahmen, die nach Maßgabe des Alters der im Umlauf befindlichen Mobilgeräte erzielt werden können”. Daraus folge, dass der AEC-Test in der von der Kommission durchgeführten Form die Feststellung eines Missbrauchs, nicht zu bestätigen vermag, sodass das Gericht dem entsprechenden Klagegrund stattgibt. Dies war einer der Gründe für die Reduzierung des Bußgeldes.

    Interessant findet Kartellrechtler Podszun auch, dass das Gericht ausdrücklich Argumentationen mit verhaltensökonomischen Aspekten anerkenne, “nämlich den Status-quo-Bias zugunsten von Voreinstellungen”. Allerdings: “Es sind immer einzelne Punkte, die die Wettbewerbsbehörden hier erringen, aber beim eigentlichen Rennen jagen sie den Gatekeepern nur hinterher”, fügte Podszun hinzu. “Da ist möglicherweise der DMA ein Gamechanger.

    Die Entscheidung des Gerichts stärke der Kommission den Rücken für die Umsetzung des Digital Markets Act (DMA). “Das Gericht signalisiert, dass es die Gefahren durch digitale Ökosysteme ernst nimmt. Das ist wichtig, sonst würde der DMA von der Rechtsprechung rasch zermahlen“, erläuterte Podszun.

    Parlamentarier und Verbraucherverband begrüßen das Urteil

    Andreas Schwab, binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und Berichterstatter zum Digital Markets Act, begrüßte die Entscheidung des Gerichts, obwohl dieses Urteil viele Jahre zu spät komme. “Es bestätigt die Notwendigkeit, solche marktschädigenden Praktiken im Digitalen Raum durch spezifische Vorabverpflichtungen zu verbieten”, sagte Schwab. Dies sei bereits im vergangenen Jahr durch das Google Shopping Urteil bestätigt. Mit den Entscheidungen zu Google Shopping und Android sowie dem Inkrafttreten des DMA “können wir darum definitiv sagen: ,Game over’ für unfaire Geschäftspraktiken!”.

    Ähnlich sieht das Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen und Schattenberichterstatter für den DMA im Industrieausschuss. Das Urteil stärke dem EU-Wettbewerbsrecht den Rücken. “Die großen Digitalkonzerne mit ihren tiefen Taschen und großen Rechtsabteilungen verstehen sich für gewöhnlich sehr gut darauf, die Klageverfahren zu nutzen, um Strafzahlungen zu vertagen und die Wettbewerbsbehörden vorzuführen”, sagte Andresen. Er erwarte nun, dass sich hier auch strukturell etwas ändere und “wir uns künftig nicht weiter mit solch langwierigen Gerichtsverfahren auseinandersetzen müssen, sondern den Digital Markets Act schnell umsetzen”. Ergänzend müsse die EU-Kommission einen Vorschlag zur Verschärfung des Wettbewerbsrechts vorlegen, um Marktmachtmissbrauch von vornherein zu verhindern oder schneller zu unterbinden.

    Auch der Europäische Verbraucherverband BEUC begrüßte das Urteil, da es bestätige, dass die europäischen Verbraucher eine sinnvolle Auswahl zwischen Suchmaschinen und Browsern auf ihren Telefonen und Tablets haben müssen. “Das Gerichtsurteil macht deutlich, dass Google seine starke Marktposition nicht dazu missbrauchen kann, Wettbewerber durch ein komplexes und rechtswidriges Geflecht von Beschränkungen und Auflagen für Telefonhersteller auf unfaire Weise auszuschließen”, kommentierte Monique Goyens, Generaldirektorin des BEUC. “Die Beschränkungen von Google haben vielen Millionen europäischen Verbrauchern geschadet, indem sie ihnen ein Jahrzehnt lang echte Auswahl und Innovation vorenthalten haben.”

