Table.Briefing: Europe

Intransparente EU-Qualitätskontrolle + Digitalwirtschaft kritisiert DSA + Klimaprämie

  • Regulatory Scrutiny Board: Die große Blackbox
  • BVDW zum Digital Services Act: “Gesetzgebungsstruktur babylonischen Ausmaßes”
  • EU-Monitoring
  • Sorge vor russischem Einmarsch wächst erneut
  • Bündnis will schnelle Einführung einer “Klimaprämie”
  • EU-Parlament billigt Pläne für neue Lkw-Maut
  • Berlin macht Weg frei für EU-Frauenquote
  • Infineon investiert Milliarden in neue Chipfabrik in Malaysia
  • Rekordjahr für Europas Edu-Techs: Wagniskapital verdreifacht
  • Standpunkt: Der Medizinprodukte-Rechtsrahmen muss weiterentwickelt werden
  • EU und Afrika: Partnerschaft auf Augenhöhe?
Liebe Leserin, lieber Leser,

auch wenn der Kreml einen gegenteiligen Eindruck erwecken will: Die Sorge vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine wächst weiter. “Diese Episoden, die eine scheinbare Deeskalation ankündigten, werden zurzeit nicht ernst genommen”, sagte Italiens Ministerpräsident Mario Draghi nach dem Sondertreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Rande des EU-Afrika-Gipfels. Nun gelte für den Westen, fest zusammenzustehen und keine Schwäche zu zeigen. Deutschland, Frankreich und weitere europäische Verbündete verschärften in einer gemeinsamen Stellungnahme den Ton gegenüber Russland.

Der Ausschuss für Regulierungskontrolle (Regulatory Scrutiny Board, kurz RSB) berät die Kommissionsmitglieder bei der Vorbereitung von Gesetzesinitiativen und prüft die Qualität der Folgenabschätzung der geplanten Gesetzestexte – ganz unabhängig von anderen Institutionen, Agenturen und Lobbyisten. Eigentlich. Denn im Fall des Lieferkettengesetzes gibt es Zweifel an ebenjener Unabhängigkeit. Auch ist die Arbeitsweise des Organs alles andere als transparent. Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europaparlament, sprach zuletzt sogar von einem “geheimen Gremium”. Charlotte Wirth erläutert die Hintergründe.

Viele der Mitglieder des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) stammen aus der Onlinewerbewirtschaft. Ihnen dürfte der Digital Services Act – wenn er in der jetzigen Parlamentsvariante käme – zu schaffen machen. BVDW-Präsident Dirk Freytag und Vizepräsident Thomas Duhr warnen im Interview mit Falk Steiner vor einem Regulierungschaos.

Die Pro-Kopf-Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung soll möglichst schnell kommen, fordert ein Bündnis aus Umwelt- und Sozialverbänden sowie Kirchen von der Bundesregierung. Laut einer Studie sind die Weichen dafür auch schon so gestellt, dass es noch in dieser Legislaturperiode mit der “Klimaprämie” klappen könnte. Mehr dazu lesen Sie in den News.

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Sarah Schaefer
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Analyse

Regulatory Scrutiny Board: Die große Blackbox

Eigentlich dürfte Bernd Lange das Papier gar nicht kennen. Die Stellungnahme des kommissionsinternen Ausschusses für Regulierungskontrolle zum EU-Lieferkettengesetz wird, wie üblich, erst dann öffentlich zugänglich, wenn die Kommission den entsprechenden Gesetzesvorschlag verabschiedet hat. Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, aber hat sich die Stellungnahme vorab besorgt: “Sie ist sehr politisch”, stellt der Sozialdemokrat fest.

Das Gremium, auf Englisch Regulatory Scrutiny Board (RSB), prüft die Qualität der Folgenabschätzungen von geplanten Gesetzestexten. Im Falle des Lieferkettengesetzes hatte das RSB zwei negative Einschätzungen abgegeben. Die Gründe kennen nur jene, denen die Stellungnahmen zugespielt wurden. Sicher ist allerdings: Die Stellungnahmen haben zu erheblichen Verzögerungen geführt. Das Kollegium soll die Richtlinie zu den Sorgfaltspflichten für Unternehmen nun am 23. Februar verabschieden (Europe.Table berichtete) – mit über einem Jahr Verspätung.

“Das zeigt, wie viel Macht das RSB hat”, sagte Tiemo Wölken (S&D) im Januar bei der Vorstellung seines Initiativberichts zur Better Regulation. Im Parlament ist man sich sicher: Das Gremium hat zumindest bei diesem Gesetz sein Mandat überschritten. “Es wäre absurd, wenn das geplante Gesetz nun verwässert würde, weil sich ein intransparentes, technisches Gremium in politische Entscheidungen einmischt”, sagt die deutsche Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini, Schattenberichterstatterin zum Lieferkettengesetz im Handelsausschuss. Auch Bernd Lange findet klare Worte: Das Regulatory Scrutiny Board sei zu einer “politischen Bewertungsinstanz” geworden und habe die Argumentation des Unternehmerverbandes Business Europe aufgegriffen.

Fast die Hälfte der Bewertungen sind negativ

Das Organ arbeitet bislang weitgehend im Dunkeln. Jean-Claude Juncker hatte das Gremium 2015 ins Leben gerufen. Der damalige Kommissionspräsident wollte das damalige “Impact Assessment Board” stärken und die Qualitätskontrolle von Gesetzestexten verbessern. Als eigenständiges Gremium soll das Regulatory Scrutiny Board das Kollegium und die Kommissionsmitglieder bei der Vorbereitung der Gesetzesinitiativen beraten. Zudem prüft der Ausschuss Folgenabschätzungen und Evaluierungen für geplante Gesetze. Er setzt sich aus sieben Experten zusammen – vier Kommissionsmitarbeiter und drei beigeordnete Experten.

Allein 2020 erhielten 46 Prozent der Folgenabschätzungen eine negative Bewertung. Der Grund: “Die Kommission nehme sich in vielen Fällen zu wenig Zeit, um die Folgenabschätzungen hinreichend vorzubereiten und durchzuführen”, steht im Jahresbericht für 2020.

Erhält eine Folgenabschätzung ein negatives Feedback, muss die Kommission den Text nachbessern und erneut einreichen. Zwei negative Bewertungen, wie im Falle des Gesetzes zur nachhaltigen Unternehmensführung, sind äußerst selten. 2020 gab es nur einen solchen Fall, und zwar die Folgenabschätzung für eine Richtlinie zur Gleichbezahlung von Frauen und Männern. In diesem Fall durfte die Kommission den Text ausnahmsweise ein drittes Mal einreichen und erhielt grünes Licht.

Sonderweg beim Lieferkettengesetz

Die Kommission kann das Gremium bei zwei negativen Bewertungen aber auch umgehen: Dazu braucht es den Zuspruch des Vizekommissars für institutionelle Beziehungen und Vorausschau, Maroš Šefčovič – so geschehen beim Lieferkettengesetz. Im Gesetz muss dann stehen, inwiefern die Kommission die Kritik des Regulatory Scrutiny Board berücksichtigt hat. Sie kann die Evaluierung des RSB also auch übergehen.

Laut den Statuten muss der Ausschuss vollkommen unabhängig und autonom agieren. Die Mitglieder dürfen keine Anweisungen von anderen Institutionen oder Agenturen befolgen und sich nur mit registrierten Lobbyisten treffen.

So weit die Theorie. In der Praxis ist alleine die Zusammensetzung des Gremiums problematisch. Bei sieben Mitgliedern, vier davon Kommissionsbeamte, sei es schwer, von einem unabhängigen, autonomen Gremium zu sprechen, kritisiert Tiemo Wölken: “Da sind die EU-Beamten immer im Übergewicht”.

Regulatory Scrutiny Board ist unterbesetzt

Hinzu kommt, dass das Regulatory Scrutiny Board seit mindestens zwei Jahren nicht mehr voll besetzt ist. 2020 hatte das Gremium nur vier, teils sogar nur drei Mitglieder, wie aus dem entsprechenden Jahresbericht hervorgeht. Mit nur drei Mitgliedern war das Gremium drei Monate lang gar nicht arbeitsfähig.

Besonders schwer scheint der Kommission die Rekrutierung externer Mitglieder zu fallen, die auf Basis ihrer akademischen Leistung im Bereich Folgenabschätzungen und Regulierungspolitik ausgewählt werden. Auch aktuell sind dem RSB nur zwei Experten beigeordnet. Die Rekrutierung eines dritten Mitglieds sei “im Gange”, heißt es aus der Kommission. Die Suche läuft allerdings seit Ende 2020, wie aus dem entsprechenden Jahresbericht ersichtlich wird.

So wird das Übergewicht der Kommissionsbeamten noch deutlicher. Das Quorum liegt bei vier Mitgliedern, bei Stimmengleichheit ist die Stimme des Vorsitzes entscheidend. Laut der Verfahrensordnung aus der Feder der aktuellen Vorsitzenden Veronica Gaffey, vormals Direktorin der Kommissionsbehörde für die Feststellung und Abwicklung individueller Ansprüche (PMO), gilt für die RSB-Mitglieder das Prinzip der kollektiven Verantwortung: Mitglieder dürfen die Entscheidungen nicht infrage stellen. Das bedeutet aber auch, dass die externen Mitglieder an die Entscheidungen der Kommissionsbeamten gebunden sind. Die Beamten könnten die externen Experten bei jeder Abstimmung überstimmen.

Fehlendes Fachwissen in Umwelt- und Sozialpolitik

Auch die fachliche Aufstellung der Mitglieder wirft Fragen auf. Laut Kommissionsentscheid müssen die Ausschussmitglieder Expertise in Makro- und Mikroökonomie, Sozialpolitik und Umweltpolitik aufweisen, sprich den drei Pfeilern der nachhaltigen Entwicklung. Dies werde immer relevanter, insbesondere vor dem Hintergrund des Fit-for-55-Paketes, schreibt selbst das Regulatory Scrutiny Board in seinem Jahresbericht.

Sieht man sich die Lebensläufe der aktuellen Mitglieder an, so sitzen aber ausschließlich Wirtschaftswissenschaftler und Finanzexperten im Ausschuss. Nur ein Ökonom mit Fokus auf Klima- und Umweltpolitik war bis 2021 Mitglied: Andreas Kopp, der nun wieder als Wissenschaftler am Thinktank CEPS arbeitet. Das ist auch dem EU-Parlament aufgefallen, wie aus einer parlamentarischen Frage der Grünen-Politikerin Anna Cavazzini hervorgeht.

Die Abgeordneten halten auch die Transparenz des RSB für unzureichend. Bernd Lange sprach anlässlich einer Anhörung des Handelsausschusses von einem “geheimen Gremium”, welches undemokratisch handele. Der SPD-Politiker hatte versucht, einen RSB-Vertreter in die Anhörung einzuladen, um die Stellungnahmen zum Lieferkettengesetz zu diskutieren. Das Gremium lehnte ab. Stattdessen wohnte die Generaldirektorin für Handel, Sabine Weyand, der Sitzung bei. Sie beantwortete aber keine einzige Frage zum RSB.

Lobbytreffen des Regulatory Scrutiny Board werfen Fragen auf

Ähnlich ergeht es allen, die an die Bewertungen des Gremiums herankommen wollen. So lehnte die Kommission etwa die Access-to-Documents-Anfrage einer Wissenschaftlerin ab, die nach den Stellungnahmen zum Lieferkettengesetz gefragt hatte. Die Begründung: Es handele sich um Dokumente zu einer Entscheidung, welche die Kommission noch nicht getroffen habe.

Auch Anfragen zu Treffen zwischen RSB-Mitgliedern und Interessensvertretern lehnte die Kommission ab, mit der Begründung, entsprechende Unterlagen existierten nicht. So geschehen etwa im Falle einer Anfrage von Lobbycontrol zum Digital Markets Act. Allein die Lobbyistentreffen der RSB-Vorsitzenden werden veröffentlicht.

Laut Statuten dürfen die Mitglieder “keine individuellen Dossiers besprechen, welche die Interessensvertreter direkt betreffen”, sondern nur einen Überblick über die Arbeit des Gremiums liefern. Auffällig ist, dass sich die Vorsitzende Gaffey in den vergangenen drei Jahren fast ausschließlich mit Wirtschaftsvertretern getroffen hat, zuletzt etwa dem europäischen Industrieverband Business Europe. Das sagt nicht direkt etwas über den Inhalt der Unterredungen aus, zeigt aber, dass Unternehmensverbände einen privilegierten Zugang zum RSB haben.

