Table.Briefing: Europe

Herbst-Agenda der EU-Verkehrspolitik + Italiens China-Kurs nach der Wahl + Frauke Thies

  • Ausblick: Die Herbst-Agenda der EU-Verkehrspolitik
  • Wahl in Italien: Favoritin Meloni verfolgt klaren Anti-China-Kurs
  • Gefahr von Gas-Lieferstopp: Italien plant Einsparungen
  • EU-Kommission: Keine Förderung für MidCat-Pipeline
  • Neue Visa-Regelungen für Russen ab kommender Woche
  • EU und USA importieren trotz Ukraine-Krieg mehr Industriemetalle aus Russland
  • Vestager stoppt Biotech-Deal
  • Im Porträt: Frauke Thies – Klimaexpertin für die Agora
  • Apéropa: Exporte nach China
Liebe Leserin, lieber Leser,

in unserer Vorschau auf den Herbst nehmen wir heute die EU-Verkehrspolitik in den Blick. Eine zügige Einigung zwischen EU-Parlament und Rat wird bei den Vorschlägen zum Verbrenner-Aus 2035 und den verschärften CO2-Flottengrenzwerten für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge erwartet. Anders dürfte es beim Dossier zum Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur (AFIR) aussehen. Mit großer Spannung erwartet werden die ausstehenden Vorschläge der Kommission, etwa für die Schadstoffregulierung im Verkehr (Euro 7) und die CO2-Flottenregulierung bei schweren Nutzfahrzeugen. Markus Grabitz gibt einen Überblick über die Zeitpläne und mögliche Konfliktlinien. 

“Golden Power Rules” – so wird Italiens FDI-Screening-Mechanismus genannt. Unter Mario Draghi hat das Land Investitionen aus China vergleichsweise streng geprüft. Seit seinem Amtsantritt im Februar 2021 wurden so unter anderem drei chinesische Übernahmen verhindert. Der kritische Kurs gegenüber China könnte sich nach der Parlamentswahl noch deutlich verschärfen, wie Amelie Richter analysiert: Favoritin Giorgia Meloni, Chefin der Fratelli d’Italia, ist mit einem klaren Anti-China-Ansatz angetreten und hat mit einem Foto gezeigt, dass sie auch in Bezug auf Chinas Taiwan-Politik auf Konfrontation gehen dürfte.

Die Stelle für die Leitung der Agora Energiewende war vakant geworden, nachdem der langjährige Chef Patrick Graichen als Staatssekretär ins Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gewechselt war. Nun leitet Frauke Thies den Think-Tank als Teil einer Doppelspitze. Ihr Schwerpunkt liegt in Brüssel, von wo aus sie die europäische Arbeit der Agora stärken soll. Das Thema, das die Expertinnen und Experten zurzeit vor allem umtreibt: Wie kommen wir klimapolitisch sinnvoll durch die Energiekrise? Mehr über Thies erfahren Sie im Porträt von Sarah Tekath

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Sarah Schaefer
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Analyse

Ausblick: Die Herbst-Agenda der EU-Verkehrspolitik

Die Auto-relevanten Vorschläge der Kommission aus dem Fit-for-55-Paket sind auf der Zielgeraden der Gesetzgebung. Es geht um die beiden zentralen Instrumente, die den Ausstoß von Treibhausgasemissionen im Verkehr bis 2030 um 90 Prozent senken sollen. Zügig dürften sich die Co-Gesetzgeber – EU-Parlament und Rat – bei dem ersten Dossier einigen, bei dem es auf das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 sowie die verschärften CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge hinausläuft.

Anders sieht es bei dem zweiten Dossier aus, bei dem es um den Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur (AFIR) geht. Das Parlament wird erst in der zweiten Sitzungswoche im Oktober (ab 18.10.) über den Bericht abstimmen. Wenn die Abstimmung gelaufen ist, wird der Zeitplan für den Trilog erstellt.

Verordnung zum Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR)

Terminplan: Beim heutigen Treffen von Ertug mit den Schattenberichterstattern soll ein kompromissfähiger Text gezimmert werden, der am 3. Oktober im Ausschuss abgestimmt wird. Wenn es schnell geht, wird noch in der zweiten Oktober-Sitzungswoche im Straßburger Plenum abgestimmt. Frühestens im November geht der Trilog los, der sicher nicht von der tschechischen Ratspräsidentschaft bis Weihnachten abgeschlossen wird. Mit einem Ergebnis wird frühestens im Frühjahr 2023 gerechnet.

Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass die Mitgliedstaaten im öffentlichen Raum entlang den Magistralen eine Mindestanzahl von Ladepunkten für E-Flotten und Wasserstofffahrzeuge schaffen. Die Zahl richtet sich nach der jeweiligen Flottengröße der Fahrzeuge mit den alternativen Antrieben. Für reine E-Autos (BEV) soll mehr Ladeleistung vorgehalten werden als für Plug-In-Hybride. Der Mindestabstand zwischen den Ladestationen wird ebenfalls definiert.

Auch die Versorgung mit Flüssigmethan sowie der Aufbau der Stromversorgung für Flugzeuge in Park- und Wartepositionen sowie von Schiffen in Binnen- und Seehäfen sollen geregelt werden. Konfliktpotenzial: Die Mitgliedstaaten stehen eher auf der Bremse, das Parlament will ehrgeiziger vorangehen und würde auch gern Strafzahlungen von 1000 Euro für jeden Ladepunkt durchsetzen, der nicht geschaffen wurde.

Akteure: Frans Timmermans (Vize-Präsident der Kommission, zuständig für den Green Deal); Berichterstatter Ismail Ertug (SPD); Schatten-Berichterstatter Jens Gieseke (CDU), zuständiger Ausschuss im EP: Verkehrsausschuss (TRAN)

Der AFIR-Vorschlag stammt vom 14. Juli 2021

Verbrenner-Aus 2035 und CO2-Flottenregulierung

Terminplan: Berichterstatter Jan Huitema dürfte bei der Sitzung des ENVI am Donnerstag die ersten Termine für den Trilog bekannt geben. Es wird damit gerechnet, dass höchstens drei Trilog-Sitzungen nötig sind, um eine Einigung zu erzielen. Es zeichnet sich ab, worauf man sich einigen wird: Parlament und Mitgliedstaaten wollen, dass ab 2035 keine Pkw mit Verbrennungsmotoren mehr neu in der EU zugelassen werden. Außerdem sollen die Hersteller bei Pkw-Neufahrzeugen den CO2-Ausstoß von 2021 bis 2030 noch einmal um 55 Prozent senken und bei Lieferwagen um 50 Prozent. Der Verhandlungsführer des Parlaments will auch noch verbindliche Zwischenziele 2027 einziehen, dürfte damit aber im Trilog keinen Erfolg haben.

Ein Streitpunkt sind synthetische Kraftstoffe. Parlament und Kommission wollen nicht, dass Hersteller sich den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen auf die CO2-Bilanz der Flotten anrechnen lassen können. Die Umweltminister der 27 Mitgliedstaaten haben die Kommission aufgefordert, einen Vorschlag für den Markthochlauf von synthetischen Kraftstoffen zu machen. Damit der Vorschlag noch in die Gesetzgebung integriert werden kann, müsste er zügig kommen. Das ist aber nicht absehbar.

Akteure: Frans Timmermans (Vize-Präsident der Kommission, zuständig für den Green Deal); Berichterstatter Jan Huitema (Liberale); Schattenberichterstatter Jens Gieseke (CDU); zuständiger Ausschuss im EP: Umweltausschuss (ENVI). Die Ausschüsse für Verkehr (TRAN) und Industrie (ITRE) geben Stellungnahmen ab.

Die Kommission hat ihren Vorschlag für die CO2-Flottenregulierung am 14. Juli 2021 unterbreitet.

Schifffahrt

Die Kommission schlägt vor, bei großen Schiffen ab 5000 Bruttoregistertonnen den Einsatz von fossilen Kraftstoffen ab dem Jahr 2025 Schritt für Schritt zu reduzieren. Das Parlament fordert in einer Entschließung die Abkehr von Schweröl in der Schifffahrt und mehr Investitionen für die Dekarbonisierung der Schifffahrt.

Akteure: Im Parlament ist der Verkehrsausschuss (TRAN) zuständig; Berichterstatter ist Jörgen Warborn (EVP, Schweden), die Ausschüsse für Industrie (ITRE) und Umwelt (ENVI) sind beteiligt. Im TRAN-Ausschuss soll im Oktober abgestimmt werden, im Plenum im November.

Luftfahrt

Im Zuge des Fit-for-55-Pakets schlägt die Kommission vor, Maßnahmen für die Verwendung nachhaltiger Kraftstoffe in der Luftfahrt zu ergreifen. Auf diese Weise sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen für nachhaltigen Luftverkehr entstehen. Die Maßnahmen werden ReFuelEU-Aviation-Inititive genannt.

Akteure: Im Parlament ist der Verkehrsausschuss (TRAN) federführend. Berichterstatter ist Søren Gade (Liberaler, Dänemark).

Teil von Fit-for 55 ist zudem das Bestreben der Kommission, die in Europa ansässigen Fluglinien stärker in CORSIA einzubinden, das System der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks. Dafür sollen die Bestimmungen im Emissionshandelssystem (ETS) für die Luftfahrt so geändert werden, dass die Mitgliedstaaten die in der EU ansässigen Fluggesellschaften über ihre Kompensationsverpflichtungen im Rahmen von CORSIA informieren.