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    Reform des Strommarkts: Vorschläge sollen Mitgliedstaaten 140 Milliarden Euro bringen

    Es war eine klare Botschaft: “Die derzeitige Ausgestaltung des Elektrizitätsmarkts – die auf dem Merit-Order-Prinzip beruht – wird den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht länger gerecht”, sagte Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der EU. Deshalb strebt die Kommission eine umfassende Reform des Elektrizitätsmarkts an, um den Strom- vom dominanten Gaspreis zu entkoppeln. Diese soll “Anfang nächsten Jahres” umgesetzt werden, wie Energiekommissarin Kadri Simson sagte. Diese Maßnahmen wurden angekündigt:

    • Eine Senkung der Stromnachfrage zu Spitzenzeiten. Die EU-Mitgliedstaaten sollen zehn Prozent der gesamten Stromnachfrage einsparen, wobei dieses Ziel nicht verbindlich ist. Stattdessen ist eine verbindliche Senkung um fünf Prozent während der Spitzenzeiten vorgesehen. Bisher haben sich die Mitgliedstaaten für freiwillige Verpflichtungen entschieden.
    • Die Deckelung der Einnahmen von Stromerzeugern, die zu niedrigen Kosten produzieren – also erneuerbare Energien, Kernkraft etc. Die Kommission schlägt vor, deren Erlösobergrenze auf 180 Euro pro Megawattstunde festzulegen. Die Einführung der Preisobergrenze wird den Mitgliedsstaaten überlassen.  
    • Die Kommission schlägt außerdem einen befristeten Solidaritätsbeitrag für Öl-, Kohle- und Gasunternehmen vor, die nicht unter die andere Obergrenze fallen. Steuerpflichtige Gewinne, die in diesem Jahr um 20 Prozent über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre liegen, werden mit einem zusätzlichen Satz von 33 Prozent besteuert.
      Diese beide Vorschläge sollen etwa 140 Milliarden Euro für die Mitgliedstaaten bringen, 117 Milliarden Euro aus der Deckelung der Einnahmen und 25 Milliarden Euro aus dem Solidaritätsbeitrag.
    • Der auf dem Gasmarkt verwendete Richtwert – der TTF – soll durch einen neuen, repräsentativeren Richtwert ersetzt werden.
    • Die Kommission schlägt zudem vor, die Toolbox für Energiepreise zu erweitern, um den Verbrauchern zu helfen. Die Vorschläge würden erstmals regulierte Strompreise unterhalb der Entstehungskosten ermöglichen und die regulierten Preise auch auf kleine und mittlere Unternehmen ausweiten.

    Eine Obergrenze für den Gaspreis soll es nicht geben, auch nicht für russisches Gas, und keine gemeinsamen Gaseinkäufe. Die Kommission möchte außerdem zwischen “zuverlässigen” und “unzuverlässigen” Lieferländern unterscheiden und bilaterale Verhandlungen mit zuverlässigen Lieferanten organisieren.

    Thomas Pellerin-Carlin, Direktor des Jacques Delors Energiezentrums, hält es für zu früh zu beurteilen, ob die angesetzten 140 Milliarden Euro an Einnahmen realistisch sind. Dies hänge davon ab, wie die Regierungen den Gesetzesvorschlag umsetzten. Der Erfolg der Gewinnabschöpfung hänge davon ab, wie die Einnahmen eingesetzt würden: “Wenn es die nationalen Subventionen für fossile Brennstoffe finanzieren solldann wird es die Krise noch verschärfen. Wenn es zur Finanzierung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz verwendet wird, dann werden diese Investitionen sinnvoll sein.” cst

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    Frankreich deckelt Preiserhöhung für Strom und Gas

    Frankreich will im kommenden Jahr Preissteigerungen für Strom und Erdgas nur bis zu einer Obergrenze von 15 Prozent zulassen. Das kündigt Ministerpräsidentin Élisabeth Borne am Mittwoch an.

    Borne sagte, dass die maximale Preiserhöhung von 15 Prozent für Gas im Januar nächsten Jahres in Kraft treten werde, während die Preiserhöhung von 15 Prozent für Strom im Februar in Kraft treten werde. “Wir werden sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene Maßnahmen ergreifen”, fügte die Ministerpräsidentin hinzu.