Ein Treffen mit dem französischen Verband der Privatunternehmen von 2020 lässt allerdings aufhorchen: Während am 17. Januar lediglich zu lesen war, der Verband habe um ein Treffen gebeten, um das Lieferkettengesetz zu besprechen, hat die Kommission den Eintrag zehn Tage später um Folgendes ergänzt: “Die Vorsitzende des RSB hat den Gesetzesvorschlag nicht besprochen, sondern eine generelle Vorstellung des Gremiums” geliefert. Das zeigt zumindest, dass die Treffen problematisch sind, was die Wahrung der Unabhängigkeit des Ausschusses anbelangt.

Einschätzungen schwer zu finden

Die Einschätzungen des Regulatory Scrutiny Board sollen in dem Moment öffentlich zugänglich sein, wenn die Kommission die entsprechende Gesetzesinitiative veröffentlicht. Doch dazu muss man die Dokumente erst aufspüren. Die RSB-Einschätzung zum Digital Services Act ist zum Beispiel schwer auffindbar. Im entsprechenden Gesetzestext befindet sich lediglich eine Fußnote mit dem Hinweis: “Links zur Zusammenfassung und zur positiven Stellungnahme des Ausschusses für Regulierungskontrolle werden nach ihrer Veröffentlichung eingefügt.”

Nur über das Register der Kommissionsdokumente lässt sich die entsprechende Entscheidung finden. Die Stellungnahme ist zudem nicht komplett. Sie verweist auf “technische Anmerkungen”, welche der Ausschuss direkt an den Verfasser der Folgenabschätzung geschickt habe. Diese Anmerkungen sind nicht öffentlich.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will das Gremium nun ein Stück weit reformieren. Am 1. März übernimmt der bisherige Generaldirektor für Übersetzung, Rytis Martikonis, den Vorsitz von Gaffey. Der Ausschuss soll künftig auch die Umsetzungskosten von Gesetzesinitiativen untersuchen und strategische Erwägungen sowie die Effekte der Covid-Pandemie berücksichtigen.

Zudem wünscht sich von der Leyen, das Gremium solle besser über seine Rolle im Gesetzgebungsprozess informieren. Damit will sie das Vertrauen in die Kommission stärken. Tiemo Wölken fordert, dass zumindest die Stellungnahmen sofort und nicht erst bei der Vorstellung der Gesetze zugänglich sind: “Das aktuelle Katz- und Mausspiel hilft dem Vertrauen nicht.”

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BVDW: “Gesetzgebungsstruktur babylonischen Ausmaßes”

BVDW-Präsident Dirk Freytag und BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr
BVDW-Präsident Dirk Freytag und BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr

Herr Freytag, Herr Duhr, Teile der Digitalwirtschaft stehen derzeit unter enormem regulatorischem Druck. Die Auswirkungen der Datenschutzgrundverordnung werden sichtbarer, die Aufsichtsbehörden entscheidungsfreudiger.

Dirk Freytag: Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass der Schutz der Privatsphäre der Konsumenten entsprechend der Regulatorik auch durchgesetzt wird. Wir haben in unserem Verband sehr viele Gruppen und Arbeitskreise gebildet, um die Privatsphäre zu schützen und trotzdem Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Es muss immer eine Waage sein zwischen beiden Bereichen. Wir sind aber in der misslichen Lage, dass bestimmte Elemente bis heute nicht da sind, die eigentlich zusammen mit der DSGVO kommen sollten. Wir agieren deshalb immer wieder im halb luftleeren Raum. Und jetzt ist es eben die Interpretation eines nicht vollständig klaren Rechtsrahmens.

Sie meinen die E-Privacy-Verordnung, die eigentlich parallel zur DSGVO 2018 in Kraft treten sollte? Man sieht ja, etwa an den Entscheidungen der Aufsichtsbehörde CNIL in Frankreich, dass das Sprengkraft birgt.

Thomas Duhr: Das zeitgleiche Inkrafttreten der E-Privacy-Verordnung war ein außerordentlich ambitioniertes Ziel und eigentlich von Anfang an nicht möglich. Wir sehen derzeit, dass zahlreiche der dafür vorgesehenen Elemente in zahlreichen anderen gesetzlichen Rahmenvorgaben seitens der Europäischen Union untergebracht werden. Teile finden sich in Auszügen nun im Digital Services Act, andere Teile in Versatzstücken im Digital Markets Act. Und sehr wahrscheinlich werden wir auch in Data Act und Data Governance Act Auszüge wiederfinden. Das heißt: Wir laufen in eine Gesetzgebungsstruktur babylonischen Ausmaßes. Mit der großen Gefahr, dass der Rechtsrahmen auf europäischer Ebene in einem einzigen Schildbürgerstreich endet.

Dass mehr oder andere Regulierung notwendig ist, werden Sie wohl nicht bezweifeln.

Duhr: Es ist essenziell, dass sich die Europäische Union auf den Weg macht, die digitale Wirtschaft mit Regelwerken weiterzuentwickeln – das brauchen Wirtschaft und Konsumenten. Wir sehen aber derzeit ein Übermaß an Aktivität, ohne eine saubere Reflexion und eine Überprüfung der zuletzt eingeführten Vorhaben auf ihre jeweiligen Auswirkungen.

Die Datenschutzgrundverordnung, seit 2018 in Kraft, ist noch nicht in allen Auswirkungen und Facetten ausreichend beleuchtet. Wir würden uns eher wünschen, dass ein solches Regelwerk weiterentwickelt wird, als dass Ergänzungen mit unklarem Scope wie Säue durchs Dorf getrieben werden. Die Vielzahl an Gesetzesakten ermöglicht es nahezu keinem Marktteilnehmer, überhaupt noch zu verstehen, wo er sich denn jetzt bewegt und befindet. Das führt nicht zu einer gestärkten Digitalwirtschaft in der Europäischen Union. Sondern eher zu einem digitalen Schilda.

“Ein Internet, das wir uns so nicht vorstellen können”

Der DSA soll einige umstrittene Praktiken unterbinden. So will das Parlament etwa die datenbasierte Ansprache von Minderjährigen verbieten. Was kritisieren Sie daran?

Duhr: Es gehört da nicht rein. Die DSGVO regelt die Verarbeitung von personenbezogenen und personenbeziehbaren Daten. Mit Regelwerken zur Verarbeitung der Daten von Kindern verwässert sich insgesamt die Kraft der DSGVO. Mit der derzeitigen Zielsetzung wird real genau das Gegenteil erreicht. Wie wollen Sie es einem Marktteilnehmer, einem Webseitenbetreiber ermöglichen, dass dieser eben nicht einen Gesetzesverstoß begeht? Das geht nur, wenn man vom Diktum der Datenminimierung und Datensparsamkeit Abstand nimmt und eine vollständige Identifikation jedes einzelnen Nutzers und Nutzungsvorgangs stattfindet. Das führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Daten.

Das hieße, dass ich nie feststellen kann, ob es ein Kind ist, ohne bereits dessen Daten verarbeitet zu haben. Was wäre die Folge?

Duhr: Dass jede Webseite, die Sie heute kennen, eine harte Authentifizierung vorgeschaltet haben muss, damit diese Website überhaupt genutzt werden kann. Und ich rede von jeder Webseite, jeder Institution, jeder Behörde, eines Unternehmens, eines Privatmanns. Das ist, denke ich, ein Internet, das wir uns so nicht vorstellen können.

Befürworter sagen, die Regelung ziele nur auf Tracking ab und am Ende wäre “nur” das Geschäftsmodell der trackingbasierten, werbefinanzierten Webseiten gefährdet …

Duhr: Es ist ein Fehlschluss, dass Tracking eine Technologie ist, die ausschließlich für das Thema Werbefinanzierung eingesetzt wird. Ich benötige Tracking, um Leistungswerte zu erheben, um eine Analyse der Nutzung meines individuellen Angebots vorzunehmen, um eine Individualisierung meines Angebotes vorzunehmen. Ich benötige Trackingtechnologien richtigerweise auch, um spezifischere Werbung auszuspielen. Aber es ist eine Spielart ein- und derselben Technologie, die für alle anderen Sachverhalte benötigt wird, um digitale Dienstleistungen im Internet anbieten zu können.

Viel Kritik an der Wirtschaft gibt es für ihre Versuche, Nutzer über Cookie-Banner und “Dark Patterns” zu Einwilligungen zu bewegen. Die Vorschläge, die nun auf dem Tisch liegen, wollen den Gestaltungsspielraum hier verringern. Hat die Digitalwirtschaft hier in der Vergangenheit überdreht?

Duhr: (Lange Pause) Richtig ist sicherlich die Kritik, dass man übertrieben hat. Wie in nahezu allen Industrien gibt es auch in der Digitalwirtschaft schwarze Schafe. Die Reaktion seitens der Gesetzgeber kann aber nicht darin bestehen, dass man gesetzlich vorgibt, dass jeder Eintrittsbereich zu jedem Kaufhaus, zu jedem Geschäft absolut identisch ist. Das ist das Gegenteil von dem, was eigentlich erzielt werden sollte.

Wie Dirk Freytag und Thomas Duhr vom BVDW auf den DMA, die Privacy-Shield-Debatte und die neue Bundesregierung blicken, können Sie auf unserer Website weiterlesen.

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EU-Monitoring

18.02.2022_Monitoring

Informelle Ministertagung Verkehr
21.02.-22.02.2022
Agenda: Im Beisein von EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean werden die Verkehrsminister zum Meinungsaustausch über aktuelle Themen zusammenkommen.
Infos

Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
21.02.2022 08:30 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem Gedankenaustausche zur Klimadiplomatie, zur europäischen Sicherheitslage sowie zur Cyberübung.
Vorläufige Tagesordnung

Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
21.02.2022 10:00 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem eine Aussprache zu waldschädigenden Rohstoffen und Erzeugnissen in der EU, ein Gedankenaustausch zur verstärkten Kohärenz zwischen dem Green Deal, der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Handelspolitik sowie ein Bericht über das System pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen bei der Einfuhr in die EU.
Vorläufige Tagesordnung

Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
22.02.2022 10:00 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem die Vorbereitung des Europäischen Rats am 24. und 25. März, eine Aussprache zur Verbesserung der Krisenvorsorge, Reaktionsfähigkeit und Resilienz gegenüber künftigen Krisen sowie eine Anhörung zur Rechtsstaatlichkeit in Polen.
Vorläufige Tagesordnung

Ministerforum für die Zusammenarbeit im indopazifischen Raum
22.02.2022
Agenda: Im Rahmen des Forums befassen sich die EU-Außenminister, der EU-Außenbeauftragte sowie mehrere Außenminister der indopazifischen Region mit der Zusammenarbeit in der Region.
Infos

EuGH-Urteil zur Vollstreckung Europäischer Haftbefehle aus Polen
22.02.2022
Agenda: Das Bezirksgericht Amsterdam hat über die Vollstreckung zweier in Polen ausgestellter Europäischer Haftbefehle zu entscheiden. Es stellt sich die Frage, ob die Justizreformen in Polen einer Vollstreckung der beiden Europäischen Haftbefehle (und zahlreicher weiterer) aus Polen entgegenstehen.
Schlussanträge

Wöchentliche Kommissionssitzung
23.02.2022
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem der Data Act (inklusive der Überprüfung der Richtlinie zum Schutz von Datenbanken) und ein Paket für eine gerechte und nachhaltige Wirtschaft, inklusive einer Mitteilung über menschenwürdige Arbeit weltweit und einer Richtlinie zur nachhaltigen Unternehmensführung. Im Anschluss an die Sitzung der Kommission findet voraussichtlich gegen 12:00 Uhr eine Pressekonferenz statt.
Vorläufige Tagesordnung Richtlinie zum Schutz von Datenbanken Pressekonferenz Live

Rat der EU: Wettbewerbsfähigkeit
24.02.2022 10:00 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem eine Aussprache zur Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsinformationen durch Unternehmen, eine Information der Kommission zum Chips Act sowie eine Information der Kommission über eine EU-Strategie zur Normung.
Infos

Informelle Ministertagung Wirtschaft und Finanzen
25.02-26.02.2022
Agenda: Die Wirtschafts- und Finanzminister beschäftigen sich mit aktuellen Fragen zur Wirtschafts- und Steuerpolitik sowie zur Regulierung von Finanzdienstleistungen.
Infos

Euro-Gruppe
25.02.2022
Agenda: Die vorläufige Tagesordnung war zu Redaktionsschluss noch nicht bekannt.
Infos

  • Chips

News

Sorge vor russischem Einmarsch wächst erneut

Die Sorge vor eines Angriff Russlands auf die Ukraine wächst trotz aller Beteuerungen aus Moskau. US-Präsident Joe Biden warnte am Donnerstag in Washington vor einer Invasion “in den nächsten paar Tagen“, die Gefahr dafür sei “sehr hoch”. Russland bekräftigte dagegen erneut seine Darstellung, es ziehe einen Teil seiner Truppen von der ukrainischen Grenze ab. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten kamen in Brüssel im Vorfeld des EU-Afrika-Gipfels zu einem Sondertreffen zusammen, um Vorbereitungen für mögliche Sanktionen im Falle einer russischen Aggression voranzutreiben.