Akteure: Im Parlament ist der Umweltausschuss zuständig. Berichterstatterin ist Sunčana Glavak (EVP, Kroatien).

Ausstehende Vorschläge der Kommission

Vorgesehen ist, dass die Kommission am 12. Oktober ihren Vorschlag für die nächste Stufe der Schadstoffregulierung im Verkehr (Euro 7) vorlegt. Davon wären Pkw, Lieferwagen, Busse und Nutzfahrzeuge betroffen – sowohl Verbrenner als auch etwa beim Reifenabrieb E-Autos. Inzwischen gibt es aber erste Hinweise aus der Kommission, dass der Termin erneut verschoben wird. Die Zahl der erfassten Schadstoffe soll ausgeweitet, die Grenzwerte verschärft werden. Die Industrie wartet auf den Euro-7-Vorschlag, sie braucht Planungssicherheit.    

Am 26. Oktober will die Kommission ihren Vorschlag für die Luftreinhaltungsrichtlinie vorlegen. Vorgesehen ist, dass die Standards zur Luftqualität den sehr strikten Empfehlungen der World Health Organization (WHO) angenähert werden. Die Frage ist, ob die Kommission eine 1:1-Umsetzung der Grenzwerte vorschlägt.

Am 30. November soll der Vorschlag für die CO2-Flottenregulierung bei schweren Nutzfahrzeugen kommen. Dabei stellt sich wie bei Pkw und Lieferwagen erneut die Frage, ab welchem Jahr keine Lastwagen mehr mit Verbrennungsmotoren in der EU zugelassen werden sollen. Außerdem geht es um die Frage, welche Technologien die Kommission für die Dekarbonisierung zulässt: Gesetzt sind batterieelektrische sowie Lkw mit Brennstoffzelle. Fraglich ist, wie die Kommission mit dem Wasserstoff-Motor und mit synthetischen Kraftstoffen bei Nutzfahrzeugen umgehen will. Mit Claire Stam

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Wahl in Italien: Favoritin Meloni verfolgt klaren Anti-China-Kurs

Die Anteile Chinas an Direktinvestitionen in der EU sind im vergangenen Jahr zurückgegangen. 2021 entfielen auf die Volksrepublik gerade einmal noch 2,3 Prozent aller ausländischen Übernahmen, wie die EU-Kommission in einem neuen Bericht mitteilt. Im Jahr 2020 waren es noch 3,4 Prozent. Im Greenfield-Bereich sanken die Investitionen von 7,1 Prozent auf 6 Prozent. Der Begriff Greenfield Investment beschreibt den Neu- oder Zubau beziehungsweise die Erweiterung von Betrieben mit Fokus auf Produktion. Der Wert der FDI aus China stieg jedoch: Waren 2020 noch 6,5 Milliarden Euro investiert worden, waren es in 2021 rund neun Milliarden Euro.

Strenge chinesische Kapitalkontrollen und die Konzentration auf bestimmte Kernbranchen hätten die Direktinvestitionen aus der Volksrepublik geschmälert, so die Brüsseler Behörde. Zur Erklärung der Entwicklung gehört auch: Einige EU-Staaten haben ihre Prüfungsmechanismen verstärkt und schauen bei möglichen Investitionen genauer hin. Italien galt hier mit der Regierung von Mario Draghi als gutes Vorbild.

Draghi hat die “Golden Power Rules” – wie Italiens FDI-Screening-Mechanismus genannt wird – mehr als jeder der vorangegangenen Regierungschefs genutzt. Seit seinem Amtsantritt im Februar 2021 wurden die Investitionsprüfungen angewendet, um drei chinesische Übernahmen und die Bedingungen einer Anteilserhöhung durch einen bestehenden Anteilseigner zu verhindern. Eine weitere Übernahme wurde zudem ganz rückgängig gemacht, obwohl diese vor Draghis Amtszeit abgeschlossen worden war.

“Schizophrene” China-Politik nach der Wahl?

“Die Golden Power Rules haben sich seit ihrer Einführung im Jahr 2012 sehr gut entwickelt”, sagt Francesca Ghiretti, Analystin beim Berliner China-Forschungsinstitut Merics. Italien verfüge über einen der effektivsten Mechanismen zur Überprüfung ausländischer Investitionen innerhalb der Europäischen Union.

Für die Überarbeitung der EU-weiten Richtlinien, die für 2023 geplant ist, könne der italienische Ansatz allerdings nur begrenzt dienen: Da die FDI-Screenings auf Basis der nationalen Sicherheit durchgeführt werden und diese in den Hauptstädten entschieden wird, kann Brüssel nie so weit gehen wie die einzelnen Mitgliedsstaaten selbst, erklärt Ghiretti. Die Überarbeitung des Investment-Screenings der EU kann sich also höchstens am italienischen Ansatz ein Vorbild nehmen.

Die “Golden Power Rules” seien bei Weitem auch nicht perfekt, so Ghiretti. “Die Entscheidungen, welche Investitionen geblockt und welche neu verhandelt werden, sind sehr politisch und hängen davon ab, wer gerade das Land regiert. Das kann dann so oder so laufen.” Und so könnte Screening-Musterschüler Italien bald einen Wandel erfahren.

Denn wie Rom künftig mit dem FDI-Screening und ausländischen Investitionen umgehen wird, wird nach der Wahl Ende September besonders spannend. Mit dem durchaus wahrscheinlichen Wahlsieg des rechtspopulistischen Bündnisses unter Giorgia Meloni könnte in den Palazzo Chigi eine “schizophrene” China-Politik einziehen, wie Ghiretti es nennt. 

Meloni mit klarem Anti-China-Ansatz

Am 25. September wählt Italien ein neues Parlament. Dieses bestimmt dann den Regierungschef – oder wie nun der Fall: möglicherweise Italiens erste Regierungschefin. Favoritin auf das Amt ist die Rechtspopulistin Giorgia Meloni.

Meloni, Chefin der Fratelli d’Italia, ist bisher mit einem klaren Anti-China-Ansatz angetreten. Ihr Bündnispartner Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Partei Lega und Ex-Premier Silvio Berlusconi hätten in der Vergangenheit jedoch eine eher erratische China-Politik betrieben, urteilt Merics-Analystin Ghiretti. “An einem Tag sprach er sich gegen China aus, an dem nächsten Tag wieder dafür”, sagt Ghiretti mit Blick auf Lega-Chef Salvini, der von Juni 2018 bis September 2019 bereits italienischer Innenminister und Vize-Ministerpräsident war.

Dass das rechtspopulistische Bündnis seine China-Politik als Druckmittel gegen Brüssel einsetzen könnte, wäre keine große Überraschung, meint Ghiretti. Die inkonsistente Politik und gegensätzliche Aussagen der drei Bündnispartner gegenüber Peking in der Vergangenheit machten einen Ausblick auf die kommende China-Politik unter einer Ministerpräsidentin Meloni schwierig.

Giorgia Meloni steht seit 2014 an der Spitze der Fratelli d’Italia, einer Partei, die sie zwei Jahre zuvor mitbegründet hatte. Fratelli bezeichnet sich selbst als “national-konservative, nationalistische, traditionalistische, postfaschistische und souveränistische Partei”. Im EU-Parlament sind ihre Mitglieder in der Fraktion der Partei “Europäische Konservative und Reformer” vertreten, unter anderem zusammen mit der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

Zeichen setzen mit Taiwans Vertreter in Rom

Inhaltlich wird Meloni gern mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán verglichen: ultrakonservative Familienansichten, gegen die LGBTQ-Community gerichtet, migrationsfeindlich. Was China angehe, sei die 45-Jährige jedoch anders gestrickt als Ungarns Regierungschef, sagt die italienische Journalistin Giulia Pompili, die Chinas Aktivitäten in ihrem Heimatland seit Jahren genau verfolgt: “Sowas wie mit der Fudan-Universität in Budapest würde mit Meloni nie passieren.”

In Ungarns Hauptstadt ist ein erbitterter Streit über die geplante Einrichtung eines ungarischen Ablegers der chinesischen Fudan-Universität ausgebrochen (China.Table berichtete). Während die rechtsnationale Regierung um Orbán den Bau vorantreibt, kritisierten aufgebrachte Bürger, dass damit eine von der Kommunistischen Partei Chinas kontrollierte Einrichtung aus ungarischen Steuergeldern finanziert werden solle. Die italienische Rechtspopulistin Meloni sei vielmehr “trumpisch” unterwegs, quasi “Italy First”.

Wegen dieses Fokus habe die mögliche nächste Ministerpräsidentin bisher auf außenpolitischen Bühnen auch so gut wie gar nicht stattgefunden, meint Pompili. “Sie war bisher sehr auf die italienischen Angelegenheiten fokussiert.” Seit einigen Wochen sei nun aber auch China in Melonis Aufmerksamkeitskreis gerückt – und dabei geht sie in die Vollen. Ende Juli veröffentlichte sie ein Foto mit Andrea Sing-Ying Lee, dem taiwanischen Vertreter in Italien, auf Twitter. Besonders auffallend dabei: Meloni spricht von ihm als “Botschafter” – eine Formulierung, die in Peking nicht gern gesehen wird. Die Politikerin habe damit ganz klar ein Zeichen setzen wollen, urteilt Journalistin Pompili.