    Wie Finanzminister Bruno Le Maire mitteilte, belaufen sich die Kosten für den Preisdeckel auf 16 Milliarden Euro. rtr

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    Schwedens Ministerpräsidentin Andersson tritt nach Wahl zurück

    Die schwedische sozialdemokratische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson tritt nach der Niederlage bei den Parlamentswahlen zurück. Das oppositionelle Rechtsbündnis habe die Abstimmung gewonnen, räumte Andersson am Mittwochabend bei einer Pressekonferenz ein. “Das ist eine dünne Mehrheit, aber es ist eine Mehrheit”, fügte sie hinzu. Sie werde deshalb am Donnerstag ihren Rücktritt als Ministerpräsidentin einreichen. Es sei wichtig, dass das nordische Land so schnell wie möglich eine neue Regierung bekomme.

    In Schweden zeichnet sich ein Rechtsruck ab. Drei Tage nach der Parlamentswahl und nach Auszählung von 98 Prozent der abgegebenen Stimmen lag das rechte Lager aus Moderaten, Schwedendemokraten, Christdemokraten und Liberalen mit 175 Mandaten einen Sitz vor dem bislang regierendem linken Block (174 Mandate) mit der sozialdemokratischen Regierungschefin Andersson. Damit liegt eine Regierungsbeteiligung für die rechtspopulistischen Schwedendemokraten erstmals in greifbarer Nähe. Die Partei unter ihrem Vorsitzenden Jimmie Åkesson ist zweitstärkste Kraft hinter den Sozialdemokraten geworden. Ihre Ursprünge liegen im Rechtsextremismus, von dem sie sich mittlerweile distanziert hat.

    Obwohl die Schwedendemokraten bei der Parlamentswahl mehr Stimmen als die Moderaten erhielten, gilt deren Kandidat Ulf Kristersson als wahrscheinlicher neuer Regierungschef, sollte sich das rechte Lager auf eine Partnerschaft verständigen. Kristersson kündigte kurz nach dem Rücktritt von Andersson an, eine Regierung bilden zu wollen.

    Der Wahlkampf war thematisch auch von Bandenkriminalität und Einwanderung bestimmt. Diese Themen wurden von den Schwedendemokraten forciert, die eine der Ursachen der Kriminalität in dem Zuzug von Migranten sehen. Der Chef der Schwedendemokraten will deswegen die härtesten Einwanderungs-Regeln Europas in seinem Land einführen.

    Neben den innenpolitischen Schwierigkeiten steht Schweden derzeit auch vor großen außenpolitischen Herausforderungen. In Folge des Ukraine-Krieges will das Land seine Jahrzehnte gepflegte Neutralität aufgeben und Mitglied der Nato werden. Zudem sucht das nordische Land nach Auswegen aus der Energiekrise und der steigenden Inflation. rtr

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    Finanzierung: Europäische Parteien werden mit Stiftungen gleichgestellt

    Das EU-Parlament stimmt heute über die Verordnung zur Parteienfinanzierung ab. Die Kommission hatte vorgeschlagen, dass die europäischen Parteien künftig nur noch fünf Prozent ihres Etats aus Eigenmitteln bestreiten müssen. Bislang lag der Wert bei zehn Prozent. Damit würden die europäischen Parteienfamilien den europäischen Stiftungen gleich gestellt. Es wird damit gerechnet, dass es dafür im Plenum eine Mehrheit gibt.

    Die Kommission will, dass der Eigenanteil in Jahren mit Wahlen zum Europa-Parlament auf null sinkt. Die christdemokratische EVP im Europa-Parlament ist gegen die Absenkung im Wahljahr auf null und wird dafür einen Antrag stellen. Der Rat, das Gremium der Mitgliedstaaten, ist grundsätzlich gegen eine Absenkung der notwendigen Eigenmittel.