Verdacht des Angriffs Russlands auf die Ukraine unter falscher Flagge

Biden warnte einmal mehr vor einem Krieg. Alles deute darauf hin, dass Russland für einen Angriff auf die Ukraine bereit sei. Es gebe auch Grund zur Annahme, dass Moskau in Operationen unter falscher Flagge verwickelt sei – so werden Machenschaften bezeichnet, um einen Vorwand für einen Angriff künstlich zu inszenieren. Ähnliche Sorgen äußerten Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

Bundeskanzler Olaf Scholz betonte nach dem EU-Sondertreffen, Russland habe an der Grenze zur Ukraine genügend militärische Kräfte für eine Invasion zusammengezogen. “Das ist bedrohlich, und das bleibt auch eine bedrohliche Situation, und da darf man nicht naiv sein”, sagte Scholz. “Wenn es zu einer militärischen Aggression gegen die Ukraine kommt, dann wird das Konsequenzen haben, und wir sind vorbereitet, auch dann mit Sanktionen zu reagieren.”

“Beispiellose Kosten” einer militärischen Aggression

Später verschärften Deutschland, Frankreich und mehrere europäische Verbündete den Ton nochmals. “Wir betonen, dass jede weitere militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine massive Folgen haben und beispiellose Kosten nach sich ziehen würde”, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme nach einer UN-Sicherheitsratssitzung in New York.

Russland bekräftigte hingegen erneut den angeblichen Teilabzug. Nach dem Abschluss von Manövern seien Panzer zum Abtransport bereit gemacht worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Dazu veröffentlichte es ein Foto, das die Kampffahrzeuge zeigen soll. Zudem betonte Russland, seine Truppen nach Ende eines planmäßig bis Sonntag laufenden Militärmanövers aus dem Nachbarland Belarus abzuziehen.

Die prorussischen Separatisten im Konfliktgebiet in der Ostukraine und ukrainische Regierungstruppen warfen sich erneut gegenseitig Verstöße gegen den geltenden Waffenstillstand vor. Die Rebellen sprachen von Mörsergranatenbeschuss im Gebiet von Luhansk und beschossenen Stellungen auch im Donezker Gebiet. Laut der Regierung sollen wiederum die Separatisten im Laufe des Tages Dutzende Male gegen den Waffenstillstand verstoßen haben. Der Kreml bezeichnete die Lage als “gefährlich”. Kiew habe seine “provokativen Handlungen” in den vergangenen Tagen verstärkt. dpa

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Bündnis will schnelle Einführung einer “Klimaprämie”

Ein Bündnis aus Umwelt- und Sozialverbänden sowie Kirchen fordert die Bundesregierung auf, zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger eine “Klimaprämie” einzuführen. Zugleich solle der CO2-Preis im Verkehrs- und Wärmebereich schneller angehoben werden, um eine Lenkungswirkung zu entfalten – das würde bedeuten, dass fossile Energieträger wie Öl und Gas und damit Tanken und Heizen teurer würden.

Der deutsche CO2-Preis im Verkehrs- und Wärmebereich liegt in diesem Jahr bei 30 Euro pro Tonne, er steigt laut Gesetz bis 2025 auf 55 Euro an. Von 2026 an soll in einer dann beginnenden Marktphase ein Preiskorridor mit einem Mindestpreis von 55 Euro und einem Höchstpreis von 65 Euro festgelegt werden.

Studie hält Umsetzung in dieser Legislaturperiode für möglich

Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes sollten pro Kopf an die Bevölkerung zurückgegeben werden, teilten die Verbände am Donnerstag mit. Eine Studie in ihrem Auftrag komme zu dem Ergebnis, dass eine solche pauschale Pro-Kopf-Rückverteilung noch in dieser Legislaturperiode “bürokratiearm, kosteneffizient, rechtssicher” sowie im Einklang mit dem Datenschutz umgesetzt werden könne.

Die Studie geht von einer jährlichen Rückerstattung von rund 130 Euro pro Kopf aus. “Wer viel CO2 auspustet und damit das Klima stärker belastet, zahlt viel. Wer wenig CO2 emittiert, zahlt wenig. Aber alle bekommen das Gleiche zurück”, sagte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, argumentierte, dass die schwächsten Haushalte mehr reinbekommen, als sie durch den CO2-Preis draufzahlen. Daher sei es ein gerechtes Instrument der Umverteilung.

SPD, Grüne, FDP wollen Klimageld entwickeln

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es (Europe.Table berichtete), es solle ein “sozialer Kompensationsmechanismus” entwickelt werden, benannt wird dies auch als Klimageld. dpa/luk

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  • Klimaschutz

EU-Parlament billigt Pläne für neue Lkw-Maut

Das EU-Parlament hat einem neuen Maut-System für Lkw zugestimmt. Die Abgeordneten in Straßburg billigten am Donnerstag die bereits mit den EU-Mitgliedstaaten ausgehandelten Pläne. Demnach sollen ab 2030 keine Vignetten verkauft werden dürfen, die Lkw die Nutzung von Straßen für einen bestimmten Zeitraum erlauben.

EU-Parlament: Lkw-Maut-Gebühren abhängig von Emissionen

Stattdessen sollen künftig die tatsächlich zurückgelegten Kilometer maßgeblich für die Berechnung der Gebühr sein. So sollen das Verursacherprinzip (“der Verursacher zahlt”) und das Nutzerprinzip (“der Nutzer zahlt”) umgesetzt werden. Ausnahmeregelungen sind jedoch in begründeten Fällen möglich. Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen, die nicht im Transportgewerbe, sondern beispielsweise im Handwerk eingesetzt werden, können ebenfalls von der Maut ausgenommen werden.

Zudem müssen ab 2026 unterschiedliche Gebührensätze für Lkw und Busse auf der Grundlage ihrer CO2-Emissionen und für Lieferwagen und Kleinbusse nach der Umweltverträglichkeit des Fahrzeugs festgelegt werden. Ab Mai 2023 müssen batterie- oder wasserstoffbetriebene Lkw mindestens 50 Prozent Preisnachlass bei den Straßenbenutzungsgebühren erhalten.

Auch Neuerungen für Autofahrer

Dies liefere Anreize, im Verkehrsbereich sauberere Fahrzeuge zu verwenden, kommentierte EP-Berichterstatter Giuseppe Ferrandino (S&D, IT). Der Umweltverband Transport and Environment (T&E) bezeichnete die Billigung des Parlaments als “Weichenstellung für umweltfreundliches Lkw-Fahren”. Aus deutscher Perspektive sei besonders die Mautausnahme für Handwerker ein wichtiger Erfolg, sagte Jens Gieseke, verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU im EU-Parlament.

Die neuen Bestimmungen sehen auch Neuerungen für Busse und Autos vor. Für Autofahrer soll es künftig standardmäßig auch kurz gültige Vignetten geben: etwa für einen Tag, eine Woche oder zehn Tage. Zudem wird es eine Preisobergrenze geben. So sollen Gelegenheitsfahrer aus anderen EU-Ländern fairer behandelt werden. Die Mitgliedstaaten können bei Autos und Kleinbussen wählen, ob sie ein Vignetten- oder Maut-System nutzen wollen.

Die EU-Länder sind auch mit den neuen Regeln nicht verpflichtet, Gebühren für die Nutzung ihrer Straßen zu erheben. Wollen sie das jedoch tun, so müssen sie sich an die EU-Regeln halten. Die Mitgliedstaaten haben schon zugestimmt. Nun haben sie zwei Jahre Zeit, die Bestimmungen in nationales Recht zu übernehmen. dpa/luk

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Berlin macht Weg frei für EU-Frauenquote

Vor zehn Jahren hatte die Europäische Kommission eine EU-weite Frauenquote in Aufsichtsräten vorgeschlagen, nun scheint der Weg für die Richtlinie frei. Die Bundesregierung verständigte sich gestern darauf, das Vorhaben zu unterstützen. Damit dürfte beim Treffen des EPSCO-Rates am 14. März die nötige qualifizierte Mehrheit zustande kommen, und anschließend der Trilog beginnen. Die CDU-geführten Vorgängerregierungen hatten das Vorhaben jahrelang abgelehnt.

Der Kommissionsvorschlag aus dem Jahr 2012 sah vor, dass börsennotierte Unternehmen mindestens 40 Prozent der nicht-exekutiven Mitglieder in den Aufsichts- und Verwaltungsräten mit dem jeweils unterrepräsentierten Geschlecht besetzen. Beziehen die Mitgliedstaaten den Vorstand in die Regelung mit ein, lautet die Zielmarke 33 Prozent. Die betroffenen Unternehmen sollen ein an klaren Kriterien orientiertes Auswahlverfahren gewährleisten und bei vergleichbarer Qualifikation den Frauen den Vorzug geben. Das Europaparlament hatte sich in seiner Stellungnahme zudem für Sanktionen ausgesprochen, wenn Unternehmen keine transparenten Auswahlverfahren gewährleisten.

Frauenquote in Aufsichtsräten seit 2016 festgelegt

In Deutschland gibt es seit 2016 eine gesetzliche Regelung, die eine Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten bestimmter Unternehmen vorsieht. Im vergangenen Sommer wurde diese im Zweiten Führungspositionen-Gesetz nachgeschärft. Diese sei mit den geplanten EU-Vorgaben vergleichbar, erklärte das Bundesfamilienministerium nun, daher werde es in Deutschland keinen Umsetzungsbedarf geben.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Initiative Anfang des Jahres neu aufgegriffen, gemeinsam mit der französischen Ratspräsidentschaft. Das Kalkül: Mit dem Regierungswechsel in Berlin ließe sich die jahrelange Blockade im Rat lösen. SPD und Grüne hatten früh Zustimmung signalisiert. “Verbindliche Quoten wirken”, sagte Bundesfrauenministerin Anne Spiegel (SPD) nun. Zurückhaltender reagierte die FDP: “Eine Quote allein ist hier allerdings kein Allheilmittel“, sagte die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Nicole Bauer, zu Europe.Table. Ebenso wichtig seien flexible Arbeitszeitmodelle und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Neben Deutschland hatten auch einige andere Mitgliedstaaten wie Schweden, Dänemark oder Polen die Initiative abgelehnt, aus unterschiedlichen Gründen. Einige dieser Länder dürften nun aber den Widerstand aufgeben: Die Richtlinie habe eine Chance, falls “ein großer Mitgliedstaat” seine Position ändere, sagte ein EU-Diplomat. Das ist nun geschehen. tho/sti

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Infineon investiert Milliarden in neue Chipfabrik in Malaysia

Der Halbleiterhersteller Infineon stellt sich auf eine weiter steigende Nachfrage nach Chips ein und investiert mehr als zwei Milliarden Euro in eine neue Fabrik in Malaysia. Die Anlage solle in der zweiten Jahreshälfte 2024 den Betrieb aufnehmen. Bei voller Auslastung werde sie zwei Milliarden Euro zusätzlichen Jahresumsatz mit Produkten auf Basis von Siliziumkarbid und Galliumnitrid ermöglichen, teilte der Konzern am Donnerstag mit.

Infineon profitiert von der Nachfrage an Chips

Der designierte Infineon-Chef Jochen Hanebeck sagte, das Unternehmen sehe nachhaltiges Wachstumspotenzial bei diesen neuen Materialien. “Zur Reduzierung der CO2-Emissionen sind innovative Technologien sowie die Nutzung grüner elektrischer Energie Schlüsselelemente.” Infineon unterstreiche mit der Investition den Anspruch, als Technologieführer bei Siliziumkarbid und Galliumnitrid auch Marktführer zu sein. Die beiden Materialien gelten als Zukunftstechnologie bei der Steuerung des Stromverbrauchs unter anderem in Elektroautos oder Ladestationen.

Infineon profitiert derzeit von der weltweit wachsenden Chip-Nachfrage. Zugleich kommt das Unternehmen bei der Ausweitung der Produktion nicht so schnell voran wie erhofft. Hanebeck sprach zuletzt bei der Vorlage der Geschäftszahlen von längeren Lieferzeiten auch für Fabrikausrüstung. Erst vor wenigen Monaten hatte Infineon ein neues Werk im österreichischen Villach in Betrieb genommen.

