die US-Regierung hatte mehrfach gewarnt, am Montagabend schritt Wladimir Putin dann zur Tat: Der russische Präsident erkannte die selbst ernannten “Volksrepubliken” Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine als unabhängige Staaten an und ordnete die Stationierung russischer Soldaten dort an. Russland besetzt damit auch offiziell ein Territorium, das völkerrechtlich zur Ukraine gehört. In seiner langen Ansprache im russischen Fernsehen machte Putin deutlich, was er damit bezweckt: Er stellt die eigenständige Staatlichkeit des Nachbarlandes offen infrage.
Putins Ansprache wirkte wie eine Kriegsrede. Nicht nur die US-Regierung geht davon aus, dass es der russische Machthaber dabei nicht bewenden lassen wird, ein militärischer Angriff auf die übrige Ukraine folgen dürfte. EU und Nato müssen nun entscheiden, wie sie reagieren.
Das volle, über Wochen ausgearbeitete Sanktionspaket werden Washington und Brüssel nicht gleich auslösen, um nicht auf Einflussmöglichkeiten auf Moskau zu verzichten. Vielmehr dürfte es zunächst bei gezielten Strafmaßnahmen bleiben. Wie groß der Einfluss der Maßnahmen des Westens auf Putin überhaupt noch ist, ist nach dem gestrigen Abend fraglich. Der russische Präsident wirkt finster entschlossen, das Rad der Zeit zurückzudrehen.
Am Montagmorgen waren die EU-Außenminister noch in der Hoffnung zusammengekommen, über diplomatische Bemühungen Schlimmeres verhindern zu können. Am Abend machte Wladimir Putin diese Aussicht vorerst zunichte: Russlands Präsident erkannte die beiden von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete im Donbas, die völkerrechtlich zur Ukraine gehören, als unabhängige Staaten an und ordnete die Entsendung russischer Truppen dorthin an.
Putin setzt sich damit über die vielfach wiederholten Warnungen von EU und Nato hinweg. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel kündigten daraufhin Sanktionen an, die sich zunächst aber nur gezielt gegen jene richten sollen, “die an diesem illegalen Akt beteiligt sind”. Wie diese genau aussehen sollen und gegen wen sie sich im Einzelnen richten, darüber werden die EU-Botschafter heute Vormittag bei einem Treffen ab 9:30 Uhr beraten.
US-Präsident Joe Biden unterzeichnete bereits am Abend ein Dekret, das Geschäfte in oder mit den beiden Separatisten-Regionen in der Ost-Ukraine verbietet. In Washington sieht man aber noch nicht den Zeitpunkt gekommen, um das vielfach angedrohte Paket massiver Finanz- und Wirtschaftssanktionen auszulösen.
“Dies ist keine weitere Invasion, da es sich um Gebiete handelt, die sie bereits besetzt haben“, sagt ein US-Regierungsmitarbeiter. Russland habe bereits seit acht Jahren Truppen im Donbass und “mache das jetzt nur auf eine offensichtlichere Art und Weise. Aber wir machen uns keine Illusionen über das, was als Nächstes kommen wird.” Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield sagte bei einer kurzfristig anberaumten Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates, der Entsendungsbefehl russischer Truppen sei der erste Schritt zum vollständigen Einmarsch.
US-Präsident Joe Biden telefonierte am Abend mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz. Man sei sich einig, dass dieser “einseitige Schritt Russlands ein klarer Bruch des Minsker Abkommens” sei und nicht unbeantwortet bleiben werde, hieß es anschließend.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagierte auf die russische Anerkennung der “Volksrepubliken” zurückhaltend. “Wir sind dem friedlichen und diplomatischen Weg treu und werden nur auf diesem gehen”, sagte er. Auf Provokationen werde Kiew nicht reagieren – aber auch kein Territorium aufgeben. “Wir erwarten von unseren Partnern klare und wirkungsvolle Schritte der Unterstützung.”
Unter den EU-Staaten hatte es zuvor Meinungsverschiedenheiten gegeben bei der Frage, wann der richtige Moment für welche Sanktionen im Russland-Ukraine-Konflikt wäre. Nach dem Treffen der Außenminister sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, das Sanktionspaket bestehe aus bestimmten Komponenten, die in unterschiedlichem Maße angewandt werden können – “abhängig vom Grad der Aggression”.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte zuvor die Forderung seines Landes nach sofortigen Strafmaßnahmen gegen Russland bekräftigt. Man erwarte nicht nur politische Botschaften, sondern konkrete Taten, sagte Kuleba beim Treffen der 27 EU-Außenminister in Brüssel. “Wir sind der Auffassung, dass es gute und legitime Gründe gibt, zumindest einige Sanktionen zu verhängen.”
Deutschland, Österreich und Irland mahnten aber zu Zurückhaltung. Sanktionen solle man erst umsetzen, wenn Russland die Ukraine tatsächlich angreift – “aber nicht vorher”, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Jetzt gehe es um die Rückkehr an den Verhandlungstisch, betonte Außenministerin Annalena Baerbock in Brüssel.
Um Strafmaßnahmen zu verhängen, wäre eine Sondersitzung des Rats nötig. Wegen der politischen und wirtschaftlichen Brisanz wird in Brüssel sogar mit der Einberufung eines EU-Gipfels gerechnet. Beim letzten Gipfeltreffen am vergangenen Donnerstag hatte es noch Vorbehalte gegen die Sanktionen gegen Russland im Ukraine-Konflikt gegeben.
Italiens Regierungschef Mario Draghi forderte, Energie-Importe müssten von eventuellen Sanktionen ausgenommen werden. Österreichs Kanzler Karl Nehammer sagte, man müsse auch an die wirtschaftlichen Folgen für die EU-Länder denken und diesen gegebenenfalls helfen. Die EU-Kommission habe dies auch zugesichert, so Nehammer.
Die Risiken und Nebenwirkungen sind beachtlich – auch für Deutschland. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und die Gasversorgung. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, man wolle Russland auch von den Finanzmärkten abschneiden sowie alle Güter treffen, die das Land braucht, “um seine Wirtschaft zu modernisieren und zu diversifizieren”.
Im Kern geht es um einen Wirtschaftskrieg – die EU will die russische Wirtschaft entscheidend schwächen. Alle Maßnahmen seien eng mit den USA abgestimmt, betont von der Leyen, die das Sanktionspaket vorbereitet. Washington könnte aber auch allein vorangehen – etwa beim Verbot von Transaktionen in Dollar, der weltweiten Leitwährung. Eric Bonse und Till Hoppe
Anfang April will die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf zum European Health Data Space (EHDS) vorlegen. Bis jetzt sind kaum Details an die Öffentlichkeit gedrungen. Man findet zwar einige Stellungnahmen von interessierten Organisationen und seitens der Industrie. Mehr als die eigenen Wunschvorstellungen verraten aber auch diese nicht. Doch im Hintergrund laufen die Vorbereitungen für den Aufbau des europäischen Gesundheitsdatenraums an.
Im Oktober veröffentlichte die Europäische Agentur für Gesundheit und Digitales (European Health and Digital Executive Agency, HaDEA) eine Ausschreibung. Das Ziel: ein Pilotprojekt für die Entwicklung eines “EU-Infrastruktur-Ökosystems für die sekundäre Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungs-, Politik- und Regulierungszwecken”. Dieses Ökosystem soll auf gemeinsamen Standards und Strategien beruhen, um die Integration der derzeit fragmentierten nationalen Datensysteme zu ermöglichen.
Der EU-Behörde schwebt dabei ein Konsortium vor, dessen Aufgabe es ist, eine IT-Infrastruktur aufzubauen, die die teilnehmenden Knotenpunkte verbindet und konkrete Anwendungsfälle in der Forschung durchspielt. Außerdem soll geprüft werden, inwieweit sich die entwickelte Infrastruktur unionsweit skalieren lässt. Das wäre dann das Rückgrat des Europäischen Gesundheitsdatenraums.
Ende Januar hat ein Konsortium aus insgesamt 16 Partnern seine Bewerbungsunterlagen eingereicht. Dabei sind:
Außerdem gehören die wichtigsten europäischen Agenturen im Gesundheitsbereich EMA und ECDC dazu, ebenso wie die European Public Health Association (EUPHA) und die Forschungsnetzwerke Orphanet, Elixir, eBrains sowie die pan-europäische Infrastruktur nationaler Biobanknetzwerke BBMRI-ERIC. Die französische Gesundheitsdatenagentur Health Data Hub (HDH) führt die illustre Runde an.
Bereits im November 2021 haben Findata und der Health Data Hub, die ersten beiden zentralisierten nationalen Gesundheitsdatenagenturen in Europa, eine Kooperationsvereinbarung (“Memorandum of Understanding”) unterzeichnet. Das Ziel sei es, Gesundheitsdaten sicher und effizient auszutauschen und dabei sowohl die Rechte und Freiheiten der Bürger als auch die FAIR-Grundsätze (Findable, Accessible, Interoperable and Reusable) zu achten.
Die Zusammenarbeit habe vier Themenfelder im Fokus: die Entwicklung von Metadatenkatalogen, Best Practices für Datenzugriff und -management, die internationale Zusammenarbeit und die Organisation gemeinsamer Kommunikation.