Zentristen ohne Plan

Diese Stoßrichtung der nächsten möglichen Ministerpräsidentin Italiens werde auch Einfluss auf die ausländischen Investitionen haben: “Ich schätze, dass unter einer Meloni-Regierung die Direktinvestitionen aus China dramatisch fallen werden“, sagt Pompili – auch wenn natürlich nicht die gesamte Führungsriege aus der rechtspopulistischen Fratelli d’Italia stammen wird.

Wer im Falle des Wahlsiegs für Meloni, Berlusconi und Salvini das Amt des Außenministers oder der Außenministerin besetzen wird, ist noch nicht klar. Meloni hat jedoch den ehemaligen italienischen Außenminister Giulio Terzi di Sant’Agata auf ihre Wahlliste gesetzt. Das bedeutet nicht, dass dieser den Posten abermals ausfüllen wird. Der 76-Jährige, der für eine klare Anti-China-Politik bekannt ist, bewegt sich aber im engeren Dunstkreis der Rechtspopulistin.

Meloni profitiert im Wahlkampf derzeit stark von der Planlosigkeit der Zentristen um Enrico Letta. “Letta äußert sich kaum zu Außenpolitik oder China”, sagt Journalistin Pompili. Innerhalb der Demokraten sei keine richtige Position erkennbar. Letta habe sich zwar für den Schutz ausländischer Investitionen und den gleichzeitigen Schutz kritischer Infrastruktur in Italien ausgesprochen – einen genauen Fahrplan dafür gebe es bei Letta aber nicht, urteilt Pompili.

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News

Gefahr von Gas-Lieferstopp: Italien plant Einsparungen

Italien will wegen der Gefahr einer Unterbrechung von russischen Lieferungen Gas einsparen und sich so für den kommenden Winter wappnen. Die Maßnahmen dienten dazu, die Risiken eines möglichen totalen Lieferstopps aus Russland im kommenden Winter zu senken und um auf die EU-Anforderungen zur Verringerung des Konsums zu antworten, teilte das Ministerium für den ökologischen Wandel am Dienstag in Rom mit.

Der zuständige Minister Roberto Cingolani sieht dem Plan zufolge ein Einsparpotenzial von 5,3 Milliarden Kubikmeter Gas. Dies ergebe sich daraus, Strom aus anderen Quellen als Gas zu produzieren (2,1 Milliarden Kubikmeter) und weniger zu heizen (3,2 Milliarden Kubikmeter).

Die Maßnahmen seien lediglich eine erste Prognose, betonte das Ministerium. Derzeit liefen noch Gespräche mit Unternehmerverbänden und Firmen über weitere Einsparmöglichkeiten. Bei den Energie-Alternativen für die Stromproduktion denkt das Ministerium dem Plan zufolge hauptsächlich an Kohle. Außerdem will Cingolani die Heizperiode um 15 Tage reduzieren und die Heizkraftwerke am Tag eine Stunde weniger laufen lassen. Zusätzlich will das Ministerium mit einer Raumtemperatur um 17 Grad Celsius etwa in Industriebetrieben und ungefähr 19 Grad Celsius in den übrigen Gebäuden weiter Energie sparen. Davon ausgenommen sind zum Beispiel Krankenhäuser.

Italien deckte im Jahr 2021 und damit vor dem Krieg Russlands in der Ukraine seinen Gas-Bedarf von jährlich 76 Milliarden Kubikmetern mit 29 Milliarden Kubikmetern aus Moskau ab. Das Mittelmeerland schloss nach Kriegsbeginn neue Lieferverträge mit anderen Staaten. Bis 2025 will Italien 25 Milliarden Kubikmeter russischen Gases mit dem aus anderen Ländern ersetzt haben. Stand 1. September waren die Gas-Speicher Italiens zu 83 Prozent gefüllt. Das angepeilte Ziel liegt laut Ministerium bei 90 Prozent. dpa

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EU-Kommission: Keine Förderung für MidCat-Pipeline

In der Debatte über eine mögliche dritte Gaspipeline zwischen Frankreich und Spanien hat die Kommission klargestellt, dass dafür zunächst keine EU-Förderung vorgesehen ist. Die MidCat-Pipeline stehe nicht auf der Liste sogenannter Vorhaben von gemeinsamem Interesse, sagte ein Kommissionssprecher am Dienstag. Spanien und Frankreich hätten sich in der Vergangenheit dagegen ausgesprochen, das Projekt in die Liste für besonders zu fördernde Projekte aufzunehmen. Angesichts der angespannten Lage an den Energiemärkten hatten Spanien und auch Deutschland sich für die Pipeline eingesetzt, Frankreich sprach sich zuletzt jedoch dagegen aus.

Die Liste mit Vorhaben von gemeinsamem Interesse (PCIs) legt Projekte für die europäische Energieinfrastruktur fest, die schneller genehmigt und mit EU-Geldern unterstützt werden können. Die EU-Länder hatten die letzte Version der Liste im Mai angenommen und dafür gestimmt, künftig keine neuen Projekte mit fossilen Brennstoffen wie Gas oder Öl zu fördern.

Absage von Frankreich

“Potenziell förderfähig wären Wasserstoffinfrastrukturprojekte”, sagte der Kommissionssprecher. Als Beispiel nannte er Verbindungen von Flüssiggasterminals (LNG) auf der iberischen Halbinsel zum Rest Europas, durch die in Zukunft auch umweltfreundlicher Wasserstoff geliefert werden könnte. Er betonte jedoch: “Das Projekt ist noch nicht in einem Stadium, in dem wir beurteilen können, ob es für diese Finanzierung infrage kommt.”

Am Montag hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dem Vorhaben eine Absage erteilt. Spaniens Ministerin für Ökologischen Wandel, Teresa Ribera, beharrte auf dem Pipeline-Projekt. “Die MidCat-Debatte kann nicht durch die Erklärung eines Landes beendet werden”, sagte sie am Dienstag dem Radiosender Onca Cero.

Unkomplizierter verläuft es mit den Energie-Lieferungen zwischen Frankreich und Deutschland: Frankreich nimmt im Grenzgebiet zu Rheinland-Pfalz eine stillgelegte Gas-Pipeline wieder in Betrieb. Die eigentlich für Lieferungen nach Frankreich gebaute Leitung soll zum Winter Gas nach Deutschland bringen, sagen französische Regierungsbeamte. Ingesamt können demnach über die Leitung bis zu zwei Prozent des deutschen Bedarfs geliefert werden.

Am Montag hatten Deutschland und Frankreich sich auf Energie-Lieferungen in der Krise verständigt. Frankreich bekommt angesichts reparaturanfälliger AKW Strom aus Deutschland, umgekehrt soll Gas fließen. dpa/rtr

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Neue Visa-Regelungen für Russen ab kommender Woche

Die vollständige Aussetzung des Abkommens zwischen der EU und Russland über Visa-Erleichterungen dürfte Anfang nächster Woche in Kraft treten. Das kündigte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson in Brüssel an. Dieser Schritt, der auf dem EU-Außenministertreffen vergangene Woche in Prag beschlossen wurde, macht die Einreise in die EU für Russen etwas schwieriger, aber nicht unmöglich.

“Russland ist verantwortlich für eine ungerechtfertigte, unprovozierte militärische Aggression”, sagte Johansson am Dienstag. “Russische Bürger sollten keinen einfachen Zugang zur EU haben, und natürlich ist es kein Grundrecht, sich als Tourist in der EU aufzuhalten.” 

Konkret wird die Gebühr für ein Schengen-Visum von 35 Euro auf 80 Euro angehoben, die Standardbearbeitungszeit wird von 10 auf 15 Tage verlängert und die Anzahl der geforderten Nachweise wird erhöht.

Die EU-Kommission hat den Vorschlag der Staaten vergangene Woche angenommen. Nun müssen die 27 Mitglieder ihn formell genehmigen. Johansson zeigte sich zuversichtlich, dass dies noch in dieser Woche geschehen wird. “Ab Montagmorgen werden wir dann eine neue gemeinsame Visaregelung haben”, sagte sie.

Umgang mit gültigen Schengen-Visa

Seit Wochen drängten vor allem die baltischen und nordischen Staaten, die eine gemeinsame Grenze mit Russland haben, auf einen “Visa-Bann” für russische Touristen. Deutschland, Frankreich und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell lehnten dies aus moralischen und taktischen Gründen ab. Diese Aussetzung war also ein Kompromiss.

Derzeit gebe es weniger als eine Million gültige Schengen-Visa für Russen, sagte Johansson am Dienstag. Die Kommission arbeite noch an einer gemeinsamen Linie, wie damit umzugehen sei. Diese könnte nächste Woche vorgelegt werden. Es gehe auch darum, sicherzustellen, “dass wir immer offen sind für diejenigen, die geschützt werden müssen, und sie schützen”. In diesem Zusammenhang nannte sie Journalisten, Dissidenten, Menschenrechtsaktivisten, Studenten und Menschen, die aus familiären Gründen reisen.

Die Zahl von einer Million ist deutlich niedriger als die 12 Millionen, die beispielsweise der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis angegeben hat. Sein Land diskutiert mit Estland, Finnland, Lettland und Polen über eine regionale Lösung mit wesentlich strengeren Regeln. Helsinki hat bereits damit begonnen, die Zahl der Visa für Russen um 90 Prozent zu reduzieren. Viele russische Touristen sind aufgrund des Flugverbots auf dem Landweg nach Finnland eingereist. joy

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EU und USA importieren trotz Ukraine-Krieg mehr Industriemetalle aus Russland

Die EU und die USA haben Handelsdaten zufolge trotz des Ukraine-Kriegs ihre Einfuhren von wichtigen Industriemetallen aus Russland deutlich gesteigert. Wie aus von Reuters zusammengestellten Informationen von der internationalen Datenbank United Nations Comtrade hervorgeht, importierten die EU und die USA von März bis Juni bis zu 70 Prozent mehr Aluminium und Nickel im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum.