Wachsende Furcht vor Überkapazitäten

Bei manchen Börsianern wächst aber nun die Furcht vor Überkapazitäten. Der Markt sei in Sorge, dass die Party bei den Halbleitern bald zu Ende sein könnte und dass die derzeit angekündigten und sich auch schon im Bau befindlichen Produktionsausweitungen schon bald zu Überkapazitäten führen würden, sagte Portfoliomanager Markus Golinski von Union Investment. “Das Risiko wächst, dass steigende Lagerbestände in einigen Produktbereichen in Kürze zu einer Korrektur führen könnten.” rtr

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Rekordjahr für Europas Edu-Techs: Wagniskapital verdreifacht

Im Jahr 2021 haben Investoren 2,5 Milliarden US-Dollar Venture-Capital (VC) in europäische Edu-Techs gesteckt. Das berichtet Brighteye Ventures, ein europäisches Venture-Capital-Unternehmen für Edu-Tech, in seinem European Edtech Funding Report 2022. Die Summe des Wagniskapitals für europäische Edu-Techs habe sich damit im Vergleich zu 2020 verdreifacht. Von 2019 auf 2020 hatten sich die Investments gerade mal um 60 Millionen Dollar gesteigert.

Europa überholt China bei Venture Capital-Investitionen in Edu-Tech

Weltweit stiegen die VC-Finanzierungen von 15 Milliarden Dollar im Jahr 2020 auf 20,1 Milliarden Dollar im Jahr 2021. In Europa und den USA stiegen die Summen stark, während sie in China von 8,1 Milliarden Dollar im Jahr 2020 auf nur 1,9 Milliarden im Jahr 2021 abfielen. Europa überholt die Chinesen damit erstmals. Der Rückgang chinesischer Risikoinvestitionen hängt laut Report vermutlich mit neuen Regulationen in China zusammen. Fast die Hälfte aller weltweiten VC-Investitionen in Edu-Tech wurden in US-amerikanische Firmen gemacht.

Venture-Capital, Wagniskapital, beschreibt unternehmerische Beteiligungen, die nicht über Handelsbörsen abgewickelt werden. Private Investoren oder Beteiligungsgesellschaften kaufen Unternehmensanteile mit ihrem Vermögen. Diese Form der Investition wird aufgrund des hohen Risikos häufig bei der Finanzierung von Start-ups verwendet. ee

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Presseschau

EU-Afrika-Gipfel: Neuanfang mit Skepsis TAGESSCHAU
EU-Afrika-Gipfel: Digitalisierung hat für viele Priorität EURONEWS
EU Eyes Bolstering Carbon Market Transparency as Prices Surge BLOOMBERG
UK green economy has failed to grow since 2014, according to official data THE GUARDIAN
Mangel an Mikrochips: EU-Neuwagenmarkt fällt auf Rekordtief T-ONLINE
EU-Spielzeugrichtlinie: Parlament fordert mehr Regeln für Cybersicherheit HEISE
Moderna will in Europa expandieren FAZ
Bundeswehr nicht betroffen: Frankreich will Mali-Einsatz beenden ZDF
Investoren in Großbritannien: Das Ende der “goldenen Visa”? TAGESSCHAU

Standpunkt

Der Medizinprodukte-Rechtsrahmen muss weiterentwickelt werden

Von Marc-Pierre Möll
Medizinprodukte-Verordnung (MDR): Marc-Pierre Möll ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Medizintechnologie BVMed.
Marc-Pierre Möll ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Medizintechnologie BVMed.

Die Medizinprodukte-Verordnung (MDR) ist eine Zäsur. Die Anforderungen an den Marktzugang von Medizinprodukten, an den Lebenszyklus des Produkts und an die Benannten Stellen steigen erheblich. Der neue Rechtsrahmen betrifft dabei nicht nur neue Medizinprodukte, sondern auch alle bewährten und sicheren Bestandsprodukte sowie Spezialprodukte etwa für kleine Patientenpopulationen. Alle Benannten Stellen müssen einen langwierigen europäischen Benennungsprozess durchlaufen. Die Prüfzeit für die umfangreicheren Akten ist deutlich erhöht.

Die neue EU-Verordnung zeigt bereits jetzt drastische Auswirkungen im Medizintechnik-Markt. Der BVMed führte dazu im Herbst 2021 eine Umfrage durch, an der sich 88 Mitgliedsunternehmen beteiligt haben. Über 70 Prozent der BVMed-Mitgliedsunternehmen haben aufgrund der Neuregelungen durch die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) bereits einzelne Medizinprodukte oder ganze Produktlinien eingestellt. Über 55 Prozent der befragten BVMed-Unternehmen gaben an, dass bisherige Lieferanten bereits ihre Geschäftstätigkeit aufgrund der MDR eingestellt haben.

Es droht ein gewaltiger Zertifikatsstau

Auch fast neun Monate nach Geltungsbeginn der MDR gilt: Die Medizintechnik-Branche ist bereit, das System ist es nicht. Noch immer gibt es einen dramatischen Kapazitätsengpass bei den Benannten Stellen. Es droht ein gewaltiger Zertifikatsstau in den nächsten Jahren aufgrund der knappen Ressourcen, die besser eingesetzt werden müssen. Und nicht nur das: Innovationen kommen zum Erliegen, da sich Forschungsabteilungen aktuell auf die MDR-Regularien fokussieren müssen.

Der Handlungsdruck wächst. Benannte Stellen müssen ihre Kapazitäten kanalisieren und besser nutzen, sich auf QMS-Audits und die Reviews von Technischen Dokumentationen konzentrieren, um den Zertifikatsstau zu entzerren. Außerdem müssen pragmatische Lösungen für Bestands- und Nischenprodukte etabliert werden.

Der BVMed sieht folgende Lösungsansätze:

  • Der Designations-Zeitraum für Benannte Stellen muss verkürzt und Anreize für neue Applikationen gesetzt werden. Alle Scopes (Fachspektren) müssen ausreichend abgedeckt sein.
  • Der drohende Zertifikatsstau im Mai 2024 muss entzerrt werden: Dafür werden genügend Ressourcen in den Benannten Stellen benötigt. Die Kapazität muss besser genutzt und die Prioritäten richtig gesetzt werden: in QMS-Audits und den Review von Technischen Dokumentationen.
  • Für Hersteller, die nachweislich keine Benannte Stelle finden oder deren bestehende Verträge aufgekündigt oder nicht verlängert werden, müssen Lösungen etabliert werden. Zudem sollten Zertifikate, die mit einer verkürzten Laufzeit erstellt wurden, auf die normale Laufzeit von fünf Jahren verlängert werden.
  • Für bewährte und sichere Bestandsprodukte müssen pragmatische Lösungen beispielsweise über das Instrument der “Anerkennung klinischer Praxis” gefunden werden.
  • Für Nischen- bzw. Spezialprodukte, die in kleiner Patientenpopulation angewendet werden, muss die EU-Kommission Ausnahmeregelungen in Europa schaffen.
  • Zur Erhöhung der regulatorischen Kompetenz sollten Förderprogramme aufgelegt und Kompetenzzentren etabliert werden – beispielsweise für die Planung und Durchführung von klinischen Studien sowie die Erstellung von klinischen Bewertungen und technischen Dokumentationen. Diese Förderprogramme dürfen sich nicht nur auf Neuentwicklungen und Innovationen beschränken, sondern müssen Bestandsprodukte einschließen und allen Akteuren – darunter Startups und KMU – zur Verfügung stehen.
  • Für die Marktbeobachtung benötigen wir ein agiles und digitales “Post-Market Surveillance”-System, um die Sicherheit der Patienten weiterhin zu gewährleisten. Dabei muss das gesamte Gesundheitssystem eingebunden werden: Fachgesellschaften, Krankenhäuser, Krankenkassen.

Fazit: Wenn insbesondere KMU gezwungen sind, ihre F&E-Ressourcen zulasten der Innovationstätigkeit in die Regulatorik zu verlagern, dann zeigt das, dass man mit der MDR über das Ziel hinausgeschossen ist. Wir müssen daher die MDR strategisch weiterentwickeln. Unternehmen, Kliniken und Ärzteschaft sitzen hier beim Thema Versorgung und Sicherheit im selben Boot.

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Apéropa

Wie oft in den vergangenen Tagen von einer “gleichberechtigten Partnerschaft” die Rede war, angesichts des sechsten Gipfeltreffens zwischen der Europäischen und der Afrikanischen Union: Von einer Partnerschaft, die auf Vertrauen und gemeinsamen Interessen basiere, ist die Rede beispielsweise bei der EU-Kommission. Zwei Kontinente, die “Hand in Hand arbeiten”, forderte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen höchstselbst in ihrer Eröffnungsrede. Emmanuel Macron sprach von einem “finanziellen New Deal mit Afrika”.

Die Rhetorik vor dem EU-AU-Gipfel ist sehr eindeutig: keine neokolonialistische Abhängigkeitsbeziehung mehr. Die afrikanischen Länder sollen auf eigenen Beinen stehen, sich hauptsächlich aus eigener Kraft zu Wohlstand verhelfen. Europa soll lediglich dort unterstützen, wo es gemeinsame Interessen gibt.

Pierrette Herzberger-Fofana (Grüne), stellvertretende Vorsitzende des Entwicklungsausschusses des Europäischen Parlaments, mahnt deshalb völlig zurecht, jede Helfermentalität müsse abgeschafft und Vertrauen in lokale Expertise und lokales Fachwissen gesetzt werden. Hildegard Bentele, entwicklungspolitische Sprecherin der CDU/CSU im EU-Parlament, sieht es ähnlich. Die frühere Geber-Empfänger-Beziehung habe ausgedient, erklärte sie.

Das ist also nun der Maßstab, an dem von nun an die europäisch-afrikanischen Beziehungen gemessen werden. Schaut man sich allerdings die tatsächlichen Beziehungen an, die Europa anstrebt, wird schnell klar: Es ist eben doch nur Rhetorik.

Obwohl man keine Geber-Empfänger-Beziehung mehr möchte, gibt Europa hauptsächlich Geld. Mindestens 150 Milliarden Euro “für Afrika” in den nächsten sieben Jahren, so von der Leyen. Einiges davon soll in Energieprojekte fließen, die durchaus etwas bewirken können, um die Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern von vorneherein zu verhindern. Viel fließt allerdings auch in Wirtschaftszweige, von denen Europa hauptsächlich finanziell profitieren möchte. Ist das mit dem finanziellen New Deal gemeint?

Die EVP schreibt in einer Veranstaltungseinladung mit dem Titel “Invest in Africa”, Afrika biete Unternehmer:innen bisher ungenutzte Chancen. Das Ziel sei, europäische Investitionen zu erhöhen, um die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas zu unterstützen. Das klingt aber nun schon sehr nach Helfermentalität.

Was viel zu kurz kommt während des Gipfels, ist das Thema Migration. Seit Jahren ist eine der Kernforderung vieler afrikanischer Staaten und Menschenrechtsorganisationen die Schaffung sicherer Migrationskorridore und echter Migrationsperspektiven für Afrikaner:innen in Europa. Als Europäer:in gibt es quasi keine Hürden, in ein afrikanisches Land zu gehen, ob als Tourist oder Unternehmerin. Andersherum gilt das keineswegs.

Hier tut sich allerdings kaum etwas. Stattdessen wird die europäische Grenzschutz-Agentur Frontex trotz Kritik wegen ihrer menschenunwürdigen Methoden weiter verstärkt, und die europäische Festung wird immer massiver. Von Beziehungen auf Augenhöhe ist auch hier keine Spur.