Der HDH ist die französische Variante eines One-Stop-Shops für Gesundheitsdaten, ähnlich Findata. Er bietet der öffentlichen und industriellen Forschung einen zentralisierten Zugriff auf Datenquellen verschiedenster Akteure im Gesundheitswesen. Bei erfolgreichem Antrag stellen die Mitarbeiter:innen des HDH die Datensätze zusammen und gewähren einen gesicherten Zugriff auf die Daten in einer eigenen Online-Forschungsumgebung. Entsprechend dem Transparenzgrundsatz der DSGVO werden alle Projekte in einem öffentlichen Register des HDH gelistet.
Mit seiner Führungsrolle im Europäischen Gesundheitsdatenraum-Konsortium will Frankreich offenbar weiter seine Position im Bereich der Gesundheit stärken. Mitte des vergangenen Jahres stellte Staatspräsident Emmanuel Macron den Gesundheitsinnovationsplan “Plan Innovation Santé 2021-2030” vor. Er zielt darauf ab, Frankreich an die Spitze der europäischen Gesundheitsforschung zu bringen. Im Herbst 2021 startete die Regierung außerdem die Initiative “Digitale Gesundheit”. Damit will Frankreich bis 2025 zum Weltmarktführer im Bereich der digitalen Gesundheit aufsteigen. Das Paket soll mit insgesamt 650 Millionen Euro ausgestattet sein.
Eine der größten Herausforderungen für das Konsortium dürfte jedoch in den divergierenden Entwicklungsgraden der Partner bestehen. Während der Health Data Hub und vor allem Findata zu den digitalen Musterschülern und Vorreitern gehören, steckt etwa das deutsche Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) noch in den Kinderschuhen.
Angesiedelt ist das FDZ Gesundheit am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Ursprünglich geht das Zentrum auf die ehemalige Datenaufbereitungsstelle des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zurück, das im Jahr 2020 in das BfArM eingegliedert wurde. Das FDZ Gesundheit wurde im Jahr 2019 vom Gesetzgeber durch das Digitale-Versorgung-Gesetz initiiert. Die Datentransparenzverordnung (DaTraV) konkretisiert diese gesetzlichen Regelungen.
Doch im Gegensatz zu Findata und HDH, die ebenfalls durch Gesetze aus dem Jahr 2019 ermöglicht wurden, befindet sich das Forschungsdatenzentrum noch im Aufbau. Aktuell werden nach Angaben des BfArM die rechtlichen, technischen, personellen und organisatorischen Maßnahmen definiert und implementiert. Anträge auf Datennutzung können voraussichtlich im Herbst 2022 gestellt werden.
Das Aufgabenspektrum des FDZ Gesundheit wird sich gegenüber der ehemaligen Datenaufbereitungsstelle erweitern. Zu den wesentlichen Neuerungen gehören etwa virtuelle Analyseräume für Forscher:innen. Die neue Umgebung soll außerdem skalierbar sein und eine höhere Anzahl an Big-Data-Analysen verarbeiten können. Ein leistungsfähiges Rechenzentrum mit entsprechend performanter Hardware soll ebenfalls aufgebaut werden.
Von den unterschiedlichen Entwicklungsgraden abgesehen, ist die Aufgabe des Konsortiums auch an anderen Stellen alles andere als trivial. Auf der Grundlage ausgewählter spezifischer Anwendungsfälle soll etwa ein operativer Rahmen für die sekundäre Nutzung von Gesundheitsdaten zwischen verschiedenen Knotenpunkten entwickelt werden. Dazu gehören eine gemeinsame Metadatenerkennung, eine gemeinsame Datenzugriffsanwendung und die Implementierung eines Datenmodells, um eine grenzüberschreitende Datennutzung und Datenübertragung zu ermöglichen.
Es reicht allerdings nicht, die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Laut der Ausschreibung müssen konkrete Anwendungsfälle durchgespielt werden: angefangen von der Konzeption über Datenermittlung, Validierung der Daten und deren Verfügbarkeit, Lieferung bis hin zur Datenverarbeitung und Analyse. Am Ende der Projektlaufzeit soll nach den Vorstellungen der HaDEA nicht weniger als eine Definition der technischen, rechtlichen und verwaltungstechnischen Anforderungen herauskommen, ebenso wie der Architektur und der etwaigen Spezifikationen für die IT- und Dateninfrastruktur, die eine EU-weite Wiederverwendung von Gesundheitsdaten ermöglicht.
Die Entscheidung über den Gewinner der Ausschreibung soll in den kommenden Monaten fallen. Das Gewinnerkonsortium wird seine Arbeit im September 2022 für die Dauer von maximal zwei Jahren aufnehmen. Die EU fördert das Pilotprojekt mit fünf Millionen Euro. Ob ihr Konsortium die Ausschreibung tatsächlich gewinnt, bereitet den Organisatoren aus Frankreich indes keine schlaflosen Nächte.
Zwar habe man derzeit noch keine Informationen über etwaige Wettbewerber, hieß es seitens des HDH. Mit ernst zu nehmender Konkurrenz rechnet man aber offenbar nicht. Denn schließlich stelle man die Mehrheit der nationalen Gesundheitsdatenplattformen in Europa sowie wichtige Forschungsinfrastrukturen und EU-Agenturen.
22.02.2022 – 14:00 Uhr, online
EBD, Präsentation De-Briefing Agrifish
Rolf Burbach, Referatsleiter und Europabeauftragter im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), informiert bei der Veranstaltung der Europäischen Bewegung Deutschlands (EBD) über die Ergebnisse des Rates der EU “Landwirtschaft und Fischerei” vom 21. Februar 2022. INFOS & ANMELDUNG
23.02.2022 – 09:00-10:30 Uhr, online
VBW, Podiumsdiskussion Der Green Deal und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) diskutiert mit Vertreter:innen der Europäischen Institutionen und der Wirtschaft, ob die bislang vorgestellten Initiativen des Green Deal dem Anspruch der Wachstumsförderung gerecht werden. INFOS & ANMELDUNG
23.02.2022 – 09:30-17:00 Uhr, online
D21, Diskussion Digitale Gesellschaft 2022
Die Initiative D21 stellt die Ergebnisse und Erkenntnisse ihrer Studie D21-Digital-Index 2021/2022 zusammen mit Expert:innen und politischen Entscheidungsträger:innen vor. INFOS & ANMELDUNG
23.02.2022 – 10:30-12:00 Uhr, online
EC, Workshop Digitalisation of the energy system – Priorities in the energy transition that require enhanced data exchanges at EU level
The European Commission (EC) workshop is part of the development of the Digitalisation of Energy Action Plan (DoEAP). INFOS & REGISTRATION
23.02.2022 – 11:00-12:00 Uhr, online
DIHK, Seminar Qualifizierte Elektronische Signaturen im Nationalen Emissionshandel
Das Seminar des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) stellt die Möglichkeiten zur qualifizierten elektronischen Signatur für den Nationalen Emissionshandel vor. INFOS & ANMELDUNG
23.02.2022 – 13:30-15:00 Uhr, online
ASEW, Seminar Energiemarkt 2022
Das Seminar des Effizienz-Netzwerks für Stadtwerke (ASEW) blickt auf den Energiehandel im Jahr 2021 zurück und geht der Frage nach, wie sich die Märkte 2022 entwickeln. INFOS & ANMELDUNG
23.02.2022 – 14:00-14:45 Uhr, online
BVMW, Seminar Marktfaktor Nachhaltigkeit: Nutzen oder Nonsens?
Das Seminar des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) soll Unternehmen dabei helfen, das Thema Nachhaltigkeit umzusetzen. INFOS & ANMELDUNG
24.02.2022 – 09:00-12:00 Uhr, online
IT-Verlag, Konferenz Cybersecurity – Die Gefahr aus dem Off
Die Konferenz des IT-Verlags beleuchtet verschiedene Aspekte der Cybersecurity für Unternehmen und Institutionen. INFOS & ANMELDUNG
24.02.2022 – 10:00-11:30 Uhr, online
VCI, Seminar Klimapfadestudien
Das Seminar des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) stellt konkrete Empfehlungen für den Weg der eigenen Branche in die Treibhausgasneutralität vor. INFOS & ANMELDUNG
24.02.2022 – 16:00-17:00 Uhr, online
Medscaler, Seminar How to transform medical hardware into a connected care device?
This Medscaler seminar addresses different preconditions for a complete medical device solution. INFOS & REGISTRATION
In einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die EVP-Abgeordnete und Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Angelika Niebler, Nachbesserungen des Delegated Acts zur Taxonomie-Verordnung gefordert (Europe.Table berichtete). Wirtschaftliche Aktivitäten der Automobilzulieferindustrie und insbesondere der Automobilzulieferer, die Schlüsselkomponenten und spezielle Technologien für Elektrofahrzeuge herstellen, seien in der Taxonomie-Verordnung nicht hinreichend berücksichtigt.
Ursprünglich habe die Kommission angekündigt, die Herstellung von Schlüsselkomponenten für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors in die Taxonomie-Verordnung aufzunehmen, so Niebler. Dies hätte es Zulieferern ermöglicht, ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten als nachhaltig auszuweisen.
Während die Fertigung von Endprodukten für einen CO2-ärmeren Verkehr taxonomiekonform ist, wurden Schlüsselkomponenten eines Fahrzeugs, wie zum Beispiel Antriebsstränge oder andere Elektrifizierungstechnologien, nicht im finalen Kommissionsvorschlag berücksichtigt. Dadurch könnte ein Nachteil für Zulieferer entstehen.