Der Gesamtwert der Einfuhr dieser zwei Metalle belief sich im Berichtszeitraum auf 1,98 Milliarden Dollar. Die Preise für diese beiden Metalle kletterten kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar auf Rekordhöhen.

Der Westen hat wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine Sanktionen gegen diverse russische Produkte, Personen und Einrichtungen verhängt, jedoch die Industriemetalle größtenteils ausgespart. Russland zählt zu den Ländern mit den reichsten Rohstoffvorkommen. Neben den Energieträgern Erdöl und Erdgas sowie Kohle verfügt das Land über wichtige Bodenschätze wie Eisenerz, Nickel, Kupfer, Aluminium und Gold. rtr

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Vestager stoppt Biotech-Deal

Die EU-Kommission hat die geplante Übernahme des US-Biotech-Unternehmens Grail durch Illumina untersagt. Die Transaktion könne den Wettbewerb um einen blutbasierten Früherkennungstest für Krebs behindern, sagte die zuständige Vizepräsidentin Margrethe Vestager. Sie ordnete an, Illumina müsse die bereits abgeschlossene, 7,1 Milliarden Dollar teure Übernahme rückabwickeln. Das US-Unternehmen kündigte an, vor Gericht Berufung einzulegen.

Die Kommission argumentiert, die Grail-Transaktion gebe Illumina einen Anreiz, die Konkurrenten vom Zugang zu seiner eigenen Technologie abzuschneiden, auf die diese angewiesen seien. “Es ist von entscheidender Bedeutung, den Wettbewerb zwischen den Entwicklern von Krebsfrüherkennungstests in diesem kritischen Stadium der Entwicklung zu erhalten”, sagte Vestager.

Um die kartellrechtlichen Bedenken zu zerstreuen, hatte Illumina Konkurrenten unter anderem kostenlose Lizenzen für einige Patente angeboten. Das überzeugte die Brüsseler Wettbewerbshüter aber nicht. In den USA hatte die Aufsichtsbehörde Federal Trade Commission (FTC) ebenfalls Bedenken angemeldet. Ein Verwaltungsrichter wies die Klage gegen den Deal aber ab. Die FTC kündigte darauf an, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen. rtr/tho

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Presseschau

“Putins Einnahmen begrenzen”: Das ist von der Leyens Fünf-Punkte-Plan für die Gaskrise NACHRICHTEN
Bund will kurzfristig mehr Strom aus Biogas und Solar ZEIT
Liz Truss kündigt Reformen bei Wirtschaft, Energie und Gesundheit an ZEIT
EU könnte Visaerleichterung für Russen ab Montag aufheben WALLSTREET-ONLINE
Frankreich nimmt stillgelegte Gaspipeline nach Deutschland wieder in Betrieb SPIEGEL
EU-Kommission: Förderung für neue Gaspipeline zwischen Frankreich und Spanien nicht vorgesehen T-ONLINE
Frankreich stellt Vorteile der EU-“Go-to-Gebiete” für Erneuerbare infrage EURACTIV
Längere Update-Zyklen und Recht auf Reparatur: EU will nachhaltigere Smartphones und Tablets COMPUTERWOCHE
Europe’s summer fires released highest emissions since 2007 EUOBSERVER

Heads

Frauke Thies – Klimaexpertin für die Agora

Frauke Thies ist Exekutivdirektorin bei Agora Energiewende.
Frauke Thies ist Exekutivdirektorin bei Agora Energiewende.

Auch wenn Frauke Thies ihre Stelle erst vor wenigen Wochen angetreten hat, hat sich schon eine Art typischer Tagesablauf herauskristallisiert. Tagsüber ist die Woche vollgepackt mit Terminen, Treffen und Veranstaltungen mit Entscheidungsträgern und Forschenden aus dem Energie- und Klima-Bereich. Abends versucht sie, Zeit mit der Familie zu verbringen.

Seit dem 1. Juli 2022 leitet Frauke Thies die Agora Energiewende, in Doppelspitze mit dem bisherigen Geschäftsführer Markus Steigenberger. Die Stelle war vakant geworden, nachdem der langjährige Chef des Think-Tanks, Patrick Graichen, als Staatssekretär ins Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wechselte.

Die Umwelt- und Wirtschaftswissenschaftlerin bringt einen großen Erfahrungsschatz mit, den sie in mehr als zehn Jahren in verschiedenen Organisationen im Klimaschutz- und Energiebereich gesammelt hat. Zuletzt leitete sie das Klimaschutz-Portfolio der Open Society Foundations in Europa. Zuvor war sie unter anderem Geschäftsführerin des europäischen Unternehmensverbands für digitale und dezentrale Energielösungen, smartEn, und politische Direktorin bei Solarpower Europe.

Europäische Arbeit von Brüssel aus stärken 

Bei Agora Energiewende soll Thies nun die europäische Arbeit des Think-Tanks stärken. Dafür ist sie vorrangig im Brüsseler Büro tätig. Hier kennt sich Frauke Thies aus: Bereits seit Jahren lebt sie im Großraum Brüssel, mit Partner und drei Kindern.

Agora steht im Austausch mit Menschen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um in Deutschland, Europa und weltweit Klimaneutralität voranzubringen. “Letztendlich geht es uns um die Gestaltung von politisch umsetzbaren Lösungen”, sagt Thies. Die Experten erarbeiten wissenschaftlich fundierte Analysen und suchen die Diskussion mit betroffenen Akteuren, um zu identifizieren, welches die zentralen Schritte zur Klimaneutralität sind, welche Rahmenbedingungen dafür notwendig sind und welche Maßnahmen die Transformation weiter beschleunigen können.

Aufgrund der aktuellen politischen Lage beschäftigen sich die Expertinnen und Experten in dem Think-Tank derzeit aber vor allem mit Maßnahmen, um verantwortungsvoll durch die Energiekrise zu kommen. Dazu gehören Konzepte zu Gaseinsparungen in Haushalten und Industrie, zum Beispiel über Wärmepumpen. “Klimaschutz und Energiesicherheit gehen Hand in Hand. Wir arbeiten daran, dass die aktuell in Deutschland und in Europa diskutierten Lösungen klimapolitisch sinnvoll gestaltet werden”, sagt Thies.

Seit der Schulzeit Sorge um die Umwelt

Das Thema Klimawandel und Umwelt beschäftigt Frauke Thies schon seit der Schulzeit. Damals war der Atomausstieg großes Thema. Als Schülerin ging sie auf Demos und organisierte Veranstaltungen zum Thema Kernenergie. An der Universität in Lüneburg, wo sie Umweltwissenschaften studierte, organisierte sie eine Ringvorlesung rund um den Themenkomplex Transformation, mit Rednern aus der Wissenschaft und der Wirtschaft.

Sich in Themen zu vertiefen ist aber nicht nur etwas, dass Thies im Berufsleben tut, sondern auch gerne im Privaten. Denn auch in ihrer Freizeit schätzt sie es sehr, mit Freunden und Freundinnen zu diskutieren und lange Gespräche zu führen. Wenn am Abend, nachdem ihr jüngstes Kind im Bett ist, noch etwas Zeit bleibt, greift sie gerne zu einem guten Buch. Da darf es auch schon mal etwas Unterhaltsames sein: “Ich bin eine ziemlich diskriminierungsfreie Leserin”, sie und lacht. Sarah Tekath

  • Agora Energiewende
  • Energie
  • Europapolitik
  • Klima & Umwelt
  • Klimapolitik
  • Klimaschutz

Apéropa

Alle reden von Lieferketten. Alle reden von China. Dabei weiß die EU-Kommission zu oft zu wenig über wichtige Lieferketten.

Das hat auch Kommissarin Stella Kyriakides nun eingestehen müssen: Auf Anfrage einer italienischen ID-Abgeordneten musste Sie einräumen, dass Brüssel nicht nur bei Medizin, Chips und vielen anderen Produkten und Vorprodukten im Dunkeln tappt. Dabei ging es um Beziehungen, die in ganz Europa einen hohen Stellenwert haben. Und möglicherweise sogar ganz maßgeblich das Wohlergehen Chinas beeinflussen könnten – ganz im Sinne strategischen Abhängigkeitsgleichgewichtes.

Nur: Ob das so ist? Die EU-Kommission hat dazu keine Kenntnisse. Es gibt keine relevanten EU-Regeln beim Export aus der EU. Hilft vielleicht die Dual-Use-Verordnung? Nein, die gilt hier wohl auch nicht. Ob die im Februar vorgeschlagene CSR-Due Diligence-Richtlinie das Problem perspektivisch löst? Nur, wenn Mitgliedstaaten und Parlament massiv auch auf die Gegenrichtung globaler Lieferketten schauen.

Solange bleibt allerdings weiter unklar, ob dies ein Hebel ist, um die Volksrepublik im Fall der Fälle an die kurze Leine zu nehmen. Dabei hatte Thierry Breton doch gerade erst betont, worum es in der Auseinandersetzung gehe: “Ein Europa, das sich nicht in sein Schneckenhaus zurückzieht und alles selbst produzieren will, sondern ein Europa, das seine gesamte Versorgung vor den Gefahren der geopolitischen Wertschöpfungsketten schützt.”