    Das Parlament wird im Rechtstext keine transnationalen Listen fordern. Vor allem die Liberalen hatten sich für transnationale Listen bei EU-Wahlen eingesetzt. Bislang können Wahlberechtigte nur über nationale Listen abstimmen. Bei transnationalen Listen würden mehrere Kandidaten bei Wahlen zum EU-Parlament in allen 27 Mitgliedstaaten antreten. Es könnten sich dann Kandidaten aus mehreren EU-Ländern europaweit zur Abstimmung stellen. Diese Maßnahme soll dazu führen, dass es ein gesamteuropäisches Bewusstsein gibt.

    Berichterstatter Rainer Wieland (CDU) wirft der Kommission “grob unsportliches Verhalten” vor. Hintergrund ist, dass die Kommission die Reform der Parteienfinanzierung gesetzestechnisch unter “recast” gestellt hat. Dies bedeutet, dass die Co-Gesetzgeber nur Änderungen an den Regeln vornehmen können, die die Kommission vorschlägt. Das Parlament etwa kann bei einem “recast”-Gesetzgebungsverfahren den Gesetzestext nicht um eigene Punkte ergänzen. mgr

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    EU-Parlament stimmt für einheitliche Mindestlohnstandards

    Das Europaparlament hat einheitlichen Standards für Mindestlöhne in der EU zugestimmt. Eine große Mehrheit der Abgeordneten sprach sich am Mittwoch für ein zuvor von Unterhändlern des Parlaments und der EU-Staaten ausgehandeltes Gesetz aus. Damit ist der Weg nahezu frei dafür, dass die Regeln nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren in Kraft treten können. Die EU-Staaten müssen dem Vorhaben noch zustimmen, dies gilt aber als Formsache.

    Der Kompromiss legt zwar keine einheitliche Höhe, aber Standards dafür fest, wie gesetzliche Mindestlöhne festgelegt, aktualisiert und durchgesetzt werden können. Zudem müssen EU-Länder Aktionspläne festlegen, um die Tarifbindung zu steigern, wenn deren Quote unter 80 Prozent liegt.

    Der Verhandlungsführer des EU-Parlaments, Dennis Radtke (CDU), sagte: “Wir brauchen überall in Europa eine funktionierende, eine starke Sozialpartnerschaft.” Er hätte sich den Kompromiss aber teils ambitionierter gewünscht: “Ich finde es offen gestanden unerträglich, dass es an einigen Stellen – auch in Deutschland – möglich ist, den gesetzlichen Mindestlohn darüber zu erreichen, dass beispielsweise Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Zulagen wie Schmutzzulagen, Lärmzulagen oder sogar Trinkgelder in den Mindestlohn mit eingerechnet werden können.” Es sei aber rechtlich nicht möglich gewesen, dies auf EU-Ebene zu regulieren.

    Die Bundesregierung begrüßte die vereinbarten Regelungen. Die vom Bundestag beschlossene einmalige Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde stehe in Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie. “Insofern wird im Hinblick auf die Mindestlohn-Richtlinie nach vorläufiger Prüfung auch kein Anpassungsbedarf in der deutschen Mindestlohngesetzgebung gesehen”, teilte das Arbeitsministerium mit.

    Die Europäische Union darf keine konkreten Lohnhöhen vorgeben, sondern nur Leitlinien erlassen. Vor allem nordische Länder hatten das Vorhaben kritisch begleitet. Dort gibt es zwar keinen gesetzlichen Mindestlohn, aber eine verhältnismäßig hohe Tarifbindung. Die Länder fürchteten, dass die EU sich zu sehr in nationale Angelegenheiten einmischen würde. dpa

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    Rechnungshof bekommt neue Führung

    Heute wählen die 27 Mitglieder des Europäischen Rechnungshofes (EuRH) in Luxemburg einen neuen Präsidenten. Klaus-Heiner Lehne, der 2016 erstmals an die Spitze des Gremiums gewählt und 2019 bestätigt wurde, strebt keine dritte Amtszeit mehr an. Der ehemalige CDU-Europa-Abgeordnete wird weiter dem Hof angehören, seine Amtszeit am Hof läuft noch bis 2026.