Zulieferer seien entscheidend für die Erreichung der Klimaziele, schreibt die Parlamentarierin. “Die ESG-Berichterstattung, die Entwicklung von Verbindlichkeiten oder die Eigenkapitalfinanzierung wird immer schwieriger und teurer.” Dies gefährde die Ambitionen zur Klimaneutralität, so Niebler.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) unterstützt die Kritik Nieblers. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Investitionen von Herstellern und Zulieferern unterschiedlich behandelt werden, so eine VDA-Sprecherin. “Während die Produktion von Komponenten für Elektroautos unter die Taxonomie fällt, wenn sie beim Hersteller stattfindet, gilt dies nicht, wenn identische Komponenten für Elektroautos bei Zulieferern produziert werden.” Durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die Finanzierung entstünden Wettbewerbsverzerrungen. Der VDA fordert deshalb, die Taxonomie anzupassen.
Doch nicht nur die Automobilzulieferer sind laut Angelika Niebler in der Taxonomie-Verordnung benachteiligt. Sie befürchtet vielmehr, dass Wirtschaftszweige, die derzeit nicht unter die Taxonomie-Verordnung und die ergänzenden delegierten Rechtsakte fallen, grundsätzlich Nachteile am Finanzmarkt haben könnten.
Beispielsweise finde die Kupferindustrie, anders als Stahl und Aluminium, keine Erwähnung. Investoren würden daher vermehrt dazu neigen, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten mit Kupfer als nicht nachhaltig einzustufen, weil sie noch nicht durch die Taxonomie reguliert sind. Niebler schlägt deshalb vor, eine neue Meldekategorie “under assessment” in der Taxonomie einzuführen, sodass Unternehmen transparenter über ihre wirtschaftlichen Aktivitäten berichten könnten. luk
Deutschland hat mit Verspätung festgelegt, wie es die milliardenschwere EU-Agrarförderung in den kommenden Jahren verwenden will. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) teilte am Montag am Rande des Agrarrats in Brüssel mit, dass Deutschland seinen GAP-Strategieplan bei der Kommission eingereicht habe. Damit werde eine Altlast der vorherigen Bundesregierung abgearbeitet, sagte Özdemir. Eigentlich hätten die Pläne bereits bis zum 1. Januar an die EU-Kommission geschickt werden sollen.
Der Minister betonte, dass jeder zweite Euro der für die Jahre 2023 bis 2027 zur Verfügung stehenden 30 Milliarden Euro “für Klima, für Umwelt und für Artenschutz” ausgegeben werde. “Wir haben viel für den ökologischen Landbau rausgeholt.” Mit freiwilligen Leistungen für Klima und Umwelt könnten Biobetriebe Geld verdienen. Zudem sei das Ziel von 30 Prozent ökologischem Landbau bis zum Jahr 2030 in den Strategieplan aufgenommen worden. Mit einer halben Milliarde im Jahr solle der Öko-Landbau gefördert werden.
Die EU-Kommission kann nun innerhalb von drei Monaten Anmerkungen zum deutschen Plan nach Berlin schicken, auf deren Grundlage das Dokument überarbeitet werden muss. Nach maximal drei weiteren Monaten müsste die EU-Kommission den Plan dann genehmigen. Özdemir rechnet damit, dass die EU-Kommission den deutschen Plan rasch billigen wird.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) kritisierten die Pläne der Bundesregierung. Der Strategieplan verfehle “die Ziele beim Klimaschutz, bei der Wiederherstellung der Biodiversität, beim Ausbau des Ökolandbaus und Umbau der Nutztierhaltung”. Man gehe davon aus, dass die EU-Kommission den GAP-Strategieplan Deutschlands nicht genehmigen werde. “Mit diesem Plan sind weder die ambitionierten Ziele des EU Green Deals noch des Koalitionsvertrags erreichbar.”
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sprach sich am Montag unter anderem dafür aus, dass kleinere Betriebe höhere Prämien für zusätzliche freiwillige Umweltmaßnahmen (sogenannte Öko-Regelungen) bekommen sollten. So könne der finanzielle Verlust der bäuerlichen Betriebe bei den Direktzahlungen ausgeglichen werden, der ihnen nach Ansicht des AbL bevorsteht.
Özdemir nutzte das Treffen auch, um zusammen mit seiner Kollegin aus Österreich, Elisabeth Köstinger, eine Initiative zum Thema “Faires Einkommen für Landwirte” einzubringen. Die EU-Kommission soll demnach zügig einen Gesetzesvorschlag für eine verpflichtende EU-weite Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln vorlegen.
“Es geht einerseits darum, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Bäuerinnen und Bauern eine vernünftige Einkommensquelle haben”, sagte Özdemir. Zum anderen müssten die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, wo die Produkte herkommen. Der Vorstoß zielt auf eine Ausdehnung der bereits verpflichtenden Herkunftskennzeichnung auf Produkte wie Milch und Milch als Zutat, Fleisch als Zutat, Reis oder Tomaten in bestimmten Tomatenprodukten. dpa/luk
Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, hat vor den Folgen der gestiegenen Energiepreise für die Produktion in Deutschland gewarnt. “Die Lage ist so ernst, dass selbst standorttreue mittelständische Unternehmen aus diversen Branchen über eine Verlagerung ins Ausland nachdenken müssen“, sagte Russwurm am Montag in Berlin.
Einer BDI-Umfrage zufolge, an der 418 mittelständische Unternehmen verschiedener Größen, Regionen und industrieller Branchen aus Deutschland teilnahmen, sehen 65 Prozent in den gestiegenen Energiepreisen eine starke und 23 Prozent sogar eine existenzielle Herausforderung. 84 Prozent der Firmen sind demnach der Ansicht, dass die Bundesregierung die weitere Erhöhung der CO2-Preise überdenken und mit flankierenden Maßnahmen zur Entlastung von Unternehmen ergänzen sollte.
Russwurm wies darauf hin, dass die Energiekostensteigerungen so hoch seien wie seit der Ölkrise der 1970er Jahre nicht mehr. “Rasches politisches Handeln ist gefordert.”
Der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung mahnte, die Abschaffung der EEG-Umlage reiche dabei zum Gegensteuern nicht aus. Die Bundesregierung müsse den Mittelstand entlasten, “sonst steht Deutschland bald ohne mittelständische Industriebetriebe da”, sagte Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer. Für Unternehmen, die im europäischen und internationalen Wettbewerb stehen und auf fossile Energien angewiesen seien, müsse es Kompensationen geben.
Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sagte, eine vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage wäre ein wichtiger Schritt für Unternehmen und Verbraucher und “auch ein Signal pro Elektromobilität“, da der Ladestrom günstiger werde. “Im nächsten Schritt muss auch die Stromsteuer runter, um die Energiekosten weiter zu senken”, sagte Müller.
SPD-Chef Lars Klingbeil kündigte an, das Ampelbündnis wolle am Mittwoch in einem Koalitionsausschuss über Schritte gegen die hohen Energiepreise beraten. Die SPD gehe mit dem Ziel in die Gespräche, “dass wir ein großes Entlastungspaket auf den Weg bringen”, sagte Klingbeil. dpa
Zwei führende Abgeordnete des Europaparlaments haben sich dafür ausgesprochen, die Wettbewerbsaufsicht durch die EU-Kommission personell deutlich zu stärken. Angesichts der wachsenden Zahl von Aufgaben der Generaldirektion Wettbewerb seien mindestens 220 zusätzliche Stellen in der EU-Kommission nötig, schreiben die Berichterstatter Andreas Schwab (EVP) und Eva Kaili (S&D) in einem Brief an den französischen Europastaatssekretär Clément Beaune, der Europe.Table vorliegt.
Darin zeigen sie sich “besorgt”, dass die geplante personelle Aufstockung der Europäischen Kommission nicht ausreichen werde. Neben den bisherigen Aufgaben etwa der Fusions- und der Beihilfekontrolle kämen neue hinzu, etwa durch das geplante Instrument gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen von Drittstaaten und das Ant-Coercion-Instrument.
Zudem soll die Kommission eine tragende Rolle bei der Durchsetzung von Digital Markets Acts (DMA) und Digital Services Acts (DSA) bekommen. Für die Durchsetzung des DMA hat die Kommission selbst 80 Stellen veranschlagt. Etliche Experten warnen aber, das werde nicht ausreichen, um die Regeln gegen die großen Digitalkonzerne durchzusetzen. tho
Der Termin für das nächste Treffen des Handels- und Technologierates (Trade and Technology Council, TTC) zwischen den USA und der EU steht: Beide Seiten werden am 15. und 16. Mai in Frankreich zusammentreffen, wie die beiden Kommissionsvize Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis über Twitter mitteilten. Es ist das zweite Treffen des TTC, das erste hatte am 29. September in Pittsburgh stattgefunden.
Auf US-Seite werden voraussichtlich Außenminister Antony Blinken, Wirtschaftsministerin Gina Raimondo und die Handelsbeauftragte Katherine Tai teilnehmen. Das Trade and Technology Council (TTC) soll die Abstimmung zwischen den USA und der EU in einer Reihe von wichtigen Feldern erleichtern, von der Regulierung der Digitalplattformen über die Förderung der Chipindustrie bis zur Standardsetzung. tho
Die Europäische Volkspartei (EVP) forderte am Montag eine Überprüfung der Bankpraktiken in der Schweiz und die mögliche Aufnahme des Landes in die schwarze Liste der EU von Ländern mit hohem Geldwäsche-Risiko. Anlass sind Medienberichte über dubiose Kundenbeziehungen der Schweizer Bank Credit Suisse.