Worum es jetzt ging? Ob Hunde und Katzen aus der EU für chinesische Teller exportiert würden, lautete die Frage der italienischen Abgeordneten. Die Antwort: Keine Ahnung, es gebe keine EU-Vorschriften, die dem klar entgegenstünden. Bon Appetit, Global Europe. Falk Steiner

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    in unserer Vorschau auf den Herbst nehmen wir heute die EU-Verkehrspolitik in den Blick. Eine zügige Einigung zwischen EU-Parlament und Rat wird bei den Vorschlägen zum Verbrenner-Aus 2035 und den verschärften CO2-Flottengrenzwerten für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge erwartet. Anders dürfte es beim Dossier zum Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur (AFIR) aussehen. Mit großer Spannung erwartet werden die ausstehenden Vorschläge der Kommission, etwa für die Schadstoffregulierung im Verkehr (Euro 7) und die CO2-Flottenregulierung bei schweren Nutzfahrzeugen. Markus Grabitz gibt einen Überblick über die Zeitpläne und mögliche Konfliktlinien. 

    “Golden Power Rules” – so wird Italiens FDI-Screening-Mechanismus genannt. Unter Mario Draghi hat das Land Investitionen aus China vergleichsweise streng geprüft. Seit seinem Amtsantritt im Februar 2021 wurden so unter anderem drei chinesische Übernahmen verhindert. Der kritische Kurs gegenüber China könnte sich nach der Parlamentswahl noch deutlich verschärfen, wie Amelie Richter analysiert: Favoritin Giorgia Meloni, Chefin der Fratelli d’Italia, ist mit einem klaren Anti-China-Ansatz angetreten und hat mit einem Foto gezeigt, dass sie auch in Bezug auf Chinas Taiwan-Politik auf Konfrontation gehen dürfte.

    Die Stelle für die Leitung der Agora Energiewende war vakant geworden, nachdem der langjährige Chef Patrick Graichen als Staatssekretär ins Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gewechselt war. Nun leitet Frauke Thies den Think-Tank als Teil einer Doppelspitze. Ihr Schwerpunkt liegt in Brüssel, von wo aus sie die europäische Arbeit der Agora stärken soll. Das Thema, das die Expertinnen und Experten zurzeit vor allem umtreibt: Wie kommen wir klimapolitisch sinnvoll durch die Energiekrise? Mehr über Thies erfahren Sie im Porträt von Sarah Tekath

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    Sarah Schaefer
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    Analyse

    Ausblick: Die Herbst-Agenda der EU-Verkehrspolitik

    Die Auto-relevanten Vorschläge der Kommission aus dem Fit-for-55-Paket sind auf der Zielgeraden der Gesetzgebung. Es geht um die beiden zentralen Instrumente, die den Ausstoß von Treibhausgasemissionen im Verkehr bis 2030 um 90 Prozent senken sollen. Zügig dürften sich die Co-Gesetzgeber – EU-Parlament und Rat – bei dem ersten Dossier einigen, bei dem es auf das Verbrenner-Aus im Jahr 2035 sowie die verschärften CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge hinausläuft.

    Anders sieht es bei dem zweiten Dossier aus, bei dem es um den Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur (AFIR) geht. Das Parlament wird erst in der zweiten Sitzungswoche im Oktober (ab 18.10.) über den Bericht abstimmen. Wenn die Abstimmung gelaufen ist, wird der Zeitplan für den Trilog erstellt.

    Verordnung zum Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR)

    Terminplan: Beim heutigen Treffen von Ertug mit den Schattenberichterstattern soll ein kompromissfähiger Text gezimmert werden, der am 3. Oktober im Ausschuss abgestimmt wird. Wenn es schnell geht, wird noch in der zweiten Oktober-Sitzungswoche im Straßburger Plenum abgestimmt. Frühestens im November geht der Trilog los, der sicher nicht von der tschechischen Ratspräsidentschaft bis Weihnachten abgeschlossen wird. Mit einem Ergebnis wird frühestens im Frühjahr 2023 gerechnet.

    Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass die Mitgliedstaaten im öffentlichen Raum entlang den Magistralen eine Mindestanzahl von Ladepunkten für E-Flotten und Wasserstofffahrzeuge schaffen. Die Zahl richtet sich nach der jeweiligen Flottengröße der Fahrzeuge mit den alternativen Antrieben. Für reine E-Autos (BEV) soll mehr Ladeleistung vorgehalten werden als für Plug-In-Hybride. Der Mindestabstand zwischen den Ladestationen wird ebenfalls definiert.

    Auch die Versorgung mit Flüssigmethan sowie der Aufbau der Stromversorgung für Flugzeuge in Park- und Wartepositionen sowie von Schiffen in Binnen- und Seehäfen sollen geregelt werden. Konfliktpotenzial: Die Mitgliedstaaten stehen eher auf der Bremse, das Parlament will ehrgeiziger vorangehen und würde auch gern Strafzahlungen von 1000 Euro für jeden Ladepunkt durchsetzen, der nicht geschaffen wurde.

    Akteure: Frans Timmermans (Vize-Präsident der Kommission, zuständig für den Green Deal); Berichterstatter Ismail Ertug (SPD); Schatten-Berichterstatter Jens Gieseke (CDU), zuständiger Ausschuss im EP: Verkehrsausschuss (TRAN)

    Der AFIR-Vorschlag stammt vom 14. Juli 2021

    Verbrenner-Aus 2035 und CO2-Flottenregulierung

    Terminplan: Berichterstatter Jan Huitema dürfte bei der Sitzung des ENVI am Donnerstag die ersten Termine für den Trilog bekannt geben. Es wird damit gerechnet, dass höchstens drei Trilog-Sitzungen nötig sind, um eine Einigung zu erzielen. Es zeichnet sich ab, worauf man sich einigen wird: Parlament und Mitgliedstaaten wollen, dass ab 2035 keine Pkw mit Verbrennungsmotoren mehr neu in der EU zugelassen werden. Außerdem sollen die Hersteller bei Pkw-Neufahrzeugen den CO2-Ausstoß von 2021 bis 2030 noch einmal um 55 Prozent senken und bei Lieferwagen um 50 Prozent. Der Verhandlungsführer des Parlaments will auch noch verbindliche Zwischenziele 2027 einziehen, dürfte damit aber im Trilog keinen Erfolg haben.

    Ein Streitpunkt sind synthetische Kraftstoffe. Parlament und Kommission wollen nicht, dass Hersteller sich den Einsatz von synthetischen Kraftstoffen auf die CO2-Bilanz der Flotten anrechnen lassen können. Die Umweltminister der 27 Mitgliedstaaten haben die Kommission aufgefordert, einen Vorschlag für den Markthochlauf von synthetischen Kraftstoffen zu machen. Damit der Vorschlag noch in die Gesetzgebung integriert werden kann, müsste er zügig kommen. Das ist aber nicht absehbar.

    Akteure: Frans Timmermans (Vize-Präsident der Kommission, zuständig für den Green Deal); Berichterstatter Jan Huitema (Liberale); Schattenberichterstatter Jens Gieseke (CDU); zuständiger Ausschuss im EP: Umweltausschuss (ENVI). Die Ausschüsse für Verkehr (TRAN) und Industrie (ITRE) geben Stellungnahmen ab.

    Die Kommission hat ihren Vorschlag für die CO2-Flottenregulierung am 14. Juli 2021 unterbreitet.

    Schifffahrt

    Die Kommission schlägt vor, bei großen Schiffen ab 5000 Bruttoregistertonnen den Einsatz von fossilen Kraftstoffen ab dem Jahr 2025 Schritt für Schritt zu reduzieren. Das Parlament fordert in einer Entschließung die Abkehr von Schweröl in der Schifffahrt und mehr Investitionen für die Dekarbonisierung der Schifffahrt.

    Akteure: Im Parlament ist der Verkehrsausschuss (TRAN) zuständig; Berichterstatter ist Jörgen Warborn (EVP, Schweden), die Ausschüsse für Industrie (ITRE) und Umwelt (ENVI) sind beteiligt. Im TRAN-Ausschuss soll im Oktober abgestimmt werden, im Plenum im November.

    Luftfahrt

    Im Zuge des Fit-for-55-Pakets schlägt die Kommission vor, Maßnahmen für die Verwendung nachhaltiger Kraftstoffe in der Luftfahrt zu ergreifen. Auf diese Weise sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen für nachhaltigen Luftverkehr entstehen. Die Maßnahmen werden ReFuelEU-Aviation-Inititive genannt.

    Akteure: Im Parlament ist der Verkehrsausschuss (TRAN) federführend. Berichterstatter ist Søren Gade (Liberaler, Dänemark).

    Teil von Fit-for 55 ist zudem das Bestreben der Kommission, die in Europa ansässigen Fluglinien stärker in CORSIA einzubinden, das System der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks. Dafür sollen die Bestimmungen im Emissionshandelssystem (ETS) für die Luftfahrt so geändert werden, dass die Mitgliedstaaten die in der EU ansässigen Fluggesellschaften über ihre Kompensationsverpflichtungen im Rahmen von CORSIA informieren.

    Akteure: Im Parlament ist der Umweltausschuss zuständig. Berichterstatterin ist Sunčana Glavak (EVP, Kroatien).