    Jedes Mitgliedsland der EU entsendet einen Vertreter an den Hof. Der erste Durchgang in geheimer Wahl startet um 9 Uhr. Dem Vernehmen nach gibt es keinen Favoriten. Die Statuten verlangen, dass Kandidaten 24 Stunden vor dem ersten Wahlgang ihre Kandidatur im Generalsekretariat bekannt machen. Üblicherweise schicken die Kandidaten vorab einen Brief an die anderen Mitglieder und informieren über ihre geplanten Schwerpunkte. Die Rolle des Präsidenten ist, als Primus inter pares (herausgehoben unter Gleichen) zu agieren.

    Lehne waren im vergangenen Jahr von Medien Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Zulagen vorgeworfen worden. Der Haushaltskontrollausschuss des Europa-Parlaments hatte deswegen zunächst auch die Entlastung für das Haushaltsjahr verweigert. Bei der Abstimmung im Plenum erfolgte aber die Entlastung.

    Hintergrund der Affäre ist wohl, dass Lehne zuvor intern die Aufhebung der Immunität des ehemaligen Mitglieds für Belgien durchgesetzt hatte. Grund waren handfeste finanzielle Unregelmäßigkeiten von Karel Pinxten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat wegen der Vergehen auch die Pension von Pinxten um zwei Drittel gekürzt. Anschließen soll Pinxten Vorwürfe gegen Lehne geäußert haben, die einzelne Medien dann aufgriffen. mgr

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    Presseschau

    Krieg, Energiekrise, Handel: Von der Leyen thematisiert schwierige Lage der EU in Grundsatzrede RND
    EU-Kommission: Energiekonzerne sollen EU-Ländern 140 Milliarden Euro abliefern DEUTSCHLANDFUNK
    Abstimmung im Europaparlament: Erneuerbare Energien sollen weiter ausgebaut werden als bisher geplant MERKUR
    EU’s controversial ‘additionality’ rules for green hydrogen are history after European Parliament vote RECHARGENEWS
    Aktionsplan: So will die EU-Kommission die Energiewirtschaft digitalisieren HEISE
    Kabinett beschließt Abbau von Hürden für Solaranlagen FAZ
    Frankreich deckelt Preise für Gas und Strom N-TV
    Google ficht EU-Strafe vergebens an BOERSEN-ZEITUNG
    Datengesetz: EU-Abgeordnete drängt auf KMU-Ausnahme von Datenweitergabe-Pflicht EURACTIV
    Heimat für Open-Source-Innovation: Europa bekommt eine eigene Linux Foundation HEISE

    Heads

    Regine Günther – Viele Wege zur Klimaneutralität

    Regine Günther ist seit August 2022 neue Direktorin der Stiftung Klimaneutralität.
    Regine Günther ist seit August 2022 neue Direktorin der Stiftung Klimaneutralität.

    Die Klimaziele dürften nicht an technischen Fragen scheitern, sagt Regine Günther. Seit August ist sie Direktorin der Stiftung Klimaneutralität. Die Stiftung gibt Empfehlungen an die Politik, wie Deutschland seine Klimaziele erreichen kann.

    Mit der Klimaneutralität haben sich Deutschland und die EU ambitionierte Ziele gesteckt. “Jetzt gilt es, die Umsetzung so schnell wie möglich zu erreichen“, sagt Regine Günther.

    Regine Günther: Kampf gegen den Klimawandel

    Für die 59-Jährige ist die neue Position eine logische Fortsetzung dessen, was sie in der Vergangenheit gemacht hat. Seit mehr als 25 Jahren beschäftigt sie sich mit dem Kampf gegen den Klimawandel. Günther leitete den Klima- und Energiebereich beim WWF, von 2016 bis 2021 war sie Senatorin in Berlin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.

    “Als Senatorin konnte ich sehr konkret Dinge umsetzen, allerdings ist die Reichweite primär lokal”, sagt sie. Jetzt habe ihre Arbeit eine längere Perspektive, der Effekt sei nicht sofort sichtbar. Dafür habe die Stiftung eine deutschlandweite, europäische und internationale Ausrichtung. Für Günther war der Wechsel reizvoll, ihre Arbeit bewegt sich zwischen NGO, Politik und Stiftung: Sie alle könnten auf ihre Art zum Klimaschutz beitragen. “Das sind sehr unterschiedliche Hebel, die man da ansetzt”, sagt Regine Günther, “und für einen effektiven Klimaschutz brauchen wir sie alle”.