“Die ‘Swiss Secrets’-Ergebnisse weisen auf massive Defizite der Schweizer Banken bei der Prävention von Geldwäsche hin”, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament Markus Ferber. “Wenn Schweizer Banken die internationalen Standards zur Bekämpfung der Geldwäscherei nicht richtig anwenden, wird die Schweiz selbst zu einem Hochrisikoland”, fügte er hinzu.
Die “Süddeutsche Zeitung” hatte unter Berufung auf Daten aus dem Geldinstitut, die dem Blatt von einer anonymen Quelle zugespielt worden seien, über mutmaßliche Versäumnisse der Credit Suisse bei der Überprüfung ihrer Kunden berichtet. Die Bank soll über viele Jahre hinweg korrupte Politiker und Autokraten, mutmaßliche Kriegsverbrecher sowie Menschenhändler, Drogendealer und andere Kriminelle als Kunden akzeptiert haben.
Die Credit Suisse wies die Vorwürfe entschieden zurück. “Die Berichterstattung basiert auf unvollständigen, fehlerhaften oder selektiven Informationen, die aus dem Zusammenhang gerissen sind, um die Bank in tendenziöser Art und Weise darzustellen”, so das Institut. Die vorgebrachten Themen seien überwiegend historischer Natur und gingen in einigen Fällen bis in die 1940er-Jahre zurück.
Die Europäische Kommission, die für die Erstellung und Überprüfung der Liste verantwortlich ist, lehnte es ab, den Vorstoß der EVP zu kommentieren. Ein Sprecher verwies darauf, dass die Liste im vergangenen Monat aktualisiert wurde und kein Zeitpunkt für die nächste Überprüfung festgelegt worden sei.
Die EU-Liste umfasst derzeit mehr als 20 Länder, deren Vorschriften und Praktiken zur Bekämpfung der Geldwäsche als unzureichend angesehen werden. Dazu gehören der Iran, Myanmar, Syrien und Nordkorea. Kein europäisches Land steht auf dieser Liste. rtr/sas
Viele Stimmen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union fordern eine Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU. So plädiert etwa der Europäische Fiskalausschuss (EFB) für eine Änderung der EU-Fiskalregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP), die als zu komplex eingeschätzt werden und als zu wenig an die nationalen Gegebenheiten angepasst. Auch der IWF, die Weltbank und die Europäische Zentralbank sind der Ansicht, dass der Rahmen des SWP erneut überarbeitet werden muss.
In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission am 19. Oktober 2021 ihre Konsultation zur Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung erneut eingeleitet. Das Ziel ist, eine angepasste Antwort sowohl auf die strukturellen Herausforderungen zu geben, die bereits vor der Krise bestanden (alternde Bevölkerung, Arbeitskräftemangel, digitale Transformation, Klimawandel), als auch auf die Folgen der Krise (verstärkte makroökonomische und finanzpolitische Divergenzen in der EU).
Eine Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU ist in der Tat notwendig, da die Haushaltsregeln veraltet sind und sich das makroökonomische Umfeld dramatisch verändert hat.
Erstens sind die derzeitigen EU-Fiskalregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts komplex und wenig wirkungsvoll. Sie haben es nicht ermöglicht, die Schuldenquote auf EU-Ebene zu senken, obwohl im vergangenen Jahrzehnt nationale Strukturreformen durchgeführt wurden. Außerdem verstärken sie die finanzpolitischen Divergenzen.
Wenn das Pandemie-Notkaufprogramm im Jahr 2022 ausläuft, könnte das erhöhte Risiko einer Zahlungsunfähigkeit einen neuen Eingriff der EZB in die Märkte auslösen, um die Spreads zu kontrollieren. Dadurch wäre kurz- und mittelfristig ein inflationärer Effekt zu erwarten. Zudem ist das Niveau der öffentlichen Investitionen seit vielen Jahren aufgrund fiskalischer Zwänge rückläufig, was das Wachstum und die wirtschaftliche Souveränität in der EU infrage stellt.
Ist es angesichts dieser heiklen Situation möglich, den Schuldenstand im Verhältnis zum BIP zu senken und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum zu steigern? Wahrscheinlich ja, indem man eine Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie verfolgt.
Um ein ernst gemeintes Programm zum Abbau der Schuldenquote auf den Weg zu bringen, müssen erstens finanzpolitische Regeln eingehalten werden. Die Idee, sich nur auf Ex-post-Standards zu verlassen, wie sie von Blanchard, Leandro und Zettelmeyer propagiert werden, ist nicht angemessen. Gemeinsame Regeln gewährleisten Fairness zwischen den Mitgliedstaaten.
Selbst wenn die Mitgliedstaaten die EU-Fiskalregeln des Stabilitäts– und Wachstumspakts nicht immer einhalten: Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass solche Regeln zu einer Verringerung der Schuldenquote und zu mehr fiskalischer Nachhaltigkeit führen. Die disziplinierende Wirkung des Marktes hingegen hat sich als zu unberechenbar und unbeständig erwiesen, um die Staaten bei der Haushaltsdisziplin zu unterstützen.
Die Haushaltsregeln sollten einfacher ausgestaltet sein als die derzeitigen. Sie sollten sich auf das Potenzialwachstum als vorausschauendes Element zur Berechnung der nationalen Ausgabenobergrenzen stützen. Das könnte auf einer mehrjährigen Basis erfolgen, um mehr finanzpolitische Vorhersehbarkeit, Durchsetzbarkeit und Glaubwürdigkeit zu gewährleisten – und damit ein Signal der mittelfristigen Haushaltsdisziplin an die Märkte zu senden.
Außerdem sollte die Bewertung der Haushaltslage und der Ausweichklauseln einem Netz unabhängiger nationaler Finanzbehörden übertragen werden, das von einer Aufsicht auf europäischer Ebene koordiniert wird.
Die politischen Entscheidungsträger sollten sich auf das Zuckerbrot konzentrieren: ein dauerhaftes fiskalisches Instrument, vorzugsweise eine zentrale fiskalische Kapazität, die der EU helfen würde, bis 2050 den Übergang zur CO2-Neutralität zu vollziehen. Diese öffentlichen Mittel könnten private Investitionen ankurbeln, wie das Aufbauprogramm Next Generation EU oder zuvor der Juncker-Plan. Über die daran geknüpften Bedingungen würden sie den Mitgliedstaaten Anreize für Strukturreformen bieten.
Eine zentrale Fiskalkapazität sollte jedoch nicht so groß sein, dass sie zu einem Steuerföderalismus wie in den USA oder der Schweiz führt. Ein “Hamilton-Moment”, in dem alle EU-Mitgliedstaaten beschließen, ihre Schulden und fiskalischen Ressourcen zu vereinen, ist noch in weiter Ferne und nicht einmal wünschenswert, solange die Präferenzen von Land zu Land sehr unterschiedlich bleiben.
Zwischen einem solchen Fiskalföderalismus und der unvollständigen Wirtschafts- und Währungsunion lässt sich eine funktionale Lösung finden. Die vor uns liegenden Herausforderungen, beginnend mit dem Klimawandel, sind die Gelegenheit, diese neue Struktur für die Bereitstellung von mehr öffentlichen Gütern in der EU aufzubauen.
Daher sollte eine umfassende Reform Folgendes kombinieren:
(a) eine Vereinfachung des SWP, bei der das Tempo des Abbaus der Schuldenquote auf die Mitgliedsstaaten angepasst und das wichtigste mittelfristige Ziel durch eine Ausgabenregel festgelegt wird, während allgemeine Ausweichklauseln von unabhängigen Finanzbehörden geprüft werden.
(b) eine nicht umverteilende, von den Mitgliedstaaten und den Schulden finanzierte zentrale Investitionskapazität, die vom EFB als “längst überfällig” eingestuft wird, um die EU beim Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft zu unterstützen.
Jüngste Erklärungen von Bundesfinanzminister Christian Lindner und seines französischen Kollegen Bruno Le Maire deuten darauf hin, dass die Mitgliedstaaten bereit sind zu einer Reform des SWP, die sich auf das Tempo des Schuldenabbaus im Verhältnis zum BIP konzentriert, was ein erster Schritt zur Vermeidung einer zu starken Austeritätspolitik wäre. Dennoch gibt es weder eine offizielle Erklärung über die Fortführung der NGEU-Fazilität noch über den Aufbau eines völlig neuen Instruments, das ausschließlich auf den ökologischen Übergang ausgerichtet ist.
Die Diskussionen über die wirtschaftspolitische Steuerung wird während des Gipfels am 10. und 11. März stattfinden, wobei ein offizieller Vorschlag der Kommission im Juni 2022 für eine Umsetzung im Jahr 2024 erwartet wird. Dieser Prozess wird zeigen, ob eine umfassende Reform politisch durchsetzbar ist.
In der Zeit nach der Coronavirus-Pandemie und mit mehreren neuen reformorientierten Regierungen besteht die Chance, dass sich die Ansichten annähern. In diesem Klima scheint die Annahme einer Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie plausibler denn je.
die US-Regierung hatte mehrfach gewarnt, am Montagabend schritt Wladimir Putin dann zur Tat: Der russische Präsident erkannte die selbst ernannten “Volksrepubliken” Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine als unabhängige Staaten an und ordnete die Stationierung russischer Soldaten dort an. Russland besetzt damit auch offiziell ein Territorium, das völkerrechtlich zur Ukraine gehört. In seiner langen Ansprache im russischen Fernsehen machte Putin deutlich, was er damit bezweckt: Er stellt die eigenständige Staatlichkeit des Nachbarlandes offen infrage.