Es sei wichtig, nicht aus einer rein europäischen Perspektive zu denken und zu handeln, fordert deshalb Jessica Bither, Migrationsexpertin der Robert Bosch Stiftung. Migration und Mobilität sollten als ein wichtiger Teil und eine Chance für die Zusammenarbeit in anderen wichtigen Bereichen auf der Agenda betrachtet werden, wie Klimawandel, digitale Zusammenarbeit oder Stabilität. Vielleicht wäre das mal ein Ansatz für den nächsten EU-AU-Gipfel. Lukas Scheid

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Regulatory Scrutiny Board: Die große Blackbox
    • BVDW zum Digital Services Act: “Gesetzgebungsstruktur babylonischen Ausmaßes”
    • EU-Monitoring
    • Sorge vor russischem Einmarsch wächst erneut
    • Bündnis will schnelle Einführung einer “Klimaprämie”
    • EU-Parlament billigt Pläne für neue Lkw-Maut
    • Berlin macht Weg frei für EU-Frauenquote
    • Infineon investiert Milliarden in neue Chipfabrik in Malaysia
    • Rekordjahr für Europas Edu-Techs: Wagniskapital verdreifacht
    • Standpunkt: Der Medizinprodukte-Rechtsrahmen muss weiterentwickelt werden
    • EU und Afrika: Partnerschaft auf Augenhöhe?
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    auch wenn der Kreml einen gegenteiligen Eindruck erwecken will: Die Sorge vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine wächst weiter. “Diese Episoden, die eine scheinbare Deeskalation ankündigten, werden zurzeit nicht ernst genommen”, sagte Italiens Ministerpräsident Mario Draghi nach dem Sondertreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Rande des EU-Afrika-Gipfels. Nun gelte für den Westen, fest zusammenzustehen und keine Schwäche zu zeigen. Deutschland, Frankreich und weitere europäische Verbündete verschärften in einer gemeinsamen Stellungnahme den Ton gegenüber Russland.

    Der Ausschuss für Regulierungskontrolle (Regulatory Scrutiny Board, kurz RSB) berät die Kommissionsmitglieder bei der Vorbereitung von Gesetzesinitiativen und prüft die Qualität der Folgenabschätzung der geplanten Gesetzestexte – ganz unabhängig von anderen Institutionen, Agenturen und Lobbyisten. Eigentlich. Denn im Fall des Lieferkettengesetzes gibt es Zweifel an ebenjener Unabhängigkeit. Auch ist die Arbeitsweise des Organs alles andere als transparent. Bernd Lange, Vorsitzender des Handelsausschusses im Europaparlament, sprach zuletzt sogar von einem “geheimen Gremium”. Charlotte Wirth erläutert die Hintergründe.

    Viele der Mitglieder des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW) stammen aus der Onlinewerbewirtschaft. Ihnen dürfte der Digital Services Act – wenn er in der jetzigen Parlamentsvariante käme – zu schaffen machen. BVDW-Präsident Dirk Freytag und Vizepräsident Thomas Duhr warnen im Interview mit Falk Steiner vor einem Regulierungschaos.

    Die Pro-Kopf-Rückverteilung der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung soll möglichst schnell kommen, fordert ein Bündnis aus Umwelt- und Sozialverbänden sowie Kirchen von der Bundesregierung. Laut einer Studie sind die Weichen dafür auch schon so gestellt, dass es noch in dieser Legislaturperiode mit der “Klimaprämie” klappen könnte. Mehr dazu lesen Sie in den News.

    Ihre
    Sarah Schaefer
    Bild von Sarah  Schaefer

    Analyse

    Regulatory Scrutiny Board: Die große Blackbox

    Eigentlich dürfte Bernd Lange das Papier gar nicht kennen. Die Stellungnahme des kommissionsinternen Ausschusses für Regulierungskontrolle zum EU-Lieferkettengesetz wird, wie üblich, erst dann öffentlich zugänglich, wenn die Kommission den entsprechenden Gesetzesvorschlag verabschiedet hat. Lange, der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, aber hat sich die Stellungnahme vorab besorgt: “Sie ist sehr politisch”, stellt der Sozialdemokrat fest.

    Das Gremium, auf Englisch Regulatory Scrutiny Board (RSB), prüft die Qualität der Folgenabschätzungen von geplanten Gesetzestexten. Im Falle des Lieferkettengesetzes hatte das RSB zwei negative Einschätzungen abgegeben. Die Gründe kennen nur jene, denen die Stellungnahmen zugespielt wurden. Sicher ist allerdings: Die Stellungnahmen haben zu erheblichen Verzögerungen geführt. Das Kollegium soll die Richtlinie zu den Sorgfaltspflichten für Unternehmen nun am 23. Februar verabschieden (Europe.Table berichtete) – mit über einem Jahr Verspätung.

    “Das zeigt, wie viel Macht das RSB hat”, sagte Tiemo Wölken (S&D) im Januar bei der Vorstellung seines Initiativberichts zur Better Regulation. Im Parlament ist man sich sicher: Das Gremium hat zumindest bei diesem Gesetz sein Mandat überschritten. “Es wäre absurd, wenn das geplante Gesetz nun verwässert würde, weil sich ein intransparentes, technisches Gremium in politische Entscheidungen einmischt”, sagt die deutsche Grünen-Abgeordnete Anna Cavazzini, Schattenberichterstatterin zum Lieferkettengesetz im Handelsausschuss. Auch Bernd Lange findet klare Worte: Das Regulatory Scrutiny Board sei zu einer “politischen Bewertungsinstanz” geworden und habe die Argumentation des Unternehmerverbandes Business Europe aufgegriffen.

    Fast die Hälfte der Bewertungen sind negativ

    Das Organ arbeitet bislang weitgehend im Dunkeln. Jean-Claude Juncker hatte das Gremium 2015 ins Leben gerufen. Der damalige Kommissionspräsident wollte das damalige “Impact Assessment Board” stärken und die Qualitätskontrolle von Gesetzestexten verbessern. Als eigenständiges Gremium soll das Regulatory Scrutiny Board das Kollegium und die Kommissionsmitglieder bei der Vorbereitung der Gesetzesinitiativen beraten. Zudem prüft der Ausschuss Folgenabschätzungen und Evaluierungen für geplante Gesetze. Er setzt sich aus sieben Experten zusammen – vier Kommissionsmitarbeiter und drei beigeordnete Experten.

    Allein 2020 erhielten 46 Prozent der Folgenabschätzungen eine negative Bewertung. Der Grund: “Die Kommission nehme sich in vielen Fällen zu wenig Zeit, um die Folgenabschätzungen hinreichend vorzubereiten und durchzuführen”, steht im Jahresbericht für 2020.

    Erhält eine Folgenabschätzung ein negatives Feedback, muss die Kommission den Text nachbessern und erneut einreichen. Zwei negative Bewertungen, wie im Falle des Gesetzes zur nachhaltigen Unternehmensführung, sind äußerst selten. 2020 gab es nur einen solchen Fall, und zwar die Folgenabschätzung für eine Richtlinie zur Gleichbezahlung von Frauen und Männern. In diesem Fall durfte die Kommission den Text ausnahmsweise ein drittes Mal einreichen und erhielt grünes Licht.

    Sonderweg beim Lieferkettengesetz

    Die Kommission kann das Gremium bei zwei negativen Bewertungen aber auch umgehen: Dazu braucht es den Zuspruch des Vizekommissars für institutionelle Beziehungen und Vorausschau, Maroš Šefčovič – so geschehen beim Lieferkettengesetz. Im Gesetz muss dann stehen, inwiefern die Kommission die Kritik des Regulatory Scrutiny Board berücksichtigt hat. Sie kann die Evaluierung des RSB also auch übergehen.

    Laut den Statuten muss der Ausschuss vollkommen unabhängig und autonom agieren. Die Mitglieder dürfen keine Anweisungen von anderen Institutionen oder Agenturen befolgen und sich nur mit registrierten Lobbyisten treffen.

    So weit die Theorie. In der Praxis ist alleine die Zusammensetzung des Gremiums problematisch. Bei sieben Mitgliedern, vier davon Kommissionsbeamte, sei es schwer, von einem unabhängigen, autonomen Gremium zu sprechen, kritisiert Tiemo Wölken: “Da sind die EU-Beamten immer im Übergewicht”.

    Regulatory Scrutiny Board ist unterbesetzt

    Hinzu kommt, dass das Regulatory Scrutiny Board seit mindestens zwei Jahren nicht mehr voll besetzt ist. 2020 hatte das Gremium nur vier, teils sogar nur drei Mitglieder, wie aus dem entsprechenden Jahresbericht hervorgeht. Mit nur drei Mitgliedern war das Gremium drei Monate lang gar nicht arbeitsfähig.

    Besonders schwer scheint der Kommission die Rekrutierung externer Mitglieder zu fallen, die auf Basis ihrer akademischen Leistung im Bereich Folgenabschätzungen und Regulierungspolitik ausgewählt werden. Auch aktuell sind dem RSB nur zwei Experten beigeordnet. Die Rekrutierung eines dritten Mitglieds sei “im Gange”, heißt es aus der Kommission. Die Suche läuft allerdings seit Ende 2020, wie aus dem entsprechenden Jahresbericht ersichtlich wird.

    So wird das Übergewicht der Kommissionsbeamten noch deutlicher. Das Quorum liegt bei vier Mitgliedern, bei Stimmengleichheit ist die Stimme des Vorsitzes entscheidend. Laut der Verfahrensordnung aus der Feder der aktuellen Vorsitzenden Veronica Gaffey, vormals Direktorin der Kommissionsbehörde für die Feststellung und Abwicklung individueller Ansprüche (PMO), gilt für die RSB-Mitglieder das Prinzip der kollektiven Verantwortung: Mitglieder dürfen die Entscheidungen nicht infrage stellen. Das bedeutet aber auch, dass die externen Mitglieder an die Entscheidungen der Kommissionsbeamten gebunden sind. Die Beamten könnten die externen Experten bei jeder Abstimmung überstimmen.

    Fehlendes Fachwissen in Umwelt- und Sozialpolitik

    Auch die fachliche Aufstellung der Mitglieder wirft Fragen auf. Laut Kommissionsentscheid müssen die Ausschussmitglieder Expertise in Makro- und Mikroökonomie, Sozialpolitik und Umweltpolitik aufweisen, sprich den drei Pfeilern der nachhaltigen Entwicklung. Dies werde immer relevanter, insbesondere vor dem Hintergrund des Fit-for-55-Paketes, schreibt selbst das Regulatory Scrutiny Board in seinem Jahresbericht.

    Sieht man sich die Lebensläufe der aktuellen Mitglieder an, so sitzen aber ausschließlich Wirtschaftswissenschaftler und Finanzexperten im Ausschuss. Nur ein Ökonom mit Fokus auf Klima- und Umweltpolitik war bis 2021 Mitglied: Andreas Kopp, der nun wieder als Wissenschaftler am Thinktank CEPS arbeitet. Das ist auch dem EU-Parlament aufgefallen, wie aus einer parlamentarischen Frage der Grünen-Politikerin Anna Cavazzini hervorgeht.

    Die Abgeordneten halten auch die Transparenz des RSB für unzureichend. Bernd Lange sprach anlässlich einer Anhörung des Handelsausschusses von einem “geheimen Gremium”, welches undemokratisch handele. Der SPD-Politiker hatte versucht, einen RSB-Vertreter in die Anhörung einzuladen, um die Stellungnahmen zum Lieferkettengesetz zu diskutieren. Das Gremium lehnte ab. Stattdessen wohnte die Generaldirektorin für Handel, Sabine Weyand, der Sitzung bei. Sie beantwortete aber keine einzige Frage zum RSB.

    Lobbytreffen des Regulatory Scrutiny Board werfen Fragen auf

    Ähnlich ergeht es allen, die an die Bewertungen des Gremiums herankommen wollen. So lehnte die Kommission etwa die Access-to-Documents-Anfrage einer Wissenschaftlerin ab, die nach den Stellungnahmen zum Lieferkettengesetz gefragt hatte. Die Begründung: Es handele sich um Dokumente zu einer Entscheidung, welche die Kommission noch nicht getroffen habe.

    Auch Anfragen zu Treffen zwischen RSB-Mitgliedern und Interessensvertretern lehnte die Kommission ab, mit der Begründung, entsprechende Unterlagen existierten nicht. So geschehen etwa im Falle einer Anfrage von Lobbycontrol zum Digital Markets Act. Allein die Lobbyistentreffen der RSB-Vorsitzenden werden veröffentlicht.

    Laut Statuten dürfen die Mitglieder “keine individuellen Dossiers besprechen, welche die Interessensvertreter direkt betreffen”, sondern nur einen Überblick über die Arbeit des Gremiums liefern. Auffällig ist, dass sich die Vorsitzende Gaffey in den vergangenen drei Jahren fast ausschließlich mit Wirtschaftsvertretern getroffen hat, zuletzt etwa dem europäischen Industrieverband Business Europe. Das sagt nicht direkt etwas über den Inhalt der Unterredungen aus, zeigt aber, dass Unternehmensverbände einen privilegierten Zugang zum RSB haben.