    Klimaneutralität und Geopolitik

    Bei der Stiftung Klimaneutralität untersucht sie nun, wie die Klimaziele mit internationaler Geopolitik zusammenhängen. Der Angriff Russlands auf die Ukraine habe massive Auswirkungen auf die internationale Klimapolitik. “Wir müssen überlegen, wie wir bei den strategischen Gütern und Rohstoffen eine Versorgungssicherheit herstellen, die wir für eine klimaneutrale Wirtschaft brauchen“, sagt die Stiftungsdirektorin. Man dürfe sich nicht erpressbar machen. Die Staaten könnten sich nicht mehr sicher sein, dass der Weltmarkt alle Güter immer und jederzeit zur Verfügung stelle.

    Woher bezieht Deutschland die Rohstoffe für Batterien? Woher kommen strategisch besonders wichtige Güter? Bei den Solarpanels etwa ist Deutschland aktuell stark von China abhängig. Ein sogenanntes Klumpenrisiko, das man zerteilen sollte, sagt Regine Günther.

    Solche politischen Abhängigkeiten will die Stiftung jetzt identifizieren. Denn eine umfassende systemische Analyse dazu gebe es noch nicht. Mit ersten Ergebnissen rechnet Regine Günther in der ersten Hälfte des kommenden Jahres. Jana Hemmersmeier

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    Apéropa

    Die Sprache der Diplomatie ist das Ungesagte. Die Queen war Meisterin darin, Ungesagtes oder Unsagbares durch ihre Kleidung auszudrücken. Unvergessen ihr blauer Hut mit gelben Applikationen, vermutlich um ihre Ablehnung des Brexits auszudrücken. Oder die Brosche, die sie von Barack Obama geschenkt bekommen hatte und beim Amtsbesuch von Donald Trump trug.

    Optisch alles andere als subtil trat dagegen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern in gelbem Blazer und blauer Bluse zu ihrer Rede zur Lage der Union an. Darin ging es aber nicht nur um das, was sie sagte. Es ging nicht einmal nur um das, was sie nicht sagte, auch wenn das elementare Bereiche wie die Verteidigung und Sicherheit betraf.

    Manche Botschaften ließen sich daran ablesen, in welcher Sprache sie welche Themen ihrer Rede übertrug.

    Von der Leyen, die bekannt dafür ist, das Englische dem Deutschen bei öffentlichen Auftritten vorzuziehen, lieferte entsprechend den größten Teil der Rede auf Englisch. So sagte sie der anwesenden Olena Selenska, First Lady der Ukraine, erneut ihre volle Unterstützung zu und untermauerte diese unter anderem mit 100 Millionen Euro für den Aufbau zerstörter Schulen. Auch die Maßnahmen gegen die Energiekrise handelte sie auf Englisch ab.

    Doch als es an den Ausbau der erneuerbaren Energien ging, um Wind- und Solarenergie und vor allem die Ankündigung einer Wasserstoff-Bank, da wechselte die gebürtige Belgierin ins Französische – vielleicht getreu dem Motto: Kommuniziere so, dass du verstanden wirst? Die Atomkraft, Frankreichs Steckenpferd und Hauptenergiestrategie, erwähnte sie nicht.

    Auch an Deutschland, das Land des Mittelstandes, die größte Industrienation der EU und das Land mit einer Vorliebe für die “Wandel durch Handel”-Strategie, hatte sie offenbar eine Botschaft: Sie warnte davor, neue Abhängigkeiten aufzubauen, diesmal bei Rohstoffen wie den Seltenen Erden. Es sei jetzt der Zeitpunkt, neue Handelsbeziehungen mit gleichgesinnten Partnern einzugehen, um die Fehler aus der Vergangenheit nicht zu wiederholen. All das sagte sie in ihrer Muttersprache. Lisa-Martina Klein

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