Putins Ansprache wirkte wie eine Kriegsrede. Nicht nur die US-Regierung geht davon aus, dass es der russische Machthaber dabei nicht bewenden lassen wird, ein militärischer Angriff auf die übrige Ukraine folgen dürfte. EU und Nato müssen nun entscheiden, wie sie reagieren.
Das volle, über Wochen ausgearbeitete Sanktionspaket werden Washington und Brüssel nicht gleich auslösen, um nicht auf Einflussmöglichkeiten auf Moskau zu verzichten. Vielmehr dürfte es zunächst bei gezielten Strafmaßnahmen bleiben. Wie groß der Einfluss der Maßnahmen des Westens auf Putin überhaupt noch ist, ist nach dem gestrigen Abend fraglich. Der russische Präsident wirkt finster entschlossen, das Rad der Zeit zurückzudrehen.
Am Montagmorgen waren die EU-Außenminister noch in der Hoffnung zusammengekommen, über diplomatische Bemühungen Schlimmeres verhindern zu können. Am Abend machte Wladimir Putin diese Aussicht vorerst zunichte: Russlands Präsident erkannte die beiden von prorussischen Separatisten kontrollierten Gebiete im Donbas, die völkerrechtlich zur Ukraine gehören, als unabhängige Staaten an und ordnete die Entsendung russischer Truppen dorthin an.
Putin setzt sich damit über die vielfach wiederholten Warnungen von EU und Nato hinweg. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel kündigten daraufhin Sanktionen an, die sich zunächst aber nur gezielt gegen jene richten sollen, “die an diesem illegalen Akt beteiligt sind”. Wie diese genau aussehen sollen und gegen wen sie sich im Einzelnen richten, darüber werden die EU-Botschafter heute Vormittag bei einem Treffen ab 9:30 Uhr beraten.
US-Präsident Joe Biden unterzeichnete bereits am Abend ein Dekret, das Geschäfte in oder mit den beiden Separatisten-Regionen in der Ost-Ukraine verbietet. In Washington sieht man aber noch nicht den Zeitpunkt gekommen, um das vielfach angedrohte Paket massiver Finanz- und Wirtschaftssanktionen auszulösen.
“Dies ist keine weitere Invasion, da es sich um Gebiete handelt, die sie bereits besetzt haben“, sagt ein US-Regierungsmitarbeiter. Russland habe bereits seit acht Jahren Truppen im Donbass und “mache das jetzt nur auf eine offensichtlichere Art und Weise. Aber wir machen uns keine Illusionen über das, was als Nächstes kommen wird.” Die amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield sagte bei einer kurzfristig anberaumten Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates, der Entsendungsbefehl russischer Truppen sei der erste Schritt zum vollständigen Einmarsch.
US-Präsident Joe Biden telefonierte am Abend mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz. Man sei sich einig, dass dieser “einseitige Schritt Russlands ein klarer Bruch des Minsker Abkommens” sei und nicht unbeantwortet bleiben werde, hieß es anschließend.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagierte auf die russische Anerkennung der “Volksrepubliken” zurückhaltend. “Wir sind dem friedlichen und diplomatischen Weg treu und werden nur auf diesem gehen”, sagte er. Auf Provokationen werde Kiew nicht reagieren – aber auch kein Territorium aufgeben. “Wir erwarten von unseren Partnern klare und wirkungsvolle Schritte der Unterstützung.”
Unter den EU-Staaten hatte es zuvor Meinungsverschiedenheiten gegeben bei der Frage, wann der richtige Moment für welche Sanktionen im Russland-Ukraine-Konflikt wäre. Nach dem Treffen der Außenminister sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, das Sanktionspaket bestehe aus bestimmten Komponenten, die in unterschiedlichem Maße angewandt werden können – “abhängig vom Grad der Aggression”.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte zuvor die Forderung seines Landes nach sofortigen Strafmaßnahmen gegen Russland bekräftigt. Man erwarte nicht nur politische Botschaften, sondern konkrete Taten, sagte Kuleba beim Treffen der 27 EU-Außenminister in Brüssel. “Wir sind der Auffassung, dass es gute und legitime Gründe gibt, zumindest einige Sanktionen zu verhängen.”
Deutschland, Österreich und Irland mahnten aber zu Zurückhaltung. Sanktionen solle man erst umsetzen, wenn Russland die Ukraine tatsächlich angreift – “aber nicht vorher”, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Jetzt gehe es um die Rückkehr an den Verhandlungstisch, betonte Außenministerin Annalena Baerbock in Brüssel.
Um Strafmaßnahmen zu verhängen, wäre eine Sondersitzung des Rats nötig. Wegen der politischen und wirtschaftlichen Brisanz wird in Brüssel sogar mit der Einberufung eines EU-Gipfels gerechnet. Beim letzten Gipfeltreffen am vergangenen Donnerstag hatte es noch Vorbehalte gegen die Sanktionen gegen Russland im Ukraine-Konflikt gegeben.
Italiens Regierungschef Mario Draghi forderte, Energie-Importe müssten von eventuellen Sanktionen ausgenommen werden. Österreichs Kanzler Karl Nehammer sagte, man müsse auch an die wirtschaftlichen Folgen für die EU-Länder denken und diesen gegebenenfalls helfen. Die EU-Kommission habe dies auch zugesichert, so Nehammer.
Die Risiken und Nebenwirkungen sind beachtlich – auch für Deutschland. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und die Gasversorgung. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, man wolle Russland auch von den Finanzmärkten abschneiden sowie alle Güter treffen, die das Land braucht, “um seine Wirtschaft zu modernisieren und zu diversifizieren”.
Im Kern geht es um einen Wirtschaftskrieg – die EU will die russische Wirtschaft entscheidend schwächen. Alle Maßnahmen seien eng mit den USA abgestimmt, betont von der Leyen, die das Sanktionspaket vorbereitet. Washington könnte aber auch allein vorangehen – etwa beim Verbot von Transaktionen in Dollar, der weltweiten Leitwährung. Eric Bonse und Till Hoppe
Anfang April will die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf zum European Health Data Space (EHDS) vorlegen. Bis jetzt sind kaum Details an die Öffentlichkeit gedrungen. Man findet zwar einige Stellungnahmen von interessierten Organisationen und seitens der Industrie. Mehr als die eigenen Wunschvorstellungen verraten aber auch diese nicht. Doch im Hintergrund laufen die Vorbereitungen für den Aufbau des europäischen Gesundheitsdatenraums an.
Im Oktober veröffentlichte die Europäische Agentur für Gesundheit und Digitales (European Health and Digital Executive Agency, HaDEA) eine Ausschreibung. Das Ziel: ein Pilotprojekt für die Entwicklung eines “EU-Infrastruktur-Ökosystems für die sekundäre Nutzung von Gesundheitsdaten zu Forschungs-, Politik- und Regulierungszwecken”. Dieses Ökosystem soll auf gemeinsamen Standards und Strategien beruhen, um die Integration der derzeit fragmentierten nationalen Datensysteme zu ermöglichen.
Der EU-Behörde schwebt dabei ein Konsortium vor, dessen Aufgabe es ist, eine IT-Infrastruktur aufzubauen, die die teilnehmenden Knotenpunkte verbindet und konkrete Anwendungsfälle in der Forschung durchspielt. Außerdem soll geprüft werden, inwieweit sich die entwickelte Infrastruktur unionsweit skalieren lässt. Das wäre dann das Rückgrat des Europäischen Gesundheitsdatenraums.
Ende Januar hat ein Konsortium aus insgesamt 16 Partnern seine Bewerbungsunterlagen eingereicht. Dabei sind:
Außerdem gehören die wichtigsten europäischen Agenturen im Gesundheitsbereich EMA und ECDC dazu, ebenso wie die European Public Health Association (EUPHA) und die Forschungsnetzwerke Orphanet, Elixir, eBrains sowie die pan-europäische Infrastruktur nationaler Biobanknetzwerke BBMRI-ERIC. Die französische Gesundheitsdatenagentur Health Data Hub (HDH) führt die illustre Runde an.
Bereits im November 2021 haben Findata und der Health Data Hub, die ersten beiden zentralisierten nationalen Gesundheitsdatenagenturen in Europa, eine Kooperationsvereinbarung (“Memorandum of Understanding”) unterzeichnet. Das Ziel sei es, Gesundheitsdaten sicher und effizient auszutauschen und dabei sowohl die Rechte und Freiheiten der Bürger als auch die FAIR-Grundsätze (Findable, Accessible, Interoperable and Reusable) zu achten.
Die Zusammenarbeit habe vier Themenfelder im Fokus: die Entwicklung von Metadatenkatalogen, Best Practices für Datenzugriff und -management, die internationale Zusammenarbeit und die Organisation gemeinsamer Kommunikation.
Der HDH ist die französische Variante eines One-Stop-Shops für Gesundheitsdaten, ähnlich Findata. Er bietet der öffentlichen und industriellen Forschung einen zentralisierten Zugriff auf Datenquellen verschiedenster Akteure im Gesundheitswesen. Bei erfolgreichem Antrag stellen die Mitarbeiter:innen des HDH die Datensätze zusammen und gewähren einen gesicherten Zugriff auf die Daten in einer eigenen Online-Forschungsumgebung. Entsprechend dem Transparenzgrundsatz der DSGVO werden alle Projekte in einem öffentlichen Register des HDH gelistet.