    Ein Treffen mit dem französischen Verband der Privatunternehmen von 2020 lässt allerdings aufhorchen: Während am 17. Januar lediglich zu lesen war, der Verband habe um ein Treffen gebeten, um das Lieferkettengesetz zu besprechen, hat die Kommission den Eintrag zehn Tage später um Folgendes ergänzt: “Die Vorsitzende des RSB hat den Gesetzesvorschlag nicht besprochen, sondern eine generelle Vorstellung des Gremiums” geliefert. Das zeigt zumindest, dass die Treffen problematisch sind, was die Wahrung der Unabhängigkeit des Ausschusses anbelangt.

    Einschätzungen schwer zu finden

    Die Einschätzungen des Regulatory Scrutiny Board sollen in dem Moment öffentlich zugänglich sein, wenn die Kommission die entsprechende Gesetzesinitiative veröffentlicht. Doch dazu muss man die Dokumente erst aufspüren. Die RSB-Einschätzung zum Digital Services Act ist zum Beispiel schwer auffindbar. Im entsprechenden Gesetzestext befindet sich lediglich eine Fußnote mit dem Hinweis: “Links zur Zusammenfassung und zur positiven Stellungnahme des Ausschusses für Regulierungskontrolle werden nach ihrer Veröffentlichung eingefügt.”

    Nur über das Register der Kommissionsdokumente lässt sich die entsprechende Entscheidung finden. Die Stellungnahme ist zudem nicht komplett. Sie verweist auf “technische Anmerkungen”, welche der Ausschuss direkt an den Verfasser der Folgenabschätzung geschickt habe. Diese Anmerkungen sind nicht öffentlich.

    Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will das Gremium nun ein Stück weit reformieren. Am 1. März übernimmt der bisherige Generaldirektor für Übersetzung, Rytis Martikonis, den Vorsitz von Gaffey. Der Ausschuss soll künftig auch die Umsetzungskosten von Gesetzesinitiativen untersuchen und strategische Erwägungen sowie die Effekte der Covid-Pandemie berücksichtigen.

    Zudem wünscht sich von der Leyen, das Gremium solle besser über seine Rolle im Gesetzgebungsprozess informieren. Damit will sie das Vertrauen in die Kommission stärken. Tiemo Wölken fordert, dass zumindest die Stellungnahmen sofort und nicht erst bei der Vorstellung der Gesetze zugänglich sind: “Das aktuelle Katz- und Mausspiel hilft dem Vertrauen nicht.”

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    BVDW: “Gesetzgebungsstruktur babylonischen Ausmaßes”

    BVDW-Präsident Dirk Freytag und BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr
    BVDW-Präsident Dirk Freytag und BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr

    Herr Freytag, Herr Duhr, Teile der Digitalwirtschaft stehen derzeit unter enormem regulatorischem Druck. Die Auswirkungen der Datenschutzgrundverordnung werden sichtbarer, die Aufsichtsbehörden entscheidungsfreudiger.

    Dirk Freytag: Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass der Schutz der Privatsphäre der Konsumenten entsprechend der Regulatorik auch durchgesetzt wird. Wir haben in unserem Verband sehr viele Gruppen und Arbeitskreise gebildet, um die Privatsphäre zu schützen und trotzdem Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Es muss immer eine Waage sein zwischen beiden Bereichen. Wir sind aber in der misslichen Lage, dass bestimmte Elemente bis heute nicht da sind, die eigentlich zusammen mit der DSGVO kommen sollten. Wir agieren deshalb immer wieder im halb luftleeren Raum. Und jetzt ist es eben die Interpretation eines nicht vollständig klaren Rechtsrahmens.

    Sie meinen die E-Privacy-Verordnung, die eigentlich parallel zur DSGVO 2018 in Kraft treten sollte? Man sieht ja, etwa an den Entscheidungen der Aufsichtsbehörde CNIL in Frankreich, dass das Sprengkraft birgt.

    Thomas Duhr: Das zeitgleiche Inkrafttreten der E-Privacy-Verordnung war ein außerordentlich ambitioniertes Ziel und eigentlich von Anfang an nicht möglich. Wir sehen derzeit, dass zahlreiche der dafür vorgesehenen Elemente in zahlreichen anderen gesetzlichen Rahmenvorgaben seitens der Europäischen Union untergebracht werden. Teile finden sich in Auszügen nun im Digital Services Act, andere Teile in Versatzstücken im Digital Markets Act. Und sehr wahrscheinlich werden wir auch in Data Act und Data Governance Act Auszüge wiederfinden. Das heißt: Wir laufen in eine Gesetzgebungsstruktur babylonischen Ausmaßes. Mit der großen Gefahr, dass der Rechtsrahmen auf europäischer Ebene in einem einzigen Schildbürgerstreich endet.

    Dass mehr oder andere Regulierung notwendig ist, werden Sie wohl nicht bezweifeln.

    Duhr: Es ist essenziell, dass sich die Europäische Union auf den Weg macht, die digitale Wirtschaft mit Regelwerken weiterzuentwickeln – das brauchen Wirtschaft und Konsumenten. Wir sehen aber derzeit ein Übermaß an Aktivität, ohne eine saubere Reflexion und eine Überprüfung der zuletzt eingeführten Vorhaben auf ihre jeweiligen Auswirkungen.

    Die Datenschutzgrundverordnung, seit 2018 in Kraft, ist noch nicht in allen Auswirkungen und Facetten ausreichend beleuchtet. Wir würden uns eher wünschen, dass ein solches Regelwerk weiterentwickelt wird, als dass Ergänzungen mit unklarem Scope wie Säue durchs Dorf getrieben werden. Die Vielzahl an Gesetzesakten ermöglicht es nahezu keinem Marktteilnehmer, überhaupt noch zu verstehen, wo er sich denn jetzt bewegt und befindet. Das führt nicht zu einer gestärkten Digitalwirtschaft in der Europäischen Union. Sondern eher zu einem digitalen Schilda.

    “Ein Internet, das wir uns so nicht vorstellen können”

    Der DSA soll einige umstrittene Praktiken unterbinden. So will das Parlament etwa die datenbasierte Ansprache von Minderjährigen verbieten. Was kritisieren Sie daran?

    Duhr: Es gehört da nicht rein. Die DSGVO regelt die Verarbeitung von personenbezogenen und personenbeziehbaren Daten. Mit Regelwerken zur Verarbeitung der Daten von Kindern verwässert sich insgesamt die Kraft der DSGVO. Mit der derzeitigen Zielsetzung wird real genau das Gegenteil erreicht. Wie wollen Sie es einem Marktteilnehmer, einem Webseitenbetreiber ermöglichen, dass dieser eben nicht einen Gesetzesverstoß begeht? Das geht nur, wenn man vom Diktum der Datenminimierung und Datensparsamkeit Abstand nimmt und eine vollständige Identifikation jedes einzelnen Nutzers und Nutzungsvorgangs stattfindet. Das führt nicht zu weniger, sondern zu mehr Daten.

    Das hieße, dass ich nie feststellen kann, ob es ein Kind ist, ohne bereits dessen Daten verarbeitet zu haben. Was wäre die Folge?

    Duhr: Dass jede Webseite, die Sie heute kennen, eine harte Authentifizierung vorgeschaltet haben muss, damit diese Website überhaupt genutzt werden kann. Und ich rede von jeder Webseite, jeder Institution, jeder Behörde, eines Unternehmens, eines Privatmanns. Das ist, denke ich, ein Internet, das wir uns so nicht vorstellen können.

    Befürworter sagen, die Regelung ziele nur auf Tracking ab und am Ende wäre “nur” das Geschäftsmodell der trackingbasierten, werbefinanzierten Webseiten gefährdet …

    Duhr: Es ist ein Fehlschluss, dass Tracking eine Technologie ist, die ausschließlich für das Thema Werbefinanzierung eingesetzt wird. Ich benötige Tracking, um Leistungswerte zu erheben, um eine Analyse der Nutzung meines individuellen Angebots vorzunehmen, um eine Individualisierung meines Angebotes vorzunehmen. Ich benötige Trackingtechnologien richtigerweise auch, um spezifischere Werbung auszuspielen. Aber es ist eine Spielart ein- und derselben Technologie, die für alle anderen Sachverhalte benötigt wird, um digitale Dienstleistungen im Internet anbieten zu können.

    Viel Kritik an der Wirtschaft gibt es für ihre Versuche, Nutzer über Cookie-Banner und “Dark Patterns” zu Einwilligungen zu bewegen. Die Vorschläge, die nun auf dem Tisch liegen, wollen den Gestaltungsspielraum hier verringern. Hat die Digitalwirtschaft hier in der Vergangenheit überdreht?

    Duhr: (Lange Pause) Richtig ist sicherlich die Kritik, dass man übertrieben hat. Wie in nahezu allen Industrien gibt es auch in der Digitalwirtschaft schwarze Schafe. Die Reaktion seitens der Gesetzgeber kann aber nicht darin bestehen, dass man gesetzlich vorgibt, dass jeder Eintrittsbereich zu jedem Kaufhaus, zu jedem Geschäft absolut identisch ist. Das ist das Gegenteil von dem, was eigentlich erzielt werden sollte.

    Wie Dirk Freytag und Thomas Duhr vom BVDW auf den DMA, die Privacy-Shield-Debatte und die neue Bundesregierung blicken, können Sie auf unserer Website weiterlesen.

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    EU-Monitoring

    18.02.2022_Monitoring

    Informelle Ministertagung Verkehr
    21.02.-22.02.2022
    Agenda: Im Beisein von EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean werden die Verkehrsminister zum Meinungsaustausch über aktuelle Themen zusammenkommen.
    Infos

    Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
    21.02.2022 08:30 Uhr
    Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem Gedankenaustausche zur Klimadiplomatie, zur europäischen Sicherheitslage sowie zur Cyberübung.
    Vorläufige Tagesordnung

    Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
    21.02.2022 10:00 Uhr
    Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem eine Aussprache zu waldschädigenden Rohstoffen und Erzeugnissen in der EU, ein Gedankenaustausch zur verstärkten Kohärenz zwischen dem Green Deal, der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Handelspolitik sowie ein Bericht über das System pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen bei der Einfuhr in die EU.
    Vorläufige Tagesordnung

    Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
    22.02.2022 10:00 Uhr
    Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem die Vorbereitung des Europäischen Rats am 24. und 25. März, eine Aussprache zur Verbesserung der Krisenvorsorge, Reaktionsfähigkeit und Resilienz gegenüber künftigen Krisen sowie eine Anhörung zur Rechtsstaatlichkeit in Polen.
    Vorläufige Tagesordnung

    Ministerforum für die Zusammenarbeit im indopazifischen Raum
    22.02.2022
    Agenda: Im Rahmen des Forums befassen sich die EU-Außenminister, der EU-Außenbeauftragte sowie mehrere Außenminister der indopazifischen Region mit der Zusammenarbeit in der Region.
    Infos

    EuGH-Urteil zur Vollstreckung Europäischer Haftbefehle aus Polen
    22.02.2022
    Agenda: Das Bezirksgericht Amsterdam hat über die Vollstreckung zweier in Polen ausgestellter Europäischer Haftbefehle zu entscheiden. Es stellt sich die Frage, ob die Justizreformen in Polen einer Vollstreckung der beiden Europäischen Haftbefehle (und zahlreicher weiterer) aus Polen entgegenstehen.
    Schlussanträge

    Wöchentliche Kommissionssitzung
    23.02.2022
    Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem der Data Act (inklusive der Überprüfung der Richtlinie zum Schutz von Datenbanken) und ein Paket für eine gerechte und nachhaltige Wirtschaft, inklusive einer Mitteilung über menschenwürdige Arbeit weltweit und einer Richtlinie zur nachhaltigen Unternehmensführung. Im Anschluss an die Sitzung der Kommission findet voraussichtlich gegen 12:00 Uhr eine Pressekonferenz statt.
    Vorläufige Tagesordnung Richtlinie zum Schutz von Datenbanken Pressekonferenz Live

    Rat der EU: Wettbewerbsfähigkeit
    24.02.2022 10:00 Uhr
    Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem eine Aussprache zur Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsinformationen durch Unternehmen, eine Information der Kommission zum Chips Act sowie eine Information der Kommission über eine EU-Strategie zur Normung.
    Infos

    Informelle Ministertagung Wirtschaft und Finanzen
    25.02-26.02.2022
    Agenda: Die Wirtschafts- und Finanzminister beschäftigen sich mit aktuellen Fragen zur Wirtschafts- und Steuerpolitik sowie zur Regulierung von Finanzdienstleistungen.
    Infos

    Euro-Gruppe
    25.02.2022
    Agenda: Die vorläufige Tagesordnung war zu Redaktionsschluss noch nicht bekannt.
    Infos

    • Chips

    News

    Sorge vor russischem Einmarsch wächst erneut

    Die Sorge vor eines Angriff Russlands auf die Ukraine wächst trotz aller Beteuerungen aus Moskau. US-Präsident Joe Biden warnte am Donnerstag in Washington vor einer Invasion “in den nächsten paar Tagen“, die Gefahr dafür sei “sehr hoch”. Russland bekräftigte dagegen erneut seine Darstellung, es ziehe einen Teil seiner Truppen von der ukrainischen Grenze ab. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten kamen in Brüssel im Vorfeld des EU-Afrika-Gipfels zu einem Sondertreffen zusammen, um Vorbereitungen für mögliche Sanktionen im Falle einer russischen Aggression voranzutreiben.