    Ausstehende Vorschläge der Kommission

    Vorgesehen ist, dass die Kommission am 12. Oktober ihren Vorschlag für die nächste Stufe der Schadstoffregulierung im Verkehr (Euro 7) vorlegt. Davon wären Pkw, Lieferwagen, Busse und Nutzfahrzeuge betroffen – sowohl Verbrenner als auch etwa beim Reifenabrieb E-Autos. Inzwischen gibt es aber erste Hinweise aus der Kommission, dass der Termin erneut verschoben wird. Die Zahl der erfassten Schadstoffe soll ausgeweitet, die Grenzwerte verschärft werden. Die Industrie wartet auf den Euro-7-Vorschlag, sie braucht Planungssicherheit.    

    Am 26. Oktober will die Kommission ihren Vorschlag für die Luftreinhaltungsrichtlinie vorlegen. Vorgesehen ist, dass die Standards zur Luftqualität den sehr strikten Empfehlungen der World Health Organization (WHO) angenähert werden. Die Frage ist, ob die Kommission eine 1:1-Umsetzung der Grenzwerte vorschlägt.

    Am 30. November soll der Vorschlag für die CO2-Flottenregulierung bei schweren Nutzfahrzeugen kommen. Dabei stellt sich wie bei Pkw und Lieferwagen erneut die Frage, ab welchem Jahr keine Lastwagen mehr mit Verbrennungsmotoren in der EU zugelassen werden sollen. Außerdem geht es um die Frage, welche Technologien die Kommission für die Dekarbonisierung zulässt: Gesetzt sind batterieelektrische sowie Lkw mit Brennstoffzelle. Fraglich ist, wie die Kommission mit dem Wasserstoff-Motor und mit synthetischen Kraftstoffen bei Nutzfahrzeugen umgehen will. Mit Claire Stam

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    Wahl in Italien: Favoritin Meloni verfolgt klaren Anti-China-Kurs

    Die Anteile Chinas an Direktinvestitionen in der EU sind im vergangenen Jahr zurückgegangen. 2021 entfielen auf die Volksrepublik gerade einmal noch 2,3 Prozent aller ausländischen Übernahmen, wie die EU-Kommission in einem neuen Bericht mitteilt. Im Jahr 2020 waren es noch 3,4 Prozent. Im Greenfield-Bereich sanken die Investitionen von 7,1 Prozent auf 6 Prozent. Der Begriff Greenfield Investment beschreibt den Neu- oder Zubau beziehungsweise die Erweiterung von Betrieben mit Fokus auf Produktion. Der Wert der FDI aus China stieg jedoch: Waren 2020 noch 6,5 Milliarden Euro investiert worden, waren es in 2021 rund neun Milliarden Euro.

    Strenge chinesische Kapitalkontrollen und die Konzentration auf bestimmte Kernbranchen hätten die Direktinvestitionen aus der Volksrepublik geschmälert, so die Brüsseler Behörde. Zur Erklärung der Entwicklung gehört auch: Einige EU-Staaten haben ihre Prüfungsmechanismen verstärkt und schauen bei möglichen Investitionen genauer hin. Italien galt hier mit der Regierung von Mario Draghi als gutes Vorbild.

    Draghi hat die “Golden Power Rules” – wie Italiens FDI-Screening-Mechanismus genannt wird – mehr als jeder der vorangegangenen Regierungschefs genutzt. Seit seinem Amtsantritt im Februar 2021 wurden die Investitionsprüfungen angewendet, um drei chinesische Übernahmen und die Bedingungen einer Anteilserhöhung durch einen bestehenden Anteilseigner zu verhindern. Eine weitere Übernahme wurde zudem ganz rückgängig gemacht, obwohl diese vor Draghis Amtszeit abgeschlossen worden war.

    “Schizophrene” China-Politik nach der Wahl?

    “Die Golden Power Rules haben sich seit ihrer Einführung im Jahr 2012 sehr gut entwickelt”, sagt Francesca Ghiretti, Analystin beim Berliner China-Forschungsinstitut Merics. Italien verfüge über einen der effektivsten Mechanismen zur Überprüfung ausländischer Investitionen innerhalb der Europäischen Union.

    Für die Überarbeitung der EU-weiten Richtlinien, die für 2023 geplant ist, könne der italienische Ansatz allerdings nur begrenzt dienen: Da die FDI-Screenings auf Basis der nationalen Sicherheit durchgeführt werden und diese in den Hauptstädten entschieden wird, kann Brüssel nie so weit gehen wie die einzelnen Mitgliedsstaaten selbst, erklärt Ghiretti. Die Überarbeitung des Investment-Screenings der EU kann sich also höchstens am italienischen Ansatz ein Vorbild nehmen.

    Die “Golden Power Rules” seien bei Weitem auch nicht perfekt, so Ghiretti. “Die Entscheidungen, welche Investitionen geblockt und welche neu verhandelt werden, sind sehr politisch und hängen davon ab, wer gerade das Land regiert. Das kann dann so oder so laufen.” Und so könnte Screening-Musterschüler Italien bald einen Wandel erfahren.

    Denn wie Rom künftig mit dem FDI-Screening und ausländischen Investitionen umgehen wird, wird nach der Wahl Ende September besonders spannend. Mit dem durchaus wahrscheinlichen Wahlsieg des rechtspopulistischen Bündnisses unter Giorgia Meloni könnte in den Palazzo Chigi eine “schizophrene” China-Politik einziehen, wie Ghiretti es nennt. 

    Meloni mit klarem Anti-China-Ansatz

    Am 25. September wählt Italien ein neues Parlament. Dieses bestimmt dann den Regierungschef – oder wie nun der Fall: möglicherweise Italiens erste Regierungschefin. Favoritin auf das Amt ist die Rechtspopulistin Giorgia Meloni.

    Meloni, Chefin der Fratelli d’Italia, ist bisher mit einem klaren Anti-China-Ansatz angetreten. Ihr Bündnispartner Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Partei Lega und Ex-Premier Silvio Berlusconi hätten in der Vergangenheit jedoch eine eher erratische China-Politik betrieben, urteilt Merics-Analystin Ghiretti. “An einem Tag sprach er sich gegen China aus, an dem nächsten Tag wieder dafür”, sagt Ghiretti mit Blick auf Lega-Chef Salvini, der von Juni 2018 bis September 2019 bereits italienischer Innenminister und Vize-Ministerpräsident war.

    Dass das rechtspopulistische Bündnis seine China-Politik als Druckmittel gegen Brüssel einsetzen könnte, wäre keine große Überraschung, meint Ghiretti. Die inkonsistente Politik und gegensätzliche Aussagen der drei Bündnispartner gegenüber Peking in der Vergangenheit machten einen Ausblick auf die kommende China-Politik unter einer Ministerpräsidentin Meloni schwierig.

    Giorgia Meloni steht seit 2014 an der Spitze der Fratelli d’Italia, einer Partei, die sie zwei Jahre zuvor mitbegründet hatte. Fratelli bezeichnet sich selbst als “national-konservative, nationalistische, traditionalistische, postfaschistische und souveränistische Partei”. Im EU-Parlament sind ihre Mitglieder in der Fraktion der Partei “Europäische Konservative und Reformer” vertreten, unter anderem zusammen mit der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS).

    Zeichen setzen mit Taiwans Vertreter in Rom

    Inhaltlich wird Meloni gern mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán verglichen: ultrakonservative Familienansichten, gegen die LGBTQ-Community gerichtet, migrationsfeindlich. Was China angehe, sei die 45-Jährige jedoch anders gestrickt als Ungarns Regierungschef, sagt die italienische Journalistin Giulia Pompili, die Chinas Aktivitäten in ihrem Heimatland seit Jahren genau verfolgt: “Sowas wie mit der Fudan-Universität in Budapest würde mit Meloni nie passieren.”

    In Ungarns Hauptstadt ist ein erbitterter Streit über die geplante Einrichtung eines ungarischen Ablegers der chinesischen Fudan-Universität ausgebrochen (China.Table berichtete). Während die rechtsnationale Regierung um Orbán den Bau vorantreibt, kritisierten aufgebrachte Bürger, dass damit eine von der Kommunistischen Partei Chinas kontrollierte Einrichtung aus ungarischen Steuergeldern finanziert werden solle. Die italienische Rechtspopulistin Meloni sei vielmehr “trumpisch” unterwegs, quasi “Italy First”.

    Wegen dieses Fokus habe die mögliche nächste Ministerpräsidentin bisher auf außenpolitischen Bühnen auch so gut wie gar nicht stattgefunden, meint Pompili. “Sie war bisher sehr auf die italienischen Angelegenheiten fokussiert.” Seit einigen Wochen sei nun aber auch China in Melonis Aufmerksamkeitskreis gerückt – und dabei geht sie in die Vollen. Ende Juli veröffentlichte sie ein Foto mit Andrea Sing-Ying Lee, dem taiwanischen Vertreter in Italien, auf Twitter. Besonders auffallend dabei: Meloni spricht von ihm als “Botschafter” – eine Formulierung, die in Peking nicht gern gesehen wird. Die Politikerin habe damit ganz klar ein Zeichen setzen wollen, urteilt Journalistin Pompili.

    Zentristen ohne Plan

    Diese Stoßrichtung der nächsten möglichen Ministerpräsidentin Italiens werde auch Einfluss auf die ausländischen Investitionen haben: “Ich schätze, dass unter einer Meloni-Regierung die Direktinvestitionen aus China dramatisch fallen werden“, sagt Pompili – auch wenn natürlich nicht die gesamte Führungsriege aus der rechtspopulistischen Fratelli d’Italia stammen wird.