Mit seiner Führungsrolle im Europäischen Gesundheitsdatenraum-Konsortium will Frankreich offenbar weiter seine Position im Bereich der Gesundheit stärken. Mitte des vergangenen Jahres stellte Staatspräsident Emmanuel Macron den Gesundheitsinnovationsplan “Plan Innovation Santé 2021-2030” vor. Er zielt darauf ab, Frankreich an die Spitze der europäischen Gesundheitsforschung zu bringen. Im Herbst 2021 startete die Regierung außerdem die Initiative “Digitale Gesundheit”. Damit will Frankreich bis 2025 zum Weltmarktführer im Bereich der digitalen Gesundheit aufsteigen. Das Paket soll mit insgesamt 650 Millionen Euro ausgestattet sein.
Eine der größten Herausforderungen für das Konsortium dürfte jedoch in den divergierenden Entwicklungsgraden der Partner bestehen. Während der Health Data Hub und vor allem Findata zu den digitalen Musterschülern und Vorreitern gehören, steckt etwa das deutsche Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) noch in den Kinderschuhen.
Angesiedelt ist das FDZ Gesundheit am Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Ursprünglich geht das Zentrum auf die ehemalige Datenaufbereitungsstelle des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zurück, das im Jahr 2020 in das BfArM eingegliedert wurde. Das FDZ Gesundheit wurde im Jahr 2019 vom Gesetzgeber durch das Digitale-Versorgung-Gesetz initiiert. Die Datentransparenzverordnung (DaTraV) konkretisiert diese gesetzlichen Regelungen.
Doch im Gegensatz zu Findata und HDH, die ebenfalls durch Gesetze aus dem Jahr 2019 ermöglicht wurden, befindet sich das Forschungsdatenzentrum noch im Aufbau. Aktuell werden nach Angaben des BfArM die rechtlichen, technischen, personellen und organisatorischen Maßnahmen definiert und implementiert. Anträge auf Datennutzung können voraussichtlich im Herbst 2022 gestellt werden.
Das Aufgabenspektrum des FDZ Gesundheit wird sich gegenüber der ehemaligen Datenaufbereitungsstelle erweitern. Zu den wesentlichen Neuerungen gehören etwa virtuelle Analyseräume für Forscher:innen. Die neue Umgebung soll außerdem skalierbar sein und eine höhere Anzahl an Big-Data-Analysen verarbeiten können. Ein leistungsfähiges Rechenzentrum mit entsprechend performanter Hardware soll ebenfalls aufgebaut werden.
Von den unterschiedlichen Entwicklungsgraden abgesehen, ist die Aufgabe des Konsortiums auch an anderen Stellen alles andere als trivial. Auf der Grundlage ausgewählter spezifischer Anwendungsfälle soll etwa ein operativer Rahmen für die sekundäre Nutzung von Gesundheitsdaten zwischen verschiedenen Knotenpunkten entwickelt werden. Dazu gehören eine gemeinsame Metadatenerkennung, eine gemeinsame Datenzugriffsanwendung und die Implementierung eines Datenmodells, um eine grenzüberschreitende Datennutzung und Datenübertragung zu ermöglichen.
Es reicht allerdings nicht, die technischen Voraussetzungen zu schaffen. Laut der Ausschreibung müssen konkrete Anwendungsfälle durchgespielt werden: angefangen von der Konzeption über Datenermittlung, Validierung der Daten und deren Verfügbarkeit, Lieferung bis hin zur Datenverarbeitung und Analyse. Am Ende der Projektlaufzeit soll nach den Vorstellungen der HaDEA nicht weniger als eine Definition der technischen, rechtlichen und verwaltungstechnischen Anforderungen herauskommen, ebenso wie der Architektur und der etwaigen Spezifikationen für die IT- und Dateninfrastruktur, die eine EU-weite Wiederverwendung von Gesundheitsdaten ermöglicht.
Die Entscheidung über den Gewinner der Ausschreibung soll in den kommenden Monaten fallen. Das Gewinnerkonsortium wird seine Arbeit im September 2022 für die Dauer von maximal zwei Jahren aufnehmen. Die EU fördert das Pilotprojekt mit fünf Millionen Euro. Ob ihr Konsortium die Ausschreibung tatsächlich gewinnt, bereitet den Organisatoren aus Frankreich indes keine schlaflosen Nächte.
Zwar habe man derzeit noch keine Informationen über etwaige Wettbewerber, hieß es seitens des HDH. Mit ernst zu nehmender Konkurrenz rechnet man aber offenbar nicht. Denn schließlich stelle man die Mehrheit der nationalen Gesundheitsdatenplattformen in Europa sowie wichtige Forschungsinfrastrukturen und EU-Agenturen.
22.02.2022 – 14:00 Uhr, online
EBD, Präsentation De-Briefing Agrifish
Rolf Burbach, Referatsleiter und Europabeauftragter im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), informiert bei der Veranstaltung der Europäischen Bewegung Deutschlands (EBD) über die Ergebnisse des Rates der EU “Landwirtschaft und Fischerei” vom 21. Februar 2022. INFOS & ANMELDUNG
23.02.2022 – 09:00-10:30 Uhr, online
VBW, Podiumsdiskussion Der Green Deal und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft
Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) diskutiert mit Vertreter:innen der Europäischen Institutionen und der Wirtschaft, ob die bislang vorgestellten Initiativen des Green Deal dem Anspruch der Wachstumsförderung gerecht werden. INFOS & ANMELDUNG
23.02.2022 – 09:30-17:00 Uhr, online
D21, Diskussion Digitale Gesellschaft 2022
Die Initiative D21 stellt die Ergebnisse und Erkenntnisse ihrer Studie D21-Digital-Index 2021/2022 zusammen mit Expert:innen und politischen Entscheidungsträger:innen vor. INFOS & ANMELDUNG
23.02.2022 – 10:30-12:00 Uhr, online
EC, Workshop Digitalisation of the energy system – Priorities in the energy transition that require enhanced data exchanges at EU level
The European Commission (EC) workshop is part of the development of the Digitalisation of Energy Action Plan (DoEAP). INFOS & REGISTRATION
23.02.2022 – 11:00-12:00 Uhr, online
DIHK, Seminar Qualifizierte Elektronische Signaturen im Nationalen Emissionshandel
Das Seminar des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) stellt die Möglichkeiten zur qualifizierten elektronischen Signatur für den Nationalen Emissionshandel vor. INFOS & ANMELDUNG
23.02.2022 – 13:30-15:00 Uhr, online
ASEW, Seminar Energiemarkt 2022
Das Seminar des Effizienz-Netzwerks für Stadtwerke (ASEW) blickt auf den Energiehandel im Jahr 2021 zurück und geht der Frage nach, wie sich die Märkte 2022 entwickeln. INFOS & ANMELDUNG
23.02.2022 – 14:00-14:45 Uhr, online
BVMW, Seminar Marktfaktor Nachhaltigkeit: Nutzen oder Nonsens?
Das Seminar des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) soll Unternehmen dabei helfen, das Thema Nachhaltigkeit umzusetzen. INFOS & ANMELDUNG
24.02.2022 – 09:00-12:00 Uhr, online
IT-Verlag, Konferenz Cybersecurity – Die Gefahr aus dem Off
Die Konferenz des IT-Verlags beleuchtet verschiedene Aspekte der Cybersecurity für Unternehmen und Institutionen. INFOS & ANMELDUNG
24.02.2022 – 10:00-11:30 Uhr, online
VCI, Seminar Klimapfadestudien
Das Seminar des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) stellt konkrete Empfehlungen für den Weg der eigenen Branche in die Treibhausgasneutralität vor. INFOS & ANMELDUNG
24.02.2022 – 16:00-17:00 Uhr, online
Medscaler, Seminar How to transform medical hardware into a connected care device?
This Medscaler seminar addresses different preconditions for a complete medical device solution. INFOS & REGISTRATION
In einem Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die EVP-Abgeordnete und Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Angelika Niebler, Nachbesserungen des Delegated Acts zur Taxonomie-Verordnung gefordert (Europe.Table berichtete). Wirtschaftliche Aktivitäten der Automobilzulieferindustrie und insbesondere der Automobilzulieferer, die Schlüsselkomponenten und spezielle Technologien für Elektrofahrzeuge herstellen, seien in der Taxonomie-Verordnung nicht hinreichend berücksichtigt.
Ursprünglich habe die Kommission angekündigt, die Herstellung von Schlüsselkomponenten für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors in die Taxonomie-Verordnung aufzunehmen, so Niebler. Dies hätte es Zulieferern ermöglicht, ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten als nachhaltig auszuweisen.
Während die Fertigung von Endprodukten für einen CO2-ärmeren Verkehr taxonomiekonform ist, wurden Schlüsselkomponenten eines Fahrzeugs, wie zum Beispiel Antriebsstränge oder andere Elektrifizierungstechnologien, nicht im finalen Kommissionsvorschlag berücksichtigt. Dadurch könnte ein Nachteil für Zulieferer entstehen.