    Verdacht des Angriffs Russlands auf die Ukraine unter falscher Flagge

    Biden warnte einmal mehr vor einem Krieg. Alles deute darauf hin, dass Russland für einen Angriff auf die Ukraine bereit sei. Es gebe auch Grund zur Annahme, dass Moskau in Operationen unter falscher Flagge verwickelt sei – so werden Machenschaften bezeichnet, um einen Vorwand für einen Angriff künstlich zu inszenieren. Ähnliche Sorgen äußerten Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

    Bundeskanzler Olaf Scholz betonte nach dem EU-Sondertreffen, Russland habe an der Grenze zur Ukraine genügend militärische Kräfte für eine Invasion zusammengezogen. “Das ist bedrohlich, und das bleibt auch eine bedrohliche Situation, und da darf man nicht naiv sein”, sagte Scholz. “Wenn es zu einer militärischen Aggression gegen die Ukraine kommt, dann wird das Konsequenzen haben, und wir sind vorbereitet, auch dann mit Sanktionen zu reagieren.”

    “Beispiellose Kosten” einer militärischen Aggression

    Später verschärften Deutschland, Frankreich und mehrere europäische Verbündete den Ton nochmals. “Wir betonen, dass jede weitere militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine massive Folgen haben und beispiellose Kosten nach sich ziehen würde”, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme nach einer UN-Sicherheitsratssitzung in New York.

    Russland bekräftigte hingegen erneut den angeblichen Teilabzug. Nach dem Abschluss von Manövern seien Panzer zum Abtransport bereit gemacht worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Dazu veröffentlichte es ein Foto, das die Kampffahrzeuge zeigen soll. Zudem betonte Russland, seine Truppen nach Ende eines planmäßig bis Sonntag laufenden Militärmanövers aus dem Nachbarland Belarus abzuziehen.

    Die prorussischen Separatisten im Konfliktgebiet in der Ostukraine und ukrainische Regierungstruppen warfen sich erneut gegenseitig Verstöße gegen den geltenden Waffenstillstand vor. Die Rebellen sprachen von Mörsergranatenbeschuss im Gebiet von Luhansk und beschossenen Stellungen auch im Donezker Gebiet. Laut der Regierung sollen wiederum die Separatisten im Laufe des Tages Dutzende Male gegen den Waffenstillstand verstoßen haben. Der Kreml bezeichnete die Lage als “gefährlich”. Kiew habe seine “provokativen Handlungen” in den vergangenen Tagen verstärkt. dpa

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    Bündnis will schnelle Einführung einer “Klimaprämie”

    Ein Bündnis aus Umwelt- und Sozialverbänden sowie Kirchen fordert die Bundesregierung auf, zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger eine “Klimaprämie” einzuführen. Zugleich solle der CO2-Preis im Verkehrs- und Wärmebereich schneller angehoben werden, um eine Lenkungswirkung zu entfalten – das würde bedeuten, dass fossile Energieträger wie Öl und Gas und damit Tanken und Heizen teurer würden.

    Der deutsche CO2-Preis im Verkehrs- und Wärmebereich liegt in diesem Jahr bei 30 Euro pro Tonne, er steigt laut Gesetz bis 2025 auf 55 Euro an. Von 2026 an soll in einer dann beginnenden Marktphase ein Preiskorridor mit einem Mindestpreis von 55 Euro und einem Höchstpreis von 65 Euro festgelegt werden.

    Studie hält Umsetzung in dieser Legislaturperiode für möglich

    Die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung des Brennstoffemissionshandelsgesetzes sollten pro Kopf an die Bevölkerung zurückgegeben werden, teilten die Verbände am Donnerstag mit. Eine Studie in ihrem Auftrag komme zu dem Ergebnis, dass eine solche pauschale Pro-Kopf-Rückverteilung noch in dieser Legislaturperiode “bürokratiearm, kosteneffizient, rechtssicher” sowie im Einklang mit dem Datenschutz umgesetzt werden könne.

    Die Studie geht von einer jährlichen Rückerstattung von rund 130 Euro pro Kopf aus. “Wer viel CO2 auspustet und damit das Klima stärker belastet, zahlt viel. Wer wenig CO2 emittiert, zahlt wenig. Aber alle bekommen das Gleiche zurück”, sagte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, argumentierte, dass die schwächsten Haushalte mehr reinbekommen, als sie durch den CO2-Preis draufzahlen. Daher sei es ein gerechtes Instrument der Umverteilung.

    SPD, Grüne, FDP wollen Klimageld entwickeln

    Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es (Europe.Table berichtete), es solle ein “sozialer Kompensationsmechanismus” entwickelt werden, benannt wird dies auch als Klimageld. dpa/luk

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    EU-Parlament billigt Pläne für neue Lkw-Maut

    Das EU-Parlament hat einem neuen Maut-System für Lkw zugestimmt. Die Abgeordneten in Straßburg billigten am Donnerstag die bereits mit den EU-Mitgliedstaaten ausgehandelten Pläne. Demnach sollen ab 2030 keine Vignetten verkauft werden dürfen, die Lkw die Nutzung von Straßen für einen bestimmten Zeitraum erlauben.

    EU-Parlament: Lkw-Maut-Gebühren abhängig von Emissionen

    Stattdessen sollen künftig die tatsächlich zurückgelegten Kilometer maßgeblich für die Berechnung der Gebühr sein. So sollen das Verursacherprinzip (“der Verursacher zahlt”) und das Nutzerprinzip (“der Nutzer zahlt”) umgesetzt werden. Ausnahmeregelungen sind jedoch in begründeten Fällen möglich. Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen, die nicht im Transportgewerbe, sondern beispielsweise im Handwerk eingesetzt werden, können ebenfalls von der Maut ausgenommen werden.

    Zudem müssen ab 2026 unterschiedliche Gebührensätze für Lkw und Busse auf der Grundlage ihrer CO2-Emissionen und für Lieferwagen und Kleinbusse nach der Umweltverträglichkeit des Fahrzeugs festgelegt werden. Ab Mai 2023 müssen batterie- oder wasserstoffbetriebene Lkw mindestens 50 Prozent Preisnachlass bei den Straßenbenutzungsgebühren erhalten.

    Auch Neuerungen für Autofahrer

    Dies liefere Anreize, im Verkehrsbereich sauberere Fahrzeuge zu verwenden, kommentierte EP-Berichterstatter Giuseppe Ferrandino (S&D, IT). Der Umweltverband Transport and Environment (T&E) bezeichnete die Billigung des Parlaments als “Weichenstellung für umweltfreundliches Lkw-Fahren”. Aus deutscher Perspektive sei besonders die Mautausnahme für Handwerker ein wichtiger Erfolg, sagte Jens Gieseke, verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU im EU-Parlament.

    Die neuen Bestimmungen sehen auch Neuerungen für Busse und Autos vor. Für Autofahrer soll es künftig standardmäßig auch kurz gültige Vignetten geben: etwa für einen Tag, eine Woche oder zehn Tage. Zudem wird es eine Preisobergrenze geben. So sollen Gelegenheitsfahrer aus anderen EU-Ländern fairer behandelt werden. Die Mitgliedstaaten können bei Autos und Kleinbussen wählen, ob sie ein Vignetten- oder Maut-System nutzen wollen.

    Die EU-Länder sind auch mit den neuen Regeln nicht verpflichtet, Gebühren für die Nutzung ihrer Straßen zu erheben. Wollen sie das jedoch tun, so müssen sie sich an die EU-Regeln halten. Die Mitgliedstaaten haben schon zugestimmt. Nun haben sie zwei Jahre Zeit, die Bestimmungen in nationales Recht zu übernehmen. dpa/luk

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    Berlin macht Weg frei für EU-Frauenquote

    Vor zehn Jahren hatte die Europäische Kommission eine EU-weite Frauenquote in Aufsichtsräten vorgeschlagen, nun scheint der Weg für die Richtlinie frei. Die Bundesregierung verständigte sich gestern darauf, das Vorhaben zu unterstützen. Damit dürfte beim Treffen des EPSCO-Rates am 14. März die nötige qualifizierte Mehrheit zustande kommen, und anschließend der Trilog beginnen. Die CDU-geführten Vorgängerregierungen hatten das Vorhaben jahrelang abgelehnt.

    Der Kommissionsvorschlag aus dem Jahr 2012 sah vor, dass börsennotierte Unternehmen mindestens 40 Prozent der nicht-exekutiven Mitglieder in den Aufsichts- und Verwaltungsräten mit dem jeweils unterrepräsentierten Geschlecht besetzen. Beziehen die Mitgliedstaaten den Vorstand in die Regelung mit ein, lautet die Zielmarke 33 Prozent. Die betroffenen Unternehmen sollen ein an klaren Kriterien orientiertes Auswahlverfahren gewährleisten und bei vergleichbarer Qualifikation den Frauen den Vorzug geben. Das Europaparlament hatte sich in seiner Stellungnahme zudem für Sanktionen ausgesprochen, wenn Unternehmen keine transparenten Auswahlverfahren gewährleisten.

    Frauenquote in Aufsichtsräten seit 2016 festgelegt

    In Deutschland gibt es seit 2016 eine gesetzliche Regelung, die eine Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten bestimmter Unternehmen vorsieht. Im vergangenen Sommer wurde diese im Zweiten Führungspositionen-Gesetz nachgeschärft. Diese sei mit den geplanten EU-Vorgaben vergleichbar, erklärte das Bundesfamilienministerium nun, daher werde es in Deutschland keinen Umsetzungsbedarf geben.

    Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte die Initiative Anfang des Jahres neu aufgegriffen, gemeinsam mit der französischen Ratspräsidentschaft. Das Kalkül: Mit dem Regierungswechsel in Berlin ließe sich die jahrelange Blockade im Rat lösen. SPD und Grüne hatten früh Zustimmung signalisiert. “Verbindliche Quoten wirken”, sagte Bundesfrauenministerin Anne Spiegel (SPD) nun. Zurückhaltender reagierte die FDP: “Eine Quote allein ist hier allerdings kein Allheilmittel“, sagte die frauenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Nicole Bauer, zu Europe.Table. Ebenso wichtig seien flexible Arbeitszeitmodelle und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

    Neben Deutschland hatten auch einige andere Mitgliedstaaten wie Schweden, Dänemark oder Polen die Initiative abgelehnt, aus unterschiedlichen Gründen. Einige dieser Länder dürften nun aber den Widerstand aufgeben: Die Richtlinie habe eine Chance, falls “ein großer Mitgliedstaat” seine Position ändere, sagte ein EU-Diplomat. Das ist nun geschehen. tho/sti

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    Infineon investiert Milliarden in neue Chipfabrik in Malaysia

    Der Halbleiterhersteller Infineon stellt sich auf eine weiter steigende Nachfrage nach Chips ein und investiert mehr als zwei Milliarden Euro in eine neue Fabrik in Malaysia. Die Anlage solle in der zweiten Jahreshälfte 2024 den Betrieb aufnehmen. Bei voller Auslastung werde sie zwei Milliarden Euro zusätzlichen Jahresumsatz mit Produkten auf Basis von Siliziumkarbid und Galliumnitrid ermöglichen, teilte der Konzern am Donnerstag mit.

    Infineon profitiert von der Nachfrage an Chips

    Der designierte Infineon-Chef Jochen Hanebeck sagte, das Unternehmen sehe nachhaltiges Wachstumspotenzial bei diesen neuen Materialien. “Zur Reduzierung der CO2-Emissionen sind innovative Technologien sowie die Nutzung grüner elektrischer Energie Schlüsselelemente.” Infineon unterstreiche mit der Investition den Anspruch, als Technologieführer bei Siliziumkarbid und Galliumnitrid auch Marktführer zu sein. Die beiden Materialien gelten als Zukunftstechnologie bei der Steuerung des Stromverbrauchs unter anderem in Elektroautos oder Ladestationen.