    Wer im Falle des Wahlsiegs für Meloni, Berlusconi und Salvini das Amt des Außenministers oder der Außenministerin besetzen wird, ist noch nicht klar. Meloni hat jedoch den ehemaligen italienischen Außenminister Giulio Terzi di Sant’Agata auf ihre Wahlliste gesetzt. Das bedeutet nicht, dass dieser den Posten abermals ausfüllen wird. Der 76-Jährige, der für eine klare Anti-China-Politik bekannt ist, bewegt sich aber im engeren Dunstkreis der Rechtspopulistin.

    Meloni profitiert im Wahlkampf derzeit stark von der Planlosigkeit der Zentristen um Enrico Letta. “Letta äußert sich kaum zu Außenpolitik oder China”, sagt Journalistin Pompili. Innerhalb der Demokraten sei keine richtige Position erkennbar. Letta habe sich zwar für den Schutz ausländischer Investitionen und den gleichzeitigen Schutz kritischer Infrastruktur in Italien ausgesprochen – einen genauen Fahrplan dafür gebe es bei Letta aber nicht, urteilt Pompili.

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    Gefahr von Gas-Lieferstopp: Italien plant Einsparungen

    Italien will wegen der Gefahr einer Unterbrechung von russischen Lieferungen Gas einsparen und sich so für den kommenden Winter wappnen. Die Maßnahmen dienten dazu, die Risiken eines möglichen totalen Lieferstopps aus Russland im kommenden Winter zu senken und um auf die EU-Anforderungen zur Verringerung des Konsums zu antworten, teilte das Ministerium für den ökologischen Wandel am Dienstag in Rom mit.

    Der zuständige Minister Roberto Cingolani sieht dem Plan zufolge ein Einsparpotenzial von 5,3 Milliarden Kubikmeter Gas. Dies ergebe sich daraus, Strom aus anderen Quellen als Gas zu produzieren (2,1 Milliarden Kubikmeter) und weniger zu heizen (3,2 Milliarden Kubikmeter).

    Die Maßnahmen seien lediglich eine erste Prognose, betonte das Ministerium. Derzeit liefen noch Gespräche mit Unternehmerverbänden und Firmen über weitere Einsparmöglichkeiten. Bei den Energie-Alternativen für die Stromproduktion denkt das Ministerium dem Plan zufolge hauptsächlich an Kohle. Außerdem will Cingolani die Heizperiode um 15 Tage reduzieren und die Heizkraftwerke am Tag eine Stunde weniger laufen lassen. Zusätzlich will das Ministerium mit einer Raumtemperatur um 17 Grad Celsius etwa in Industriebetrieben und ungefähr 19 Grad Celsius in den übrigen Gebäuden weiter Energie sparen. Davon ausgenommen sind zum Beispiel Krankenhäuser.

    Italien deckte im Jahr 2021 und damit vor dem Krieg Russlands in der Ukraine seinen Gas-Bedarf von jährlich 76 Milliarden Kubikmetern mit 29 Milliarden Kubikmetern aus Moskau ab. Das Mittelmeerland schloss nach Kriegsbeginn neue Lieferverträge mit anderen Staaten. Bis 2025 will Italien 25 Milliarden Kubikmeter russischen Gases mit dem aus anderen Ländern ersetzt haben. Stand 1. September waren die Gas-Speicher Italiens zu 83 Prozent gefüllt. Das angepeilte Ziel liegt laut Ministerium bei 90 Prozent. dpa

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    EU-Kommission: Keine Förderung für MidCat-Pipeline

    In der Debatte über eine mögliche dritte Gaspipeline zwischen Frankreich und Spanien hat die Kommission klargestellt, dass dafür zunächst keine EU-Förderung vorgesehen ist. Die MidCat-Pipeline stehe nicht auf der Liste sogenannter Vorhaben von gemeinsamem Interesse, sagte ein Kommissionssprecher am Dienstag. Spanien und Frankreich hätten sich in der Vergangenheit dagegen ausgesprochen, das Projekt in die Liste für besonders zu fördernde Projekte aufzunehmen. Angesichts der angespannten Lage an den Energiemärkten hatten Spanien und auch Deutschland sich für die Pipeline eingesetzt, Frankreich sprach sich zuletzt jedoch dagegen aus.

    Die Liste mit Vorhaben von gemeinsamem Interesse (PCIs) legt Projekte für die europäische Energieinfrastruktur fest, die schneller genehmigt und mit EU-Geldern unterstützt werden können. Die EU-Länder hatten die letzte Version der Liste im Mai angenommen und dafür gestimmt, künftig keine neuen Projekte mit fossilen Brennstoffen wie Gas oder Öl zu fördern.

    Absage von Frankreich

    “Potenziell förderfähig wären Wasserstoffinfrastrukturprojekte”, sagte der Kommissionssprecher. Als Beispiel nannte er Verbindungen von Flüssiggasterminals (LNG) auf der iberischen Halbinsel zum Rest Europas, durch die in Zukunft auch umweltfreundlicher Wasserstoff geliefert werden könnte. Er betonte jedoch: “Das Projekt ist noch nicht in einem Stadium, in dem wir beurteilen können, ob es für diese Finanzierung infrage kommt.”

    Am Montag hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron dem Vorhaben eine Absage erteilt. Spaniens Ministerin für Ökologischen Wandel, Teresa Ribera, beharrte auf dem Pipeline-Projekt. “Die MidCat-Debatte kann nicht durch die Erklärung eines Landes beendet werden”, sagte sie am Dienstag dem Radiosender Onca Cero.

    Unkomplizierter verläuft es mit den Energie-Lieferungen zwischen Frankreich und Deutschland: Frankreich nimmt im Grenzgebiet zu Rheinland-Pfalz eine stillgelegte Gas-Pipeline wieder in Betrieb. Die eigentlich für Lieferungen nach Frankreich gebaute Leitung soll zum Winter Gas nach Deutschland bringen, sagen französische Regierungsbeamte. Ingesamt können demnach über die Leitung bis zu zwei Prozent des deutschen Bedarfs geliefert werden.

    Am Montag hatten Deutschland und Frankreich sich auf Energie-Lieferungen in der Krise verständigt. Frankreich bekommt angesichts reparaturanfälliger AKW Strom aus Deutschland, umgekehrt soll Gas fließen. dpa/rtr

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    Neue Visa-Regelungen für Russen ab kommender Woche

    Die vollständige Aussetzung des Abkommens zwischen der EU und Russland über Visa-Erleichterungen dürfte Anfang nächster Woche in Kraft treten. Das kündigte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson in Brüssel an. Dieser Schritt, der auf dem EU-Außenministertreffen vergangene Woche in Prag beschlossen wurde, macht die Einreise in die EU für Russen etwas schwieriger, aber nicht unmöglich.

    “Russland ist verantwortlich für eine ungerechtfertigte, unprovozierte militärische Aggression”, sagte Johansson am Dienstag. “Russische Bürger sollten keinen einfachen Zugang zur EU haben, und natürlich ist es kein Grundrecht, sich als Tourist in der EU aufzuhalten.” 

    Konkret wird die Gebühr für ein Schengen-Visum von 35 Euro auf 80 Euro angehoben, die Standardbearbeitungszeit wird von 10 auf 15 Tage verlängert und die Anzahl der geforderten Nachweise wird erhöht.

    Die EU-Kommission hat den Vorschlag der Staaten vergangene Woche angenommen. Nun müssen die 27 Mitglieder ihn formell genehmigen. Johansson zeigte sich zuversichtlich, dass dies noch in dieser Woche geschehen wird. “Ab Montagmorgen werden wir dann eine neue gemeinsame Visaregelung haben”, sagte sie.

    Umgang mit gültigen Schengen-Visa

    Seit Wochen drängten vor allem die baltischen und nordischen Staaten, die eine gemeinsame Grenze mit Russland haben, auf einen “Visa-Bann” für russische Touristen. Deutschland, Frankreich und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell lehnten dies aus moralischen und taktischen Gründen ab. Diese Aussetzung war also ein Kompromiss.

    Derzeit gebe es weniger als eine Million gültige Schengen-Visa für Russen, sagte Johansson am Dienstag. Die Kommission arbeite noch an einer gemeinsamen Linie, wie damit umzugehen sei. Diese könnte nächste Woche vorgelegt werden. Es gehe auch darum, sicherzustellen, “dass wir immer offen sind für diejenigen, die geschützt werden müssen, und sie schützen”. In diesem Zusammenhang nannte sie Journalisten, Dissidenten, Menschenrechtsaktivisten, Studenten und Menschen, die aus familiären Gründen reisen.

    Die Zahl von einer Million ist deutlich niedriger als die 12 Millionen, die beispielsweise der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis angegeben hat. Sein Land diskutiert mit Estland, Finnland, Lettland und Polen über eine regionale Lösung mit wesentlich strengeren Regeln. Helsinki hat bereits damit begonnen, die Zahl der Visa für Russen um 90 Prozent zu reduzieren. Viele russische Touristen sind aufgrund des Flugverbots auf dem Landweg nach Finnland eingereist. joy

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    EU und USA importieren trotz Ukraine-Krieg mehr Industriemetalle aus Russland

    Die EU und die USA haben Handelsdaten zufolge trotz des Ukraine-Kriegs ihre Einfuhren von wichtigen Industriemetallen aus Russland deutlich gesteigert. Wie aus von Reuters zusammengestellten Informationen von der internationalen Datenbank United Nations Comtrade hervorgeht, importierten die EU und die USA von März bis Juni bis zu 70 Prozent mehr Aluminium und Nickel im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum.