Zulieferer seien entscheidend für die Erreichung der Klimaziele, schreibt die Parlamentarierin. “Die ESG-Berichterstattung, die Entwicklung von Verbindlichkeiten oder die Eigenkapitalfinanzierung wird immer schwieriger und teurer.” Dies gefährde die Ambitionen zur Klimaneutralität, so Niebler.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) unterstützt die Kritik Nieblers. Es sei nicht nachvollziehbar, warum Investitionen von Herstellern und Zulieferern unterschiedlich behandelt werden, so eine VDA-Sprecherin. “Während die Produktion von Komponenten für Elektroautos unter die Taxonomie fällt, wenn sie beim Hersteller stattfindet, gilt dies nicht, wenn identische Komponenten für Elektroautos bei Zulieferern produziert werden.” Durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen für die Finanzierung entstünden Wettbewerbsverzerrungen. Der VDA fordert deshalb, die Taxonomie anzupassen.
Doch nicht nur die Automobilzulieferer sind laut Angelika Niebler in der Taxonomie-Verordnung benachteiligt. Sie befürchtet vielmehr, dass Wirtschaftszweige, die derzeit nicht unter die Taxonomie-Verordnung und die ergänzenden delegierten Rechtsakte fallen, grundsätzlich Nachteile am Finanzmarkt haben könnten.
Beispielsweise finde die Kupferindustrie, anders als Stahl und Aluminium, keine Erwähnung. Investoren würden daher vermehrt dazu neigen, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten mit Kupfer als nicht nachhaltig einzustufen, weil sie noch nicht durch die Taxonomie reguliert sind. Niebler schlägt deshalb vor, eine neue Meldekategorie “under assessment” in der Taxonomie einzuführen, sodass Unternehmen transparenter über ihre wirtschaftlichen Aktivitäten berichten könnten. luk
Deutschland hat mit Verspätung festgelegt, wie es die milliardenschwere EU-Agrarförderung in den kommenden Jahren verwenden will. Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) teilte am Montag am Rande des Agrarrats in Brüssel mit, dass Deutschland seinen GAP-Strategieplan bei der Kommission eingereicht habe. Damit werde eine Altlast der vorherigen Bundesregierung abgearbeitet, sagte Özdemir. Eigentlich hätten die Pläne bereits bis zum 1. Januar an die EU-Kommission geschickt werden sollen.
Der Minister betonte, dass jeder zweite Euro der für die Jahre 2023 bis 2027 zur Verfügung stehenden 30 Milliarden Euro “für Klima, für Umwelt und für Artenschutz” ausgegeben werde. “Wir haben viel für den ökologischen Landbau rausgeholt.” Mit freiwilligen Leistungen für Klima und Umwelt könnten Biobetriebe Geld verdienen. Zudem sei das Ziel von 30 Prozent ökologischem Landbau bis zum Jahr 2030 in den Strategieplan aufgenommen worden. Mit einer halben Milliarde im Jahr solle der Öko-Landbau gefördert werden.
Die EU-Kommission kann nun innerhalb von drei Monaten Anmerkungen zum deutschen Plan nach Berlin schicken, auf deren Grundlage das Dokument überarbeitet werden muss. Nach maximal drei weiteren Monaten müsste die EU-Kommission den Plan dann genehmigen. Özdemir rechnet damit, dass die EU-Kommission den deutschen Plan rasch billigen wird.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) kritisierten die Pläne der Bundesregierung. Der Strategieplan verfehle “die Ziele beim Klimaschutz, bei der Wiederherstellung der Biodiversität, beim Ausbau des Ökolandbaus und Umbau der Nutztierhaltung”. Man gehe davon aus, dass die EU-Kommission den GAP-Strategieplan Deutschlands nicht genehmigen werde. “Mit diesem Plan sind weder die ambitionierten Ziele des EU Green Deals noch des Koalitionsvertrags erreichbar.”
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sprach sich am Montag unter anderem dafür aus, dass kleinere Betriebe höhere Prämien für zusätzliche freiwillige Umweltmaßnahmen (sogenannte Öko-Regelungen) bekommen sollten. So könne der finanzielle Verlust der bäuerlichen Betriebe bei den Direktzahlungen ausgeglichen werden, der ihnen nach Ansicht des AbL bevorsteht.
Özdemir nutzte das Treffen auch, um zusammen mit seiner Kollegin aus Österreich, Elisabeth Köstinger, eine Initiative zum Thema “Faires Einkommen für Landwirte” einzubringen. Die EU-Kommission soll demnach zügig einen Gesetzesvorschlag für eine verpflichtende EU-weite Kennzeichnung der Herkunft von Lebensmitteln vorlegen.
“Es geht einerseits darum, dass wir uns dafür einsetzen, dass die Bäuerinnen und Bauern eine vernünftige Einkommensquelle haben”, sagte Özdemir. Zum anderen müssten die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, wo die Produkte herkommen. Der Vorstoß zielt auf eine Ausdehnung der bereits verpflichtenden Herkunftskennzeichnung auf Produkte wie Milch und Milch als Zutat, Fleisch als Zutat, Reis oder Tomaten in bestimmten Tomatenprodukten. dpa/luk
Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, hat vor den Folgen der gestiegenen Energiepreise für die Produktion in Deutschland gewarnt. “Die Lage ist so ernst, dass selbst standorttreue mittelständische Unternehmen aus diversen Branchen über eine Verlagerung ins Ausland nachdenken müssen“, sagte Russwurm am Montag in Berlin.
Einer BDI-Umfrage zufolge, an der 418 mittelständische Unternehmen verschiedener Größen, Regionen und industrieller Branchen aus Deutschland teilnahmen, sehen 65 Prozent in den gestiegenen Energiepreisen eine starke und 23 Prozent sogar eine existenzielle Herausforderung. 84 Prozent der Firmen sind demnach der Ansicht, dass die Bundesregierung die weitere Erhöhung der CO2-Preise überdenken und mit flankierenden Maßnahmen zur Entlastung von Unternehmen ergänzen sollte.
Russwurm wies darauf hin, dass die Energiekostensteigerungen so hoch seien wie seit der Ölkrise der 1970er Jahre nicht mehr. “Rasches politisches Handeln ist gefordert.”
Der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung mahnte, die Abschaffung der EEG-Umlage reiche dabei zum Gegensteuern nicht aus. Die Bundesregierung müsse den Mittelstand entlasten, “sonst steht Deutschland bald ohne mittelständische Industriebetriebe da”, sagte Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer. Für Unternehmen, die im europäischen und internationalen Wettbewerb stehen und auf fossile Energien angewiesen seien, müsse es Kompensationen geben.
Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sagte, eine vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage wäre ein wichtiger Schritt für Unternehmen und Verbraucher und “auch ein Signal pro Elektromobilität“, da der Ladestrom günstiger werde. “Im nächsten Schritt muss auch die Stromsteuer runter, um die Energiekosten weiter zu senken”, sagte Müller.
SPD-Chef Lars Klingbeil kündigte an, das Ampelbündnis wolle am Mittwoch in einem Koalitionsausschuss über Schritte gegen die hohen Energiepreise beraten. Die SPD gehe mit dem Ziel in die Gespräche, “dass wir ein großes Entlastungspaket auf den Weg bringen”, sagte Klingbeil. dpa
Zwei führende Abgeordnete des Europaparlaments haben sich dafür ausgesprochen, die Wettbewerbsaufsicht durch die EU-Kommission personell deutlich zu stärken. Angesichts der wachsenden Zahl von Aufgaben der Generaldirektion Wettbewerb seien mindestens 220 zusätzliche Stellen in der EU-Kommission nötig, schreiben die Berichterstatter Andreas Schwab (EVP) und Eva Kaili (S&D) in einem Brief an den französischen Europastaatssekretär Clément Beaune, der Europe.Table vorliegt.
Darin zeigen sie sich “besorgt”, dass die geplante personelle Aufstockung der Europäischen Kommission nicht ausreichen werde. Neben den bisherigen Aufgaben etwa der Fusions- und der Beihilfekontrolle kämen neue hinzu, etwa durch das geplante Instrument gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen von Drittstaaten und das Ant-Coercion-Instrument.
Zudem soll die Kommission eine tragende Rolle bei der Durchsetzung von Digital Markets Acts (DMA) und Digital Services Acts (DSA) bekommen. Für die Durchsetzung des DMA hat die Kommission selbst 80 Stellen veranschlagt. Etliche Experten warnen aber, das werde nicht ausreichen, um die Regeln gegen die großen Digitalkonzerne durchzusetzen. tho
Der Termin für das nächste Treffen des Handels- und Technologierates (Trade and Technology Council, TTC) zwischen den USA und der EU steht: Beide Seiten werden am 15. und 16. Mai in Frankreich zusammentreffen, wie die beiden Kommissionsvize Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis über Twitter mitteilten. Es ist das zweite Treffen des TTC, das erste hatte am 29. September in Pittsburgh stattgefunden.
Auf US-Seite werden voraussichtlich Außenminister Antony Blinken, Wirtschaftsministerin Gina Raimondo und die Handelsbeauftragte Katherine Tai teilnehmen. Das Trade and Technology Council (TTC) soll die Abstimmung zwischen den USA und der EU in einer Reihe von wichtigen Feldern erleichtern, von der Regulierung der Digitalplattformen über die Förderung der Chipindustrie bis zur Standardsetzung. tho
Die Europäische Volkspartei (EVP) forderte am Montag eine Überprüfung der Bankpraktiken in der Schweiz und die mögliche Aufnahme des Landes in die schwarze Liste der EU von Ländern mit hohem Geldwäsche-Risiko. Anlass sind Medienberichte über dubiose Kundenbeziehungen der Schweizer Bank Credit Suisse.