    Infineon profitiert derzeit von der weltweit wachsenden Chip-Nachfrage. Zugleich kommt das Unternehmen bei der Ausweitung der Produktion nicht so schnell voran wie erhofft. Hanebeck sprach zuletzt bei der Vorlage der Geschäftszahlen von längeren Lieferzeiten auch für Fabrikausrüstung. Erst vor wenigen Monaten hatte Infineon ein neues Werk im österreichischen Villach in Betrieb genommen.

    Wachsende Furcht vor Überkapazitäten

    Bei manchen Börsianern wächst aber nun die Furcht vor Überkapazitäten. Der Markt sei in Sorge, dass die Party bei den Halbleitern bald zu Ende sein könnte und dass die derzeit angekündigten und sich auch schon im Bau befindlichen Produktionsausweitungen schon bald zu Überkapazitäten führen würden, sagte Portfoliomanager Markus Golinski von Union Investment. “Das Risiko wächst, dass steigende Lagerbestände in einigen Produktbereichen in Kürze zu einer Korrektur führen könnten.” rtr

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    Rekordjahr für Europas Edu-Techs: Wagniskapital verdreifacht

    Im Jahr 2021 haben Investoren 2,5 Milliarden US-Dollar Venture-Capital (VC) in europäische Edu-Techs gesteckt. Das berichtet Brighteye Ventures, ein europäisches Venture-Capital-Unternehmen für Edu-Tech, in seinem European Edtech Funding Report 2022. Die Summe des Wagniskapitals für europäische Edu-Techs habe sich damit im Vergleich zu 2020 verdreifacht. Von 2019 auf 2020 hatten sich die Investments gerade mal um 60 Millionen Dollar gesteigert.

    Europa überholt China bei Venture Capital-Investitionen in Edu-Tech

    Weltweit stiegen die VC-Finanzierungen von 15 Milliarden Dollar im Jahr 2020 auf 20,1 Milliarden Dollar im Jahr 2021. In Europa und den USA stiegen die Summen stark, während sie in China von 8,1 Milliarden Dollar im Jahr 2020 auf nur 1,9 Milliarden im Jahr 2021 abfielen. Europa überholt die Chinesen damit erstmals. Der Rückgang chinesischer Risikoinvestitionen hängt laut Report vermutlich mit neuen Regulationen in China zusammen. Fast die Hälfte aller weltweiten VC-Investitionen in Edu-Tech wurden in US-amerikanische Firmen gemacht.

    Venture-Capital, Wagniskapital, beschreibt unternehmerische Beteiligungen, die nicht über Handelsbörsen abgewickelt werden. Private Investoren oder Beteiligungsgesellschaften kaufen Unternehmensanteile mit ihrem Vermögen. Diese Form der Investition wird aufgrund des hohen Risikos häufig bei der Finanzierung von Start-ups verwendet. ee

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    Presseschau

    EU-Afrika-Gipfel: Neuanfang mit Skepsis TAGESSCHAU
    EU-Afrika-Gipfel: Digitalisierung hat für viele Priorität EURONEWS
    EU Eyes Bolstering Carbon Market Transparency as Prices Surge BLOOMBERG
    UK green economy has failed to grow since 2014, according to official data THE GUARDIAN
    Mangel an Mikrochips: EU-Neuwagenmarkt fällt auf Rekordtief T-ONLINE
    EU-Spielzeugrichtlinie: Parlament fordert mehr Regeln für Cybersicherheit HEISE
    Moderna will in Europa expandieren FAZ
    Bundeswehr nicht betroffen: Frankreich will Mali-Einsatz beenden ZDF
    Investoren in Großbritannien: Das Ende der “goldenen Visa”? TAGESSCHAU

    Standpunkt

    Der Medizinprodukte-Rechtsrahmen muss weiterentwickelt werden

    Von Marc-Pierre Möll
    Medizinprodukte-Verordnung (MDR): Marc-Pierre Möll ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Medizintechnologie BVMed.
    Marc-Pierre Möll ist Geschäftsführer des Bundesverbandes Medizintechnologie BVMed.

    Die Medizinprodukte-Verordnung (MDR) ist eine Zäsur. Die Anforderungen an den Marktzugang von Medizinprodukten, an den Lebenszyklus des Produkts und an die Benannten Stellen steigen erheblich. Der neue Rechtsrahmen betrifft dabei nicht nur neue Medizinprodukte, sondern auch alle bewährten und sicheren Bestandsprodukte sowie Spezialprodukte etwa für kleine Patientenpopulationen. Alle Benannten Stellen müssen einen langwierigen europäischen Benennungsprozess durchlaufen. Die Prüfzeit für die umfangreicheren Akten ist deutlich erhöht.

    Die neue EU-Verordnung zeigt bereits jetzt drastische Auswirkungen im Medizintechnik-Markt. Der BVMed führte dazu im Herbst 2021 eine Umfrage durch, an der sich 88 Mitgliedsunternehmen beteiligt haben. Über 70 Prozent der BVMed-Mitgliedsunternehmen haben aufgrund der Neuregelungen durch die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) bereits einzelne Medizinprodukte oder ganze Produktlinien eingestellt. Über 55 Prozent der befragten BVMed-Unternehmen gaben an, dass bisherige Lieferanten bereits ihre Geschäftstätigkeit aufgrund der MDR eingestellt haben.

    Es droht ein gewaltiger Zertifikatsstau

    Auch fast neun Monate nach Geltungsbeginn der MDR gilt: Die Medizintechnik-Branche ist bereit, das System ist es nicht. Noch immer gibt es einen dramatischen Kapazitätsengpass bei den Benannten Stellen. Es droht ein gewaltiger Zertifikatsstau in den nächsten Jahren aufgrund der knappen Ressourcen, die besser eingesetzt werden müssen. Und nicht nur das: Innovationen kommen zum Erliegen, da sich Forschungsabteilungen aktuell auf die MDR-Regularien fokussieren müssen.

    Der Handlungsdruck wächst. Benannte Stellen müssen ihre Kapazitäten kanalisieren und besser nutzen, sich auf QMS-Audits und die Reviews von Technischen Dokumentationen konzentrieren, um den Zertifikatsstau zu entzerren. Außerdem müssen pragmatische Lösungen für Bestands- und Nischenprodukte etabliert werden.

    Der BVMed sieht folgende Lösungsansätze:

    • Der Designations-Zeitraum für Benannte Stellen muss verkürzt und Anreize für neue Applikationen gesetzt werden. Alle Scopes (Fachspektren) müssen ausreichend abgedeckt sein.
    • Der drohende Zertifikatsstau im Mai 2024 muss entzerrt werden: Dafür werden genügend Ressourcen in den Benannten Stellen benötigt. Die Kapazität muss besser genutzt und die Prioritäten richtig gesetzt werden: in QMS-Audits und den Review von Technischen Dokumentationen.
    • Für Hersteller, die nachweislich keine Benannte Stelle finden oder deren bestehende Verträge aufgekündigt oder nicht verlängert werden, müssen Lösungen etabliert werden. Zudem sollten Zertifikate, die mit einer verkürzten Laufzeit erstellt wurden, auf die normale Laufzeit von fünf Jahren verlängert werden.
    • Für bewährte und sichere Bestandsprodukte müssen pragmatische Lösungen beispielsweise über das Instrument der “Anerkennung klinischer Praxis” gefunden werden.
    • Für Nischen- bzw. Spezialprodukte, die in kleiner Patientenpopulation angewendet werden, muss die EU-Kommission Ausnahmeregelungen in Europa schaffen.
    • Zur Erhöhung der regulatorischen Kompetenz sollten Förderprogramme aufgelegt und Kompetenzzentren etabliert werden – beispielsweise für die Planung und Durchführung von klinischen Studien sowie die Erstellung von klinischen Bewertungen und technischen Dokumentationen. Diese Förderprogramme dürfen sich nicht nur auf Neuentwicklungen und Innovationen beschränken, sondern müssen Bestandsprodukte einschließen und allen Akteuren – darunter Startups und KMU – zur Verfügung stehen.
    • Für die Marktbeobachtung benötigen wir ein agiles und digitales “Post-Market Surveillance”-System, um die Sicherheit der Patienten weiterhin zu gewährleisten. Dabei muss das gesamte Gesundheitssystem eingebunden werden: Fachgesellschaften, Krankenhäuser, Krankenkassen.

    Fazit: Wenn insbesondere KMU gezwungen sind, ihre F&E-Ressourcen zulasten der Innovationstätigkeit in die Regulatorik zu verlagern, dann zeigt das, dass man mit der MDR über das Ziel hinausgeschossen ist. Wir müssen daher die MDR strategisch weiterentwickeln. Unternehmen, Kliniken und Ärzteschaft sitzen hier beim Thema Versorgung und Sicherheit im selben Boot.

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    Apéropa

    Wie oft in den vergangenen Tagen von einer “gleichberechtigten Partnerschaft” die Rede war, angesichts des sechsten Gipfeltreffens zwischen der Europäischen und der Afrikanischen Union: Von einer Partnerschaft, die auf Vertrauen und gemeinsamen Interessen basiere, ist die Rede beispielsweise bei der EU-Kommission. Zwei Kontinente, die “Hand in Hand arbeiten”, forderte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen höchstselbst in ihrer Eröffnungsrede. Emmanuel Macron sprach von einem “finanziellen New Deal mit Afrika”.

    Die Rhetorik vor dem EU-AU-Gipfel ist sehr eindeutig: keine neokolonialistische Abhängigkeitsbeziehung mehr. Die afrikanischen Länder sollen auf eigenen Beinen stehen, sich hauptsächlich aus eigener Kraft zu Wohlstand verhelfen. Europa soll lediglich dort unterstützen, wo es gemeinsame Interessen gibt.

    Pierrette Herzberger-Fofana (Grüne), stellvertretende Vorsitzende des Entwicklungsausschusses des Europäischen Parlaments, mahnt deshalb völlig zurecht, jede Helfermentalität müsse abgeschafft und Vertrauen in lokale Expertise und lokales Fachwissen gesetzt werden. Hildegard Bentele, entwicklungspolitische Sprecherin der CDU/CSU im EU-Parlament, sieht es ähnlich. Die frühere Geber-Empfänger-Beziehung habe ausgedient, erklärte sie.

    Das ist also nun der Maßstab, an dem von nun an die europäisch-afrikanischen Beziehungen gemessen werden. Schaut man sich allerdings die tatsächlichen Beziehungen an, die Europa anstrebt, wird schnell klar: Es ist eben doch nur Rhetorik.

    Obwohl man keine Geber-Empfänger-Beziehung mehr möchte, gibt Europa hauptsächlich Geld. Mindestens 150 Milliarden Euro “für Afrika” in den nächsten sieben Jahren, so von der Leyen. Einiges davon soll in Energieprojekte fließen, die durchaus etwas bewirken können, um die Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern von vorneherein zu verhindern. Viel fließt allerdings auch in Wirtschaftszweige, von denen Europa hauptsächlich finanziell profitieren möchte. Ist das mit dem finanziellen New Deal gemeint?

    Die EVP schreibt in einer Veranstaltungseinladung mit dem Titel “Invest in Africa”, Afrika biete Unternehmer:innen bisher ungenutzte Chancen. Das Ziel sei, europäische Investitionen zu erhöhen, um die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas zu unterstützen. Das klingt aber nun schon sehr nach Helfermentalität.

    Was viel zu kurz kommt während des Gipfels, ist das Thema Migration. Seit Jahren ist eine der Kernforderung vieler afrikanischer Staaten und Menschenrechtsorganisationen die Schaffung sicherer Migrationskorridore und echter Migrationsperspektiven für Afrikaner:innen in Europa. Als Europäer:in gibt es quasi keine Hürden, in ein afrikanisches Land zu gehen, ob als Tourist oder Unternehmerin. Andersherum gilt das keineswegs.

    Hier tut sich allerdings kaum etwas. Stattdessen wird die europäische Grenzschutz-Agentur Frontex trotz Kritik wegen ihrer menschenunwürdigen Methoden weiter verstärkt, und die europäische Festung wird immer massiver. Von Beziehungen auf Augenhöhe ist auch hier keine Spur.

    Es sei wichtig, nicht aus einer rein europäischen Perspektive zu denken und zu handeln, fordert deshalb Jessica Bither, Migrationsexpertin der Robert Bosch Stiftung. Migration und Mobilität sollten als ein wichtiger Teil und eine Chance für die Zusammenarbeit in anderen wichtigen Bereichen auf der Agenda betrachtet werden, wie Klimawandel, digitale Zusammenarbeit oder Stabilität. Vielleicht wäre das mal ein Ansatz für den nächsten EU-AU-Gipfel. Lukas Scheid

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

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