    Der Gesamtwert der Einfuhr dieser zwei Metalle belief sich im Berichtszeitraum auf 1,98 Milliarden Dollar. Die Preise für diese beiden Metalle kletterten kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar auf Rekordhöhen.

    Der Westen hat wegen des russischen Einmarsches in die Ukraine Sanktionen gegen diverse russische Produkte, Personen und Einrichtungen verhängt, jedoch die Industriemetalle größtenteils ausgespart. Russland zählt zu den Ländern mit den reichsten Rohstoffvorkommen. Neben den Energieträgern Erdöl und Erdgas sowie Kohle verfügt das Land über wichtige Bodenschätze wie Eisenerz, Nickel, Kupfer, Aluminium und Gold. rtr

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    Vestager stoppt Biotech-Deal

    Die EU-Kommission hat die geplante Übernahme des US-Biotech-Unternehmens Grail durch Illumina untersagt. Die Transaktion könne den Wettbewerb um einen blutbasierten Früherkennungstest für Krebs behindern, sagte die zuständige Vizepräsidentin Margrethe Vestager. Sie ordnete an, Illumina müsse die bereits abgeschlossene, 7,1 Milliarden Dollar teure Übernahme rückabwickeln. Das US-Unternehmen kündigte an, vor Gericht Berufung einzulegen.

    Die Kommission argumentiert, die Grail-Transaktion gebe Illumina einen Anreiz, die Konkurrenten vom Zugang zu seiner eigenen Technologie abzuschneiden, auf die diese angewiesen seien. “Es ist von entscheidender Bedeutung, den Wettbewerb zwischen den Entwicklern von Krebsfrüherkennungstests in diesem kritischen Stadium der Entwicklung zu erhalten”, sagte Vestager.

    Um die kartellrechtlichen Bedenken zu zerstreuen, hatte Illumina Konkurrenten unter anderem kostenlose Lizenzen für einige Patente angeboten. Das überzeugte die Brüsseler Wettbewerbshüter aber nicht. In den USA hatte die Aufsichtsbehörde Federal Trade Commission (FTC) ebenfalls Bedenken angemeldet. Ein Verwaltungsrichter wies die Klage gegen den Deal aber ab. Die FTC kündigte darauf an, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen. rtr/tho

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    “Putins Einnahmen begrenzen”: Das ist von der Leyens Fünf-Punkte-Plan für die Gaskrise NACHRICHTEN
    Bund will kurzfristig mehr Strom aus Biogas und Solar ZEIT
    Liz Truss kündigt Reformen bei Wirtschaft, Energie und Gesundheit an ZEIT
    EU könnte Visaerleichterung für Russen ab Montag aufheben WALLSTREET-ONLINE
    Frankreich nimmt stillgelegte Gaspipeline nach Deutschland wieder in Betrieb SPIEGEL
    EU-Kommission: Förderung für neue Gaspipeline zwischen Frankreich und Spanien nicht vorgesehen T-ONLINE
    Frankreich stellt Vorteile der EU-“Go-to-Gebiete” für Erneuerbare infrage EURACTIV
    Längere Update-Zyklen und Recht auf Reparatur: EU will nachhaltigere Smartphones und Tablets COMPUTERWOCHE
    Europe’s summer fires released highest emissions since 2007 EUOBSERVER

    Heads

    Frauke Thies – Klimaexpertin für die Agora

    Frauke Thies ist Exekutivdirektorin bei Agora Energiewende.
    Frauke Thies ist Exekutivdirektorin bei Agora Energiewende.

    Auch wenn Frauke Thies ihre Stelle erst vor wenigen Wochen angetreten hat, hat sich schon eine Art typischer Tagesablauf herauskristallisiert. Tagsüber ist die Woche vollgepackt mit Terminen, Treffen und Veranstaltungen mit Entscheidungsträgern und Forschenden aus dem Energie- und Klima-Bereich. Abends versucht sie, Zeit mit der Familie zu verbringen.

    Seit dem 1. Juli 2022 leitet Frauke Thies die Agora Energiewende, in Doppelspitze mit dem bisherigen Geschäftsführer Markus Steigenberger. Die Stelle war vakant geworden, nachdem der langjährige Chef des Think-Tanks, Patrick Graichen, als Staatssekretär ins Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz wechselte.

    Die Umwelt- und Wirtschaftswissenschaftlerin bringt einen großen Erfahrungsschatz mit, den sie in mehr als zehn Jahren in verschiedenen Organisationen im Klimaschutz- und Energiebereich gesammelt hat. Zuletzt leitete sie das Klimaschutz-Portfolio der Open Society Foundations in Europa. Zuvor war sie unter anderem Geschäftsführerin des europäischen Unternehmensverbands für digitale und dezentrale Energielösungen, smartEn, und politische Direktorin bei Solarpower Europe.

    Europäische Arbeit von Brüssel aus stärken 

    Bei Agora Energiewende soll Thies nun die europäische Arbeit des Think-Tanks stärken. Dafür ist sie vorrangig im Brüsseler Büro tätig. Hier kennt sich Frauke Thies aus: Bereits seit Jahren lebt sie im Großraum Brüssel, mit Partner und drei Kindern.

    Agora steht im Austausch mit Menschen aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, um in Deutschland, Europa und weltweit Klimaneutralität voranzubringen. “Letztendlich geht es uns um die Gestaltung von politisch umsetzbaren Lösungen”, sagt Thies. Die Experten erarbeiten wissenschaftlich fundierte Analysen und suchen die Diskussion mit betroffenen Akteuren, um zu identifizieren, welches die zentralen Schritte zur Klimaneutralität sind, welche Rahmenbedingungen dafür notwendig sind und welche Maßnahmen die Transformation weiter beschleunigen können.

    Aufgrund der aktuellen politischen Lage beschäftigen sich die Expertinnen und Experten in dem Think-Tank derzeit aber vor allem mit Maßnahmen, um verantwortungsvoll durch die Energiekrise zu kommen. Dazu gehören Konzepte zu Gaseinsparungen in Haushalten und Industrie, zum Beispiel über Wärmepumpen. “Klimaschutz und Energiesicherheit gehen Hand in Hand. Wir arbeiten daran, dass die aktuell in Deutschland und in Europa diskutierten Lösungen klimapolitisch sinnvoll gestaltet werden”, sagt Thies.

    Seit der Schulzeit Sorge um die Umwelt

    Das Thema Klimawandel und Umwelt beschäftigt Frauke Thies schon seit der Schulzeit. Damals war der Atomausstieg großes Thema. Als Schülerin ging sie auf Demos und organisierte Veranstaltungen zum Thema Kernenergie. An der Universität in Lüneburg, wo sie Umweltwissenschaften studierte, organisierte sie eine Ringvorlesung rund um den Themenkomplex Transformation, mit Rednern aus der Wissenschaft und der Wirtschaft.

    Sich in Themen zu vertiefen ist aber nicht nur etwas, dass Thies im Berufsleben tut, sondern auch gerne im Privaten. Denn auch in ihrer Freizeit schätzt sie es sehr, mit Freunden und Freundinnen zu diskutieren und lange Gespräche zu führen. Wenn am Abend, nachdem ihr jüngstes Kind im Bett ist, noch etwas Zeit bleibt, greift sie gerne zu einem guten Buch. Da darf es auch schon mal etwas Unterhaltsames sein: “Ich bin eine ziemlich diskriminierungsfreie Leserin”, sie und lacht. Sarah Tekath

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    Apéropa

    Alle reden von Lieferketten. Alle reden von China. Dabei weiß die EU-Kommission zu oft zu wenig über wichtige Lieferketten.

    Das hat auch Kommissarin Stella Kyriakides nun eingestehen müssen: Auf Anfrage einer italienischen ID-Abgeordneten musste Sie einräumen, dass Brüssel nicht nur bei Medizin, Chips und vielen anderen Produkten und Vorprodukten im Dunkeln tappt. Dabei ging es um Beziehungen, die in ganz Europa einen hohen Stellenwert haben. Und möglicherweise sogar ganz maßgeblich das Wohlergehen Chinas beeinflussen könnten – ganz im Sinne strategischen Abhängigkeitsgleichgewichtes.

    Nur: Ob das so ist? Die EU-Kommission hat dazu keine Kenntnisse. Es gibt keine relevanten EU-Regeln beim Export aus der EU. Hilft vielleicht die Dual-Use-Verordnung? Nein, die gilt hier wohl auch nicht. Ob die im Februar vorgeschlagene CSR-Due Diligence-Richtlinie das Problem perspektivisch löst? Nur, wenn Mitgliedstaaten und Parlament massiv auch auf die Gegenrichtung globaler Lieferketten schauen.

    Solange bleibt allerdings weiter unklar, ob dies ein Hebel ist, um die Volksrepublik im Fall der Fälle an die kurze Leine zu nehmen. Dabei hatte Thierry Breton doch gerade erst betont, worum es in der Auseinandersetzung gehe: “Ein Europa, das sich nicht in sein Schneckenhaus zurückzieht und alles selbst produzieren will, sondern ein Europa, das seine gesamte Versorgung vor den Gefahren der geopolitischen Wertschöpfungsketten schützt.”

    Worum es jetzt ging? Ob Hunde und Katzen aus der EU für chinesische Teller exportiert würden, lautete die Frage der italienischen Abgeordneten. Die Antwort: Keine Ahnung, es gebe keine EU-Vorschriften, die dem klar entgegenstünden. Bon Appetit, Global Europe. Falk Steiner

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

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