“Die ‘Swiss Secrets’-Ergebnisse weisen auf massive Defizite der Schweizer Banken bei der Prävention von Geldwäsche hin”, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament Markus Ferber. “Wenn Schweizer Banken die internationalen Standards zur Bekämpfung der Geldwäscherei nicht richtig anwenden, wird die Schweiz selbst zu einem Hochrisikoland”, fügte er hinzu.
Die “Süddeutsche Zeitung” hatte unter Berufung auf Daten aus dem Geldinstitut, die dem Blatt von einer anonymen Quelle zugespielt worden seien, über mutmaßliche Versäumnisse der Credit Suisse bei der Überprüfung ihrer Kunden berichtet. Die Bank soll über viele Jahre hinweg korrupte Politiker und Autokraten, mutmaßliche Kriegsverbrecher sowie Menschenhändler, Drogendealer und andere Kriminelle als Kunden akzeptiert haben.
Die Credit Suisse wies die Vorwürfe entschieden zurück. “Die Berichterstattung basiert auf unvollständigen, fehlerhaften oder selektiven Informationen, die aus dem Zusammenhang gerissen sind, um die Bank in tendenziöser Art und Weise darzustellen”, so das Institut. Die vorgebrachten Themen seien überwiegend historischer Natur und gingen in einigen Fällen bis in die 1940er-Jahre zurück.
Die Europäische Kommission, die für die Erstellung und Überprüfung der Liste verantwortlich ist, lehnte es ab, den Vorstoß der EVP zu kommentieren. Ein Sprecher verwies darauf, dass die Liste im vergangenen Monat aktualisiert wurde und kein Zeitpunkt für die nächste Überprüfung festgelegt worden sei.
Die EU-Liste umfasst derzeit mehr als 20 Länder, deren Vorschriften und Praktiken zur Bekämpfung der Geldwäsche als unzureichend angesehen werden. Dazu gehören der Iran, Myanmar, Syrien und Nordkorea. Kein europäisches Land steht auf dieser Liste. rtr/sas
Viele Stimmen innerhalb und außerhalb der Europäischen Union fordern eine Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU. So plädiert etwa der Europäische Fiskalausschuss (EFB) für eine Änderung der EU-Fiskalregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP), die als zu komplex eingeschätzt werden und als zu wenig an die nationalen Gegebenheiten angepasst. Auch der IWF, die Weltbank und die Europäische Zentralbank sind der Ansicht, dass der Rahmen des SWP erneut überarbeitet werden muss.
In diesem Zusammenhang hat die Europäische Kommission am 19. Oktober 2021 ihre Konsultation zur Überprüfung der wirtschaftspolitischen Steuerung erneut eingeleitet. Das Ziel ist, eine angepasste Antwort sowohl auf die strukturellen Herausforderungen zu geben, die bereits vor der Krise bestanden (alternde Bevölkerung, Arbeitskräftemangel, digitale Transformation, Klimawandel), als auch auf die Folgen der Krise (verstärkte makroökonomische und finanzpolitische Divergenzen in der EU).
Eine Reform der wirtschaftspolitischen Steuerung der EU ist in der Tat notwendig, da die Haushaltsregeln veraltet sind und sich das makroökonomische Umfeld dramatisch verändert hat.
Erstens sind die derzeitigen EU-Fiskalregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts komplex und wenig wirkungsvoll. Sie haben es nicht ermöglicht, die Schuldenquote auf EU-Ebene zu senken, obwohl im vergangenen Jahrzehnt nationale Strukturreformen durchgeführt wurden. Außerdem verstärken sie die finanzpolitischen Divergenzen.
Wenn das Pandemie-Notkaufprogramm im Jahr 2022 ausläuft, könnte das erhöhte Risiko einer Zahlungsunfähigkeit einen neuen Eingriff der EZB in die Märkte auslösen, um die Spreads zu kontrollieren. Dadurch wäre kurz- und mittelfristig ein inflationärer Effekt zu erwarten. Zudem ist das Niveau der öffentlichen Investitionen seit vielen Jahren aufgrund fiskalischer Zwänge rückläufig, was das Wachstum und die wirtschaftliche Souveränität in der EU infrage stellt.
Ist es angesichts dieser heiklen Situation möglich, den Schuldenstand im Verhältnis zum BIP zu senken und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum zu steigern? Wahrscheinlich ja, indem man eine Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie verfolgt.
Um ein ernst gemeintes Programm zum Abbau der Schuldenquote auf den Weg zu bringen, müssen erstens finanzpolitische Regeln eingehalten werden. Die Idee, sich nur auf Ex-post-Standards zu verlassen, wie sie von Blanchard, Leandro und Zettelmeyer propagiert werden, ist nicht angemessen. Gemeinsame Regeln gewährleisten Fairness zwischen den Mitgliedstaaten.
Selbst wenn die Mitgliedstaaten die EU-Fiskalregeln des Stabilitäts– und Wachstumspakts nicht immer einhalten: Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass solche Regeln zu einer Verringerung der Schuldenquote und zu mehr fiskalischer Nachhaltigkeit führen. Die disziplinierende Wirkung des Marktes hingegen hat sich als zu unberechenbar und unbeständig erwiesen, um die Staaten bei der Haushaltsdisziplin zu unterstützen.
Die Haushaltsregeln sollten einfacher ausgestaltet sein als die derzeitigen. Sie sollten sich auf das Potenzialwachstum als vorausschauendes Element zur Berechnung der nationalen Ausgabenobergrenzen stützen. Das könnte auf einer mehrjährigen Basis erfolgen, um mehr finanzpolitische Vorhersehbarkeit, Durchsetzbarkeit und Glaubwürdigkeit zu gewährleisten – und damit ein Signal der mittelfristigen Haushaltsdisziplin an die Märkte zu senden.
Außerdem sollte die Bewertung der Haushaltslage und der Ausweichklauseln einem Netz unabhängiger nationaler Finanzbehörden übertragen werden, das von einer Aufsicht auf europäischer Ebene koordiniert wird.
Die politischen Entscheidungsträger sollten sich auf das Zuckerbrot konzentrieren: ein dauerhaftes fiskalisches Instrument, vorzugsweise eine zentrale fiskalische Kapazität, die der EU helfen würde, bis 2050 den Übergang zur CO2-Neutralität zu vollziehen. Diese öffentlichen Mittel könnten private Investitionen ankurbeln, wie das Aufbauprogramm Next Generation EU oder zuvor der Juncker-Plan. Über die daran geknüpften Bedingungen würden sie den Mitgliedstaaten Anreize für Strukturreformen bieten.
Eine zentrale Fiskalkapazität sollte jedoch nicht so groß sein, dass sie zu einem Steuerföderalismus wie in den USA oder der Schweiz führt. Ein “Hamilton-Moment”, in dem alle EU-Mitgliedstaaten beschließen, ihre Schulden und fiskalischen Ressourcen zu vereinen, ist noch in weiter Ferne und nicht einmal wünschenswert, solange die Präferenzen von Land zu Land sehr unterschiedlich bleiben.
Zwischen einem solchen Fiskalföderalismus und der unvollständigen Wirtschafts- und Währungsunion lässt sich eine funktionale Lösung finden. Die vor uns liegenden Herausforderungen, beginnend mit dem Klimawandel, sind die Gelegenheit, diese neue Struktur für die Bereitstellung von mehr öffentlichen Gütern in der EU aufzubauen.
Daher sollte eine umfassende Reform Folgendes kombinieren:
(a) eine Vereinfachung des SWP, bei der das Tempo des Abbaus der Schuldenquote auf die Mitgliedsstaaten angepasst und das wichtigste mittelfristige Ziel durch eine Ausgabenregel festgelegt wird, während allgemeine Ausweichklauseln von unabhängigen Finanzbehörden geprüft werden.
(b) eine nicht umverteilende, von den Mitgliedstaaten und den Schulden finanzierte zentrale Investitionskapazität, die vom EFB als “längst überfällig” eingestuft wird, um die EU beim Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft zu unterstützen.
Jüngste Erklärungen von Bundesfinanzminister Christian Lindner und seines französischen Kollegen Bruno Le Maire deuten darauf hin, dass die Mitgliedstaaten bereit sind zu einer Reform des SWP, die sich auf das Tempo des Schuldenabbaus im Verhältnis zum BIP konzentriert, was ein erster Schritt zur Vermeidung einer zu starken Austeritätspolitik wäre. Dennoch gibt es weder eine offizielle Erklärung über die Fortführung der NGEU-Fazilität noch über den Aufbau eines völlig neuen Instruments, das ausschließlich auf den ökologischen Übergang ausgerichtet ist.
Die Diskussionen über die wirtschaftspolitische Steuerung wird während des Gipfels am 10. und 11. März stattfinden, wobei ein offizieller Vorschlag der Kommission im Juni 2022 für eine Umsetzung im Jahr 2024 erwartet wird. Dieser Prozess wird zeigen, ob eine umfassende Reform politisch durchsetzbar ist.
In der Zeit nach der Coronavirus-Pandemie und mit mehreren neuen reformorientierten Regierungen besteht die Chance, dass sich die Ansichten annähern. In diesem Klima scheint die Annahme einer Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie plausibler denn je.